Kulturgüterführer - Sardegna Turismo

Transcription

Kulturgüterführer - Sardegna Turismo
le 4copertineTEDESCO.qxp:Layout 1
17-02-2007
20:53
Pagina 2
Kulturgüterführer
ASSESSORATO DEL TURISMO
ARTIGIANATO E COMMERCIO
Viale Trieste 105, 09123 Cagliari
www.sardegnaturismo.it
Kulturgüterführer
Allgemeine Informationen
Kulturgüterführer
© 2007 Autonomen Region Sardinien
Veröffentlicht durch das Referat für Tourismus, Handwerk und Handel,
Viale Trieste 105, 09123 - Cagliari
Texte: Simone Deidda, Rosalba Depau, Valeria Monni, Diego Nieddu
Koordinierung: Roberto Coroneo
Seitengestaltung: Alfredo Scrivani
Bilder: Piero Putzu, Lino Cianciotto, Gianluigi Anedda, Donato Tore,
Giovanni Paulis, Piero Pes, Paolo Giraldi, Renato Brotzu, Archivio Ilisso.
Texte bestanden mit: Frutiger [Adrian Frutiger, 1928]
Druckfertiggestellt im Februar 2007
Das Referat für Tourismus, Handwerk und Handel der Autonomen
Region Sardiniens veröffentlicht die hier aufgeführten Daten nur zum
allgemeinen Gebrauch; aufgrund dieser Einschränkung kann auch
keine Verantwortung für eventuelle Druckfehler oder unabsichtlich
entstandene Mängel übernommen werden.
Druck und Zusammenstellung:
Tiemme Officine grafiche srl
Tel. 070/948128/9 - Assemini (Cagliari)
Kulturgüterführer
Allgemeine informationen
Inhaltsverzeichnis
Geschichte, Archäologie, Kunst
pag. 7
Die prähistorische Zeit
7
Die nuraghische Zeit
13
Die phönizisch- punische Zeit,
15
die Römerzeit und die Zeit der Vandalen
Die byzantinische und die judikale Zeit
18
Die aragonesische und die spanische Zeit
28
Die savoyische Zeit und die Gegenwart
32
Tour
38
Tour 1 - Cagliari
38
Tour 2 - Das Gebiet Cagliari
43
Tour 3 - Das Gebiet Carbonia Iglesias
45
Tour 4 - Das Gebiet Medio Campidano
49
Tour 5 - Das Gebiet Oristano
54
Tour 6 - Das Gebiet Oristano
57
Tour 7 - Sassari
60
Tour 8 - Das Gebiet Sassari
62
Tour 9 - Das Gebiet Olbia Tempio
65
Tour 10 - Das Gebiet Nuoro
68
Tour 11 - Das Gebiet Nuoro
71
Tour 12 - Das Gebiet Ogliastra
77
6
Geschichte, archäologie, kunst
Die prahistorische Zeit
Von 100.000 bis 1800 vor Christus
Die Geschichte der Anwesenheit des Menschen auf Sardinien beginnt in der
frühen Altsteinzeit, wie Funde von Steinobjekten belegen, die auf die Zeit von
vor 450-100.000 Jahren datiert werden können. Die Objekte aus Kieselstein
und Quarzit wurden im nördlichen Teil der Insel in der Region Anglona
gefunden und können unter typologischem Gesichtspunkt in die Zeit der
Steinindustrien eingeordnet werden, die mit den Namen Clactonien und
Tayacien bezeichnet werden. Diese Manufakte wurden wahrscheinlich von
Individuen angefertigt, die der Spezies Homo erectus angehörten, eine der
Spezies, die zur Art Homo gehört, der auch wir moderne Menschen
angehören. Erwähnenswert ist der unlängst erfolgte Fund einer Phalanx mit
dem Daumen eines menschlichen Wesens in einer Grotte bei Logudoro.
Dieser Knochenfund wurde auf die Zeit von 250.000 - 300.000 Jahre v. Chr.
datiert. Für die mittlere Altsteinzeit muss festgestellt werden, dass zum
derzeitigen Stand der Forschung keine Belege für die Anwesenheit des
Menschen auf Sardinien vorliegen. Diese Abwesenheit könnte auf einer Lücke
in unseren Kenntnissen beruhen und nicht dem faktischen Sachverhalt
entsprechen. Aus der späten Altsteinzeit gibt es Funde aus den laufenden
Grabungen in der Grotta Corbeddu di Oliena. Es handelt sich um
Die prähistorische Zeit
von 100.000 bis 1800 v.Chr.
Die nuraghische Zeit
von 1800 bis 500 v.Chr.
Die phönizisch punische Zeit, die Römerzeit und die Zeit der Vandalen
von 900 v.Chr. bis 534 n.Chr.
Die byzantinische und die judikale Zeit
von 534 bis 1326
Die aragonesische Zeit und die spanische Zeit
von 1326 bis 1718
Die savoyische Zeit und die Gegenwart
von 1718 bis heute
Tierknochen sowie um Fragmente eines Kiefers und sonstiger menschlicher
Knochen. Die Tiere waren einheimischer Rasse der sardisch korsischen Region:
der Megaceros cazioti, eine ausgestorbene Hirschart, deren Knochenreste
Spuren menschlicher Bearbeitung aufweisen, und der Prolagus sardus, ein
ebenfalls ausgestorbenes Nagetier. Die Datierung dieser Funde schwankt
zwischen 20.000 und 6.000 v. Chr.. Die alte Neusteinzeit (6000-4000 vor
Christus) stellt eine wichtige Änderung in der Geschichte der Insel dar. Die
Erfindung der Keramik gestattet die Herstellung von Gefäßen
unterschiedlicher Größe für verschiedene Zwecke; der Übergang von einem
Subsistenzsystem, das auf der Jagd und Sammeln beruht, zu einem System,
das durch die Domestizierung und die Aufzucht von Tieren geprägt ist, führte
zu einem radikalen Wandel bei der Beschaffung der Lebensmittel, einem
progressiven Anwachsen der Bevölkerung sowie tief greifenden
Konsequenzen auf sozialer und wirtschaftlicher Ebene. Die Epoche wird durch
die Produktion der so genannten Cardialkeramik geprägt, deren Name von
der Muschel (Cardium) kommt, die zum Einprägen des Dekors auf der
Oberfläche der Erzeugnisse verwendet wurde. Grotten und Felsnischen sind in
dieser Phase die typischen Behausungen. Zu den wichtigsten Fundorten, an
denen Cardialkeramik gefunden wurde, zählen die Grotten von Su Carroppu
(Carbonia) und von Filiestru (Mara). In der alten Neusteinzeit entwickelt sich
auch die systematische Nutzung des Obsidians, das vom Monte Arci, im
Gebiet von Oristano stammt. Dabei handelt es sich um einen wichtigen
Rohstoff für die Produktion von Steinwerkzeugen, die in Sardinien weit
verbreitet waren. Obsidian vom Monte Arci wurde an Ortschaften außerhalb
der Insel gefunden. Diese Funde sind oft als Anzeichen für einen groß
angelegten Handel mit sardischem Obsidian interpretiert worden. In der
mittleren Neusteinzeit (4000-3400 v. Chr.) erleben wir die Geburt der
Bonuighinu-Kultur. Der Name verweist auf den Ort, an dem die ersten
archäologischen Funde gefunden wurden: die Grotte von Bonuighinu (auch
unter dem Namen Sa Ucca de Su Tintirriolu bekannt) im Gebiet von Mara in
Auf dem links:
Die “Menhir”, Gon
Auf dem Recht::
Anthropomorpher
Menhir von Tamuli,
Macomeri
der Provinz Sassari. Die Keramikproduktion, die dieser neuen Kulturphase der
sardischen Geschichte zuzuschreiben ist, ist durch glänzende, schwarz braune
Oberflächen gekennzeichnet, die oft durch Einschnitte oder Einprägungen
verziert sind. Charakteristisch sind auch die Grottengräber und die
Grabbeigaben, die Verstorbenen ins Jenseits begleiteten. Diesbezüglich
wird auf die Nekropole von Cuccuru is Arrius im Gebiet von Cabras
verwiesen, wo zahlreiche Statuetten der ‘Muttergöttin’ Steatopige mit stark
ausgeprägten weiblichen Formen gefunden wurden. In der jungen
Eindrucksvolle Ansicht
von Nora
Neusteinzeit (3400-3200 v. Chr.) wird die archäologische Situation komplexer
und vielschichtiger. Dies hat die Forscher dazu geführt, die einander ähnlichen
Funde zu Facies zusammenzufassen, ohne jedoch die Kohärenz und die
Komplexität zu erreichen, die ‘Kulturen’ im eigentlichen Sinne des Wortes
ausmachen. Eine dieser Facies ist unter dem Namen San Ciriaco bekannt,
einer Ortschaft bei Terralba, im Gebiet von Oristano. Die Keramikproduktion
ist durch das typische Profil der Vasen gekennzeichnet. Auch die berühmte
Schale aus grünem Steatit, die in der Nekropole mit megalitischen
Rundgräbern von Li Muri bei Arzachena gefunden und zuerst für der OzieriKultur zugehörig gehalten wurde, wird heute aufgrund ihrer großen
Ähnlichkeit der Keramikproduktion der Facies San Ciriaco zugeschrieben. In
dieser Phase werden die ersten Domus de Janas oder ‘Feenhäuser’
ausgegraben, die typischen künstlichen Grottengräber, neben den bereits
erwähnten megalitischen Rundgräbern mit ihren kleinen Menhiren. In der
jüngsten Neusteinzeit (3200-2800 v. Chr.) tritt eine der wichtigsten Kulturen
der sardischen Geschichte auf, die Ozieri-Kultur, wobei der Name auf die
Grotte von San Michele in der Nähe der Siedlung Ozieri verweist. Die
10
Keramikproduktion wird unter dekorativem Gesichtspunkt besonders
reichhaltig. Es erscheinen Kreis, Spiral, Girlanden und Sternmotive, sowie
menschliche Figuren, allesamt dekorative Schemata, die wichtige
Entsprechungen außerhalb der Insel finden, die die Öffnung Sardiniens für
kulturelle Beziehungen belegen, die scheinbar auf Beziehungen zu dem
Raum der Kykladen und Kreta verweisen. Außer der traditionellen
Bearbeitung von Kieselstein und Obsidian gibt es die ersten Belege für den
Abbau und die Verarbeitung von Metallen, vor allem Kupfer, wie die
Dolchklingen und die Halsketten belegen, die als Grabbeilagen gefunden
wurden. Auch die Gräber unterscheiden sich: Domus de Janas, Dolmen,
Allées couvertes und megalitische Rundgräber, in deren hähe sich oft Menhire
befinden. Bei einigen Gräbern wurde die Form der Wohnhäuser imitiert, vor
allem rechteckige Hütten mit Doppelwalmdach, getragen von einer soliden
Holzkonstruktion. Außerdem ist auf die Entwicklung der Darstellungsweise
der ‘Muttergöttin’ zu verweisen, die von steatopisch naturalistischen Formen,
kennzeichnend für den Bonuighinu-Stil, zu einem stark stilisierten ‘Kreuz’und ‘Durchbruch’- Schema wechselt. Der Erwerb der Fähigkeit, Metalle (vor
allem Kupfer aber auch Blei und Silber) abzubauen und zu verarbeiten, stellt
den Übergang von der Steinzeit zur frühen Kupferzeit (2800-2600 v. Chr.)
Rundgräber,
Pranu Murteddu
dar, der die beiden Facies Sub-Ozieri zugeschrieben werden, die zum ersten
Mal an den Fundstellen Su Coddu (Selargius) und Filigosa identifiziert wurden.
Der Name Filigosa ist zurückzuführen auf die Domus de Janas, Nekropolen im
Gebiet vonMacomer, denen ein langer Korridor vorausgeht. Unter den
Fundstellen, die besondere Erwähnung verdienen, ist der ‘Tempel-Altar’
von Monte d’Accoddi (Porto Torres) zu nennen, bestehend aus einer
11
pyramidenstumpfförmigen Plattform, auf der ein Heiligtum mit
Zugangsrampe errichtet wurde. Die Form dieses Monuments erinnert an die
mesopotanischen Ziqqurat. Die Abealzu-Kultur verdankt ihren Namen der
gleichnamigen Nekropole im Gebiet von Osilo und stellt den Übergang zur
mittleren Kupferzeit (2600-2400 v. Chr.) dar. Typisch für diese Kultur sind mit
Mammellenformen verzierte Bauchflaschen, die sich mit verschiedenen
Beispielen auf der italienischen Halbinsel sowie im französisch-helvetischen
Raum vergleichen lassen. Von großer Bedeutung sind außerdem die
Antike Gefäße
von Monte Claro
antropomorphen Menhire und die Menhirstatue, die im Gebiet SarcidanoMandrolisai gefunden wurden. Die Menhirstatuen werden oft als ‘bewaffnet’
bezeichnet, da sie einen zweischneidigen Dolch aufweisen, der als Zeichen
der Macht interpretiert wurde, sowie eine Figur im oberen Teil der Statue, die
als ‘Kehrgesicht’ bezeichnet und als Grabsymbol interpretiert wurde. Bei dem
Übergang zur jüngsten Kupferzeit (2400-2100 v.Chr.) tritt die Monte ClaroKultur auf, die ihren Namen dem Hügel von Cagliari verdankt, an dem einige
Gräber mit ihrer typischen Keramikproduktion gefunden wurden. Es handelt
sich um große Vasen (Situle), Dreifüße, Pfannen und Schalen, die durch die
Farbe der Oberflächen charakterisiert sind, die von rotbraun bis schwarzbraun
reicht. Typisch ist außerdem das Dekor mit vertikalen oder horizontalen Rillen
oder Furchen, sowie das Hochglanzdekor, das einige Formen auszeichnet. der
Abschluss der Bronzezeit (2100-1800 v. Chr.) bildete die wichtige Kultur, die
in ganz Europa vertreten war und die Glockenbecherkultur genannt wird.
Den Namen verdankt sie dem typischen Becher mit der Form einer
umgekehrten, reich verzierten Glocke. Interessant ist außerdem die Präsenz
des Brassard, eines besonderen rechteckigen Schilds, den die Bogenschützen
benutzten, um sich gegen die Vibrationen der Sehne bei dem Abschießen des
12
Pfeils zu schützen. Es wird angenommen, dass die Angehörigen der
Glockenbecherkultur umher ziehende Metallverarbeiter waren, die sich in die
lokalen Kulturen integrierten.
Die nuraghische Zeit
Von 1800 bis 500 vor Christus
Der Übergang von der Kupferzeit zur Bronzezeit stellt einen wichtigen
Moment in der sardischen Geschichte dar. Es findet der Übergang von der
vorausgehenden Kultur zur nuraghischen Zivilisation statt und bereits der
terminologische Wechsel von Kultur zu Zivilisation reflektiert eine tief
greifende Änderung. Auf der Schwelle zur nuraghischen Kultur finden wir
in der Altbronzezeit (1800-1600 v. Chr.) die so genannte BonnanaroKultur, die ihren Namen einem Dorf in Logudoro verdankt, bei dem die
unterirdische Nekropole von Corona Moltana mit ihren ersten typischen
Fundstücken gefunden wurde. Diese Kultur, die von den Wissenschaftlern
früher als erste Phase der nuraghischen Zivilisation angesehen wurde, weist
eine bedeutsame Änderung in der Keramikproduktion auf, da die
überreiche Verzierung verschwindet, die die Produktion Glockenbecherkultur
ausgezeichnet hatte. Erwähnenswert ist die ärztliche Praxis der Durchbohrung
der Schädeldecke, wobei der Patient den Eingriff überlebte, wie die
Wiederverkalkung des Knochens belegt. Der Übergang von der Altbronzezeit
zur mittleren Bronzezeit (1600-1300 v. Chr.) stellt den eigentliche Beginn zur
Kulturphase dar, die als nuraghische Kultur bezeichnet wird. Ihr Symbol und
Monument ist der Nuragh, ein Turmgebäude aus großen, mehr oder wenig
regelmäßig bearbeiteten Steinen, in dessen Innerem sich ein oder mehrere
übereinander liegende Kammern befinden, die durch das falsche Gewölbe,
die Tholos, gekennzeichnet sind. Er tritt in der einfachen Form mit einem
Turm, als auch in immer komplexeren Formen mit einem zentralen Turm auf,
Die Nuraghe Arrubiu,
Orroli
an den weitere angefügt sind. Um die zahlreichen Nuraghen herum werden
dann die Steinhüttendörfer errichtet. Es gibt auch weitere Gebäudetypen: die
Protonuraghen, die Pseudonuraghen (oder Korridornuraghen) und die
Gigantengräber. Die letzteren, die als Sammelgräber dienten, weisen einen
Grundriss mit der Form eines Stierkopfes auf. Dabei gibt es zwei Haupttypen:
mit Orthostatkammer und -gewölbe, wie in Li Lolghi (Arzachena), und mit
Kammer und Gewölbe aus Kragsteinmauerwerk, wie das Grab von Domu ‘e
S’Orku (Siddi). In den folgenden Phasen der späten Bronzezeit (1300-900 v.
