Mai 2001 | Jahrgang 3, Nr. 1

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Mai 2001 | Jahrgang 3, Nr. 1
BRÜCKEN
BRÜCKEN
ICTSD
Zwischen Handel und Zukunftsfähiger Entwicklung
INTERNATIONAL CENTRE FOR
TRADE AND SUSTAINABLE
DEVELOPMENT
MAI 2001
Jahrgang 3 Nr. 1
Editorial
In der Politik wie im “Leben” ist Mann/Frau vor Fallstricken
und bösen Überraschungen nicht gefeit. So stürzte Al Gore
über Auszählungsschwierigkeiten bei den US-amerikanischen
Präsidentschaftswahlen Ende des vergangenen Jahres.
Das Kyoto-Protokoll muß ohne eine amerikanische Unterschrift
auf festen Grund gesetzt werden. Und die Frühjahrsausgabe
von BRÜCKEN scheiterte an einem Knöchelbruch der Genfer
Redakteurin der englischsprachigen Ausgabe BRIDGES. Wir
wünschen ihr gute Besserung! Da bekanntlich der Wonne-Monat Mai “alles neu macht” startet die erste Ausgabe des Jahres
2001 deshalb umfangreich zum 1. Juni.
Die nächste Ausgabe wird wieder wie üblich im
Zweimonatsrhytmus erscheinen. Wir berichten dann ausführlich über die Klimakonferenz in Bonn.
IN DIESER AUSGABE
Doha: Runde oder keine ist hier nicht die Frage
3
NGOs auf dem Weg von Seattle nach Doha
6
Daumenschrauben werden weiter angezogen
7
Neue Phase der WTO-Dienstleistungsverhandlungen
8
Entwicklungsländer gewinnen Boden ...
12
Afrikanische Staaten machen zahlreiche Vorschläge
für die zweite Phase der Agrarverhandlungen
14
WTO und PPMs: Zeit ein Tabu zu brechen
15
Streitschlichtungsecke
16
WTO-Nachrichten
18
Haltung der USA zur Klimawandel
22
Festbankett oder Hungersnot:
Amerikanische Handelspolitik 2001
24
Südafrika's Patentprozeß könnte wesentliche
Klärung der TRIPS-Regeln ankündigen
27
EU setzt mit Marktöffnungsangebot für LDCs
Meilenstein in der Vertrauensbildung
29
Nicht stehlen, nicht faul sein und nicht Lügen
30
Der Vertrag über wirtschaftliche, soziale und
kulturelle Rechte
32
Herausgegeben von GERMANWATCH und ICTSD
Asbest-Entscheidung betritt Neuland
bei Bestimmung von „gleichartigen Erzeugnissen”
In einer Zeichen setzenden Entscheidung bestätigte das WTOBerufungsgericht die Vereinbarkeit von Frankreichs Asbestverbot
mit den GATT-Regeln. Gleichzeitig hob es auch die erste Gerichtsentscheidung auf, nach der bei der Bestimmung der „Gleichartigkeit” eines Produktes mit konkurrierenden Produkten eher seine
Endanwendung als seine Charakteristika einschließlich der Toxizität
unwesentlich sei. 1
1998 hatte Kanada das Verbot der französischen Regierung von
1996 für Herstellung, Verkauf und Einfuhr aller Arten von Asbest
und Produkten, die diese enthalten, angefochten.2 Frankreich
verteidigte die Massnahme auf der Grundlage, dass Asbest nachweislich ein Karzinogen sei, das nach Schätzungen allein in Frankreich jährlich 2000 Menschen töte. Kanada bestritt die Toxizität
von Asbest nicht, hielt aber daran fest, dass Weißasbest
(Chrysotil), die einzige in Frankreich und anderen EU-Ländern noch
zugelassene Form von Asbest, bei korrekt kontrollierter Verwendung sicher sei und daher nicht vollständig verboten werden solle. Kanada unterstellte, das französische Asbestverbot sei eher
ein Versuch, einheimische Hersteller von Asbest-Ersatzstoffen zu
schützen als eine berechtigte Massnahme zum Schutz der Volksgesundheit.
Nach der ersten Entscheidung des WTO- Schiedsgerichts vom
letzten September hatte Kanada mit der Behauptung Recht, dass
die Importbeschränkung die GATT-Artikel III.4 verletzt habe, der
gleiche Behandlung von „gleichartigen Erzeugnissen” 3 vorsieht.
Gleichzeitig nahm es die Massnahme aufgrund von GATT-Artikel
XX(b) von dieser Verpflichtung aus, da dieser solche Beeinträchtigungen erlaubt, wenn sie notwendig sind, um die Gesundheit
von Menschen, Tieren und Pflanzen zu schützen.4
Obgleich diese Gerichtsentscheidung die erste war, die verfügte,
dass eine ansonsten mit dem GATT nicht vereinbare Massnahme
aus Gründen der menschlichen Gesundheit eine Ausnahme rechtfertige, verursachte sie in Gesundheits- und Umweltkreisen ernste
Bedenken. Die Beurteilung des Gerichts in Hinblick auf „gleichartige Erzeugnisse” missachtet die Tatsache, dass Asbest und Asbestfasern, anders als ihre Ersatzstoffe, potentiell lebensbedrohlich sind.
Während Kanada versuchte, mit seiner Anfechtung die Billigung
des Verbots durch das Gericht zu kippen, verlangten die
europäischen Gemeinschaften, dass sie beibehalten und die
BRÜCKEN
LEIT
ARTIKEL
LEITARTIKEL
Entscheidung bezüglich des GATTArtikels III.4 über „gleichartige
Erzeugnisse” aufgehoben wird.5 Kanada
hat auch die Entscheidung des ersten
Gerichts angefochten, der französische
Erlass sei nicht Gegenstand von
Bestimmungen des TRIMS-Abkommen,
das u. a. verlangt, dass Verbote auf den
deskriptiven Charakteristika von
Produkten und nicht auf ihrer Leistung
basieren.
Gesundheitsrisiko kann Gleichartigkeit festlegen
Aus dem Blickwinkel einer nachhaltigen
Entwicklung war die bedeutendste Entscheidung des Berufungsgerichts die
Aufhebung des Gerichtsbeschlusses,
Weißasbest und seine Ersatzstoffe seien „gleichartige Erzeugnisse”. Sie stimmte mit der EG darin überein, dass ein
Gesundheitsrisiko bei der Festlegung, ob
Produkte „gleichartig” seien und daher
unter die Verpflichtung der Gleichbehandlung nach GATT-Artikel III.4 fallen, einen legitimen Faktor darstelle.
Den ausschließlich marktzugangsorientierten Ansatz des Gerichts
zurückweisend
schrieb
das
Berufungsgericht:
[Der] Nachweis, in welchem Ausmaß Produkte
den
gleichen
Endanwendungszwecken dienen und in
welchem Ausmaß Verbraucher bereit sind
— oder wären — ein Produkt an Stelle
eines anderen zu wählen, um diese
Endanwendungszwecke zu erfüllen, ist
ein höchst sachdienliches Indiz bei der
Beurteilung der „Gleichartigkeit” dieser
Produkte nach GATT-Artikel III.4 von
1994.
Wir halten dies insbesondere in Fällen
für gegeben, wo der Beweis in Bezug auf
Eigenschaften begründet, dass die fraglichen Produkte physisch sehr verschieden sind. In solchen Fällen wird den
klageführenden Mitgliedern eine höhere
Auflage gemacht, um diesen Hinweis,
dass Produkte nicht „gleichartig” seien,
zu zerstreuen und zu begründen, dass
trotz der erklärten physischen Unterschiede zwischen den Produkten eine
solche Wettbewerbsbeziehung besteht,
dass die Beweise in der Summe zeigen,
dass die Produkte nach dem GATT-Artikel III.4 von 1994 „gleichartig” sind. In
diesem Fall, wo eindeutig ist, dass die
Fasern sehr unterschiedliche Eigenschaften haben und insbesondere weil
erwiesen ist, dass Weißasbest ein Karzinogen ist, wird Kanada die sehr hohe
Auflage gemacht, zu beweisen, dass
Weißasbest und PZG-Fasern in einer
solchen Wettbewerbsbeziehung miteinander stehen. (Hervorhebung vom Verfasser).
Nach einer langwierigen Untersuchung
der bei einer Analyse von „gleichartigen
Produkten” zu berücksichtigenden Kriterien hat das Berufungsgericht:
• das Urteil des Schiedsgerichts
aufgehoben, es sei „nicht angemessen”
gewesen, die von Weißasbest
ausgehenden Gesundheitsgefahren bei
der
Untersuchung
der
„Gleichartigkeit” solcher Fasern und
PZG-Fasern nach dem GATT-Artikel III.4
von 1994 zu berücksichtigen. Dies gelte
auch für die nach dieser Bestimmung
durchgeführte Untersuchung der
„Gleichartigkeit” von auf Zement
basierenden
Produkten,
die
Weißasbestfasern oder PZG-Fasern
enthalten;
• das Urteil des Schiedsgerichts
aufgehoben, dass Weißasbest und PZGFasern nach dem GATT-Artikel III.4 von
1994 „gleichartige Produkte” seien;
•
entschieden, dass Kanada seiner
Auflage, zu beweisen, dass diese Fasern
nach dieser Bestimmung „gleichartige
Produkte” seien, nicht nachgekommen
sei. Deshalb hat es das Urteil in Abschnitt 8.158 des Gerichtsberichts, die
Massnahme sei mit dem GATT-Artikel
III.4 von 1994 nicht vereinbar gewesen,
aufgehoben (alle Hervorhebung vom
Verfasser).
Diese Urteile waren entscheidend und
die Unterscheidung zwischen ansonsten
ähnlich gefährlichen und ungefährlichen
Produkten verschiebt die Beweislast vom
Mitglied, das den Marktzugang aus
Gesundheitsgründen einschränkt, auf
das Mitglied, das diese Einschränkung
anfechtet. Wenn ein Gericht festlegt, dass
konkurrierende Produkte wegen eines
signifikanten Unterschieds in Bezug auf
die ihnen innewohnende Gefahr nicht
„gleichartig” sind, dann hat die Auflage
gemäß Artikel III.4, ihnen gleichwertigen
Marktzugang einzuräumen, keine Gültigkeit mehr. Das überläßt es nun dem KläBrücken • Ausgabe Mai 2001• Seite 2
ger, zu beweisen, dass tatsächlich keine
solche Gesundheitsgefahr besteht und
dass die angefochtene Massnahme nicht
aus den allgemeinen GATT-Verpflichtungen ausgenommen werden sollte.
Wissenschaft untermauert Ausnahme
nach Artikel XX(b)
In seiner Berufung hat Kanada versucht,
Argumente dafür anzuführen: Es stimmte dem Urteil nicht zu, dass die Handhabung von Weißasbest-Zementprodukten
eine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstelle und deshalb in den Geltungsbereich von Artikel XX(b) falle.
Dieser erlaubt den Mitgliedern,
Massnahmen zum Schutz der menschlichen Gesundheit zu ergreifen, selbst
wenn diese mit anderen GATT-Bestimmungen nicht vereinbar sind. Das Berufungsgericht schrieb, es habe „Kanadas
Berufung in diesem Punkt in Wahrheit
als eine Klage gegen die Einschätzung
des Gerichts in Bezug auf Glaubwürdigkeit und Gewicht, die dem ihm vorliegenden wissenschaftlichem Beweis zuzumessen sind,” betrachtet. Weiter merkte
es an, dass alle vier konsultierten Wissenschaftler zustimmten, dass eine
Gesundheitsgefahr bestehe, und der karzinogene Charakter von Weißasbestfasern seit 1977 von internationalen Gremien anerkannt werde einschließlich der Internationalen Behörde für
Krebsforschung und der Weltgesundheitsorganisation. Daher entschied das
Berufungsgericht, das erste Gericht „sei
in seinem Urteil, dass WeißasbestZementprodukte eine Gefahr für die
menschliche Gesundheit darstellen, hinreichend innerhalb seines Ermessens
geblieben” und hielt am Beschluss fest,
dass das Einfuhrverbot eine Schutzmaßnahme für Gesundheit oder Leben von
Menschen im Sinne von Artikel XX(b)
des GATT von 1994 sei.
Um sich für eine Ausnahme nach Artikel
XX(b) zu qualifizieren, müssen
Massnahmen nicht nur so ausgelegt
sein, dass sie die Gesundheit von
Fortsetzung Seite 26
BRÜCKEN
ICTSD-Editorial
Doha: Runde oder keine Runde ist hier nicht die Frage
Praktisch alle WTO-Mitglieder und ebenso viele Nichtregierungsakteure wollen
Veränderungen im Kanon des Welthandels. Und obgleich die Änderungsvorschläge die ganze Skala umfassen, angefangen damit, WTO-Abkommen für Entwicklungsländer weniger strikt auszulegen bis hin zur Aushandlung einer breiten Palette neuer Liberalisierungsinstrumente und -verpflichtungen, gibt
es doch kaum Stimmen, die für die Beibehaltung des Status Quo sprechen. Ob
man für oder gegen eine „neue Handelsgesprächsrunde” ist, ist also
weitgehend eine akademische Frage.
bruch dieses vollkommen ergebnislosen
Treffens führte.
Mögliche Agenda-Bestandteile
Welche Elemente für eine mögliche Agenda werden nun derzeit diskutiert? Schon
in der Uruguay-Runde festgelegten
Weiterverhandlungen, die von verschiedenen WTO-Abkommen verlangt werden. Dazu gehören insbesondere Landwirtschaft und Dienstleistungen, aber
auch eine Überprüfung der Umsetzung
umstrittenen Verhandlungsthemen gehört die Ausarbeitung neuer multilateraler Handelsregeln für E-Commerce,
Investitions- und Wettbewerbspolitik.
Noch umstrittener wäre die von der EU
verlangte Klärung der Beziehung zwischen internationalem Handel und Umwelt. Diskussionen über Arbeitsnormen
und Handelsregeln scheinen eher unwahrscheinlich.
Umsetzungsforderungen
Angeführt von Indien, Pakistan, Malaysia und Ägypten
wollen die Entwicklungsländer Ungleichgewichte in beSpekulationen über neue
Ob sie sich in eine „Runde” verpacken lassen
stehenden WTO-Verträgen
Verhandlungen verstärkten
behandeln, und viele von ihoder nicht, jedes Mitglied hat Interessen, die
sich, als im Januar 15 Länder
nen bestehen darauf, dass
Verhandlungen erfordern.
verkündeten, dass sie eine
hier — und nicht im Aufstelrasche Aufnahme einer neulen von Regeln in neuen Been Handelsgesprächsrunde
reichen oder in weiteren
befürwortet und den WTO
Liberalisierungsmaßnahmen
Generaldirektor Mike Moo— der Schwerpunkt der zure gebeten hätten, bis Juli Zustimmung des Abkommens über Handelsbezogene künftigen Arbeit in der WTO liegen sollfür eine breite Agenda solcher Verhand- Rechte an Geistigem Eigentum (TRIPS). te. Zumindest verlangen sie wesentliche
lungen zu sammeln. Erwartungsgemäß Diese werden entweder in dem von den Fortschritte in der gerade stattfindenden
waren EU, Japan, Korea und die Schweiz Mitgliedern vorgegebenen Rahmen dis- Umsetzungsüberprüfung, bevor sie die
unter den Antragstellern, aber ebenso kutiert oder in einen größeren Rahmen Übernahme neuer Verpflichtungen in Beauch Argentinien, Australien, Brasilien, eingebunden, falls eine Einigung für ei- tracht ziehen wollen. Für diese Länder
Ägypten, Südkorea, Mexiko und Nicara- nen solchen Rahmen gefunden werden ist eine spürbare Vorauszahlung in diegua.
kann.
sem Bereich — wie bereits vor der DohaMinisterkonferenz vereinbart — die unAnfang März einigten sich die WTO- Zweitens gehören dazu auch die Proble- abdingbare Voraussetzung für eine AufMitglieder auf inoffizielle Beratungen im me und Interessen der Entwicklungslän- nahme umfassender neuer VerhandlunAllgemeinen Rat, um eine Agenda für die der in Hinblick auf bestehende Abkom- gen, die, wie sie glauben, den Industrievierte WTO-Ministerkonferenz in Doha, men. In Doha werden sich die Minister ländern am meisten nutzen werden.
Qatar, im November festzusetzen, dazu mit den Ergebnissen der Umsetzungsgehört auch die Erforschung einer mög- überprüfung befassen, die derzeit in der Trotzdem könnte das nachhaltige Fehlichen Einigung über den Rahmen einer WTO durchgeführt wird, und Empfeh- len substanzieller Resultate bei der Um„neuen Runde”. Zwar soll bis Juli breite lungen bezüglich weiterer Aktionen aus- setzungsüberprüfung EntwicklungslänZustimmung erreicht werden, informier- sprechen. Zu den wichtigsten Prioritä- der zu der Annahme bewegen, dass ohne
te Quellen glauben jedoch, dass dieser ten der Entwicklungsländer zählen Än- Verhandlungen auf breiter Basis, die InProzeß bis mindestens September dau- derungen der Anti-Dumping-Regeln, dustrieländern Tauschgeschäfte in andeern wird. Wird bis dahin kein Konsens Ausnahmen in bezug auf TRIPS- und ren Bereichen anbieten, kein ausreichenüber die Inhalte zukünftiger Handels- Investitionsstrafen und die Abschaffung der Schwung zustande kommen wird, um
gespräche gefunden, werden die Mitglie- von Einschränkungen im Textilhandel.
ihre Forderungen nach Wiederausgleich
der daraus vermutlich eher ableiten, dass
zu erfüllen, seien sie noch so berechtigt.
die Aufnahme einer neuen Runde eben Kürzungen der Industriezölle gehören zu Während seines Besuchs in Indien Andoch keine Option ist, statt noch einmal den anderen am wenigsten abgelehnten fang Januar wies der WTO-Generaldirekeine Ministerkonferenz à la Seattle zu ris- Elementen, die für zukünftige Verhand- tor Mike Moore darauf hin, dass es
kieren, wo das vollständige Fehlen einer lungen, die dann vermutlich als „Runde” „naiv” wäre, zu glauben, alle Schwierigvorab getroffenen Übereinkunft über den gelten würden, vorgeschlagen wurden. keiten der Entwicklungsländer bei der
Umfang neuer Verhandlungen für eine
Umsetzung der Abkommen der Uruguayunmöglich durchführbare Agenda ver- Zu den selbst in Industrieländern eher Runde und alle „Ungerechtigkeiten, die
antwortlich war und schließlich zum AbBrücken • Ausgabe Mai 2001•Seite 3
BRÜCKEN
ICTSD-Editorial
sie erlitten haben” könnten getrennt
voneinander betrachtet werden.
Das ist natürlich auch der Glaubensatz
der mächtigsten Befürworter neuer umfassender Verhandlungen, der EU und
Japan. Obgleich beide sich bis jetzt weigern, vor der Doha-Konferenz größere
Zugeständnisse oder eine „Vorauszahlung” zu machen, haben sie ihre Beratungen mit Entwicklungsländer vervielfacht, um diese davon zu überzeugen,
dass Umsetzungsangelegenheiten nur im
Rahmen neuer umfassender Verhandlungen, jetzt als „Entwicklungsrunde” bezeichnet, angemessen behandelt werden
können.
„Wir fühlen uns nicht im mindesten verpflichtet, eine Vorauszahlung zu leisten”,
teilte der Europa-Kommissar Peter Carl
nach einem Treffen mit hochrangigen
Vertretern aus Entwicklungsländern Ende
März der Presse mit. Statt dessen schlug
er vor, „frühzeitig und eindeutig zu unterscheiden”, was ohne eine Änderung
bestehender Abkommen vor der DohaKonferenz „machbar” sei und was als Teil
breiterer Verhandlungen behandelt werden könne. In gleicher Weise betonte
auch der stellvertretende japanische
Außenminister Yoshiji Nogami, dass
Umsetzungsforderungen, die „eine Änderung vereinbarter Instrumente” verlangten, nur durch Verhandlungen erreicht werden könnten. „Wie können wir
sie ändern”, fragte er, „wenn die Länder,
die eine Änderung verlangen, nicht bereit sind, an den Verhandlungen teilzunehmen?”
Zu den wenigen konkreten Beispielen,
die Japan und die EU anführten, um zu
zeigen, was durch eine „Entwicklungsrunde” erreicht werden könnte, gehörten Vorschläge zu Verhandlungen über
Anti-Dumping-Strafen und ähnliche
Rechtsbehelfe in der Handelspolitik.
Während der Umsetzungsüberprüfung
gab es keinerlei Fortschritte bei den zahlreichen detaillierten Forderungen der
Entwicklungsländer nach Änderungen in
diesen Bereichen. Die EU räumt ein, interne Schwierigkeiten zu haben, dieses
Thema innerhalb der Union zu behandeln, offizielle Vertreter sagten Ende Januar, es gebe eine „klare Akzeptanz”,
dass handelspolitische Instrumente als
Teil der Verhandlungen überprüft werden
müssten.
Handelskommissar Lamy wies die EULänder darauf hin, dass sie bereit sein
müssten, auch in kritischen Bereichen
wie Textilien und Landwirtschaft Konzessionen zu machen (die EU hat Produkten
aus LDCs bereits zollfreien Marktzugang
eingeräumt).
Ungeachtet der Versprechen der EU und
Japans auf mögliche Gewinne für Entwicklungsländer, wäre es doch eine Herausforderung die Entwicklungsrhetorik
in eine sinnvolle Verhandlungsagenda zu
übersetzen, besonders da die USA, wenn
es um die Öffnung bestehender Abkommen oder Verpflichtungen für Überprüfungen geht, weiterhin sehr zurückhaltend, wenn nicht sogar unverhohlen
feindselig reagiert.
Investitions- und Wettbewerbspolitik
Neue Flexibilität signalisiert Europa auch
bei den umstrittenen „neuen Themen”
Investitions- und Wettbewerbspolitik, die
es früher als integralen Teil jeglicher zukünftiger Handelgespräche betrachtete
(neben der EU und Japan unterstützen
viele Industrieländer, aber auch einige
Entwicklungsländer wie Chile und Costa
Rica Verhandlungen in diesen Bereichen).
Obgleich der Europäische Ministerrat der
Idee noch keinen offiziellen Segen erteilt
hat, forscht die Europäische Kommission bereit die Haltung von Entwicklungsländern gegenüber eines plurilateralen
Ansatzes in der Investitions- und
Wettbewerbspolitik aus; so könnten diese außerhalb der Verhandlungen bleiben
und wären durch keine der daraus resultierenden Verpflichtungen gebunden.
Frankreich lehnt diesen Ansatz nachdrücklich ab und bis jetzt zeichnet sich
kein Umschwung in den Positionen der
Entwicklungsländer ab, obwohl einige
insgeheim einräumen, dass es leichter
wäre, sich auf die Ausarbeitung multilateraler Regeln für Investitionspolitik zu
einigen als auf solche für Wettbewerbspolitik. Auch die USA werden vermutlich ihren Widerstand gegen Gespräche
über Wettbewerbspolitik beibehalten,
hauptsächlich deshalb, weil dergestalt
allzu leicht auch Anti-Dumping ein Thema werden könnte.
Umwelt
Ob eine neue Runde aufgenommen wird
oder nicht, die bedeutendste Rolle bei
den Agrarverhandlungen werden wahrBrücken • Ausgabe Mai 2001• Seite 4
scheinlich Umweltangelegenheiten spielen. Umweltschutz ist eines der größten
„nicht handelbezogenen Anliegen”, die,
wie EU und ihre Partner argumentieren,
als legitime Gründe für die Subventionierung von Agrarprodukten gelten. Die
Agrarverhandlungen könnten sich auch
mit Genehmigungsverfahren für gentechnisch veränderte Agrarprodukte und
— weniger wahrscheinlich — mit dem
Tierschutz befassen.
Im Rahmen der Verhandlungen auf breiter
Basis will die EU, dass die Mitglieder drei
umweltbezogene Fragen abklären:
die Beziehungen zwischen WTO-Regeln
und den Regeln der multilateralen Umweltabkommen, den Einsatz von Kennzeichnungen zum Schutz von Umwelt
und Verbraucher sowie die Anwendung
des Vorsichtsprinzips. So bescheiden
das klingen mag, wäre es doch schwierig
andere Mitglieder davon zu überzeugen,
diese Punkte auf die Tagesordnung zu
setzen. Zum einen sind Entwicklungsländer gegenüber Verknüpfung zwischen
Handels- und Umweltfragen wegen deren Potential für grünen Protektionismus
und
andere
Marktzugangsbeschränkungen skeptisch. Zum anderen hat der WTO-Ausschuss für Handel
und Umwelt die beiden ersten Fragen
fünf Jahre lang ergebnislos diskutiert und
das EU-Papier vom Februar 2000 über die
Anwendung des Vorsichtsprinzips Fragen seitens der Industrie- und Entwicklungsländer gleichermaßen aufgeworfen.
Ob die USA Umweltbelange im Rahmen
einer neuen WTO-Runde einbringen
wird, darüber kann derzeit nur spekuliert
werden, es wird jedoch weithin angenommen, dass die Regierung Bush zurückhaltend bleibt. Auf nationaler Ebene befürchten amerikanische Umweltaktivisten, dass Mandate zur Überprüfung von Handelsabkommen nicht ausgeführt werden. Im Dezember wurde ein
Richtlinienkatalog für solche Überprüfungen herausgegeben und die scheidende amerikanische Handelsbeauftragte Charlene Barshefsky sagte,
dieser werde herangezogen, um die laufenden Agrar- und Dienstleistungsverhandlungen in der WTO zu bewerten. Die meisten Republikaner sind allerdings gegen umweltbezogene Überprüfungen — und ebenso gegen die Aufnahme von Umweltbestimmungen in
Handelsabkommen — und die Richtlinien werden daher möglicherweise nicht
umgesetzt.
