wallpaper christy turlington

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wallpaper christy turlington
ICON
April 2014
aahh
Alles Design in diesem Heft
PRIME SOLUTION
Das Erwachen makelloser Haut
Das Geheimnis der Koishimaru-Seide wird enthüllt
Es waren die geschmeidigen Hände der japanischen Seidenspinnerinnen, die SENSAI zu dem Geheimnis
der Koishimaru - Seide führten. Diese edle Faser fördert die Bildung von Hyaluron*, einer natürlichen
Substanz, welche die Haut ausgiebig mit Feuchtigkeit versorgt.
SENSAI PRIME SOLUTION ist eine Intensiv -Lotion, die Koishimaru - Seide mit revolutionärer Hautpflege Technologie verbindet. Dieser hochwirksame erste Pflegeschritt belebt die Zellen, deren Aktivität bedingt
durch die Hautalterung nachgelassen hat. Ihre Haut wird deutlich sichtbar revitalisiert und nimmt die
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nachfolgende Pflege effektiver auf.
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E r h ä l t l i c h a u s s c h l i e ß l i c h i n L o u i s V u i t t o n G e s c h ä f t e n . T e l . 0 211 / 8 6 4 7 0 0
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collage studio - photo tommaso sartori
DESIGN PORTRAIT.
Sophie liebt Ray und zeitgenössische Kunst. Ray, design von Antonio Citterio. www.bebitalia.com
B&B Italia Stores: München, Maximiliansplatz 21 - Tel. 089 461 368 0 - Berlin, Torstrasse 140 - Tel. +49 3024 0477377 Plz 0 1 2 3 4 5
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Plz 0 7 8 9 Norbert Juelicher - T. +49 172 9572772 [email protected]
Und wie leben Sie so?
U
TITEL: ARCHITECTURALWATERCOLORS.COM; DIESE SEITE: METZ + RACINE / RCS / PICTURE PRESS; MARTIN U. K. LENGEMANN; JUERGEN FRANK; HUBERTA VON VOSS; OLIVER MARK
m es gleich vorweg zu sagen: Ich beneide das Bein oben auf dem Foto, oder besser gesagt, den Kopf, der damit zu tun hat.
Denn meiner würde es leider einfach nicht zulassen, dass die Dinge so durcheinander liegen. Ich putze keine Dackelbilder
auf dem Fernsehgerät, während der Tatort läuft (wir haben keinen Dackel), aber ich muss leider immer alles ordentlich
haben. Auch Schränke von innen. Allerdings würde ich die Füße in solchen Schuhen auch auf den Tisch legen. Schon weil
ich darin nicht stehen könnte. Doch natürlich haben wir das Bild nicht ausgewählt um herum zu spießern. Sondern weil
wir unserem Magazin gern eine Art innerer (Themen-) Ordnung geben, und die heißt für diese Ausgabe: Design. Das ist ein so weites,
individuelles, beflügelndes Feld wie die Natur, die uns nun wieder mit ihren Entwürfen die Seele wärmt. Von Ettore Sottsass stammt
der Satz: „Wenn ich nicht weiß, wozu etwas zu gebrauchen ist, fällt mir auch nichts ein.“ Nun. In unserem Garten steht eine kleine Marmorbank von ihm, zunächst als Objekt gedacht, inzwischen wird sie von einer Parade Terrakotta-Töpfchen mit Kräutern bevölkert...
COVER: Das Buchstaben-Aquarell ist eine Arbeit des Pariser Künstler-Duos „Architectural Watercolors“
ANDREAS TÖLKE Seine Artikel sind in über 20 Ländern erschienen, seit 2011 zählt der Autor und „Berliner aus Leidenschaft“ zum ICONInventar. Andreas Tölke schreibt nämlich für sein Leben gern über Design. Und das wurde nun – ausgewählt vom Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel – honoriert: Er wurde zum Jurymitglied für den Deutschen Designpreis ernannt. Glückwunsch, und wir finden: berechtigt. Seit über zwanzig Jahren trifft er die Großen der Design-Szene. Von A bis Z, also von Ron Arad bis Zaha Hadid.
Und er sprach auch gern mit den „schwierigen Fällen“. Für unsere Design-Ausgabe hat er wieder das richtige Näschen gehabt. Im Wortsinn. Er traf
auf die Parfümeurin Sissel Tolaas, die den Geruch des britischen Königspalastes einfängt (S. 84). Sprach dann aber auch mit Paolo Baratta über Architektur (S. 70), mit Piero Lissoni (S. 40) über, klar, Design und mit Theatergenie Robert Wilson über seine, ja, Stuhlsammlung. Seite 34
HUBERTA VON VOSS
Dass sie Geschichte studieren wollte, weil sie auch die Unterfläche interessiert, wusste sie schon als junges
Mädchen. Dass sie das alle paar Jahre in ein neues Land führen würde, ahnte sie nicht. So lebte die Journalistin,
Buchautorin und Mutter von vier Kindern bislang in Paris, der Vendée, Beirut, Nikosia, Berlin und New York, von wo aus sie gerade nach Washington
D.C. zieht. Ab Mai wird sie an der Seite ihres Mannes, des deutschen Botschafters Peter Wittig, Deutschland repräsentieren. Ihr literarischer Salon,
in dem sich in Manhattan Autoren, Verleger und Künstler trafen, zieht kurzerhand mit. Wie ihr vielfältiges Engagement, unter anderem für die New
Yorker Organisation „Community Access“, die Wohnungen und Ausbildung für psychisch kranke Obdachlose vermittelt. In einer ruhigeren Minute
traf sie den Chef des New Yorker Costume Institutes, Harold Koda, und schaute ins Geschichtsbuch des „Meisterstücks“. S. 46 und 76
JÜRGEN FRANK Er hatte schon John Irving, Mia Farrow oder Joschka Fischer vor der Kamera: Dem Fotografen Jürgen Frank haben also
schon die unterschiedlichsten Charaktere Einblick in ihre Persönlichkeit und Lebenswelt gewährt. Kein Wunder vielleicht:
Für ihn ist es eine emotionale Angelegenheit, es geht ihm nicht nur darum, Leute gut aussehen zu lassen – vielmehr will er, nach eigener Auskunft,
ihre Aura porträtieren. Deshalb recherchiert der gebürtige Schwarzwälder bei jedem Shooting besonders genau, welche Geschichten seine Protagonisten zu erzählen haben. In New York, wo er auch lebt, hat Jürgen Frank für uns Harold Koda fotografiert, den Kurator des Costume Institutes im
Metropolitan Museum of Art. Er lässt ihn vor ausladenden Roben sitzen, natürlich – aber in einer eigenwilligen Mischung aus Macher- und Denkerpose, dass sofort klar ist: Hier geht es um den Menschen, nicht ums Museum. Aber machen Sie sich am besten selbst ein Bild – auf Seite 46.