Chr.) werden viele Nauraghen errichtet, während andere ältere Gebäude von
Einturmnuraghen in Mehrturmnuraghen umgewandelt wurden. Dies ist der
Fall bei den Nuraghen wie Su Nuraxi bei Barumini (von der UNESCO als
Weltkulturerbe klassifiziert), Santu Antine bei Torralba, Losa di Abbasanta,
Arrubiu bei Orroli. Es werden auch weitere Gigantengräber errichtet, bei
denen neue architektonische Lösungen ausprobiert werden. In diese
chronologische Phase fällt außerdem der Bau der Brunnentempel wie S.
Anastasia (Sardara), S. Vittoria (Serri), S. Cristina (Paulilatino) und Predio
Canopoli (Perfugas), der heiligen Quellen wie Su Tempiesu (Orune) und
Rebeccu (Bonorva), die beide mit dem Wasserkult in Verbindung stehen,
sowie der Megarontempel wie Cuccureddì (Esterzili) und Serra Orrios
Su Nuraxi, Barumini
(Dorgali). In dieser Phase intensivieren sich die Handelsbeziehungen zu den
zeitgenössischen Bevölkerungen des Mittelmeerraums, vor allem mit den
Mykenern und den Zyprern, die an den Mineralienvorkommen Sardiniens
interessiert waren. Bedeutsam sind diesbezüglich die Funde von ‘Brotbarren’
und ‘Ochsenhautbarren’. Der Übergang von der späten Bronzezeit zur
Eisenzeit (900-500 v. Chr.) war von tief greifenden Änderungen geprägt. Die
14
Keramikproduktion ändert sich und kehrt zum reich dekorierten, so
genannten ‘geometrischen’ Stil zurück. Die Form einiger Nuraghen ändert
sich, wobei diese tief greifende Umgestaltungen oder sogar den partiellen
Abriss von Türmen und Bastionen erleben, wie vom Nuraghe Genna Maria
bei Villanovaforru belegt. Die Form der Dörfer wandelt sich von der isolierten
Rundhütte zu Komplexen mit einem zentralen, gemeinsamen Hof (so
genannte ‘Isolati’), die von einer einzigen Mauer eingefasst werden. Die
Produktion von Waffen und Statuetten aus Bronze nimmt zu. Die
Bronzestatuetten, die als Ex Voto (Weihgaben) geschaffen werden, bilden das
Ansicht des heiliger
Brunnens S. Cristina,
Paulilatino
gesamte Volk der Nuragher ab: Bogenschützen, Hopliten, Faustkämpfer,
Ringer, verschiedene weibliche Figuren, Tiere, Gebrauchsgegenstände, kleine
Nachbildungen von Nuraghen, Schiffchen und vieles andere mehr. Die
Steinstatuen, die in der Nähe der Nekropole von Monti Prama (Cabras)
gefunden wurden, folgen dem Stil der Bronzestatuetten und stellen
menschliche Personen in natürlicher Größe dar. Alle diese tief greifenden
Änderungen wurden von verschiedenen Faktoren ausgelöst, darunter die
dauerhafte Ansiedlung der Phönizier auf Sardinien.
Die phönizisch- punische Zeit, die Römerzeit
und die Zeit der Vandalen
Von 900 vor Christus 534 nach Christus
Die Ankunft der Phönizier auf Sardinien war scheinbar friedlichen
Ursprungs. Durch sie kommt die Welt der Nuragher in direkten Kontakt
mit dem städtebaulichen Modell, das sich im Mittelmeerraum bereits seit
15
längerer Zeit durchgesetzt hatte. In dieser Zeit entsteht eine Reihe von
phönizischen Handelsniederlassungen, die im Laufe der Zeit zu richtigen
Städten heranwachsen: zwischen dem 9. und dem 7. Jahrhundert v. Chr.
werden die Küstenstädte Sulki (Sant’Antioco), Karali (Cagliari), Nora (Pula),
Bithia (Domusdemaria), Cuccureddus (Villasimius), Tharros (Cabras),
Othoca (Santa Giusta), sowie die Städte Monte Sirai (Carbonia) und Pani
Loriga (Santadi) im Landesinneren gegründet. Auf die ältesten Phasen der
phönizischen Präsenz auf Sardinien gehen Grabbeigaben zurück, die in
Römisches
Amphitheater
von Cagliari
den Nekropolen gefunden wurden, die auch Opferstätten und Grabstätten
für Kinder und kleine Tiere umfassen, die so genannten Tophet außerhalb
der Stadtmauern. Innerhalb der Mauern befinden sich die Häuser, die
öffentlichen Gebäude, die Läden und die Werkstätten der Handwerker, die
Tempel mit der Akropolis, auf der sich im Allgemeinen ein wichtiges
Heiligtum befindet. Auch die Einführung der Schrift stellt ein revolutionäres
Element im sardischen Szenarium dar, da sie als wichtiges Instrument zur
Unterstützung urbaner Organisation verwendet wird, die der nuraghischen
Kultur bis dahin fremd war. Diese Situation des relativen Gleichgewichts,
die auf Sardinien zwischen den unterschiedlichen kulturellen Kräften
entstanden war, geriet durch die Ankunft der Karthager auf der Insel in
Bewegung, den Bewohnern der mächtigen phönizischen Kolonie, die
gegen Ende des 9. Jahrhunderts v. Chr. in Nordafrika gegründet wurde.
Das Zusammentreffen von Phöniziern und Karthagern auf der Insel, das
heißt von Völkern mit dem gleichen politischen, wirtschaftlichen und
sozialen Modell, löste einen Konflikt aus, zu dem es bei dem Kontakt der
Nuragher mit den Phöniziern nie gekommen war. Die archäologischen
16
Daten vom Monte Sirai, einer der wichtigsten Fundstellen für die
phönizische und die punische Strategie zur Kontrolle des Territoriums der
Insel, zeigen deutliche Zerstörungs und Brandspuren zur Zeit der Ankunft
der Karthager auf Sardinien. Der Erfolg der Eroberungsbestrebungen der
Insel seitens der Karthager wurde auch durch die politisch militärische
Allianz mit den Etruskern begünstigt, die nicht nur auf lokaler Ebene
Auswirkungen hatte, sondern im gesamten Mittelmeerraum. Der
Übergang Sardiniens unter punische Herrschaft führte zur Verfestigung des
Phänomens der Integration von Sarden und Phöniziern, die auch nach der
römischen Eroberung der Insel weiterbestand. Die punische Präsenz wurde
durch die Gründung neuer Städte gefestigt, darunter Neapolis (Guspini)
und Cornus (Cuglieri). In dieser Phase wurde die Landwirtschaft besonders
intensiv betrieben, vor allem der Getreideanbau. Der Übergang Sardiniens
von der punischen zur römischen Kontrolle war eine Folge des ersten
punischen Krieges (264-241). Da es den Karthagern unmöglich war, die
wirtschaftlichen Forderungen der auf Sardinien stationierten Söldner zu
erfüllen, waren sie 238 v. Chr. gezwungen, den Römern die Kontrolle zu
überlassen. 227 v. Chr. wurde Sardinien römische Provinz unter der
Kontrolle eines Gouverneurs. Von diesem Zeitpunkt an wurde der
Die Ruinen von Nora,
Pula
Romanisierungsprozess der Insel immer stärker, auch wenn die sardisch
phönizische kulturelle Prägung noch immer ungebrochen war.
Die Städte der Insel wurden in der Anlage romanisiert sowie mit den
Hauptgebäuden ausgestattet, die überall im Reich das römische
Kulturmodell ausmachten: den Theatern und Amphitheatern (in Nora und
Carales), Thermen (in Forum Traiani, dem heutigen Fordongianus), Tempeln
17
(in Antas bei Fluminimaggiore), Aquädukten (in Turris Libisonis, dem
heutigen Porto Torres) sowie Stadt- und Landvillen mit schönen
Mosaikböden. Die römische Kontrolle basierte vor allem auf dem
Straßennetz, das dem bereits vorhandenen Wegenetz folgte, welches
durch Verbindungsstraßen sowie Straßen ins Landesinnere ergänzt wurde,
um eine bessere Kontrolle dieser Gebiete zu ermöglichen. Die wichtigste
Straße verband Cagliari mit Porto Torres und folgte weitgehend der
Strasse der “Carlo Felice” (der heutigen Staatsstraße 131). In der
Römerzeit wurden der Bergbau sowie die Landwirtschaft durch die
Einführung des Großgrundbesitzes intensiviert. Vor allem wurde der Abbau
von silberhaltigem Blei in den Minen von Sulcis-Iglesiente verstärkt. Es ist
wahrscheinlich, dass hier um 190 eine Gruppe von Christen zu
Zwangsarbeit verurteilt wurde, was zur Einführung des Christentums auf
der Insel beitrug. Zwischen 460 und 467 fiel Sardinien unter die Kontrolle
der Vandalen, die in Nordafrika ein eigenes Reich
gegründet hatten. 534 wurde die Insel von Justinian zurückerobert und
kehrte zum Römischen Reich zurück, dessen Schwerpunkt sich von Rom
nach Konstantinopel verlagert hatte. Damit beginnt die byzantinische Zeit,
die ungefähr bis zum Jahr 1000 und der Gründung der vier Judikate
andauert.
Die byzanthinische und die judikale Zeit
Von 534 bis 1326
Auf das 4. und das 5. Jahrhundert gehen die Belege für die ersten sardischen
Bischöfe und die ersten Märtyrer zurück. Die christliche Präsenz intensiviert
sich bei der Ankunft der Vandalen und setzt sich in den nahezu fünfhundert
Jahren der byzantinischen Kontrolle fort, die 534 mit der Eroberung
Sardiniens durch die von Flavius Belisarius geführten Truppen Justinians
begann. Infolge der politischen Abhängigkeit vom Römischen Reich mit Sitz
in Konstantinopel wurde die Insel zwei Autoritäten unterstellt: dem Praeses,
der ein ziviles Amt ausübte, und einem Dux, der sich um die militärischen
Angelegenheiten kümmerte und der ab ungefähr dem Jahr 800 die
Aufgaben des ersteren übernehmen musste, wodurch die Figur des Iudex
(‘Richter’) entstand. Von der byzantinischen Kunst ist vor allem die Architektur
erhalten geblieben. Die bedeutendsten Zeugnisse sind S. Saturnino in Cagliari,
18
Die Ruinen von
Tharros
die Wallfahrtskirche Sant’Antioco und S. Giovanni di Sinis (Cabras), allesamt
Kirchen mit kreuzförmigem Grundriss, die sich jedoch durch den Anschluss
der Kuppel an den darunter befindlichen Baukörper unterscheiden: bei den
ersten beiden wurden Trompen und bei der dritten Zwickel verwendet,
abgewandelte Systeme der konstantinopolitanischen Architektur. Diese
Kirche, die in der Folgezeit Renovierungsarbeiten unterzogen wurde, dienten
als Modell für eine Reihe von kleineren Bauwerken in Kreuzform. Während
aus dem Bereich der Malerei wenig überliefert ist, sind die Zeugnisse aus dem
Bereich der Bildhauerei, bei denen es sich überwiegend um Fragmente
außerhalb des Originalkontexts handelt, ausgesprochen wichtig. Im
Archäologischen Nationalmuseum von Cagliari wird ein sehr schönes Kapitell
aufbewahrt, das ungefähr auf das Jahr 525 datiert wird. Aus verschiedenen
Ortschaften im Raum Cagliari, vor allem aus Sant’Antioco, stammen
zahlreiche Fragmente von Einzäunungspilastern oder platten des
Presbiteriums aus Marmor sowie Inschriften in griechischer Sprache. Die
romanische Architektur ist das repräsentativste Moment der Kunst der Insel
im Mittelalter und findet in einer historisch bedeutsamen Periode Ausdruck:
die judikalen Zeit. Die Richter waren die lokalen Vertreter des byzantinischen
Kaisers, die um das Jahr 1000 Autonomie erlangten. Daraus folgte die
Auf dem links und in
der anderen Seite:
Auf dem Recht:
Die byzantinische
Kirche von
S. Giovanni di Sinis,
Cabras
Aufteilung des Territoriums in die vier Reiche (Judikate) Cagliari, Arborea,
Torres und Gallura. Gleichzeitig findet eine Neuorganisation der Kirche statt.
Neben einer massiven Präsenz von Mönchsorden, die von den Richtern selbst
gerufen wurden (die ersten Schenkungen gehen auf das Jahr 1065 zurück)
werden die Institutionen der Kirche in Diözesen gegliedert, die von Bischöfen
oder Erzbischöfen geführt werden. In diesem Kontext förderten die Richter
20
durch Schenkungen die Ankunft der Benediktiner (von Montecassino, San
Vittore di Marsiglia, Camaldoli, Vallombrosa und Cîteaux) auf der Insel, die
ihre Klöster im sardischen Gebiet anlegten. Dies führte zu einer Widergeburt
der Kultur unter der schützenden Hand des Heiligen Stuhls. Nicht zu
vernachlässigen ist auch die immer stabilere und immer stärker verwurzelte
Präsenz der Republiken Pisa und Genua, deren Handelstätigkeit auf der Insel
wiederholt zu Auseinandersetzungen führte. Ihre Präsenz hatte oft auch
Auswirkungen auf politischer Ebene und führte zum Ende der drei Judikate
Cagliari, Torres und Gallura. Diese fielen nach 1250 in die Hand der pisaner
Auf dem links:
Die romanische
Kathedrale
S. Nicola,
Ottana
Auf dem Recht:
Die Nuraghe und die
Kirche von Santa
Sabina, Silanus
und genueser Herren. Die historischen Umstände führten zum Aufkommen
neuer künstlerischer Strömungen auf der Insel, die sich mit dem lokalen
Substart vereinten und die wichtigsten Spuren im militärischen Bereich sowie
in der Architektur hinterließen, vor allem im Kirchenbau. Die romanischen
Kirchen befinden sich überwiegend entlang der Straßenachse, die von
Cagliari nach Porto Torres führt, sie sind jedoch auch über das gesamte
Territorium verteilt. Daraus folgt die unterschiedliche “Farbe” der Gebäude in
Abhängigkeit von ihrer Lage. Die Bauherrn verwendeten Baumaterial, das in
der geografischen Zone vorhanden war, in dem das Bauwerk errichtet
werden sollte, und dies führte zu der harmonischen Einfügung in die
umgebende Natur, die sie noch heute auszeichnet: in Gallura finden wir
Gebäude aus Granit, je weiter man zum Zentrum kommt, wird Vulkangestein
verwendet, oft mit Sedimentgestein kombiniert; in Campidani überwiegen die
warmen Töne des Kalksteins. Eine Unterscheidung im chronologischen Sinne
kennzeichnet die judikalen Kirchen. Man kann eine Frühromanik ausmachen,
die zwischen 1050 und 1150 anzusetzen ist und die von der Präsenz von
23
Arbeitskräften aus Pisa sowie aus Lucca (S. Giovanni di Viddalba) oder aus
Katalonien und der Provence geprägt wurde und von den Mönchen von San
Vittore di Marsiglia (S. Saturnino di Cagliari, S. Efisio di Nora bei Pula). In
diesem Zeitraum wurden große Gebäude errichtet und es zeigt sich die
Tendenz, den strukturellen Aspekt dem dekorativen vorzuziehen. Die
bedeutendsten Gebäude dieser Periode sind S. Gavino di Porto Torres, S.
