Kulturgüterführer - Sardegna Turismo
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Kulturgüterführer - Sardegna Turismo
le 4copertineTEDESCO.qxp:Layout 1 17-02-2007 20:53 Pagina 2 Kulturgüterführer ASSESSORATO DEL TURISMO ARTIGIANATO E COMMERCIO Viale Trieste 105, 09123 Cagliari www.sardegnaturismo.it Kulturgüterführer Allgemeine Informationen Kulturgüterführer © 2007 Autonomen Region Sardinien Veröffentlicht durch das Referat für Tourismus, Handwerk und Handel, Viale Trieste 105, 09123 - Cagliari Texte: Simone Deidda, Rosalba Depau, Valeria Monni, Diego Nieddu Koordinierung: Roberto Coroneo Seitengestaltung: Alfredo Scrivani Bilder: Piero Putzu, Lino Cianciotto, Gianluigi Anedda, Donato Tore, Giovanni Paulis, Piero Pes, Paolo Giraldi, Renato Brotzu, Archivio Ilisso. Texte bestanden mit: Frutiger [Adrian Frutiger, 1928] Druckfertiggestellt im Februar 2007 Das Referat für Tourismus, Handwerk und Handel der Autonomen Region Sardiniens veröffentlicht die hier aufgeführten Daten nur zum allgemeinen Gebrauch; aufgrund dieser Einschränkung kann auch keine Verantwortung für eventuelle Druckfehler oder unabsichtlich entstandene Mängel übernommen werden. Druck und Zusammenstellung: Tiemme Officine grafiche srl Tel. 070/948128/9 - Assemini (Cagliari) Kulturgüterführer Allgemeine informationen Inhaltsverzeichnis Geschichte, Archäologie, Kunst pag. 7 Die prähistorische Zeit 7 Die nuraghische Zeit 13 Die phönizisch- punische Zeit, 15 die Römerzeit und die Zeit der Vandalen Die byzantinische und die judikale Zeit 18 Die aragonesische und die spanische Zeit 28 Die savoyische Zeit und die Gegenwart 32 Tour 38 Tour 1 - Cagliari 38 Tour 2 - Das Gebiet Cagliari 43 Tour 3 - Das Gebiet Carbonia Iglesias 45 Tour 4 - Das Gebiet Medio Campidano 49 Tour 5 - Das Gebiet Oristano 54 Tour 6 - Das Gebiet Oristano 57 Tour 7 - Sassari 60 Tour 8 - Das Gebiet Sassari 62 Tour 9 - Das Gebiet Olbia Tempio 65 Tour 10 - Das Gebiet Nuoro 68 Tour 11 - Das Gebiet Nuoro 71 Tour 12 - Das Gebiet Ogliastra 77 6 Geschichte, archäologie, kunst Die prahistorische Zeit Von 100.000 bis 1800 vor Christus Die Geschichte der Anwesenheit des Menschen auf Sardinien beginnt in der frühen Altsteinzeit, wie Funde von Steinobjekten belegen, die auf die Zeit von vor 450-100.000 Jahren datiert werden können. Die Objekte aus Kieselstein und Quarzit wurden im nördlichen Teil der Insel in der Region Anglona gefunden und können unter typologischem Gesichtspunkt in die Zeit der Steinindustrien eingeordnet werden, die mit den Namen Clactonien und Tayacien bezeichnet werden. Diese Manufakte wurden wahrscheinlich von Individuen angefertigt, die der Spezies Homo erectus angehörten, eine der Spezies, die zur Art Homo gehört, der auch wir moderne Menschen angehören. Erwähnenswert ist der unlängst erfolgte Fund einer Phalanx mit dem Daumen eines menschlichen Wesens in einer Grotte bei Logudoro. Dieser Knochenfund wurde auf die Zeit von 250.000 - 300.000 Jahre v. Chr. datiert. Für die mittlere Altsteinzeit muss festgestellt werden, dass zum derzeitigen Stand der Forschung keine Belege für die Anwesenheit des Menschen auf Sardinien vorliegen. Diese Abwesenheit könnte auf einer Lücke in unseren Kenntnissen beruhen und nicht dem faktischen Sachverhalt entsprechen. Aus der späten Altsteinzeit gibt es Funde aus den laufenden Grabungen in der Grotta Corbeddu di Oliena. Es handelt sich um Die prähistorische Zeit von 100.000 bis 1800 v.Chr. Die nuraghische Zeit von 1800 bis 500 v.Chr. Die phönizisch punische Zeit, die Römerzeit und die Zeit der Vandalen von 900 v.Chr. bis 534 n.Chr. Die byzantinische und die judikale Zeit von 534 bis 1326 Die aragonesische Zeit und die spanische Zeit von 1326 bis 1718 Die savoyische Zeit und die Gegenwart von 1718 bis heute Tierknochen sowie um Fragmente eines Kiefers und sonstiger menschlicher Knochen. Die Tiere waren einheimischer Rasse der sardisch korsischen Region: der Megaceros cazioti, eine ausgestorbene Hirschart, deren Knochenreste Spuren menschlicher Bearbeitung aufweisen, und der Prolagus sardus, ein ebenfalls ausgestorbenes Nagetier. Die Datierung dieser Funde schwankt zwischen 20.000 und 6.000 v. Chr.. Die alte Neusteinzeit (6000-4000 vor Christus) stellt eine wichtige Änderung in der Geschichte der Insel dar. Die Erfindung der Keramik gestattet die Herstellung von Gefäßen unterschiedlicher Größe für verschiedene Zwecke; der Übergang von einem Subsistenzsystem, das auf der Jagd und Sammeln beruht, zu einem System, das durch die Domestizierung und die Aufzucht von Tieren geprägt ist, führte zu einem radikalen Wandel bei der Beschaffung der Lebensmittel, einem progressiven Anwachsen der Bevölkerung sowie tief greifenden Konsequenzen auf sozialer und wirtschaftlicher Ebene. Die Epoche wird durch die Produktion der so genannten Cardialkeramik geprägt, deren Name von der Muschel (Cardium) kommt, die zum Einprägen des Dekors auf der Oberfläche der Erzeugnisse verwendet wurde. Grotten und Felsnischen sind in dieser Phase die typischen Behausungen. Zu den wichtigsten Fundorten, an denen Cardialkeramik gefunden wurde, zählen die Grotten von Su Carroppu (Carbonia) und von Filiestru (Mara). In der alten Neusteinzeit entwickelt sich auch die systematische Nutzung des Obsidians, das vom Monte Arci, im Gebiet von Oristano stammt. Dabei handelt es sich um einen wichtigen Rohstoff für die Produktion von Steinwerkzeugen, die in Sardinien weit verbreitet waren. Obsidian vom Monte Arci wurde an Ortschaften außerhalb der Insel gefunden. Diese Funde sind oft als Anzeichen für einen groß angelegten Handel mit sardischem Obsidian interpretiert worden. In der mittleren Neusteinzeit (4000-3400 v. Chr.) erleben wir die Geburt der Bonuighinu-Kultur. Der Name verweist auf den Ort, an dem die ersten archäologischen Funde gefunden wurden: die Grotte von Bonuighinu (auch unter dem Namen Sa Ucca de Su Tintirriolu bekannt) im Gebiet von Mara in Auf dem links: Die “Menhir”, Gon Auf dem Recht:: Anthropomorpher Menhir von Tamuli, Macomeri der Provinz Sassari. Die Keramikproduktion, die dieser neuen Kulturphase der sardischen Geschichte zuzuschreiben ist, ist durch glänzende, schwarz braune Oberflächen gekennzeichnet, die oft durch Einschnitte oder Einprägungen verziert sind. Charakteristisch sind auch die Grottengräber und die Grabbeigaben, die Verstorbenen ins Jenseits begleiteten. Diesbezüglich wird auf die Nekropole von Cuccuru is Arrius im Gebiet von Cabras verwiesen, wo zahlreiche Statuetten der ‘Muttergöttin’ Steatopige mit stark ausgeprägten weiblichen Formen gefunden wurden. In der jungen Eindrucksvolle Ansicht von Nora Neusteinzeit (3400-3200 v. Chr.) wird die archäologische Situation komplexer und vielschichtiger. Dies hat die Forscher dazu geführt, die einander ähnlichen Funde zu Facies zusammenzufassen, ohne jedoch die Kohärenz und die Komplexität zu erreichen, die ‘Kulturen’ im eigentlichen Sinne des Wortes ausmachen. Eine dieser Facies ist unter dem Namen San Ciriaco bekannt, einer Ortschaft bei Terralba, im Gebiet von Oristano. Die Keramikproduktion ist durch das typische Profil der Vasen gekennzeichnet. Auch die berühmte Schale aus grünem Steatit, die in der Nekropole mit megalitischen Rundgräbern von Li Muri bei Arzachena gefunden und zuerst für der OzieriKultur zugehörig gehalten wurde, wird heute aufgrund ihrer großen Ähnlichkeit der Keramikproduktion der Facies San Ciriaco zugeschrieben. In dieser Phase werden die ersten Domus de Janas oder ‘Feenhäuser’ ausgegraben, die typischen künstlichen Grottengräber, neben den bereits erwähnten megalitischen Rundgräbern mit ihren kleinen Menhiren. In der jüngsten Neusteinzeit (3200-2800 v. Chr.) tritt eine der wichtigsten Kulturen der sardischen Geschichte auf, die Ozieri-Kultur, wobei der Name auf die Grotte von San Michele in der Nähe der Siedlung Ozieri verweist. Die 10 Keramikproduktion wird unter dekorativem Gesichtspunkt besonders reichhaltig. Es erscheinen Kreis, Spiral, Girlanden und Sternmotive, sowie menschliche Figuren, allesamt dekorative Schemata, die wichtige Entsprechungen außerhalb der Insel finden, die die Öffnung Sardiniens für kulturelle Beziehungen belegen, die scheinbar auf Beziehungen zu dem Raum der Kykladen und Kreta verweisen. Außer der traditionellen Bearbeitung von Kieselstein und Obsidian gibt es die ersten Belege für den Abbau und die Verarbeitung von Metallen, vor allem Kupfer, wie die Dolchklingen und die Halsketten belegen, die als Grabbeilagen gefunden wurden. Auch die Gräber unterscheiden sich: Domus de Janas, Dolmen, Allées couvertes und megalitische Rundgräber, in deren hähe sich oft Menhire befinden. Bei einigen Gräbern wurde die Form der Wohnhäuser imitiert, vor allem rechteckige Hütten mit Doppelwalmdach, getragen von einer soliden Holzkonstruktion. Außerdem ist auf die Entwicklung der Darstellungsweise der ‘Muttergöttin’ zu verweisen, die von steatopisch naturalistischen Formen, kennzeichnend für den Bonuighinu-Stil, zu einem stark stilisierten ‘Kreuz’und ‘Durchbruch’- Schema wechselt. Der Erwerb der Fähigkeit, Metalle (vor allem Kupfer aber auch Blei und Silber) abzubauen und zu verarbeiten, stellt den Übergang von der Steinzeit zur frühen Kupferzeit (2800-2600 v. Chr.) Rundgräber, Pranu Murteddu dar, der die beiden Facies Sub-Ozieri zugeschrieben werden, die zum ersten Mal an den Fundstellen Su Coddu (Selargius) und Filigosa identifiziert wurden. Der Name Filigosa ist zurückzuführen auf die Domus de Janas, Nekropolen im Gebiet vonMacomer, denen ein langer Korridor vorausgeht. Unter den Fundstellen, die besondere Erwähnung verdienen, ist der ‘Tempel-Altar’ von Monte d’Accoddi (Porto Torres) zu nennen, bestehend aus einer 11 pyramidenstumpfförmigen Plattform, auf der ein Heiligtum mit Zugangsrampe errichtet wurde. Die Form dieses Monuments erinnert an die mesopotanischen Ziqqurat. Die Abealzu-Kultur verdankt ihren Namen der gleichnamigen Nekropole im Gebiet von Osilo und stellt den Übergang zur mittleren Kupferzeit (2600-2400 v. Chr.) dar. Typisch für diese Kultur sind mit Mammellenformen verzierte Bauchflaschen, die sich mit verschiedenen Beispielen auf der italienischen Halbinsel sowie im französisch-helvetischen Raum vergleichen lassen. Von großer Bedeutung sind außerdem die Antike Gefäße von Monte Claro antropomorphen Menhire und die Menhirstatue, die im Gebiet SarcidanoMandrolisai gefunden wurden. Die Menhirstatuen werden oft als ‘bewaffnet’ bezeichnet, da sie einen zweischneidigen Dolch aufweisen, der als Zeichen der Macht interpretiert wurde, sowie eine Figur im oberen Teil der Statue, die als ‘Kehrgesicht’ bezeichnet und als Grabsymbol interpretiert wurde. Bei dem Übergang zur jüngsten Kupferzeit (2400-2100 v.Chr.) tritt die Monte ClaroKultur auf, die ihren Namen dem Hügel von Cagliari verdankt, an dem einige Gräber mit ihrer typischen Keramikproduktion gefunden wurden. Es handelt sich um große Vasen (Situle), Dreifüße, Pfannen und Schalen, die durch die Farbe der Oberflächen charakterisiert sind, die von rotbraun bis schwarzbraun reicht. Typisch ist außerdem das Dekor mit vertikalen oder horizontalen Rillen oder Furchen, sowie das Hochglanzdekor, das einige Formen auszeichnet. der Abschluss der Bronzezeit (2100-1800 v. Chr.) bildete die wichtige Kultur, die in ganz Europa vertreten war und die Glockenbecherkultur genannt wird. Den Namen verdankt sie dem typischen Becher mit der Form einer umgekehrten, reich verzierten Glocke. Interessant ist außerdem die Präsenz des Brassard, eines besonderen rechteckigen Schilds, den die Bogenschützen benutzten, um sich gegen die Vibrationen der Sehne bei dem Abschießen des 12 Pfeils zu schützen. Es wird angenommen, dass die Angehörigen der Glockenbecherkultur umher ziehende Metallverarbeiter waren, die sich in die lokalen Kulturen integrierten. Die nuraghische Zeit Von 1800 bis 500 vor Christus Der Übergang von der Kupferzeit zur Bronzezeit stellt einen wichtigen Moment in der sardischen Geschichte dar. Es findet der Übergang von der vorausgehenden Kultur zur nuraghischen Zivilisation statt und bereits der terminologische Wechsel von Kultur zu Zivilisation reflektiert eine tief greifende Änderung. Auf der Schwelle zur nuraghischen Kultur finden wir in der Altbronzezeit (1800-1600 v. Chr.) die so genannte BonnanaroKultur, die ihren Namen einem Dorf in Logudoro verdankt, bei dem die unterirdische Nekropole von Corona Moltana mit ihren ersten typischen Fundstücken gefunden wurde. Diese Kultur, die von den Wissenschaftlern früher als erste Phase der nuraghischen Zivilisation angesehen wurde, weist eine bedeutsame Änderung in der Keramikproduktion auf, da die überreiche Verzierung verschwindet, die die Produktion Glockenbecherkultur ausgezeichnet hatte. Erwähnenswert ist die ärztliche Praxis der Durchbohrung der Schädeldecke, wobei der Patient den Eingriff überlebte, wie die Wiederverkalkung des Knochens belegt. Der Übergang von der Altbronzezeit zur mittleren Bronzezeit (1600-1300 v. Chr.) stellt den eigentliche Beginn zur Kulturphase dar, die als nuraghische Kultur bezeichnet wird. Ihr Symbol und Monument ist der Nuragh, ein Turmgebäude aus großen, mehr oder wenig regelmäßig bearbeiteten Steinen, in dessen Innerem sich ein oder mehrere übereinander liegende Kammern befinden, die durch das falsche Gewölbe, die Tholos, gekennzeichnet sind. Er tritt in der einfachen Form mit einem Turm, als auch in immer komplexeren Formen mit einem zentralen Turm auf, Die Nuraghe Arrubiu, Orroli an den weitere angefügt sind. Um die zahlreichen Nuraghen herum werden dann die Steinhüttendörfer errichtet. Es gibt auch weitere Gebäudetypen: die Protonuraghen, die Pseudonuraghen (oder Korridornuraghen) und die Gigantengräber. Die letzteren, die als Sammelgräber dienten, weisen einen Grundriss mit der Form eines Stierkopfes auf. Dabei gibt es zwei Haupttypen: mit Orthostatkammer und -gewölbe, wie in Li Lolghi (Arzachena), und