IMPRESSUM ICON
Redaktionsleitung: Inga Griese (verantwortlich) Textchef: Dr. Philip Cassier Redaktion: Caroline Börger, Nicola Erdmann, Silvia Ihring, Sarah Lehnert, Lisa Strunz, Mira Wiesinger. Mitarbeit: Julia Hackober
Redaktionsassistenz: Ursula Vogt-Duyver Artdirektorin: Barbara Krämer Gestaltung: Maria Christina Agerkop, Katja Schroedter Fotoredaktion: Julia Sörgel, Elias Gröb
Verlagsgeschäftsführung: Jan Bayer (Vorsitzender), Dr. Stephanie Caspar, Frank Mahlberg General Manager: Johannes Boege Gesamtanzeigenleitung: Stephan Madel
Anzeigen ICON: Roseline Nizet ([email protected]) Objektleitung: Carola Curio ([email protected]) Verlag: Axel Springer SE Repro: Druckvorstufe WELT GRUPPE Berlin
Druck: Prinovis Ltd. & Co. KG, Nürnberg Herstellung: Olaf Hopf
ICON ist ein Supplement der „Welt am Sonntag“, die nächste Ausgabe erscheint am 18. Mai 2014. Sie erreichen uns unter [email protected]
Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter www.axelspringer.de/unabhaengigkeit.
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Anzeige
Retro ist in: Sonnenbrille „Elasta 3003N“ (1970) von
Marc Newson, die er für Safilo entwarf
ICON
AUSGEWÄHLT
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ODE AN DIE BROSCHE
Als wären die Preziosen von Hemmerle
nicht schon Poesie genug: Nun haben
die Münchner ihnen Gedichte gewidmet
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AU S DEM FOTOKÄSTCHEN
Helmut Newton liebte ihren Porsche.
Peter Lindbergh brauchte viel Requisite.
Zum ersten Mal spricht Yasuko Austin
über ihre Zeit als Produzentin
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MANN IM WALD
Zurückgezogen lebt Designlegende Yrjö
Kukkapuro nahe Helsinki. Esther Strerath
fand und besuchte ihn dort
H ERR DER BIENNALE
Signore Baratta hat den Überblick, und
zwar über alle „Biennalen“. Wir trafen
den Dogen von Venedig in Berlin
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FREISCH W INGER
Seit 155 Jahren wird der klassische „Nr.
14“ in der Manufaktur von Thonet gefertigt. Ein Grund, mal nachzusitzen
MISSION: SCHÖNES LEBEN
Erst initiierte sie die Design Miami. Nun
verkauft Ambra Medda selbst herausragende Designerstücke
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U ND WAS SAMMELN SIE SO?
Was dem einen die Briefmarken, sind
Theater-Guru Robert Wilson seine
Stühle. Andreas Tölke nahm Platz
DAS SYSTEM SCHWEIGER
Kreativität liegt ihnen im Blut. Til wurde
Schauspieler, sein Bruder Nik Architekt.
Gemeinsam sind sie Design-stark
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ALLES KOMMT ZU RÜ CK
Aktueller Trend in der Designwelt?
Re-Editionen – also Klassiker, die wieder
entdeckt wurden. Wie in der Mode
NEU LICH IN SHANG HAI
Made in Europe ist das Schlüsselwort für
chinesische Luxusbegeisterung. Zwei
italienische Architekten bauen darauf auf
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SIGONORE TAL ENTI
Es gibt kaum etwas, was Piero Lissoni
nicht entworfen hat. Andreas Tölke traf
den Italiener im Design-Mekka Mailand
MEISTERHAFT
Wer schreibt, der bleibt. Für das „Meisterstück“ gilt das seit 90 Jahren. Huberta
von Voss gratuliert zum Jubiläum
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MÖBEL SALON
Und wo soll das alles hin? Esther Strerath
hat sich auf dem „Mailänder Salone“
umgeschaut
NU R NICHT WEGRÄUMEN
Wir verbringen viel Zeit am Schreibtisch.
Da wollen wir nicht nur Papierkram sehen. Wir fanden schönste Accessoires
90
BAU PLAN
Bei THG Paris durften wir beobachten,
wie eine Badezimmerarmatur entsteht
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PICOBELLO
Lass das bloß nicht den Bsirske sehen:
Das neue Atelier von Bottega Veneta ist
ein „Must-have“-Arbeitsplatz
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U H R DER ARCH ITEKTEN
Eine kleine sächsische Manufaktur fertigt
seit 22 Jahren Uhren, die auch Männer
nach rein optischen Erwägungen kaufen
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EXPERTENRU NDE
Unsere Stilisten tauschen sich aus. Und
zwar über Design – in allen Lebenslagen
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DIE JA-SAGER
Bislang lebten Icona und Iken noch in
wilder Ehe. Nun ist Schluss damit. Sie
sagen Ja. Mit allem Drum und Dran
DESIGN
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Endlich: Die Ausstellung
„David Bowie“ kommt nach Berlin
AB DEM 20. MAI IM MARTIN-GROPIUS-BAU
© DUFFY ARCHIVE & THE DAVID BOWIE ARCHIVE
APRIL 2014
unuetzer.com
+ 49 89 255427-49
Jagdinstinkt: Dieses von
Martin Handford designte Ei
ist eins von 275, dem die New
Yorker beim interaktiven
Fabergé Big Egg Hunt in der
Osterzeit nachspüren können
ICON
APRIL 2014
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H INTER DEN KU L ISSEN
Harold Kodas Reich ist der Kostümfundus
des „Costume Institute“ in New York. Das
ist kein Operettenjob
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EH RE, W EM EH RE GEBÜ H RT
Er war es, den sie alle kopieren. Eine
Ausstellung in New York ehrt endlich den
Modeschöpfer Charles James
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FÜ R DEN L ANGEN BLICK
Ihre Arbeiten aus Aquarellfarben sind von
einem Foto kaum zu unterscheiden.