Maria del Regno di Ardara, S. Maria di Bonarcado sowie die Kathedralen
Santa Giusta, S. Antioco di Bisarcio (Ozieri) und S. Simplicio di Olbia. Auf
diesen Zeitraum des Experimentierens, folgt die reife Romanik zwischen 1150
und 1250, in der eine engere Bindung zu Pisa zum Ausdruck kommt, auch
aufgrund der massiven Präsenzs der Händler, die eine wichtige Rolle auf
wirtschaftlicher und politischer Ebene spielten. In der Architektur lässt sich
außerdem die Erfahrung von Fachkräften aus Pistoia ausmachen. Von der
Kirche S. Nicola di Ottana an, dem Gebäude, das den Übergang zwischen
diesen beiden Phasen darstellt, werden neue Lösungen angewendet und es
werden grandiose Bauwerke errichtet, in denen die Tendenz zur
architektonischen Dekoration immer mehr Raum findet. Das neue
Dekorsystem ist vor allem an den Fassaden sichtbar und sieht die Realisierung
von übereinander liegenden Scheinloggen vor, die bei S. Pietro di Sorres ihre
Auf dem links:
Die Kirche von San
Pietro di Sorres,
Borutta
Auf dem Recht:
Die Kirche der
SS. Trinità
di Saccargia
vollendete Ausdruckform finden. Ab 1160 ist eine weitere Innovation zu
verzeichnen: die Verbreitung des zweifarbigen Baukörpers mit einem Wechsel
einer Reihe aus dunklem Stein (Vulkangestein in verschiedenen
Schattierungen) und hellem Stein (Kalkstein). Die bekanntesten und
wichtigsten Beispiele dieser Technik sind SS. Trinità di Saccargia, S. Pietro di
Bulzi und S. Maria di Tergu. Eine dritte Phase ist die der späten Romanik
24
25
Die Kirche der
SS. Trinità
di Saccargia
zwischen 1250 und 1300, gekennzeichnet durch die Aufnahme von
gotischen Dekorelementen in einen noch romanischen Baukörper. Dies wird
durch die Tatsache gerechtfertigt, dass das Aufkommen der Gotik auf
Sardinien nicht zu einer radikalen Änderung der Bauweise geführt hat,
sondern zu einer kontinuierlichen Einfügung in das kulturelle Gewebe der
Romanik. In einer anfänglichen Phase betrafen die Änderungen vor allem
Elemente der Oberfläche wie die Formen der Spitzbögen, Fenster und
Konsolen, die ein gestreckteres Aussehen annahmen. Die Erweiterung der S.
Maria di Bonarcado ist repräsentativ für die letzte Phase, die auch beobachtet
werden kann am Neubau der Kathedrale von S. Pantaleo di Dolianova und an
S. Pietro di Zuri (Ghilarza), in deren Bauhütte Anselmo da Como arbeitete,
sowie an der Kirche von S. Pietro extra muros in Bosa, wo das Wirken von
Anselmo sowie seiner Arbeiter nachweisbar ist. Die gotische Kunst setzt sich
auf Sardinien in zwei Strömungen durch, der italienischen (als Fortsetzung der
Romanik) und der katalanischen, verbunden mit der Ankunft der
aragonesen. 1323 landete Infant Alfons von Aragon auf Sardinien, um die
Belehnung in die Tat umzusetzen, die Papst Bonifazius VIII. zugunsten des
26
aragonesischen Herrschers Jakob II eingesetzt hatte, indem er 1297 das
Regnum Sardiniae et Corsicae schuf. Im Laufe von drei Jahren wurde die Burg
von Cagliari zum Schaden der Pisaner erobert. Ein Widerstandskern, der sich
der Eroberung der Insel widersetzte, wurde von den pisanisch genuesischen
Herrn der Familien Doria und Malaspina und vom Judikat Arborea aufgebaut,
gegen den Aragon einen langen Krieg führte, aus dem es erst 1410 siegreich
hervorging. Von dieser Zeit an bildete die iberische Halbinsel, vor allem aber
Katalonien, den Hauptbezugspunkt für die Insel, sowohl unter politisch
verwaltungstechnischem (die wichtigsten katalanischen Institutionen werden
nach Sardinien importiert), als auch unter kulturellem Gesichtspunkt. Zu
einem deutlichen Bruch mit der italienischen Kultur kommt es jedoch nur in
Cagliari, während der Wandel im Judikat Arborea und auf dem Rest der Insel
allmählich stattfindet. Der italienische gotische Stil prägt die Kathedrale von S.
Maria di Castello in Cagliari, während die Wallfahrtskirche der Madonna di
Bonaria neben der Monumentalbasilika das älteste Gebäude ist, das im Stil
der katalanische Gotik erbaute wurde. Nach der katalanischen Eroberung der
Burg von Cagliari wurde in der Kathedrale rechts vom Hauptaltar zum
Zeichen der Herrschaft über die Stadt eine Kapelle im Stil der katalanischen
Gotik mit den katalanischen Wappen errichtet.
Die Kirche S. Pietro
di Zuri,
Ghilarza
27
Die aragonesische Zeit und die spanische Zeit
Von 1326 bis 1718
Die aragonesische und die spanische Herrschaft haben das politische System
geprägt, jedoch auch die kulturelle Entwicklung und die Kunst auf Sardinien,
was zum Fortbestand der spätgotischen Architektur bis weit ins siebzehnte
Jahrhundert führte. Die am weitesten verbreiteten Baupläne der spätgotischen
Kirchen auf Sardinien weisen ein einziges Schiff mit Seitenkapellen und höher
gelegenem Presbiterium, Kreuzgewölbe und flache Fassade auf, abgeschlossen
von Zinnen mit diagonalen Strebepfeilern (wobei dieses letzte Detail von der
katalanischen Zivilarchitektur übernommen wurde). Der Glockenturm, mit
quadratischem Grundriss, steht auf der Seite der Fassade, wie bei der Kirche S.
Giacomo di Cagliari. Eine vereinfachte Formel weist ein einziges Schiff auf,
gegliedert von Spitzbögen, die das Holzdach tragen, Seitenkapellen und eine
schlichte Fassade mit spitzbogigem Portal und einem Rundfenster. Die
Vereinigung der iberischen und der italienischen Kultur ist ein fruchtbares
Fundament, auf dem sich nach 1450 eine sardische künstlerische Tradition
entwickeln konnte. In diesem Zusammenhang ist die Einführung der Retabel
von Bedeutung, einer komplexen Altartafel, die architektonische,
bildhauerische und malerische Elemente in sich vereint. Normalerweise stellt sie
im Zentrum die Jungfrau in einer Nische dar, umgeben von Feldern aus farbig
gefasstem Holz, verziert von Rahmen aus vergoldetem Stuck und
vervollständigt von Polvaroli und Predella in horizontaler Erstreckung. Einige der
wichtigsten stammen aus der zerstörten Kirche von San Francesco di Stampace
und befinden sich heute in der Nationalpinakothek von Cagliari. Einige stark
verehrten Marienbilder stammen von Retabeln, wie zum Beispiel die Madonna
di Valverde in Alghero, die Madonna del Fico von San Pietro di Silki und Santa
Maria di Betlem in Sassari sowie Nostra Signora di Bonaria in Cagliari,
kampanischer Prototyp der goldgefassten Holzskulptur, die die sardische
Produktion für zumindest zwei Jahrhunderte prägt. Die Anfänge der
spätgotischen Malerei bilden Werke katalanischer Künstler, die zwischen 1350
und 1450 nach Sardinien gelangten. Darunter Joan Mates, der die Retabel
dell’Annunciazione für die gleichnamige Kapelle in San Francesco di Stampace
im höfisch spätgotischen Stil ausführte. Die Retabel San Martino in Oristano,
heute aufbewahrt im Antiquarium von Arborea, wird dem Umkreis von
Mateu Ortoneda zugeschrieben. Zu Beginn des fünfzehnten Jahrhunderts
schuf der Portugiese Alvaro Pirez, der in der Toskana gelernt hatte, eine
28
Die Kirche von
Carmine, Oristano
Retabel für die Kirche von San Domenico in Cagliari, von der eine Madonna
con Bambino mit einer ausgesprochen eleganten spätgotischen Linienführung
erhalten ist (Nationalpinakothek Cagliari). ach 1450 lassen sich verschiedene
iberische Künstler auf der Insel nieder, um dort zu arbeiten. 1455 eröffnen die
katalanischen Maler Rafael Thomas und Joan Figuera in Cagliari ihre Werkstatt
mit dem Auftrag, die Retabel von San Bernardino da Siena für San Francesco
di Stampace, zu schaffen. In Sassari hingegen ließ sich Joan Barcelo nieder, was
für den Zeitraum zwischen 1488 und 1516 belegt ist: seine Retabel der
Visitazione aus der gleichnamigen Kapelle von San Francesco di Stampace
vermischt valenzianische und flämische Kulturelemente. Noch unbekannt,
jedoch von diesem beeinflusst, ist der Meister der Retabel der Presepio (aus
San Francesco di Stampace) in lebhaften Farben vor einem auffälligen
Goldgrund nach spanisch flämischem Geschmack. Eine neue und modernere
Konzeption des Lichts und des Raums erscheint in den Arbeiten des wichtigen
Meisters von Castelsardo, dessen Bezeichnung auf eine Retabel für den Dom
dieses Orts zurückgeht und der auch die Retabel von San Pietro für die
Pfarrkirche von Tuili (datiert auf 1500) und die Retabel der Porziuncola in San
Francesco di Stampace in Cagliari schuf. Von ihm stilistisch abhängig ist
Giovanni Muru, der Schöpfer der Predella der großen Retabel von Ardara
(1515). Auf die Gründung einer lokalen Schule müssen wir bis zum Anfang
des fürfzenhnt warten; ihr wichtigster Vertreter ist Pietro Cavaro, Mitglied
einer Malerfamilie aus Cagliari, die länger als ein Jahrhundert tätig war. Er
lernte in Barcelona, war jedoch auch mit den Neuerung der italienischen
Renaissancemalerei vertraut. 1518 signiert er die schöne Retabel von Villamar
und 1533 erhält er den Auftrag für die Retabel des Santo Cristo für San
Francesco in Oristano. Nach seinem Tod (1537) führte sein Sohn Michele die
blühende Werkstatt mit deutlichen Anklängen an Raffael fort, während
Antioco Mainas Arbeiten nach volkstümlischerem Geschmack schuf. Auch für
die manieristische Malerei finden wir wichtige Zeugnisse, vor allem die
Arbeiten des interessanten, jedoch noch mysteriösen Meisters von Ozieri
(Retabel der Madonna di Loreto in der Kathedrale von Ozieri, Retabel der
Sant’Elena in der Pfarrkirche von Benetutti und die Sacra Famiglia in der
Pinakothek von Ploaghe). Zwischen Ende des 15. Jahrhunderts und dem
Beginn des folgenden Jahrhunderts sind im Süden der Insel die Maler
Bartolomeo Castagnola, Giulio Adato und Ursino Bonocore aus Neapel sowie
Francesco Pinna aus Alghero tätig, der in Cagliari (Pala di Sant’Alberto in der
Kirche del Carmine von Sant’Orsola, heute in der Pinakothek) sowie in
30
weiteren sardischen Ortschaften (Suelli, Villamar) mit einem Stil tätig war, der
für direkte oder durch Drucke vermittelte Einflüsse aus Kampanien offen war.
Im Bereich der Skulptur muss Scipione Aprile erwähnt werden, der das
Mausoleo di Emanuele Castelvì aus Marmor in Samassi schuf (1586).
Bedeutsam sind die Holzskulpturen, die in der Technik ‘estofado de oro’
ausgeführt sind; dabei wird Blattgold als Grundierung für die chromatische
Fassung aufgetragen, die dann eingeritzt wird, sodass das Gold mit
geometrischen oder florealen Mustern durchscheint, die edle Stoffe imitieren.
Es kann behauptet werden, dass die Insel mit wenigen Ausnahmen keine
Der Dom, Sassari
architektonischen Zeugnisse der italienischen Renaissance vorzuweisen hat, es
sei denn vermittelt und kombiniert mit der Sprache der katalanischen
Spätgotik in volkstümlichen Ausdrucksformen, die zur Tradition der sardischen
Steinmetze wurden. Der Bau der Kirche von S. Agostino Nuovo (1577-80), die
mit ihrem Kreuzgrundriss, ihrer klassischen Ausschmückung sowie mit ihrer
Kuppel das Raumkonzept der Renaissance einführt, ist somit charakteristisch
für eine erneute Ausrichtung auf die italienischen Kunst. Das 16. Jh. ist in allen
Ortschaften der Insel das Jahrhundert der Suche der Reliquien sowie für die
Sammlung der Funde aus der suggestiven Cripta dei Martiri im Dom von
Cagliari (1616-32). Bei der Verbreitung der Barockkunst spielen die neuen
religiösen Orden der Gegenreformation eine wichtige Rolle, darunter vor allem
die Jesuiten, die die neue Formsprache in ihre Kirchen einführten, wie zum
Beispiel bei S. Caterina in Sassari und S. Michele in Cagliari. Im Laufe des
Jahrhunderts werden die sardischen Kathedralen modernisiert, wobei der
interne Dekorapparat zuerst mit Hilfe von genuesischen und dann mit Hilfe
von lombardischen Fachkräften mit hochwertigen polychromen
31
Marmorintarsien erneuert werden. Wichtig ist der Engriff von Giulio Aprile im
Dom von Cagliari, Schöpfer des Mausoleo di Martino il Giovane (1676) sowie
des Altare di Sant’Isidoro (1683-84). Die Produktion von prunkvollen, in der
iberischen Tradition verzierten Holzaltären, geschaffen von sizilianischen,
kampanischen und sardischen Künstlern zur Ergänzung der gemalten
Retabeln, dauert lange Zeit an. Im Bereich der Malerei muss an die Werke
erinnert werden, die von den ligurischen Künstlern Giovanni Carlone,
Domenico Fiasella und Orazio de Ferrari nach Sardinien geschickt und von
Pantaleone Calvo vor Ort geschaffen wurden; in Cagliari arbeiteten Domenico
Conti für die Mercedarier mit einem Gemäldezyklus mit Santi dell’Ordine sowie
die Giuseppe Deris für die Jesuiten und die Minimen.
Bild von Sciuti,
Palast der
Provinzregierung,
Sassari
Die savoyische Zeit und die Gegenwart
Von 1718 bis heute
Zwischen 1714 und 1718 fiel die Insel zuerst unter die österreichische und
dann unter die piemontesische Kontrolle. Mit dem Besitz Sardiniens erlangten
die Savoyen den Königstitel. Die spätbarocke Kunst dauert das gesamte
Jahrhundert an. Ab 1720 sendet die savoyische Regierung fähige
Militäringenieure zum Ausbau der Festungen sowie zur Modernisierung von
Brücken und Straßen nach Sardinien, die sich dann auch mit der Restauration
antiker Gebäude und dem Entwurf neuer beschäftigten. Dabei muss an Felice
de Vincenti erinnert werden, der die Basilica di Bonaria in Cagliari entwarf
(1722), Saverio Belgrano di Famolasco aufgrund der Università e Seminario
Tridentino (1764), Giuseppe Viana aufgrund der Chiesa del Carmine in
32
Oristano (1786) sowie Giovanni Francesco Daristo aufgrund zahlreicher
Baumaßnahmen in Cagliari, Iglesias, Carloforte und Oristano. Durch ihre
Vermittlung wurde die Kultur der Insel in Anlehnung an den ligurisch
piemontesischen Spätbarock italianisiert, verbreitet auch durch die Einfuhr von
Statuen und Gestaltungselementen aus Marmor (Altäre, Antependien, Pulte,
Balustraden und Taufbecken), wertvollen Silberarbeiten und kostbaren
Stoffen. Der beste sardische Bildhauer des achtzehnten Jahrhunderts,
Giuseppe Antonio Lonis, begab sich hingegen nach Neapel und schuf eine
Vielzahl von Statuen für zahlreiche Pfarrkirchen Italiens, die sich durch eine
anspruchsvolle Schnitztechnik sowie eine edle Farbgebung auszeichnen. Im
Bereich der Malerei muss an das Wirken von Giacomo Altomonte aus Rom zu
Beginn des Jahrhunderts erinnert werden, der die Fresken der Sakristei von
San Michele in Cagliari mit Hilfe von Domenico Colombino aus Neapel schuf,
sowie an die Werke des Akademikers Pietro Angeletti aus San Luca, der
verschiedene Gemälde für den Dom von Ales und von Cagliari, für die
Pfarrkirche von Solarussa sowie von Sant’Eulalia im Hauptort schuf. In der
ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts findet auch auf Sardinien die
klassizistische Kunst Verbreitung, deren wichtigster Vertreter der Bildhauer
Andrea Galassi ist. Ihm gelang es, sich in den Künstlerkreisen Turins
durchzusetzen und er arbeitete an der Kirche der Gran Madre di Dio.