BRÜCKEN
ICTSD-Editorial
Arbeit
Standpunkt der USA bleibt unklar
Es scheint mehr als unsicher, dass die
Verknüpfung von Handel und Arbeit, die
zum Abbruch der Seattle-Ministerkonferenz beigetragen hat, im derzeitigen Kontext vom Tisch ist. Im Gegensatz zur Regierung Clinton ist das neue Team im
weißen Haus generell gegen die Aufnahme von Arbeitsbestimmungen in Handelsabkommen, und derselbe Trend zeigt
sich im Kongress. Der neue amerikanische Handelsrepräsentant Robert
Zoellick hat den Einsatz von Handelssanktionen aufgrund von Arbeitsrechtsverletzungen kategorisch ausgeschlossen, und auch die EU hat erneut ihre
Ablehnung bekräftigt. Vor der SeattleKonferenz scheiterte die EU dabei, Unterstützung für ein gemeinsames ständiges WTO-ILO Forum zur Untersuchung
der Beziehung zwischen Handelsliberalisierung, Entwicklung und Grundarbeitsrechten zu sammeln. Derzeit befürwortet die EU ein getrenntes unabhängiges Forum, in dem Vertreter „zuständiger zwischenstaatlicher Organisationen”, darunter auch WTO und ILO,
Arbeitsfragen und andere sozialpolitisch
relevante Fragen in bezug auf den internationalen Handel untersuchen können.
Vor der Doha-Ministerkonferenz kann
noch ein Treffen organisiert werden, das
jedoch eher ein einmaliges Ereignis bleiben als der Auftakt zu einem beständigeren Forum sein wird.
Ganz allgemein wird viel von den
Handelsprioritäten der Bush-Regierung
abhängen. Bei seiner Bestätigung durch
den Senat am 30. Januar sagte der USHandelsbeauftragte Robert Zoellick, die
USA sollten ihre Führungsrolle bei der
Gestaltung einer neuen Runde globaler
Handelsgespräche erneut bekräftigen
und gelobte, „zügig” darauf hinzuarbeiten, für Präsident Bush rasche
Verhandlungsbefugnis zu erreichen.
Zoellick und Lamy einigten sich am 9.
März darauf, dass EU und USA „zusammenarbeiten” werden, um die Aufnahme
einer neuen Runde in diesem Jahr sicherzustellen, und erklärten beide, sie fühlten sich „verpflichtet, das möglich zu
machen”. Bisher allerdings sprechen die
meisten Anzeichen für eine größere amerikanische Konzentration auf Belange
innerhalb der eigenen Sphäre wie die Freihandelszone der beiden Amerikas und
bilaterale Handelsgeschäfte. Die meisten
WTO-Mitglieder sind weiterhin unsicher,
wie sehr sich die USA dem Fortschritt in
der multilateralen Arena tatsächlich verpflichtet fühlen.
Außerdem werden sich die zentralen
Aspekte der US-Handelspolitik kaum
ändern. Weder bei Rechten an geistigem
Eigentum noch bei Textilien kann mit neuer Flexibilität gerechnet werden. Und
ebenso wie im Vorfeld der Seattle-Ministerkonferenz halten die USA weiterhin
unbeirrt an ihrem Widerstand gegen eine
Behandlung von Rechtsbehelfen in der
Handelspolitik fest.
Brücken • Ausgabe Mai 2001•Seite 5
Zivilgesellschaft: „Die Offensive
abblasen”
Obgleich es aussieht, als mobilisiere man
die Zivilgesellschaft gegen die DohaMinisterkonferenz nicht so sehr wie in
der Zeit vor Seattle, haben 21 NRO eine
gemeinsame Erklärung abgegeben, in der
Befürworter einer neuen Runde aufgefordert worden, „ihre Offensive abzublasen”. In der Erklärung heißt es, insbesondere der EU-Vorschlag „verursache
ernste
Unstimmigkeiten
und
destabilisiere das multilaterale Handelssystem”. Die Gruppen sind dagegen, Investitionen, Wettbewerbspolitik oder
Transparenz
im
öffentlichen
Beschaffungswesen in die WTO einzubringen, auch nicht auf einer
plurilateralen Ebene, da hier „Verhandlungen über diese Fragen besonders katastrophal für die Menschen in Entwicklungsländern wären, weil sie dadurch alle
Entwicklungschancen verlören”. Die
Unterzeichnerstaaten rügten den WTOGeneralsekretär Mike Moore dafür, dass
er sich „aktiv für eine neue Runde einsetzte”, als die Mehrheit der Mitglieder
gegen eine solche war.
Obwohl die Erklärung die Regierungen
auffordert, eine neue Runde abzulehnen,
schließt sie nicht die Tür zu allen neuen
Verhandlungen. So fordern die Organisationen beispielsweise Änderungen
des
TRIPS-,
TRIMSund
Agrarabkommens, einschließlich der
Abtrennung des gesamten TRIPS-Abkommens von der WTO. Darauf, so erklären sie, „sollte in den kommenden Jahren der Schwerpunkt bei WTO-Gesprächen liegen”.
BRÜCKEN
AR
KOMMENT
OMMENTAR
NGOs auf dem W
eg von Seattle nach Doha:
Weg
Getrennt kämpfen - vereint siegen?
von Markus Krajewski, Germanwatch und AG Handel des Forums Umwelt und Entwicklung
Die vierte Ministerkonferenz der WTO
in Doha/Qatar wirft ihre Schatten voraus:
Während Protagonisten wie Pascal Lamy
und Mike Moore Land auf Land ab verkünden, daß in Doha unbedingt eine
neue multilaterale Handelsrunde lanciert
werden muß, formiert sich der zivilgesellschaftliche Widerstand gegen die
Ministertagung. Dabei wird Doha kaum
ein zweites Seattle werden: Es gibt dort
nur wenige Unterkünfte, maximal vier
Vertreter pro akkreditierter NGO werden
zugelassen und wer nicht akkreditiert ist,
wird auch kein Visum erhalten. Es sieht
daher ganz danach aus, als würde die Ministertagung in Doha ungestört ablaufen können und - wenn sich die WTOMitglieder darauf einigen können - eine
neue Handelsrunde ausrufen.
Um eine neue Runde und einen PR-Sieg
der WTO zu verhindern, trafen sich Ende
April NGO-VertreterInnen aus dem kritischen Spektrum zu einem europäischen
Strategietreffen südlich von London. Zusammengeschlossen im sog. „Seattle to
Brussels“-Netzwerk eint diese verschiedenen Nord/Süd-, Umwelt-, Menschenrechts-, und alternativen Agrargruppen
ihre ablehnende Haltung gegenüber dem
Civil Society Dialog der EU-Kommission. Die EU-Institutionen werden nicht als
Partner sondern als Ziele von LobbyArbeit und politischen Angriffen angesehen. Viele der „Seattle to Brussels“
Gruppen sind zugleich Unterzeichner der
“Shrink or Sink”-Erklärung, in der eine
Beschränkung der WTO-Zuständigkeiten und die Entwicklung eines nachhaltigen, sozial gerechten und demokratisch
legitimierten internationalen Handelsregime gefordert wird (siehe:
http:www.citizen.org/tpctrade/gattwto/
shrinskink/shrinksink.htm)
Entsprechend waren sich alle Gruppen
auf dem Treffen auch in der Ablehnung
einer neuen Runde völlig einig. Diskutiert wurde, wie die zivilgesellschaftliche
Opposition zur WTO und die Ablehnung
von Handelsliberalisierungen anläßlich
der Ministerkonferenz am effektivsten
artikuliert werden kann. Die meisten europäischen Gruppen spekulieren nicht
darauf, in Doha besonders zahlreich prä-
sent zu sein, sondern bereiten sich auf
eine Vielzahl dezentraler Ereignisse vor.
Einige Gruppen planen Aktionen in ihren nationalen Hauptstädten kurz vor der
Ministerkonferenz, andere einen “Gegengipfel” in einer größeren arabischen
Stadt und viele konzentrieren sich auf
weitergehende inhaltliche Arbeit u. a. betreffend der bereits laufenden
Dienstleistungsund
Agrarverhandlungen. Gerade in mittelund osteuropäischen Ländern, berichteten VertreterInnen
von dort, sei noch
viel Aufklärungs- und
Informationsarbeit
nötig.
Die meisten Gruppen
planen ihre Aktivitäten und Kampagnen
außerdem weit über
die Ministerkonferenz hinaus. Allen ist
klar, daß unabhängig
vom Ausgang der
Konferenz die “builtin” Verhandlungen im
GATS, im Agrarsektor und im TRIPs-Bereich weitergehen
werden und die WTO
auch außerhalb der
Verhandlungen, z. B.
im Falle bestimmter
Streitschlichtungsentscheidungen,
weiterhin im Kreuzfeuer der Kritik stehen wird.
Um trotz einer Vielzahl dezentraler Aktivitäten gemeinsame
Stoßkraft zu entfalten, wurde verabredet, sich besser untereinander zu koordinieren und zu vernetzten. Auf diese
Weise wird gewährleistet, daß Aktivitäten bekannt gemacht
und aufeinander abgestimmt werden.
Brücken • Ausgabe Mai 2001• Seite 6
Das “Seattle to Brussels” Netzwerk will
sich auch verstärkt nach aussen präsentieren. Daher ist es sicher nicht ganz
falsch, die Strategie der europäischen
NGOs unter dem Motto “Getrennt kämpfen - vereint siegen” zusammenzufassen.
BRÜCKEN
KOMMENT
AR
OMMENTAR
Daumenschrauben werden weiter angezogen:
Wo und wie sollen Umsetzungsfragen behandelt werden?
wirkungsvolle Beteiligung der Entwicklungsländer sicherzustellen.
·
Zollbewertung: Der Ausschuss
für Zollbewertung wird aufgefordert, die
Untersuchungen der Forderungen einzelner Entwicklungsländer hinsichtlich
einer Verlängerung ihrer Einhaltungsfristen weiterzuführen.
·
Herkunftsbestimmungen: Die
Arbeit an der Harmonisierung der
Herkunftsbestimmungen, die spätestens
bis Ende 2001 fertig gestellt werden soll,
soll beschleunigt werden.
Zu den „Umsetzungsproblemen” gehöSubventionen und Vergeltungsren zahlreiche Probleme, die nach Über- In der Endfassung der dreiseitigen Ent- ·
zeugung der Entwicklungsländer auf Un- scheidung wurden alle diese Abschnitte maßnahmen: Honduras soll in die Liste
gleichheiten in den bestehenden und die weggelassen und andere so entschei- der Länder aufgenommen werden, die ihre
Industrieländer massiv bevorzugenden dend gekürzt und abgeschwächt, dass Industriegüterexporte subventionieren
Abkommen basieren. Sie verlangen zum der Indische Botschafter Srinivasan dürfen, d. h. Länder mit einem Pro-KopfBSP von weniger als US$ 1000.
Beispiel zugunsten der EntwickDazu soll der Ausschuss „als
lungsländer die verbindliche Festwichtigen Teil seiner Arbeit die
schreibung von „best endeavour”Möglichkeiten für WettbewerbsfäKlauseln, die vorschreiben, sich
higkeit im Exportbereich über ei„nach Kräften zu bemühen” und
Die meisten Entwicklungsländer
nen Zeitraum von mehr als zwei
bis jetzt entweder ignoriert oder
knüpfen die Aufnahme einer neuen
Jahren untersuchen” sowie „Franur teilweise umgesetzt wurden.
Verhandlungsrunde an die Lösung von
gen zu den gesamtwirtschaftlichen
Die Forderungen umfassen auch
Umsetzungsproblemen.
und allgemeinen Beurteilungen eineue Ausnahmen und Verlängenes Erlasses der Importzölle und
rungen für Einhaltungsfristen eider Definition von ‚Einsätzen, die
niger der Schlüsselabkommen.
beim Produktionsprozess verSie argumentieren, sie hätten während Narayanan sie als „noch unter meinen braucht werden’”.
der Uruguay-Runde schwere neue Ver- niedrigsten Erwartungen” bezeichnete.
Erneuerte Forderungen treffen auf
pflichtungen übernommen — beispiels- Die konkrete Aktion, die das Papier ver„Totenstille”
weise
beim
Einsatz
von spricht, läuft schließlich auf folgende
Agrarsubventionen, Schutz der Rechte Punkte hinaus:
Um die Umsetzungsüberprüfung wiederan geistigem Eigentum und dem Abbau
Landwirtschaft: Mitglieder sollen aufzunehmen, wurde im Februar eine
von Investitionsbeschränkungen — un- ·
ter der Voraussetzung, dass sie von den bei der Administration von Zollsatz- neue Liste mit den ausstehenden FordeHandelsliberalisierung im Agrar- und quoten (administration of tariff rate rungen der Entwicklungsländer in Um
Textilsektor wesentlich profitieren könn- quotas) und den Mitteilungsrichtlinien lauf gebracht. Anders als die Dezemberten. Nicht nur haben sich keine der ver- und -verfahren für Kontingentverteilung Entscheidung schloss dieses Dokument
sprochenen Vorteile eingestellt, de facto für mehr Transparenz sorgen. Zusätzlich alle Änderungsforderungen für bestesteigen die Agrarsubventionen in den soll der Agrarausschuss „alle potentiel- hende Abkommen ein, darunter Rechte
Industrieländern sogar beträchtlich an len Mittel zur Verbesserung der Umset- an geistigem Eigentum, Anti-Dumping
und der Handel mit den kommerziell in- zung der Entscheidung über und Textilien.
teressantesten Textilprodukten bleibt Massnahmen hinsichtlich der Möglichen Mit diesen neu formulierten Inhalten traweiterhin beschränkt. Mittlerweile, so Negativen Auswirkungen des Reform- fen sich die WTO-Mitglieder am 16. März
behaupten sie, seien die nationalen Ent- plans auf LDCs und alle Entwicklungs- zu einer Sitzung des Allgemeinen Rats,
wicklungsprojekte der Entwicklungslän- länder, die Netto-Importeure von Nah- um über die zukünftige Vorgehensweise
zu beraten. Rasch stellte sich heraus, dass
der durch Verpflichtungen aus WTO- rungsmitteln sind, untersuchen”.
·
Gesundheits- und Pflanzen- es mehr brauchen würde, als den RahAbkommen gefährdet.
gesundheitsnormen und technische men der Überprüfung neu festzulegen,
Handelsschranken: Normenfestlegende um konkrete Aktionen zum Thema UmDezember-Entscheidung: „Unter den
setzungsfragen ins Rollen zu bringen.
Organisationen sind aufgefordert, die
niedrigsten Erwartungen”
Stuart Harbinson, der Vorsitzende des AllDie im Dezember verabschiedete Entscheidung war schwächer als selbst der
Als der Allgemeine Rat der WTO am 15.
Dezember 2000 eine Entscheidung über
umsetzungsbezogene Fragen und Probleme verabschiedete, meinten die meisten der Handelsfunktionäre aus Entwicklungsländern, das beste an dieser
Entscheidung sei der letzte Absatz, der
eine Weiterführung der Umsetzungsüberprüfung bis zur vierten WTO-Ministerkonferenz vom 9.-13. November in
Doha, Qatar, vorsieht.
Entscheidungsentwurf von Ende November und wurde von Entwicklungsländern verurteilt, weil deren Belange darinnicht ausreichend anerkannt werden.
Zwar verpflichtete auch der Entwurf die
Mitglieder zu kaum mehr, als einige der
zahlreichen Forderungen „zu erwägen”,
„zu erkunden” oder „mit äußerster Vorsicht zu untersuchen”, aber wenigstens
enthielt er Abschnitte, die auf Schlüsselbereiche wie Anti-Dumping und Textilien eingingen.
Brücken • Ausgabe Mai 2001•Seite 7
BRÜCKEN
WTO-NACHRICHTEN
gemeinen Rats, berichtete, dass informelle Beratungen wenig Hoffnung auf „rasche Fortschritte” in den Bereichen
Agrarsubventionen, mildere Anwendung der Gesundheits- und Pflanzengesundheitsnormen TRIPS-Verpflichtungen bei Patenten haben aufkommen lassen.
Auf der Sondersitzung im März hörten
Mitglieder aus Industrieländern unbeteiligt zu — nicht
eines ergriff das Wort — während die
Delegierten zahlreicher Entwicklungsländer die Bedeutung betonten, die sie dem
Erreichen konkreter Resultate beimessen.
Zu den am häufigsten genannten Forderungen gehört die Verlängerung der
Einhaltungsfrist für die Regeln bezüglich
geistigen Eigentums, mit besonderer Betonung auf der Patentierung von pharmazeutischen Produkten und Pflanzen,
sowie die Notwendigkeit einer Reform
der Anti-Dumping-Praktiken und -Beschränkungen in der Textilbranche.
Achtung: Keine neue Runde ohne
vorherige Zugeständnisse
Mit Blick auf die bisherigen unbedeutenden Fortschritte wendet sich die Spekulation unweigerlich der Möglichkeit zu,
diese Probleme im Rahmen breiterer Verhandlungen, die Anreize für Tauschgeschäfte bieten, zu behandeln.
Trotz intensiver Klagen aus der EU und
Japan lehnen die meisten Entwicklungsländer (Südafrika, Costa Rica, Chile und
Singapur sind hier besonders zu erwäh-
nen) neue Verhandlungen auf einer breiteren Basis weiterhin ab. Bei dem Treffen im März warnten Schlüsselakteure
wie Indien, Ägypten, Pakistan und Malaysia, dass sie alle Versuche, in Doha
eine „Runde” in die Tat umzusetzen, blokkieren würden, wenn ausstehende Umsetzungsprobleme nicht vor Festlegung
der Tagesordnung für die Ministerkonferenz gelöst werden.
Derzeit sind Industrieländer eindeutig zu
keiner substanziellen Debatte bereit.
Obgleich es bei manchen der weniger
umstrittenen Fragen in den nächsten
Wochen einige Fortschritte geben könnte, scheinen größere Zugeständnisse vor
Juli unwahrscheinlich, wenn die WTOMitglieder entscheiden werden, ob die
Aufnahme neuer Verhandlung betrieben
werden soll.
Neue Phase der WTO-Dienstleistungsverhandlungen
Ein Gastbeitrag von Ulrich Müller
Die Verhandlungen im Rahmen des General Agreement on Trade in Services
(GATS) gehen in die zweite Phase: vom
28. bis 30. März fand das sogenannte
„Stock Taking“ des Dienstleistungsrates
statt. Dabei wurde der bisherige
Verhandlungsverlauf bewertet und die
Verhandlungsrichtlinien für die konkreten Marktzugangsverhandlungen festgelegt.
Begonnen hatten die Verhandlungen im
Februar 2000 in Genf. Im Fokus standen
zunächst die allgemeinen GATS-Regeln
und die Ausarbeitung der Regeln für die
jetzt beginnenden sektorspezifischen
Verhandlungen. Grundlage für diese Einteilung in zwei Phasen ist der
Positivlistenansatz (bottom-up) des
GATS: die einzelnen Länder gewähren
freien Marktzugang und die Gleichbehandlung mit nationalen Unternehmen
(Inländerbehandlung) nur für die Sektoren, die sie explizit in ihre Länderlisten
aufnehmen.
Verhandlungsrichtlinien
verabschiedet
Bei den Verhandlungsrichtlinien haben
sich die Entwicklungsländer an vielen
Punkten durchgesetzt. Sie haben durch
ihr abgestimmtes Vorgehen erstmals ihren potentiellen Einfluß auf die GATSVerhandlungen deutlich gemacht.
Die endgültige Fassung der Richtlinien
hebt an mehreren Stellen die besondere
Flexibilität für die Entwicklungsländer
hervor. Der Dienstleistungsrat solle auf
die Implementation von Art. IV zur stärkeren Beteiligung der Entwicklungsländer am Dienstleistungshandel achten.
Am Ende der Verhandlungen soll dies
evaluiert werden. Die Richtlinien weisen
besonders auf die Bedürfnisse kleiner
Unternehmen hin; die praktische Umsetzung dieser Formulierung ist aber offen.
Ausgangspunkt der Verhandlungen sind
die bisher eingegangen Verpflichtungen,
nicht die tatsächliche Marktöffnung in
der Praxis, die oft weiter geht. Autonome
Liberalisierungen einzelner Länder seit
der Uruguay-Runde sollen ihnen nach
gemeinsam zu entwickelnden Kriterien
gut geschrieben werden.
Die Verhandlungen sollen vor allem
sektorweise nach dem Request-offerAnsatz geführt werden. Andere
Verhandlungsmittel wie Cluster, die mehrere Sektoren bündeln, bleiben aber möglich. Kein Sektor wird von vornherein von
den Verhandlungen ausgenommen; dies
hatten Nichtregierungsorganisationen
(NRO) für grundlegende öffentliche
Dienstleistungen wie Bildung, Gesundheit oder Wasser verlangt. Nicht aufgenommen – trotz Forderung der USAwurde eine Standstill-Klausel für die Dauer der Verhandlungen.
Die Industrieländer sind mit den Richtlinien und ihrem Aushandlungsprozeß
nicht zufrieden. Stimmen aus der EUBrücken • Ausgabe Mai 2001• Seite 8
Kommission stellen nun die praktische
Relevanz der Richtlinien in Frage und
sprechen davon, daß es mehr um Vertrauensbildung gegangen sei.
Analyse des Dienstleistungshandels
verschoben
GATS fordert vor jeder neuen
Verhandlungrunde eigentlich eine Analyse des Dienstleistungshandel und der
Auswirkungen der Liberalisierung. Dies
ist bis jetzt nicht erfolgt und soll nach
den beschlossenen Verhandlungsrichtlinien nur begleitend durchgeführt
werden.
Allerdings wäre eine solche Abschätzung dringend nötig. So zeigt ein neues
argentinisches Papier, daß der Anteil der
Entwicklungsländer am internationalen
Dienstleistungshandel
stagniert
(Assessment of Trade in Services: the
Participation of Developing Countries. S/
CSS/W/44, 29.1.2001). Der Anteil der 17
führenden Entwicklungsländer sank seit
dem Ende der Uruguay-Runde 1994 leicht
von 17,75 % auf 17,37 % im Jahre 1999.
Der Dienstleistungshandel der Entwicklungsländer konzentriert sich auf die Bereiche Reisen und Transport. Der Anteil
dieser Sektoren am gesamten Handel
geht allerdings zurück. Zu den 17 Entwicklungsländern gehören u.a. Ägypten,
Argentinien, Brasilien, China, Indien,
Mexiko und Thailand.
BRÜCKEN
KOMMENT
AR
OMMENTAR
Ökologische Folgenabschätzung erst
in den Anfängen
Weitgehend ungeklärt sind bislang auch
die ökologischen und sozialen Auswirkungen
der
Dienstleistungsliberalisierung. Erst in letzter Zeit kommt
etwas Bewegung in diesen Bereich. So
hat sich die OECD des Themas angenommen und erste Vorüberlegungen dazu
veröffentlicht (Services Trade
Liberalization: Assessing the Environmental Effects. 2000).
Die OECD unterscheidet zwischen
Dienstleistungen, bei denen einzelne
Anlagen allein einen großen negativen
Effekt auf die Umwelt haben, und Dienstleistungen, die in ihrer Gesamtheit kumulativ problematisch sind. Zu den erstgenannten „Smokestack Services“
(Schornstein-Dienstleistungen) gehören
Energieversorgung, Kurierdienstleistungen, Fluglinien und Krankenhäuser. Bei den kumulativen Dienstleistungen nennt die OECD u.a. Tankstellen,
Fastfood-Ketten oder Hotels.
Die OECD führt eine Vielzahl direkter und
indirekter ökologischer Effekte an, sowohl positiver als auch negativer Art.
Dazu zählen Ressourcenverbrauch, Luftverschmutzung oder Kontamination
durch Chemikalien. In Vorträgen redet die
OECD leider undifferenzierter von WinWin-Situationen als in ihren ersten Dokumenten.
Der WWF hat ein Diskussionspapier zu
den Auswirkungen der Liberalisierung
im Tourismussektor am Beispiel der Türkei vorgelegt (Preliminary Assessment of
the Environmental & Social Effects of
Liberalisation in Tourism Services.
February 2001). Liberalisierung kann danach positive und negative Effekte haben, abhängig von der vorhandenen Infrastruktur, den Regulierungen und Institutionen. WWF betont, daß das
Diskussionspapier nur eine vorläufige
Analyse sein kann, da bisher zu wenig
Forschung und Daten vorliegen.
Auch das deutsche Forum Umwelt und
Entwicklung arbeitet zusammen mit dem
Center for International Environmental
Law an diesem Thema und wird demnächst eine (kurze) Studie vorlegen.
Verhandlungen über einzelne Sektoren beginnt
Ungeachtet der fehlenden Folgenabschätzung beginnen im Mai die konkreten Liberalisierungsverhandlungen. Vom
14. bis 18. Mai 2001 trifft sich der
Dienstleistungsrat zur ersten von drei
Sondersitzungen, die für dieses Jahr dazu
angesetzt sind. Der genaue Ablauf der
Verhandlungen ist noch unklar. Vermutlich gibt es zunächst einen offenen Austausch über alle bisher vorliegenden
Verhandlungsvorschläge. Spezielle
Verhandlungsrunden zu einzelnen Sektoren wird es erst später geben.
Es gibt inzwischen eine große Anzahl
von Vorlagen zu einzelnen Sektoren, u.a.
zu, Finanzdienstleistungen, Handel, Vertrieb, Tourismus und Energie- und Umweltdienstleistungen. Die meisten Vorlagen stammen bislang von Industrieländern, v.a. Australien, EU, Kanada und
USA. Sie finden sich alle auf der WTOWebseite (www.wto.org/english/
ratop_e/serv_e/s_propnewnegs_e.htm).
Kontroverse um Bildung, Gesundheit
und Wasser
Zu den besonders kontroversen Themen
gehört die Liberalisierung öffentlicher
Dienstleistungen. In den letzten Monaten wurde international diskutiert, ob öffentliche Dienstleistungen vom GATS
erfaßt werden oder nicht. GATS nimmt
nach Art. I.3 staatliche Dienstleistungen
nur aus, wenn sie nicht auf kommerzieller Basis und nicht im Wettbewerb zu
anderen Anbietern geleistet werden. Für
viele öffentliche Dienstleistungen, z.B. im
Gesundheits- oder Bildungssystem, gilt
dies bereits nicht mehr. Bildungs- und
Gesundheitsdienstleistungen sind bereits in der GATS-Klassifikation. Angesichts dieser Tatsache und der offensichtlichen Liberalisierungsinteressen bei Gesundheit und Bildung, kann man nicht
von einer wirkungsvollen Ausnahmeregel ausgehen.
Zu Bildung und Gesundheit hat wegen
der Brisanz noch kein Staat einen richtigen Verhandlungsvorschlag vorgelegt.