Caroline Börger traf das Künstlerduo von
„Architectural Watercolors“ in Paris
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SOUND OF BEAUTY
Haben Sie schon mal daran gedacht, dass
sich ein ganzes Team Gedanken um den
perfekten Klang Ihres Lippenstiftes
macht? Susanne Opalka hat’s getan
UNTERWEGS
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GLOBAL DIARY
Dieses Mal geht’s nach L.A. und auf Bärensafari in die Karpaten
AGATA POSPIESZYNSKA/AGATA POSPIESZYNSKA
GESCHICHTEN
Josefine trägt ein Bustierkleid aus Satin von Christian Dior. Tanktop darunter und Cap: Naco Paris. Mehr Shooting finden Sie ab Seite 54
NEUES WOHNEN
In dieser Provinz möchte man gern mal
verschlafen: Das „Ritz-Carlton“ in Wolfsburg wurde umgestaltet
MODE
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BELLA ITAL IA
Gesprächsthema italienische Mode?
Angesagter denn je. Silvia Ihring reiste
eigens dafür nach London und schaute
auch im Berliner KaDeWe vorbei
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PU NKT, KOMMA, STRICH
Die Designer empfehlen derzeit Design.
Wir haben das fotografiert
Neuestes Mitglied
der Bottega VenetaFamilie? Besteck.
Selbstverständlich
wurde das berühmte
Intrecciato-Muster
eingearbeitet
KOSMETIK
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FORMVOLLENDET
Kosmetik und Design gehören zusammen,
finden unsere beiden Beauty-Experten
Plus: die neuesten Produkte
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CH IC IM BAD
In einer Design-Ausgabe dürfen auch
stylische Beauty-Produkte nicht fehlen.
Form- und Funktionsgetestet
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FEINES NÄSCH EN
Wie es wohl im Buckingham Palace duftet?
Die Duftexpertin Sissel Tolaas hat (nicht
nur) darauf eine Antwort in Flaschen
86
SO EINFACH W IE MÖGLICH
Aber nicht einfacher, sprach Einstein. Er
hätte wohl Freude an einer neuen Kosmetik-Linie aus Schweden
Ziert jeden noch so faden Esstisch:
„About a Chair AAC 22" von Hay.
Gibt’s über iconist.de
ICON
Und natürlich digital:
Auf dem iPad in der WELT
sowie online auf welt.de/icon
Ich bin ein Teppich: Entwurf des polnischen
„Kosmos Project"-Designstudios. Mehr unter
kosmosproject.com
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STILISTEN
NICHT EINFACHER ALS MÖGLICH – UNSERE LIFESTYLEWEISEN SCHÄTZEN EINSTEINS DESIGN-THEORIE
Große
Kunst
ANNIE LEIBOVITZ/COURTESY TASCHEN VERLAG
Als Annie Leibovitz gefragt
wurde, ob sie ihre Fotos in
einem übergroßen Bildband
im Taschen Verlag veröffentlichen würde, überlegte sie
nicht lange – brauchte aber
mehrere Jahre, um eine Auswahl zu treffen. Immerhin ist
die Amerikanerin seit den
Siebzigern im Geschäft und
schoss unvergessliche Bilder.
Etwa vom „Kunstobjekt“
Steve Martin (links) oder von
Whoopi Goldberg in einer
Badewanne voller Milch. 250
Fotos, viele bisher unveröffentlicht, schafften es
schließlich in den 476 Seiten
dicken, auf 10.000 Stück
limitierten Band „Annie Leibovitz“, der mit einem von
Marc Newson entworfenen
Buchständer geliefert wird.
MEIN NAME IST HASE
Inhaberin der
PR-Agentur Stilart
in München
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Glück! Das ist bis zum 1. Juni
das Thema der Movimentos
Festwochen in der Autostadt
Wolfsburg
MOVIMENTOS/RAVI DEEPRES
Ala Zander
In meinem Leben drehte sich schon immer alles um Design. Die Mama war KaschmirDesignerin, der Papa fuhr Design-Autos und ich designte mich und meine Umgebung
bereits in frühen Jahren stets (vermeintlich) zeitgemäß. Nur mit den Zähnen ging es
nicht. Dabei waren sie zu klein. Fand ich. Ich wollte Zähne groß wie ein Nagetier. Außer
mir fand jeder meine Zähne total okay (wobei „total okay“ grundsätzlich nicht mein Leitmotiv ist). Also war ich sofort alarmiert, als ich von einem Berliner Zahn-Atelier hörte, das
einem die perfekten Traum-Zähne innerhalb eines Tages designt – und man sich diese
dann ähnlich wie Kunstnägel, falsche Wimpern oder Haar-Extensions einfach „vorübergehend“ aufsteckt. Testeneers heißen die Dinger, Test-Veneers also, die pro Zahn „nur“
80 Euro kosten statt – wie echte Veneers – ein Vermögen. Nachdem ein Computer meine
optimale Zahngröße und die sogenannte perfekte „Lächel-Linie“ errechnet hatte, bekam
ich sie: acht kleine Zahn-Hütchen, die mittels Haftcreme auf die ollen kleinen Ur-Zähnchen geklebt werden – und tatsächlich das Lächeln meines Lebens strahlen ließen.
30 Jahre hatte ich von diesem Supersmile geträumt und plötzlich war es da. Offen
gestanden gefiel ich mir damit so gut, dass ich beschloss, aus Testeneers echte Veneers
werden zu lassen, mit meinen eigenen Zähnen war mir endgültig nicht mehr zum Lachen
zumute... Auch dabei hat mir das coole Berliner Lächel-Studio übrigens geholfen und
mich dauerhaft mit meinen neuen großen Hasen-Zähnen ausgestattet. Dass mein Freund
mich schon vorher Hase nannte, ist wirklich reiner Zufall...
Gentlemen Only ist für den
Duftstar 2014 nominiert.
Aber ein Gentleman genießt und schweigt.
Teppichmalerei
© MARGRET EICHER / SABINE KRESS
Sind das da nicht Gerhard Richter, Scarlett Johansson
und Martin Kippenberger in der Berliner „Paris Bar“?
Richtig! Margret Eicher bringt den Adel von heute
auf höfische Wandteppiche von damals. Gerade ist die
Konzeptkünstlerin auf Ausstellungstour, ab dem
25. April werden ihre Werke zum Beispiel im Berliner
Kaffeehaus [P103] Mischkonzern unter dem Titel
„Neuer Adel“ gezeigt.