mit Kammer und Gewölbe aus Kragsteinmauerwerk, wie das Grab von Domu ‘e S’Orku (Siddi). In den folgenden Phasen der späten Bronzezeit (1300-900 v. Chr.) werden viele Nauraghen errichtet, während andere ältere Gebäude von Einturmnuraghen in Mehrturmnuraghen umgewandelt wurden. Dies ist der Fall bei den Nuraghen wie Su Nuraxi bei Barumini (von der UNESCO als Weltkulturerbe klassifiziert), Santu Antine bei Torralba, Losa di Abbasanta, Arrubiu bei Orroli. Es werden auch weitere Gigantengräber errichtet, bei denen neue architektonische Lösungen ausprobiert werden. In diese chronologische Phase fällt außerdem der Bau der Brunnentempel wie S. Anastasia (Sardara), S. Vittoria (Serri), S. Cristina (Paulilatino) und Predio Canopoli (Perfugas), der heiligen Quellen wie Su Tempiesu (Orune) und Rebeccu (Bonorva), die beide mit dem Wasserkult in Verbindung stehen, sowie der Megarontempel wie Cuccureddì (Esterzili) und Serra Orrios Su Nuraxi, Barumini (Dorgali). In dieser Phase intensivieren sich die Handelsbeziehungen zu den zeitgenössischen Bevölkerungen des Mittelmeerraums, vor allem mit den Mykenern und den Zyprern, die an den Mineralienvorkommen Sardiniens interessiert waren. Bedeutsam sind diesbezüglich die Funde von ‘Brotbarren’ und ‘Ochsenhautbarren’. Der Übergang von der späten Bronzezeit zur Eisenzeit (900-500 v. Chr.) war von tief greifenden Änderungen geprägt. Die 14 Keramikproduktion ändert sich und kehrt zum reich dekorierten, so genannten ‘geometrischen’ Stil zurück. Die Form einiger Nuraghen ändert sich, wobei diese tief greifende Umgestaltungen oder sogar den partiellen Abriss von Türmen und Bastionen erleben, wie vom Nuraghe Genna Maria bei Villanovaforru belegt. Die Form der Dörfer wandelt sich von der isolierten Rundhütte zu Komplexen mit einem zentralen, gemeinsamen Hof (so genannte ‘Isolati’), die von einer einzigen Mauer eingefasst werden. Die Produktion von Waffen und Statuetten aus Bronze nimmt zu. Die Bronzestatuetten, die als Ex Voto (Weihgaben) geschaffen werden, bilden das Ansicht des heiliger Brunnens S. Cristina, Paulilatino gesamte Volk der Nuragher ab: Bogenschützen, Hopliten, Faustkämpfer, Ringer, verschiedene weibliche Figuren, Tiere, Gebrauchsgegenstände, kleine Nachbildungen von Nuraghen, Schiffchen und vieles andere mehr. Die Steinstatuen, die in der Nähe der Nekropole von Monti Prama (Cabras) gefunden wurden, folgen dem Stil der Bronzestatuetten und stellen menschliche Personen in natürlicher Größe dar. Alle diese tief greifenden Änderungen wurden von verschiedenen Faktoren ausgelöst, darunter die dauerhafte Ansiedlung der Phönizier auf Sardinien. Die phönizisch- punische Zeit, die Römerzeit und die Zeit der Vandalen Von 900 vor Christus 534 nach Christus Die Ankunft der Phönizier auf Sardinien war scheinbar friedlichen Ursprungs. Durch sie kommt die Welt der Nuragher in direkten Kontakt mit dem städtebaulichen Modell, das sich im Mittelmeerraum bereits seit 15 längerer Zeit durchgesetzt hatte. In dieser Zeit entsteht eine Reihe von phönizischen Handelsniederlassungen, die im Laufe der Zeit zu richtigen Städten heranwachsen: zwischen dem 9. und dem 7. Jahrhundert v. Chr. werden die Küstenstädte Sulki (Sant’Antioco), Karali (Cagliari), Nora (Pula), Bithia (Domusdemaria), Cuccureddus (Villasimius), Tharros (Cabras), Othoca (Santa Giusta), sowie die Städte Monte Sirai (Carbonia) und Pani Loriga (Santadi) im Landesinneren gegründet. Auf die ältesten Phasen der phönizischen Präsenz auf Sardinien gehen Grabbeigaben zurück, die in Römisches Amphitheater von Cagliari den Nekropolen gefunden wurden, die auch Opferstätten und Grabstätten für Kinder und kleine Tiere umfassen, die so genannten Tophet außerhalb der Stadtmauern. Innerhalb der Mauern befinden sich die Häuser, die öffentlichen Gebäude, die Läden und die Werkstätten der Handwerker, die Tempel mit der Akropolis, auf der sich im Allgemeinen ein wichtiges Heiligtum befindet. Auch die Einführung der Schrift stellt ein revolutionäres Element im sardischen Szenarium dar, da sie als wichtiges Instrument zur Unterstützung urbaner Organisation verwendet wird, die der nuraghischen Kultur bis dahin fremd war. Diese Situation des relativen Gleichgewichts, die auf Sardinien zwischen den unterschiedlichen kulturellen Kräften entstanden war, geriet durch die Ankunft der Karthager auf der Insel in Bewegung, den Bewohnern der mächtigen phönizischen Kolonie, die gegen Ende des 9. Jahrhunderts v. Chr. in Nordafrika gegründet wurde. Das Zusammentreffen von Phöniziern und Karthagern auf der Insel, das heißt von Völkern mit dem gleichen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Modell, löste einen Konflikt aus, zu dem es bei dem Kontakt der Nuragher mit den Phöniziern nie gekommen war. Die archäologischen 16 Daten vom Monte Sirai, einer der wichtigsten Fundstellen für die phönizische und die punische Strategie zur Kontrolle des Territoriums der Insel, zeigen deutliche Zerstörungs und Brandspuren zur Zeit der Ankunft der Karthager auf Sardinien. Der Erfolg der Eroberungsbestrebungen der Insel seitens der Karthager wurde auch durch die politisch militärische Allianz mit den Etruskern begünstigt, die nicht nur auf lokaler Ebene Auswirkungen hatte, sondern im gesamten Mittelmeerraum. Der Übergang Sardiniens unter punische Herrschaft führte zur Verfestigung des Phänomens der Integration von Sarden und Phöniziern, die auch nach der römischen Eroberung der Insel weiterbestand. Die punische Präsenz wurde durch die Gründung neuer Städte gefestigt, darunter Neapolis (Guspini) und Cornus (Cuglieri). In dieser Phase wurde die Landwirtschaft besonders intensiv betrieben, vor allem der Getreideanbau. Der Übergang Sardiniens von der punischen zur römischen Kontrolle war eine Folge des ersten punischen Krieges (264-241). Da es den Karthagern unmöglich war, die wirtschaftlichen Forderungen der auf Sardinien stationierten Söldner zu erfüllen, waren sie 238 v. Chr. gezwungen, den Römern die Kontrolle zu überlassen. 227 v. Chr. wurde Sardinien römische Provinz unter der Kontrolle eines Gouverneurs. Von diesem Zeitpunkt an wurde der Die Ruinen von Nora, Pula Romanisierungsprozess der Insel immer stärker, auch wenn die sardisch phönizische kulturelle Prägung noch immer ungebrochen war. Die Städte der Insel wurden in der Anlage romanisiert sowie mit den Hauptgebäuden ausgestattet, die überall im Reich das römische Kulturmodell ausmachten: den Theatern und Amphitheatern (in Nora und Carales), Thermen (in Forum Traiani, dem heutigen Fordongianus), Tempeln 17 (in Antas bei Fluminimaggiore), Aquädukten (in Turris Libisonis, dem heutigen Porto Torres) sowie Stadt- und Landvillen mit schönen Mosaikböden. Die römische Kontrolle basierte vor allem auf dem Straßennetz, das dem bereits vorhandenen Wegenetz folgte, welches durch Verbindungsstraßen sowie Straßen ins Landesinnere ergänzt wurde, um eine bessere Kontrolle dieser Gebiete zu ermöglichen. Die wichtigste Straße verband Cagliari mit Porto Torres und folgte weitgehend der Strasse der “Carlo Felice” (der heutigen Staatsstraße 131). In der Römerzeit wurden der Bergbau sowie die Landwirtschaft durch die Einführung des Großgrundbesitzes intensiviert. Vor allem wurde der Abbau von silberhaltigem Blei in den Minen von Sulcis-Iglesiente verstärkt. Es ist wahrscheinlich, dass hier um 190 eine Gruppe von Christen zu Zwangsarbeit verurteilt wurde, was zur Einführung des Christentums auf der Insel beitrug. Zwischen 460 und 467 fiel Sardinien unter die Kontrolle der Vandalen, die in Nordafrika ein eigenes Reich gegründet hatten. 534 wurde die Insel von Justinian zurückerobert und kehrte zum Römischen Reich zurück, dessen Schwerpunkt sich von Rom nach Konstantinopel verlagert hatte. Damit beginnt die byzantinische Zeit, die ungefähr bis zum Jahr 1000 und der Gründung der vier Judikate andauert. Die byzanthinische und die judikale Zeit Von 534 bis 1326 Auf das 4. und das 5. Jahrhundert gehen die Belege für die ersten sardischen Bischöfe und die ersten Märtyrer zurück. Die christliche Präsenz intensiviert sich bei der Ankunft der Vandalen und setzt sich in den nahezu fünfhundert Jahren der byzantinischen Kontrolle fort, die 534 mit der Eroberung Sardiniens durch die von Flavius Belisarius geführten Truppen Justinians begann. Infolge der politischen Abhängigkeit vom Römischen Reich mit Sitz in Konstantinopel wurde die Insel zwei Autoritäten unterstellt: dem Praeses, der ein ziviles Amt ausübte, und einem Dux, der sich um die militärischen Angelegenheiten kümmerte und der ab ungefähr dem Jahr 800 die Aufgaben des ersteren übernehmen musste, wodurch die Figur des Iudex (‘Richter’) entstand. Von der byzantinischen Kunst ist vor allem die Architektur erhalten geblieben. Die bedeutendsten Zeugnisse sind S. Saturnino in Cagliari, 18 Die Ruinen von Tharros die Wallfahrtskirche Sant’Antioco und S. Giovanni di Sinis (Cabras), allesamt Kirchen mit kreuzförmigem Grundriss, die sich jedoch durch den Anschluss der Kuppel an den darunter befindlichen Baukörper unterscheiden: bei den ersten beiden wurden Trompen und bei der dritten Zwickel verwendet, abgewandelte Systeme der konstantinopolitanischen Architektur. Diese Kirche, die in der Folgezeit Renovierungsarbeiten unterzogen wurde, dienten als Modell für eine Reihe von kleineren Bauwerken in Kreuzform. Während aus dem Bereich der Malerei wenig überliefert ist, sind die Zeugnisse aus dem Bereich der Bildhauerei, bei denen es sich überwiegend um Fragmente außerhalb des Originalkontexts handelt, ausgesprochen wichtig. Im Archäologischen Nationalmuseum von Cagliari wird ein sehr schönes Kapitell aufbewahrt, das ungefähr auf das Jahr 525 datiert wird. Aus verschiedenen Ortschaften im Raum Cagliari, vor allem aus Sant’Antioco, stammen zahlreiche Fragmente von Einzäunungspilastern oder platten des Presbiteriums aus Marmor sowie Inschriften in griechischer Sprache. Die romanische Architektur ist das repräsentativste Moment der Kunst der Insel im Mittelalter und findet in einer historisch bedeutsamen Periode Ausdruck: die judikalen Zeit. Die Richter waren die lokalen Vertreter des byzantinischen Kaisers, die um das Jahr 1000 Autonomie erlangten. Daraus folgte die Auf dem links und in der anderen Seite: Auf dem Recht: Die byzantinische Kirche von S. Giovanni di Sinis, Cabras Aufteilung des Territoriums in die vier Reiche (Judikate) Cagliari, Arborea, Torres und Gallura. Gleichzeitig findet eine Neuorganisation der Kirche statt. Neben einer massiven Präsenz von Mönchsorden, die von den Richtern selbst gerufen wurden (die ersten Schenkungen gehen auf das Jahr 1065 zurück) werden die Institutionen der Kirche in Diözesen gegliedert, die von Bischöfen oder Erzbischöfen geführt werden. In diesem Kontext förderten die Richter 20 durch Schenkungen die Ankunft der Benediktiner (von Montecassino, San Vittore di Marsiglia, Camaldoli, Vallombrosa und Cîteaux) auf der Insel, die ihre Klöster im sardischen Gebiet anlegten. Dies führte zu einer Widergeburt der Kultur unter der schützenden Hand des Heiligen Stuhls. Nicht zu vernachlässigen ist auch die immer stabilere und immer stärker verwurzelte Präsenz der Republiken Pisa und Genua, deren Handelstätigkeit auf der Insel wiederholt zu Auseinandersetzungen führte. Ihre Präsenz hatte oft auch Auswirkungen auf politischer Ebene und führte zum Ende der drei Judikate Cagliari, Torres und Gallura. Diese fielen nach 1250 in die Hand der pisaner Auf dem links: Die romanische Kathedrale S. Nicola, Ottana Auf dem Recht: Die Nuraghe und die Kirche von Santa Sabina, Silanus und genueser Herren. Die historischen Umstände führten zum Aufkommen neuer künstlerischer Strömungen auf der Insel, die sich mit dem lokalen Substart vereinten und die wichtigsten Spuren im militärischen Bereich sowie in der Architektur hinterließen, vor allem im Kirchenbau. Die romanischen Kirchen befinden sich überwiegend entlang der Straßenachse, die von Cagliari nach Porto Torres führt, sie sind jedoch auch über das gesamte Territorium verteilt. Daraus folgt die unterschiedliche “Farbe” der Gebäude in Abhängigkeit von ihrer Lage. Die Bauherrn verwendeten Baumaterial, das in der geografischen Zone vorhanden war, in dem das Bauwerk errichtet werden sollte, und dies führte zu der harmonischen Einfügung in die umgebende Natur, die sie noch heute auszeichnet: in Gallura finden wir Gebäude aus Granit, je weiter man zum Zentrum kommt, wird Vulkangestein verwendet, oft mit Sedimentgestein kombiniert; in Campidani überwiegen die warmen Töne des Kalksteins. Eine Unterscheidung im chronologischen Sinne kennzeichnet die judikalen Kirchen. Man kann eine Frühromanik ausmachen, die zwischen 1050 und 1150 anzusetzen ist und die von der Präsenz von 23 Arbeitskräften aus Pisa sowie aus Lucca (S. Giovanni di Viddalba) oder aus Katalonien und der Provence geprägt wurde und von den Mönchen von San Vittore di Marsiglia (S. Saturnino di Cagliari, S. Efisio di Nora bei Pula). In diesem Zeitraum wurden große Gebäude errichtet und es zeigt sich die Tendenz, den strukturellen Aspekt dem dekorativen vorzuziehen. Die bedeutendsten Gebäude dieser Periode sind S. Gavino di Porto Torres, S. Maria del Regno di Ardara, S. Maria di Bonarcado sowie die Kathedralen Santa Giusta, S. Antioco di Bisarcio (Ozieri) und S. Simplicio di Olbia. Auf diesen Zeitraum des Experimentierens, folgt die reife Romanik zwischen 1150 und 1250, in der eine engere Bindung zu Pisa zum Ausdruck kommt, auch aufgrund der massiven Präsenzs der Händler, die eine wichtige Rolle auf wirtschaftlicher und politischer Ebene spielten. In der Architektur lässt sich außerdem die Erfahrung von Fachkräften aus Pistoia ausmachen. Von der Kirche S. Nicola di Ottana an, dem Gebäude, das den Übergang zwischen diesen beiden Phasen darstellt, werden neue Lösungen angewendet und es werden grandiose Bauwerke errichtet, in denen die Tendenz zur architektonischen Dekoration immer mehr Raum findet. Das neue Dekorsystem ist vor allem an den Fassaden sichtbar und sieht die Realisierung von übereinander liegenden Scheinloggen vor, die bei S. Pietro di Sorres ihre Auf dem links: Die Kirche von San Pietro di Sorres, Borutta Auf dem Recht: Die Kirche der SS. Trinità di Saccargia vollendete Ausdruckform finden. Ab 1160 ist eine weitere Innovation zu verzeichnen: die Verbreitung des zweifarbigen Baukörpers mit einem Wechsel einer Reihe aus dunklem Stein (Vulkangestein in verschiedenen Schattierungen) und hellem Stein (Kalkstein). Die bekanntesten und wichtigsten Beispiele dieser Technik sind SS. Trinità di Saccargia, S. Pietro di Bulzi und S. Maria di Tergu. Eine dritte Phase ist die der späten Romanik 24 25 Die Kirche der SS. Trinità di Saccargia zwischen 1250 und 1300, gekennzeichnet durch die Aufnahme von gotischen Dekorelementen in einen noch romanischen Baukörper. Dies wird durch die Tatsache gerechtfertigt, dass das Aufkommen der Gotik auf Sardinien nicht zu einer radikalen Änderung der Bauweise geführt hat, sondern zu einer kontinuierlichen Einfügung in das kulturelle Gewebe der Romanik. In einer anfänglichen Phase betrafen die Änderungen vor allem Elemente der Oberfläche wie die Formen der Spitzbögen, Fenster und Konsolen, die ein gestreckteres Aussehen annahmen. Die Erweiterung der S. Maria di Bonarcado ist repräsentativ für die letzte Phase, die auch beobachtet werden kann am Neubau der Kathedrale von S. Pantaleo di Dolianova und an S. Pietro di Zuri (Ghilarza), in deren Bauhütte Anselmo da Como arbeitete, sowie an der Kirche von S. Pietro extra muros in Bosa, wo das Wirken von Anselmo sowie seiner Arbeiter nachweisbar ist. Die gotische Kunst setzt sich auf Sardinien in zwei Strömungen durch, der italienischen (als Fortsetzung der Romanik) und der katalanischen, verbunden mit der Ankunft der aragonesen. 