Nur die USA haben ein Dokument zu höherer Bildung erarbeitet, das mögliche
Handelshemmnisse im Bildungsbereich
aufzählt (Communication from the United
States. Higher (Tertiary) Education,
Adult Education, and Training. S/CSS/
W/23, 18.12.2000). Genannt werden u.a.
fehlender Marktzugang, schleppende
Zulassung, verpflichtende Zusammenarbeit mit lokalen Partnern und undurchsichtige Subventionen. Das US-Papier
liefert so Indizien für mögliche
Verhandlungsfelder. Bildung- und
Gesundheitssyteme könnten zudem
durch neue Regeln für staatliche Regulierung unter Druck geraten (s. unten).
Die Liberalisierung der WasserversorBrücken • Ausgabe Mai 2001•Seite 9
gung als weiterer Basisdienstleistung
wird besonders von der EU und den europäischen Wasserkonzernen wie Suez
vorangetrieben. Die EU möchte die Wasserversorgung in einer neuen Klassifikation der Umweltdienstleistungen unterbringen. NROs wehren sich vehement
gegen diese Pläne und fordern, daß Wasser ganz aus GATS ausgeklammert wird.
Debatte um „GATS-Visa“
Indien hat einen horizontalen Vorschlag
zu Mode 4 vorgelegt (Communication
from India. Proposed Liberalisation of
Movement of Professionals under General Agreement on Trade in Services
(GATS). S/CSS/W/12, 24.11.2000). Mode
4 ist die Erbringung von Dienstleistungen durch temporäre Grenzüberschreitung natürlicher Personen, z.B. Baudienstleistungen oder medizinische Pflege durch ausländische ArbeiterInnen.
Indien fordert in seinem Papier die Erleichterung dieser temporären Arbeitsmigration und regt die Schaffung von
“GATS-Visa” für kurzfristige Arbeitsaufenthalte an. Allerdings wurde bereits
deutlich, daß der Widerstand der europäischen Regierungen gegen diese Vorschläge groß ist.
Regeln für innerstaatliche
Regulierung
Die innerstaatliche Regulierung
(Domestic Regulation) im Dienstleistungssektor ist einer der zentralen Themen der Verhandlungen. Es hat sich eine
heftige öffentliche Auseinandersetzung
um die Frage entwickelt, ob und in welchem Maße GATS die Regulierungskompetenz der Nationalstaaten einschränkt. Neue Vorlagen zu diesem Thema geben der Diskussion neue Nahrung.
Kern der Debatte ist der sogenannte
Necessity Test (Notwendigkeitstest). Im
März hat das WTO-Sekretariat ein informelles Papier zu diesem Thema verfaßt (Application of the Necessity Test:
Issues for Consideration. Job No. 5929,
19. März 2001, zu finden unter
www.xs4all.nl/˜ceo/gatswatch/leaks/
domreg.htm). Danach beinhaltet ein
Notwendigkeitstest die allgemeinen Regel, daß Regulierungen den Handel nicht
mehr behindern sollen als notwendig. Die
zweite Komponente sei die fallweise
Überprüfung einzelner Regulierungen
durch
den
Streitschlichtungsmechanismus. Dabei werde geprüft, ob
die konkrete Maßnahme notwendig ist,
um ein angegebenes legitimes
BRÜCKEN
KOMMENT
AR
OMMENTAR
Regulierungsziel zu erreichen. Eine
handelsbehindernde Maßnahme könne
nur dann als notwendig betrachtet werden, wenn es keine handelsfreundlichere
Alternative gibt, die voraussichtlich den
Zweck genauso erfüllt.
Das Papier diskutiert zudem, welche politischen Ziele - über die Ausnahmen des
Art. XIV hinaus - generell als legitim betrachtet werden können. „Öffentliches Interesse“ sei von den WTO-Mitgliedern
als zu breit abgelehnt worden.
Verbraucherschutz und Qualitätssicherung seien die Ziele, die am ehesten horizontal angewendet werden können. Das
Sekretariat weist dabei in einer Fußnote
daraufhin, daß Verbraucherschutz ein
sehr breiter Begriff sei und möglicherweise zu protektionistischen Zwecken mißbraucht werden könnte. Dieser Hinweis
zeigt, aus welcher Perspektive das Sekretariat das Thema betrachtet: Regulierung steht unter Generalverdacht.
Das Proportionalitätskonzept der EU
Anfang Mai hat die Europäische Union
eine neue Mitteilung zur staatlichen Regulierung bei der WTO eingereicht
(Communication from the European
Communities and their Member States.
Domestic Regulation: Necessity and
Transparency. S/WPDR/W/14, 1.5.2001).
Obwohl die EU die Bemühungen um neue
Regeln unterstützt, nimmt sie in dem aktuellen Papier an einigen Stellen eine defensive Haltung ein. Die Verhandlungen
dürften nicht zu einem unberechenbaren
Mandat für Streitschlichtungsverfahren
führen.
Die EU argumentiert deshalb für ihr
Proportionalitätskonzept: danach sollen
Maßnahmen solange nicht als unnötig
handelshemmend angesehen werden,
solange ihre Folgen proportional zur Zielsetzung sind. Die Zielsetzung an sich
solle nicht bewertet werden. Eine Liste
legitimer Ziele, von der EU im letzten Jahr
noch vertreten, soll jetzt nicht mehr notwendig sein.
Das Konzept eines Notwendigkeitstests
solle horizontal sein, also sektorübergreifend angelegt sein. Die EU will sich
aber nicht festlegen, ob dies bedeute, daß
der Notwendigkeitstest für alle Sektoren
gelte – unabhängig von bestehenden
Verpflichtungen. Damit besteht weiter die
Gefahr eines Durchgriffs auf jegliche
Regulierung im Dienstleistungssektor;
der Bottom-Up-Ansatz droht ausgehebelt zu werden.
Keinen Spielraum sieht die EU für die Ein-
führung von Konsultationen im Vorfeld
neuer Regulierungsmaßnahmen, wie die
USA dies wünschen. Sie seien zwar prinzipiell wünschenswert; die Sorgen einiger WTO-Mitglieder, daß solche Konsultationen mit ihrem Rechtssystem unvereinbar seien, müßten aber ernst genommen werden.
Die EU hält mit ihrem neuen Dokument
weiter am Arbeitsprogramm zur staatlichen Regulierung fest. Bemerkenswert
ist dabei die Abgrenzung, die die EU dabei vornimmt: während die Bestimmungen zur Inländerbehandlung sich gegen
diskriminierende Maßnahmen gegenüber ausländischen Anbietern wenden,
beschäftige sich der Art. VI (Innerstaatliche Regulierung) mit nicht-diskrimierenden Maßnahmen, die für heimische
und ausländische Anbieter gälten. Die
EU macht damit die Reichweite des Themas deutlich: mit dem Art. VI wendet sich
GATS nicht mehr nur gegen „Protektionismus“, sondern gegen alle staatliche
Regulierung, die Dienstleistungsanbieter
unnötig behindere. Was „unnötig“ ist,
entscheidet dabei ein WTO-Panel.
Folgenabschätzung für staatliche
Regulierung
Australien hat in einer neuen Eingabe
seine “Regulatory Impact Analysis” als
mögliches Vorbild für die WTO geschildert (Communication from Australia.
Regulatory Impact Analysis in Australia.
S/WPDR/W/15, 3.5.2001). Jede
Regulierungsmaßnahme erfordert danach
ein “Regulatory Impact Statement”: dieses enthält u.a. die Ziele, die Handlungsoptionen und eine Abschätzung der
Auswirkungen für Verbraucher, Wirtschaft und Regierung. Dabei fehlt jeder
Hinweis darauf, ob und wie in der Folgenabschätzung auch soziale und ökologische Aspekte berücksichtigt werden sollen. Das Papier betont außerdem, daß freiwillige Ansätze Vorrang vor regulativen
Maßnahmen haben sollten.
Auch dieses Papier zeigt die gefährlichen
Tendenzen der GATS-Verhandlungen zur
innerstaatlichen Regulierung: sie laufen
auf den Abbau staatlicher Regulierung
hinaus. Die Canadian Environmental Law
Association weist in einem Memo daraufhin, daß in elf WTO-Streitfällen im
Güterbereich bisher ein Notwendigkeitstest angewandt wurde (nach dem SPSoder TBT-Abkommen). In zehn von elf
Fällen hatte die angegriffene
Regulierungsmaßnahme keinen Bestand,
u.a. bei den Streitfällen um Thunfisch und
Brücken • Ausgabe Mai 2001• Seite 10
Hormonfleisch.
Eine hitzige Debatte
Nicht zuletzt die möglichen Gefahren für
die staatliche Regulierung heizen die internationale Diskussion um GATS an.
Von verschiedenen Seiten wurden Vorwürfe laut, daß GATS die Demokratie
unterlaufe. Denn letztlich entscheide ein
Schiedsgericht an Stelle nationaler Parlamente über die Gültigkeit der staatlichen Regeln.
Angesichts der Vorwürfe und stärker
werdenden NRO-Kampagnen hat sich
das WTO-Sekretariat zu einem ungewöhnlichen Schritt entschieden: im Vorfeld einer Protestaktion in Genf verteilte
es ein Papier an Journalisten mit dem Titel „Facts and Fiction“. Im aggressiven
Ton wirft die WTO den GATS-Kritikern
Mißverständnisse und Verzerrungen vor.
Sie versucht zugleich, überaus formalistisch und ohne Bezug auf Macht- und
Interessenlagen in Genf, die Kritik der
NROs zu widerlegen. (Das Papier und
kritische Anmerkungen dazu finden sich
unter www.xs4all.nl/˜ceo/gatswatch/
factfict/index.html).
Das Papier hat verschiedene Nachahmer
gefunden. So hat das englische Department of Trade and Industry Briefe mit
einer angepaßten „Facts and Fiction“Version an die englischen Abgeordneten gesandt. Von Seiten der Industrie hat
International Financial Services, London,
eine ähnliche NRO-Kritik auf ihre
Webseite gestellt (www.ifsl.org.uk). Die
Lobbygruppe vertritt die Interessen der
Londoner Finanzwelt; bezeichnenderweise wird ihre Arbeitsgruppe zur
Dienstleistungsliberalisierung seit Februar 2001 vom ehemaligen EU-Handelskommissar Leon Brittan geleitet.
„Facts and Fiction“ ist ein Beispiel für
eine neue Strategie gegen NROs.
Edelman Public Relations Worldwide hat
sich nach Seattle besonders dieses Themas angenommen (www.edelman.com/
edelman_newsroom/ngo/index.asp). Die
Agentur rät Unternehmen und Regierungen, offensiv gegen NRO-Kritik vorzugehen. Offensichtlich findet dieser Ansatz inzwischen Widerhall.
Andererseits zeigt Facts and Fiction auch
den öffentlichen Druck und die Verunsicherung der WTO. Mit den nun beginnenden zweiten Verhandlungsphase wird
sich die Auseinandersetzung weiter verschärfen. In Deutschland steckt die Diskussion um GATS noch in den Kinderschuhen.
BRÜCKEN
WTO-NACHRICHTEN
Entwicklungsländer gewinnen Boden bei der Festsetzung von
Richtlinien für die Dienstleistungsverhandlungen
Am 28. März verabschiedeten WTO-Mitglieder den Entwurf eines Regelkatalogs
für die Fortführung der Dienstleistungsverhandlungen (S/L/93) (Siehe Kasten
Seite 13). Einige Mitglieder und Beobachter merkten an, dass die Richtlinien
wenig substanziellen Nutzen für den
GATS-Text selbst bereitstellen, gleichwohl glauben sie, dass die Verabschiedung der Richtlinien ein Signal für die
Gesprächsbereitschaft der WTO-Mitglieder sei, trotz des Fehlens einer neuen
Handelsrunde.
Aussöhnung der Interessen von
Entwicklungsländern und Industrieländern
Zahlreiche informelle Treffen und vier
aufeinander folgende Entwürfe eines
Regelkatalogs und -verfahrens für Verhandlungen waren notwendig, um die
Kluft zwischen den abweichenden Interessen der Mitglieder in Bezug auf
Dienstleistungen zu überbrücken — insbesondere das Recht der Entwicklungsländer auf besondere und differenzierte
Behandlung.
Ein erster Entwurf vom Januar 2001 enthielt verschiedene Schlüsselelemente, die
in einem Vorschlag der G-24, einer Koalition von Entwicklungsländern einschließlich Argentiniens, Brasiliens, Indiens,
Pakistans und Thailands, vom 20. Dezember eingeschlossen waren. Der Text enthielt Elemente wie die Einrichtung eines
Mechanismus” für die wirksame Umsetzung von GATS-Artikel IV, der darauf
zielt, die Beteiligung der Entwicklungsländer am globalen Handel mit Dienstleistungen zu steigern. Wie von den G-24
vorgeschlagen, hält das Papier auch fest,
dass „es für einzelne Entwicklungsländer angemessene Flexibilität geben solle” und legt den „Anfrage-und-Angebot”-Ansatz als grundlegende Methode
fest, um spezielle Verpflichtungen auszuhandeln (d. h. Länder, die eine Liberalisierung wollen, stellen eine Anfrage und
andere Länder antworten darauf mit einem Angebot).
Bei einem inoffiziellen Treffen am 7. Februar bezeichneten Entwicklungsländer
und vor allem die USA den ersten Entwurf als unausgewogen, weil er sich zu
sehr auf die Bedürfnisse der Entwick-
lungsländer konzentriere. Mitglieder verlangten einen zweiten Entwurf, der die
Kommentare aus dem Treffen berücksichtigt. Daraufhin wurde ein zweiter Entwurf
herausgegeben und von etwa 70 Delegationen aus Entwicklungsländer scharf
zurückgewiesen. Die Afrikanische Gruppe und die CARICOM waren beide gegen den Entwurf, der ursprünglich von
Indien im Namen der G-24 vorgebracht
wurde, weil die Entwicklungsdimensionen aus dem ersten Entwurf wie
die Erwähnung der Flexibilität für Entwicklungsländer und Bestimmungen zur
besonderen Behandlung für am wenigsten entwickelte Länder aus dem neuen
Text entfernt worden waren, nicht aber
traditionell von Industrieländer befürwortete Themen wie die Auflage des Stillstands während Verhandlungen oder die
Bestimmung über technische Überprüfung. Da es zu keiner Einigung kam, wurde das Treffen vertagt, und die Mitglieder forderten den Vorsitzenden auf, weitere Beratungen durchzuführen. Die Sitzungen über die Verhandlungsrichtlinien
wurden auf 15. März vertagt. Die G-24,
die Afrikanische Gruppe und die
CARICOM verlangten, dass die
Entwicklungsprobleme aus dem ersten
Entwurf in einem neuen Vorschlag ausreichend behandelt werden.
Ein dritter Entwurf vom 16. März enthielt
wieder gewisse Bezugnahmen auf die
Entwicklungsprobleme aus dem ersten
Entwurf. Außerdem enthielt er einige Elemente in Klammern (für die eine weiterführende Anleitung durch den Rat für
den Handel mit Dienstleistungen als notwendig befunden wurde) über Fragen wie
Flexibilität für Entwicklungsländer bei
Verhandlungen über Ausnahmen nach
der Meistbegünstigungsklausel.
Am 23. März wurde schließlich ein vierter Entwurf vorgelegt und diskutiert. Einige Entwicklungselemente, die im dritten Entwurf eingeklammert waren, wurden in den neuen Text integriert, was eine
informierte Quelle aus Handelskreisen
eines Entwicklungslandes dazu
veranlasste, zu unterstreichen, dass dieses jüngste Regelwerk sogar noch mehr
als der erste Entwurf auf die Belange von
Entwicklungsländern eingehe und dennoch bei den Mitgliedern breite Zustimmung finde.
Brücken • Ausgabe Mai 2001•Seite 11
Insbesondere die CARICOM und die
Afrikanische Gruppe drängten auf eine
Bezugnahme auf die Bedürfnisse der
Wirtschaften schwächerer Länder und
Dienstleistungsanbieter, was Bedenken
aufwarf, wie solche Konditionen definiert
werden sollten. Dies wurde in den Entwurf aufgenommen.
Uneinigkeit bestand auch in Hinblick auf
die
Aufeinanderfolge
von
Beschlussfassung bei der Festlegung
von Regeln und dem Beginn von Verhandlungen über spezielle Verpflichtungen sowie darüber, wann Kriterien für die
autonome Liberalisierung vereinbart werden sollte. Obgleich die Mitglieder eine
strenge Frist für den Anschluss der Verhandlungen über Sicherheitsklauseln
setzten (15. März 2002), stimmten sie in
anderen Fragen weniger überein und einigten sich, einen „Abschluss” der Verhandlungen über Subventionen sowie
über Strafmaßnahmen für nationale Verordnungen und das staatliche
Beschaffungswesen „anzustreben“.
BRÜCKEN
Einige Schlüsselpunkte der Richtlinien vom 28. März
Ziele und Grundsätze
Umfang
Modalitäten und Verfahren
•
Eine Anerkennung des „Rechts
der Mitglieder, die Bereitstellung von
Dienstleistungen zu regulieren und neue
Verordnungen zu erlassen“.
Keine a priori Ausnahme eines Dienstleistungssektors
oder
einer
Bereitstellungsart, sondern eine Festlegung,
dass
“Bereichen
und
Bereitstellungsarten, die für Entwicklungsländer von Interesse für den Export
sind, besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird”.
Ausgangspunkt der Verhandlung „sollen die derzeitigen Zeitpläne sein, ohne
Voreingenommenheit gegen den Inhalt
der Anfrage”.
•
Ein Anerkenntnis, dass Verhandlungen „eine verbesserte Beteiligung der
Entwicklungsländer am Handel mit
Dienstleistungen anstreben sollen” und
„angemessene Flexibilität” für einzelne
Entwicklungsländer, mit spezieller Priorität für Mitglieder aus am wenigsten entwickelten Ländern.
•
Eine Bezugnahme auf die Größe
der Volkswirtschaften und auf kleine und
mittlere Dienstleistungsanbieter.
•
Deutlicherer Ausdruck der Forderung von Entwicklungsländern, dass
Verhandlungen „bestehende Struktur
und Grundsätze des GATS respektieren,
einschließlich des Rechts, Bereiche, in
denen Verpflichtungen übernommen
werden, und die vier Arten der Bereitstellung von Dienstleistungen festzulegen.
•
Streichung der Stillstandauflage,
die von einigen Industrieländer befürwortet, von vielen Entwicklungsländern
wie Indien aber abgelehnt wird.
„Angemessene Flexibilität” für Entwicklungsländer bei Verhandlungen über
Ausnahmen
nach
der
Meistbegünstigtenklausel. Laut einer informierten Quelle aus Handelskreisen eines Entwicklungslandes wurde diese
Auflage wegen der Tatsache veranlasst,
dass die meisten Entwicklungsländer
wenige oder keine solcher Ausnahmen
haben, wohingegen Industrieländer wie
die USA, die EU und Kanada „Meister
der
Ausnahmen
nach
der
Meistbegünstigtenklausel sind”.
Abfolge zwischen Festlegung von Regeln und dem Beginn von Verhandlungen über spezielle Verpflichtungen, Einigung, die Gespräche über Sicherheitsklauseln bis 15. März 2002 abzuschließen, und unverbindliche Sprache für den
Abschluss der Gespräche über Subventionen und Strafmaßnahmen für nationale
Verordnungen und das staatliche
Beschaffungswesen.
Keine Bezugnahme auf den Anhang zum
Lufttransport.
Brücken • Ausgabe Mai 2001• Seite 12
Hauptsächliche Verhandlungsmethode
sollte die „Anfrage-Angebot”-Methode
sein, die von den Entwicklungsländern
statt der von den USA und der EU befürworteten „Cluster”- oder „Formel”-Ansätze (gemeinsame Behandlung mehrerer Sektoren) angewendet wird, um das
Tempo der Liberalisierung zu beschleunigen.
Eine unverbindliche Klausel, um sich vor
den Verhandlungen über spezielle Verpflichtungen auf Kriterien für die Freiheit von autonomer Liberalisierung zu einigen.
BRÜCKEN
WTO-NACHRICHTEN
Afrikanische Staaten machen zahlreiche V
orschläge für die zweite
Vorschläge
Phase der Agrarverhandlungen
Multifunktionalität und
andere nicht handelsbezogene
Fragen
Im Februar 2001 legte Japan seinen lange erwarteten Vorschlag
über die breiten Ziele der „builtin”-Verhandlungen vor (G/AG/
NG/W/91). Wie erwartet stützte
sich das Papier stark auf das
Konzept der „Multifunktionalität”, das Japan, die EU, Korea,
vorgebracht wurden, wurde besser aufgenommen, besonders weil die EU festlegte, Massnahmen für den Umgang mit
nicht handelsbezogenen Fragen anzuvisieren, die transparent sein und nicht
zum Absenken der globalen Agrarpreise
beitragen sollen.
lungsländer und forderten mehr Aufmerksam für spezifische Probleme der am wenigsten entwickelten Länder und solcher,
die Netto-Importeure von Nahrungsmitteln sind.
Bei der Sondersitzung im März wurden
neben dem gemeinsamen Papier auch
einzelne Vorschläge von sieben afrikaniIndien zeigte den Blickwinkel eines Ent- schen Staaten (Namibia, Senegal, Kenia,
wicklungslandes in Bezug auf die Be- der Demokratischen Republik Kongo,
handlung von nicht handelsbezogenen Nigeria, Ägypten und Marokko) diskuFragen auf (G/AG/NG/W/102). Es schlug tiert (zehn der 44 zur Verhandlung eingereichten Vorschläge stammten
ausschließlich und unabhängig
voneinander von afrikanischen
Staaten). Diese (und andere)
"Besondere und diferenzierte Behandlung
sollte Entwicklungsländern erlauben, grund- Vorschläge sind auf der
sätzliche Massnahmen zu ergreifen, die auf Internetseite der WTO zu
Agrarthemen
http://
kleinbäuerliche Landwirtschaft, Armutswww.wto.org/english/tratop_e/
bekämpfung in ländlichen Gebieten,
agric_e/agric_e.htm veröffentlicht.
Ernährungssicherung und
Die erste Phase der WTOAgrarverhandlungen, unabhängig von
einer
Handels-„Runde”
im
Agrarabkommen (Agreement on
Agriculture ) festgelegt, ging am 27. März
zu Ende. Während der zweiten Phase, die
im März begann, wird sich der
Agrarausschuss mit mehr fachspezifischer Arbeit befassen, bevor in Phase
Drei neue Verhandlungen über Marktzugang und andere Konzessionen aufgenommen werden.
Produktdiversifizierung zielen."
WTO -Nachrichten
Norwegen und die Schweiz heranziehen,
um ihre „nicht handelsbezogenen Fragen” wie Umweltschutz, Entwicklung und
Beschäftigung im ländlichen Raum,
Kulturerbe, Ernährungssicherung und
Nahrungsmittelsicherheit abzudecken.
Der einzigartige Beitrag der Landwirtschaft zu all diesen Bereichen, so das
Argument der Befürworter, rechtfertige
staatliche Unterstützung in einem Umfang, der in anderen Güterkategorien, die
unter das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (GATT) fallen, nicht erlaubt
sei.
Zusätzlich zu den allgemeineren Einwänden gegen das Multifunktionalitäts-Argument kritisierte die Mehrheit der WTOMitglieder — und die Cairns-Gruppe der
Agrarexporteure im besonderen — Japans Vorschlag, dass es Ländern gestattet sein sollte, Importbeschränkungen
und Sicherheitsklauseln anzuwenden,
um ihre Agrarsektoren gegen plötzliche
Importanstiege zu schützen.
Der umfassende Vorschlag der EU (G/AG/
NG/W/91), der Positionen wiederholte,
die bereits zuvor in anderen Papieren
die Schaffung einer „Ernährungssicherungs-Box” vor, die Massnahmen,
die von Entwicklungsländern zur Gewährleistung angemessener Ernährungssicherung geschaffen wurden, aus den
Agreement on Agriculture-Strafen ausnehmen würde. Während Indiens Vorschlag zustimmende Kommentare aus
vielen Entwicklungsländern erntete, die
Ernährungssicherung ebenfalls als Kernziel betrachten, argumentierten andere
Mitglieder gegen ein zweistufiges System von Rechten und Pflichten. Ein solcher Ansatz, so ihr Argument, stünde
der Logik der WTO entgegen, die ein einziges Regelwerk mit erlaubten Abänderungen für qualifizierte Länder befürwortet.
Ein gemeinsamer Vorschlag der Afrikanischen Gruppe (G/AG/NG/W/142) wählte Ernährungssicherung, nachhaltige
Entwicklung des ländlichen Raumes und
Linderung der Armut als zentrale nicht
handelsbezogene Fragen aus, an die bei
der Verhandlung über eine Agrarreform
gedacht werden müsse. Er betonte auch
die Bedeutung der besonderen und differenzierten Behandlung für EntwickBrücken • Ausgabe Mai 2001•Seite 13
Bei einer früheren Sitzung plädierten Mauritius (G/AG/NG/
W/96)
und kleine InselEntwicklungsländer (G/AG/NG/W/97)
dafür, bevorzugte Marktzugangsprogramme für besonders schwache Entwicklungsländer beizubehalten, wohingegen die CARICOM vorschlug, solche
Arrangements nur als Unterstützung
beim Übergang eines Entwicklungslandes zu einer umfassenden Entwicklung
anzuwenden.
Staatliche Handelsunternehmen und
Exportkredite
Im März forderte Mercosur (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay)
härtere Strafen für staatliche Handelsunternehmen, die nach Aussage des
Handelsblocks den Handel durch
Monopolrechte für Import und Export
zugunsten von nationalen Produzenten
verzerrten. Während USA und EU diesen Vorschlag positiv aufnahmen, argumentierten Kanada, Australien und Neuseeland — die alle STE-Handelsmanagementprogramme haben — dass
die Anwendung von STEs sich nicht von
den handelsverzerrenden Wirkungen einer Quersubventionierung unterscheide,
die als private Handelspraktiken üblich
BRÜCKEN
WTO-NACHRICHTEN
sei. Hauptthema, so sagten sie, sollten
die Handelsauswirkungen von Quersubventionierung sein.
wicklung (OECD) verhandelt würden und
auch in diesem Forum verbleiben sollten.