SO LEBEN DIE
HOLLYWOODKUMPEL
David Blieswood
& Friends
Connaisseur aus Hamburg
DESIGN VERRÜCKT
Kürzlich saß ich in der Bar des Hotels „Das Stue“, eines der neuen Berliner Design-VorzeigeBeispiele, eingerichtet von der Spanierin Patricia Urquiola. Am Nebentisch eine coole Runde, von Kopf bis Fuß durchgestylt. Von der Handtasche bis zum Sneaker, alles scharfes Design – Nieten- und Triangle-Taschen, Schmuck, der sehr nach „artist’s piece“ aussah, und
Schuhe wie frisch aus einer Kunstgalerie. Überhaupt: der Sofastoff vom Modedesigner. Die
Badewanne vom Autodesigner. Die Pfeffermühle vom Architekten. Die Mineralwasserflasche vom internationalen Künstler, dessen Skulpturen im Museum stehen und bei Auktio- Emmanuel de
nen Rekordwerte erzielen. Wir sind in unserem Alltag mehr und mehr umgeben von De- Bayser
sign. Das Neue, Überraschende und das Bleibende entstehen heute zwischen Kreativ-Dis- Mitbesitzer von
ziplinen, die Genres mischen sich – Kunst beeinflusst Mode, Interior- und Ge- The Corner Berlin
brauchsdesign werden umgekehrt von Künstlern und Fashion-Creative-Directors belebt. Sogar das iPhone kriegt eine Design-Hülle, gemacht von dem kalifornischen Designer-Duo Carol Lim und Humberto Leon, die das Modelabel Kenzo mit
ikonografischem Tier-Design wieder auf Trab brachten. Das Publikum im
„Stue“ gehörte augenscheinlich zu einer neuen Gesellschaftskaste, einer Art
neuer „tribes“ und Clans, die man auf bestimmten Events immer wieder trifft.
Auf den Modeschauen in Paris, Mailand, New York und London. Auf den
Kunstmessen bei der Art Basel in Basel und Miami, in London und Paris bei der
PAD, in Mailand beim Salone del Mobile. Den Trend kann man auch ganz gut auf den Society-Seiten
der internationalen Hochglanzmagazine verfolgen. Die In-Crowd hat sich völlig verändert. Zu den ÖlMilliarden-Erbinnen und Socialites der New Yorker Upper East Side gesellt sich die Kreativszene: Models, Fotografen, Galeristen, Künstler, Designer. Kürzlich traf ich einen, an sich sehr konservativen, Kurator eines wichtigen Museums. Er wollte einmal Sneaker tragen und fragte um Rat. Er verknallte sich,
ausgerechnet, in das nun wirklich abgefahrenste Modell der Saison: Design by Rick Owens.
UND SONST NOCH
BUCH I: Blickt hinter die Türen der schönsten New Yorker
Apartments: Vanessa Weiner von Bismarcks Bildband „Living in Style New York“ (teNeues).——— BUCH II: Angefangen hat alles mit der Internetseite solebich.de, auf
der man Bilder von seiner Wohnung hochladen kann. Mittlerweile ist daraus bereits das zweite Buch entstanden:
„Das neue SoLebIch Buch“ (DVA). ——— BUCH III: Middleton
Pink, Elephant’s Breath Grey oder Cooking Apple Green –
allein die Namen machen schon Spaß. Wie man die Farben
und Tapeten von Farrow & Ball am schönsten einsetzt,
zeigt das Buch „Zeitlos wohnen mit Farbe“ (Callwey).
LIVING IN STYLE NEW YORK / TENEUES
Sein – oder Design? Stars, die es geschafft haben,
leben ihre Freiheit – unbekümmert. Christian Bale
(„Batman“) trägt ein 14 Jahre altes Hemd und eine
fünf Jahre alte Armee-Hose.
Die wichtigsten Lifestyle-Elemente: Küche, TV,
Pool, Kamin, Autos, Motorräder oder Boote.
Wenn Roland Emmerich in seinem HollywoodPalmen-Anwesen im neuen Pool schwimmt, blickt
er über die Skyline von Los Angeles: „Aber jetzt
baue ich mir noch einen Turm mit Whirlpool obendrauf, damit ich den Pazifik sehen kann!“ In sein
Berliner Apartment stellt er erst mal nur ein großes
Sofa. Seine Flucht-Oase: die Oldtimer-Holz-Yacht
vor Thailand. Architektur- und Design-Freak Brad
Pitt sagt: „Das Wichtigste in all unseren Häusern ist
das Ehebett, weil morgens alle zum Kuscheln kommen.“ Seine L.A.-Villa ist minimalistisch mit Felsenwand am Eingang. Sein New-Orleans-Stadthaus
hat Balkone und offene Fenster, damit er die Musik
der Stadt hört. Sein Schloss in Frankreich hat Paparazzi-Flugverbot. In Berlin wohnt er im Soho House
und Q-Hotel. George Clooney lebt versteckt und
geschützt in einem 12.000-qm-Park, im ZiegelHerrenhaus von Clark Gable (drei Autos: Lexus,
Porsche Carrera, Corvette Cabrio) mit schwarzem
Cockerspaniel Einstein (Tierheim). Er sammelt
gerahmte Krawatten von Prominenten (wie John F.
Kennedy). Der Fernseher steht im Kamin.
Thomas Gottschalk fährt in Malibu durch einen
Batman-Tunnel (Code-gesichert) in eine Art Villa
Kunterbunt (Mix aus Schloss und Ritterburg) – mit
silbernem Not-Wohnwagen (für Evakuierung bei
Waldbrand). Legende Kurt Douglas, 97, erwacht in
seinem Schlafzimmer neben 5 Chagall-Gemälden:
„Das ist mein Himmel!“ Bruce Willis hat seine Oase
in der Karibik gefunden, George Lucas liebt den
Comer See, Leo DiCaprio liebt den Baja Californea Cabo und die Sehnsucht nach Europa.
Roland Emmerich seufzt: „Am liebsten bin ich in
meinem Townhaus voller China-Kunst in London
neben Harrods. Da kann ich endlich zu Fuß gehen.“
Ich liebe Autos. Nicht nur, weil sie mich von A nach B kutschieren, ich laut Musik hören kann und etwa die Hälfte meines Hausrats im Kofferraum zwischenlagere. Ich würdige auch
gelungene Design-Leistungen. Aufgewachsen in „Mo-Town“ Wolfsburg, habe ich wahrscheinlich Benzin im Blut, habe aber in der
Stadt, in der man nur VW fährt, früh gegen die Gleichschaltung des „guten“ Autogeschmacks rebelliert. Dabei hatten wir recht lustige VW-Modelle: einen Hippie-„Bulli“, einen Käfer in Bronze mit cremefarbenem Dach, einen K70 im Biene-Maja-Design, gelb mit
schwarzen Streifen. Unser Familienalbum blättert sich wie eine Marketing-Broschüre zum VW-Kult. Zum Start meiner persönlichen
Autokarriere schlug mein Vater einen Golf vor. Quadratisch, praktisch, gut. Um Himmels willen! Aber Papa zahlte. Der Kompromiss
war ein Seat Marbella. Den habe ich dann wirklich zu schätzen gewusst. Er knatterte, und das formlose graue Interieur hatte Kantinencharme. Und das Beste: Ich konnte ihn in eine komplette Liegefläche verwandeln ... Während meines Studiums habe ich dann Jahreswagen von Wolfsburg nach Hamburg überführt; das gab mindestens 100 DM die Strecke. Und ich entdeckte den „need for speed“.