1323 landete Infant Alfons von Aragon auf Sardinien, um die Belehnung in die Tat umzusetzen, die Papst Bonifazius VIII. zugunsten des 26 aragonesischen Herrschers Jakob II eingesetzt hatte, indem er 1297 das Regnum Sardiniae et Corsicae schuf. Im Laufe von drei Jahren wurde die Burg von Cagliari zum Schaden der Pisaner erobert. Ein Widerstandskern, der sich der Eroberung der Insel widersetzte, wurde von den pisanisch genuesischen Herrn der Familien Doria und Malaspina und vom Judikat Arborea aufgebaut, gegen den Aragon einen langen Krieg führte, aus dem es erst 1410 siegreich hervorging. Von dieser Zeit an bildete die iberische Halbinsel, vor allem aber Katalonien, den Hauptbezugspunkt für die Insel, sowohl unter politisch verwaltungstechnischem (die wichtigsten katalanischen Institutionen werden nach Sardinien importiert), als auch unter kulturellem Gesichtspunkt. Zu einem deutlichen Bruch mit der italienischen Kultur kommt es jedoch nur in Cagliari, während der Wandel im Judikat Arborea und auf dem Rest der Insel allmählich stattfindet. Der italienische gotische Stil prägt die Kathedrale von S. Maria di Castello in Cagliari, während die Wallfahrtskirche der Madonna di Bonaria neben der Monumentalbasilika das älteste Gebäude ist, das im Stil der katalanische Gotik erbaute wurde. Nach der katalanischen Eroberung der Burg von Cagliari wurde in der Kathedrale rechts vom Hauptaltar zum Zeichen der Herrschaft über die Stadt eine Kapelle im Stil der katalanischen Gotik mit den katalanischen Wappen errichtet. Die Kirche S. Pietro di Zuri, Ghilarza 27 Die aragonesische Zeit und die spanische Zeit Von 1326 bis 1718 Die aragonesische und die spanische Herrschaft haben das politische System geprägt, jedoch auch die kulturelle Entwicklung und die Kunst auf Sardinien, was zum Fortbestand der spätgotischen Architektur bis weit ins siebzehnte Jahrhundert führte. Die am weitesten verbreiteten Baupläne der spätgotischen Kirchen auf Sardinien weisen ein einziges Schiff mit Seitenkapellen und höher gelegenem Presbiterium, Kreuzgewölbe und flache Fassade auf, abgeschlossen von Zinnen mit diagonalen Strebepfeilern (wobei dieses letzte Detail von der katalanischen Zivilarchitektur übernommen wurde). Der Glockenturm, mit quadratischem Grundriss, steht auf der Seite der Fassade, wie bei der Kirche S. Giacomo di Cagliari. Eine vereinfachte Formel weist ein einziges Schiff auf, gegliedert von Spitzbögen, die das Holzdach tragen, Seitenkapellen und eine schlichte Fassade mit spitzbogigem Portal und einem Rundfenster. Die Vereinigung der iberischen und der italienischen Kultur ist ein fruchtbares Fundament, auf dem sich nach 1450 eine sardische künstlerische Tradition entwickeln konnte. In diesem Zusammenhang ist die Einführung der Retabel von Bedeutung, einer komplexen Altartafel, die architektonische, bildhauerische und malerische Elemente in sich vereint. Normalerweise stellt sie im Zentrum die Jungfrau in einer Nische dar, umgeben von Feldern aus farbig gefasstem Holz, verziert von Rahmen aus vergoldetem Stuck und vervollständigt von Polvaroli und Predella in horizontaler Erstreckung. Einige der wichtigsten stammen aus der zerstörten Kirche von San Francesco di Stampace und befinden sich heute in der Nationalpinakothek von Cagliari. Einige stark verehrten Marienbilder stammen von Retabeln, wie zum Beispiel die Madonna di Valverde in Alghero, die Madonna del Fico von San Pietro di Silki und Santa Maria di Betlem in Sassari sowie Nostra Signora di Bonaria in Cagliari, kampanischer Prototyp der goldgefassten Holzskulptur, die die sardische Produktion für zumindest zwei Jahrhunderte prägt. Die Anfänge der spätgotischen Malerei bilden Werke katalanischer Künstler, die zwischen 1350 und 1450 nach Sardinien gelangten. Darunter Joan Mates, der die Retabel dell’Annunciazione für die gleichnamige Kapelle in San Francesco di Stampace im höfisch spätgotischen Stil ausführte. Die Retabel San Martino in Oristano, heute aufbewahrt im Antiquarium von Arborea, wird dem Umkreis von Mateu Ortoneda zugeschrieben. Zu Beginn des fünfzehnten Jahrhunderts schuf der Portugiese Alvaro Pirez, der in der Toskana gelernt hatte, eine 28 Die Kirche von Carmine, Oristano Retabel für die Kirche von San Domenico in Cagliari, von der eine Madonna con Bambino mit einer ausgesprochen eleganten spätgotischen Linienführung erhalten ist (Nationalpinakothek Cagliari). ach 1450 lassen sich verschiedene iberische Künstler auf der Insel nieder, um dort zu arbeiten. 1455 eröffnen die katalanischen Maler Rafael Thomas und Joan Figuera in Cagliari ihre Werkstatt mit dem Auftrag, die Retabel von San Bernardino da Siena für San Francesco di Stampace, zu schaffen. In Sassari hingegen ließ sich Joan Barcelo nieder, was für den Zeitraum zwischen 1488 und 1516 belegt ist: seine Retabel der Visitazione aus der gleichnamigen Kapelle von San Francesco di Stampace vermischt valenzianische und flämische Kulturelemente. Noch unbekannt, jedoch von diesem beeinflusst, ist der Meister der Retabel der Presepio (aus San Francesco di Stampace) in lebhaften Farben vor einem auffälligen Goldgrund nach spanisch flämischem Geschmack. Eine neue und modernere Konzeption des Lichts und des Raums erscheint in den Arbeiten des wichtigen Meisters von Castelsardo, dessen Bezeichnung auf eine Retabel für den Dom dieses Orts zurückgeht und der auch die Retabel von San Pietro für die Pfarrkirche von Tuili (datiert auf 1500) und die Retabel der Porziuncola in San Francesco di Stampace in Cagliari schuf. Von ihm stilistisch abhängig ist Giovanni Muru, der Schöpfer der Predella der großen Retabel von Ardara (1515). Auf die Gründung einer lokalen Schule müssen wir bis zum Anfang des fürfzenhnt warten; ihr wichtigster Vertreter ist Pietro Cavaro, Mitglied einer Malerfamilie aus Cagliari, die länger als ein Jahrhundert tätig war. Er lernte in Barcelona, war jedoch auch mit den Neuerung der italienischen Renaissancemalerei vertraut. 1518 signiert er die schöne Retabel von Villamar und 1533 erhält er den Auftrag für die Retabel des Santo Cristo für San Francesco in Oristano. Nach seinem Tod (1537) führte sein Sohn Michele die blühende Werkstatt mit deutlichen Anklängen an Raffael fort, während Antioco Mainas Arbeiten nach volkstümlischerem Geschmack schuf. Auch für die manieristische Malerei finden wir wichtige Zeugnisse, vor allem die Arbeiten des interessanten, jedoch noch mysteriösen Meisters von Ozieri (Retabel der Madonna di Loreto in der Kathedrale von Ozieri, Retabel der Sant’Elena in der Pfarrkirche von Benetutti und die Sacra Famiglia in der Pinakothek von Ploaghe). Zwischen Ende des 15. Jahrhunderts und dem Beginn des folgenden Jahrhunderts sind im Süden der Insel die Maler Bartolomeo Castagnola, Giulio Adato und Ursino Bonocore aus Neapel sowie Francesco Pinna aus Alghero tätig, der in Cagliari (Pala di Sant’Alberto in der Kirche del Carmine von Sant’Orsola, heute in der Pinakothek) sowie in 30 weiteren sardischen Ortschaften (Suelli, Villamar) mit einem Stil tätig war, der für direkte oder durch Drucke vermittelte Einflüsse aus Kampanien offen war. Im Bereich der Skulptur muss Scipione Aprile erwähnt werden, der das Mausoleo di Emanuele Castelvì aus Marmor in Samassi schuf (1586). Bedeutsam sind die Holzskulpturen, die in der Technik ‘estofado de oro’ ausgeführt sind; dabei wird Blattgold als Grundierung für die chromatische Fassung aufgetragen, die dann eingeritzt wird, sodass das Gold mit geometrischen oder florealen Mustern durchscheint, die edle Stoffe imitieren. Es kann behauptet werden, dass die Insel mit wenigen Ausnahmen keine Der Dom, Sassari architektonischen Zeugnisse der italienischen Renaissance vorzuweisen hat, es sei denn vermittelt und kombiniert mit der Sprache der katalanischen Spätgotik in volkstümlichen Ausdrucksformen, die zur Tradition der sardischen Steinmetze wurden. Der Bau der Kirche von S. Agostino Nuovo (1577-80), die mit ihrem Kreuzgrundriss, ihrer klassischen Ausschmückung sowie mit ihrer Kuppel das Raumkonzept der Renaissance einführt, ist somit charakteristisch für eine erneute Ausrichtung auf die italienischen Kunst. Das 16. Jh. ist in allen Ortschaften der Insel das Jahrhundert der Suche der Reliquien sowie für die Sammlung der Funde aus der suggestiven Cripta dei Martiri im Dom von Cagliari (1616-32). Bei der Verbreitung der Barockkunst spielen die neuen religiösen Orden der Gegenreformation eine wichtige Rolle, darunter vor allem die Jesuiten, die die neue Formsprache in ihre Kirchen einführten, wie zum Beispiel bei S. Caterina in Sassari und S. Michele in Cagliari. Im Laufe des Jahrhunderts werden die sardischen Kathedralen modernisiert, wobei der interne Dekorapparat zuerst mit Hilfe von genuesischen und dann mit Hilfe von lombardischen Fachkräften mit hochwertigen polychromen 31 Marmorintarsien erneuert werden. Wichtig ist der Engriff von Giulio Aprile im Dom von Cagliari, Schöpfer des Mausoleo di Martino il Giovane (1676) sowie des Altare di Sant’Isidoro (1683-84). Die Produktion von prunkvollen, in der iberischen Tradition verzierten Holzaltären, geschaffen von sizilianischen, kampanischen und sardischen Künstlern zur Ergänzung der gemalten Retabeln, dauert lange Zeit an. Im Bereich der Malerei muss an die Werke erinnert werden, die von den ligurischen Künstlern Giovanni Carlone, Domenico Fiasella und Orazio de Ferrari nach Sardinien geschickt und von Pantaleone Calvo vor Ort geschaffen wurden; in Cagliari arbeiteten Domenico Conti für die Mercedarier mit einem Gemäldezyklus mit Santi dell’Ordine sowie die Giuseppe Deris für die Jesuiten und die Minimen. Bild von Sciuti, Palast der Provinzregierung, Sassari Die savoyische Zeit und die Gegenwart Von 1718 bis heute Zwischen 1714 und 1718 fiel die Insel zuerst unter die österreichische und dann unter die piemontesische Kontrolle. Mit dem Besitz Sardiniens erlangten die Savoyen den Königstitel. Die spätbarocke Kunst dauert das gesamte Jahrhundert an. Ab 1720 sendet die savoyische Regierung fähige Militäringenieure zum Ausbau der Festungen sowie zur Modernisierung von Brücken und Straßen nach Sardinien, die sich dann auch mit der Restauration antiker Gebäude und dem Entwurf neuer beschäftigten. Dabei muss an Felice de Vincenti erinnert werden, der die Basilica di Bonaria in Cagliari entwarf (1722), Saverio Belgrano di Famolasco aufgrund der Università e Seminario Tridentino (1764), Giuseppe Viana aufgrund der Chiesa del Carmine in 32 Oristano (1786) sowie Giovanni Francesco Daristo aufgrund zahlreicher Baumaßnahmen in Cagliari, Iglesias, Carloforte und Oristano. Durch ihre Vermittlung wurde die Kultur der Insel in Anlehnung an den ligurisch piemontesischen Spätbarock italianisiert, verbreitet auch durch die Einfuhr von Statuen und Gestaltungselementen aus Marmor (Altäre, Antependien, Pulte, Balustraden und Taufbecken), wertvollen Silberarbeiten und kostbaren Stoffen. Der beste sardische Bildhauer des achtzehnten Jahrhunderts, Giuseppe Antonio Lonis, begab sich hingegen nach Neapel und schuf eine Vielzahl von Statuen für zahlreiche Pfarrkirchen Italiens, die sich durch eine anspruchsvolle Schnitztechnik sowie eine edle Farbgebung auszeichnen. Im Bereich der Malerei muss an das Wirken von Giacomo Altomonte aus Rom zu Beginn des Jahrhunderts erinnert werden, der die Fresken der Sakristei von San Michele in Cagliari mit Hilfe von Domenico Colombino aus Neapel schuf, sowie an die Werke des Akademikers Pietro Angeletti aus San Luca, der verschiedene Gemälde für den Dom von Ales und von Cagliari, für die Pfarrkirche von Solarussa sowie von Sant’Eulalia im Hauptort schuf. In der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts findet auch auf Sardinien die klassizistische Kunst Verbreitung, deren wichtigster Vertreter der Bildhauer Andrea Galassi ist. Ihm gelang es, sich in den Künstlerkreisen Turins durchzusetzen und er arbeitete an der Kirche der Gran Madre di Dio. Während die Bildhauer den Weg der Serienfertigung einschlagen und