Gemeinsam mit Indien, Malaysia, Costa
Rica, Guatemala und Chile legte
Mercosur einen Vorschlag über Exportkredite vor (G/AG/NG/W/50). Die Gruppe sagte, Strafen für Exportkredite sollten in das neue Abkommen wieder aufgenommen werden, weil der derzeitige
Artikel 10.2 — der von Mitgliedern verlangt, international vereinbarte Strafen
für Exportkredite auszuarbeiten — nicht
in der Lage gewesen wäre, deren Anwendung einzuschränken. (Die Aufnahme
von Exportkrediten in zukünftige Verhandlungen zum Unterstützungsabbau
ist ebenfalls ein Hauptziel der EU.) Die
USA — die am meisten Exportkreditprogramme anwenden — bekräftigten
ihre Position, dass Exportkreditstrafen
derzeit bei der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
Arbeitsplan für Phase Zwei gebilligt
Der am 27. März verabschiedete Arbeitsplan für Phase II sieht drei offizielle
Verhandlungssitzungen (September
2001, Dezember 2001 und Februar 2002)
und für März 2001 eine Bestandsaufnahme vor. Drei inoffizielle Sondersitzungen
finden im Mai und Juli 2001 und im Februar 2002 statt.
Während der zweiten Phase sollen die
WTO-Mitglieder detaillierte Vorschläge
zu folgenden Themen einreichen und diskutieren:
•
Zollquotenadministration und
Zollsenkungen,
•
Amber-Box-Subventionen,
•
Exportsubventionen,
•
Exportkredite und staatliche Handelsunternehmen,
•
Exportbeschränkungen sowie
•
Ernährungssicherung,
Nahrungsmittelsicherheit und Entwicklung des ländlichen Raums.
Diese Liste ist eher angedeutet als erschöpfend. Obgleich Mitglieder sie nutDas erste Treffen der Phase II — eine
zen können, um ihre Vorbereitung für
inoffizielle Sondersitzung des
spätere Treffen festzulegen, können sie
Agrarausschusses — findet vom 21. bis
auch andere Bereiche hinzufügen. So hat
23. Mai statt. Den Vorsitz wird der ThaiNorwegen angedeutet, es wolle in zuländische Gesandte Apiradi Tantraporn
künftigen Sitzungen „die Umwelt” mit
führen.
einbeziehen.
Der Arbeitsplan legt auch fest, dass besondere und differenzierte Behandlung
ein integraler Teil aller Verhandlungselemente sein wird.
WT
O und PPMs: Zeit, ein TTabu
abu zu brechen
WTO
Von Aaron Cosbey
Es sollte ein für allemal mit der falschen
Unterscheidung zwischen Produktnormen und Normen auf der Basis von
Prozeß- und Produktionsmethoden
(PPMs) 1 aufgeräumt werden. Weder fußt
diese Unterscheidung auf Dokumenten
und Verhandlungsgeschichte des GATT,
noch ist sie von praktischem Nutzen.
Die herkömmliche Interpretation der
GATT-Gesetzgebung besagt, dass eine
Unterscheidung von Produkten auf der
Basis von PPMs an der Landesgrenze
eine Verletzung der GATT-Prinzipien für
Nichtdiskriminierung darstellt. 2 Dies basiert auf einer Auslegung der Bestimmungen über nationale Behandlung und
Meistbegünstigung (GATT-Artikel III
bzw. I), in der solche Produkte als „gleichartig” bezeichnet werden, die aufgrund
ihrer Produktmerkmale unterschieden
werden können. Einige der letzten
Schlichtungsgremien haben das Kriterium der kommerziellen Substituierbarkeit
angewendet, um festzulegen, welche Produkte „gleichartig” sind und deshalb an
der Grenze zum Importland der gleichen
Behandlung unterliegen müssen. Aber
in keinem Fall liefert sie einen Spielraum
dafür, dass auf unterschiedliche Weise
hergestellte Produkte als „nicht gleichartig” eingestuft und darum unterschiedlich behandelt werden dürfen.
Diese Auslegung hat in Umweltschutzkreisen, für die die Herstellungsweise eines Produktes der zentrale Aspekt in Hinblick auf ein wirksames Umweltmanagement ist, beträchtliche Besorgnis
geweckt. 3 In der Tat ist die „PPMs-Frage” der wahre Kern der langjährigen
Handels- und Umweltdebatten, und eine
Klärung würde wirksam dazu beitragen,
dass sich die Zielsetzungen in Bezug auf
eine intakte Umwelt und steigenden
Wohlstand durch Handel wechselseitig
unterstützen.
Es wurde überzeugend argumentiert,
dass die Unterscheidung zwischen Normen, die auf PPMs bzw. auf Produkten
basieren, nicht auf GATT-Texten oder
deren Verhandlungsgeschichte zurückgeht. 4 Das Papier nimmt diese Aussage
als gegeben und argumentiert weiter, die
Unterscheidung sei weder gerechtfertigt
noch in der Praxis hilfreich. Es schließt
mit einigen Empfehlungen, die Exporteuren, besonders in Entwicklungsländern,
helfen sollen, sich an beide neue Arten
Brücken • Ausgabe Mai 2001• Seite 14
der Normenfestlegung anzupassen.
Einwände gegen PPMs kommen auf
den Tisch
Abgesehen von der Frage, ob auf PPMs
basierende Normen durch das GATT legitimiert sind, gibt es noch drei weitere
Hauptargumente für eine Ablehnung.
Erstens bieten solche Normen denen, die
sie festlegen, einen inakzeptablen Freiraum
für
protektionistische
Massnahmen. Zweitens ist ihre Umsetzung in der Praxis schwierig. Und drittens verletzen sie die Souveränität, indem sie Werte der normensetzenden Länder in die ausführenden Länder exportieren. Diese drei Faktoren stützen das Argument, auf PPMs basierende Normen
würden Exporteuren, vor allem solchen
aus Entwicklungsländern, inakzeptable
Kosten aufbürden. Diese Ansichten
wollen wir nachfolgend im einzelnen genauer betrachten.
Fortsetzung Seite 20
BRÜCKEN
STREITSCHLICHTUNGSECKE
USA klagt gegen Brasiliens System
für den Zugang zu Arzneimitteln
Entwicklungsländer reagierten empört,
als die USA im Mai 2000 ankündigten,
gegen Brasiliens und Argentiniens
Patengesetzgebung bei der WTO Klage
einzureichen. Wichtigster Punkt war dabei, dass die Mitglieder keine Schlüsselforderung der Entwicklungsländer zur
Umsetzung behandelt hatten, d. h. die
Verlängerung der Übergangsfristen bis
zur vollständigen Einhaltung des Abkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte an Geistigem Eigentum
(TRIPS) über den 1. Januar 2000 hinaus. 1
ses nicht aufhört, ein billiges Generikum
von Mercks AIDS-Medikament Stockrin
aus Indien zu importieren. Das FarMaguinhos-Labor sagt, es verwende lediglich das in Brasilien nicht zugelassene Generikum Efavirez zu Forschungszwecken.
Das TRIPS-Abkommen enthält keine
Bestimmungen über eine Verlängerung
der Übergangsfristen. Zwar wurde diese
Forderung bei der Umsetzungsüberprüfung in einem allgemeinen
Rahmen gestellt, aber kein Mitglied hat
mehr Zeit verlangt, um spezifische mit
dem TRIPS nicht vereinbare Massnahmen
schrittweise aufzuheben.
1
Kommt jetzt Argentinien dran?
Trotz Kritik aus Entwicklungsländern
kam der Fall gegen die Patentbestimmungen in Brasiliens Gesetz über
Gewerbliches Eigentum am am 1. Februar vor ein Gremium. Die USA brachten
zwei Punkte vor: eine „einheimische
Verwertungsklausel” in Artikel 68 des
Gesetzes, die verlangt, dass das patentierte Produkt entweder in Brasilien hergestellt wird oder brasilianischen Herstellern dessen patentierte Produktionsmethoden zugänglich gemacht werden. Erfüllt der Patentinhaber diese Klausel
nicht, erlaubt Artikel 68 Parallelimporte,
d. h. Importeure können das Produkt von
anderen Quellen als dem brasilianischen
Patentinhaber beziehen. Obwohl Artikel
68 nicht in erster Linie Arzneimittel behandelt, werden seine Bestimmungen vor
allem von der Pharmaindustrie und
Arzneimittelimporteuren angewendet.
Die USA argumentieren, dass die Bestimmungen in Artikel 68 sowohl gegen den
TRIPS-Artikel 27.1 über Nichtdiskriminierung beim Schutz von Patentrechten als auch gegen Artikel 28.1 über
die Alleinvermarktungsrechte von Patentinhabern verstoßen. Brasilien hält
nicht nur daran fest, dass seine Bestimmungen über einheimische Verwertung,
Pflichtlizenzierung und Parallelimporte
mit dem TRIPS-Abkommen vereinbar
seien, sondern erwägt auch eine Gegenklage, in der es geltend machen will, dass
die Patentgesetzgebung der USA ähnliche Bestimmungen über einheimische
Verwertung enthält.
Unabhängig davon hat der amerikanische
multinationale Konzern Merck angekündigt, das staatliche Far-Maguinhos-Labor in Brasilien zu verklagen, wenn die-
Während dieser Artikel geschrieben
wurde, gab es zwischen den USA und
Argentinien zwei anscheinend ergebnislose Verhandlungsrunden, die ähnliche
angebliche Verletzungen des TRIPS-Abkommens zum Thema hatten, allerdings
hatten die USA noch nicht die Einberufung eines Gremiums verlangt. Neben
anderen Klagen brachten die USA vor,
·
in Argentiniens Patentgesetzen
fehle ein Schutz gegen unlautere Verwendung von geheimen Testdaten oder anderen Daten,
·
bestimmte Gegenstände, darunter
Mikroorganismen,
seien
unzulässigerweise von der Patentierung
ausgeschlossen,
·
die Erteilung gewisser Exklusivrechte für Patente werde verweigert,
·
bestimmte Sicherheitsklauseln
für die Erteilung von Pflichtlizenzen, darunter auch solche über zeitliche Abstimmung und Rechtmäßigkeit von Pflichtlizenzen, die auf der Basis von nicht adäquater Verwertung gewährt wurden,
fehlten und
·
die unzulässige Beschränkung
der aufgrund von Übergangspatenten
verliehenen Exklusivrechte nehme Patentinhabern die Möglichkeit, schwebende Anwendungen zu ergänzen, um
einen gewissen erweiterten Schutz durch
das TRIPS-Abkommen geltend zu machen (WT/DS196/1).
Streit zwischen Brasilien und Kanada
um Exportsubventionen eskaliert
Brasilien und Kanada sind in ihrem
Kampf um Exportsubventionen für Flugzeuge in eine weitere Runde der WTOStreitschlichtungsverfahren gegangen.
Brücken • Ausgabe Mai 2001•Seite 15
Nach einer wechselseitigen Anfechtung
der Einhaltung früherer WTO-Regeln
wurde erwartet, dass Brasiliens
Exportfinanzierungsprogramm Proex im
Juli noch eine der untersagten Exportsubvention bereitstellen würde. Am 12.
Dezember 2000 gestattete das Streitschlichtungsgremium Kanada, als Entschädigung für die durch Brasiliens
Nichteinhaltung der WTO-Regeln verursachten wirtschaftlichen Verluste
Handelssanktionen im Wert von US$ 225
Millionen zu verhängen.
Statt jedoch Vergeltungszölle auf brasilianische Exporte zu erheben, bot Kanada Bombardier ein Unterstützungspaket
für Darlehen und Zinsen im Wert von
mehr als US$ 1 Milliarde an, um mit Brasiliens Exportsubventionen an Embraer
mithalten zu können, das mit dem kanadischen Hersteller um einen Vertrag über
75 regionale Flugzeuge für die der United
Airlines angeschlossene Air Wisconsin
konkurrierte. Zuständige kanadische Stellen sagten, dies würde exakt Brasiliens
derzeitiger Proex-Unterstützung für
Embraer entsprechen. Bombardier erhielt
schließlich den Zuschlag für den Vertrag
mit Air Wisconsin.
Brasilien behauptet, dass die Proex-Finanzierung das Abkommen über Subventionen und Vergeltungsmaßnahmen
(SCM-Abkommen) jetzt erfüllt, besonders da die Regierung den OECDReferenzzinssatz für den Handel als
Bezugsgröße für Kredite an EmbraerKunden angenommen hat. Laut Kanada
verletzt Proex immer noch den
Exportsubventionskanon der WTO. Am
16. Februar 2001 erreichte Kanada die
Einberufung eines weiteren Gremiums zur
Klärung dieser Angelegenheit.
Am 12. März konterte Brasilien mit der
Forderung nach einem Streitschlichtungsgremium, das den Umfang
der kanadischen Exportsubventionsmaßnahmen untersuchen soll. Mit der
Behauptung, Embraer habe nicht dieselbe Art von Krediten erhalten wie sie
Bombardier jetzt von Kanada angeboten
werden, nannte José Graça Lima, der brasilianische Handelsunterhändler, das
Geschäft einen „Gegenschlag, ausgeführt durch [Kanadas] eigene Hand”.
Neben den Krediten, die Bombardier für
den Verkauf an Air Wisconsin angeboten wurden, stellte Brasilien auch Kanadas weitere Pläne zur Unterstützung von
BRÜCKEN
STREITSCHLICHTUNGSECKE
Finanzierung, Kreditgarantie und Zinssatz in Frage, die laut Brasilien durch das
SCM-Abkommen verboten sind (WT/
DS222/2).
TRIMS-Fall zwischen USA und den
Philippinen wird doch weitergeführt
Am 16. März setzten die USA das WTOSekretariat davon in Kenntnis, dass sie
beim Streit mit den Philippinen um
Investitionsbeschränkungen
im
Automobilsektor die Nominierung von
Gremiumsmitgliedern wollen. Die USA
hatten am 17. November das Recht erhalten, ein Streitschlichtungsgremium
einzusetzen, aber zugestimmt, die Bestellung der drei Gremiumsmitglieder zurückzuhalten, solange bilaterale Beratungen
zwischen den Parteien stattfinden.
Zur Debatte stehen Auflagen die Befriedigung des lokalen Marktes und das
Gleichgewicht zwischen Import und Export, die wie die USA behaupten, mit dem
Abkommen über handelsbezogene
Investitionsmaßnahmen (TRIMS) nicht
vereinbar seien, das für Entwicklungsländer am 1. Januar 2000 in Kraft getreten ist. Die Philippinen haben für
Massnahmen unter ihrem KraftfahrzeugEntwicklungsprogramm eine fünfjährige
Verlängerung ihrer TRIMS-Einhaltungsfrist beantragt. Obwohl der WTOAusschuss für den Handel mit Gütern
bei den meisten dieser Anträge kurz vor
der Zustimmung zu einer vierjährigen
Verlängerung steht, drängten die USA
die Philippinen, einer kürzeren Verlängerung zuzustimmen und die Streitschlichtungsverfahren zu beschleunigen.
Beide Seiten sagten, sie würden die Verhandlungen trotz der Gründung des Gremiums weiterführen.
EU und USA einigen sich auf Reform
des Bananen-Importsystems
Nach mehr als zweijährigen Verhandlungen einigten sich die Europäische Kommission und die USA auf ein bilaterales
Abkommen über die Reform des
Bananenimportsystems der EU. Der Handel, der von den EU-Mitgliedsstaaten
und dem Europäischen Parlament erst
noch gebilligt werden muss, ebnet den
Weg für eine Aufhebung der USHandelssanktionen im Wert von US$ 191
Millionen. Die Liste der von den Sanktionen betroffenen EU-Exporte sollte gemäß der US-”Karussell”-Gesetzgebung
(in regelmäßigem Turnus werden die
sanktionierten Produkte gewechselt) geändert werden.
Statt dem von weiten Kreisen angefochtenen Lizenzsystem auf der Basis „Wer
zuerst kommt, wird zuerst bedient”, das
am 1. Juli in Kraft treten sollte, wird die
EU „primary operators” Lizenzen auf der
Basis der Handelsströme zwischen 1994
bis 1996 gewähren und Lateinamerikas
Bananenkontingent um 100.000 Tonnen
aufstocken. Die derzeitigen „anderen”
Kontingente werden um 100.000 Tonnen
reduziert und ausschließlich für zollfreie
Bananen aus AKP-Staaten reserviert
bleiben, die meisten davon ehemalige
europäische Kolonien in Afrika, der Karibik und dem pazifischen Raum. Obgleich lateinamerikanische Produzenten
und deren multinationale Distributoren
durch den statistischen Referenzzeitraum von 1994 bis 1996 mehr begünstigt werden als durch die derzeitigen
Quoten oder das „Wer zuerst kommt, wird
zuerst bedient”-System, wollten die meisten — und vor allem Chiquita International — eine Quotenvergabe auf der
Basis der Handelsströme vor 1993, als
die EU ein Union weites Importsystem
verabschiedete, das AKP-Bananen privilegierten Zugang einräumte. Bei Drucklegung war noch nicht klar, ob Chiquita
die Klage zurückzieht, die es im Januar
beim Europäischen Gerichtshof eingereicht hat, um US$ 525 Millionen Entschädigung für die Beeinträchtigungen durch
das derzeitige Importsystem einzuklagen.
Die USA stimmte einer Importlizenzkategorie von 17 Prozent für „Neulinge”
zu, und diese Zahl lag etwas höher als
die gewünschte, um so zu gewährleisten,
dass etablierte operators den Großteil der
verfügbaren Lizenzen bekommen.
Das gerade vereinbarte System, das am
1. Juli 2001 in Kraft treten soll, wird 2006,
wenn Importquoten abgeschafft und
unterschiedliche Zölle für AKP-Bananen
und andere Bananen eingeführt werden,
in ein nur auf Zöllen basierendes System
umgewandelt. Frankreich und Spanien
sind noch immer gegen ein solches System und die EU-Mitglieder sind geteilter Meinung über die Höhe einer letztlichen Zolldifferenzierung, die in der WTO
ausgehandelt werden müßte. Die Kommission hat für AKP-Bananen und europäische Bananen einen Vorzugszoll von
•275/t statt der derzeitigen •75/t vorgeBrücken • Ausgabe Mai 2001• Seite 16
schlagen. Bananenproduzenten in AKPStaaten behaupten, dass ein Vorzugszoll
von •275/t nicht ausreiche, um den
Marktzugang zu gewährleisten, während
die USA und lateinamerikanische Länder den vorgeschlagenen Unterschied zu
hoch finden.
Die exklusive zollfreie AKP-Quote von
750.000 Tonnen benötigt eine Waiver
nach GATT-Artikel XIII (Verbot der unterschiedlichen Behandlung bei der
Quotenzuteilung), und die USA haben
zugestimmt, das Ersuchen um eine
Waiver zu unterstützen. Wenn die anderen in den Streit involvierten Parteien mit
dem vorgeschlagenen neuen System zufrieden sind, kann im Rat für den Handel
mit Gütern endlich auch eine Waiver nach
GATT-Artikel I für das Europäische
Partnerschaftsabkommen mit AKP-Staaten geprüft werden.
Bei Drucklegung wurde angenommen,
dass Kolumbien, Costa Rica, Guatemala,
Honduras und Panama die Übereinkunft
zwischen EU und USA akzeptieren werden, wohingegen Ecuador — die einzige
Partei, die der Option „Wer zuerst kommt,
wird zuerst bedient” zugänglich wäre,
vorausgesetzt es gäbe einen raschen
Übergang zu einem nur auf Zöllen basierendem System — noch deren Implikationen untersuchte. Ein Abkommen blieb
Option, wie auch eine neue Einhaltungsüberprüfung durch die WTO (während
der die Prüfung der beiden Waiver blokkiert wäre) und die Aktivierung von
durch die WTO genehmigten Sanktionen
im Bereich der Rechte an geistigem Eigentum.
Schwertfischstreit zwischen Chile
und EU beigelegt
Nachdem bilaterale Verhandlungen Ende
Januar zu einer Einigung führten, haben
Chile und die EU ihre wechselseitigen
Klagen im Schwertfischfall fallen gelassen. Die EU hatte ein WTO-Gremium zum
Artikel 165 des chilenischen Fischereigesetz gefordert, das mit Schwertfischen
beladenen Schiffen, die in der Hochsee
vor Chiles Küsten gefangen wurden, den
Hafenzugang verweigert. Chile behauptete, die Massnahme sei notwendig, um
schwindende Schwertfischbestände zu
schützen und brachte den Streit nach der
UN-Konvention für Seegesetze vor ein
Schiedsgericht. Der Streit besaß Konflikt-
BRÜCKEN
WTO-NACHRICHTEN
potential für Handel und Umwelt gleichermaßen, da die beiden Gremien zu
unterschiedlichen Beschlüssen hätten
kommen können.
Beide Verfahren wurden eingestellt, nachdem sich die beiden Parteien auf einen
Drei-Punkte-Plan geeinigt hatten, um mit
dem Konflikt umzugehen:
·
Wiederaufnahme der Treffen innerhalb des Bilateralen Wissenschaftlichen und Technischen Ausschusses für
Schwertfischbestände im Südostpazifik.
·
Zugang für vier EU-Schiffe zu
chilenischen Häfen zum Zwecke des
Anlegens und Umladens von Schwertfischen. Diese Schiffe sollen mit chilenischen Schiffen bei der Sammlung wissenschaftlicher Daten zusammenarbeiten.
·
Eine Verpflichtung, bis 2002 ein
multilaterales Rahmenwerk zum Schutz
und für den Umgang mit Schwertfischen
im Südostpazifik zu erarbeiten.
Kurznachrichten aus der
Streitschlichtung
·
Der Gremiumsbericht über die amerikanische Umsetzung der WTO-Urteile im
Garnelen-Schildkröten-Fall verzögert
sich aufgrund ernster Unstimmigkeiten
zwischen den drei Gremiumsmitgliedern
(Michael Cartland, GB, Carlos Cozendey,
Brasilien, und Kilian Delbrück, Deutschland), die auch den eigentlichen Kläger
anhörten, erneut. Die Zivilbevölkerung
beobachtet den Fall mit besonderem Interesse, weil die USA ihrer Vorlage einen
20-seitigen Amicus-Schriftsatz beigefügt
und das Gremium dringend aufgefordert
hat, seinen Ermessensspielraum zu nutzen, um diesen Schriftsatz — verfasst von
11 Zivilorganisationen in Asien, Afrika,
Latein- und Nordamerika — nicht nur als
Anlage der amerikanischen Vorlage sondern auch als für sich allein stehenden
Amicus-Schriftsatz zu berücksichtigen.
Am 13. Februar verkündeten die
Gremiumsmitglieder, dass sich ihr Bericht
durch „administrative Zwänge” bis zur
zweiten Märzhälfte verzögern werde,
letztendlich wurde er für Anfang März
erwartet. Das Gremium wurde letzten Oktober auf Verlangen Malaysias einberufen, das eine Aufhebung des amerikanischen Importverbots für Garnelen will,
die
ohne
Schildkrötenschutzvorrichtungen (TEDs) gefangen
wurden .
·
Das am 20. Dezember 2000 einberufene Erfüllungsgremium für das überprüfte US-Steuerprogramm für ausländische Handelsunternehmen wird seine
Arbeit nicht vor Juli abschließen .
·
Das Gremium, das am 19. Juni
2000 einberufen wurde, um über Pakistans
Klage gegen eine amerikanische
Sicherheitsklausel für Importe von gekämmtem Baumwollgarn zu entscheiden,
sollte seinen Bericht bis Ende April vorlegen.
WTO-Nachrichten
Rat für Handel mit Gütern näher an
TRIMS-Kompromiss
Auf der Sitzung des WTO-Rats für den
Handel mit Gütern (Commission on Trade
with Goods) am 14. März 2001 schienen
die Mitglieder zu der allgemeinen Übereinkunft gekommen zu sein, dass die beim
letzten Treffen des Rats vorgestellte
„Zwei-plus-zwei”-Formel als Rahmen für
die Überprüfung der Eingaben von zehn
Entwicklungsländern und Schwellenländern, die eine Verlängerung ihrer Übergangsfristen nach dem Abkommen über
Handelsbezogenen
Investitionsmaßnahmen (TRIMS) forderten, dienen
könnte.
Das TRIMS-Abkommen verlangt von
Entwicklungsländern,
Handelsrestriktionen für ausländische Investitionen wie Auflagen zur Befriedigung des
lokalen Marktes bis 1. Januar 2000
schrittweise abzubauen. Die „Zwei-pluszwei”-Formel würde die Übergangszeit
bis Ende dieses Jahres verlängern und
Mitgliedern, deren Bemühungen ihren
redlichen Willen zur Einhaltung zeigen
und die einen verbindlichen Plan zum
schrittweisen Abbau ihrer verbliebenen
mit dem TRIMS nicht vereinbaren
Massnahmen vorgelegt haben, weitere
zwei Jahre zubilligen.
Beim November-Treffen sprachen sich
die Entwicklungsländer gegen die nicht
erneuerbare Art der zweiten Verlängerung und die amerikanischen Versuche
aus, deren Erteilung daran zu knüpfen,
ob die ansuchenden Mitglieder beschleunigten Streitschlichtungs-verfahren zustimmen, sobald die zweite Frist am
1. Januar 2004 abgelaufen ist. Sie wollten
auch die Billigung aller Anträge statt die
Einzelfalluntersuchung in parallelen bilateralen Konsultationen, auf die USA
und EU bestanden haben.
Obgleich diese Unstimmigkeiten nicht
beigelegt wurden, scheinen Entwicklungsländer und Industrieländer einem
Kompromiss jetzt näher zu sein als bei
der März-Sitzung des CTG. Zwar wurden
in Hinblick auf Verlängerungen keine
endgültigen Beschlüsse gefasst, die
USA stimmten jedoch zu, dass Argentinien und Mexiko in den „Zwei-pluszwei”-Rahmen aufgenommen werden
könnten, und gleiches gilt unter der BeBrücken • Ausgabe Mai 2001•Seite 17
dingung, dass sie mehr Information zur
Verfügung stellen, auch für Pakistan,
Rumänien, Kolumbien und Chile. Die
USA sagten, bevor sie Malaysias Antrag berücksichtigen könnten, bräuchten
sie eine eindeutige Verpflichtung zum
schrittweisen Abbau.