Den Führerschein hatte ich in Amerika geschossen und so bekam ich in dieser Zeit – „learning by doing“ – die deutsche Verkehrsordnung recht kostspielig beigebracht. Danach suchte ich mir meine Freunde (auch) nach ihren Autotypen aus. Mit Sunnyboy-Jan und
seinem umgebauten Beerdigungskombi hatten wir einen unvergesslichen Surftrip nach Biscarosse. Mit Tront und Bobbi Brown lustige
Fahrten im Mini an die Ostsee. Mit Werber-Hans kalifornisches Feeling im Alpha Spider. Ich selbst fuhr immer irgendeine Kaschemme – bis zu dem Tag, an dem ich plötzlich annahm, ich müsste in cooles Design investieren. Ein Audi TT sollte es sein, in YuppieSchwarz und mit Lederausstattung, von mir persönlich in Ingolstadt abgeholt. Ich weiß gar nicht, was mich damals geritten hat. Wurde
ich erwachsen, gar eine Spießerin? Als
das Modell irgendeinen Test nicht bestanden hatte, konnte ich ihn Gott sei
Dank wieder abgeben, saß man in der
Schüssel doch so tief wie in einer Taucherglocke, vom Rückwärtseinparken
will ich gar nicht anfangen. Dann doch
lieber ein Auto mit mehr Seele: Ein Fiat Cinquecento Baujahr 74 mit Hebelanlasser rechts neben dem Sitz eroberte mein Herz. Türkis mit pinkem
Lenkrad und Faltdach, ich war restlos
hin und weg. Ich nannte sie zärtlich
Luci (es gab nur den einen Lichtschalter an der Konsole), und wenn ich mal
stehen blieb, war immer jemand da,
der uns wieder angeschoben hat.
Auch auf der Autobahn, immer erschien ein Ritter in glänzender Rüstung, um uns zur Seite zu stehen. Als
die Tür nicht mehr abzuschließen war,
beherbergte Luci auch den ein oder
anderen Heimatlosen. Im Winter liegt,
mangels Heizung, immer eine Decke
auf dem Rücksitz. Ich hege und pflege
meine Luci noch immer. Bella ciao!
Das gute Leben
Berggipfel, Wüstenlandschaften, jeden Tag Sonne, und das alles nur zwei Stunden
von Los Angeles entfernt – kein Wunder, dass sich Schauspieler wie Frank Sinatra
oder Cary Grant in den 60er-Jahren ein Ferienhaus in Palm Springs kauften. Die
amerikanische Fotografin Nancy Baron hat das kleinstädtische, heute leicht aus der
Zeit gefallene Leben zwischen Häusern mit Leo-Tapeten und türkisfarbenen Oldtimern nun in ihrem Bildband „The Good Life – Palm Springs“ (Kehrer Verlag) dokumentiert und damit ein wunderbar authentisches Abbild des Ortes geschaffen.
Das Bikini Haus
in Berlin hat
(wieder) eröffnet.
In der „Concept
Mall“ findet man
unter anderem Shops von Andreas
Murkudis, Closed und Odeeh
„In der Einfachheit
liegt die höchste
Vollendung“, soll
Leonardo da Vinci
gesagt haben. Worte, die, ohne größenwahnsinnig wirken
zu wollen, auch von mir stammen könnten. Wer
sich in meinem Refugium umsieht, dem wird
nicht entgehen, dass Schnickschnack jeglicher Art tabu ist. Ich habe eine Schwäche für
Geradlinigkeit und naturbelassene Materialien. Deshalb schaue ich auch lieber aus meinen Fenstern als auf ein Gemälde. Da kann
ein da Vinci noch so genial sein: Die schönsten Bilder sind die von der Natur selbst gemalten. Vor allem auf Sylt ... Beim Wein ist das nicht anders:
In Zeiten von Geschmacksverstärker und Co. heben
sich die Un-Gedopten hervor. Einer davon ist der
2009er „Herdade dos Grous Reserva“ – Reserva ist eine
Bezeichnung für Weine in Portugal und Spanien von
höherer Qualität. Was man in diesem Fall auch schmecken kann. Ein makelloser Wein vom gleichnamigen
Weingut, dessen Name übersetzt „Landgut der Kraniche“ bedeutet. Schlicht und einfach gut.
FLÜGELVERLEIH
Herbert Seckler
Kultwirt vom
Sylter „Sansibar“
PHOTO BY LAWRENCE SCHILLER © COPYRIGHT POLARIS COMMUNICATIONS,INC.,ALL RIGHTS RESERVED
GENERATION GOLF
Sue Giers
PR-Chefin
von Closed
Volle Fahrt voraus
Als Lawrence Schiller 1962 Fotos am Set von Marilyn Monroes Film „Something’s got to give“ machen
sollte, traute er seinen Augen nicht: Marilyn, nackt im Swimmingpool! Für die Schauspielerin wurden
es die letzten Aufnahmen vor ihrem Selbstmord, für den damals 25-jährigen Schiller bedeuteten sie
den Durchbruch. Er arbeitete fortan für große Magazine und machte in den 60er-Jahren viele weitere
legendäre Bilder. Von Muhammad Ali während eines Kampfes zum Beispiel, von Lee Harvey Oswald
kurz nach der Anklage wegen Mordes an John F. Kennedy oder, siehe oben, von Tippi Hedren und
Alfred Hitchcock auf dem Freeway in Los Angeles. Vom 26. April an zeigt die Berliner Galerie Hiltawsky das überraschend vielfältige Repertoire des New Yorker Künstlers unter dem Titel „Like Zelig“.
