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Hilde Heyduck-Huth
Ferien bei Lilli
überarbeitete Neuauflage von „Sommerwelten“
Mai 2011
ISBN: 978-3-942884-05-1
Korrektorat & Layout: Petra Schmidt; www.lektorat-ps.de
Umschlaggestaltung: Ralf Böhm; www.boehm-design.de
Illustrationen: Hilde Heyduck-Huth
© 2011 KLECKS-VERLAG, Herlengasse 6a, D-63571 Gelnhausen
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Für Lilli Nebel
Eiese Tagebuchgeschichte spielt im Sommer 1990
in Deutschland, das plötzlich nicht mehr geteilt,
aber auch noch nicht vereint ist – also in einer Welt
dazwischen, die es so nie mehr geben wird.
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Inhalt
Katrins Idee ........................................................... 9 Das schwarze Schaf ............................................. 11 Hallo Tigerkatze! ................................................. 15 So ein kindischer Verein ...................................... 18 Ein Gesicht .......................................................... 21 Hundstage .......................................................... 25 Segelboote .......................................................... 30 Lass alles los!....................................................... 33 Die Werkstatt im Wohnzimmer ........................... 38 Vampire im Kino ................................................. 42 Spaghetti Carbonara ........................................... 45 Das Lumpenchaos ............................................... 47 Die Kunst des Fragens ......................................... 50 Rekorder im Kopf ................................................ 55 Die Freundin wartet ............................................ 58 Ein unsichtbares Gitternetz .................................. 60 Limonadentoni .................................................... 62 Eine Weihnachtsgeschichte mitten im Sommer .... 65 Nach dem Gewitter ............................................. 67 Auf dem Hochsitz ............................................... 71 Kommet, ihr Hirten! ............................................ 75
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Der blasse Junge ..................................................81 Der Brief aus Texas ..............................................84 Nie wieder Theater spielen? .................................86 Überraschungen mit Ingo.....................................91 Das Geheimnis des Pendels ..................................97 Taschengeld.......................................................100 Raben, Spatzen, Papageien ................................103 Die schwarze Katze ............................................104 Telefonrätsel ......................................................106 Torschlusspanik ..................................................108 Omalenas Sprüche .............................................110 Indianer in der Stadt ..........................................113 Das Mädchen am Brunnen .................................115 Ein seltsamer Tag ...............................................120 Der Lebensteppich .............................................123 Bethlehem .........................................................125 Wo war ich vorher? ...........................................127 Die armen, armen Kinder ...................................130 Kissen und Reis ..................................................134 Der tomatenrote Ballon ......................................136 Bin ich froh! .......................................................140 7
Katrins Idee
Eigentlich hat Katrin mir das alles eingebrockt.
„Pamela“, hat sie gesagt, „bist du nun meine
Freundin oder nicht?“
Wenn sie schon Pamela sagt und nicht Pam, so
wie sonst, klingelt es bei mir. „Natürlich bin ich
deine Freundin“, hab ich geantwortet.
„Na also, dann mach doch das mit dem Buch.“
Und sie hat mir dieses dicke Ding hier gegeben.
Ich habe es aufgeschlagen: lauter leere Seiten. Ich
habe noch herumgemault, so Sachen geredet wie:
lieber mit dem Rad rumsausen, schwimmen gehen,
immerhin Ferien, unbegabt fürs Schreiben, so lang
still sitzen – da hat sie doch tatsächlich angefangen
zu fauchen und geschrien: „Du hast deine Lilli, du
kannst da wieder hinfahren, und ich? Ich muss diese
langweilige Kur machen!“ Und sie hat geheult.
„Ach Katrin“, habe ich gesagt, „ich fände es ja
auch schöner, wir könnten wieder zusammen zu Lilli
fahren wie voriges Jahr.“ Ich habe ihr dabei über
den Rücken gestreichelt. „Ich verspreche dir auch,
dass ich dir dann haarklein erzähle, was gelaufen
ist.“
Aber Katrin hat den Kopf geschüttelt und sich die
Tränen weggewischt. Dann hat sie mich am Arm
gepackt und mich streng angeschaut.
„Nein, Pam, das kannst du ja gar nicht alles behalten, du mit deinem Spatzenhirn – denk doch nur
an all die vielen Geschichten, die Lilli auf Lager hat,
nein, schreib das alles genau auf, und zwar jeden
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Tag – bitte! Und später lesen wir es gemeinsam,
und dann ist’s vielleicht doch ein bisschen so, als ob
ich mit dabei gewesen wäre.“
„Gut“, habe ich schließlich nachgegeben, „ich
mach’s.“
Jetzt bin ich also hier bei Lilli – in Bergfelden.
Schon den zweiten Tag. Seltsam – ich hatte bisher
überhaupt keine Lust, die dicke Rosi oder die
anderen von unserem Klub zu sehen. Lange bin ich
um mein Tagebuch herumgeschlichen wie die Katze
um den heißen Brei.
„Was hast du denn da Hartes im Rucksack?“,
fragte Lilli bei meiner Ankunft am Bahnhof, als sie
mich in die Arme nahm.
„Das ist mein Tagebuch“, antwortete ich, „aber
ich hab’ Angst vor all den leeren Seiten!“
Lilli lachte. „Na, leb dich hier erst einmal wieder
ein bisschen ein und dann schreib einfach drauflos.
Wenn du den Anfang hast, geht’s auch weiter.“
Wir warfen den Rucksack hinten hinein in die
grüne Ente, stiegen ein und fuhren los.