USA und EU schlugen auch vor, Thailand und Ägypten sollten nach Artikel
IX des Marrakesch-Abkommens
(Marrakesh Agreement Establishing the
WTO) um Waiver für ihre TRIMSMassnahmen statt nach Verlängerungen
der TRIMS-Übergangszeit nachsuchen.
Die zwei Länder reichten ihre Anträge
nach Ablauf der Frist am 1. Januar 2000
ein, daher verletzen sie momentan technisch ihre TRIMS-Verpflichtungen. Informierte Quellen aus Handelskreisen sagten, solch eine Waiver wäre schwieriger
zu bekommen als eine Verlängerung nach
TRIMS-Artikel 5.3, und Entwicklungsländer verlangten größere Flexibilität für
Mitglieder, die nicht in der Lage sind, ihre
TRIMS-Massnahmen anzukündigen
oder termingerecht um Verlängerungen
zu ersuchen.
BRÜCKEN
Cotonou-Abkommen-Waiver für
Bananen weiterhin blockiert
Wie bereits bei mehreren CTG-Treffen
blockierten Bananenproduzenten aus
Zentral- und Lateinamerika die Prüfung
des EU-Antrags auf eine Waiver für ihr
neues Partnerschaftsabkommen mit Staaten aus Afrika, der Karibik und dem pazifischen Raum (AKP-Staaten). Ecuador,
Costa Rica, Guatemala und Paraguay
weigerten sich, Beratungen zu diesem
Thema aufzunehmen, weil die EU noch
keine Umsetzungsgesetzgebung für ihr
vorgeschlagenes Bananen-Importsystem vorgelegt habe und daher die
Information über den Waiver-Antrag
nicht ausreiche.
Ohne eine Waiver sind die Handelspräferenzen der AKP-Staaten — welche
die EU weiterhin einräumt — technisch
durch Streitschlichtungsklagen bei der
WTO angreifbar. Sollte dies geschehen,
wird die EU vermutlich anführen, dass
der Fall erst vorankommen könne, wenn
der Rat für den Handel mit Gütern sein
Urteil gefällt habe. Am 18. April wird der
Rat unter dem Vorsitz des ungarischen
Botschafters Istvan Major wieder zusammentreten.
WTO-Kurznachrichten
·
In seiner Sitzung vom 2. bis 6. April willigte der TRIPS-Rat ein, am 17. Juni eine
Sondersitzung abzuhalten, um die Auswirkungen der Rechte an geistigem Eigentum und pharmazeutischer Patente
auf den Zugang der Entwicklungsländer
zu Medikamenten zu diskutieren. Als
Folge eines Rechtsstreits, den multinationale Pharmakonzerne gegen die südafrikanische Regierung anstrengten und
der amerikanischen Klage gegen Brasiliens Patentgesetze bei der WTO rückte
dieses Thema in den Brennpunkt der internationalen Aufmerksamkeit.
Laut Berichten beriefen die Sekretariate
der WTO und der Weltgesundheitsorganisation vom 8. bis 11. April in Høsbjør,
Norwegen, ein Arbeitstreffen zum Thema ein, wie der Zugang armer Länder zu
Medikamenten verbessert werden kann.
Experten aus Entwicklungsländern und
Industrieländern sollten ihr Augenmerk
unter Berücksichtigung des TRIPS-Rahmens insbesondere auf unterschiedliche
Preisfestlegung
und
andere
Finanzierungsmechanismen richten.
WTO-NACHRICHTEN
Der TRIPS-Rat befasste sich auch mit
geographischen Angaben, Technologietransfer und damit verwandten Themen
sowie mit den Überprüfungen des
TRIPS-Abkommens und des Artikels
27.3(b) über den Schutz von
Pflanzenvarietäten.
·
Beim Treffen des Ausschusses
für Technische Handelsschranken am 30.
März reagierten Entwicklungsländer heftig auf einen belgischen Gesetzesentwurf, eine soziale Kennzeichnung zu
schaffen. Entsprechend der Bekanntgabe der geplanten Massnahme (G/TBT/
N/BEL/2) könnte diese Kennzeichnung
an Produkten angebracht werden, die
„Kriterien und Normen erfüllen, die insbesondere von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) anerkannt sind”.
Diese Kennzeichnung soll Verbraucher
dabei unterstützen, „eine nach umfassender Information erfolgte Wahl eines Produkts oder einer Dienstleistung zu treffen, die ihnen auf der Grundlage der Achtung gegenüber den Menschen angeboten werden”. Außerdem soll sie einen
„Anreiz für Entwicklungsländer [schaffen], sozial verantwortliche Unternehmen
aufzubauen”. Obwohl der Einsatz der
Kennzeichnung freiwillig wäre, nannten
Entwicklungsländer die Initiative „störend” und eine Last, die ihren Handel einschränke. Ägypten sagte, die Beziehung
zwischen Arbeitsnormen und Handel
gehöre nicht in die WTO, und Pakistan
ersuchte Belgien, die Gesetzgebung zurückzunehmen.
·
Die vierte WTO-Ministerkonferenz wird vom 9. bis 13. November in
Doha, Qatar, stattfinden. Nach Aussagen des WTO-Sekretariats wird den Repräsentanten der Zivilgesellschaft in
Doha ein NRO-Zentrum mit ausreichend
Platz für Pressekonferenzen und Meetings zur Verfügung gestellt werden. Das
Messegebäude, wo das NRO-Zentrum
untergebracht wird, ist nur zwei Minuten Fußweg vom Konferenzzentrum entfernt, wo die Ministerkonferenz stattfinden wird. Qatar wird 4.400 Zimmer für die
Unterbringung aller Teilnehmer einschließlich der Delegierten, Beobachter,
Mitglieder von Presse und NRO bereitstellen. Während angenommen wird,
dass die Zahl der Zimmer ausreicht, könnte es eine Beschränkung der Teilnehmerzahl geben. Das formale Antragsverfahren für NRO, die an der Ministerkonferenz teilnehmen wollen, beginnt im
Mai.
Brücken • Ausgabe Mai 2001• Seite 18
Das Sekretariat hat auch eine abteilungsübergreifende Sonderkommission für die
Beziehungen der WTO zu NRO eingerichtet. Die Sonderkommission soll Ideen und Strategien dafür entwickeln, wie
mit NRO interagiert werden kann, Workshops und Symposien zu verwandten
Themen organisieren und die Interaktion über die WTO-Internetseite verbessern. Die Gruppe wird sich aus etwa 12
Repräsentanten aus Schlüsselabteilungen der WTO zusammensetzen und
dem Generaldirektor und verschiedenen
Managementebenen berichten und im
WTO-Sekretariat eine koordinierende
Funktion für Aktivitäten in Zusammenhang mit NRO übernehmen.
BRÜCKEN
KOMMENT
AR
OMMENTAR
Fortsetzung von Seite 15
Daß die Erlaubnis, Produkte an den Grenzen nach Produktionsweise zu unterscheiden, Staaten ein ganz neues Feld
von Möglichkeiten eröffnet, protektionistischen Strömungen nachzugeben, ist
absolut richtig. Kanada könnte beispielsweise seine Automobilindustrie unterstützen, indem es verfügt, dass alle importierten Autos von Arbeitern hergestellt worden sein müssen, die Eishockeyfans sind — Kanadas erklärtem Nationalspiel.
Richtig ist aber auch, dass wir Instrumente haben, um mit solchen Problemen umzugehen. Tatsächlich werden sie derzeit
gerade genutzt, um Exporteure vor exakt
der gleichen Verhaltensweise in Zusammenhang mit auf Produkten basierenden
Normen zu schützen. Es ist kein wesentlicher Unterschied, ob ein WTO-Gremium versucht, in Zusammenhang mit einer Produktnorm — beispielsweise einem
Asbestverbot in Baumaterialien — oder
mit einer auf PPMs basierenden Norm
zwischen Protektionismus und legitimem
Schutz für Gesundheit und Umwelt zu
differenzieren. Die Aufgabe ist die gleiche und auch die zur Verfügung stehenden Instrumente — beispielsweise die
Präambel zum GATT-Artikel XX. 5
Und wirklich können diese Instrumente
den langjährigen Krisenherd der Handels- und Umweltdispute abkühlen: die
Frage nach unilateralen Umweltschutzmaßnahmen. Wenn wir akzeptieren, dass schon die Regeln für
Massnahmen, die auf Produkten basieren, den Protektionismus beseitigen können und in der Lage sind, dasselbe auch
im Rahmen von auf PPMs basierenden
Normen zu schaffen, dann haben wir die
Frage nach unilateralen Massnahmen
sinnentleert. Jede auf PPMs basierende
Massnahme ist im Rahmen multilateral
vereinbarter Regeln dargelegt und daher
per se nicht mehr unilateral.
Während man also zugeben muss, dass
der Spielraum für Protektionismus größer wird, wenn man Staaten gestattet, an
der Grenze nach PPMs zu unterscheiden,
sollte nicht behauptet werden, die vorhandenen Instrumente seien der Aufga
be nicht gewachsen oder die Aufgabe
sei grundlegend anders, wenn nach Normen unterschieden werden soll, die auf
PPMs statt auf Produkten basieren.
Das Argument, auf PPMs basierende
Normen durchzusetzen, sei undurchführbar, scheint auf den realen Schwierigkeiten zu basieren, sie von solchen Normen
zu unterscheiden, die auf Produkten basieren. Letzteres, so wird argumentiert,
kann an der Grenze auf Einhaltung überprüft werden. Ersteres nicht, da Einhaltung oder Nichteinhaltung an der physischen Beschaffenheit des Endprodukts
nicht erkennbar ist.
Das Argument mag stichhaltig gewesen
sein, als das GATT ausgehandelt wurde.
Es war auch sinnvoll, dass die
Verhandlungsdelegierten für das Abkommen über Technische Handelsschranken (TBT) es in der Tokio-Runde
nutzten. Aber in unserer heutigen Welt
hat es seine Bedeutung vollkommen verloren. Zertifizierung durch Dritte und
Testuntersuchungen gehören heute in
vielen Branchen zu den elementaren Realitäten, und darauf spezialisierte multinationale Unternehmen stehen bereit, die
wachsenden Nachfrage in diesem Bereich
zu befriedigen. Und Sachlage ist, dass
eine große Zahl von auf PPMs basierenden Normen bereits gültig ist, wenngleich
sie eher von Käuferseite als von Regierungsseite auferlegt werden. Die Norm
ISO 14001, in vielen Bereichen des internationalen Handels bereits Vorbedingung, ist eindeutig eine auf PPMs basierender Norm für Umweltmanagement.
Auch Regierungen schlagen solche Normen vor. Viele der Gesundheits- und
Pflanzengesundheitsnormen basieren
auf PPMs, ebenso Regeln zum Schutz
von geistigem Eigentum. Keines der praktischen Probleme, die für solche Normen
vorhergesagt wurden, hat sich dabei als
unlösbar erwiesen.
Die Vorstellung, auf PPMs basierende
Normen könnten einen Eingriff in die
Souveränität darstellen, ist oberflächlich
betrachtet ganz vernünftig: sie zwingen
Produzenten in Entwicklungsländern
entsprechend den Normen der Importeure zu produzieren, die für das Herstellerland ungeeignet sein könnten. Bei genauer Betrachtung ist dieser Einwand
allerdings nicht haltbar. Erst einmal sollte angemerkt werden, dass es in der Auswirkung keinen Unterschied zwischen
solchen Normen und Produktnormen
gibt. Beide erfordern eine Änderung im
Produktionsprozeß, beide implizieren
vermutlich einen Anstieg der ProduktiBrücken • Ausgabe Mai 2001•Seite 19
onskosten — zumindest auf kurze Sicht.
Und beide stellen eine neue Bedingung
für den Zugang zum Markt des normensetzenden Landes dar. So sind die Auswirkungen von Produkt basierenden
Normen — die laut Vereinbarung nicht
notwendigerweise gegen das Prinzip der
Nichtdiskriminierung verstoßen — nicht
anders als die solcher Normen, die auf
PPMs basieren. Noch wesentlicher
scheint jedoch die wunderliche Behauptung, dass ein Importeur, der seine Präferenzen spezifiziert, ob in Hinblick auf
das Endprodukt oder dessen Produktionsmethode, damit die Souveränität verletze. Setzt man das Fehlen von protektionistischen Motiven voraus, wie unterscheidet sich dann eine solche Spezifizierung von den zahllosen Spezifizierungen seitens der Käufer, mit denen Exporteure routinemäßig konfrontiert sind und
von denen viele die Verarbeitungs- und
Produktionsmethoden detailliert vorgeben? Durch nichts. Will sich der Hersteller nicht an solche Spezifizierungen halten, kann nichts und niemand ihn dazu
zwingen, deshalb werden auch die
Souveränitätsrechte nicht verletzt. Ebenso wenig findet ein Export von Werten
als solchen statt. Tatsächlich würde ein
echter aufgezwungener Export von Werten dort stattfinden, wo ein Land gezwungen wäre, Güter, deren Produktionsmethoden es nicht billigt, zu importieren —
also der Situation nach traditioneller
Auslegung der GATT-Gesetzgebung.
Einzig der Markt kann beim Exporteur einen Sinneswandel herbeiführen. Denn
wenn er den Produktionsprozess nicht
ändert, wird sich der Käufer anderweitig
umsehen. Als Antwort auf jegliche
Marktveränderung durch Präferenzen
von Konsumenten wird sich ein mit auf
PPMs basierenden Normen konfrontierter Exporteur entweder anpassen oder
untergehen.
Auswirkungen auf
wenig entwickelte Länder
Das bringt uns zum vierten Punkt — den
Auswirkungen solcher Normen auf Exporteure aus Entwicklungsländern. Wären Handel und Umwelt der richtige Kontext für die Diskussion, dann wäre das
Diktum „anpassen oder untergehen” das
Ende der Geschichte. Aber, und so wurde in der Vergangenheit schon oft zwingend argumentiert, der richtige Kontext
BRÜCKEN
für die Diskussion ist in der Tat Handel
und nachhaltige Entwicklung. 6 Deswegen müssen wir uns Gedanken darüber
machen, ob die Präferenzen eines reichen
Importeurs Leben und Lebensunterhalt
der Exporteure in weniger gut gestellten
Ländern nachteilig beeinflussen.
Ob es um ein Verbot von Azo-Farbstoffen in Textilien oder Forstprodukten aus
Altholz geht — d. h. um eine auf dem
Produkt oder eine auf dem
Produktionsprozess
basierende
Massnahme — die Entscheidung, neue
Normen zu erlassen, muss verantwortlich und in Übereinstimmung mit den etablierten Zielen und Zwecken der besonderen und differenzierten Behandlung
der Entwicklungsländer gemäß der WTO
getroffen werden. In einem Bruch mit dieser Tradition sollte eine solche Behandlung jedoch auf strengen Gesetzesauflagen basieren. Die schwachen Verpflichtungen in Bezug auf die derzeit festgelegte besondere und differenzierte
Behandlungwerden nachweislich mehr
durch Bruch beachtet als durch Erfüllung. 7
Zu den Richtlinien, die jeder, der Normen
festlegt, beachten sollte, gehören unter
anderem 8:
·
Transparenz bei der Festlegung
von Normen und die Möglichkeit,
Massnahmenentwürfe zu kommentieren,
·
angemessene Vorlaufzeit bei der
Bekanntgabe neuer Normen, um eine
Anpassung zu ermöglichen,
·
Bemühungen, auf internationale
Abkommen bezüglich Normen hinzuarbeiten, wo es angebracht ist,
·
Genehmigung einer funktionalen
Entsprechung bei der Einhaltung von
Normen (z. B. nicht bestimmte Technologien oder Produktionsmethoden festzusetzen, sondern eher deren Resultate),
·
Hilfe bei der Anpassung wie
Ausbildung und Technologietransfer, wo
es von den Exporteuren verlangt wird,
·
Schaffung von Zentren für Testuntersuchungen und Zertifizierungen
und
·
finanzielle Unterstützung für einmalige Anpassungskosten.
Die Kosten der letzten Massnahmen
könnten von dem, der die Norm setzt,
getragen oder durch Arrangements zur
Kostenteilung zwischen dem betroffenen
Land und einem WTO-Sonderfonds für
Anpassungsmaßnahmen gedeckt wer-
KOMMENT
AR
OMMENTAR
den. Der praktische Nutzen, Normen festlegende Länder zur Unterstützung der
Anpassung an ihre Normen zu zwingen,
ist — neben der Anerkennung der Prinzipien für nachhaltige Entwicklung —
dass dadurch die dem System gegenwärtig inhärente Trennung zwischen Kosten
und Nutzen abgeschafft werden kann. Im
Rahmen nationaler Normen sind Regierungen gezwungen, Kosten und Nutzen
von Verordnungen in einem bestimmten
Gleichgewicht zu halten, da beide auf
nationaler Ebene entstehen. Im internationalen Rahmen sind Kosten und Nutzen getrennt, so dass es für Staaten nur
wenig Anreize gibt, verantwortlich zu
handeln, indem sie von Herstellern bessere Leistungen verlangen. Das kann zu
extrem kostspieligen Normen führen, die
nur wenig Nutzen haben. 9
Fazit ist, dass es in der Praxis keinen
Unterschied gibt zwischen Normen, die
auf Produktmerkmalen beruhen, und solchen, die auf den Verarbeitungs- und Produktionsmethoden basieren. Beide stellen die gleichen Herausforderungen dar
und für beide gibt es Instrumente, um
mit den Problemen umzugehen, die bei
ihrer Anwendung auftreten können. Es
ist Zeit, dass die Handels- und Umweltdebatten diese falsche Unterscheidung
hinter sich lassen, um echte Importprobleme wie die Notwendigkeit, die Bedürfnisse und besonderen Schwierigkeiten der Entwicklungsländer angesichts
des bestehenden Systems multilateraler
Handelsgesetze zu behandeln. Das würde helfen, sicherzustellen, dass diese
Gesetze zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen.
Aaron Cosbey ist Gesellschafter und
Senior Berater für Handel und Investitionen des Internationalen Instituts für
nachhaltige Entwicklung in Winnipeg.
In diesem Artikel steht „PPMs” für nicht
produktbezogene PPMs (Prozeß- und
Produktionsmethoden). Ebenso entspricht
„Produktnorm” einer Abkürzung für
sowohl Produktnormen als auch für
produktbezogene Normen, die auf PPMs
beruhen. Eine Erklärung dieser
Unterscheidungen finden Sie im IISD/
UNDP, Environment and Trade
handbook. Winnipeg: IISD, 2000, 41 42.
1
Brücken • Ausgabe Mai 2001• Seite 20
Dazu z. B. auch Janet Chakarian,
“PPMs and the GATT”, in OECD, Trade
and Environment: Process and Production
Methods. Paris: OECD, 1994, 113 - 120.
2
Das hat auch bei Tierschutz- und
Menschenrechtsgruppierungen
Bestürzung hervorgerufen.
3
Siehe Rob Howse, “The Product/Process
Distinction - An Illusory Basis for
Disciplining „Unilateralism” in Trade
Policy”, European Journal of International
Law, 11, No. 2, 2000.
4
Tatsächlich wurde der Artikel XX
chapeau erfolgreich angewendet, um
Protektionismus auf der Basis von PPMs
zu unterbinden.
5
6
Siehe IISD (1994), Trade and
Sustainable Development Principles.
Winnipeg: IISD.
Siehe Ricardo Meléndez-Ortiz and Ali
Dehlavi, 2000, “Trade, Environment and
Sustainable Development, The Case for
Updating Special and Differential
Treatment in the WTO”, in Peider Könz et
al., eds., Trade, Environment and
Sustainable Development, Views From
Sub-Saharan Africa and Latin America:
A Reader, Tokyo/Geneva: UNU/ICTSD.
7
8
Einige dieser Richtlinien stammen aus
der Entscheidung des Berufungsgremiums
im WTO-Garnelen-Schildkröten-Fall (AB1998-4).
Eine neue Studie der Weltbank schätzt,
dass die neuen EU-Normen für Aflatoxin
(Schimmelpilzgift) die afrikanischen
Exporte von Nüssen, Getreide und
Trockenfrüchten in die EU beschneiden
werden; dadurch liegen die Exporterträge
um 670 Millionen US$ niedriger als bei
Einhaltung internationaler Normen. Der
Nutzen dieser neuen Normen wird auf
1,4 Tote weniger pro Milliarde Menschen
geschätzt. Tsunehiro Otsuki, John S.
Wilson and Mirvat Sewadeh, “A Race to
the Top? A Case Study of Food Safety
Standards and African Exports”. World
Bank Working Paper No. 2563,
Washington, D.C.: World Bank, 2001.
9
BRÜCKEN
TERALE UMWEL
TABK
OMMEN
MUL
TILA
ABKOMMEN
MULTILA
TILATERALE
UMWELT
Haltung der USA zum Klimawandel scharf kritisiert
Präsident George W. Bushs zunehmend
stärkere Ablehnung des Kioto-Protokolls
und seine jüngste Erklärung, der amerikanischen Industrie keine Kohlendioxidbeschränkungen aufzuerlegen, traf über-
würde. Weiter wies Bush auf „den unvollständigen wissenschaftlichen
Kenntnisstand über Gründe und Lösungen für die globale Erwärmung” hin. Diese Aussagen folgten drei Anfang des
all auf der Welt auf scharfe Kritik. Seine
Kommentare kennzeichnen einen großen
Rückschlag nach den viel versprechenden Anzeichen beim G-8-Treffen in Triest, Italien, Anfang März, die USA und
die EU könnten einem Abkommen zum
Klimawandel näher kommen. In Triest
haben sich die Umweltminister aus sieben führenden Industrieländern und
Russland einmütig verpflichtet, „sich zu
bemühen, in ausstehenden politischen
Fragen eine Einigung zu erreichen und
die Unversehrtheit der Umwelt gemäß
dem Kyoto-Protokoll auf kosteneffiziente Weise zu sichern”.
Jahres vom Internationalen Gremiums für
den Klimawandel (IPCC) veröffentlichten
Berichten über Wissenschaft, Auswirkungen und Bekämpfungsstrategien, in
denen Wissenschaftler „neue und
schlagkräftigere Beweise, dass der Großteil der während der letzten 50 Jahre beobachteten Erwärmung menschlichen
Aktivitäten zuzuschreiben ist”, vorlegten.
Das jüngste Eingeständnis der Vorsitzenden der US-Umweltschutzbehörde,
Christie Todd Whitman, „die USA habe
an der Umsetzung dieses Vertrags kein
Interesse”, bestätigte eindeutig Präsident Bushs frühere Ablehnung des Kioto-Protokolls und wird von einigen als
bis jetzt deutlichstes Anzeichen dafür
gewertet, dass sich die USA aus dem
UN-Verhandlungsprozeß zurückziehen
wollen.
In einem Brief an den Senator von Nebraska, Chuck Hagel, bekräftigte Präsident Bush erneut seine Ablehnung des
Protokolls, das Industrieländer verpflichtet, ihre Treibhausgas-emissionen bis
2012 um 5,2 Prozent zu senken. „Ich bin
gegen das Kioto-Protokoll, weil es 80
Prozent der Welt von der Einhaltung ausnimmt, darunter so bevölkerungsstarke
Länder wie China und Indien, und der
amerikanischen Wirtschaft großen Schaden zufügen würde”, schrieb Bush. Bezug nehmend auf ein Versprechen, das
er während seiner Wahlkampagne im letzten Jahr gegeben hatte, schrieb er in seinem Brief, er wolle den amerikanischen
Kraftwerken
keine
Zwangsbeschränkungen für Kohlendioxidemissionen auferlegen, da solche Beschränkungen einen Wechsel von Kohle zu Gas verlangten, was, wie er behauptete, zu höheren Strompreisen führen
Bestürzung in Europa und bei NRO
Staatsoberhäupter aus aller Welt reagierten heftig auf Präsident Bushs Worte. In
einem gemeinsamen Brief an den amerikanischen Präsidenten schrieben der
Präsident der Europäischen Kommission, Romano Prodi, und der Schwedische
Premierminister, Göran Persson, dass
Amerika und Europa nach dem Scheitern
der letzten Verhandlungsrunde in Den
Haag im November letzten Jahres die
Gespräche über den Klimawandel „unbedingt fortführen müssten”. Außerdem
betonten sie die Bedeutung dieser Frage
für die außenpolitischen Beziehungen
zwischen der EU und den USA: „Die globale und langfristige Bedeutung des Klimawandels und die Notwendigkeit gemeinsamer Bemühungen aller Industrieländer in diesem Bereich sind ein integraler und wichtiger Teil der Beziehungen zwischen den USA und der EU”.
Als sich die europäischen Verurteilungen von Präsident Bushs Sinneswandel
mehrten, kündigte die Umweltkommissarin Margot Wallström an, die
EU plane, Anfang April eine hochrangige Delegation nach Washington zu entsenden, die Amerikas Haltung zum KP
„abklären” solle. In einem scharf formulierten Brief an Frau Whitman brachte die
französische
Umweltministerin
Dominique Voynet die „überaus schwerwiegenden Bedenken” ihrer Regierung
zum Ausdruck und warnte die USA, dass
sie „eine sehr schwere Verantwortung zu
tragen hätten”, sollten sie den in weiten
Brücken • Ausgabe Mai 2001•Seite 21
Kreisen anerkannten Klimawandelvertrag in Frage stellen. Bei seinem Treffen mit Präsident Bush am 29. März wiederholte der deutsche Bundeskanzler
Gerhard Schröder zwar, dass er in dieser
Frage mit
den USA
nicht übereinstimme, versicherte aber
auch, dass „unsere zuständigen Leute”
zusammenkämen, um die Klimaverhandlungen wie geplant vom 16.-27.
Juli in Bonn beim zweiten Teil der 6.
Parteienkonferenz ( COP-6) weiterzuführen.
Selbst Kanada — sonst Hauptverbündeter der USA beim Thema Klimawandel und Teil der "Umbrella Group"
(USA, Kanada, Australien und Neuseeland) — drückte seine Enttäuschung
über die Position des amerikanischen
Präsidenten aus. Nach Aussage des kanadischen Umweltministers David
Anderson wird der Ausweg aus der Sackgasse, in der sich die Gespräche befinden, durch Präsident Bushs Schritt wesentlich versperrt. Minister Anderson
liess auch anklingen, dass die EU die
Chance vertan habe, mit der scheidenden Clinton-Regierung einen Handel abzuschließen, und deswegen mitverantwortlich für das Scheitern der Gespräche
sei. „Mir wäre lieber, Mr. Bush hätte die
Entscheidung, die er getroffen hat, nicht
getroffen, aber ich hoffe inständig, dass
die Europäer ihre Lektion gelernt haben
und nicht noch einmal den gleichen Fehler machen, wenn sie mit der Umbrella
Group verhandeln”, sagte Anderson.