Während die Bildhauer den Weg der Serienfertigung einschlagen und sich vor
allem Grabstatuen widmen, tritt in der Malerei Giovanni Marghinotti hervor,
der im Laufe des Jahrhunderts zum wichtigsten Vertreter der ornamentalen
Kunst wird: von den klassizistischen Anfängen, die das Mäzenatentum der
Savoyer feiern, über die Romantik bis hin zu einer folkloristischen Tendenz,
die ihn als ersten in der sardischen Kunst dazu führen, die sardischen
Volkstraditionen aufzuwerten. In der zweiten Hälfte des neunzehnten
Jahrhunderts ergreift Sardinien das Klima der städtebaulichen Erneuerung,
das die gesamte Halbinsel charakterisierte, die mit der Schaffung der neuen
bürgerlichen Stadt beschäftigt war. Die wichtigste Figur in diesem
Zusammenhang ist Gaetano Cima, von 1840 bis 1864 Professor an der
Fakultät für Architektur in Cagliari, der eine Generation von hoch
qualifizierten Architekten prägte, die sich der Bedeutung der Prinzipien der
Ordnung, der Proportion und der Symmetrie in der Planungsphase bewusst
waren. Das öffentliche Bauwesen war jedoch lange Zeit von der
Neorenaissance und einem ausgeprägten Hang zum Monumentalismus und
Stileklektizismus geprägt. Charakteristisch dafür sind die Ausschmückungen
33
der Repräsentationssäle in Sassari und Cagliari, die Giuseppe Sciuti und
Domenico Bruschi anvertraut wurden, sowie in Cagliari die Errichtung des
neuen Stadtpalastes, eine Arbeit von Crescentino Caselli und Annibale Rigotti,
in der neugotische Elemente mit Jugendstilelementen verbunden werden. In
diesem Klima beginnt in Sardinien, zwischen Ende des neunzehnten und
Beginn das zwanzigsten Jahrhunderts, der Weg der zeitgenössischen Kunst.
Im Laufe von zwanzig Jahren nimmt die sardische Kunst ihre spezifische
Gestalt an und die einzelnen Künstler werden erkennbar, die der spezifischen
Identität des sardischen Volkes gewahr werden und das Bewusstsein seines
Auf dem links:
“La madre
dell’ucciso” von
Francesco Ciusa
Auf dem Recht:
“Grande festa
campestre” von
Giuseppe Biasi
kulturellen Wertes in ihre Arbeit einfließen ließen. In dieser neuen Dimension
beginnen die Sarden, sich auch jenseits des tyrrhenischen Meeres in den
Kunstinstitutionen durchzusetzen: 1907 triumphiert Francesco Ciusa auf der
Biennale von Venedig mit der Gipsskulptur La madre dell’ucciso; Antonio
Ballero beginnt - in den Grenzen seiner autodidaktischen Ausbildung - seine
Werke auf den wichtigsten internationalen Ausstellungen zu zeigen; zwischen
1913 und 1915 war Giuseppe Biasi einer der wichtigsten Protagonisten der
römischen Sezessionen. In Cagliari wurde die Entstehung einer neuen
figurativen sardischen Bewegung durch die Ausschmückung der Innenräume
des neuen Stadtpalasts angeregt. Dies war eine historische Gelegenheit, denn
zum ersten Mal wurde ein derart wichtiger öffentlicher Auftrag an lokale
Künstler vergeben. Leider haben die schrecklichen Bombardierungen des
Jahres 1943 zur Zerstörung der Arbeiten von Francesco Ciusa im Ratssaal und
von Mario Delitala im Museumssaal geführt. Vollständig erhalten geblieben
sind hingegen die Arbeiten von Filippo Figari, der zwischen 1912 und 1914
die Ausschmückung des Hochzeitssaals mit dem Zyklus Die Liebe in Sardinien
vorgenommen hat, sowie die von Felice Melis Marini, dem die Arbeiten im
35
Kabinettsraum übertragen wurden, wo er im Rückgriff auf die geliebte
Landschaftsmalerei drei Panoramen von Cagliari aus verschiedenen
Blickwinkeln aus ausgeführt hat: vom Land, vom Monte Urpinu und vom
Golfo. Nach dem Ersten Weltkrieg registrierte man eine allgemeine
Ablehnung sowohl gegen den Experimentalismus der Avantgarde, als auch
gegen den ästhetisierenden Dekorativismus. Die Aufmerksamkeit vieler
Künstler, vor allem die der Gebrüder Federico und Melkiorre Melis,
konzentrierte sich auf die angewandten Künste. Der Zweck bestand in einer
Erneuerung des Kunsthandwerks durch Bezüge auf lokale ethnografische
Mattino in un
villaggio sardo,
von Giuseppe Biasi
Traditionen und eine Neubewertung der Volkskultur. Der Zentralismus des
faschistischen Kulturbetriebs verfolgte jedoch die Unterdrückung der
regionalen Tendenzen. Die Integration in die nationale Kultur hatte einen
hohen Preis: Die regionale Kultur und die traditionellen Lebens- und
Denkweisen wurden auf reine Folklore reduziert. In den 20er Jahren wurden
neben großen Straßen-, Wasserwege- und Hafenbauarbeiten auch zahlreiche
öffentliche Gebäude errichtet: die Universitätsgebäude und die Justizpaläste
von Cagliari und Sassari und die Schulen sind nur einige Beispiele für die
Architektur des “ministeriellen Stils”, die das Bauwesen auf der gesamten
Halbinsel prägte.
Es fehlen jedoch auch Bauwerke nicht, die dem Kanon des Funktionalismus
voll und ganz entsprechen; gute Beispiele dafür sind die Arbeiten von Ubaldo
Badas in Cagliari. Von wesentlicher Bedeutung waren auch die
Stadtneugründungen von Arborea, Fertilia, Carbonia und Cortoghiana,
einzigartige Fälle, in denen Avantgardekünstler die Gelegenheit hatten,
metaphysische Szenarien in architektonische Realität umzusetzen. Nach dem
Zweiten Weltkrieg zeigen sich in der Kunst widersprüchliche Tendenzen.
36
Einerseits werden die Themen und Malweise der großen sardischen Meister
des frühen zwanzigsten Jahrhunderts vorgeführt, wie Biasi, Figari und
Delitala; andererseits findet zum Beispiel durch Eugenio Tavolata eine
intelligente Neubearbeitung der sardischen Volkstradition im Lichte des
zeitgenössischen Designs statt, und andere versuchten, das kulturelle Leben
der Insel durch den Kontakt mit den italienischen und europäischen
Avantgarden zu beleben. Als Mauro Manca 1957 den Sardinienpreis auf der
1. Nationalen Biennale für Malerei in Nuoro mit dem Werk Der Schatten des
Meeres auf dem Hügel gewann, entbrannte in der Presse lebhafte Diskussion
zwischen den Vertretern der figurativen Kunst und den Anhängern der
abstrakten Malerei. Dabei handelt es sich um eine wichtige Wegscheide für
die sardische Kunst: zum ersten Mal ging in Sardinien eine offizielle
Auszeichnung an ein nicht figuratives Werk. Die jungen Künstler suchten in
ihren gegenständlichen oder abstrakten Werken die Auseinandersetzung mit
den historischen Avantgarden: Der visionäre Traum des Surrealismus, und
der grelle und aufgebrachte Chromatismus der Expressionisten bildeten in
einer freien Neuinterpretation die solide Grundlage für die Manifestation ihres
Dissenses und den Anspruch auf eine vollberechtigte Anerkennung in der
zeitgenössischen Kunst. Dies sind die Jahre, in denen drei Künstler den Weg
Skulpturen von
Costantino Nivola,
Orani
in die Architektur finden: die Verweise auf die archaische Tradition von
Costantino Nivola aus Nuoro im Jahr 1967 bei der Neugestaltung der Piazza
Sebastiano Satta, die Ausarbeitung des Nutzungsplans des Gramsci-Kollektivs
von Giò Pomodoro im Jahr 1977 in Ales und das Freilichttheater von Porto
Rotondo, das in unverwechselbarer Weise mit dem Namen Mario Ceroli
verbunden ist, belegen auf außerordentlich positive Weise den sardischen
kulturellen Kontext.
37
Tour
TOUR 1
CAGLIARI
Dauer: ein Tag
Geht man vom Bahnhof aus die Via Roma in Richtung Hafen entlang, trifft
man links auf das zwischen 1899 und 1907 erbaute Rathaus von Cagliari. Sein
architektonischer Stil ist an die aragonesische Gotik angelehnt, die zwischen
dem 14. und 15. Jh. in Sardinien sehr verbreitet war. Hinzu kommen typische
Blumenmotive des Jugendstils. Mit der Dekoration der Innenräume wurden
bedeutende sardische Künstler beauftragt, insbesondere Felice Melis Marini
und Filippo Figari. Letzterer hat den Hochzeitssaal und Sitzungssaal
ausgestaltet. Verlässt man das Rathaus und geht die Via Roma nach links
weiter, erreicht man die Arkaden, ein klassischer Spazierweg durch Cagliari.
Hat man das Hafenbecken erreicht, biegt man in die Viale Bonaria ein, wo sich
der Palazzo del CIS befindet, der zwischen 1987 und 1992 nach einem
Entwurf von Renzo Piano erbaute wurde. Folgt man der Viale Bonaria, erreicht
man den gleichnamigen Hügel, auf dem sich nebeneinander die
Wallfahrtskirche Santuario und die Basilica di Bonaria. Die Wallfahrtskirche
wurde zwischen 1324 und 1326 von den Aragonesen im typischen gotischaragonesischen Stil erbaut. In der Kirche befinden sich die Holzstatue der
38
Madonna di Bonaria (15. Jh.) und das Tafelgemälde der Madonna del
Cardellino von Michele Cavaro (16. Jh.). Im anliegenden Museum sind
Kunstwerke zu sehen sowie Votivbilder der Wallfahrtskirche, deren
vorrangiges Thema das Meer ist. Die daneben liegende, weitaus größere
Basilika wurde im Jahr 1704 nach einem Entwurf des Ingenieurs Felice De
Vincenti begonnen, der im Jahr 1778 von Giuseppe Viana geändert wurde.
Erst im Jahr 1954 wurde sie mit der heutigen Fassade fertig gestellt. Allen
Bauten gemeinsam ist die Verwendung des Kalksteins, der direkt ausdem
nahegelegenen Hügel gewonnen wurde. An dessen Fuße befindet sich ein
Monumentalfriedhof aus dem 19. Jh., gesäumt von der nach ihm benannten
Allee. Geht man die Viale Cimitero weiter und biegt dann links in die Via
Logudoro ein, erreicht man die Piazza San Cosimo mit der Kirche San
Saturnino. Sie ist dem Märtyrer aus Cagliari geweiht, der im Jahr 304 während
der Verfolgungen des Kaisers Diokletian enthauptet wurde. Die Kirche mit
kreuzförmigem Grundriss und Kuppeln wurde im 6. Jh. errichtet und im 11.
Jh. umgebaut. Folgt man der Via San Lucifero und Via Iglesias, bewegt man
sich in Richtung des Altstadtviertels Villanova. Dort biegt man in die Via
Garibaldi ein und folgt dieser ein Stück weit bis zur Piazza Costituzione, auf
der die zwischen 1896 und 1902 erbaute Bastione di Saint Remy steht. Die
Die Basilika
von Bonaria,
Cagliari
Bastion ist bekannt für ihren spektakulären Treppenaufgang, der in zwei
Rampen aufgeteilt ist und von der Piazza aus zu mehreren Terrassen führt, die
über einen überdachten Spazierweg entlang der Viale Regina Elena
miteinander verbunden sind. Der Rundgang führt nun entlang der Viale
Regina Elena, die auch “Terrapieno” (Erdwall) genannt wird, hinauf zum
Stadtpark, in dem sich die Galleria Comunale d’Arte (Städtische Kunstgalerie)
befindet. Seit Januar 2001 beherbergt die Galerie (im übrigen das erste
39
Gebäude Sardiniens, in dem ein Museum untergebracht wurde) die wertvolle
Sammlung Ingrao mit Werken einiger der bedeutendsten italienischen Künstler
des 20. Jh., darunter Umberto Boccioni, Giorgio Morandi, Filippo De Pisis,
Mario Mafai, Felice Casorati und Mino Maccari. Außerdem ist eine Auswahl
von 74 Kunstwerken aus der Städtischen Sammlung zu sehen mit einigen der
wichtigsten Vertretern der sardischen Kunst des 20. Jh., von Francesco Ciusa
bis Giuseppe Biasi, Maria Lai und Costantino Nivola. Der letzte Abschnitt der
Viale Regina Elena führt durch das gleichnamige Tor auf die Piazza Arsenale in
“Castello”, dem wichtigsten der vier Altstadtviertel Cagliaris. Von hier aus
erreicht man die Cittadella dei Musei, einen modernen Museumskomplex auf
dem ehemaligen Militärarsenal. Hier sind das Museo Archeologico Nazionale
und die Pinacoteca Nazionale untergebracht. Im ersten ist eine der wichtigsten
Sammlungen archäologischer Fundstücke in Sardinien ausgestellt, die von der
Urgeschichte bis zum byzantinischen Zeitalter reicht. Außergewöhnliche Stücke
sind die Statuen der Muttergottheit, nuraghische Bronzefiguren, phönizischpunischen Schmuckstücke (darunter die berühmte, in Olbia aufgefundene
gläserne Halskette) und Bleibarren aus der Römerzeit. In der Pinakothek
befinden sich eine wichtige Sammlung bemalter Altaraufsätze aus dem 15.-16.
Jh. sowie Gemälde aus dem 17.-19. Jh., die die Geschichte der sardischen
Die Kirche
S. Saturnino,
Cagliari
40
Malerei dokumentieren. In der “Cittadella” sind außerdem die interessante
Collezione di Ceroplastiche Anatomiche (Sammlung anatomischer
Wachsnachbildungen) von Clemente Susini und das Museo Siamese “Cardu”
untergebracht, in dem Waffen, Porzellan und Kunsthandwerk aus Fernost
ausgestellt sind. Man durchquert die Porta Cristina aus dem 19. Jh. und geht
die Viale Buoncammino entlang. Von hier aus bietet sich ein herrlicher Blick
über das Altstadtviertel Stampace und das eindrucksvolle Anfiteatro romano
(2. Jh. n. Chr.), dessen Tribüne zum Teil aus dem Felsen gehauen wurde.
CIS Palast, Cagliari
Es wird noch heute für Open air-Konzerte und Opernaufführungen genutzt.
Zusammen mit der Grotta della Vipera (Schlangengrotte), die ebenfalls in den
Tuffstein gehauen wurde, ist es das bedeutendste Monument, das aus dem
Cagliari der Römerzeit erhalten geblieben ist. Man kehrt nun den gleichen
Weg zurück bis zum Turm Pisana di San Pancrazio (1305), der gemeinsam mit
dem Torre dell’Elefante (Elefantenturm) aus dem Jahr 1307 von dem
einheimischen Architekten Giovanni Capula entworfen wurden, um den
nördlichen Eingang des Schlosses zu schützen. Biegt man auf die Piazza
Indipendenza ein und geht die Via Martini entlang, gelangt man auf die
heutige Piazza Palazzo, mit dem Palazzo Regio (Königspalast) und der
Kathedrale Santa Maria erheben. Im Königspalast, dem ehemaligen Sitz der
spanischen Vizekönige und Piemontesen (mit einer wunderschönen
Porträtreihe aus dem 18. und 19. Jh. in der Sala degli Alabardieri), war
während des Exils zwischen 1799 und 1814 zeitweilig auch der Hof Savoyens
untergebracht. Ende des 19.Jhs. wurde er als Sitz der Provinzverwaltung von
Domenico Bruschi aus Perugia mit Themen der sardischen Geschichte und
klassischen Mythologie ausgemalt. Die Kathedrale Santa Maria wurde Anfang
41
des 13. Jh. von den Pisanern erbaut und 1258 zur Kathedrale erhoben. Der
Glockenturm ist das einzige romanische Bauelement. Aus der gleichen Epoche
(entstanden zwischen 1159 und 1162) stammt die Kanzel, Pulpito di
Guglielmo, die zwischen 1310 und 1312 aus der Kathedrale von Pisa hierher
gebracht wurde. In der zweiten Hälfte des 17. Jh. wurde sie im Rahmen der
Barockisierung der Kathedrale in mehrere Stücke zerteilt. Im Inneren der Kirche
sind auch zwei gotische Kapellen erhalten: links vom Altar die Kapelle der
Pisaner, rechts die der Aragonen. Diese entstand nach 1326 nach der
Eroberung der Insel durch Aragon-Katalonien. Ebenfalls im 17. Jh. entstand die
Krypta für die Reliquien der sardischen Heiligen und Märtyrer. Sie enthält die
klassizistischen Grabmäler der Maria Luisa di Savoia, Königin von Frankreich
und des Prinzen Carlo Emanuele di Savoia. Die Kathedrale enthält zudem
wertvolle Barockaltäre mit Marmorintarsien und Grabmäler von Erzbischöfen
und Vizekönigen, das Mausoleo di Martino il Giovane (Mausoleum), König von
Sizilien, herrliche Altarbilder aus dem 18. Jh. und bedeutende Kirchengeräte
aus Silber, die heute zum Teil im anliegenden Diözesanmuseum untergebracht
sind. Man geht nun hinunter in das Marina-Viertel, biegt in die Via Manno ein
und schließlich in die Via Baylle, bis zur Kirche Sant’Agostino. Sie wurde Ende
des 16. Jh. erbaut und ist die einzige Renaissancekirche in Sardinien. Der
Skulpturen von Sciola,
San Sperate
Seiteneingang der Kirche Sant’Agostino führt auf den Largo Carlo Felice, den
man bis zur Piazza Yenne entlang geht. Anschließend biegt man in die Via
Azuni ein, an deren Ende man die in der zweiten Hälfte des 17. Jh. von den
Jesuiten erbaut Barockkirche San Michele erblicken kann. Die Sakristei ist mit
Fresken des römischen Künstlers Giacomo Altomonte ausgemalt und ganz im
Rokokostil gehalten, der sich einheitlich sowohl durch die dekorativen Marmorund Holzelemente wie auch die Malerei zieht.