DESIGN AUF DÄNISCH
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Mit Arne Jacobsen, Jørn Utzon, Finn Juhl, Hans Wegner,
Børge Mogensen und Verner Panton ist Dänemark in den
vergangenen Jahren zu einem der wichtigsten Orte geworden, wenn es um Möbel und Inneneinrichtung geht. Schon in meiner Jugend haben mich dänische Architekten und Designer inspiriert, die Wert auf Handwerk gelegt haben und trotzdem eigene, neue Produkte entwarfen. Das Wort „zeitlos“ bekam auf einmal eine
ganz neue Bedeutung. Wie konnte Dänemark mit nur 5,5 Millionen Einwohnern so viel großartiges Talent hervorbringen? Und wieso
bekam skandinavisches Design international so viel Anerkennung? Was uns in meinen Augen von anderen unterscheidet: Wir schaffen
es, Design mit Funktionalität zu verbinden. Das liegt wahrscheinlich daran, dass unsere Winter
lang und kalt sind und Skandinavier viel Zeit zu Hause verbringen. Wir laden gern Freunde und
Charlotte Lynggaard
Familie nach Hause ein und geben uns viel Mühe mit der Einrichtung. Wir schätzen den KomDesignerin und Creative
fort eines „Y“-Stuhls von Wegner, lieben die Schönheit einer Henning-Koppel-Karaffe von GeDirector von Ole Lynggaard
org Jensen und trinken unseren Kaffee am liebsten aus einer Tasse von Royal Copenhagen.
in Kopenhagen
Einfach, weil wir glauben, dass er so gleich viel besser schmeckt.
Tradition in
transparent: Der
Hüttenstuhl aus der
„See through“Kollektion vom
Südtiroler Label
Scomodo
KUNST I: Das Vitra Design Museum in Weil am Rhein zeigt
unter dem Titel „Konstantin Grcic – Panorama“ die bislang größte Einzelausstellung des deutschen Industriedesigners. ——— KUNST II: Trix und Robert Haussmann blicken mittlerweile auf 50 Jahre Schaffen zurück. Die
Kunsthalle Fri Art in Fribourg widmet dem Schweizer Architektenpaar eine Ausstellung. ——— KUNST III: Im Berliner Comme des Garçons Black Shop ist bis zum 26. April
eine Installation des Künstlers Thomas Jeppe zu sehen.
Titel: „Abstract Journalism: Annexe“.
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NANCY BARON; AMIN AKHTAR; INGRID CANINS
UND SONST NOCH
TRENDBAROMETER
VON WOLFGANG
JOOP
Herr Haka
Kaum hat man sich alles schmaler
nähen lassen, man musste ja unbedingt so aussehen wie ein Boy aus
dem Berliner Berghain, die Hosenbeine so eng, dass man kaum noch
mit dem Spann durchkam - schon
kann man alles wieder auftrennen.
Denn jetzt trägt Mann keinesfalls
mehr auf, sondern: weit. Und ganz
wichtig; die Beine hochgeschoben
oder gekrempelt in Richtung Knie.
Ja, ja. Wie am Strand. Und dazu
Wadensocken mit Gesinnungsstickern dran! Schon absurd genug,
aber auch noch Püppchen von Marni!
Mickey Mouse oder was ist das?
Wie? Tokidokis. Aha. Ich kann es
nicht fassen, dass Du jetzt auch so
etwas trägst. Da hilft der
Zweireiher auch nicht
mehr. Wie? Es geht nicht
darum, ob Du es gut
findest? Seid wann?
PATRICK DEMARCHELIER
Frau Dob
Maus an Model
Was für ein Glück, dass Patrick Demarchelier an seinem 17. Geburtstag eine Kamera
geschenkt bekam: Prompt blühte seine Liebe zur Fotografie auf. Heute, knapp 53 Jahre
später, zählt der Franzose zu den besten seiner Zunft, auch wegen seiner natürlichen
Bildsprache. Er knipst so schnell, dass sein Motiv, hier das Model Christy Turlington, gar
nicht erst über den Gesichtsausdruck nachdenken kann. Die 50 schönsten Werke des
Fotografen sind ab dem 26. April in der Berliner Galerie Camera Work zu sehen.
AUSGEZEICHNET
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Seit drei Jahren schreibe ich für ICON, aber was wir sonst so tun, war bisher kein Thema.
Bei einer Design-Ausgabe darf das ausnahmsweise anders sein. Mutabor ist das Zauberwort aus „Kalif Storch“ von Wilhelm Hauff. Es bedeutet „ich möge verwandelt werden“.
Dieses Motto ist Name und Wahlspruch unserer Designagentur, die unlängst vom größten internationalen Design-Award „Red Dot“ zur „Agency of the year“ gekürt wurde. Für
ein Jahr darf der Titel geführt werden, bevor er wieder seine Reise um den Globus antritt.
Nun kam also der Pokal zu uns nach Deutschland. Eine große Ehre für ein Designteam,
das vor gut 15 Jahren aus einem selbst verlegten Grafikdesign-Magazin entstand und
über Aufträge von Adidas, Audi, BMW oder Airbus zu einer Mannschaft von 80 Kreativen, App-Entwicklern, Interface-Designern, Architekten, Grafikern und mehr heranwuchs. Knapp 400 Designpreise hat das Team bis heute gewonnen. Meinen kongenialen
Geschäftspartner und Freund Johannes Plass und mich treibt die Faszination für kommunikatives Design. Corporate Identity, Verpackungen, Logos, Shopdesign, Messestände,
Apps, Bücher, Filme, Websites – es gibt kaum eine Gestaltungsdisziplin, mit der wir uns in unserem Studio an
Heinrich
der Elbe nicht beschäftigen. Verwandlung ist Programm.
Paravicini
Das führt uns in diesem Jahr sogar zu Kunden nach BarGeschäftsführer
celona, Peking, Moskau, Paris. Das ist unser Märchen.
Mutabor Design
in Hamburg
PERSÖNLICH: Der amerikanische Designer Ted Muehling
hat für die Porzellan Manufaktur Nymphenburg eine
„Monogramm“-Kollektion entworfen: Auf die 26 Teller ist
von Hand je ein Buchstabe des Alphabets gemalt. ——— AUF ANFERTIGUNG: Neu bei
Hermès: die „Twillaine“-Kollektion. Auf Wunsch
können acht verschiedene Seidencarrés zu Top,
Kleid oder Cardigan umgestaltet werden. Ab sofort in den Pariser Boutiquen bestellbar. ———
KOOPERATION I: Emilio Pucci und der Fliesenhersteller Bisazza haben sich zusammengetan. Das
Ergebnis: Mosaiksteine, die schönste PucciMuster ergeben. ——— KOOPERATION II: Der deutsche Künstler Olaf Hajek hat für Swatch zwei
bunte Uhrenmodelle entworfen: „Flowerhead“ und
„Nature Man“. Auf 888 Exemplare limitiert.