sich vor allem Grabstatuen widmen, tritt in der Malerei Giovanni Marghinotti hervor, der im Laufe des Jahrhunderts zum wichtigsten Vertreter der ornamentalen Kunst wird: von den klassizistischen Anfängen, die das Mäzenatentum der Savoyer feiern, über die Romantik bis hin zu einer folkloristischen Tendenz, die ihn als ersten in der sardischen Kunst dazu führen, die sardischen Volkstraditionen aufzuwerten. In der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts ergreift Sardinien das Klima der städtebaulichen Erneuerung, das die gesamte Halbinsel charakterisierte, die mit der Schaffung der neuen bürgerlichen Stadt beschäftigt war. Die wichtigste Figur in diesem Zusammenhang ist Gaetano Cima, von 1840 bis 1864 Professor an der Fakultät für Architektur in Cagliari, der eine Generation von hoch qualifizierten Architekten prägte, die sich der Bedeutung der Prinzipien der Ordnung, der Proportion und der Symmetrie in der Planungsphase bewusst waren. Das öffentliche Bauwesen war jedoch lange Zeit von der Neorenaissance und einem ausgeprägten Hang zum Monumentalismus und Stileklektizismus geprägt. Charakteristisch dafür sind die Ausschmückungen 33 der Repräsentationssäle in Sassari und Cagliari, die Giuseppe Sciuti und Domenico Bruschi anvertraut wurden, sowie in Cagliari die Errichtung des neuen Stadtpalastes, eine Arbeit von Crescentino Caselli und Annibale Rigotti, in der neugotische Elemente mit Jugendstilelementen verbunden werden. In diesem Klima beginnt in Sardinien, zwischen Ende des neunzehnten und Beginn das zwanzigsten Jahrhunderts, der Weg der zeitgenössischen Kunst. Im Laufe von zwanzig Jahren nimmt die sardische Kunst ihre spezifische Gestalt an und die einzelnen Künstler werden erkennbar, die der spezifischen Identität des sardischen Volkes gewahr werden und das Bewusstsein seines Auf dem links: “La madre dell’ucciso” von Francesco Ciusa Auf dem Recht: “Grande festa campestre” von Giuseppe Biasi kulturellen Wertes in ihre Arbeit einfließen ließen. In dieser neuen Dimension beginnen die Sarden, sich auch jenseits des tyrrhenischen Meeres in den Kunstinstitutionen durchzusetzen: 1907 triumphiert Francesco Ciusa auf der Biennale von Venedig mit der Gipsskulptur La madre dell’ucciso; Antonio Ballero beginnt - in den Grenzen seiner autodidaktischen Ausbildung - seine Werke auf den wichtigsten internationalen Ausstellungen zu zeigen; zwischen 1913 und 1915 war Giuseppe Biasi einer der wichtigsten Protagonisten der römischen Sezessionen. In Cagliari wurde die Entstehung einer neuen figurativen sardischen Bewegung durch die Ausschmückung der Innenräume des neuen Stadtpalasts angeregt. Dies war eine historische Gelegenheit, denn zum ersten Mal wurde ein derart wichtiger öffentlicher Auftrag an lokale Künstler vergeben. Leider haben die schrecklichen Bombardierungen des Jahres 1943 zur Zerstörung der Arbeiten von Francesco Ciusa im Ratssaal und von Mario Delitala im Museumssaal geführt. Vollständig erhalten geblieben sind hingegen die Arbeiten von Filippo Figari, der zwischen 1912 und 1914 die Ausschmückung des Hochzeitssaals mit dem Zyklus Die Liebe in Sardinien vorgenommen hat, sowie die von Felice Melis Marini, dem die Arbeiten im 35 Kabinettsraum übertragen wurden, wo er im Rückgriff auf die geliebte Landschaftsmalerei drei Panoramen von Cagliari aus verschiedenen Blickwinkeln aus ausgeführt hat: vom Land, vom Monte Urpinu und vom Golfo. Nach dem Ersten Weltkrieg registrierte man eine allgemeine Ablehnung sowohl gegen den Experimentalismus der Avantgarde, als auch gegen den ästhetisierenden Dekorativismus. Die Aufmerksamkeit vieler Künstler, vor allem die der Gebrüder Federico und Melkiorre Melis, konzentrierte sich auf die angewandten Künste. Der Zweck bestand in einer Erneuerung des Kunsthandwerks durch Bezüge auf lokale ethnografische Mattino in un villaggio sardo, von Giuseppe Biasi Traditionen und eine Neubewertung der Volkskultur. Der Zentralismus des faschistischen Kulturbetriebs verfolgte jedoch die Unterdrückung der regionalen Tendenzen. Die Integration in die nationale Kultur hatte einen hohen Preis: Die regionale Kultur und die traditionellen Lebens- und Denkweisen wurden auf reine Folklore reduziert. In den 20er Jahren wurden neben großen Straßen-, Wasserwege- und Hafenbauarbeiten auch zahlreiche öffentliche Gebäude errichtet: die Universitätsgebäude und die Justizpaläste von Cagliari und Sassari und die Schulen sind nur einige Beispiele für die Architektur des “ministeriellen Stils”, die das Bauwesen auf der gesamten Halbinsel prägte. Es fehlen jedoch auch Bauwerke nicht, die dem Kanon des Funktionalismus voll und ganz entsprechen; gute Beispiele dafür sind die Arbeiten von Ubaldo Badas in Cagliari. Von wesentlicher Bedeutung waren auch die Stadtneugründungen von Arborea, Fertilia, Carbonia und Cortoghiana, einzigartige Fälle, in denen Avantgardekünstler die Gelegenheit hatten, metaphysische Szenarien in architektonische Realität umzusetzen. Nach dem Zweiten Weltkrieg zeigen sich in der Kunst widersprüchliche Tendenzen. 36 Einerseits werden die Themen und Malweise der großen sardischen Meister des frühen zwanzigsten Jahrhunderts vorgeführt, wie Biasi, Figari und Delitala; andererseits findet zum Beispiel durch Eugenio Tavolata eine intelligente Neubearbeitung der sardischen Volkstradition im Lichte des zeitgenössischen Designs statt, und andere versuchten, das kulturelle Leben der Insel durch den Kontakt mit den italienischen und europäischen Avantgarden zu beleben. Als Mauro Manca 1957 den Sardinienpreis auf der 1. Nationalen Biennale für Malerei in Nuoro mit dem Werk Der Schatten des Meeres auf dem Hügel gewann, entbrannte in der Presse lebhafte Diskussion zwischen den Vertretern der figurativen Kunst und den Anhängern der abstrakten Malerei. Dabei handelt es sich um eine wichtige Wegscheide für die sardische Kunst: zum ersten Mal ging in Sardinien eine offizielle Auszeichnung an ein nicht figuratives Werk. Die jungen Künstler suchten in ihren gegenständlichen oder abstrakten Werken die Auseinandersetzung mit den historischen Avantgarden: Der visionäre Traum des Surrealismus, und der grelle und aufgebrachte Chromatismus der Expressionisten bildeten in einer freien Neuinterpretation die solide Grundlage für die Manifestation ihres Dissenses und den Anspruch auf eine vollberechtigte Anerkennung in der zeitgenössischen Kunst. Dies sind die Jahre, in denen drei Künstler den Weg Skulpturen von Costantino Nivola, Orani in die Architektur finden: die Verweise auf die archaische Tradition von Costantino Nivola aus Nuoro im Jahr 1967 bei der Neugestaltung der Piazza Sebastiano Satta, die Ausarbeitung des Nutzungsplans des Gramsci-Kollektivs von Giò Pomodoro im Jahr 1977 in Ales und das Freilichttheater von Porto Rotondo, das in unverwechselbarer Weise mit dem Namen Mario Ceroli verbunden ist, belegen auf außerordentlich positive Weise den sardischen kulturellen Kontext. 37 Tour TOUR 1 CAGLIARI Dauer: ein Tag Geht man vom Bahnhof aus die Via Roma in Richtung Hafen entlang, trifft man links auf das zwischen 1899 und 1907 erbaute Rathaus von Cagliari. Sein architektonischer Stil ist an die aragonesische Gotik angelehnt, die zwischen dem 14. und 15. Jh. in Sardinien sehr verbreitet war. Hinzu kommen typische Blumenmotive des Jugendstils. Mit der Dekoration der Innenräume wurden bedeutende sardische Künstler beauftragt, insbesondere Felice Melis Marini und Filippo Figari. Letzterer hat den Hochzeitssaal und Sitzungssaal ausgestaltet. Verlässt man das Rathaus und geht die Via Roma nach links weiter, erreicht man die Arkaden, ein klassischer Spazierweg durch Cagliari. Hat man das Hafenbecken erreicht, biegt man in die Viale Bonaria ein, wo sich der Palazzo del CIS befindet, der zwischen 1987 und 1992 nach einem Entwurf von Renzo Piano erbaute wurde. Folgt man der Viale Bonaria, erreicht man den gleichnamigen Hügel, auf dem sich nebeneinander die Wallfahrtskirche Santuario und die Basilica di Bonaria. Die Wallfahrtskirche wurde zwischen 1324 und 1326 von den Aragonesen im typischen gotischaragonesischen Stil erbaut. In der Kirche befinden sich die Holzstatue der 38 Madonna di Bonaria (15. Jh.) und das Tafelgemälde der Madonna del Cardellino von Michele Cavaro (16. Jh.). Im anliegenden Museum sind Kunstwerke zu sehen sowie Votivbilder der Wallfahrtskirche, deren vorrangiges Thema das Meer ist. Die daneben liegende, weitaus größere Basilika wurde im Jahr 1704 nach einem Entwurf des Ingenieurs Felice De Vincenti begonnen, der im Jahr 1778 von Giuseppe Viana geändert wurde. Erst im Jahr 1954 wurde sie mit der heutigen Fassade fertig gestellt. Allen Bauten gemeinsam ist die Verwendung des Kalksteins, der direkt ausdem nahegelegenen Hügel gewonnen wurde. An dessen Fuße befindet sich ein Monumentalfriedhof aus dem 19. Jh., gesäumt von der nach ihm benannten Allee. Geht man die Viale Cimitero weiter und biegt dann links in die Via Logudoro ein, erreicht man die Piazza San Cosimo mit der Kirche San Saturnino. Sie ist dem Märtyrer aus Cagliari geweiht, der im Jahr 304 während der Verfolgungen des Kaisers Diokletian enthauptet wurde. Die Kirche mit kreuzförmigem Grundriss und Kuppeln wurde im 6. Jh. errichtet und im 11. Jh. umgebaut. Folgt man der Via San Lucifero und Via Iglesias, bewegt man sich in Richtung des Altstadtviertels Villanova. Dort biegt man in die Via Garibaldi ein und folgt dieser ein Stück weit bis zur Piazza Costituzione, auf der die zwischen 1896 und 1902 erbaute Bastione di Saint Remy steht. Die Die Basilika von Bonaria, Cagliari Bastion ist bekannt für ihren spektakulären Treppenaufgang, der in zwei Rampen aufgeteilt ist und von der Piazza aus zu mehreren Terrassen führt, die über einen überdachten Spazierweg entlang der Viale Regina Elena miteinander verbunden sind. Der Rundgang führt nun entlang der Viale Regina Elena, die auch “Terrapieno” (Erdwall) genannt wird, hinauf zum Stadtpark, in dem sich die Galleria Comunale d’Arte (Städtische Kunstgalerie) befindet. Seit Januar 2001 beherbergt die Galerie (im übrigen das erste 39 Gebäude Sardiniens, in dem ein Museum untergebracht wurde) die wertvolle Sammlung Ingrao mit Werken einiger der bedeutendsten italienischen Künstler des 20. Jh., darunter Umberto Boccioni, Giorgio Morandi, Filippo De Pisis, Mario Mafai, Felice Casorati und Mino Maccari. Außerdem ist eine Auswahl von 74 Kunstwerken aus der Städtischen Sammlung zu sehen mit einigen der wichtigsten Vertretern der sardischen Kunst des 20. Jh., von Francesco Ciusa bis Giuseppe Biasi, Maria Lai und Costantino Nivola. Der letzte Abschnitt der Viale Regina Elena führt durch das gleichnamige Tor auf die Piazza Arsenale in “Castello”, dem wichtigsten der vier Altstadtviertel Cagliaris. Von hier aus erreicht man die Cittadella dei Musei, einen modernen Museumskomplex auf dem ehemaligen Militärarsenal. Hier sind das Museo Archeologico Nazionale und die Pinacoteca Nazionale untergebracht. Im ersten ist eine der wichtigsten Sammlungen archäologischer Fundstücke in Sardinien ausgestellt, die von der Urgeschichte bis zum byzantinischen Zeitalter reicht. Außergewöhnliche Stücke sind die Statuen der Muttergottheit, nuraghische Bronzefiguren, phönizischpunischen Schmuckstücke (darunter die berühmte, in Olbia aufgefundene gläserne Halskette) und Bleibarren aus der Römerzeit. In der Pinakothek befinden sich eine wichtige Sammlung bemalter Altaraufsätze aus dem 15.-16. Jh. sowie Gemälde aus dem 17.-19. Jh., die die Geschichte der sardischen Die Kirche S. Saturnino, Cagliari 40 Malerei dokumentieren. In der “Cittadella” sind außerdem die interessante Collezione di Ceroplastiche Anatomiche (Sammlung anatomischer Wachsnachbildungen) von Clemente Susini und das Museo Siamese “Cardu” untergebracht, in dem Waffen, Porzellan und Kunsthandwerk aus Fernost ausgestellt sind. Man durchquert die Porta Cristina aus dem 19. Jh. und geht die Viale Buoncammino entlang. Von hier aus bietet sich ein herrlicher Blick über das Altstadtviertel Stampace und das eindrucksvolle Anfiteatro romano (2. Jh. n. Chr.), dessen Tribüne zum Teil aus dem Felsen gehauen wurde. CIS Palast, Cagliari Es wird noch heute für Open air-Konzerte und Opernaufführungen genutzt. Zusammen mit der Grotta della Vipera (Schlangengrotte), die ebenfalls in den Tuffstein gehauen wurde, ist es das bedeutendste Monument, das aus dem Cagliari der Römerzeit erhalten geblieben ist. Man kehrt nun den gleichen Weg zurück bis zum Turm Pisana di San Pancrazio (1305), der gemeinsam mit dem Torre dell’Elefante (Elefantenturm) aus dem Jahr 1307 von dem einheimischen Architekten Giovanni Capula entworfen wurden, um den nördlichen Eingang des Schlosses zu schützen. Biegt man auf die Piazza Indipendenza ein und geht die Via Martini entlang, gelangt man auf die heutige Piazza Palazzo, mit dem Palazzo Regio (Königspalast) und der Kathedrale Santa Maria erheben. Im Königspalast, dem ehemaligen Sitz der spanischen Vizekönige und Piemontesen (mit einer wunderschönen Porträtreihe aus dem 18. und 19. Jh. in der Sala degli Alabardieri), war während des Exils zwischen 1799 und 1814 zeitweilig auch der Hof Savoyens untergebracht. Ende des 19.Jhs. wurde er als Sitz der Provinzverwaltung von Domenico Bruschi aus Perugia mit Themen der sardischen Geschichte und klassischen Mythologie ausgemalt. Die Kathedrale Santa Maria wurde Anfang 41 des 13. Jh. von den Pisanern erbaut und 1258 zur Kathedrale erhoben. Der Glockenturm ist das einzige romanische Bauelement. Aus der gleichen Epoche (entstanden zwischen 1159 und 1162) stammt die Kanzel, Pulpito di Guglielmo, die zwischen 1310 und 1312 aus der Kathedrale von Pisa hierher gebracht wurde. In der zweiten Hälfte des 17. Jh. wurde sie im Rahmen der Barockisierung der Kathedrale in mehrere Stücke zerteilt. Im Inneren der Kirche sind auch zwei gotische Kapellen erhalten: links vom Altar die Kapelle der Pisaner, rechts die der Aragonen. Diese entstand nach 1326 nach der Eroberung der Insel durch Aragon-Katalonien. Ebenfalls im 17. Jh. entstand die Krypta für die Reliquien der sardischen Heiligen und Märtyrer. Sie enthält die klassizistischen Grabmäler der Maria Luisa di Savoia, Königin von Frankreich und des Prinzen Carlo Emanuele di Savoia. Die Kathedrale enthält zudem wertvolle Barockaltäre mit Marmorintarsien und Grabmäler von Erzbischöfen und Vizekönigen, das Mausoleo di Martino il Giovane (Mausoleum), König von Sizilien, herrliche Altarbilder aus dem 18. Jh. und bedeutende Kirchengeräte aus Silber, die heute zum Teil im anliegenden Diözesanmuseum untergebracht sind. Man geht nun hinunter in das Marina-Viertel, biegt in die Via Manno ein und schließlich in die Via Baylle, bis zur Kirche Sant’Agostino. Sie wurde Ende des 16. Jh. erbaut und ist die einzige Renaissancekirche in Sardinien. Der Skulpturen von Sciola, San Sperate Seiteneingang der Kirche Sant’Agostino führt auf den Largo Carlo Felice, den man bis zur Piazza Yenne entlang geht. Anschließend biegt man in die Via Azuni ein, an deren Ende man die in der zweiten Hälfte des 17. Jh. von den Jesuiten erbaut Barockkirche San Michele erblicken kann. Die Sakristei ist mit Fresken des römischen Künstlers Giacomo Altomonte ausgemalt und ganz im Rokokostil gehalten, der sich einheitlich sowohl durch die dekorativen Marmorund Holzelemente wie auch die Malerei zieht. 