Heftige Reaktionen gab es auch von vielen Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen. Zur Verteidigung der
Entwicklungsländer hob der ausführende Sekretär des UN-Rahmenabkommens
zum Klimawandel, Michael Cutajar, die
wesentlich höheren Pro-KopfKohlendioxidemissionen des Nordens
verglichen mit dem Süden hervor. „Die
Fairness verlangt, dass Industrieländer
als erste Emissionen begrenzen”, sagte
er. Die NRO Friends of the Earth kritisierten die amerikanische Haltung als „Umweltisolationismus” und forderten alle
anderen Staaten auf, die Klimaverhandlungen ohne die USA weiterzuführen. Ähnliche Kritik kam vom WWF
Fortsetzung seite 24
BRÜCKEN
KOMMENT
AR
OMMENTAR
Festbankett oder Hungernsnot: Amerikanische Handelspolitik 2001
Von Viji Rangaswami und Timothy M. Reif
Wie in allen anderen Bereichen des Lebens beruht auch in der Handelspolitik
das Wissen, wohin wir gehen, auf dem
Wissen, woher wir kommen. Hier in den
Vereinigten Staaten kommen wir gerade
aus einer Sackgasse, in der unser Kongreß fünf Jahre lang, von 1995 bis 2000,
feststeckte, gefolgt von wichtigen Fortschritten während der letzten 12 bis 18
Monate bei der Umsetzungen einer Handelspolitik, die wirtschaftliche
Globalisierung akzeptiert und gestaltet.
Während dieser fünf Jahre in der Sackgasse verstrickte sich der Kongress in
eine zunehmend schärfer werdenden
Debatte über Globalisierung und Handelspolitik. Eine Seite argumentierte damit, dass, ungeachtet des Kontexts der
betroffenen Regeln, mehr Handel immer
besser sei und die Globalisierung sich
von ganz allein zum besten entwickeln werde; die andere Seite
vertrat den Standpunkt, die
Globalisierung sollte gestoppt
werden. Ergebnis war eine Sackgasse.
2000 ging der Kongress über
diese polarisierte Debatte hinaus, um einen neuen Ansatz zu
versuchen: zu akzeptieren, dass
die Globalisierung bleiben wird
und sicherzustellen, dass dieser
Prozess geformt wird. Indem der
Kongress die schwierigsten
Punkte der Handelsagenda offen ansprach, konnte er einige wichtige
Handelsgesetze verabschieden: (1) eine
wesentliche Ausweitung des bevorzugten US-Handelsprogramms mit Staaten
aus dem karibischen Raum; (2) Schaffung eines erweiterten bevorzugten USHandelsprogramms und anderer Vorteile
für die afrikanischen Staaten südlich der
Sahara; (3) Ausweitung der ständigen
normalen Handelsbeziehungen auf China; und (4) die Zurückweisung einer Resolution, deren Durchkommen die Unterstützung des Kongresses für eine fortgeführte Verpflichtung gegenüber der
Welthandelsorganisation in Frage hätte
stellen können.
Die Schlüsselfrage ist nun, wie diese Vorwärtsbewegung beibehalten und ein
Rückfall in die Zeit des Stillstands ver-
mieden werden kann.
Ein politischer Rahmen für wirtschaftliches Engagement der USA
Wie schon 2000 gibt es auch 2001 drei
auf Fortschritt ausgerichtet Wegweiser
in der US-Handelsagenda. Erstens müssen Kongress und Regierung Fragen
hinsichtlich Arbeitsnormen und Umweltverordnungen im Kontext globalen Wettbewerbs offen ansprechen. Ein Versuch,
diese Fragen zu umgehen oder abzuwürgen, wird die nationale Politik der USA
in diesem so wichtigen Bereich vermutlich wieder in den absoluten Stillstand
zurückwerfen.
Zweitens müssen wir innovativ sein und
Wege finden, um jeden handelspolitischen Umstand angemessen anzusprechen, und das in einem Rahmen, der den
wirtschaftlichen Globalisierungsprozess
bewusst, dass es nur der erste Schritt
ist, die USA darauf vorzubereiten, sich
auf unsere Handelspartnern einzulassen.
Die USA werden sich sehr bemühen
müssen, die Haltung, die sie — insbesondere zu den am meisten umstrittenen
Fragen wie Verknüpfung von Arbeitsnormen und Handel sowie Umweltverordnungen und Handel — einnehmen, zu erklären und den Bedenken unserer Handelspartner, vor allem aus Entwicklungsländern, zu begegnen, obgleich
wir unsere Positionen entschieden verteidigen. Gleichzeitig erwarten wir von
anderen, sich ebenso sehr zu bemühen,
die Standpunkte und Fragen, die von den
USA und anderen Staaten vorgebracht
wurden, zu verstehen, damit wir zusammen an mehr Verständnis und Vertrauen
füreinander arbeiten können.
Wir sind auch der Meinung, vor allem in
der Frage der Arbeitsnormen
müssten verschiedene Märchen
und falsche Vorstellungen mehr
diskutiert werden. Ein solches
Obwohl Arbeits- und
Märchen ist, dass die AufnahUmweltschutznormen als
me von Arbeits- und UmweltEntschuldigung für Protektionismus
schutznormen den komparatibenutzt werden könnten, wäre es ein
ven Vorteil sich entwickelnder
Ökonomien schwäche. Ziel ist
schlimmer Fehler, deren Legitimität
nicht, den komparativen Vorteil
und die entscheidenden Fragen, die
durch die Auferlegung von „USauf dem Spiel stehen, zu ignorieren.
Normen” zu unterhöhlen, sondern dass sich Staaten in der
Praxis an Grundnormen halten,
auf die sie sich in praktisch allen
wirkungsvoll gestaltet. Hier gibt es kei- Fällen geeinigt haben — die fünf Kernne Einheitsgröße. Ein Weg, der für ein arbeitsnormen der ILO für Kinder- und
freies Handelsabkommen passen mag, Gefangenenarbeit, Nichtdiskriminierung
kann sich auf multilateraler Ebene als und das Recht der Arbeiter, sich zusamnicht gangbar erweisen.
menzuschließen und kollektiv zu handeln.
Drittens müssen wir weiterhin Vertrauen
schaffen und gleichzeitig Stein um Stein Obgleich es möglich ist, das Thema
die amerikanische Handelspolitik wieder Arbeits- und Umweltschutznormen als
aufbauen, indem wir uns mit einem Pro- Entschuldigung für „Protektionismus” zu
blem nach dem anderen befassen. Die gebrauchen, was verhütet werden muss,
handelspolitischen Fragen, die wir nach- ist es ein schwerwiegender Fehler, sie
stehend behandeln werden, sind mögli- deshalb zu verwerfen oder zu glauben,
che Bausteine, um an allen Fronten er- sie wären nur durch Druck von
folgreich zu sein. Es wäre ein schwerwie- Interessensgruppen entstanden. Die grögender Fehler, sie als bloße Tauschob- ßere Gefahr ist, ihre Rechtmäßigkeit und
jekte oder politische Spielbälle zu miss- die bedeutenden Fragen, um die es hier
brauchen.
geht, zu ignorieren.
Wir sind uns natürlich vollkommen
Brücken • Ausgabe Mai 2001• Seite 22
Und schließlich muss Handelspolitik zu-
BRÜCKEN
KOMMENT
AR
OMMENTAR
nehmend mit Hilfe und technischer Unterstützung gekoppelt werden. Das Ziel
ist, die Kapazität der Entwicklungsländern auszubauen, Richtlinien in verschiedenen Bereichen effektiver umzusetzen,
ob Rechte am geistigen Eigentum, sanitäre und phytosanitäre Maßnahmen oder
Arbeitsnormen.
Freihandelsabkommen zwischen USA
und Jordanien
Die Umsetzung des Freihandelabkommens zwischen USA und Jordanien
ist der erste wichtige Baustein zur Konstruktion eines Fundaments für die zukünftige amerikanische Handelspolitik.
Das im Oktober 2000 unterzeichnete FTA
wurde dem Kongress am 6. Januar 2001
formell übergeben. Die Umsetzungsgesetzgebung ist relativ geradlinig und
könnte vom Kongress rasch geprüft und
verabschiedet werden.
Das Jordanien-Abkommen enthält
Arbeits- und Umweltschutzrichtlinien,
die auf dieselbe Weise durchsetzbar sind
wie alle anderen Verpflichtungen auch.
Diese Verordnungen sind ein verantwortlicher und wirksamer Mechanismus, um
die gemeinsame Verpflichtung beider
Länder für starke Arbeits- und Umweltschutznormen und wirksame Durchsetzung von Arbeits- und Umweltschutzgesetzen umzusetzen. Sie sind dem
Abkommen und Rahmen, in dem sie ausgehandelt wurden, angemessen. Darüber
hinaus wird der Mechanismus von dem
gemeinsam gegebenen Versprechen gestärkt, durch die Gründung einer Arbeitsgruppe in der WTO einen Dialog über
diese Fragen zu forcieren.
Obgleich einige vorbringen, die Umsetzungsgesetzgebung hätte sich wegen
der Aufnahme von Arbeits- und Umweltschutzverordnungen verzögert, glauben
wir, dass eine Verzögerung der Berücksichtigung
der
Umsetzungsgesetzgebung oder Versuche, das Abkommen wieder zu öffnen, die Chancen
für die Verabschiedung irgendeiner anderen Handelsinitiative in diesem Jahr
ernsthaft gefährden würden.
Die erfolgreiche Umsetzung des Jordanien-Abkommens bietet die Gelegenheit,
um Dynamik für Fortschritte in der
Handelsagenda zu erzeugen, den wichtigsten jordanischen Reformen in der
Wirtschafts- und Handelspolitik ange-
messene Beachtung zu schenken und die
amerikanischen Bemühungen zu unterstützen, Frieden und Stabilität im Nahen
Osten zu fördern.
Bilaterales Handelsabkommen
zwischen den USA und Vietnam
Auch das Bilaterale Handelsabkommen
zwischen den USA und Vietnam sollte
der Kongress in diesem Frühling nach
dem Baukastenprinzip behandeln. Die
Zustimmung des Kongresses zum BTA
würde Vietnam auf der Basis einer jährlichen
Erneuerung
für
den
Meistbegünstigtenstatus qualifizieren.
Dieses Abkommen war Anfang 1999 im
wesentlichen abgeschlossen und spiegelt deshalb nicht die Fortschritte wider,
die wir während der letzten 18 Monate
bei der Behandlung von Arbeits- und
Umweltschutzbestimmungen in bilateralen und regionalen Abkommen gemacht
haben. Da die Handelsbeziehungen zwischen den USA und Vietnam wachsen,
brauchen wir einen zeitgemäßen Rahmen
für Regeln, die den Wettbewerb steuern.
Für Vietnam gehört die Aushandlung eines bilateralen Abkommens über Textilien und Bekleidung zu den Hauptkomponenten unserer Handelsbeziehung. Wir sollten deutlich machen,
dass es unser Ziel ist, im Bereich Arbeitsnormen positive Anreize wie in dem mit
Kambodscha ausgehandelten Abkommen zu erreichen. Dieser Weg ist für Vietnam eine Chance, auf der Grundlage
einer verbesserten Durchsetzung der
ILO-Kernarbeitsnormen besseren Zugang zum amerikanischen Markt zu bekommen.
Was Kambodscha betrifft, so ist es wahr,
dass es hier Probleme bei der Umsetzung
des Abkommens gab. Trotzdem hat das
Abkommen Vorteile und sollte fortgesetzt
werden, nachdem die Probleme beseitigt
worden sind. Der grundsätzliche Ansatz
ist vernünftig — positive Anreize zur
Stärkung von Arbeitsnormen einzusetzen, also die Kontingente bei Erfolg zu
erhöhen statt im Falle eines Scheiterns
zu senken. Darüber hinaus ist das Abkommen eine Antwort für alle, die behaupten, die Zielsetzung, die Verknüpfung von Handel und Arbeitsnormen
anzuerkennen, werde den Handel einschränken.
Gesetz über Handelspräferenzen für
Brücken • Ausgabe Mai 2001•Seite 23
die Andenstaaten
Das 1991 in Kraft getretene Gesetz über
Handelspräferenzen für die Andenstaaten (Andean Trade Preferences Act
— ATPA) räumt Bolivien, Kolumbien,
Ecuador und Peru zehn Jahre lang
Handelspräferenzen für bestimmte Waren ein. Zweck des ATPA ist die Stärkung legaler Wirtschaftsaktivitäten in der
Andenregion und die Schaffung entwicklungsfähiger Alternativen zum illegalen Drogenhandel. Dieses Programm
läuft im Dezember 2001 aus.
Viele würden zustimmen, dass das Programm verlängert werden sollte und wir
nach Wegen suchen sollten, wie die vorhandenen Vorteile ausgebaut werden
könnten, einschließlich der Ausdehnung
von Vorteilen auf Bekleidung aus den
Andenstaaten. Das könnte erreicht werden, wenn wir, wie im Rahmen des CBI,
Möglichkeiten fänden, auf der
Komplementarität zwischen der amerikanischen Textil- und Bekleidungsindustrie
und der Industrie der Andenregion aufzubauen, und die Verknüpfung von Handel und Arbeit ansprächen. Zusätzlich
und für eine optimale Wirkung sollten
Verlängerung und Ausweitung des
ATPA im Rahmen eines Hilfs- und
Entwicklungspakets auf breiterer Basis
in Betracht gezogen werden.
Fast Track, FTAA- und WTO-Verhandlungen
Vom 9. - 13. November 2001, findet in
Doha, Qatar, die Vierte WTOMinisterkonferenz statt. Ziel des Treffens
wird es sein, neben neuen Bereichen bei
den
Handelsgesprächen
über
Landwirtschaft und Dienstleistungen
auch mögliche zusätzliche Bereiche wie
E-Commerce,
Senkungen
der
Industriezölle und eine Reform des
Streitschlichtungsverfahrens
aufzuzeigen.
Wir glauben, die USA sollten bereit sein,
sich bei jedem dieser Treffen auf ihre
Handelspartner einzulassen, um in vielen
Bereichen Fortschritte zu machen und
die
Herausforderungen
der
Globalisierung durch Maximierung ihrer
Vorteile und Minimierung ihrer Fallstricke
zu beeinflussen. Viele unserer
Handelspartner müssen interne
politische und methodische Fragen
behandeln, um für zusätzliche
BRÜCKEN
KOMMENT
AR
OMMENTAR
Verhandlungen bereit zu sein. In den
USA ist eine politische und methodische
Schlüsselfrage, ob und unter welchen
Voraussetzungen eine Fast-TrackVerhandlung über Handelsabkommen
und Genehmigungsverfahren wieder
aufgenommen werden soll.
Der Fast-Track-Rahmen der USA
spiegelt die Tatsache wider, dass die
amerikanische Verfassung dem Kongress
die ausdrückliche Zuständigkeit erteilt,
den Handel mit ausländischen Nationen
zu regulieren, wohingegen die
Zuständigkeit, mit ausländischen
Nationen Abkommen auszuhandeln,
beim Präsidenten liegt. Um mit der
geteilten
Zuständigkeit
der
amerikanischen Exekutive und
Legislative in diesem Bereich
umzugehen, gab es in der Fast-TrackGleichung von Anfang an drei
unterschiedliche Elemente.
Das erste Element besteht darin, in Beratungen mit der Exekutive die vordringlich auszuhandelnden Ziele für die USA,
wie sie vom Kongress durch Gesetz festgelegt sind, zu bestimmen. In den Bereichen Arbeitsnormen und Umweltrichtlinien — sowie auch in den Bereichen Diensleistungsverhandlungen,
Landwirtschaft, E-Commerce, Rechtsmittel im Handel und anderen — muss noch
substanzielle Arbeit geleistet werden, um
den vordringlich auszuhandelnden Ziele der USA gerecht zu werden.
Das zweite Element ist die Schaffung einer Reihe von Verfahren, die sicherstellen, dass der Kongress — und alle Interessierten — in jede Phase der Verhandfortsetzung Seite 21
und der Vereinigung Besorgter Wissenschaftler, die Präsident Bush vorwarfen,
sich den Interessen der amerikanischen
Kohle- und Kraftwerklobbyisten zu beugen. Der amerikanische Umweltschutzfonds (Environmental Defense Fund)
wies darauf hin, dass Bushs Haltung
Amerikas Image sehr geschadet habe.
Wenig Hoffnung auf politische
Umkehr
Obgleich ein leitender Funktionär des
amerikanischen Außenministeriums erklärte, dass die USA nicht die Absicht
hätten, das KP nicht anzuerkennen, ha-
lungen miteinbezogen werden. Sind die
ersten beiden Elemente einmal ausgehandelt, stimmt der Kongress schließlich zu,
bestimmte Verfahren festzulegen, die
eine up-or-down Abstimmung bei der
Umsetzungsgesetzgebung für das Handelsabkommen vorsehen. Will der
Kongress bei der Wiedereinführung des
Fast-Track-Verfahrens erfolgreich sein,
wird er mit großer Sicherheit ebenfalls
diesen Weg beschreiten müssen.
Wie weiter oben bereits ausgeführt, kann
und sollte die Wiedereinführung des
Fast-Track-Verfahrens nicht im luftleeren
Raum betrachtet werden. Wenn die oben
ausgeführte Handelsagenda erfolgreich
umgesetzt wird — dazu gehört es auch,
in einer mit der WTO vereinbaren Weise
die Krise in Hinblick auf die weltweiten
Stahlüberkapazitäten und deren ernste
Auswirkungen auf amerikanische Arbeitnehmer und Unternehmen anzusprechen
— dann werden diese Schritte bei der
Verbesserung der Aussichten auf ein
Abkommen gemäß dem Fast-Track-Verfahren als wichtige Bausteine dienen.
Werden diese Schritte getan, dann glauben wir, sollte der Kongress in diesem
Jahr bereit sein, mit der Regierung zusammenzuarbeiten und Verfahren für die
USA einzuführen, um neue bilaterale, regionale und multilaterale Handelsgesetze
auszuhandeln und umzusetzen.
Globalisierung durch das Abkommen
über ständige normale Handelsbeziehungen mit China, CBI-Afrika, das Textilabkommen mit Kambodscha und das
Freihandelsabkommen mit Jordanien.
Beherzigen wir die Lektionen der letzten
18 Monate, können wir auf eine Handelsagenda 2001 zusteuern. Die Gefahr dieses Moments ist, dass wenn wir versäumen, diese Lektionen zu lernen — den
Neuerungen den Rücken kehren und zur
rigiden Methode zurückkehren, Fragen
wie Arbeitsnormen oder Umweltrichtlinien aus der Handelsagenda auszuklammern oder sie zu marginalisieren
versuchen, dann können die vor uns liegenden Möglichkeiten schnell zunichte
gemacht und unsere Entwicklungsrichtung umgekehrt werden. In Anbetracht dessen, was für unser Land und
alle unsere Handelspartner überall auf der
Welt auf dem Spiel steht, hoffen wir weiterhin, dass die USA das Versprechen
dieses Moments wahr werden lassen.
Viji Rangaswami ist Berater, Timothy M.
Reif Chefberater für Handelsfragen der
Demokratischen Partei im Ausschuss für
Mittel und Wege des US-Repräsentantenhauses. Diesen Kommentar schrieben
sie als Privatpersonen, er spiegelt daher nicht unbedingt die Ansicht eines
Mitglieds des Kongresses der USA wider.
Die USA stehen an einem Punkt, der Versprechen und Gefahr gleichermaßen verheißt.
Das Versprechen dieses Moments liegt
darin, dass wir die Chance haben, die
Fortschritte der letzten 18 Monate auszubauen — die Bemühungen um die
ben die meisten Analysten nur wenig
Hoffnung, dass die USA unter Präsident
Bush wieder zu einem Handel bereit sein
werden, der die US-Industrie zu
Emissionssenkungen zwänge. „Es gibt
keine Alternative zur Ratifizierung ohne
die USA”, sagte Michael Raquet, Klimaexperte bei Greenpeace. Die meisten Länder werden mit der Umsetzung des Protokolls aber nicht beginnen, wenn Amerika — das als größter Emissionär etwa
ein Viertel der weltweiten Kohlendioxidemissionen verursacht — nicht mitmacht.
Laut Umweltkommissarin Wallstöm wäre
ein solcher Schritt ein Freifahrtschein für
die US-Industrie auf Kosten der Entwicklungsländer. „Warum sollten wir die euBrücken • Ausgabe Mai 2001• Seite 24
ropäische Industrie unter solchen Druck
setzen, die amerikanische aber davonkommen lassen?” fragte sie.
Christian Egenhofer, Senior Fellow des
Beraterstabs Centre for European Policy
Studies in Brüssel, glaubt nicht, dass die
USA etwas so Ambitioniertes wie das
KP unterschreiben werden, vermutet
aber, dass sie statt dessen versuchen
werden, ein regionales Emissionssenkungssystem zu entwickeln. „Irgendeine Vorstellung werden die USA mit Sicherheit haben, und die EU wird darauf
reagieren müssen — und es wird eher
früher als später so weit sein”, sagte er.
BRÜCKEN
NACHRICHTEN
Südafrikas P
atentprozess könnte wesentliche Klärung der
Patentprozess
TRIPS -R
egeln ankündigen
-Regeln
Ein Prozess mit möglicherweise weltweiten Auswirkungen auf den Zugang zu
Medikamenten wurde in Südafrika von
Anfang März auf den 18. April verschoben. Der Fall wurde von der Südafrikanischen Vereinigung der Pharmaproduzenten (PMA) gegen die Regierung vorgebracht, die darin beschuldigt
wird, nicht verfassungsgemäße Rechte
anzustreben, um sich mittels einer noch
anhängigen Gesetzgebung, die Parallelimporte und Pflichtlizenzen in großem
Rahmen gestattet, über Patentrechte hinwegzusetzen.
TRIPS-Verletzung angedeutet
Die internationale Dimension des Patentstreits liegt in der Behauptung der PMA,
das Arzneimittelgesetz von 1997 verletze das WTO-Abkommen über Handelsbezogene Aspekte der Rechte an Geistigem Eigentum (TRIPS). Parallelimporte
aus Drittländern (wo Medikamente billiger als solche von lizenzierten Distributoren der Gastländer sind) und Pflichtlizenzen sind nach dem TRIPS bei Notfällen im öffentlichen Gesundheitswesen
möglich, die Dimension des Vertrages ist
aber bis jetzt kaum erprobt. Als Mindestauflage sieht TRIPS-Artikel 31 vor, dass
Patentinhabern faire Entschädigungen
angeboten werden, wenn ihre Produkte
von nicht lizenzierten Herstellern produziert werden. Das Abkommen regelt weder, wie solche Entschädigungen festgelegt werden sollen, falls die beiden Parteien uneinig sind, noch enthält es eine
Definition für einen „Notfall im öffentlichen Gesundheitswesen”, der ein Übergehen der Patentgesetzgebung rechtfertigt.
Die Pharmaindustrie (alle 39 Kläger sind
multinationale Konzerne) besteht auf einer engen Auslegung der TRIPS-Ausnahmen hinsichtlich der exklusiven
Vermarktungsrechte der Patentinhaber.
Ihr Hauptargument ist, dass Patenteinnahmen einen Anreiz für die teure Forschung und Entwicklung neuer Medikamente darstellen.
Die Entscheidung des südafrikanischen
Gerichts — ob zugunsten der PharmaUnternehmen oder der Regierung —
könnte den Verlierer veranlassen, den Fall
dem
WTO-Streitschlichtungsmechanismus zu überantworten, um eine
bindende Entscheidung darüber zu erzwingen, was gemäß den TRIPS-Regeln
erlaubt ist.
Intensive Beteiligung der Zivilgesellschaft
Interesse und Beteiligung der Zivilgesellschaft am Prozess über das Arzneimittelgesetz von 1997 entsprechen
dem der Pharmaindustrie. Hauptgrund für
die Verschiebung der gerichtlichen Verfahren war, den Klägern genug Zeit zu
geben, auf die vorgebrachten Punkte in
einem Amicus-Schriftsatz einzugehen,
den die Treatment Action Campaign
(TAC), eine Gruppe von AIDS-Aktivisten, trotz heftigen Widerstands der
PMA spät im Prozessverlauf noch einreichen durfte. Der Schriftsatz der Bürger konzentriert sich auf die Konsequenzen der Massnahmen der PMA-Mitglieder auf HIV-positive Südafrikaner, zu
denen mittlerweile fast jeder fünfte zählt.
Am ersten Prozesstag versammelten sich
in Pretoria, Kapstadt und Durban tausende von Demonstranten auf der Straße.
Neben den äußerst effektiven lokalen
Gruppen unterstützen auch viele internationale Organisationen, die sich im
Gesundheitsbereich engagieren, die südafrikanische Gesetzgebung, darunter
auch die britische Wohlfahrtorganisation
Oxfam, die eine weltweite Kampagne zur
Senkung der Arzneimittelkosten für die
arme Bevölkerung gestartet hat. In einem
neuen Bericht fordert Oxfam die WTO
auf, den derzeit vom TRIPS garantierten
zwanzigjährigen Patentschutz zu verkürzen und die Kriterien für eine Berufung
auf Pflichtlizenzen und Parallelimporte
abzuklären. In Fällen mit einer signifikanten nicht handelsbezogenen Dimension
argumentiert Oxfam für die Annahme von
Amicus-Schriftsätzen und für gemeinschaftliche Expertengremien der WTO
und anderer Organisationen wie der Weltgesundheitsorganisation (WHO). „Die
WTO muß die Regeln ändern, die von
der Pharmaindustrie gegenwärtig anwendet werden, um billige lokale Konkurrenz
zu blockieren, die ihrerseits die Kosten
für neue und patentierte Arzneimittel in
die Höhe treibt”, so der Oxfam-Bericht.