42
TOUR 2
DAS GEBIET CAGLIARI
Pula - Uta - Villaspeciosa - San Sperate - Assemini - Muravera
Villaputzu - Orroli
Daeur: ein Tag - Streckenlänge: ca. 105 km
Die Ruinen von Nora,
Pula
Fährt man von Cagliari aus die SS 195 entlang, sieht man kurz vor der
Abfahrt nach Sarroch (20 km) auf der rechten Straßenseite den Nuraghen
Antigori. Ein weiterer Nuraghe im Gebiet von Sarroch ist Sa Dom’è s’Orku.
Im ersten wurden Keramikstücke mykenischen Ursprungs aufgefunden, die
den Handel zwischen dem Nuraghenvolk und Seefahrern des ägäischen
und orientalischen Raumes bezeugen. Von Pula aus (30 km) biegt man in
eine Allee ein, die nach 3 km zu der antiken Stadt Nora führt. Sie wurde
zwischen dem 9. und 8. Jh. v. Chr. von den Phöniziern erbaut, hatte ihre
Blütezeit in punischer und römischer Zeit und wurde bereits vor dem Jahr
1000 verlassen. Erhalten sind Mosaikfußböden und ein römisches Theater.
Hinter dem schönen Strand liegt kurz vor dem Eingang der
Ausgrabungsstätte die vor 1089 erbaute romanische Kirche Sant’Efisio. In
diesem Jahr fand die Schenkung der Richter von Cagliari an die
Benediktinermönche von San Vittore di Marsiglia statt. Die Kirche ist das
Ziel eines Prozessionweges, auf dem jedes Jahr Anfang Mai die Statue des
Sant’Efisio von Cagliari an den Ort des Martyriums getragen wird, mit
traditionellen Trachten und begleitet von einer großen Menschenmenge.
43
Man fährt nun die SS 195 ca. 22 km zurück und biegt dann links in
Richtung Macchiareddu ab. Nach ca. 13 km fährt man nach rechts und
folgt der Beschilderung in Richtung Uta. Dort angekommen, durchquert
man die Ortschaft und fährt an deren südliches Ende, um die romanische
Kirche Santa Maria zu besichtigen. Sie wurde gegen Ende des 12. Jh. aus
unterschiedlichen Materialien erbaut: (Marmor in verschiedenen
Farbnuancen, Vulkangestein und vor allem Kalkstein) mit interessanten
dekorativen und symbolischen Elementen. Nun fährt man auf der SS 130
ca. 5 km in Richtung Villaspeciosa. Am Stadtrand erhebt sich die
romanische Kirche San Platano, die erstmalig im Jahr 1135 als Besitz der
Benediktinermönche von San Vittore di Marsiglia erwähnt wird. Interessant
ist die zweischiffige Raumteilung mit Apsis: die Kirchenschiffe sind mit
Arkaden auf antiken Säulen und Kapitellen ausgestattet. Biegt man auf die
SS 130 in Richtung Cagliari ab, gelangt man in etwa auf Höhe von
Decimomannu an die Abzweigung nach San Sperate, dessen Zentrum man
nach ca. 10 km erreicht. Im Jahr 1968 entstanden auf Anregung Pinuccio
Sciolas hier die ersten “Murales” (Wandbilder). Ziel war, die Ortsmitte in
eine Galerie zu verwandeln. Die Initiative fand bei zahlreichen italienischen
und ausländischen Künstlern Unterstützung, unter ihnen Foiso Fois, Primo
Pantoli, Giorgio Princivalle und Gaetano Brundu. So entstanden suggestive
Wandmalereien, die sich an lateinamerikanischen Figurenelementen
orientieren (vor allem an Siqueiros), aber dennoch tiefer Ausdruck der
Kultur und Lebenswelt der Bewohner des Campidano sind. Dank der Scuola
Internazionale di Scultura von San Sperate, deren wichtigster Förderer Sciola
ist, wird auch heute die künstlerische Tradition des Ortes weitergeführt. Die
umliegende Landschaft dient als Atelier für Künstler und neue künstlerische
Ausdrucksformen. Man kehrt nun die Straße nach Decimomannu zurück,
biegt auf die SS 130 in Richtung Cagliari ein und fährt dann in Richtung
des Zentrums von Assemini. Hinter der schönen Pfarrkirche San Pietro im
Stil der katalanischen Spätgotik erhebt sich die Kirche San Giovanni Battista
aus byzantinischer Zeit. Interessant sind die beiden Inschriften in
griechischer Sprache (und Schrift) im Innenraum, die auf die Zeit zwischen
dem 10. und 11. Jh. zurückgehen. Sie erwähnen den Archon Torcotorio di
Sardegna und seine Frau Getite, sowie Nispella, die Frau eines anderen
Torcotorio: es handelt sich dabei um die Namen einiger der frühesten
Richter Cagliaris, die bekannt sind.
44
TOUR 3
DAS GEBIET CARBONIA-IGLESIAS
Iglesias - Carbonia - Sant’Antioco
Calasetta - Tratalias - Villaperuccio
Dauer: 1 Tag - Streckenlänge: ca. 110 km
Das befestigte
Zentrum aus
phönizisch-punischer
Zeit von Monte Sirai,
Carbonia
Eine lange Allee führt in das Zentrum von Iglesias. Auf ihr erreicht man die
Piazza Sella mit dem Denkmal Monumento a Quintino Sella von Giuseppe
Sartorio (1885) sowie die nahe gelegene Piazza Oberdan mit dem
Gefallenendenkmal Monumento ai Caduti von Francesco Ciusa (1928). In
der Altstadt geht man bis zur Piazza del Municipio (Rathausplatz) mit der
gotischen Kathedrale Santa Chiara, die laut Inschriften vor 1284-85
begonnen und vor 1288 fertig gestellt wurde. Neben dem Rathaus biegt
man in die Via Satta und die Via Don Minzioni ein, an deren Ende man
rechts in die Via Roma abbiegt. Die Nummer 45 ist das Museo dell’arte
mineraria (Bergbaumuseum), in dem Zeugnisse und Werkzeuge ausgestellt
sind, die die Geschichte des Bergbaus in der Gegend von Iglesias
dokumentieren: Originalmaschinen, Landschaftsreliefs und alte Fotografien.
Außerdem enthält das Museum einen echten, begehbaren Tunnel. Fährt
man die Via Roma in nördlicher Richtung und biegt dann links in die Via
Cattaneo ein, gelangt man auf die Staatsstraße 126 in Richtung Carbonia
und Sant’Antioco und verlässt Iglesias, nachdem man das im 19. Jh. erbaute
Stadtviertel und die stillgelegten Bergbauanlagen hinter sich gelassen hat.
45
Die gotische
Kathedrale
Santa Chiara,
Iglesias
Auf der rechten Seite ist das Erzbergwerk von Monteponi. Eine der
wichtigsten italienischen Stätten für den Zink- und Bleiabbau, deren über
hundertjährige Tätigkeit durch die Größe der Anlagen und Abladehalden
eindrucksvoll dokumentiert wird. Sehenswert das Freskengemälde La miniera
(1950) von Aligi Sassu im Gästehaus, sowie die verlassenen Bergbaudörfer
Sa Macchina Beccia und Seddas Moddizzis. Man biegt nun erneut auf die SS
126 ab und fährt ca. 20 km in Richtung Süden bis nach Carbonia, ein
Musterbeispiel für eine auf dem Reißbrett entstandene Stadt. Sie wurde in
etwas mehr als zwei Jahren erbaut und im Jahr 1938 von Mussolini
eingeweiht. Die typischen Bauten aus faschistischer Zeit sind um die Via
Roma herum konzentriert. Hier liegt auch der gleichnamige, nach Osten
ausgerichtete terrassenförmige Platz. Um diesen Mittelpunkt herum sind alle
wichtigen Gebäude angeordnet: das Rathaus, die Kirche, der Liktorenturm
und ein Freizeitzentrum. Äußerst sehenswert ist die Kirche San Ponziano. Sie
wurde dem im 3. Jh. lebenden Papst geweiht, der zur Zwangsarbeit in den
Stollen der Gegend um Iglesias verurteilt wurde und daher zum Patron der
Stadt und der Kohlenbergwerke wurde. Fährt man die SS 126 in Richtung
46
Süden weiter, erreicht man nach etwa zwanzig Kilometern das Zentrum von
Sant’Antioco, nachdem man auf der rechten Seite die bedeutende Festung
Monte Sirai hinter sich gelassen hat. Sie wurde in phönizisch-punischer Zeit
auf einem Hügel errichtet und war ein wichtiger strategischer Punkt zur
Überwachung der umliegenden Gebiete. Die Festung wurde von Phöniziern
aus Sulki gegründet, dem heutigen Sant’Antioco. Die Hafenstadt war auch
in punischer und römischer Zeit sehr bedeutend. Da der Ort als Folge der
sarazenischen Einfälle lange Zeit verlassen war, sind kaum Überreste von
Gebäuden erhalten geblieben, mit Ausnahme der Akropolis (wo ein
steinernes Löwenpaar gefunden wurde) und einer Grabanlage, bestehend
aus phönizisch en-punischen Grabkammern und einem Tophet (Opferstätte
und Bestattungsplatz für Kinder- und Tieropfer). Die im kürzlich eröffneten
Antiquarium ausgestellten Fundstücke stammen aus dem Areal der antiken
Stadt. In der Altstadt steht die dem lokalen Märtyrer geweihte Kirche
Sant’Antioco. Sie wurde über Grabkammern aus phönizisch-punischer Zeit
errichtet, die miteinander verbunden sind und als Katakomben genutzt
wurden. Die Kirche hat byzantinische Bauformen und enthält Fragmente von
Marmorskulpturen aus der Zeit zwischen dem 6. und dem 11. Jh.. Im
Inneren befindet sich auch ein wertvolles silbernes Reliquiar. Es wurde von
Grabanlage “Domus
de Janas”
von Montessu,
Villaperuccio
dem aus Cagliari stammenden Sisinnio Barrai im Jahre 1615 angefertigt
und dient zur Aufbewahrung des Schädels von Sant’Antioco. Die Tour führt
nun weiter nach Calasetta, dem zweiten Ort auf der Insel, den man nach ca.
10 km erreicht. In der Via Savoia befindet sich das Museo d’Arte
Contemporanea (Museum für zeitgenössische Kunst). Es ist im ehemaligen
Schlachthof untergebracht, der seit über vierzig Jahren nicht genutzt ist und
47
zu diesem Zweck umgebaut wurde. Das Kernstück der Ausstellung bildet die
Sammlung “Ermanno e Maria Rita Leinardi” mit über 109 Werken von 103
Künstlern aus der ganzen Welt, die der Künstler Ermanno Leinardi während
seiner mehr als vierzigjährigen internationalen Tätigkeit zusammengetragen
hat. Die Sammlung unterscheidet sich von anderen Ausstellungen der Insel
dadurch, dass sie viele Werke der abstrakten, konstruktivistischen, konkreten
und informellen Malerei enthält. Neben lokalen Künstlern sind viele
ausländische Maler vertreten: Sergej Poliakof, Sonia Delaunay, Jean Leppien,
Hisiao Chin, Yves Popet, J.F. Dubreuil, Claude Pasquer, Charles Bezie und viele
andere. Die gezeigten italienischen Künstler sind auch aus historischer Sicht
bedeutend: Giuseppe Capogrossi, Lucio Fontana, Bice Lazzari, Mauro
Reggiani, Mario Radice, Luigi Veronesi, Piero Dorazio, Paolo Minoli, Achille
Pace und Nicola Carrino. Auf dem Rückweg nach Sant’Antioco biegt man
nach ca. 15 km rechts in Richtung Palmas ab und fährt weiter bis Tratalias;
den Beschilderungen folgend erreicht man den alten Ortskern mit der
romanischen Kathedrale Santa Maria. Sie wurde zwischen 1213 und 1282 als
Sitz der Diözese Sulcis errichtet, die nach Sant’Antioco und vor Iglesias
Diözese war. Von Tratalias aus fährt man weiter nach Villaperuccio, um die
prähistorische Nekropole Montessu zu besichtigen. Sie ist eine der größten
Bergbau, Masua
Grabanlagen vom Typ Domus de Janas in Sardinien, mit Felszeichnungen und
Spuren von Wandmalereien, und wurde auf spektakuläre Weise aus dem
Felsen gehauen.
48
TOUR 4
DAS GEBIET MEDIO CAMPIDANO
Sanluri - Villamar - Barumini - Tuili - Sardara
Dauer: ein halber Tag - Streckenlänge: ca. 40 km
Nuraghe Su Nuraxi,
Barimini
Die Tour beginnt mit der Besichtigung des Zentrums von Sanluri. Auf der
Piazza Castello befinden sich das Castello (Burg) und das Museo
Risorgimentale. Das nach Eleonora d’Arborea benannte Castello wurde in
einer Zeit errichtet, als der Verwaltungsbezirk Cagliari unter pisanischem
Einfluss stand und wurde im Laufe des 14. Jhs. komplett umgebaut. Heute
befindet sie sich im Besitz der Familie Villasanta und beherbergt das Museo
Risorgimentale Duca d’Aosta. Die Ausstellung zeigt Zimelien der
Unabhängigkeitskriege, Kolonialkriege und aus dem Zweiten Weltkrieg,
Schwerter und Einrichtungsgegenstände der Familie Bonaparte, eine
Briefsammlung Gabriele D’Annunzios sowie eine umfangreiche Sammlung
von Wachsnachbildungen historischer Denkmäler, geschichtlicher
Persönlichkeiten und religiöser Szenen aus der Zeit zwischen dem 16. und
20. Jh. Geht man die Via Carlo Felice entlang, erreicht man den Platz mit
der Pfarrkirche Nostra Signora delle Grazie, die zwischen 1781-86 nach
Plänen von Carlo Maino und Antonio Ignazio Carta im Stile des
Spätbarock umgebaut wurde. Vom östlichen Stadtrand Sanluris aus folgt
man einige Kilometer der Straße bis zur Abzweigung nach Villamar. Biegt
49
man links ab, erreicht man nach ca. 8 km die Ortschaft Villamar. Sie war
einstmals Hauptsitz des Kurators der Marmilla und ist wegen der
besonderen Architektur der Altstadt bekannt, die aus ladiri (ungebrannte
Lehmziegel) erbaut ist. In der Via Vittorio Emanuele III befinden sich die
romanische Kirche San Pietro sowie die Pfarrkirche San Giovanni Battista
mit dem Altaraufsatz von Villamar, der im Jahr 1518 von Pietro Cavaro
geschaffen wurde. In der Mitte des Gemäldes befindet sich eine Nische mit
der Holzstatue der Jungfrau mit Kind, die von der Kreuzigung überragt
wird. Auf den Seitenteilen sind der Hl. Franziskus (beim Empfang der
Wundmale), der Erzengel Michael, der Hl. Johannes der Täufer und die
Taufe Christi abgebildet. Auf dem Altarsockel sind Szenen aus dem Leben
Marias dargestellt. Im Norden von Villamar gelangt man auf die SP 197.