42 TOUR 2 DAS GEBIET CAGLIARI Pula - Uta - Villaspeciosa - San Sperate - Assemini - Muravera Villaputzu - Orroli Daeur: ein Tag - Streckenlänge: ca. 105 km Die Ruinen von Nora, Pula Fährt man von Cagliari aus die SS 195 entlang, sieht man kurz vor der Abfahrt nach Sarroch (20 km) auf der rechten Straßenseite den Nuraghen Antigori. Ein weiterer Nuraghe im Gebiet von Sarroch ist Sa Dom’è s’Orku. Im ersten wurden Keramikstücke mykenischen Ursprungs aufgefunden, die den Handel zwischen dem Nuraghenvolk und Seefahrern des ägäischen und orientalischen Raumes bezeugen. Von Pula aus (30 km) biegt man in eine Allee ein, die nach 3 km zu der antiken Stadt Nora führt. Sie wurde zwischen dem 9. und 8. Jh. v. Chr. von den Phöniziern erbaut, hatte ihre Blütezeit in punischer und römischer Zeit und wurde bereits vor dem Jahr 1000 verlassen. Erhalten sind Mosaikfußböden und ein römisches Theater. Hinter dem schönen Strand liegt kurz vor dem Eingang der Ausgrabungsstätte die vor 1089 erbaute romanische Kirche Sant’Efisio. In diesem Jahr fand die Schenkung der Richter von Cagliari an die Benediktinermönche von San Vittore di Marsiglia statt. Die Kirche ist das Ziel eines Prozessionweges, auf dem jedes Jahr Anfang Mai die Statue des Sant’Efisio von Cagliari an den Ort des Martyriums getragen wird, mit traditionellen Trachten und begleitet von einer großen Menschenmenge. 43 Man fährt nun die SS 195 ca. 22 km zurück und biegt dann links in Richtung Macchiareddu ab. Nach ca. 13 km fährt man nach rechts und folgt der Beschilderung in Richtung Uta. Dort angekommen, durchquert man die Ortschaft und fährt an deren südliches Ende, um die romanische Kirche Santa Maria zu besichtigen. Sie wurde gegen Ende des 12. Jh. aus unterschiedlichen Materialien erbaut: (Marmor in verschiedenen Farbnuancen, Vulkangestein und vor allem Kalkstein) mit interessanten dekorativen und symbolischen Elementen. Nun fährt man auf der SS 130 ca. 5 km in Richtung Villaspeciosa. Am Stadtrand erhebt sich die romanische Kirche San Platano, die erstmalig im Jahr 1135 als Besitz der Benediktinermönche von San Vittore di Marsiglia erwähnt wird. Interessant ist die zweischiffige Raumteilung mit Apsis: die Kirchenschiffe sind mit Arkaden auf antiken Säulen und Kapitellen ausgestattet. Biegt man auf die SS 130 in Richtung Cagliari ab, gelangt man in etwa auf Höhe von Decimomannu an die Abzweigung nach San Sperate, dessen Zentrum man nach ca. 10 km erreicht. Im Jahr 1968 entstanden auf Anregung Pinuccio Sciolas hier die ersten “Murales” (Wandbilder). Ziel war, die Ortsmitte in eine Galerie zu verwandeln. Die Initiative fand bei zahlreichen italienischen und ausländischen Künstlern Unterstützung, unter ihnen Foiso Fois, Primo Pantoli, Giorgio Princivalle und Gaetano Brundu. So entstanden suggestive Wandmalereien, die sich an lateinamerikanischen Figurenelementen orientieren (vor allem an Siqueiros), aber dennoch tiefer Ausdruck der Kultur und Lebenswelt der Bewohner des Campidano sind. Dank der Scuola Internazionale di Scultura von San Sperate, deren wichtigster Förderer Sciola ist, wird auch heute die künstlerische Tradition des Ortes weitergeführt. Die umliegende Landschaft dient als Atelier für Künstler und neue künstlerische Ausdrucksformen. Man kehrt nun die Straße nach Decimomannu zurück, biegt auf die SS 130 in Richtung Cagliari ein und fährt dann in Richtung des Zentrums von Assemini. Hinter der schönen Pfarrkirche San Pietro im Stil der katalanischen Spätgotik erhebt sich die Kirche San Giovanni Battista aus byzantinischer Zeit. Interessant sind die beiden Inschriften in griechischer Sprache (und Schrift) im Innenraum, die auf die Zeit zwischen dem 10. und 11. Jh. zurückgehen. Sie erwähnen den Archon Torcotorio di Sardegna und seine Frau Getite, sowie Nispella, die Frau eines anderen Torcotorio: es handelt sich dabei um die Namen einiger der frühesten Richter Cagliaris, die bekannt sind. 44 TOUR 3 DAS GEBIET CARBONIA-IGLESIAS Iglesias - Carbonia - Sant’Antioco Calasetta - Tratalias - Villaperuccio Dauer: 1 Tag - Streckenlänge: ca. 110 km Das befestigte Zentrum aus phönizisch-punischer Zeit von Monte Sirai, Carbonia Eine lange Allee führt in das Zentrum von Iglesias. Auf ihr erreicht man die Piazza Sella mit dem Denkmal Monumento a Quintino Sella von Giuseppe Sartorio (1885) sowie die nahe gelegene Piazza Oberdan mit dem Gefallenendenkmal Monumento ai Caduti von Francesco Ciusa (1928). In der Altstadt geht man bis zur Piazza del Municipio (Rathausplatz) mit der gotischen Kathedrale Santa Chiara, die laut Inschriften vor 1284-85 begonnen und vor 1288 fertig gestellt wurde. Neben dem Rathaus biegt man in die Via Satta und die Via Don Minzioni ein, an deren Ende man rechts in die Via Roma abbiegt. Die Nummer 45 ist das Museo dell’arte mineraria (Bergbaumuseum), in dem Zeugnisse und Werkzeuge ausgestellt sind, die die Geschichte des Bergbaus in der Gegend von Iglesias dokumentieren: Originalmaschinen, Landschaftsreliefs und alte Fotografien. Außerdem enthält das Museum einen echten, begehbaren Tunnel. Fährt man die Via Roma in nördlicher Richtung und biegt dann links in die Via Cattaneo ein, gelangt man auf die Staatsstraße 126 in Richtung Carbonia und Sant’Antioco und verlässt Iglesias, nachdem man das im 19. Jh. erbaute Stadtviertel und die stillgelegten Bergbauanlagen hinter sich gelassen hat. 45 Die gotische Kathedrale Santa Chiara, Iglesias Auf der rechten Seite ist das Erzbergwerk von Monteponi. Eine der wichtigsten italienischen Stätten für den Zink- und Bleiabbau, deren über hundertjährige Tätigkeit durch die Größe der Anlagen und Abladehalden eindrucksvoll dokumentiert wird. Sehenswert das Freskengemälde La miniera (1950) von Aligi Sassu im Gästehaus, sowie die verlassenen Bergbaudörfer Sa Macchina Beccia und Seddas Moddizzis. Man biegt nun erneut auf die SS 126 ab und fährt ca. 20 km in Richtung Süden bis nach Carbonia, ein Musterbeispiel für eine auf dem Reißbrett entstandene Stadt. Sie wurde in etwas mehr als zwei Jahren erbaut und im Jahr 1938 von Mussolini eingeweiht. Die typischen Bauten aus faschistischer Zeit sind um die Via Roma herum konzentriert. Hier liegt auch der gleichnamige, nach Osten ausgerichtete terrassenförmige Platz. Um diesen Mittelpunkt herum sind alle wichtigen Gebäude angeordnet: das Rathaus, die Kirche, der Liktorenturm und ein Freizeitzentrum. Äußerst sehenswert ist die Kirche San Ponziano. Sie wurde dem im 3. Jh. lebenden Papst geweiht, der zur Zwangsarbeit in den Stollen der Gegend um Iglesias verurteilt wurde und daher zum Patron der Stadt und der Kohlenbergwerke wurde. Fährt man die SS 126 in Richtung 46 Süden weiter, erreicht man nach etwa zwanzig Kilometern das Zentrum von Sant’Antioco, nachdem man auf der rechten Seite die bedeutende Festung Monte Sirai hinter sich gelassen hat. Sie wurde in phönizisch-punischer Zeit auf einem Hügel errichtet und war ein wichtiger strategischer Punkt zur Überwachung der umliegenden Gebiete. Die Festung wurde von Phöniziern aus Sulki gegründet, dem heutigen Sant’Antioco. Die Hafenstadt war auch in punischer und römischer Zeit sehr bedeutend. Da der Ort als Folge der sarazenischen Einfälle lange Zeit verlassen war, sind kaum Überreste von Gebäuden erhalten geblieben, mit Ausnahme der Akropolis (wo ein steinernes Löwenpaar gefunden wurde) und einer Grabanlage, bestehend aus phönizisch en-punischen Grabkammern und einem Tophet (Opferstätte und Bestattungsplatz für Kinder- und Tieropfer). Die im kürzlich eröffneten Antiquarium ausgestellten Fundstücke stammen aus dem Areal der antiken Stadt. In der Altstadt steht die dem lokalen Märtyrer geweihte Kirche Sant’Antioco. Sie wurde über Grabkammern aus phönizisch-punischer Zeit errichtet, die miteinander verbunden sind und als Katakomben genutzt wurden. Die Kirche hat byzantinische Bauformen und enthält Fragmente von Marmorskulpturen aus der Zeit zwischen dem 6. und dem 11. Jh.. Im Inneren befindet sich auch ein wertvolles silbernes Reliquiar. Es wurde von Grabanlage “Domus de Janas” von Montessu, Villaperuccio dem aus Cagliari stammenden Sisinnio Barrai im Jahre 1615 angefertigt und dient zur Aufbewahrung des Schädels von Sant’Antioco. Die Tour führt nun weiter nach Calasetta, dem zweiten Ort auf der Insel, den man nach ca. 10 km erreicht. In der Via Savoia befindet sich das Museo d’Arte Contemporanea (Museum für zeitgenössische Kunst). Es ist im ehemaligen Schlachthof untergebracht, der seit über vierzig Jahren nicht genutzt ist und 47 zu diesem Zweck umgebaut wurde. Das Kernstück der Ausstellung bildet die Sammlung “Ermanno e Maria Rita Leinardi” mit über 109 Werken von 103 Künstlern aus der ganzen Welt, die der Künstler Ermanno Leinardi während seiner mehr als vierzigjährigen internationalen Tätigkeit zusammengetragen hat. Die Sammlung unterscheidet sich von anderen Ausstellungen der Insel dadurch, dass sie viele Werke der abstrakten, konstruktivistischen, konkreten und informellen Malerei enthält. Neben lokalen Künstlern sind viele ausländische Maler vertreten: Sergej Poliakof, Sonia Delaunay, Jean Leppien, Hisiao Chin, Yves Popet, J.F. Dubreuil, Claude Pasquer, Charles Bezie und viele andere. Die gezeigten italienischen Künstler sind auch aus historischer Sicht bedeutend: Giuseppe Capogrossi, Lucio Fontana, Bice Lazzari, Mauro Reggiani, Mario Radice, Luigi Veronesi, Piero Dorazio, Paolo Minoli, Achille Pace und Nicola Carrino. Auf dem Rückweg nach Sant’Antioco biegt man nach ca. 15 km rechts in Richtung Palmas ab und fährt weiter bis Tratalias; den Beschilderungen folgend erreicht man den alten Ortskern mit der romanischen Kathedrale Santa Maria. Sie wurde zwischen 1213 und 1282 als Sitz der Diözese Sulcis errichtet, die nach Sant’Antioco und vor Iglesias Diözese war. Von Tratalias aus fährt man weiter nach Villaperuccio, um die prähistorische Nekropole Montessu zu besichtigen. Sie ist eine der größten Bergbau, Masua Grabanlagen vom Typ Domus de Janas in Sardinien, mit Felszeichnungen und Spuren von Wandmalereien, und wurde auf spektakuläre Weise aus dem Felsen gehauen. 48 TOUR 4 DAS GEBIET MEDIO CAMPIDANO Sanluri - Villamar - Barumini - Tuili - Sardara Dauer: ein halber Tag - Streckenlänge: ca. 40 km Nuraghe Su Nuraxi, Barimini Die Tour beginnt mit der Besichtigung des Zentrums von Sanluri. Auf der Piazza Castello befinden sich das Castello (Burg) und das Museo Risorgimentale. Das nach Eleonora d’Arborea benannte Castello wurde in einer Zeit errichtet, als der Verwaltungsbezirk Cagliari unter pisanischem Einfluss stand und wurde im Laufe des 14. Jhs. komplett umgebaut. Heute befindet sie sich im Besitz der Familie Villasanta und beherbergt das Museo Risorgimentale Duca d’Aosta. Die Ausstellung zeigt Zimelien der Unabhängigkeitskriege, Kolonialkriege und aus dem Zweiten Weltkrieg, Schwerter und Einrichtungsgegenstände der Familie Bonaparte, eine Briefsammlung Gabriele D’Annunzios sowie eine umfangreiche Sammlung von Wachsnachbildungen historischer Denkmäler, geschichtlicher Persönlichkeiten und religiöser Szenen aus der Zeit zwischen dem 16. und 20. Jh. Geht man die Via Carlo Felice entlang, erreicht man den Platz mit der Pfarrkirche Nostra Signora delle Grazie, die zwischen 1781-86 nach Plänen von Carlo Maino und Antonio Ignazio Carta im Stile des Spätbarock umgebaut wurde. Vom östlichen Stadtrand Sanluris aus folgt man einige Kilometer der Straße bis zur Abzweigung nach Villamar. Biegt 49 man links ab, erreicht man nach ca. 8 km die Ortschaft Villamar. Sie war einstmals Hauptsitz des Kurators der Marmilla und ist wegen der besonderen Architektur der Altstadt bekannt, die aus ladiri (ungebrannte Lehmziegel) erbaut ist. In der Via Vittorio Emanuele III befinden sich die romanische Kirche San Pietro sowie die Pfarrkirche San Giovanni Battista mit dem Altaraufsatz von Villamar, der im Jahr 1518 von Pietro Cavaro geschaffen wurde. In der Mitte des Gemäldes befindet sich eine Nische mit der Holzstatue der Jungfrau mit Kind, die von der Kreuzigung überragt wird. Auf den Seitenteilen sind der Hl. Franziskus (beim Empfang der Wundmale), der Erzengel Michael, der Hl. Johannes der Täufer und die Taufe Christi abgebildet. Auf dem Altarsockel sind Szenen aus dem Leben Marias dargestellt. Im Norden von Villamar gelangt man auf die SP 197. Nachdem man Villanovafranca und Las Plassas hinter sich gelassen hat, erreicht man nach ca. 10 km Barumini. Sehenswert sind hier: das monumentale ehemalige Kapuzinerkloster San