Brücken • Ausgabe Mai 2001•Seite 25
Repräsentanten der Industrie streiten ab,
dass Patentverpflichtungen ein entscheidendes Hindernis für erschwingliche
Medikamente darstellen. Statt dessen
schieben sie die Schuld auf infrastrukturelle Engpässe und die niedrige Priorität
öffentlicher Gesundheitsbelange. Harvey
Bale, Generalsdirektor des Internationalen Verbands der Vereinigung der
Pharmaproduzenten, sagte, dass die langsame Reaktion der südafrikanischen Regierung auf die Preissenkungsangebote
der PMA-Mitglieder bewiesen hätte,
dass das eigentliche Thema des Prozesses eher ein politisches Punktesammeln
als der Zugang zu Medikamenten gewesen sei.
SADC prüft erneut multinationale
Preissenkungsangebote
Im Mai 2000 boten fünf multinationale
Konzerne an, unter der Schirmherrschaft
der UNAIDS die Preise für einige ihrer
AIDS-Medikamente in Afrika zu senken.
Mitgliedsregierungen der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft
(SADC) sagten anfänglich, dass der Kauf
der Medikamente — selbst bei drastisch
gesenkten Preisen — zur Bekämpfung
anderer endemischer Krankheiten notwendige Gelder abzöge. (Die SADC sucht
beim Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten nach einem umfassenderen
politischen Handel).
SADC-Regierungen verhandeln derzeit
mit den am UNAIDS-Programm beteiligten Unternehmen (Boehringer-Ingelheim,
Bristol-Meyer Squibb, GlaxoWellcome,
Merck und Hoffmann-La Roche). Im Gefolge des südafrikanischen Prozesses
haben viele dieser „Großen Fünf”, alle
davon PMA-Mitglieder, wesentliche
neue Zugeständnisse gemacht. Zentral
war die Ankündigung von Bristol-Meyer am 15. März, den Widerstand gegen
den Verkauf von Generika ihrer patentierten AIDS-Medikamente anderer Hersteller in Afrika aufzugeben. Außerdem will
Bristol-Meyer in Afrika eine Kombination der Markenmedikamente Xerit
(stavudine) und Videx (didanosine) für
einen Dollar pro Tag anbieten (in den
USA kostet diese Kombination 18 Dollar). Merck versprach, die gegen
BRÜCKEN
NACHRICHTEN
Retroviren wirkenden Medikamente
Crixivan und Sustiva zu einem Zehntel
ihres regulären Preises in den USA (pro
Patient 500 - 600 US$ pro Jahr) anzubieten. Die anderen drei haben entweder
angeboten, einige ihrer Markenmedikamente gegen AIDS unter
UNAIDS-Schirmherrschaft für bestimmte Bevölkerungsgruppen kostenfrei zur
Verfügung zu stellen oder Arbeitgebern
und gemeinnützigen Gruppen Preisnachlässe zu gewähren.
Aufkeimender Preiskrieg
Diesem Geist der Zusammenarbeit nicht
gewachsen keimt ein möglicher Preiskrieg zwischen multinationalen Pharmakonzernen und der Cipla Ltd. in Bombay
Fortsetzung von Seite 2
Menschen, Tieren und Pflanzen schützen, sie müssen auch in dem Sinne „notwendig” sein, dass keine weniger restriktive Alternative ausreichend wirksam
oder ernsthaft anwendbar ist. Kanada
argumentierte, dass als weniger restriktive Alternative der „kontrollierte Einsatz”
zur Verfügung stünde. Das Berufungsgericht nahm einen anderen Standpunkt
ein:
In diesem Fall ist das Ziel der
Massnahme der Schutz menschlichen
Lebens und menschlicher Gesundheit
durch Eliminierung oder Verringerung
der allgemein bekannten und lebensbedrohlichen Gesundheitsgefahren, die Asbestfasern darstellen. Der verfolgte Wert
ist in höchstem Maße berechtigt und
wichtig zugleich. Die verbleibende Frage ist dann also, ob es eine alternative
Massnahme gibt, die zum gleichen Ergebnis führt und weniger handelsrestriktiv ist als ein Verbot.
Kanada behauptet, dass „kontrollierter
Einsatz” eine „ernsthaft anwendbare”
Massnahme sei, die dem gleichen Endergebnis dienen würde. Die Frage ist daher, ob von Frankreich ernsthaft erwartet werden kann, Praktiken für den „kontrollierten Einsatz” anzuwenden, um beim
Gesundheitsschutz auf dem gewählten
Niveau— der Verbreitung von
Gesundheitsgefahren durch Asbestfasern ein Ende zu setzen — zu bleiben.
Unserer Ansicht nach kann von Frank-
auf, die angeboten hat, AIDS-Medikamente in Afrika zu einem Drittel ihres
derzeitigen Marktpreises verfügbar zu
machen. GlaxoSmithKline, das die Exklusivrechte an einem dieser Medikamente
besitzt, hat bereits darauf hingewiesen,
dass es rechtliche Schritte gegen das indische Unternehmen einleiten werde,
wenn dieses weiterhin einen AIDSMedikamentecocktail für die „DreifachTherapie” für 350 US$ pro Jahr und Patient an die Nobelpreis gekrönte NRO Ärzte ohne Grenzen verkaufe, die diesen in
afrikanischen Ländern, die mit der Epidemie zu kämpfen haben, einsetzen (die
brasilianischen
Far-Maguinhos
Laboratories sind mit einer ähnlichen
Klage durch Merck konfrontiert).
Laut dem Vorsitzenden der Cipla, D. Yusuf
K. Hamied, versuchte das Unternehmen,
multinationale Patentinhaber zu überzeugen, ihre Produkte freiwillig lizenzieren
zu lassen In Ermangelung einer Reaktion
habe es dann den südafrikanischen
Patentkommissar ersucht, Pflichtlizenzen
für lebenswichtige Medikamente zu erteilen, die erforderlich sind, um dem nationalen Notfall zu begegnen, den AIDS
darstelle. Die Unternehmen, auf die diese Aktion zielt, und die Regierung untersuchen momentan deren Implikationen.
Selbst wenn das Ministerium für Handel
und Industrie der Forderung der Cipla
nachkommt, könnten die Verfahren für die
Pflichtlizenzierung mehrere Jahre in Anspruch nehmen.
reich nicht ernsthaft erwartet werden,
eine alternative Massnahme anzuwenden, wenn diese Massnahme eine Fortdauer eben jener Gefahr beinhaltet, welcher der Erlass „ein Ende setzen” will.
Eine solche Alternativmaßnahme würde
Frankreich tatsächlich daran hindern,
beim Gesundheitsschutz sein gewähltes
Niveau zu erreichen.
Das Berufungsgericht hielt deshalb am
Urteil fest, dass die EG einen Präzedenzfall dafür aufgezeigt habe, dass es keine
„ernsthaft anwendbare Alternative” zum
französischen Verbot gebe und die Verordnung „notwendig [sei], Leben oder
Gesundheit von Menschen … [im Sinne
des GATT-Artikels XX(b) von 1994] zu
schützen”.
Artikel 2.1, 2.2, 2.4 und 2.8)6, wurden vom
Berufungsgericht nicht untersucht.
TBT-Urteil könnte zukünftige Fälle
prägen
Erfolgreicher war Kanada bei seiner Forderung, das Berufungsgericht solle den
Beschluss des Gerichts aufheben, das
Abkommen über Technische Handelsschranken (TBT) gelte für den französischen Erlass nicht. Zwar entschied das
Berufungsgericht, die Verordnung sei in
der Tat eine „technische Verordnung”
nach dem TBT-Abkommen, es wies aber
darauf hin, dass das Urteil nur für „diese
spezielle Massnahme” gelte und nicht
impliziere, dass alle internen
Massnahmen nach GATT-Artikel III.4 in
den Geltungsbereich des TBT-Abkommens fielen. Die speziellen TBTVerstösse, die Kanada andeutete (die
Brücken • Ausgabe Mai 2001• Seite 26
Da nach dem ersten Uretil der angefochtene Erlass keine technische Verordnung
sei, sah das Berufungsgericht keine „juristischen Fragen” oder „juristischen
Auslegungen”, die in diesem Zusammenhang überprüft werden müssten. Das Berufungsgericht wies auch darauf hin,
dass die Bedeutung der verschiedenen
Verpflichtungen im TBT-Abkommen in
jüngster Zeit nicht Gegenstand einer
Auslegung oder Anwendung durch Gerichte oder das Berufungsgericht gewesen sei und die Reichweite der Bestimmungen des Abkommens „noch festgelegt werden” müsste. Diese Anmerkungen scheinen den Weg zu einer zukünftig unvermeidlichen Klarstellung des
Geltungsbereichs des TBT-Abkommens
zu weisen, insbesondere in Hinblick auf
die Verpflichtung zentraler Regierungsstellen, die in Artikel 2.6 enthalten ist.
Kanada wollte diese Bestimmungen eindeutig dafür nutzen, um seine Klage gegen den „in höchstem Maße handelsrestriktiven” Charakter des französischen Einfuhrverbots zu stützen. Im Gegensatz dazu sind die Befürworter einer
nachhaltigen Entwicklung der Ansicht,
dass der Einschluss von menschlicher
Gesundheit und Umwelt in die legitimen
politischen Ziele des Abkommens eine
mutigere Anwendung des Vorsichtsprinzips in der Auslegung des Vertrags
Fortsetzung Seite 29
BRÜCKEN
NACHRICHTEN
EU setzt mit Marktöffnungsangebot für LDCs Meilenstein in der
V ertrauensbildung
Am 26. Februar einigten sich die Europäischen Handelsminister auf eine leicht
abgeschwächte Version der Initiative
“Alles außer Waffen” (Everything but
Arms — EBA), die der Europäischen
Kommission im September 2000 erstmalig vorgelegt worden war. Der ursprüngliche Vorschlag hätte den meisten Produkten aus den am wenigsten entwickelten Ländern (LDCs), Waffen ausgenommen, sofortigen zoll- und kontingentfreien Zugang zu den Europäischen
Märkten gestattet. Nur Importe von Zukker, Reis und Bananen hätten für weitere
drei Jahre Einschränkungen unterlegen.
Ein „weltweiter Vortritt” …
Einen weltweiten zoll- und kontingentfreien Marktzugang für Produkte aus
LDCs zu erreichen, war für den ehemaligen WTO-Generaldirektor Renato
Ruggiero eine persönliche Mission, und
auch sein Nachfolger Mike Moore begrüßte die EU-Initiative begeistert.
Handelskommissar Pascal Lamy bezeichnete sie als „weltweiten Vortritt” und bewies dadurch, dass die EU es ernst damit
meint, “zu schaffen, dass diejenigen, die
am meisten benachteiligt sind, an den
Früchten der Handelsliberalisierung teilhaben”.
… und ein strategischer Block zur
Vertrauensbildung
Die Europäische Union ist tonangebende Befürworterin einer neuen Runde
umfassender Handelsgespräche und die
EBA ist ein Schlüsselelement ihrer
Vertrauensbildungsstrategie für Entwicklungsländer, von denen viele weiterhin
skeptisch bleiben, wenn es um die Aufgeschlossenheit des multilateralen
Handelssystems gegenüber ihren Interessen geht.
Obgleich die EBA eine für sich stehende
Geste darstellt, hegt die EU eindeutige
Hoffnungen, die Initiative möge helfen,
Unterstützung für ihre weitergehenden
Frankreich, Spanien, BelgiZiele zu sammeln. Kommisen, Griechenland und Portusar Lamy sagte, im Vorfeld
gal stimmten gegen die Aufder vierten WTO-Ministernahme dieser drei Güter in
Den fragilen Volkswirtschaften der 48 ärmsten
konferenz, die „sich auf eine
den Marktöffnungs-Deal,
Agenda mit breiter Basis eiLänder
der
Welt,
in
denen
zusammengenommen
was einige bereits dazu
nigen soll, um eine neue
mehr als 610 Millionen Menschen leben und
veranlasst hat, die Initiative
Runde
multilateraler
als „Everything but Farms”
deren Anteil am Welthandel die Hälfte eines
Handelsgespräche aufzuzu betiteln. Die drei letztgeeinzigen Prozents beträgt, haben die Abkommen
nehmen, die sich mit Internannten Länder zogen ihren
der Uruguay-Runde nur wenig Gutes gebracht.
essen und Belangen von
Widerstand zurück, als die
Entwicklungsländern befasKommission die gestuften
sen muss”, stelle die AnFristen für kritische ProdukSchon vor der Verabschiedung der EBA nahme der EBA ein „Zeichen für guten
te verlängerte und eine Sicherheitsdurch die EU hatten sich zumindest die Willen auf politischer Ebene” dar.
klausel anfügte, um Importanstiege einUSA, Kanada, Neuseeland und Norwezudämmen.
Auch
Herkunftsgen bereits zugunsten eines verbesser- Ungeachtet des Optimismus” der EU bleibestimmungen wurden verschärft, um
ten Marktzugangs für Produkte aus ben die Chancen für eine Aufnahme der
eine Umladung von Gütern aus Ländern
LDCs ausgesprochen, keines dieser Zu- Qatar-Runde gleich. Erstens könnte der
zu verhindern, die keinen Anspruch dargeständnisse hat jedoch solche potenti- Marktöffnungsvorschlag für LDCs zwar
auf haben, von der "Everything but
ellen Auswirkungen wie die EU-Initiati- als Anzahlung auf weitere ZugeständArms"-Initiative zu profitieren.
ve. Die USA verabschiedete beispiels- nisse der EU während der neuen WTOweise im Mai 2000 das AGOA (African Verhandlungen gewertet werden, trotzDer im Februar — trotz beharrlichem WiGrowth and Opportunity Act), dessen dem verlangt die Gruppe der Gleichgederstand aus Frankreich und Spanien —
Umsetzung sich jedoch aufgrund sinnten aus den Entwicklungsländern in
verabschiedete Vorschlag gewährt den
verfahrentechnischer Gründe verzögert. Schlüsselpositionen erst Fortschritte in
meisten Produkten (Waffen ausgenomAußerdem knüpft das AGOA die Geneh- bezug auf eine weitaus breitergefaßte
men) aus LDCs seit 5. März 2001zoll- und
migung für Textilprodukte weitgehend an Problemstellung bei der Umsetzung bekontingentfreien Zugang. Die zollfreien
die Verwendung von in den USA produ- stehender Abkommen, bevor sie der
Kontingente für Zucker und Reis werzierten Garnen und Stoffen (Bridges Year Aufnahme einer neuen Runde von
den um 15% pro Jahr erweitert, bis Kon4 No.8, page 11). Ein früheres Angebot Handelsgesprächen zustimmt.
tingente 2009 gänzlich abgeschafft wervon Kanada, EU, Japan und den USA,
den. Zölle für out-of-quota Reis und Zukden zoll- und kontingentfreien Zugang Zweitens scheint kein anderes Industrieker werden in drei Stufen abgebaut (2006
auf „im wesentlichen alle” Produkte aus land bereit zu sein, sich dem einseitigen
um 20%, 2007 um 50% und 2008 um 80%)
LDCs auszudehnen, wurde von WTO- Marktöffnungsangebot der EU anzuund spätestens 2009 völlig abgeschafft.
Mitgliedern entschieden kritisiert, da al- schließen — nicht einmal Japan, Korea
Importzölle auf frische Bananen, die 2006
len Befürwortern zahlreiche Möglichkei- und die Schweiz, Hauptverbündete beim
abgeschafft werden, werden beginnend
ten offen stünden, um die Einfuhr kriti- Engagement für eine neue umfassende
im Januar 2002 pro Jahr um 20% gesenkt.
scher Produkte abzublocken.
Verhandlungsrunde. Der amerikanische
Handelsbeauftragte Robert Zoellick sagte, er begrüße die Geste der EU als eine
Brücken • Ausgabe Mai 2001•Seite 27
BRÜCKEN
NACHRICHTEN
„Botschaft an die Entwicklungsländer,
dass Globalisierung ihnen helfen könne”, versprach aber keine weitere Aktivität seitens der Regierung Bush.
Initiative wirft Fragen hinsichtlich
der Präferenzpläne auf
Einige Kommentatoren, darunter der
Weltbank-Ökonom Michael Finger,
warnten offen vor den Gefahren, die allen Plänen für Handelspräferenzen innewohnten, und zeigten auf, dass es
wahrscheinlich weniger die europäischen Mitbewerber als vielmehr andere Entwicklungsländer seien, die die
Rechnung für den verbesserten Zugang der LDCs zu europäischen Märkten begleichen werden.
Diese Tatsache ist der Grund für die
gedämpfte Reaktion vieler WTO-Mitglieder aus Entwicklungsländern. Zu
denen, die sich wegen möglicherweise
sinkender Marktanteile sorgen, gehören einige der 80 Staaten aus Afrika,
der Karibik und dem pazifischen Raum,
die im Rahmen einer Reihe aufeinander
folgender Lomé-Abkommen jahrzehntelang bevorzugten Zugang zu europäischen Märkten hatten und nach der
Unterzeichnung des Partnerschaftsabkommens von Cotonou im Juli 2000 weiterhin haben.
Die EBA-Initiative würde weitere neun
LDCs mit den 39 LDCs und 32 Entwicklungsländern gleichstellen, die bereits
durch den Cotonou-Vertrag praktisch
unbegrenzten Zugang zur EU haben.
Einige dieser Staaten werden sich vermutlich stärkerem Konkurrenzdruck
ausgesetzt sehen, wenn neu aufgenommene LDCs ihre Exportkapazität erhöhen. So könnten beispielsweise
Bananenproduzenten aus der Karibik,
deren Früchte bislang sicheren Absatz
auf europäischen Märkten fanden, ihre
Marktanteile schwinden sehen. Auch
im Textilsektor könnte es zu Handelsumleitungen kommen. So unterliegen
Indiens Exporte bis 2005 Kontingentbeschränkungen, während Exportgütern aus dem benachbarten Bangladesch, einem LDC, ab März 2001 unbeschränkter Marktzugang eingeräumt
wird.
Weitere Informationen dazu unter:
http://europa.eu.int/comm/trade/miti/
devel/eba.htm. Die EU-Studie zur Einschätzung der Auswirkung der EBA
finden Sie unter: http://europa.eu.int/
comm/trade/pdf/eba_ias.pdf
Nicht stehlen, nicht faul sein und nicht lügen
Im März 2000 patentierten Jeffrey Ehlers
und Mark Sterner, Wissenschaftler an der
Universität von Kalifornien, eine als
Nuña bekannte Bohnensorte. Das Patent,
das Ehlers und Sterner für alle NuñaKreuzungen, die in geringen Höhen
wachsen können, alleiniges Besitzrecht
mit Monopolstellung einräumt, hat in
den Anden in weiten Kreisen Proteste
hervorgerufen. Für Landwirte, Politiker
und Forscher ist die Tatsache am meisten besorgniserregend, dass das Patent
nicht nur alle Nuña-Bohnen, die in der
United States Plant Introduction
Accessions aufgelistet sind, sondern
auch Pflanzenmaterial, das sich derzeit
in der Sammlung internationaler Bohnen
des Centro Internacional de Agricultura
Tropical befindet und dort gemäß einer
Erklärung der FAO für die internationale
Gemeinde „treuhänderisch verwaltet”
wird.
Vor kurzem traf sich eine Gruppe von Organisationen in Peru, um ihre Stimmen
zum Protest gegen das Nuña-Patent zu
erheben. Die Anwesenheit internationaler Experten beim Dialog über Handel,
Rechte an geistigem Eigentum sowie Biologischer und Genetischer Ressourcen
in Lateinamerika (mehr dazu S. 15) nutzend, beriefen offizielle Delegierte aus
sechs Gemeinden mit Unterstützung der
Asociación Regional de Productores
Ecologicos del Cusco, der Federación
Departamental de Campesinos del Cusco
und der Asociación Kechua-Aymara ein
Saatgut-Tribunal ein.
Unter Anwendung einer traditionellen
Form für die Konfliktlösung innerhalb der
Gemeinschaft hörte ein Gremium lokaler
Beamter Zeugenaussagen von NuñaAnbauern und Sachverständigen über
die lokalen politischen, wirtschaftlichen
und sozialen Auswirkungen des NuñaPatents. Die Zeugen schworen bei den
drei Grundsätzen der Inka-Ethik — nicht
stehlen, nicht faul sein und nicht lügen
— und erzählten, wie die wilde NuñaBohne von den Bauern kultiviert wurde.
Das besondere an Nuña-Bohnen ist
nicht nur ihr hoher Nährwert, sondern
auch, dass sich das Innere der Bohnen
beim Erhitzen ausdehnt und aus der Scha-
Brücken • Ausgabe Mai 2001• Seite 28
le springt wie Popcorn. Laut Überlieferung wurde das Nuña-Popcorn von Frauen ersonnen, die nach einer Methode
suchten, die Nuña zu konservieren, um
sie zu weit entfernten Feldern zu bringen. Derzeit werden überall in den Anden Dutzende von Nuña-Sorten konsumiert.
Während des Tribunals protestierten die
Bauern gegen das, was ihrer Ansicht
nach Diebstahl einer für die lokale
Ernährungssicherung zentralen Ressource ist, die für Kultur und Geschichte der
Anden immense Bedeutung hat. Bedenken wurden laut, das Patent könnte lokale Versuche, die Nuña durch Zucht zu
verbessern, verhindern — und damit
auch Perus Zukunftsaussichten auf die
Nuña als Exportgut zunichte machen. Den
Aussagen der Bauern folgten Stellungnahmen technischer Sachverständiger
aus Brasilien und Kolumbien, die von
ähnlichen Problemen mit der Aneignung
von Ressourcen in ihren eigenen Ländern berichteten und die Rolle der nationalen und internationalen Gesetzgebung
zum Schutz der heimischen
Kulturvarietäten und des traditionellen
Wissens der Gemeinschaften diskutierten. Nach der Beratung verabschiedete
das Richtergremium eine Resolution,
dem Nuña-Patent den Krieg zu erklären,
und die Protestbriefe an die CIAT, das
Peruanische Patentbüro und die Weltorganisation für Geistiges Eigentum (World
Intellectual Property Organization waren
der Auftakt dazu.
Neben der Einrichtung eines Forums für
Mitglieder der Gemeinschaft, um zu konkreten Massnahmen für ihren Protest
gegen das Nuña-Patent zu kommen, war
das Tribunal auch für Mitglieder der Gemeinschaft und ausländische Besucher
eine Möglichkeit, ihr Verständnis hinsichtlich der Rechte an Ressourcen neu
zu bewerten. Die Politisierung lokaler
Gemeinschaften wird zunehmend alltäglicher werden, da Patente auf einheimische Kulturvarietäten wie die Nuña-Bohne Gemeinschaften im Kampf für den
Schutz ihres landwirtschaftlichen Erbes
zusammenschweißen werden.
BRÜCKEN
LEIT
ARTIKEL
LEITARTIKEL
Fortsetzung von Seite 26
rechtfertigt und sogar angewendet werden kann, um Handelsmaßnahmen zu
verteidigen, die auf Produktions- und
Prozessmethoden basieren.
Das Urteil des Berufungsgerichts im
Asbest-Fall ist für solche Fragen weder
relevant, noch ändert es das Ergebnis des
Streits in der vorliegenden Form: Während das Berufungsgericht entschieden
hat, der französische Erlass stelle eine
technische Verordnung dar, schob es sein
Urteil über das TBT-Abkommen „aufgrund der dokumentierten Fakten” auf.
Zudem wies das Berufungsgericht darauf hin, dass das Abkommen ausschließlich für eine „begrenzte Kategorie von
Massnahmen” gültig sei, für die es „den
Mitglieder Auflagen mache, die von den
Auflagen, die den Mitgliedern nach dem
GATT 1994 gemacht werden, verschieden sind und als Ergänzung zu diesen
erscheinen”.
Amicus-Schriftsätze
Das Berufungsgericht befasste sich
auch kurz, und zu summarisch, um ermutigend zu sein, mit seinem umstrittenen
Umgang mit der Frage der Amicus-curiaeSchriftsätze.
Obgleich die Mehrheit der WTO-Mitglieder gegen die Einmischung von Nichtregierungsakteuren in die WTO-Streitschlichtungsverfahren ist (nur die USA
verteidigen dies ohne Vorbehalt), haben
frühere Urteile des Berufungsgerichts
bestätigt, dass unaufgefordert eingereichte Vorlagen in Gerichts- und Berufungsverfahren berücksichtigt werden könnten. Obwohl solche Schriftsätze in der
Praxis äußerst selten angenommen wurden, erwartete das Berufungsgericht zur
Anhörung im Asbeststreit eine Rekordzahl spontaner Beiträge. Im November
2000 gab es ein strenges Verfahren für
die Vorlage von Amicus-Schriftsätzen
heraus, das nur für den Asbestfall galt.
Das sorgte in einigen Entwicklungsländern für heftige Empörung, und viele Industrieländer teilten deren fest verteidigte Meinung, nur der Vorsitzende des Allgemeinen Rats könne solche verfahrenstechnischen Entscheidungen treffen. Der
Vorsitzende des Allgemeinen Rats richtete die ernste Mahnung an das Berufungsgericht, „extreme Vorsicht” zu üben,
und seither gibt es von der WTO keine
Neuigkeiten mehr, wie sich die Dinge
entwickelt haben.
Unter dem unverbindlichen Titel Vorbereitende Verfahrensangelegenheit bringt
das Berufungsgericht ein wenig Licht in
diese Frage. Die dreizehn Vorlagen von
NRO, die vor Festlegung der
Einreichungsverfahren eingingen, wurden zusammen mit einer Kopie der neuen Richtlinien zurück an die Absender
geschickt. Laut der in einer Fußnote angefügten Liste stammen die meisten Vorlagen von Industrieorganisationen.
Das Asbest-Berufungsgericht nahm
schließlich 17 Anträge auf Erlaubnis zur
Einreichung eines dem neuen Verfahren
gemäßen Schriftsatzes an. Sechs davon
trafen erst nach Ablauf der Frist am 16.
November ein und ihnen wurde die Erlaubnis zur Einreichung eines Schriftsatzes verweigert, weil „der Antrag nicht
fristgemäß eingereicht wurde”.7 Seinem
Bericht zufolge hat das Berufungsgerichts die anderen 11 Anträge „sorgfältig geprüft erwogen” und „in jedem einzelnen Fall beschlossen, die Erlaubnis zur
Einreichung eines Schriftsatzes zu verweigern.” Außer dem universellen
„Scheitern, alle Auflagen aus Absatz 3
des Zusatzverfahrens ausreichend zu
erfüllen” wurden die Gründe dafür nicht
näher ausgeführt.8
Das Berufungsgericht hat diese Frage
nicht weiter erörtert.