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Das schwarze Schaf
Das Haus, in dem Lilli und Onkel Paul wohnen, ist
klein und steht in einem Garten zwischen Büschen
und ein paar hohen Bäumen. Das weiße Dreieck des
Giebels hebt sich ab zwischen all dem Grün. Hier
hinauf ist der wilde Wein noch nicht geklettert, der
das Haus umrankt. Im Vorgarten blühen jetzt so
viele Rosen, dass es schon duftet, wenn ich nur das
Fenster aufmache. Morgens strecke ich als Erstes
meinen Kopf hinaus und schaue von hier oben auf
all die gelben, weißen und rosafarbenen Rosenköpfe hinunter – genauso, wie wir es voriges Jahr
gemacht haben, Katrin und ich.
Das kleine Zimmer mit den Schrägen ist meine
Dachbude. Immer, wenn ich in den Ferien bei Lilli
bin, wohne ich hier oben.
Gestern haben wir umgeräumt.
„Wenn du schreiben willst, brauchst du einen
Tisch“, sagte Lilli. So haben wir zusammen Katrins
Bett auf den Dachboden getragen und einen Tisch
in mein Zimmer gestellt.
An dem sitze ich jetzt und schreibe tatsächlich.
Es ist kaum zu glauben, nein, es ist verrückt – ich
merke, dass mir das Schreiben anfängt, richtig Spaß
zu machen! Wenn Ralf, dieses Scheusal von Bruder,
mich hier so sähe, würde ihm wieder einiges einfallen, mich auf die Palme zu bringen. Blöd von mir,
dass ich ihm das Tagebuch überhaupt gezeigt habe.
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Seine Sticheleien – am Abend vor meiner Abreise –
habe ich noch im Ohr:
„Stellt euch das vor, Pam als fleißiges Lieschen.
Pam, die keinen Aufsatz schafft, ohne dass die
ganze Familie wochenlang mit zerrütteten Nerven
am Boden liegt!“ Wir saßen gerade beim Abendessen und Mutti sagte:
„Schluss jetzt, lass Pam in Ruhe! Was geht dich
das überhaupt an?“
Das fand ich prima von Mutti. Als sie dann das
Tablett in die Küche trug, sprach ich ganz sanft und
liebenswürdig zu Ralf:
„Mein größter Feriengenuss wird sein, dass ich
dich sechs Wochen nicht sehe.“ Dann habe ich ihn
rasch gegen das Schienbein getreten und bin weggelaufen. So ein älterer Bruder kann einem wirklich
auf die Nerven gehen. Er kommt sich überlegen vor,
nur weil er schon fünfzehn ist. Als ob die zwei
lächerlichen Jährchen, die er mehr hat, so viel ausmachen würden.
Später dann, ich war in meinem Zimmer mit dem
Packen beschäftigt, machte er die Tür auf, steckte
den Kopf herein, grinste und sagte:
„Na, bei Tante Lilli bist du ja dann richtig, die
spinnt genauso wie du, hahaha! Und die komischen
Bilder, die sie malt! Ich wette, sie kann auch nachts
auf dem Besen reiten!“
„Wie wunderbar, dass du so normal bist!“, erwiderte ich, schob ihn hinaus und schloss die Tür.
Aber nicht nur Ralf findet Lilli komisch. Vater
sagte neulich, sie sei das schwarze Schaf der
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Familie. Da musste ich furchtbar lachen. Lilli ist alles
andere als ein Schaf. Und schwarz ist sie schon gar
nicht. Ganz im Gegenteil! Der Name Feuerkopf
wäre richtiger, auch wenn ihre roten Haare inzwischen weißblond geworden sind. Lilli ist einfach
ein Sonderfall von Tante. Nie im Leben wäre mir
übrigens eingefallen, sie Tante zu nennen. Lilli war
immer nur Lilli. Die malende Lilli. Und die Lilli mit
den vielen Geschichten. Da brauche ich nur anzutippen, und sie fängt an zu erzählen. Meistens
morgens beim Frühstück. Dann hocken wir
manchmal bis in den Vormittag hinein auf der
Küchenbank und reden.
Nachmittags verschwindet Lilli oft in ihr Atelier
und malt. Gestern hat sie mir ihre neuen Bilder gezeigt. Zuerst fand ich sie langweilig.
„Ich kann gar nicht erkennen, was drauf ist“,
sagte ich.
Lilli lachte: „Brauchst du ja auch nicht. Gefallen
dir denn die Farben?“ Ich nickte. „Woran denkst
du denn dabei?“, fragte sie. Da erst schaute ich
mir das große Bild an der Wand genauer an. Die
Farben leuchteten, obwohl sie hell und zart waren.
An einigen Stellen waren auch ein paar ganz
dunkle Töne zu sehen. Manche Farben waren voneinander abgegrenzt, andere gingen ineinander
über.
„Also, bei diesem hier“, erklärte ich, „denke ich
an Wärme, Sommer, Ferien, Himmel, Garten …“
„Na, siehst du“, meinte Lilli, „du kannst dir selbst
ausdenken, was es sein könnte.“
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Dann gingen wir zusammen einkaufen. Wir
fanden tolle T-Shirts, ganz lange; Lilli kaufte sich ein
weißes mit schmalen blauen Streifen und ich mir ein
blaues mit schmalen weißen Streifen. Es sieht lustig
aus, wenn wir nebeneinander gehen. Ich bin nun
schon fast so groß wie Lilli.
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