Francesco aus dem Jahr 1609, heute Sitz eines lebendigen Kulturzentrums; der Palazzo dei marchesi Zapata von Anfang des 17. Jh., dessen im klassizistischen Stil gehaltene Fenster mit spätgotischen Motiven geschmückt sind; die in der ersten Hälfte des 16. Jh. erbaute spätgotische Pfarrkirche der Beata Auf dem links: Das Schloß, Marmilla Auf dem Recht: Die Kirche von Madonna delle Grazie, Sanluri Vergine Immacolata. Man verlässt Barumini in östlicher Richtung, durchquert die Hügellandschaft des bedeutenden Naturschutzgebietes “Giara di Gesturi” und erreicht Orroli, in dessen Nähe sich einer der größten Nuraghen Sardiniens befindet, der Nuraghe Arrubiu. Von dem zentralen, von Bastionen umgebenen Turm sind noch 16 m erhalten. Hier werden nach wie vor Ausgrabungen durchgeführt. Verlässt man Barumini 51 hingegen in westlicher Richtung, erreicht man den bekanntesten Nuraghen Sardiniens Su Nuraxi, der von der UNESCO in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen wurde. Er wurde nach 1600 v. Chr. erbaut und mindestens bis 500 v. Chr. bewohnt. Der zentrale Turm, um den das aus Wohnhütten und Versammlungsräumen bestehende Dorf gebaut ist, hat einen eindrucksvollen Umfang und drei übereinander liegende Räume. Er ragt aus der übrigen Turmanlage des Nuraghen heraus, der eine mehrpassige Form hat. Die Besichtigung der Anlage ist ein suggestives Erlebnis, da die Innen- und Außenbereiche von zahlreichen engen Gängen durchzogen sind, die aus den Basaltblöcken geschlagen wurden. Folgt man der Straße weiter, erreicht man das nahe gelegene Tuili. Im oberen Teil des Ortes erhebt sich die Pfarrkirche San Pietro Apostolo mit dem wunderschönen Altaraufsatz von Tuili. Er wurde vom Maestro di Castelsardo geschaffen und ist das einzige datierte Werk dieses Künstlers. Es geht auf die Zeit zwischen 1489 und 1500 zurück. In der Mitte ist vor dem Hintergrund der Kreuzigung die Figur der Jungfrau mit dem Kind auf dem Thron dargestellt; auf den Seitenteilen stehen Heiligenfiguren im Vordergrund. Vom Süden des Ortes aus biegt man in die Straße ein, die über Pauli Arbarei, Lunamatrona, Villanovaforru und Collinas nach Sardara führt. Neben einer bedeutenden Kuranlage befinden sich hier auch einige interessante Kirchen: San Gregorio mit einem wunderschönen zweibogigen Fenster im gotischen Stil und Santa Anastasia, die auf einem heiligen Brunnen aus der Nuraghenzeit erbaut wurde. Außerhalb des Ortes steht in der Nähe der antiken römischen Thermen die Kirche Santa Maria is Aquas. Entlang der Straße nach San Gavino Monreale steht auf einem Hügel die Ruine der antiken Burg des Richters von Monreale. 52 TOUR 5 DAS GEBIET VON ORISTANO Ales - Arborea - Santa Giusta - Oristano - Fordongianus Dauer: ein Tag - Streckenlänge: ca. 80 km Die Ruinen von Tharros Am Fuße der Bergkette des Monte Arci, der in prähistorischer Zeit wegen seiner Obsidianvorkommen von großer Bedeutung war, liegt Ales mit seiner herrlichen Kathedrale, die im 17. Jh. von dem genuesischen Meister Domenico Spotorno umgebaut wurde. Im nahe gelegenen Museo Diocesano, das demnächst eröffnet wird, sind bedeutende Kunstgegenstände (Paramente und silberne Kirchengeräte) ausgestellt, die die Geschichte der bischöflichen Aktivitäten dokumentieren. Auf der SS 131 erreicht man nach ca. 17 km die Abzweigung nach Uras und fährt weiter am Zentrum vorbei bis zur Kreuzung mit der SP 126, auf die man nach rechts abbiegt. Nach 14 km erreicht man Arborea, das im Jahr 1928 mit dem Namen “Mussolinia” gegründet wurde. Charakteristisch ist die symmetrische Anordnung der Gebäude auf dem Platz in der Stadtmitte. Sehenswert ist die Kirche Santa Maria Ausiliatrice mit einem Altarbild des Malers Filippo Figari. Man verlässt Arborea in nördlicher Richtung und fährt die Straße in Richtung Santa Giusta, das man nach ca. 12 km erreicht. Die Ortschaft wurde auf der antiken phönizisch-punischen Stadt Othoca errichtet, die später römisch wurde. 53 Die Kathedrale S. Maria, Oristano Überragt wird sie durch die auf einer Anhöhe gelegene ehemalige romanische Kathedrale Santa Giusta, die zwischen 1118 und 1144 erbaut wurde. Ihre Besonderheit liegt darin, dass sie als einzige Kirche Sardiniens eine romanische Krypta besitzt, deren Gewölbe von antiken Säulen und Kapitellen gestützt wird. Fährt man in Richtung Norden weiter, erreicht man nach 5 km die Stadt Oristano. Auf der Piazza Mannu befand sich eines der Tore der mittelalterlichen Stadtmauer. Von hier aus biegen wir links ab in die Via Vittorio Emanuele, an deren Ende die Kathedrale Santa Maria liegt. Sie wurde im 12. Jh. im romanischen Stil auf einem bereits bestehenden byzantinischen Bau errichtet und enthält zwei prachtvolle Marmor-Chorschranken, auf denen Löwen mit Hirschkälbern und Daniel in der Löwengrube dargestellt sind. Ihre Rückseite wurde im Rahmen des Ausbaus der Kathedrale von einem katalanischen Bildhauer neu bearbeitet. Bei diesen Arbeiten wurde zudem ein gotisches Querschiff hinzugefügt, von dem die Kapelle des Allerheiligsten oder des Trostes erhalten ist. Auf dem Altar thront die Statue einer Madonna mit Kind, die von einem katalanischen Bildhauer im 14. Jh. geschaffen wurde. In einer Seitenkapelle wird die Holzstatue der Verkündigung aufbewahrt (sie wird Francesco di Valdambrino zugeschrieben, einem toskanischen Künstler von Anfang des 15. Jh.). Zwischen 1729 und 1745 wurde die Kirche komplett umgebaut. Dabei wurden das von Cominotti entworfene Querschiff im klassizistischen Stil hinzugefügt. Im so genannten Archivietto (17. Jh.) werden neben den Chorschranken zwei bronzene Türklopfer mit Löwenköpfen aufbewahrt, die aus dem Jahr 1228 stammen und vom Meister Placentinus signiert sind. Bedeutend ist auch eine Reihe von Kodizes mit gregorianischen Gesangstexten, die mit wertvollen Miniaturen geschmückt sind. Die ältesten Exemplare stammen aus dem 13. Jh. Auf dem Platz erhebt sich der getrennt stehende, imposante mittelalterliche Glockenturm mit spätbarocker Kuppel, die von dem savoyischen Militäringenieur Davista entworfen wurde; in der Nähe liegen das antike Priesterseminar und das Episkopium. Folgt man der Via Duomo, gelangt man an die Kirche San Francesco gotischen Ursprungs, die im Jahr 1838 durch den Architekten Gaetano Cima im Stile des Klassizismus umgebaut wurde. Sie enthält zwei wichtige mittelalterliche Kunstwerke: Die Marmorstatue eines Heiligen Bischofs von Nino Pisano (ca. 1360) und das so genannte Kreuz des Nicodemus (14. Jh.). Diese große Holzstatue zeichnet sich vor allem durch ihre dramatische Ausdruckskraft aus und ist der Kategorie der gotischen 55 Leidenskreuze zuzuschreiben. Geht man nach rechts weiter und überquert die Piazza Eleonora, biegt man in den Corso Umberto ein und gelangt so auf die Piazza Roma mit dem mittelalterlichen Turm di San Cristoforo (oder Mariano). Das hervorragendste Denkmal der antiken Stadtmauer enthält eine Bronzeglocke aus dem 15. Jh., mit der die Bevölkerung einst über die neuesten Geschehnisse informiert wurde. Von großer Bedeutung ist auch der monumentale Komplex von Kirche und Kloster del Carmine, die im Laufe des 18. Jh. nach einem Entwurf des savoyischen Architekten Giuseppe Viana erbaut wurden. Bemerkenswert ist der homogene Stil sowohl der Architektur als auch der Innendekorationen (Stuckarbeiten, Schmiedeeisen, Marmorintarsien). Biegt man in die Via Garibaldi ein, erreicht man die zwischen 1343 und 1348 erbaute gotische Kirche Santa Chiara sowie das Antiquarium Arborense, in dem zwei Tafeln des Altaraufsatzes von San Martino aufbewahrt werden (15. Jh.) sowie wichtige Sammlungen und archäologische Fundstücke von der prähistorischen bis zur byzantinischen Zeit, die vor allem aus dem Gebiet um Oristano stammen. Von Oristano nimmt man die SP 388 in östlicher Richtung und erreicht nach ca. 25 km Fordongianus, das an der Stelle der Der Stadtgraben aus phönizisch-punischer und römischer Zeit in Tharros antiken Stadt Forum Traiani erbaut wurde. Von dieser sind noch die römischen Thermen erhalten, deren Wannen mit Kalt- und Warmwasserquellen gespeist wurden und in eine suggestive Landschaft am Ufer des Flusses Tirso eingebettet sind. Am Rande des Ortes liegt die romanische Kirche San Lussorio. Sie ist dem heiligen Märtyrer geweiht, der im Jahr 304 während der Verfolgungen des Kaisers Diokletian den Märtyrertod fand. 56 Tour 6 DAS GEBIET ORISTANO Cabras - Bosa - Santu Lussurgiu Bonarcado - Milis - Ghilarza - Abbasanta Dauer: zwei Tage - Streckenlänge: ca. 150 km Das Zentrum von Bosa Nördlich vom Golf von Oristano verlässt man, vorbei an dem gleichnamigen See, den Ort Cabras in Richtung Süden und fährt bis zum Kap San Marco, der südlichsten Spitze der Halbinsel Sinis. Hier wurde von den Phöniziern, zwischen dem 9. und 7. Jh. v. Chr., Tharros gegründet, eine der wichtigsten Städte Sardiniens in punischer und römischer Zeit. Ihre ehemalige wirtschaftliche Blüte ist auch durch Schmuck und andere Fundstücke aus der Nekropole belegt, die zeigen, dass weiträumig Handel mit anderen Ländern des westlichen und östlichen Mittelmeers getrieben wurde. Auf dem ehemaligen Stadtgebiet sind ausgedehnte Wohnviertel und Tempelbauten erhalten, darunter das in den Felsen geschlagene Fundament eines Heiligtums. Auf dem Rückweg ist zunächst ein Halt an der byzantinischen Kirche San Giovanni di Sinis eingeplant, deren Kuppel vor allem von innen eine äußerst suggestive Wirkung hat; anschließend geht es weiter zum unterirdischen Heiligtum San Salvatore, das unter anderem bekannt ist, weil in dem darüber liegenden Dorf zahlreiche Italowestern gedreht wurden. Das Heiligtum liegt auf einer alten Wasserkultstätte. In den unterirdischen Räumen sind auch Zeichnungen, Malereien und Inschriften aus der Römerzeit erhalten. Man fährt nun die Straße bis Cabras zurück und biegt in Richtung Norden auf 57 die Küstenstraße 292 ab. Nach ca. 60 km erreicht man das Zentrum von Bosa. Im Corso Vittorio Emanuele II, der Hauptverkehrsader des Städtchens ist in der „Casa Deriu” (Nummer 57) die Pinacoteca Comunale untergebracht. Sie zeigt die Werke des Malers, Dekorateurs und Keramikkünstlers Melkiorre Melis, einem der wichtigsten Förderer der Angewandten Kunst im 20. Jh. in Sardinien. Die Burg der Malaspina auf dem Hügel von Serravalle wurde ab 1112 in verschiedenen Phasen erbaut. Innerhalb der Burgmauer steht die gotische Kapelle Nostra Signora de sos Regnos altos mit Fresken aus dem 14. Jh. (verteilt auf drei Wände): Das letzte Abendmahl, eine Reihe von weiblichen Heiligen und Die legende über die drei Lebenden und die drei Toten. Geht man das linke Ufer des Temo aufwärts und schlägt anschließend die Via Sant’Antonio Abate ein, gelangt man zu der romanischen Kirche San Pietro extra-muros, die zwischen 1073 und 1300 als Kathedrale von Bosa erbaut wurde. Man fährt nun 23 km auf der Straße 292 zurück bis Cuglieri und biegt in Richtung Santu Lussurgiu ab. Nach 14 km kommt man an eine Gabelung, die in den Wald zur der romanischen Kirche San Leonardo di Siete Fuentes führt. Aufgrund der günstigen Lage wurde an diesem Ort auch ein Spital des Templerordens “Ospedalieri di San Giovanni” erbaut, das bereits im 14. Jh. erwähnt wird. Man fährt nun weiter in Richtung Süden. 8 km nach Innenansicht des heiligen Brunnens S. Cristina, Paulilatino Santu Lussurgiu erreicht man Bonarcado, eine Ortschaft am Fuße des Montiferru. Hier befindet sich der Komplex Santa Maria, bestehend aus einer Wallfahrtskirche und einer Kirche. Die byzantinische Wallfahrtskirche wurde auf den Resten einer aus Ziegelsteinen erbauten römischen Therme errichtet und ist der Madonna di Bonacattu geweiht. Dieser Name entstammt dem Volksmund und geht über mehrere Umwege auf den Namen der ursprünglichen Wallfahrtskirche zurück, die der zu byzantinischer Zeit verehrten Unbefleckten Jungfrau (“Panachrantos”) geweiht war. Im Inneren 58 das Bildnis der Jungfrau in einem Terrakottarelief aus dem 15. Jh.. Die nördliche Fassade wurde im neoromanischen Stil gestaltet. Die romanische Kirche Santa Maria entstand in zwei Bauphasen und wird in den Condaghe di Santa Maria di Bonarcado genannt, der zwischen dem 12. und 13. Jh. entstanden ist. Dabei handelt es sich um einen Pergamentkodex, in dem die Aufzeichnungen der Klosterverwaltung festgehalten wurden. Heute wird er in der Universitätsbibliothek Cagliari aufbewahrt. Dieses Dokument bietet einen interessanten Einblick in die Gesellschaft der damaligen Zeit, denn abgesehen von den Besitztümern des Klosters ist darin auch die Rede von denVerbindungen der Mönche mit anderen, mehr oder weniger bedeutenden Institutionen. Fährt man nach Süden weiter, erreicht man nach 8 km die kleine Ortschaft Milis, an deren Rand innerhalb der Friedhofsmauern die romanische Kirche San Paolo steht. Im nahe gelegenen San Vero Milis kann man den eindrucksvollen Nuraghen S’Uraki besichtigen, der nach wie vor Ausgrabungsstätte ist. Weiter geht es auf der SS 131 in Richtung Abbasanta. Nach ca. 22 km nimmt man die Abzweigung nach Ghilarza, das man nach 3 km erreicht. Am nördlichen Rand dieser Ortschaft steht, in der Nähe eines Wachturms aus aragonesischer Zeit die romanische Kirche San Palmerio. Verlässt man Ghilarza in östlicher Richtung, gelangt man an die Abzweigung nach Boroneddu. Hier nimmt man die ansteigende Straße links und gelangt nach wenigen Kilometern in den Ortsteil Zuri, wo die zwischen 1291 und 1336 entstandene gotische Kirche San Pietro zu besichtigen ist. Eine wichtige Rolle kam bei dem Bau der Kirche den auftraggebenen Richtern zu, insbesondere Mariano II de Bas Serra. Er beauftragte den Meister Anselmo da Como mit dem Bau dieser komplett im gotischen Stil gehaltenen Kirche. In den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurde die Kirche von ihrem ursprünglichen Standort abgebaut und Stein für Stein an der jetzigen Stelle wieder errichtet. Man wollte verhindern, dass sie im Rahmen der Entstehung des “Lago Omodeo”, dem künstlichen Staubecken des Tirso, überflutet wird. Von Ghilarza aus biegt man auf die “Carlo Felice” (SS 131) ab. Genau auf Höhe der Abzweigung kann man den wunderschönen Nuraghen Losa besichtigen, der auf die Bronzezeit zurückgeht. Er zeichnet sich durch die dreipassige Form und teilweise verwegene Konstruktion aus. Nach kurzer Zeit verlässt man die “Carlo Felice”, um das nuraghische Heiligtum Santa Cristina zu besichtigen, das aus einem Brunnentempel (11. Jh. v. Chr.) besteht. Dieser ist zu Recht für die ausgeklügelte Technik bekannt, mit der die Basaltsteine zugeschnitten und zu der Treppe und dem heiligen Brunnen mit falscher Kuppel zusammengesetzt wurden. 