Nachdem man Villanovafranca und Las Plassas hinter sich gelassen hat,
erreicht man nach ca. 10 km Barumini. Sehenswert sind hier: das
monumentale ehemalige Kapuzinerkloster San Francesco aus dem Jahr
1609, heute Sitz eines lebendigen Kulturzentrums; der Palazzo dei
marchesi Zapata von Anfang des 17. Jh., dessen im klassizistischen Stil
gehaltene Fenster mit spätgotischen Motiven geschmückt sind; die in der
ersten Hälfte des 16. Jh. erbaute spätgotische Pfarrkirche der Beata
Auf dem links:
Das Schloß, Marmilla
Auf dem Recht:
Die Kirche von
Madonna
delle Grazie,
Sanluri
Vergine Immacolata. Man verlässt Barumini in östlicher Richtung,
durchquert die Hügellandschaft des bedeutenden Naturschutzgebietes
“Giara di Gesturi” und erreicht Orroli, in dessen Nähe sich einer der
größten Nuraghen Sardiniens befindet, der Nuraghe Arrubiu. Von dem
zentralen, von Bastionen umgebenen Turm sind noch 16 m erhalten. Hier
werden nach wie vor Ausgrabungen durchgeführt. Verlässt man Barumini
51
hingegen in westlicher Richtung, erreicht man den bekanntesten Nuraghen
Sardiniens Su Nuraxi, der von der UNESCO in die Liste des Weltkulturerbes
aufgenommen wurde. Er wurde nach 1600 v. Chr. erbaut und mindestens
bis 500 v. Chr. bewohnt. Der zentrale Turm, um den das aus Wohnhütten
und Versammlungsräumen bestehende Dorf gebaut ist, hat einen
eindrucksvollen Umfang und drei übereinander liegende Räume. Er ragt
aus der übrigen Turmanlage des Nuraghen heraus, der eine mehrpassige
Form hat. Die Besichtigung der Anlage ist ein suggestives Erlebnis, da die
Innen- und Außenbereiche von zahlreichen engen Gängen durchzogen
sind, die aus den Basaltblöcken geschlagen wurden. Folgt man der Straße
weiter, erreicht man das nahe gelegene Tuili. Im oberen Teil des Ortes
erhebt sich die Pfarrkirche San Pietro Apostolo mit dem wunderschönen
Altaraufsatz von Tuili. Er wurde vom Maestro di Castelsardo geschaffen
und ist das einzige datierte Werk dieses Künstlers. Es geht auf die Zeit
zwischen 1489 und 1500 zurück. In der Mitte ist vor dem Hintergrund der
Kreuzigung die Figur der Jungfrau mit dem Kind auf dem Thron
dargestellt; auf den Seitenteilen stehen Heiligenfiguren im Vordergrund.
Vom Süden des Ortes aus biegt man in die Straße ein, die über Pauli
Arbarei, Lunamatrona, Villanovaforru und Collinas nach Sardara führt.
Neben einer bedeutenden Kuranlage befinden sich hier auch einige
interessante Kirchen: San Gregorio mit einem wunderschönen
zweibogigen Fenster im gotischen Stil und Santa Anastasia, die auf einem
heiligen Brunnen aus der Nuraghenzeit erbaut wurde. Außerhalb des Ortes
steht in der Nähe der antiken römischen Thermen die Kirche Santa Maria is
Aquas. Entlang der Straße nach San Gavino Monreale steht auf einem
Hügel die Ruine der antiken Burg des Richters von Monreale.
52
TOUR 5
DAS GEBIET VON ORISTANO
Ales - Arborea - Santa Giusta - Oristano - Fordongianus
Dauer: ein Tag - Streckenlänge: ca. 80 km
Die Ruinen von
Tharros
Am Fuße der Bergkette des Monte Arci, der in prähistorischer Zeit wegen
seiner Obsidianvorkommen von großer Bedeutung war, liegt Ales mit
seiner herrlichen Kathedrale, die im 17. Jh. von dem genuesischen Meister
Domenico Spotorno umgebaut wurde. Im nahe gelegenen Museo
Diocesano, das demnächst eröffnet wird, sind bedeutende
Kunstgegenstände (Paramente und silberne Kirchengeräte) ausgestellt, die
die Geschichte der bischöflichen Aktivitäten dokumentieren. Auf der SS
131 erreicht man nach ca. 17 km die Abzweigung nach Uras und fährt
weiter am Zentrum vorbei bis zur Kreuzung mit der SP 126, auf die man
nach rechts abbiegt. Nach 14 km erreicht man Arborea, das im Jahr 1928
mit dem Namen “Mussolinia” gegründet wurde.
Charakteristisch ist die symmetrische Anordnung der Gebäude auf dem
Platz in der Stadtmitte. Sehenswert ist die Kirche Santa Maria Ausiliatrice
mit einem Altarbild des Malers Filippo Figari. Man verlässt Arborea in
nördlicher Richtung und fährt die Straße in Richtung Santa Giusta, das
man nach ca. 12 km erreicht. Die Ortschaft wurde auf der antiken
phönizisch-punischen Stadt Othoca errichtet, die später römisch wurde.
53
Die Kathedrale
S. Maria, Oristano
Überragt wird sie durch die auf einer Anhöhe gelegene ehemalige
romanische Kathedrale Santa Giusta, die zwischen 1118 und 1144 erbaut
wurde. Ihre Besonderheit liegt darin, dass sie als einzige Kirche Sardiniens
eine romanische Krypta besitzt, deren Gewölbe von antiken Säulen und
Kapitellen gestützt wird. Fährt man in Richtung Norden weiter, erreicht
man nach 5 km die Stadt Oristano. Auf der Piazza Mannu befand sich
eines der Tore der mittelalterlichen Stadtmauer. Von hier aus biegen wir
links ab in die Via Vittorio Emanuele, an deren Ende die Kathedrale Santa
Maria liegt. Sie wurde im 12. Jh. im romanischen Stil auf einem bereits
bestehenden byzantinischen Bau errichtet und enthält zwei prachtvolle
Marmor-Chorschranken, auf denen Löwen mit Hirschkälbern und Daniel in
der Löwengrube dargestellt sind. Ihre Rückseite wurde im Rahmen des
Ausbaus der Kathedrale von einem katalanischen Bildhauer neu bearbeitet.
Bei diesen Arbeiten wurde zudem ein gotisches Querschiff hinzugefügt,
von dem die Kapelle des Allerheiligsten oder des Trostes erhalten ist. Auf
dem Altar thront die Statue einer Madonna mit Kind, die von einem
katalanischen Bildhauer im 14. Jh. geschaffen wurde. In einer Seitenkapelle
wird die Holzstatue der Verkündigung aufbewahrt (sie wird Francesco di
Valdambrino zugeschrieben, einem toskanischen Künstler von Anfang des
15. Jh.). Zwischen 1729 und 1745 wurde die Kirche komplett umgebaut.
Dabei wurden das von Cominotti entworfene Querschiff im klassizistischen
Stil hinzugefügt. Im so genannten Archivietto (17. Jh.) werden neben den
Chorschranken zwei bronzene Türklopfer mit Löwenköpfen aufbewahrt,
die aus dem Jahr 1228 stammen und vom Meister Placentinus signiert
sind. Bedeutend ist auch eine Reihe von Kodizes mit gregorianischen
Gesangstexten, die mit wertvollen Miniaturen geschmückt sind. Die
ältesten Exemplare stammen aus dem 13. Jh. Auf dem Platz erhebt sich
der getrennt stehende, imposante mittelalterliche Glockenturm mit
spätbarocker Kuppel, die von dem savoyischen Militäringenieur Davista
entworfen wurde; in der Nähe liegen das antike Priesterseminar und das
Episkopium. Folgt man der Via Duomo, gelangt man an die Kirche San
Francesco gotischen Ursprungs, die im Jahr 1838 durch den Architekten
Gaetano Cima im Stile des Klassizismus umgebaut wurde. Sie enthält zwei
wichtige mittelalterliche Kunstwerke: Die Marmorstatue eines Heiligen
Bischofs von Nino Pisano (ca. 1360) und das so genannte Kreuz des
Nicodemus (14. Jh.). Diese große Holzstatue zeichnet sich vor allem durch
ihre dramatische Ausdruckskraft aus und ist der Kategorie der gotischen
55
Leidenskreuze zuzuschreiben. Geht man nach rechts weiter und überquert
die Piazza Eleonora, biegt man in den Corso Umberto ein und gelangt so
auf die Piazza Roma mit dem mittelalterlichen Turm di San Cristoforo (oder
Mariano). Das hervorragendste Denkmal der antiken Stadtmauer enthält
eine Bronzeglocke aus dem 15. Jh., mit der die Bevölkerung einst über die
neuesten Geschehnisse informiert wurde. Von großer Bedeutung ist auch
der monumentale Komplex von Kirche und Kloster del Carmine, die im
Laufe des 18. Jh. nach einem Entwurf des savoyischen Architekten
Giuseppe Viana erbaut wurden. Bemerkenswert ist der homogene Stil
sowohl der Architektur als auch der Innendekorationen (Stuckarbeiten,
Schmiedeeisen, Marmorintarsien). Biegt man in die Via Garibaldi ein,
erreicht man die zwischen 1343 und 1348 erbaute gotische Kirche Santa
Chiara sowie das Antiquarium Arborense, in dem zwei Tafeln des
Altaraufsatzes von San Martino aufbewahrt werden (15. Jh.) sowie
wichtige Sammlungen und archäologische Fundstücke von der
prähistorischen bis zur byzantinischen Zeit, die vor allem aus dem Gebiet
um Oristano stammen. Von Oristano nimmt man die SP 388 in östlicher
Richtung und erreicht nach ca. 25 km Fordongianus, das an der Stelle der
Der Stadtgraben aus
phönizisch-punischer
und römischer Zeit
in Tharros
antiken Stadt Forum Traiani erbaut wurde. Von dieser sind noch die
römischen Thermen erhalten, deren Wannen mit Kalt- und
Warmwasserquellen gespeist wurden und in eine suggestive Landschaft
am Ufer des Flusses Tirso eingebettet sind. Am Rande des Ortes liegt die
romanische Kirche San Lussorio. Sie ist dem heiligen Märtyrer geweiht, der
im Jahr 304 während der Verfolgungen des Kaisers Diokletian den
Märtyrertod fand.
56
Tour 6
DAS GEBIET ORISTANO
Cabras - Bosa - Santu Lussurgiu
Bonarcado - Milis - Ghilarza - Abbasanta
Dauer: zwei Tage - Streckenlänge: ca. 150 km
Das Zentrum von
Bosa
Nördlich vom Golf von Oristano verlässt man, vorbei an dem gleichnamigen
See, den Ort Cabras in Richtung Süden und fährt bis zum Kap San Marco,
der südlichsten Spitze der Halbinsel Sinis. Hier wurde von den Phöniziern,
zwischen dem 9. und 7. Jh. v. Chr., Tharros gegründet, eine der wichtigsten
Städte Sardiniens in punischer und römischer Zeit. Ihre ehemalige
wirtschaftliche Blüte ist auch durch Schmuck und andere Fundstücke aus der
Nekropole belegt, die zeigen, dass weiträumig Handel mit anderen Ländern
des westlichen und östlichen Mittelmeers getrieben wurde. Auf dem
ehemaligen Stadtgebiet sind ausgedehnte Wohnviertel und Tempelbauten
erhalten, darunter das in den Felsen geschlagene Fundament eines
Heiligtums. Auf dem Rückweg ist zunächst ein Halt an der byzantinischen
Kirche San Giovanni di Sinis eingeplant, deren Kuppel vor allem von innen
eine äußerst suggestive Wirkung hat; anschließend geht es weiter zum
unterirdischen Heiligtum San Salvatore, das unter anderem bekannt ist, weil
in dem darüber liegenden Dorf zahlreiche Italowestern gedreht wurden. Das
Heiligtum liegt auf einer alten Wasserkultstätte. In den unterirdischen Räumen
sind auch Zeichnungen, Malereien und Inschriften aus der Römerzeit erhalten.
Man fährt nun die Straße bis Cabras zurück und biegt in Richtung Norden auf
57
die Küstenstraße 292 ab. Nach ca. 60 km erreicht man das Zentrum von
Bosa. Im Corso Vittorio Emanuele II, der Hauptverkehrsader des Städtchens ist
in der „Casa Deriu” (Nummer 57) die Pinacoteca Comunale untergebracht.
Sie zeigt die Werke des Malers, Dekorateurs und Keramikkünstlers Melkiorre
Melis, einem der wichtigsten Förderer der Angewandten Kunst im 20. Jh. in
Sardinien. Die Burg der Malaspina auf dem Hügel von Serravalle wurde ab
1112 in verschiedenen Phasen erbaut. Innerhalb der Burgmauer steht die
gotische Kapelle Nostra Signora de sos Regnos altos mit Fresken aus dem 14.
Jh. (verteilt auf drei Wände): Das letzte Abendmahl, eine Reihe von
weiblichen Heiligen und Die legende über die drei Lebenden und die drei
Toten. Geht man das linke Ufer des Temo aufwärts und schlägt anschließend
die Via Sant’Antonio Abate ein, gelangt man zu der romanischen Kirche San
Pietro extra-muros, die zwischen 1073 und 1300 als Kathedrale von Bosa
erbaut wurde. Man fährt nun 23 km auf der Straße 292 zurück bis Cuglieri
und biegt in Richtung Santu Lussurgiu ab. Nach 14 km kommt man an eine
Gabelung, die in den Wald zur der romanischen Kirche San Leonardo di Siete
Fuentes führt. Aufgrund der günstigen Lage wurde an diesem Ort auch ein
Spital des Templerordens “Ospedalieri di San Giovanni” erbaut, das bereits im
14. Jh. erwähnt wird. Man fährt nun weiter in Richtung Süden. 8 km nach
Innenansicht
des heiligen
Brunnens S. Cristina,
Paulilatino
Santu Lussurgiu erreicht man Bonarcado, eine Ortschaft am Fuße des
Montiferru. Hier befindet sich der Komplex Santa Maria, bestehend aus einer
Wallfahrtskirche und einer Kirche. Die byzantinische Wallfahrtskirche wurde
auf den Resten einer aus Ziegelsteinen erbauten römischen Therme errichtet
und ist der Madonna di Bonacattu geweiht. Dieser Name entstammt dem
Volksmund und geht über mehrere Umwege auf den Namen der
ursprünglichen Wallfahrtskirche zurück, die der zu byzantinischer Zeit
verehrten Unbefleckten Jungfrau (“Panachrantos”) geweiht war. Im Inneren
58
das Bildnis der Jungfrau in einem Terrakottarelief aus dem 15. Jh.. Die
nördliche Fassade wurde im neoromanischen Stil gestaltet. Die romanische
Kirche Santa Maria entstand in zwei Bauphasen und wird in den Condaghe di
Santa Maria di Bonarcado genannt, der zwischen dem 12. und 13. Jh.
entstanden ist. Dabei handelt es sich um einen Pergamentkodex, in dem die
Aufzeichnungen der Klosterverwaltung festgehalten wurden. Heute wird er in
der Universitätsbibliothek Cagliari aufbewahrt. Dieses Dokument bietet einen
interessanten Einblick in die Gesellschaft der damaligen Zeit, denn abgesehen
von den Besitztümern des Klosters ist darin auch die Rede von denVerbindungen der Mönche mit anderen, mehr oder weniger bedeutenden Institutionen.
Fährt man nach Süden weiter, erreicht man nach 8 km die kleine Ortschaft
Milis, an deren Rand innerhalb der Friedhofsmauern die romanische Kirche San
Paolo steht. Im nahe gelegenen San Vero Milis kann man den eindrucksvollen
Nuraghen S’Uraki besichtigen, der nach wie vor Ausgrabungsstätte ist. Weiter
geht es auf der SS 131 in Richtung Abbasanta. Nach ca. 22 km nimmt man die
Abzweigung nach Ghilarza, das man nach 3 km erreicht. Am nördlichen Rand
dieser Ortschaft steht, in der Nähe eines Wachturms aus aragonesischer Zeit die
romanische Kirche San Palmerio. Verlässt man Ghilarza in östlicher Richtung,
gelangt man an die Abzweigung nach Boroneddu. Hier nimmt man die
ansteigende Straße links und gelangt nach wenigen Kilometern in den Ortsteil
Zuri, wo die zwischen 1291 und 1336 entstandene gotische Kirche San Pietro
zu besichtigen ist. Eine wichtige Rolle kam bei dem Bau der Kirche den
auftraggebenen Richtern zu, insbesondere Mariano II de Bas Serra. Er
beauftragte den Meister Anselmo da Como mit dem Bau dieser komplett im
gotischen Stil gehaltenen Kirche. In den zwanziger Jahren des letzten
Jahrhunderts wurde die Kirche von ihrem ursprünglichen Standort abgebaut
und Stein für Stein an der jetzigen Stelle wieder errichtet. Man wollte
verhindern, dass sie im Rahmen der Entstehung des “Lago Omodeo”, dem
künstlichen Staubecken des Tirso, überflutet wird. Von Ghilarza aus biegt man
auf die “Carlo Felice” (SS 131) ab. Genau auf Höhe der Abzweigung kann man
den wunderschönen Nuraghen Losa besichtigen, der auf die Bronzezeit
zurückgeht. Er zeichnet sich durch die dreipassige Form und teilweise
verwegene Konstruktion aus. Nach kurzer Zeit verlässt man die “Carlo Felice”,
um das nuraghische Heiligtum Santa Cristina zu besichtigen, das aus einem
Brunnentempel (11. Jh. v. Chr.) besteht. Dieser ist zu Recht für die ausgeklügelte
Technik bekannt, mit der die Basaltsteine zugeschnitten und zu der Treppe und
dem heiligen Brunnen mit falscher Kuppel zusammengesetzt wurden.