NYMPHENBURG
UND SONST NOCH
OH, LOOK! UNSERE
ICONA ZEIGT IHRE AKTUELLEN LIEBLINGSTRENDS
ILLUSTRATIONEN: JAMES DIGNAN (JAMESDIGNAN.COM)
ICONA
IKEN
Eine gute
Figur macht
Iken im grauen
Smoking von
Lanvin über
mrporter.com
(kommt mit
Hose)
Handschmeichler:
Lederhandschuhe
von Roeckl
+
+
Für eine rosige Zukunft:
Ohrhänger von Tiffany
+
Lacky me! Farbton „Mimosas
for Mr & Mrs“ von OPI
Egal in welcher Sprache,
schön: Ja, Yes, Sì oder eben Oui.
Ring von Christian Dior
Einfach spitze: Kleid „Mystic Rose“
von Kaviar Gauche
Immer stilvoll: Hemd
und Fliege von Brioni
+
Lieblingsduft statt
Liebesschwüre: „Love“
von Kilian
+
Herzensangelegenheit:
Clutch von Charlotte
Olympia über net-aporter.com
Der Name sagt
alles: „Love in
White“ von Creed
Der Bund fürs Leben: KnotenManschettenknöpfe von Cartier
+
+
+
Zeit für die Liebe:
Die „Grande Reverso Ultra Thin“
von Jaeger-LeCoultre
Spontan am Arm: Einwegkamera über blueboxtree.com
+
Das Schleifenband
für die „Kutsche“
gibt’s über
pinjafashion.com
+
Statt Hochzeitstorte:
Pumps von Valentino
über mytheresa.com
+
Sorgt für leuchtende Augen:
Lampion über missetoile.dk
+
= 18.325,70 €
Für den schönsten
Augenblick des Lebens:
„Anti-Fatigue Eye
Treatment“ von Tom Ford
jourdhermes.com
+
+
= 13.838,90 €
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ZUSAMMENGESTELLT VON MIRA WIESINGER
Nix da wackelige Knie: Standhaft
in Schuhen von Louis Vuitton
das neue Eau de Parfum
Ein Wald,
ein Stuhl,
der Finne
Seine Sessel gefallen Auge
und Wirbelsäule: Designer
Yrjö Kukkapuro hat Esther
Strerath seinen persönlichen
Lieblingsplatz gezeigt,
Thomas Meyer fotografierte
Yrjö Kukkapuro in seinem
berühmten „Karuselli Chair“
26
Das Haus ist nicht zu übersehen. Zwischen
gelben und roten Holzvillen liegt das ufo-ähnliche Zuhause von Yrjö Kukkapuro, mitten in
einem Wald in Kauniainen, rund 15 Kilometer
westlich von Helsinki. Tannen rauschen im
Wind, da tritt der Möbel-Designer schon mit
wehendem, rotem Schal aus der blauen Haustür und bittet hinein. Ein riesiger Raum öffnet
sich, hier lebt und arbeitet Kukkapuro seit
1968 mit seiner Ehefrau, der Malerin Irmeli
Kukkapuro.
Überall stehen Stühle, aus sämtlichen Schaffensphasen des Finnen, Prototypen, Bestseller, „Ateljee“ zum Beispiel, der famose Sessel
mit den lederbezogenen, überbordenden
Armlehnen aus Schichtholz, der „Experiment
chair“, „Fysio“, „Nelonen“. Die Jahrzehnte der
Entstehungen sind ihren Exponaten sofort
anzusehen. „Die 60er-, 70er- und 80er-Jahre
sind klar zu erkennen“, sagt Kukkapuro. „Danach wird es schwierig.“ Er nimmt „in den
70ern“, auf einem Sofa, Platz. Von hier sticht
„Karuselli“ ins Auge, ein wenig zierlicher als
das jetzt von Artek wieder produzierte Original. Auf der Möbelmesse „IMM Cologne“ war
er der Super-Star. Man hätte Nummernzettel
ausgeben können, so begehrt war das Probesitzen in dem wuchtig-futuristischen Sessel
aus Fiberglas und mit Lederpolsterung, der
auf einem Stahlbogen zu schweben scheint
und seine „Insassen“ mit einem sanften Ruck
verschluckt.
Sein Erfinder lacht, als er von der langen Warteschlange hört. Nach der Entstehung gefragt,
holt er ein wenig aus: „Ich war in den ersten
Jahren in der Kunstschule, heute ist es ein
Museum. Mein Lehrer schickte mich damals
zu der Designschule, die auch im Atheneum
war. Ich war etwas verunsichert, ich war ja
Maler. Aber ich war jung, kam vom Land, der
Lehrer war aus der großen Stadt Helsinki und
so folgte ich seinem Rat. Und das war gut.“ Die
beste Malerin, wirft er ein, sei sowieso seine
Frau, die er an der Kunstschule kennenlernte
und die während des Interviews unbeirrt am
anderen Ende des Raumes an ihrem Zeichentisch arbeitet. Kukkapuro erzählt weiter: „1957,
im Frühjahr, erzählte mein Professor in einer
Lesung erstmals von Ergonomie, damals hieß
es nur noch nicht so. Er hatte Kopien von Untersuchungen eines schwedischen Arztes,
Okerblom war sein Name, der physiologische
Studien über den Rücken angefertigt hatte. Er
fand heraus, dass man ein Ischias-Problem bekommt, wenn man falsch sitzt. Vielleicht war
er der Erste in der Welt, der solche Studien
machte. Mein Professor erklärte uns also, wie
wichtig es ist, richtig zu sitzen und den Rücken zu unterstützen. Gleich nach dieser
Stunde hatte ich Ideen zu einem GanzkörperStuhl. Plötzlich schien dies möglich, denn
jetzt hatte ich das erforderliche Wissen. Ich
verstand, Möbel zu designen heißt, nicht nur
Beine und Lehnen zu zeichnen, sondern etwas anderes, etwas Inneres. Wow“, sagt er und
die Begeisterung für diese Sternstunde ist
ihm immer noch anzumerken. Seitdem hat
sich Kukkapuros Priorität nicht geändert – er
entwirft – „auch heute noch, vielleicht nicht
so ergonomisch, aber komfortabel“.