59 TOUR 7 SASSARI Dauer: ein halber Tag Die Gründung der Kathedrale San Nicola geht auf das 12. Jh. zurück; aus dieser Zeit blieb jedoch nur der romanische Glockenturm erhalten. In der weiteren Baugeschichte ist 1441 ein wichtiges Datum. In diesem Jahr wurde der Sitz der Diözese von Porto Torres nach Sassari verlegt und die Kreuzgewölbe im gotischkatalanischen Stil errichtet. Fassade und Arkaden wurden vor 1718 erneuert. In den Nischen der letzteren befinden sich Statuen des Hl. Nikolaus sowie der Märtyrer Gavino, Proto und Gianuario. Die Kirche beherbergt wichtige Kunstwerke, darunter der Hauptalter mit der Madonna del Bosco aus dem 14. Jh., einige wertvolle Gemälde und das klassizistische Mausoleo di Placido Benedetto di Savoia, Conte di Moriana, ein Werk Felice Festas (1807). Die Kathedrale von San Nicola, Sassari 60 Interessant ist auch die Sammlung des Museo Diocesano (Silberwaren, Paramente und die prächtige hölzerne Prozessionstafel aus dem 16. Jh.). Auf der hinter dem Dom gelegenen Piazza del Comune erhebt sich der monumentale Palazzo Ducale. Er wurde im Auftrag des Duca di Vallombrosa zwischen 1775 und 1806 von dem piemontesischen Ingenieur Carlo Valino in Neurenaissancestil erbaut und ist heute Sitz der Stadtverwaltung. Biegt man in die Via Turritana ein und anschließend rechts in die Via Università, gelangt man zum Palazzo dell’Università. Von Interesse ist die Ausgestaltung der Aula Magna (Auditorium Maximum), die zwischen 1928 und 1930 von Mario Delitala ausgeführt wurde. Er schuf vier große Tafeln, auf denen Szenen dargestellt sind, die mit der Geschichte der Universität Sassari in Zusammenhang stehen. Derselbe Künstler hat zwei große Gemälde mythologischen Inhalts geschaffen, die die Aula Magna des nahen Liceo Classico “D.A. Azuni”schmücken. Durchquert man erneut den Park und das “Emiciclo Garibaldi”, gelangt man auf die Piazza d’Italia mit dem eindrucksvollen Palazzo della Provincia, der zwischen 1873 und 1880 im Stile des Klassizismus nach einem Entwurf von Eugenio Sironi und Giovanni Borgnini erbaut wurde. Der im ersten Stock gelegene Sitzungssaal ist mit Fresken des Sizilianers Giuseppe Sciuti (1881) ausgemalt. Auf dem Platz ist außerdem der neugotische Palazzo Giordano zu nennen, der 1878 von dem Architekten Luigi Fasoli erbaut wurde. Zwei seiner Säle wurden von dem Maler Guglielmo Bilancioni aus Rimini mit Fresken dekoriert. Von der Piazza aus biegt man in die Via Roma ein und erreicht den Palazzo di Giustizia (Gerichtsgebäude). Das Gebäude wurde in mehreren Abschnitten errichtet, der ursprüngliche Entwurf geht jedoch auf das Jahr 1929 zurück. Die Verwendung roten Trachits und der Säulengang im Stil der Antike sind typische Motive der monumentalen und repräsentativen Bauweise. Im Inneren sei auf das Mosaico dello Scalone von Giuseppe Biasi hingewiesen. In der Via Roma befindet sich auch das Museo Nazionale “G. A. Sanna”; der Großzügigkeit dieses Unternehmers und Politikers aus Sassari verdankt es seine Entstehung Ende des 19. Jh. Es enthält eine wichtige Sammlung archäologischer Fundstücke von der Prähistorie bis zur byzantinischen Zeit, eine Pinacoteca mit bedeutenden Tafelbildern des 15. und 16. Jh., sowie wertvolle Gemälde von Giovanni Marghinotti aus dem 19. Jh. Geht man die Viale Umberto in Richtung norden entlang, gelangt man auf die Piazza Mercato mit der Chiesa della Trinità. Rechts von dem Gebäude führt eine Treppe zum Brunnen Fonte di Rosello, der mit den Statuen der vier Jahreszeigen geschmückt ist. Er wurde von genueser Marmorbildhauern 1606 im Stile der Spätrenaissance geschaffen. 61 TOUR 8 DAS GEBIET SASSARI Alghero - Fertilia - Porto Torres - Codrongianos - Ardara - Torralba Dauer: ein Tag - Streckenlänge: ca. 150 km Innenansicht des Kirche von San Gavino, Porto Torres Alghero ist ein hübsches Küstenstädtchen mittelalterlichen Ursprungs. Bis heute haben sich der Befestigungsgürtel aus aragonesischer Zeit und der Gebrauch der katalanischen Sprache erhalten. Auf der Piazza Duomo steht die Kathedrale Santa Maria, deren ursprünglicher Bau ein Beispiel für den reinen gotisch-katalanischen Stil ist, während Innenraum und Fassade Ende des 18. Jh. umgestaltet wurden. Sie beherbergt das klassizistische Mausoleo del Duca di Monferrato, Bruder des Königs Carlo Felice di Savoia, der 1799 starb, ein Werk des Bildhauers Felice Festa (1807). Das anliegende Museo Diocesano ist im ehemaligen Oratorium Nostra Signora del Rosario untergebracht und enthält wertvolle Kirchengeräte aus Silber, mit Filigran und Korallen, sowie antike Heiligenbilder aus Holz und Gemälde. Von der Via Roma hinter dem Dom biegt man in die Via Carlo Alberto ein, in der die zwischen dem 15. und 16. Jh. erbaute Kirche San Francesco steht. Sehenswert ist das wunderschöne Sterngewölbe des Presbyteriums, der Marmoraltar aus dem 18. Jh., die reichhaltigen Dekorationen und der Kreuzgang; eindrucksvoll das Andachtsbild des 62 Cristo rosegat. Geht man die Via Carlo Alberto weiter, erreicht man die Jesuitenkirche San Michele. Sie wurde in der zweiten Hälfte des 17. Jhs. von dem ligurischen Meister Domenico Spotorno errichtet, der die Kathedralen von Cagliari und Ales im barocken Stil umgebaut hat. Ca. 6 km nördlich von Alghero erreicht man die (zwischen 1935 und 1939 entstandene) Ortschaft Fertilia. Die gleichmäßige Straßenanordnung ist typisches Merkmal für diese auf dem Reißbrett entstandenen Orte, die man während des faschistischen Regimes in Sardinien errichtete. Fährt man ca. 34 km weiter in Richtung Norden, gelangt man in das Küstenstädtchen Porto Torres, das im 1. Jh. v. Chr. von den Römern als Kolonie Turris Libisonis gegründet wurde. Die archäologische Ausgrabungsstätte umfasst einen Großteil der römischen Thermen sowie Abschnitte des Aquäduktes und der Nekropolis, auf der sich die romanische Kirche San Gavino befindet. Der romanische Bau wurde zwischen dem 11. und 12. Jh. mit dem Kalkstein aus der Umgebung errichtet, der sich durch seine warmen Farbtöne auszeichnet. Vorher hatten hier bereits zwei andere Kirchen gestanden. Bis zur Versetzung des Bischofssitzes nach Sassari im Jahr 1441 hatte sie die Funktion einer Kathedrale. Der Bau der Krypta geht auf den Fund der Reliquien der Das Zetrum von Alghero Märtyrer Gavino, Proto und Gianuario Anfang des 17. Jh. zurück. Man biegt nun auf die Straße in Richtung Sassari ein, und erreicht nach wenigen Kilometern Monte d’Accoddi, wo eine faszinierender, terrassenförmig angelegter Tempelaltar zu besichtigen ist (2800-2600 v. Chr.). Er wird der Typologie der mesopotamischen Ziqqurrat zugeschrieben. Ca. 13 km südlich von Sassari erreicht man über die SS 131 auf einer 63 kleinen Anhöhe die romanische Kirche Santissima Trinità di Saccargia auf dem Gebiet von Codrongianos. Die einsam gelegene Kirche war Teil eines (seit 1112 dokumentierten) Benediktiner- und Kamaldulenserklosters, dessen Überreste noch Gegenstand archäologischer Forschungen sind. Die Kirche wurde während des 12. Jh. erbaut und ist eines der berühmtesten romanischen Baudenkmäler Sardiniens, aufgrund seines ungewöhnlich hohen (teilweise rekonstruierten) Glockenturms und der zweifarbigen Struktur (mit Streifen aus weißem Kalkstein und schwarzem Vulkangestein). In der Kirche sind die Fresken der mittleren Apsis erhalten, die Ende des 12. Jh. von einem pisanischen Künstler geschaffen wurden. Sie sind in vier Reihen angeordnet: die unterste zeigt einen vorgetäuschten Stoffvorhang, eine vor San Benedetto kniende Gestalt und Szenen des Leidens Christi: “Das letzte Abendmahl”, “Der Judaskuss”, “Die Kreuzigung”, “Die Grablegung”, “Die Höllenfahrt”. Darüber sind die Madonna, der Hl. Paulus und Apostel dargestellt, während ganz oben der Christus in der Mandorla zwischen Engeln und Erzengeln abgebildet ist. Von Saccargia aus gelangt man in Kürze an die Abzweigung nach Ardara. Nach ca. 10 km erreicht man den am Montesanto gelegenen Ort, der im Mittelalter von Bedeutung war, da sich hier der Sitz der Richter von Porto Torres befand. Von der Burg sind jedoch nur noch einige Ruinen zu sehen. Erhalten geblieben ist dagegen die anliegende Burgkapelle, die romanische Kirche Santa Maria del Regno. Aufgrund ihrer strategischen Position oberhalb des Dorfes ist sie eine der eindrucksvollsten romanischen Kirchen der Insel. Im Presbyterium befindet sich der prachtvolle Größere Altaraufsatz von Ardara (1515), von eindrucksvoller Dimension, auf dem Szenen aus dem Leben Marias dargestellt sind. Auf dem Altarsockel sind Heiligenfiguren abgebildet, darunter San Gavino. Die vordere Tafel in der Mitte des Altarsockels mit dem Christus im Elend wurde von Giovanni Muru geschaffen. Fährt man die SS 131 weiter in Richtung Süden, erreicht man auf dem Gebiet von Torralba das so genannte “valle dei nuraghi” (Nuraghental). Hier ist insbesondere der Nuraghe Santu Antine zu nennen, der zusammen mit dem “Su Nuraxi di Barumini” und “Losa di Abbasanta” einen der vollständigsten Einblicke in die nuraghische Architektur bietet. Santu Antine ist ein dreipassiger Nuraghe mit einer robusten Bastion, bestehend aus drei kleineren Türmen, die zur Verstärkung des zentralen Turmes dienen. Dieser erreicht noch heute eine Höhe von ca. 18 m. 64 TOUR 9 DAS GEBIET OLBIA-TEMPIO Olbia - Porto Rotondo - Porto Cervo La Maddalena - Caprera - Tempio Pausania Dauer: ein Tag - Streckenlänge: ca. 155 km Die Kirche Stella Maris, Porto Cervo Die Umgebung der Stadt Olbia wird seit dem Neolithikum von Menschen bewohnt. Archäologische Funde weisen zwar auf keine griechische Stadtgründung hin, belegen jedoch eine kontinuierliche Besiedlung, wie sie allen wichtigen Küstenorten Sardiniens gemeinsam ist. In der in der Nähe des Bahnhofs gelegenen Via San Simplicio befindet sich die aus Granit gebaute romanische Kirche San Simplicio aus dem Anfang des 12. Jhs. Verlässt man Olbia in Richtung Norden und biegt man auf die Provinzstraße der Costa Smeralda ein, erreicht man nach ca. 20 km Porto Rotondo. Dieser berühmte Badeort verfügt über einen modern ausgestatteten Yachthafen, dessen Gebäude rund um die Piazzetta San Marco liegen. Interessant ist das Freilichttheater mit einer weitläufigen, halbrunden Tribüne aus naturbelassenem Granit. Es wurde 1995 eingeweiht und von dem Künstler Mario Ceroli ins Leben gerufen, der auch die örtliche Kirche San Lorenzo entworfen hat. Das Theater bietet Raum für die verschiedensten Veranstaltungen und hat ein Fassungsvermögen von bis zu 700 Besuchern. An der Kreuzung fährt man in Richtung Westen und trifft bei Kilometer 24,5 erneut auf die Provinzstraße der Costa Smeralda. Man fährt nun weiter in 65 Partikular des Retabel, Ozieri Richtung Porto Cervo, das man nach ca. 27 km erreicht. Der größte Ort der Costa Smeralda ist auch die erste Siedlung, die seit 1962 auf dem Gebiet des Konsortiums errichtet wurde. Ein wunderschönes Panorama bietet sich von der Kirche Stella Maris aus, die von Michele Busiri Vici im typisch mediterranen Baustil der Costa Smeralda entworfen wurde. Fährt man ca. 18 km in Richtung Hinterland und biegt auf die SS 125 in Richtung Norden ab, erreicht man nach ca. 18 km Palau. Von hier aus kann man die Fähre nach La Maddalena nehmen, dem einzigen bewohnten Ort des gleichnamigen Archipels. Von der Piazza Garibaldi aus (wegen der Farbe der Bepflasterung auch “roter Platz” genannt) gelangt man über den Largo Matteotti zur Pfarrkirche Santa Maria Maddalena. Im Innenraum werden noch zwei Kerzenleuchter und ein silbernes Kreuz aufbewahrt, die von Admiral Nelson gestiftet wurden. Auch ein Autogramm von ihm ist erhalten. Lässt man das Wohnviertel hinter sich und geht von der Piazza Umberto I. die Strandpromenade entlang, die durch den Vorort Moneta führt, kann man die Mole überqueren, die die Insel mit Caprera verbindet. Der Weg führt leicht nach oben zu einem Pinienhain und gabelt sich dann: der linke Weg führt zu dem weitläufigen Areal des Compendio Garibaldino. Dieser Museumskomplex umfasst Gebäude, Erinnerungsstücke und den gesamten ehemaligen Besitz von Giuseppe Garibaldi, die dem italienischen Staat übertragen wurden und von diesem restauriert und als Museum eingerichtet wurden. Höhepunkt der Besichtigung ist die Casa Garibaldi, das ehemalige Wohnhaus Garibaldis. Die Einrichtung spiegelt die ursprüngliche Aufteilung der einzelnen Räume wider, auch wenn diese im Laufe der Jahre verändert worden war: Waffen, Fahnen, Kleidungsstücke, Möbel sowie zahlreiche Fotografien und Gemälde (das wertvollste ist ein Porträt, das Saverio Altamura 1860 von Garibaldi in Person angefertigt hat) geben Aufschluss über die letzten 26 Lebensjahre des “Generale”. Man kehrt nun auf die SP 133 zurück, biegt nach links ab und folgt 23 km lang den Beschilderungen nach Tempio Pausania. Das Zentrum der Ortschaft liegt hoch oben auf einer Terrasse nordwestlich vom Limbaramassiv. Erwähnenswert ist der Bahnhof, an dessen Gestaltung der Maler Giuseppe Biasi beteiligt war. Der Künstler hat sich mit einem langen Fries über der Holzverkleidung des Schalterraums verewigt. Biasi stellt seine bevorzugten Motive in ausdrucksvollem Ornamentalstil dar: die Frauen von Osilo, die Trinker, sowie Szenen aus dem Alltagsleben, die sich perfekt mit dem Thema Bahnhof verbinden. 