59
TOUR 7
SASSARI
Dauer: ein halber Tag
Die Gründung der Kathedrale San Nicola geht auf das 12. Jh. zurück; aus dieser
Zeit blieb jedoch nur der romanische Glockenturm erhalten. In der weiteren
Baugeschichte ist 1441 ein wichtiges Datum. In diesem Jahr wurde der Sitz der
Diözese von Porto Torres nach Sassari verlegt und die Kreuzgewölbe im gotischkatalanischen Stil errichtet. Fassade und Arkaden wurden vor 1718 erneuert. In
den Nischen der letzteren befinden sich Statuen des Hl. Nikolaus sowie der
Märtyrer Gavino, Proto und Gianuario. Die Kirche beherbergt wichtige
Kunstwerke, darunter der Hauptalter mit der Madonna del Bosco aus dem 14.
Jh., einige wertvolle Gemälde und das klassizistische Mausoleo di Placido
Benedetto di Savoia, Conte di Moriana, ein Werk Felice Festas (1807).
Die Kathedrale von
San Nicola, Sassari
60
Interessant ist auch die Sammlung des Museo Diocesano (Silberwaren,
Paramente und die prächtige hölzerne Prozessionstafel aus dem 16. Jh.). Auf
der hinter dem Dom gelegenen Piazza del Comune erhebt sich der
monumentale Palazzo Ducale. Er wurde im Auftrag des Duca di Vallombrosa
zwischen 1775 und 1806 von dem piemontesischen Ingenieur Carlo Valino in
Neurenaissancestil erbaut und ist heute Sitz der Stadtverwaltung. Biegt man in
die Via Turritana ein und anschließend rechts in die Via Università, gelangt man
zum Palazzo dell’Università. Von Interesse ist die Ausgestaltung der Aula Magna
(Auditorium Maximum), die zwischen 1928 und 1930 von Mario Delitala
ausgeführt wurde. Er schuf vier große Tafeln, auf denen Szenen dargestellt sind,
die mit der Geschichte der Universität Sassari in Zusammenhang stehen.
Derselbe Künstler hat zwei große Gemälde mythologischen Inhalts geschaffen,
die die Aula Magna des nahen Liceo Classico “D.A. Azuni”schmücken.
Durchquert man erneut den Park und das “Emiciclo Garibaldi”, gelangt man
auf die Piazza d’Italia mit dem eindrucksvollen Palazzo della Provincia, der
zwischen 1873 und 1880 im Stile des Klassizismus nach einem Entwurf von
Eugenio Sironi und Giovanni Borgnini erbaut wurde. Der im ersten Stock
gelegene Sitzungssaal ist mit Fresken des Sizilianers Giuseppe Sciuti (1881)
ausgemalt. Auf dem Platz ist außerdem der neugotische Palazzo Giordano zu
nennen, der 1878 von dem Architekten Luigi Fasoli erbaut wurde. Zwei seiner
Säle wurden von dem Maler Guglielmo Bilancioni aus Rimini mit Fresken
dekoriert. Von der Piazza aus biegt man in die Via Roma ein und erreicht den
Palazzo di Giustizia (Gerichtsgebäude). Das Gebäude wurde in mehreren
Abschnitten errichtet, der ursprüngliche Entwurf geht jedoch auf das Jahr 1929
zurück. Die Verwendung roten Trachits und der Säulengang im Stil der Antike
sind typische Motive der monumentalen und repräsentativen Bauweise. Im
Inneren sei auf das Mosaico dello Scalone von Giuseppe Biasi hingewiesen. In
der Via Roma befindet sich auch das Museo Nazionale “G. A. Sanna”; der
Großzügigkeit dieses Unternehmers und Politikers aus Sassari verdankt es seine
Entstehung Ende des 19. Jh. Es enthält eine wichtige Sammlung archäologischer Fundstücke von der Prähistorie bis zur byzantinischen Zeit, eine Pinacoteca
mit bedeutenden Tafelbildern des 15. und 16. Jh., sowie wertvolle Gemälde von
Giovanni Marghinotti aus dem 19. Jh. Geht man die Viale Umberto in Richtung
norden entlang, gelangt man auf die Piazza Mercato mit der Chiesa della
Trinità. Rechts von dem Gebäude führt eine Treppe zum Brunnen Fonte di
Rosello, der mit den Statuen der vier Jahreszeigen geschmückt ist. Er wurde von
genueser Marmorbildhauern 1606 im Stile der Spätrenaissance geschaffen.
61
TOUR 8
DAS GEBIET SASSARI
Alghero - Fertilia - Porto Torres - Codrongianos - Ardara - Torralba
Dauer: ein Tag - Streckenlänge: ca. 150 km
Innenansicht
des Kirche von
San Gavino,
Porto Torres
Alghero ist ein hübsches Küstenstädtchen mittelalterlichen Ursprungs. Bis
heute haben sich der Befestigungsgürtel aus aragonesischer Zeit und der
Gebrauch der katalanischen Sprache erhalten. Auf der Piazza Duomo steht
die Kathedrale Santa Maria, deren ursprünglicher Bau ein Beispiel für den
reinen gotisch-katalanischen Stil ist, während Innenraum und Fassade Ende
des 18. Jh. umgestaltet wurden. Sie beherbergt das klassizistische
Mausoleo del Duca di Monferrato, Bruder des Königs Carlo Felice di
Savoia, der 1799 starb, ein Werk des Bildhauers Felice Festa (1807). Das
anliegende Museo Diocesano ist im ehemaligen Oratorium Nostra Signora
del Rosario untergebracht und enthält wertvolle Kirchengeräte aus Silber,
mit Filigran und Korallen, sowie antike Heiligenbilder aus Holz und
Gemälde. Von der Via Roma hinter dem Dom biegt man in die Via Carlo
Alberto ein, in der die zwischen dem 15. und 16. Jh. erbaute Kirche San
Francesco steht. Sehenswert ist das wunderschöne Sterngewölbe des
Presbyteriums, der Marmoraltar aus dem 18. Jh., die reichhaltigen
Dekorationen und der Kreuzgang; eindrucksvoll das Andachtsbild des
62
Cristo rosegat. Geht man die Via Carlo Alberto weiter, erreicht man die
Jesuitenkirche San Michele. Sie wurde in der zweiten Hälfte des 17. Jhs.
von dem ligurischen Meister Domenico Spotorno errichtet, der die
Kathedralen von Cagliari und Ales im barocken Stil umgebaut hat. Ca. 6
km nördlich von Alghero erreicht man die (zwischen 1935 und 1939
entstandene) Ortschaft Fertilia. Die gleichmäßige Straßenanordnung ist
typisches Merkmal für diese auf dem Reißbrett entstandenen Orte, die
man während des faschistischen Regimes in Sardinien errichtete. Fährt
man ca. 34 km weiter in Richtung Norden, gelangt man in das
Küstenstädtchen Porto Torres, das im 1. Jh. v. Chr. von den Römern als
Kolonie Turris Libisonis gegründet wurde. Die archäologische
Ausgrabungsstätte umfasst einen Großteil der römischen Thermen sowie
Abschnitte des Aquäduktes und der Nekropolis, auf der sich die
romanische Kirche San Gavino befindet. Der romanische Bau wurde
zwischen dem 11. und 12. Jh. mit dem Kalkstein aus der Umgebung
errichtet, der sich durch seine warmen Farbtöne auszeichnet. Vorher
hatten hier bereits zwei andere Kirchen gestanden. Bis zur Versetzung des
Bischofssitzes nach Sassari im Jahr 1441 hatte sie die Funktion einer
Kathedrale. Der Bau der Krypta geht auf den Fund der Reliquien der
Das Zetrum von
Alghero
Märtyrer Gavino, Proto und Gianuario Anfang des 17. Jh. zurück. Man
biegt nun auf die Straße in Richtung Sassari ein, und erreicht nach
wenigen Kilometern Monte d’Accoddi, wo eine faszinierender,
terrassenförmig angelegter Tempelaltar zu besichtigen ist (2800-2600 v.
Chr.). Er wird der Typologie der mesopotamischen Ziqqurrat zugeschrieben.
Ca. 13 km südlich von Sassari erreicht man über die SS 131 auf einer
63
kleinen Anhöhe die romanische Kirche Santissima Trinità di Saccargia auf
dem Gebiet von Codrongianos. Die einsam gelegene Kirche war Teil eines
(seit 1112 dokumentierten) Benediktiner- und Kamaldulenserklosters,
dessen Überreste noch Gegenstand archäologischer Forschungen sind. Die
Kirche wurde während des 12. Jh. erbaut und ist eines der berühmtesten
romanischen Baudenkmäler Sardiniens, aufgrund seines ungewöhnlich
hohen (teilweise rekonstruierten) Glockenturms und der zweifarbigen
Struktur (mit Streifen aus weißem Kalkstein und schwarzem
Vulkangestein). In der Kirche sind die Fresken der mittleren Apsis erhalten,
die Ende des 12. Jh. von einem pisanischen Künstler geschaffen wurden.
Sie sind in vier Reihen angeordnet: die unterste zeigt einen vorgetäuschten
Stoffvorhang, eine vor San Benedetto kniende Gestalt und Szenen des
Leidens Christi: “Das letzte Abendmahl”, “Der Judaskuss”, “Die
Kreuzigung”, “Die Grablegung”, “Die Höllenfahrt”. Darüber sind die
Madonna, der Hl. Paulus und Apostel dargestellt, während ganz oben der
Christus in der Mandorla zwischen Engeln und Erzengeln abgebildet ist.
Von Saccargia aus gelangt man in Kürze an die Abzweigung nach Ardara.
Nach ca. 10 km erreicht man den am Montesanto gelegenen Ort, der im
Mittelalter von Bedeutung war, da sich hier der Sitz der Richter von Porto
Torres befand. Von der Burg sind jedoch nur noch einige Ruinen zu sehen.
Erhalten geblieben ist dagegen die anliegende Burgkapelle, die romanische
Kirche Santa Maria del Regno. Aufgrund ihrer strategischen Position
oberhalb des Dorfes ist sie eine der eindrucksvollsten romanischen Kirchen
der Insel. Im Presbyterium befindet sich der prachtvolle Größere
Altaraufsatz von Ardara (1515), von eindrucksvoller Dimension, auf dem
Szenen aus dem Leben Marias dargestellt sind. Auf dem Altarsockel sind
Heiligenfiguren abgebildet, darunter San Gavino. Die vordere Tafel in der
Mitte des Altarsockels mit dem Christus im Elend wurde von Giovanni
Muru geschaffen. Fährt man die SS 131 weiter in Richtung Süden, erreicht
man auf dem Gebiet von Torralba das so genannte “valle dei nuraghi”
(Nuraghental). Hier ist insbesondere der Nuraghe Santu Antine zu nennen,
der zusammen mit dem “Su Nuraxi di Barumini” und “Losa di Abbasanta”
einen der vollständigsten Einblicke in die nuraghische Architektur bietet.
Santu Antine ist ein dreipassiger Nuraghe mit einer robusten Bastion,
bestehend aus drei kleineren Türmen, die zur Verstärkung des zentralen
Turmes dienen. Dieser erreicht noch heute eine Höhe von ca. 18 m.
64
TOUR 9
DAS GEBIET OLBIA-TEMPIO
Olbia - Porto Rotondo - Porto Cervo
La Maddalena - Caprera - Tempio Pausania
Dauer: ein Tag - Streckenlänge: ca. 155 km
Die Kirche Stella
Maris,
Porto Cervo
Die Umgebung der Stadt Olbia wird seit dem Neolithikum von Menschen
bewohnt. Archäologische Funde weisen zwar auf keine griechische
Stadtgründung hin, belegen jedoch eine kontinuierliche Besiedlung, wie sie
allen wichtigen Küstenorten Sardiniens gemeinsam ist. In der in der Nähe
des Bahnhofs gelegenen Via San Simplicio befindet sich die aus Granit
gebaute romanische Kirche San Simplicio aus dem Anfang des 12. Jhs.
Verlässt man Olbia in Richtung Norden und biegt man auf die Provinzstraße
der Costa Smeralda ein, erreicht man nach ca. 20 km Porto Rotondo. Dieser
berühmte Badeort verfügt über einen modern ausgestatteten Yachthafen,
dessen Gebäude rund um die Piazzetta San Marco liegen. Interessant ist das
Freilichttheater mit einer weitläufigen, halbrunden Tribüne aus
naturbelassenem Granit. Es wurde 1995 eingeweiht und von dem Künstler
Mario Ceroli ins Leben gerufen, der auch die örtliche Kirche San Lorenzo
entworfen hat. Das Theater bietet Raum für die verschiedensten
Veranstaltungen und hat ein Fassungsvermögen von bis zu 700 Besuchern.
An der Kreuzung fährt man in Richtung Westen und trifft bei Kilometer 24,5
erneut auf die Provinzstraße der Costa Smeralda. Man fährt nun weiter in
65
Partikular des Retabel,
Ozieri
Richtung Porto Cervo, das man nach ca. 27 km erreicht. Der größte Ort der
Costa Smeralda ist auch die erste Siedlung, die seit 1962 auf dem Gebiet
des Konsortiums errichtet wurde. Ein wunderschönes Panorama bietet sich
von der Kirche Stella Maris aus, die von Michele Busiri Vici im typisch
mediterranen Baustil der Costa Smeralda entworfen wurde. Fährt man ca.
18 km in Richtung Hinterland und biegt auf die SS 125 in Richtung Norden
ab, erreicht man nach ca. 18 km Palau. Von hier aus kann man die Fähre
nach La Maddalena nehmen, dem einzigen bewohnten Ort des
gleichnamigen Archipels. Von der Piazza Garibaldi aus (wegen der Farbe der
Bepflasterung auch “roter Platz” genannt) gelangt man über den Largo
Matteotti zur Pfarrkirche Santa Maria Maddalena. Im Innenraum werden
noch zwei Kerzenleuchter und ein silbernes Kreuz aufbewahrt, die von
Admiral Nelson gestiftet wurden. Auch ein Autogramm von ihm ist erhalten.
Lässt man das Wohnviertel hinter sich und geht von der Piazza Umberto I.
die Strandpromenade entlang, die durch den Vorort Moneta führt, kann
man die Mole überqueren, die die Insel mit Caprera verbindet. Der Weg
führt leicht nach oben zu einem Pinienhain und gabelt sich dann: der linke
Weg führt zu dem weitläufigen Areal des Compendio Garibaldino. Dieser
Museumskomplex umfasst Gebäude, Erinnerungsstücke und den gesamten
ehemaligen Besitz von Giuseppe Garibaldi, die dem italienischen Staat
übertragen wurden und von diesem restauriert und als Museum eingerichtet
wurden. Höhepunkt der Besichtigung ist die Casa Garibaldi, das ehemalige
Wohnhaus Garibaldis. Die Einrichtung spiegelt die ursprüngliche Aufteilung
der einzelnen Räume wider, auch wenn diese im Laufe der Jahre verändert
worden war: Waffen, Fahnen, Kleidungsstücke, Möbel sowie zahlreiche
Fotografien und Gemälde (das wertvollste ist ein Porträt, das Saverio
Altamura 1860 von Garibaldi in Person angefertigt hat) geben Aufschluss
über die letzten 26 Lebensjahre des “Generale”. Man kehrt nun auf die SP
133 zurück, biegt nach links ab und folgt 23 km lang den Beschilderungen
nach Tempio Pausania. Das Zentrum der Ortschaft liegt hoch oben auf einer
Terrasse nordwestlich vom Limbaramassiv. Erwähnenswert ist der Bahnhof,
an dessen Gestaltung der Maler Giuseppe Biasi beteiligt war. Der Künstler
hat sich mit einem langen Fries über der Holzverkleidung des Schalterraums
verewigt. Biasi stellt seine bevorzugten Motive in ausdrucksvollem
Ornamentalstil dar: die Frauen von Osilo, die Trinker, sowie Szenen aus dem
Alltagsleben, die sich perfekt mit dem Thema Bahnhof verbinden.