European Communities — Measures
Affecting Asbestos and Asbestoscontaining Products. Bericht des
Berufungsgerichts.
1
2
Erlass Nr. 96-1133, 24. Dezember 1996.
In diesem Fall Weißasbest (und
Produkte, die diesen enthalten) und seine
Ersatzstoffe (PVA-, Zellulose- und
Glasfasern — PZG-Fasern).
3
European Communities — Measures
Affecting Asbestos and As bestos4
Containing Products, Gremiumsbericht, 18. September 2000.
Die Europäischen Gemeinschaften —
die offizielle Bezeichnung der EU in
staatlichen Organisationen — vertritt ihre
Mitgliedsstaaten in WTO-Streitfällen.
5
TBT-Artikel 2.1 verlangt, dass technische
Verordnungen in gleicher Weise für
ausländische wie für inländische
Produkte gelten. Artikel 2.2 legt fest, dass
solche
Verordnungen
nicht
‘handelsrestriktiver als notwendig sein
dürfen, um ein rechtmäßiges Ziel zu
6
Brücken • Ausgabe Mai 2001•Seite 29
erreichen’ und verlangt bei der
Gefahreneinschätzung für solche Ziele,
darunter auch Schutz für Gesundheit oder
Sicherheit von Menschen oder der
Umwelt,
von
Mitgliedern
die
Berücksichtigung
‘verfügbarer
wissenschaftlicher und technischer
Informationen,
verwandter
Verfahrenstechnologien oder der
beabsichtigten Endanwendung der
Produkte’. Artikel 2.4 legt fest, dass
technische Verordnungen auf relevanten
internationalen Normen basieren
müssen, außer wenn solche Normen
‘unwirksame oder unangemessene Mittel
für die Erreichung der legitimen
angestrebten Ziele’ sind. Artikel 2.8
verlangt von Mitgliedern, ihre technischen
Verordnungen auf ‘Produktauflagen in
Hinblick auf Leistung statt auf
Ausführung
oder
deskriptive
Charakteristika’ zu gründen.
Wegen Fristüberschreitung abgelehnte
Anträge: Association of Personal Injury
Lawyers (UK); All India A.C. Pressure Pipe
Manufacturer’s Association (Indien);
International Confederation of Free Trade
Unions/European
Trade
Union
Confederation (Belgien); Maharashtra
Asbestos Cement Pipe Manufacturers’
Association (Indien); Roofit Industries Ltd.
(Indien); and Society for Occupational and
Environmental Health (USA).
7
Wegen ‘Scheitern, alle Auflagen aus
Absatz 3 des Zusatzverfahrens
ausreichend zu erfüllen’ abgelehnte
Anträge: Professor Robert Lloyd Howse
(USA); Occupational & Environmental
Diseases Association (UK); American
Public Health Association (USA); Centro
de Estudios Comunitarios de la
Universidad Nacional de Rosario
(Argentinien); Only Nature Endures
(Indien); Korea Asbestos Association
(Korea); International Council on Metals
and the Environment and American
Chemistry Council (USA); European
Chemical Industry Council (Belgien);
Australian Centre for Environmental Law
at the Australian National University
(Australien); Associate Professor Jan
McDonald und Mr. Don Anton
(Australien); und ein gemeinsamer Antrag
der Foundation for Environmental Law
and Development (United Kingdom),
Center for International Environmental
Law (Schweiz), International Ban Asbestos
Secretariat (United Kingdom), Ban
Asbestos International and Virtual
Network (France), Greenpeace
International (Niederlande), World Wide
Fund for Nature, International (Schweiz)
und Lutheran World Federation (Schweiz).
8
BRÜCKEN
Der V
ertrag über Wirtschaftliche, Soziale und K
ulturelle R
echte
Vertrag
Kulturelle
Rechte
(ICESCR): Eine Schatztruhe für die Unterstützung der WTO-Angelegenheiten von Entwicklungsländer?
Von Caroline Dommen
Entwicklungsländer drängen in der WTO
zunehmend darauf, dass ihre Belange
besser berücksichtigt werden. Obgleich
sie die vollständige Umsetzung der Bestimmungen zur besonderen und differenzierten Behandlung (special and differential treatment — SDT) der Abkommen der Uruguay-Runde zu ihren Gunsten fordern, verlangen sie auch eine allgemeinere neue Abgleichung der Rechte und Pflichten von Mitgliedern im multilateralen Handelssystem. So wollen
Entwicklungsländer zum Beispiel
substanzielle Änderungen in den laufenden WTO-Agrarverhandlungen, der
Überprüfung des TRIPS-Abkommens
und seines Artikels 27.3(b) sowie den
noch andauernden Sondersitzungen des
Allgemeinen Rats der WTO zu Umsetzungsangelegenheiten. Viele dieser Forderungen spiegeln sich in ihren Gegenargumenten auf Klagen gegen ihre Umsetzung des TRIPS-Abkommens wider
und manifestieren sich insbesondere in
dem WTO-Streitfall, der von den USA
gegen Brasiliens Pflichtlizenzverordnungen geführt wird.
Dieser Artikel will zeigen, dass der
Internationale
Vertrag
über
wirtschaftliche, soziale und kulturelle
Rechte ein hilfreiches, aber wenig
bekanntes Instrument ist, das
Entwicklungsländer nutzen könnten, um
ihre Argumente zugunsten von stärkeren
SDT-Bestimmungen zu stützen und um
ihre Interessen bei WTO-Verhandlungen
und Rechtsklagen gegen spezielle
Fragen, die für sie von Bedeutung sind,
zu verteidigen.
Neben dem Internationalen Vertrag über
Bürgerrechte und Politische Rechte ist
der Internationale Vertrag über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte (ICESCR) einer der beiden zentralen
internationalen Menschenrechtsverträge, die verabschiedet wurden, um
der Allgemeinen Menschenrechtserklärung von 1948 Rechtskraft zu verleihen.
Der ICESCR ist seit 1976 in Kraft und
gegenwärtig haben sich 144 Staaten seinen Bestimmungen verpflichtet.
Zu den wichtigsten Rechten, die im
ICESCR festgeschrieben sind, gehören
die Rechte auf angemessene Standards
für Lebensbedingungen, Unterbringung,
Arbeit, Erziehung, Nahrung, Gesundheit,
Beteiligung am kulturellen Leben und
Teilhabe an den wissenschaftlichen Errungenschaften. Artikel 2 verlangt, dass
alle Parteien „aus eigener Kraft und mit
Hilfe internationaler Unterstützung und
Kooperation alle verfügbaren Ressourcen in vollem Umfang für Massnahmen
heranziehen”, um die vollständige Verwirklichung der im ICESCR festgelegten
Rechte „progressiv umzusetzen”. Die
Bedeutung von progressiver Umsetzung
wurde so ausgelegt, dass Staaten so
schnell wie möglich darauf hinarbeiten,
die im ICESCR festgelegten Rechte zu
garantieren. Obgleich der Vertrag also
von Staaten nicht fordert, all ihren Bürgern unmittelbar nach Unterzeichnung
des Vertrags Nahrung, Ausbildung oder
ein perfektes Gesundheitswesen zur Verfügung zu stellen, verlangt er von ihnen,
sofort Massnahmen einzuleiten, um die
im ICESCR festgelegten Rechte zu realisieren und Rückschritte (Regression) bei
der Verwirklichung dieser Rechte zu vermeiden.
selbst als auch auf die durch internationale Kooperation und Unterstützung
verfügbaren Ressourcen bezieht. 1
Dazu müssen Staaten der Verpflichtung
des Vertrags, bei der Verwirklichung der
wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte Diskriminierung jeglicher Art
zu verhindern (einschließlich Diskriminierung aufgrund von Rasse, Geschlecht,
religiöser oder politischer Überzeugung),
sofort nachkommen. Der UN-Ausschuss
für Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte, der die Umsetzung des
ICESCR überwacht, hat wiederholt bekräftigt, das Hauptanliegen des ICESCR
sei die Situation der verletzlichsten und
am meisten benachteiligten Bevölkerungsgruppen.
Im Januar 2001 wurde ein Streitschlichtungsgremium eingerichtet, um
über eine US-Klage gegen Brasiliens
Gesetz über Gewerbliches Eigentum zu
entscheiden. Dieses Gesetz stellt die Bedingung der „einheimischen Verwertung”, die festsetzt, dass ein Patent der
Pflichtlizenzierung unterworfen wird,
wenn der vom Patent behandelte Gegenstand nicht in Brasilien verwertet wird. 2
Die USA behaupten, diese Auflage verletze das TRIPS-Abkommen, indem sie
die amerikanischen Inhaber brasilianischer Patente diskriminiere, deren Produkte nach Brasilien importiert, aber nicht
dort hergestellt werden, und die Alleinvermarktungsrechte der Patentinhaber
beschneide. Brasilien beruft sich auf die
Möglichkeit von Pflichtlizenzen, um so
auf europäische und amerikanische
Pharmaproduzenten Druck ausüben zu
können, damit sie die Preise für ihre patentierten HIV/AIDS-Medikamente sen-
Wesentlich für jene, die sich mit internationalen Wirtschaftsbeziehungen befassen, ist die Betonung des Ausschusses,
dass die ICESCR-Auflage, ein Mitglied
müsse „alle verfügbaren Ressourcen in
vollem Umfang” für Massnahmen heranziehen, sich sowohl auf die im Land
Brücken • Ausgabe Mai 2001• Seite 30
Praktische Anwendung des ICESCR im
Rahmen der WTO
In der WTO, wo Vereinbarungen für gewöhnlich das Resultat von Tauschgeschäften zwischen den Interessen der
Verhandlungsparteien sind, fehlt es den
Anliegen der Entwicklungsländer oft am
nötigen Gewicht, um sich auf das Endergebnis angemessen auszuwirken. Entwicklungsländer könnten daher ihre Position stärken, indem sie die rechtlichen
Verpflichtungen der WTO-Mitglieder
gemäß dem ICESCR auf den Verhandlungstisch bringen.
Die folgenden Absätze beschreiben zwei
der Bereiche, in denen sich Entwicklungsländer bei ihren Forderungen, das
Welthandelssystem solle auf ihre Bedürfnisse eingehen, auf die rechtlich bindenden Bestimmungen des ICESCR stützen
können.
Das TRIPS-Abkommen — Streitfälle und
Überprüfung
BRÜCKEN
ken; im Falle einer Weigerung werde Brasilien Lizenzen für generische Versionen
dieser Medikamente erteilen, um sie in
Brasilien herzustellen — zu wesentlich
niedrigeren Kosten.
ten haben vorgeschlagen, die Überprüfung des TRIPS-Abkommens solle den
Zugang zu Medikamenten sichern, unter anderem auch durch Sicherung des
Rechts auf Pflichtlizenzierung von Arzneimitteln. Bei der Überprüfung des Artikels 27.3(b) verlangten viele Entwicklungsländer, darunter die Afrikanische
Gruppe, Brasilien, Kolumbien, Indien
und Peru, eine Klarstellung oder eine Ergänzung des Artikels 27.3(b), die ihre
sozialen Anliegen widerspiegeln, indem
u. a. traditionelles Wissen anerkannt und
geschützt und die Fortführung traditioneller Anbautechniken gestattet wird,
wozu auch das Recht gehört, Saatgut zu
lagern und zu tauschen. Während viele
Entwicklungsländer alle Verpflichtungen
zum Schutz von Rechten an geistigem
Eigentum aus dem Artikel 27.3(b) entfernen wollen, würden andere wie die USA
Brasiliens Programm zur Eindämmung
und Behandlung von HIV/AIDS wird allgemein als Erfolg angesehen, und nicht
nur bei der Behandlung der Krankheit
selbst, sondern auch weil es den Anstoß
für eine Verbesserung der medizinischen
Versorgung im ganzen Land gegeben hat.
Würde Brasilien durch die US-Klage in
der WTO an der Weiterführung seines
Programms gehindert, könnte dies als
Rückschritt in der Entwicklung und damit als Verstoß gegen den ICESCR betrachtet werden, den Brasilien 1992 unterzeichnet hat. Vom rechtlichen Standpunkt gesehen könnte sich Brasilien also
auf seine ICESCR-Verpflichtung berufen und
das Recht seiner Bürger
auf Gesundheit zur Abwehr der Klage gegen seiBrasilien könnte sich bei seiner Verteine
Pflichtlizenzdigung gegen die Klage in bezug auf
bestimmungen heranziePflichtlizenzverordnungen auf seine
hen.
ICESCR-Verpflichtung stützen, das
Bei den Überprüfungen
Recht der Bürger auf Gesundheit zu
des TRIPS-Abkommens
schützen.
haben verschiedene Mitglieder erneut die Bedeutung der TRIPS-Artikel 7
und 8 betont. Artikel 7 besagt, das Abkommen solle dem sozialen und europäische Staaten diese Verpflichund wirtschaftlichen Wohlergehen för- tung lieber noch verschärfen. Wie ihre
derlich sein und zu einem Gleichgewicht Klage gegen Brasilien bei der WTO zeigt,
der Rechte und Verpflichtungen beitra- wollen die USA auch den rechtmäßigen
gen. Artikel 8 legt fest, dass Regierun- Einsatz von Pflichtlizenzierungen auf das
gen Gesundheit, Ernährung und andere vom TRIPS erlaubte Minimum beschränInteressen der Allgemeinheit bei der For- ken.
mulierung ihrer Gesetze über geistiges Eigentum berücksichtigen und den Miß- In den oben dargestellten Bereichen
brauch von Rechten am geistigen Eigen- könnten Entwicklungsländer ihren Fortum verhindern dürfen. So hat zum Bei- derungen nach Lockerung der Verpflichspiel Indien angeführt, die TRIPS-Über- tungen zum Schutz von Rechten an geiprüfung solle auch eine Bewertung der stigem Eigentum mehr rechtliches Gesozialen, wirtschaftlichen und wicht verleihen, indem sie sich auf den
wohlfahrtsbezogenen Auswirkungen ICESCR stützen. Tatsächlich sollten sie
des Abkommens umfassen.
unterstreichen, dass es eine rechtliche
Verpflichtung gemäß dem ICESCR sei, die
In den letzten Jahren forderte eine Reihe Rechte auf Kultur und angemessenen Levon Entwicklungsländern in Eingaben an bensstandard für einheimische Gemeindie WTO eine weniger strenge Ausle- schaften und Bauern sowie das Recht
gung der TRIPS-Auflagen für den Schutz auf Nahrung und Gesundheit derjenigen
von geistigem Eigentum, damit auch ihre zu schützen, die von deren Produkten
Anliegen zum Ausdruck gebracht wer- und Wissen abhängen. Zudem könnten
den können. Jamaika, Pakistan, Sri Lan- Entwicklungsländer hervorheben, dass
ka, Tansania, Sambia und andere Staa- ihre Pflicht, den Zugang zu ArzneimitBrücken • Ausgabe Mai 2001•Seite 31
teln zu Kosten zu sichern, die nicht zu
einer Unterscheidung zwischen der reichen und der armen Bevölkerung führen, es erfordert, Pflichtlizenzierungen
oder Parallelimporte zuzulassen. Der
ICESCR bietet auch die rechtliche Grundlage, Interessen der Allgemeinheit mehr
Gewicht zu verleihen, wenn es um das
angemessene Gleichgewicht zwischen
den Interessen von Privatpersonen und
der Allgemeinheit geht, welches das
TRIPS-Abkommen sichern soll.
ICESCR und Landwirtschaft
Der Artikel 20 des Agrarabkommens, der
den Umfang der momentan sattfindenden Agrarverhandlungen festlegt, besagt, diese sollen u. a. „nicht handelsbezogene Fragen” und die „anderen in
der Präambel aufgeführten Ziele und Fragen” des AoA berücksichtigen. Für viele der
Entwicklungsländer
sind solche nicht
handelsbezogenen Fragen von großer Bedeutung und haben bei den
Verhandlungen schon
einen wesentlichen Teil
der Zeit in Anspruch
genommen. Zu diesen
Fragen
gehören
Ernährungssicherung,
ländliche Entwicklung,
sozioökonomische Fragen (darunter Beschäftigung und Armut
in ländlichen Gebieten sowie bäuerliche
Grenzbetriebe und Subsistenzwirtschaft)
und Umweltschutz. Indien sagte, ein Entwicklungsland müsse in der Lage sein,
Agrarimporte zu beschränken, um sicherzustellen, dass Lebensunterhalt und Beschäftigung der ländlichen Bevölkerung
nicht durch sprunghafte Importanstiege
beeinträchtigt werden. Mehrere Entwicklungsländer haben vorgeschlagen, die
Agrarverhandlungen sollten in der
Schaffung eines „Entwicklungspakets
(development box)” resultieren, das ihnen verschiedene Massnahmen zum
Schutz der eigenen Märkte erlauben würde. Dazu gehören — vor allem im Bereich
der Grundnahrungsmittel — Schutz und
Kapazitätssteigerung der einheimischen
Nahrungsmittelproduktion, Verbesserung der Ernährungssicherung und Zugriffsmöglichkeit auf Nahrungsmittel für
die Ärmsten sowie Bereitstellung, oder
zumindest Erhalt, bestehender
Beschäftigungsmöglichkeiten für die
arme Bevölkerung in ländlichen Gebieten. Entwicklungsländer weisen auch
immer häufiger darauf hin, dass Handelsschranken in den Industrieländer das
Wachstum der Agarexporte aus Entwicklungsländer in Industrieländer hemmen.
Entwicklungsländer könnten sich auf die
ICESCR-Bestimmungen über internationale Kooperation und Unterstützung
berufen, wenn sie die Abschaffung von
Importschranken für ihre Agrarexporte
und den Abbau von handelsverzerrenden Agrarsubventionen in Industrieländer fordern. Außerdem bietet
der ICESCR starke Rückendeckung für
Forderungen nach einem „Entwicklungspaket/development box”. Tatsächlich hat
Mauritius darauf hingewiesen, dass Artikel 20 des AoA in Verbindung mit anderen internationalen Verpflichtungen
ausgelegt wird, darunter „dem ICESCR,
der neben der beständigen Verbesserung
der Lebensbedingungen die Bedeutung
angemessener
Nahrungsmittelversorgung hervorhebt”. 3 Außerdem
betont das Papier aus Mauritius die Rolle der Landwirtschaft als Stoßdämpfer
und soziales Netz in Ländern, die mit vielen Zwängen konfrontiert und mit wenig
Vorteilen ausgestattet sind. In der Zwischenzeit behaupten mehrere Industrieländer wie die Schweiz, Japan und andere europäische Länder mit einem intensiv geschützten und subventionierten
Agrarsektor, „nicht handelsbezogene
Fragen” wie die Aufrechterhaltung ländlicher Gemeinschaften oder Umweltschutz erlaubten ihnen, einheimische
Agrarproduzenten weiterhin zu schützen.
Die nicht handelsbezogenen Belange
von Entwicklungsländern und
Industrieländern
sind
recht
unterschiedlich
und
einige
Entwicklungsländer fürchten, ihre
Interessen könnten zwischen denen der
Industrieländer untergehen. Mit seiner
Betonung auf dem Schutz der
Grundrechte in Bezug auf den
Lebensunterhalt der Ärmsten und am
stärksten Benachteiligten könnte der
ICESCR als Kriterium verwendet werden,
um
zwischen
den
nicht
handelsbezogenen Belangen von
Entwicklungsländern
und
Industrieländern zu unterscheiden. Der
ICESCR könnte auch helfen, das
Mindestmaß für den notwendigen
Lebensunterhalt zu bestimmen, das ein
neues internationales Agrarsystem
bewahren muß.
Der ICESCR als Instrument für
Entwicklungsländer
Eine Voreinschätzung der Auswirkungen
der Abkommen der Uruguay-Runde
zeigt, dass das Welthandelssystem einige Entwicklungsländer zunehmend der
Mittel beraubt, die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte ihrer Bürger in Bereichen wie Landwirtschaft und
Zugang zu Arzneimitteln zu schützen.
Entwicklungsländer, die Massnahmen
umsetzen wollen, die anscheinend mit
der WTO nicht vollständig in Einklang
stehen, um negative Auswirkungen der
Abkommen der Uruguay-Runde auszugleichen, könnten sich auf den ICESCR
stützen, der internationale Kooperation
fordert, um die Rechte der am meisten
benachteiligten und am wenigsten geschützten Bevölkerungsgruppen umzusetzen. Die ICESCR-Bestimmungen über
internationale Kooperation bieten eindeutig Unterstützung für ihre Forderun-
gen an die Industrieländer, die Verpflichtungen einzuhalten, die sie am Ende der
Uruguay-Runde zugunsten der Entwicklungsländer eingegangen sind. Der
ICESCR könnte auch als Verteidigung
gegen den Druck aus Industrieländern
genutzt werden, neue Regeln mit möglicherweise schädlichen Auswirkungen zu
erlassen. So könnten die rechtlich bindenden ICESCR-Bestimmungen ein neues konkretes und starkes Element für die
Unterstützung von Argumenten für die
bessere Festlegung von Inhalt und Umfang der SDT-Bestimmungen im Rahmen
der WTO darstellen.
Caroline Dommen ist Leiterin von 3D
Associates und hat sich auf die rechtlichen Aspekte nachhaltiger Entwicklung
spezialisiert. Eine ausführlichere Diskussion der Punkte in diesem Artikel ist
bei
der
Autorin
unter
[email protected] erhältlich.
General Comment No. 3 (1990), The
Nature of States Parties” Obligations.
Dieses und andere Dokumente zum
ICESCR finden Sie im Internet unter
www.cesr.org/ESCR/basicescr.htm,
offizielle Dokumente des Ausschusses
und Berichte der Staaten über ihre
Umsetzung des ICESCR unter
www.unhchr.ch/tbs/doc.nsf.
1
Brazil — Measures Affecting Patent
Protection, Request for the Establishment
of a Panel by the United States, WT/
DS199/3, 9. Januar 2001.
2
Siehe dazu die Erklärung von Mauritius
—
Vierte
Sondersitzung
des
Agrarausschusses, G/AG/NG/W/75,
30. November 2000.
3
Kalender
11.-12. Juni THE ROLE OF GO
VERNMENTS IN PROMO
TING GL
OBAL CORPORA
TE CITIZENSHIP
GOVERNMENTS
PROMOTING
GLOBAL
CORPORATE
CITIZENSHIP..
Washington, DC, USA
www
.multinationalguidelines.org
www.multinationalguidelines.org
.multinationalguidelines.org..
18.-22. Juni 45. MEETING OF THE CONVENTION ON INTERNA
TIONAL TRADE IN END
ANGERED
INTERNATIONAL
ENDANGERED
SPECIES (CITES) ST
ANDING COMMITTEE
STANDING
COMMITTEE..
email: [email protected]; www
.cites.org
www.cites.org
25.-27. Juni ANNUAL WORLD BANK CONFERENCE ON DEVELOPMENT ECONOMICS. Barcelona,
Spanien
http://www.ictsd.org/html/www.worldbank.org/research/abcde.
WT
O -KALENDER UND PUBLIKA
TIONEN
WTO
PUBLIKATIONEN
26. Juni
COMPLIANCE, ENFORCEMENT AND DISPUTE SETTLEMENT IN MEAs AND THE
WT
O. Genf
WTO
Genf,, Schweiz
email: [email protected];www
.unep.ch/etu/etp/events/upcming/ceds.htm.
[email protected];www.unep.ch/etu/etp/events/upcming/ceds.htm.
6.-7. Juli
WT
O -NGO SYMPOSIUM ON ISSUES CONFRONTING THE WORLD TRADING
WTO
O, Genf
WTO
Genf,, Schweiz
SYSTEM. WT
http://www
.wto.org/english/forums_e/ngo_e/ngo_symp_2001_e.htm
http://www.wto.org/english/forums_e/ngo_e/ngo_symp_2001_e.htm
Veröffentlichungen und Quellen
Ausgewählte WTO-Dokumente von
besonderem Interesse
Landwirtschaft
WTO Agriculture Negotiations:
Proposal by Norway (G/AG/NG/ W/101).
16. Januar 2001
Negotiations on WTO Agreement on
Agriculture. Proposal by India on: (i)
Food Security, (ii) Market Access, (iii)
Domestic Support, (iv) Export
Competition (G/AG/NG/W/102). 15. Januar 2001
WTO African Group: Joint Proposal on
the Negotiations On Agriculture (G/AG/
NG/W/142). 23. März 2001
Ausschuss für Sanitäre und
Phytosanitäre Massnahmen Actions to
Increase the Participation of Developing
Country Members in the Work of Relevant Sanitary and Phytosanitary International Standard Setting Organizations
(WT/GC/45). 7. März 2001. Zweiter Bericht des Generaldirektors
Biosecurity in Food and Agriculture (G/
SPS/GEN/239). 14 March 2000. Vorlage
der FAO
Biosecurity Risk Analysis Policy Statement (G/SPS/GEN/233). 2. März 2000.
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Environmental Benefits of Removing
Trade Restrictions and Distorsions: The
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des WTO Sekretariats
Review of Article 27.3(b) (WT/CTE/W/
186). 12. Februar 2001. Mitteilung von
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Study of the Effects of Environmental
Measures on Market Access (WT/CTE/
W/177). 27. Oktober 2000. Mitteilung von
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Andere Dokumente und Publikationen
The Relationship Between the
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System and Trade Measures for Environmental Purposes, (WT/ CTE/W/180).
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Trade and Environment Bulletin (PRESS/
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for
International
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Briefing Note. DFID. London
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Diaz, David. 2001. The Viability and
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Developing Countries. United Nations.
Genf
Work on Issues Relevant to the
Protection of Geographic Indications (IP/
C/W/247). 29. März 2001. Vorschlag von
Bulgarien, Kuba, der Republik
Tschechien, Ägypten, Island, Indien,
Liechtenstein, Mauritius, Nigeria, Sri
Lanka, der Schweiz, Türkey und Venezuela
Vorschläge über die Beziehung zwischen
TRIPs und CBD: IP/C/W/257 von den
USA und IP/C/W/254 von der EU.
Dienstleistungen Guidelines and
Procedures for the Negotiations on Trade
in Services (S/L/93). Council for Trade in
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Assessment on Services: The
Participation of Developing Countries (S/
CSS/W/44). 29. Januar 2001. Mitteilung
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