67 TOUR 10 DAS GEBIET NUORO Nuoro - Galtellì - Dorgali Dauer: ein halber Tag - Streckenlänge: ca. 50 km Museums über Leben und Traditionen des sardischen Volkes in Nuoro Das historische Stadtviertel Nuoros, San Pietro, fällt zur Piazza Sebastiano Satta hin ab. Der Platz wurde im Jahr 1967 nach Plänen von Costantino Nivola neu gestaltet. Seine Besonderheit besteht in dem Kontrast zwischen den Granitskulpturen und dem bestehenden Architekturstil der Häuser, die hauptsächlich aus dem 18. und 19. Jh. stammen, darunter auch das Geburtshaus des Dichters. Neben den weiß bemalten Gebäuden und den über den ganzen Platz verteilten großen Granitblöcken hat Nivola zur Bereicherung des Platzes einige kleine Nischen mit Bronzestatuen versehen (die Originale sind im MAN ausgestellt), die den Dichter in unterschiedlichen Lebenssituationen darstellen. Nicht weit von hier ist in einem Palazzo aus dem 19. Jh. in der Via Satta Nr. 15 (hinter dem Corso Garibaldi) das MAN-Museo d’Arte della Provincia di Nuoro untergebracht. Es wurde im Jahr 1999 eingeweiht und zeigt auf zwei Stockwerken hundert Werke sardischer Künstler des 20. Jh., die aus den Sammlungen der vier öffentlichen Verwaltungen Nuoros: Provinz, Stadt, Industrie- und Handelskammer sowie EPT ausgewählt wurden. Zu sehen sind unter anderem bedeutende Gemälde und Skulpturen von Francesco Ciusa, Antonio Ballero, Giuseppe Biasi, Mario Delitala, Carmelo 68 Floris, Giovanni Ciusa Romagna und Costantino Nivola. Im Erdgeschoss und letzten Stockwerk ist dagegen Raum für vorübergehende Ausstellungen. Man geht den Corso Garibaldi weiter bis zur Piazza Giovanni und überquert erneut die Piazza Vittorio Emanuele II. Über die Via Guerrazzi gelangt man in die Via Antonio Mereu, wo sich das Museo della Vita e delle Tradizioni popolari sarde befindet. Das Museum besteht aus 18 Räumen, in denen Kleidungsstücke, typische Gebrauchsgegenstände und sardische Werkzeuge ausgestellt werden. Außerdem werden traditionelle Trachten aus verschiedenen Gegenden gezeigt, vor allem aus der Barbagia. An den vielfarbigen Stoffen, dem Schnitt und den feinen Stickereien kann man den jeweiligen Herkunftsort der Trachten ablesen Teppiche, Decken, Läufer und Satteltaschen zeigen die unterschiedlichen Webtechniken. Ein weiterer interessanter Bereich ist dem Schmuck gewidmet. Ausgestellt sind Knöpfe, Broschen, Halsketten, Ohrringe, Reliquiare und Amulette. Die Sammlung umfasst auch eine Reihe traditioneller Brotsorten und Süßgebäck, mit Schnitzereien geschmückte Stühle und Truhen, sowie eine Reihe alltäglicher Gegenstände wie Brotstempel, Becher aus Knochen und Horn sowie Feldflaschen aus Kürbis. Sehr interessant ist auch eine Sammlung traditioneller Masken, die beim Karneval der Barbagia getragen werden. Kehrt man die Via Mereu zurück, gelangt man auf den großen Platz, dessen Sebastiano Satta Platz, Nuoro eindrucksvolle Kulisse die Kathedrale Santa Maria della Neve bildet. Sie wurde zwischen 1833 und 1854 nach Plänen und unter Leitung des Mönches Antonio Cano erbaut und fällt durch ihre klassizistische Fassade auf. Im Kircheninneren befinden sich einige bedeutende Kunstwerke, darunter die von Carmelo Floris und Giovanni Ciusa Romagna bemalten Kreuzwegtafeln. Biegt man von der Piazza Giovanni aus links in die Via Asproni ein, erreicht man das 69 Museo Deleddiano in der Via Grazia Deledda Nr. 42. In diesem Museum im Geburtshaus der Schriftstellerin sind persönliche Gegenstände, Fotografien, Briefe, italienische und ausländische Erstausgaben ihrer Werke, Autogramme und Pressemitteilungen ausgestellt sowie verschiedene private Zeugnisse. Außerdem ist eine Kopie der Verleihungsurkunde des Literaturnobelpreises zu sehen, mit dem sie 1926 ausgezeichnet wurde. Geht man anschließend die Via Chironi entlang, gelangt man zur Viale della Solitudine mit der Kirche Chiesa della Solitudine, die zwischen 1947 und 1954 nach einem Entwurf von Giovanni Ciusa Romagna an der Stelle einer ehemaligen Kirche aus dem 17. Jh. erbaut wurde, mit der Grazia Deledda sehr verbunden war. Seit 1959 liegt sie hier begraben. Das neue Gebäude bewahrt den einfachen Charakter der von der Schriftstellerin beschriebenen Kirche bei. Bereichert wird es durch einen Beitrag Eugenio Tavolaras, der mit der Ausführung des großen Bronzeportals, des Kreuzwegs, des Tabernakels, der Kerzenleuchter und des Kreuzes beauftragt wurde. Biegt man von Nuoro auf die SS 129 ab, erreicht man nach 21 km das Zentrum von Galtellì, dem im Mittelalter als Sitz der Diözese eine wichtige Rolle zukam. Am Ortsrand innerhalb der Friedhofsmauern stehen die unvollendete Kathedrale und die antike Kirche San Pietro mit Fresken aus dem 13. Jh. Grazia Deledda beschreibt sie in ihrem Roman Canne al vento. Nach weiteren 21 km auf der SS 125 erreicht man Dorgali, einen bekannten Urlaubsort, in dem sich unter anderen das Museo Salvatore Fancello befindet. Das Museum ist im Corso Umberto in der “Casa Dore” untergebracht und dem Keramikkünstler Salvatore Fancello aus Dorgali gewidmet, der während des Zweiten Weltkriegs 1941 starb. Die Sammlung zeigt einen Teil seines äußerst reichhaltigen künstlerischen Werkes. Besonders interessant ist eine großformatige Zeichnung, die anlässlich der Hochzeit seines Freundes und Bildhauers Costantino Nivola entstand und ländliche Szenen mit Phantasietieren zeigt. Gräber “Tomba dei Giganti”, Dorgali TOUR 11 DAS GEBIET NUORO Silanus - Ottana - Orani - Olzai - Fonni - Atzara Dauer: ein Tag - Streckenlänge: ca. 125 km Die romanische Kathedrale S. Nicola, Ottana Die Ortschaft Silanus liegt an den Hängen des Monte Arbo. Folgt man außerhalb den Beschilderungen, erreicht man den Nuraghen und die romanische Kirche Santa Sabina. Diese wurde im 11. Jh. erbaut und ist die einzige romanische Kirche Sardiniens mit einem kreiförmigen Grundriss, Apsis und Kuppel. Man fährt weiter auf der SS 129 in Richtung Nuoro und biegt nach ca. 7 km rechts nach Ottana ab, das man nach ca. 10 km und Überquerung der SS 131 erreicht. Am südlichen Rand der Ortschaft steht in erhöhter Position die romanische Kathedrale San Nicola, die 1160 von Bischof Zaccaria geweiht wurde. Im Innenraum befindet sich das mit Tempera auf Holz gemalte Altarbild von Ottana aus dem 14. Jh. auf goldenem Hintergrund. Es ist in drei Abschnitte unterteilt, auf denen der Hl. Nikolaus und Hl. Franziskus dargestellt sind. Die Seitenteile enthalten Szenen mit den wichtigsten Ereignissen aus dem Leben der Heiligen. Der interessanteste Teil ist jedoch die Spitze mit der Madonna mit dem Kind auf dem Thron. Zu ihren Füßen knien der Bischof Silvestro und der junge, mit Schwert und Hermelin bekleidete Adelige Mariano IV d’Arborea nieder, dessen Identität anhand der gemalten Inschrift festzustellen ist. 71 Fährt man die SS 131 d.c.n. in Richtung Nuoro weiter und biegt nach ca. 15 km auf die SP 128 ab, erreicht man nach ca. 9 km den Ort Orani. In der Via Gonare 2 ist in dem ehemaligen, restaurierten Waschhaus der Gemeinde das Museo Costantino Nivola untergebracht, das im Juni 1995 eingeweiht wurde. Die ausgestellten Werke zeigen die wichtigsten Etappen im künstlerischen Schaffen von Costantino Nivola, der in Orani geboren wurde und einer der kreativsten zeitgenössischen Bildhauer ist. Die stets enge Beziehung des Künstlers zur Kultur seines Heimatortes ist deutlich zu erkennen. In der Hauptsache sind Skulpturen aus Marmor und Travertin zu sehen, aber auch einige Keramiken sowie Werke aus Bronze und Beton. 2004 wurde zudem ein Bereich eingerichtet, in dem die Entwürfe der Murales gezeigt werden, mit denen Nivola einige große öffentliche Gebäude in den Vereinigten Staaten bemalt hat. Ca. 7 km südlich von Orani biegt man in Richtung Olzai ab, das man nach ca. 5 km erreicht. Im Stadtviertel Sant’Anastasio steht in der gleichnamigen Straße die Casa Museo di Carmelo Floris, das ehemalige Wohnhaus Eine der wichtigsten Vertreter der sardischen Kunst im 20. Jh. Das alte Gebäude wurde von der Stadt Olzai erworben und im Jahr 2001 restauriert, wobei man darauf achtete, seine ursprüngliche Struktur auf bestmögliche Weise Auf dem links: Der Pestaltar, Olzai Auf dem Recht: Pestaltar, Olzai zu erhalten. Im zweiten Stock befindet sich das wunderschöne, lichtdurchflutete Atelier, von dem aus Carmelo Floris einen Blick auf die reizvolle Landschaft, die kleinen Steinhäuser und die majestätischen Berge hatte, die auf seinen Bildern zu sehen sind. In der Kirche Santa Barbara befindet sich der interessante Altaraufsatz della Peste, der von einem anonymen Meister (bekannt als Meister von Olzai) Ende des 15. Jh. 73 geschaffen wurde. Der Künstler gilt als der erste Vertreter einer eigenen sardischen Malerschule. Man fährt weiter auf der 128 und biegt nach Fonni ab. Über die Hauptverkehrsader der Ortschaft, den Corso Carlo Alberto, gelangt man an den Platz der Wallfahrtskirche Vergine dei Martiri. Der Gebäudekomplex besteht aus dem Kloster, der Basilika und dem Oratorium San Michele. Kloster und Kirche wurden um 1632-33 fertig gestellt, die cumbessìas (Pilgerhütten) und das Oratorium wurden im Laufe des folgenden Jahrhunderts errichtet. Von Interesse sind die Umbauten des 18. Jh., in deren Rahmen eine neue Wallfahrtskirche mit dem Namen “Sancta Maria ad Martires” erbaut wurde; hingewiesen sei auch auf die originellen volkstümlichen Gemälde von Pietro Antonio und Gregorio Are. Folgt man der Straße 128 weiter in Richtung Süden erreicht man, vorbei an Sorgono, nach ca. 40 km das Städtchen Atzara. Auf der Piazza Antonio Ortìz Echagüe befindet sich das Museo d’Arte Moderna e Contemporanea (Museum für moderne und zeitgenössische Kunst). Seine Entstehung ist eng mit bedeutenden Entwicklungen des frühen 20. Jh. verknüpft. Zu dieser Zeit kamen spanische Maler des Costumbrismo nach Atzara, fasziniert von dessen lokalen Traditionen. So wurde das lebhafte Atzara Zentrum der Entstehung einer autochthonen malerischen Ausdrucksform Auf dem links: La festa della confraternita di Atzara, von Antonio Ortiz Echagüe Auf dem Recht: Innenraum der Kirche della Vergine dei Martiri, Fonni mit spanischen Wurzeln und wichtiger Abschnitt in der Laufbahn vieler bedeutender Künstler, die sich hier mehr oder weniger lange aufhielten: Francesco Ciusa, Antonio Ballero, Giuseppe Biasi, Filippo Figari, Mario Delitala, Carmelo Floris, Stanis Dessy, um nur einige der bekanntesten zu nennen, deren Werke in der reichhaltigen Sammlung enthalten sind. Des Weiteren sind vertreten: Antonio Ortiz Echagüe, Bernardino Palazzi, Pietro Antonio Manca, Mauro Manca, Gino Frogheri, Antonio Atza, Gavino Tilocca und viele andere. 74 TOUR 12 DAS GEBIET OGLIASTRA Muravera - Villaputzu - Barisardo - Lanusei - Tortolì Dauer: ein Tag - Streckenlänge: ca. 110 km Auf dem links und in der anderen Seite: Gemälde Ziklus des lebens Maria Maddalena und Christi von Mario Delitala, Lanusei Man fährt auf der Panoramastraße Orientale Sarda (SS 125) bis man das Zentrum von San Priamo mit der gleichnamigen Wallfahrtskirche hinter sich gelassen hat. Nach ca. 10 km erreicht man das Städtchen Muravera. Sehenswert ist die Pfarrkirche San Nicola. Sie wurde im 16. Jh. im spätgotischen Stil erbaut und hat einen quadratischen Glockenturm (160910). Im Innenraum sind Marmorarbeiten aus dem 17. Jh., Holzaltäre und schöne Statuen zu besichtigen. Ganz in der nähe steht der arabisch anmutende Turm dei Cinque Cavalli, auffallend durch seine für Sardinien unüblichen Formen. Nur ca. 3 km entfernt liegt die Ortschaft Villaputzu mit der schönen Pfarrkirche aus dem 18. Jh., die der Santa Caterina d’Alessandria geweiht ist. Der Innenraum mit seinen sechs Altären ist mit prächtigen Marmorintarsien im Rokokostil geschmückt, die aus der gleichen Zeit stammen. Von Interesse sind auch einige schöne zwischen dem 16. und 18. Jh. entstandene Holzskulpturen. Fährt man weiter auf der SS 125, erreicht man ca. 10 km hinter Villaputzu die romanische Kirche San Nicola. Sie ist eine von zwei sardischen 77 Backsteinkirchen und wurde gegen Ende des 12. Jh. erbaut. Das einschiffige Kircheninnere ist mit einer Holzdecke ausgestattet. Das Äußere ist mit Hängebögen verziert, die von Kragsteinen mit geometrischen Verzierungen gestützt werden. Folgt man der SS 125 in nördlicher Richtung, erreicht man nach ca. 50 km das Städtchen Barisardo. Sehenswert ist hier die Pfarrkirche Nostra Signora di Monserrato mit einem schönen, 35 m hohen Glockenturm aus dem 18. Jh.. Sie wurde nach einem Entwurf des fähigen piemontesischen Architekten Giuseppe Viana (1778) erbaut. Die einschiffige Kirche hat einen kreuzförmigen Grundriss, drei Kapellen auf jeder Seite und Tonnengewölbe. Die achteckige Kuppel ist ein klarer Ausdruck für die barocke Grundrichtung des Baus. Er wurde erst Ende des 18. Jh. abgeschlossen, als die Kirche ihre Marmoraltäre bekam, die von den lombardischen Marmormeistern Michele Spazzi und Giovanni Battista Franco geschaffen wurden. Im Innenraum befindet sich eine Kopie der Heiligen Familie Francescos I. von Raffael (datiert 1559) und eine schöne Holzstatue der Rosenkranzmadonna des Neapoliteners Gaetano Franzese. Man biegt nun auf die SP 390 ab und fährt ca. 15 km bis Lanusei, das sich in einer wunderschönen Panoramalage befindet. In dieser Stadt, Sitz der Diözese, steht die Kathedrale Santa Maria Maddalena, eine moderne Kirche aus dem Jahr 1860, die auf einem Vorgängerbau aus dem 17. Jh. errichtet wurde. Der Innenraum ist mit einem Gemäldezyklus des Lebens Magdalenas und Christi geschmückt, der im Jahr 1927 von dem Maler Mario Delitala geschaffen wurde. An der Küste liegt Tortolì, Hafenstädtchen und wichtiges Ferien- und Handelszentrum, das etwa 20 km von Lanusei entfernt ist. Zwischen 1824 und 1927 war es Bischofssitz. Der Hauptalter der Pfarrkirche Sant’Andrea Apostolo aus dem 18. Jh. wurde von dem lombardischen Marmorbildhauer Giovanni Battista Franco (1802-03) geschaffen. Chorgestühl und zahlreiche Holzstatuen aus der Zeit zwischen dem 17. und 19. Jh. 78