67
TOUR 10
DAS GEBIET NUORO
Nuoro - Galtellì - Dorgali
Dauer: ein halber Tag - Streckenlänge: ca. 50 km
Museums über Leben
und Traditionen des
sardischen Volkes
in Nuoro
Das historische Stadtviertel Nuoros, San Pietro, fällt zur Piazza Sebastiano Satta
hin ab. Der Platz wurde im Jahr 1967 nach Plänen von Costantino Nivola neu
gestaltet. Seine Besonderheit besteht in dem Kontrast zwischen den
Granitskulpturen und dem bestehenden Architekturstil der Häuser, die
hauptsächlich aus dem 18. und 19. Jh. stammen, darunter auch das
Geburtshaus des Dichters. Neben den weiß bemalten Gebäuden und den über
den ganzen Platz verteilten großen Granitblöcken hat Nivola zur Bereicherung
des Platzes einige kleine Nischen mit Bronzestatuen versehen (die Originale
sind im MAN ausgestellt), die den Dichter in unterschiedlichen
Lebenssituationen darstellen. Nicht weit von hier ist in einem Palazzo aus dem
19. Jh. in der Via Satta Nr. 15 (hinter dem Corso Garibaldi) das MAN-Museo
d’Arte della Provincia di Nuoro untergebracht. Es wurde im Jahr 1999
eingeweiht und zeigt auf zwei Stockwerken hundert Werke sardischer Künstler
des 20. Jh., die aus den Sammlungen der vier öffentlichen Verwaltungen
Nuoros: Provinz, Stadt, Industrie- und Handelskammer sowie EPT ausgewählt
wurden. Zu sehen sind unter anderem bedeutende Gemälde und Skulpturen
von Francesco Ciusa, Antonio Ballero, Giuseppe Biasi, Mario Delitala, Carmelo
68
Floris, Giovanni Ciusa Romagna und Costantino Nivola. Im Erdgeschoss und
letzten Stockwerk ist dagegen Raum für vorübergehende Ausstellungen. Man
geht den Corso Garibaldi weiter bis zur Piazza Giovanni und überquert erneut
die Piazza Vittorio Emanuele II. Über die Via Guerrazzi gelangt man in die Via
Antonio Mereu, wo sich das Museo della Vita e delle Tradizioni popolari sarde
befindet. Das Museum besteht aus 18 Räumen, in denen Kleidungsstücke,
typische Gebrauchsgegenstände und sardische Werkzeuge ausgestellt werden.
Außerdem werden traditionelle Trachten aus verschiedenen Gegenden gezeigt,
vor allem aus der Barbagia. An den vielfarbigen Stoffen, dem Schnitt und den
feinen Stickereien kann man den jeweiligen Herkunftsort der Trachten ablesen
Teppiche, Decken, Läufer und Satteltaschen zeigen die unterschiedlichen
Webtechniken. Ein weiterer interessanter Bereich ist dem Schmuck gewidmet.
Ausgestellt sind Knöpfe, Broschen, Halsketten, Ohrringe, Reliquiare und
Amulette. Die Sammlung umfasst auch eine Reihe traditioneller Brotsorten und
Süßgebäck, mit Schnitzereien geschmückte Stühle und Truhen, sowie eine
Reihe alltäglicher Gegenstände wie Brotstempel, Becher aus Knochen und
Horn sowie Feldflaschen aus Kürbis. Sehr interessant ist auch eine Sammlung
traditioneller Masken, die beim Karneval der Barbagia getragen werden. Kehrt
man die Via Mereu zurück, gelangt man auf den großen Platz, dessen
Sebastiano Satta
Platz, Nuoro
eindrucksvolle Kulisse die Kathedrale Santa Maria della Neve bildet. Sie wurde
zwischen 1833 und 1854 nach Plänen und unter Leitung des Mönches
Antonio Cano erbaut und fällt durch ihre klassizistische Fassade auf. Im
Kircheninneren befinden sich einige bedeutende Kunstwerke, darunter die von
Carmelo Floris und Giovanni Ciusa Romagna bemalten Kreuzwegtafeln. Biegt
man von der Piazza Giovanni aus links in die Via Asproni ein, erreicht man das
69
Museo Deleddiano in der Via Grazia Deledda Nr. 42. In diesem Museum im
Geburtshaus der Schriftstellerin sind persönliche Gegenstände, Fotografien,
Briefe, italienische und ausländische Erstausgaben ihrer Werke, Autogramme
und Pressemitteilungen ausgestellt sowie verschiedene private Zeugnisse.
Außerdem ist eine Kopie der Verleihungsurkunde des Literaturnobelpreises zu
sehen, mit dem sie 1926 ausgezeichnet wurde. Geht man anschließend die
Via Chironi entlang, gelangt man zur Viale della Solitudine mit der Kirche
Chiesa della Solitudine, die zwischen 1947 und 1954 nach einem Entwurf von
Giovanni Ciusa Romagna an der Stelle einer ehemaligen Kirche aus dem 17.
Jh. erbaut wurde, mit der Grazia Deledda sehr verbunden war. Seit 1959 liegt
sie hier begraben. Das neue Gebäude bewahrt den einfachen Charakter der
von der Schriftstellerin beschriebenen Kirche bei. Bereichert wird es durch
einen Beitrag Eugenio Tavolaras, der mit der Ausführung des großen
Bronzeportals, des Kreuzwegs, des Tabernakels, der Kerzenleuchter und des
Kreuzes beauftragt wurde. Biegt man von Nuoro auf die SS 129 ab, erreicht
man nach 21 km das Zentrum von Galtellì, dem im Mittelalter als Sitz der
Diözese eine wichtige Rolle zukam. Am Ortsrand innerhalb der
Friedhofsmauern stehen die unvollendete Kathedrale und die antike Kirche San
Pietro mit Fresken aus dem 13. Jh. Grazia Deledda beschreibt sie in ihrem
Roman Canne al vento. Nach weiteren 21 km auf der SS 125 erreicht man
Dorgali, einen bekannten Urlaubsort, in dem sich unter anderen das Museo
Salvatore Fancello befindet. Das Museum ist im Corso Umberto in der “Casa
Dore” untergebracht und dem Keramikkünstler Salvatore Fancello aus Dorgali
gewidmet, der während des Zweiten Weltkriegs 1941 starb. Die Sammlung
zeigt einen Teil seines äußerst reichhaltigen künstlerischen Werkes. Besonders
interessant ist eine großformatige Zeichnung, die anlässlich der Hochzeit seines
Freundes und Bildhauers Costantino Nivola entstand und ländliche Szenen mit
Phantasietieren zeigt.
Gräber “Tomba dei
Giganti”, Dorgali
TOUR 11
DAS GEBIET NUORO
Silanus - Ottana - Orani - Olzai - Fonni - Atzara
Dauer: ein Tag - Streckenlänge: ca. 125 km
Die romanische
Kathedrale
S. Nicola,
Ottana
Die Ortschaft Silanus liegt an den Hängen des Monte Arbo. Folgt man
außerhalb den Beschilderungen, erreicht man den Nuraghen und die
romanische Kirche Santa Sabina. Diese wurde im 11. Jh. erbaut und ist die
einzige romanische Kirche Sardiniens mit einem kreiförmigen Grundriss,
Apsis und Kuppel. Man fährt weiter auf der SS 129 in Richtung Nuoro und
biegt nach ca. 7 km rechts nach Ottana ab, das man nach ca. 10 km und
Überquerung der SS 131 erreicht. Am südlichen Rand der Ortschaft steht
in erhöhter Position die romanische Kathedrale San Nicola, die 1160 von
Bischof Zaccaria geweiht wurde. Im Innenraum befindet sich das mit
Tempera auf Holz gemalte Altarbild von Ottana aus dem 14. Jh. auf
goldenem Hintergrund. Es ist in drei Abschnitte unterteilt, auf denen der
Hl. Nikolaus und Hl. Franziskus dargestellt sind. Die Seitenteile enthalten
Szenen mit den wichtigsten Ereignissen aus dem Leben der Heiligen. Der
interessanteste Teil ist jedoch die Spitze mit der Madonna mit dem Kind
auf dem Thron. Zu ihren Füßen knien der Bischof Silvestro und der junge,
mit Schwert und Hermelin bekleidete Adelige Mariano IV d’Arborea
nieder, dessen Identität anhand der gemalten Inschrift festzustellen ist.
71
Fährt man die SS 131 d.c.n. in Richtung Nuoro weiter und biegt nach ca.
15 km auf die SP 128 ab, erreicht man nach ca. 9 km den Ort Orani. In
der Via Gonare 2 ist in dem ehemaligen, restaurierten Waschhaus der
Gemeinde das Museo Costantino Nivola untergebracht, das im Juni 1995
eingeweiht wurde. Die ausgestellten Werke zeigen die wichtigsten
Etappen im künstlerischen Schaffen von Costantino Nivola, der in Orani
geboren wurde und einer der kreativsten zeitgenössischen Bildhauer ist.
Die stets enge Beziehung des Künstlers zur Kultur seines Heimatortes ist
deutlich zu erkennen. In der Hauptsache sind Skulpturen aus Marmor und
Travertin zu sehen, aber auch einige Keramiken sowie Werke aus Bronze
und Beton. 2004 wurde zudem ein Bereich eingerichtet, in dem die
Entwürfe der Murales gezeigt werden, mit denen Nivola einige große
öffentliche Gebäude in den Vereinigten Staaten bemalt hat. Ca. 7 km
südlich von Orani biegt man in Richtung Olzai ab, das man nach ca. 5 km
erreicht. Im Stadtviertel Sant’Anastasio steht in der gleichnamigen Straße
die Casa Museo di Carmelo Floris, das ehemalige Wohnhaus Eine der
wichtigsten Vertreter der sardischen Kunst im 20. Jh. Das alte Gebäude
wurde von der Stadt Olzai erworben und im Jahr 2001 restauriert, wobei
man darauf achtete, seine ursprüngliche Struktur auf bestmögliche Weise
Auf dem links:
Der Pestaltar,
Olzai
Auf dem Recht:
Pestaltar, Olzai
zu erhalten. Im zweiten Stock befindet sich das wunderschöne,
lichtdurchflutete Atelier, von dem aus Carmelo Floris einen Blick auf die
reizvolle Landschaft, die kleinen Steinhäuser und die majestätischen Berge
hatte, die auf seinen Bildern zu sehen sind. In der Kirche Santa Barbara
befindet sich der interessante Altaraufsatz della Peste, der von einem
anonymen Meister (bekannt als Meister von Olzai) Ende des 15. Jh.
73
geschaffen wurde. Der Künstler gilt als der erste Vertreter einer eigenen
sardischen Malerschule. Man fährt weiter auf der 128 und biegt nach
Fonni ab. Über die Hauptverkehrsader der Ortschaft, den Corso Carlo
Alberto, gelangt man an den Platz der Wallfahrtskirche Vergine dei Martiri.
Der Gebäudekomplex besteht aus dem Kloster, der Basilika und dem
Oratorium San Michele. Kloster und Kirche wurden um 1632-33 fertig
gestellt, die cumbessìas (Pilgerhütten) und das Oratorium wurden im Laufe
des folgenden Jahrhunderts errichtet. Von Interesse sind die Umbauten des
18. Jh., in deren Rahmen eine neue Wallfahrtskirche mit dem Namen
“Sancta Maria ad Martires” erbaut wurde; hingewiesen sei auch auf die
originellen volkstümlichen Gemälde von Pietro Antonio und Gregorio Are.
Folgt man der Straße 128 weiter in Richtung Süden erreicht man, vorbei
an Sorgono, nach ca. 40 km das Städtchen Atzara. Auf der Piazza Antonio
Ortìz Echagüe befindet sich das Museo d’Arte Moderna e Contemporanea
(Museum für moderne und zeitgenössische Kunst). Seine Entstehung ist
eng mit bedeutenden Entwicklungen des frühen 20. Jh. verknüpft. Zu
dieser Zeit kamen spanische Maler des Costumbrismo nach Atzara,
fasziniert von dessen lokalen Traditionen. So wurde das lebhafte Atzara
Zentrum der Entstehung einer autochthonen malerischen Ausdrucksform
Auf dem links:
La festa della
confraternita
di Atzara, von
Antonio Ortiz
Echagüe
Auf dem Recht:
Innenraum der
Kirche della Vergine
dei Martiri, Fonni
mit spanischen Wurzeln und wichtiger Abschnitt in der Laufbahn vieler
bedeutender Künstler, die sich hier mehr oder weniger lange aufhielten:
Francesco Ciusa, Antonio Ballero, Giuseppe Biasi, Filippo Figari, Mario
Delitala, Carmelo Floris, Stanis Dessy, um nur einige der bekanntesten zu
nennen, deren Werke in der reichhaltigen Sammlung enthalten sind. Des
Weiteren sind vertreten: Antonio Ortiz Echagüe, Bernardino Palazzi, Pietro
Antonio Manca, Mauro Manca, Gino Frogheri, Antonio Atza, Gavino
Tilocca und viele andere.
74
TOUR 12
DAS GEBIET OGLIASTRA
Muravera - Villaputzu - Barisardo - Lanusei - Tortolì
Dauer: ein Tag - Streckenlänge: ca. 110 km
Auf dem links und in
der anderen Seite:
Gemälde Ziklus
des lebens Maria
Maddalena
und Christi von Mario
Delitala,
Lanusei
Man fährt auf der Panoramastraße Orientale Sarda (SS 125) bis man das
Zentrum von San Priamo mit der gleichnamigen Wallfahrtskirche hinter
sich gelassen hat. Nach ca. 10 km erreicht man das Städtchen Muravera.
Sehenswert ist die Pfarrkirche San Nicola. Sie wurde im 16. Jh. im
spätgotischen Stil erbaut und hat einen quadratischen Glockenturm (160910). Im Innenraum sind Marmorarbeiten aus dem 17. Jh., Holzaltäre und
schöne Statuen zu besichtigen.
Ganz in der nähe steht der arabisch anmutende Turm dei Cinque Cavalli,
auffallend durch seine für Sardinien unüblichen Formen.
Nur ca. 3 km entfernt liegt die Ortschaft Villaputzu mit der schönen
Pfarrkirche aus dem 18. Jh., die der Santa Caterina d’Alessandria geweiht
ist. Der Innenraum mit seinen sechs Altären ist mit prächtigen
Marmorintarsien im Rokokostil geschmückt, die aus der gleichen Zeit
stammen. Von Interesse sind auch einige schöne zwischen dem 16. und
18. Jh. entstandene Holzskulpturen.
Fährt man weiter auf der SS 125, erreicht man ca. 10 km hinter Villaputzu
die romanische Kirche San Nicola. Sie ist eine von zwei sardischen
77
Backsteinkirchen und wurde gegen Ende des 12. Jh. erbaut. Das
einschiffige Kircheninnere ist mit einer Holzdecke ausgestattet. Das Äußere
ist mit Hängebögen verziert, die von Kragsteinen mit geometrischen
Verzierungen gestützt werden.
Folgt man der SS 125 in nördlicher Richtung, erreicht man nach ca. 50 km
das Städtchen Barisardo. Sehenswert ist hier die Pfarrkirche Nostra Signora
di Monserrato mit einem schönen, 35 m hohen Glockenturm aus dem 18.
Jh.. Sie wurde nach einem Entwurf des fähigen piemontesischen
Architekten Giuseppe Viana (1778) erbaut.
Die einschiffige Kirche hat einen kreuzförmigen Grundriss, drei Kapellen
auf jeder Seite und Tonnengewölbe.
Die achteckige Kuppel ist ein klarer Ausdruck für die barocke
Grundrichtung des Baus. Er wurde erst Ende des 18. Jh. abgeschlossen, als
die Kirche ihre Marmoraltäre bekam, die von den lombardischen
Marmormeistern Michele Spazzi und Giovanni Battista Franco geschaffen
wurden. Im Innenraum befindet sich eine Kopie der Heiligen Familie
Francescos I. von Raffael (datiert 1559) und eine schöne Holzstatue der
Rosenkranzmadonna des Neapoliteners Gaetano Franzese.
Man biegt nun auf die SP 390 ab und fährt ca. 15 km bis Lanusei, das sich
in einer wunderschönen Panoramalage befindet. In dieser Stadt, Sitz der
Diözese, steht die Kathedrale Santa Maria Maddalena, eine moderne
Kirche aus dem Jahr 1860, die auf einem Vorgängerbau aus dem 17. Jh.
errichtet wurde.
Der Innenraum ist mit einem Gemäldezyklus des Lebens Magdalenas und
Christi geschmückt, der im Jahr 1927 von dem Maler Mario Delitala
geschaffen wurde.
An der Küste liegt Tortolì, Hafenstädtchen und wichtiges Ferien- und
Handelszentrum, das etwa 20 km von Lanusei entfernt ist. Zwischen 1824
und 1927 war es Bischofssitz.
Der Hauptalter der Pfarrkirche Sant’Andrea Apostolo aus dem 18. Jh.
wurde von dem lombardischen Marmorbildhauer Giovanni Battista Franco
(1802-03) geschaffen. Chorgestühl und zahlreiche Holzstatuen aus der Zeit
zwischen dem 17. und 19. Jh.
78