Inzwischen hat wohl jeder Finne schon einmal auf einem „Kukkapuro“ gesessen. Theater,
Konzertsäle, Universitäten, Krankenhäuser,
Flughäfen und zahlreiche Büros hat er bestuhlt.
Nur einmal wollte er einen Stuhl für den privaten Gebrauch produzieren. Dabei hat er
sein ganzes Haus selbst gestaltet, die tankför-
migen, runden Riesenboxen, in denen Dusche
und WC versteckt sind, die Leuchten, die halbrunde Küche, auch das Bett für die Tochter. „Als
wir jung waren, hat jeder alles selbst gemacht,
man nahm Holz und Nägel, wir hatten kein
Geld“, winkt er ab. Doch sein Privat-Entwurf
für andere scheiterte: „Das war Ende der 70erJahre. Ein Architekt kam zu mir und sagte, der
Stuhl passe wunderbar in sein Krankenhaus.
Danach habe ich nie wieder versucht, für zu
Hause zu designen.“
Rund ein Jahr lang arbeitet Yrjö Kukkapuro an
einem Stuhl. Wie viele sein Œuvre umfasst,
kann er nicht sagen. Es müssen mindestens 50
sein. Für „Karuselli“ brauchte er vier Jahre. Ob
er damals ahnte, dass ihm ein Klassiker gelungen war? Schließlich hatte schon seine erste
Kollektion „Moderno“ (1956) für Aufsehen in
Finnland gesorgt.
„Avar Aalto war damals schon international berühmt. Ich hatte nur etwas geformt, über Monate, Jahre. Und eines Tages war es fertig. Es
war so völlig anders als alles, was es bisher im
finnischen Design gab“, sagt er, springt auf und
holt ein Buch über sein Werk, blättert darin
und zeigt die einzige Fotografie, von ihm und
der Schale des berühmten Sessels. „Ich habe
ein Metallnetz gespannt und mich hineingesetzt, Sackleinen darüber gelegt und es mit
Gips ausgegossen und dann mit der Hand modelliert. Das kostete nix“, erklärt er seine Studien, das damals plötzlich so begehrte und teure
Plastik zu formen. Angeblich entstand die UrIdee zu dem Projekt beim Spielen mit seiner
Tochter im Schnee? „Nein“, widerspricht er lachend. „,Ein Engländer hat sich das ausgedacht.
Aber ich habe eine andere Geschichte: Karuselli war bereits fertig, da kam ein Mann aus London, Terence Conran, damals noch ohne 3
„ALS ICH 50 WAR, DACHTE
ICH, ICH BIN ALT UND HABE
SCHON ALLES GEMACHT.
DOCH DANN KAM DER
POST-MODERNISMUS“
3 den Titel, und wollte den Stuhl mit einer
Lizenz in England produzieren und verkaufen. Es war Winter, es lag sehr viel Schnee, ich
spielte mit meiner Tochter Isa draußen. Wir
gruben Löcher, sie baute Tiere und ich natürlich Sitzplätze, als er fragte, was wir machten.
20 Jahre später erzählte er die Geschichte
ganz anders in einem Buch. Er hat nicht wirklich unrecht, er erinnert sich nur ein wenig
falsch“, stellt Yrjö Kukkapuro klar.
1964 kam Karuselli auf den Markt, er stand bei
dem Möbelhersteller „Haimi“ im Fenster, dessen Inhaber ihn „hässlich“ fand, so Kukkapuro.
Doch er wurde verkauft. Gio Ponti setzte ihn
1966 auf das Cover der „Architektenbibel“
„Domus“, die „New York Times“ feierte ihn als
den bequemsten Stuhl der Welt.
Weil das Licht gerade so herrlich in den Garten scheint, bittet der Fotograf Thomas Meyer,
schnellstmöglich Porträts von Yrjö Kukkapuro
aufnehmen zu dürfen. Der schlaksige Finne
setzt sich in den Garten und lächelt, während
eine Skulptur von Susumu Shingu Reflexe ins
Haus wirft. Dann trägt er Karuselli eigenhändig wieder hinein. Es gibt Tee, den
sein chinesi„Karuselli Chair“
scher Freund, der
Architekt Fang Hai,
bei einem Besuch
mitgebracht hat,
finnische
Kekse Fällt auf zwischen typisch finnischen Holzhäusern: Kukkapuros „Ufo“ mit viel Glas und
und Bach vom Band. Stahl steht in der Umgebung von Helsinki. Dort ist er mit seiner Frau Irmeli zu Hause
Er entwerfe keine
Stühle, in denen man nicht gut sitzen kann, Nutzung von Plastik komplett und arbeitete
hat er einmal in einem Interview gesagt. „Ha- nur noch mit Schichtholz.
be ich das? Doch es stimmt ja. Wenn ich einen Plastik ist nicht so – naja, es besteht aus Öl. Dies
Stuhl für das Theater entwerfe, ist es besser, in guten Stühle zu verwenden ist kein Verbreihn so zu designen, dass man relaxt und kon- chen, damit zu heizen, das ist nicht gut. Ich sagzentriert darin sitzt. Ich habe viele, viele Stüh- te einmal zu einem Bekannten, wenn wir den
le, die sehr simpel sind. Aber alle Maße und letzten Tropfen Öl in einen Karuselli-Stuhl geWinkel sind richtig. Wenn dies der Fall ist, ben, das ist nicht so schlimm, denn so kann
sitzt man gut, ohne besondere Ergonomie.“ So man ihn lange sehen. Wenn man ihn nicht verviele Designer wüssten das nicht, ärgert er brennt.“
sich und windet sich auf dem Sofa (auf dem Abermals steht er auf und holt aus einem Staman ganz ausgezeichnet sitzt). Die perfekten pel hinter seinem Arbeitstisch (ein Steh-ZeiWinkel hat Kukkapuro so berechnet: „Wenn chentisch mit höhenverstellbarer Fußpumpe)
es kein Lounge-Sessel ist, habe ich einige Re- eine Schwarz-Weiß-Fotografie. Sie zeigt Archigeln. Die Neigung der Lehne bis zu sieben tekt Marcel Breuer, wie er im Dreiteiler in eiGrad, das Sitzelement 25–28 Grad, nicht für nem „Karuselli“ lümmelt. „Ich weiß nicht, wie
Stühle zu Hause, aber für Hallen und Warte- es zu dieser Aufnahme kam, aber ich bin sehr
zimmer sind diese Winkel gut. Auch darf stolz auf sie“, sagt er strahlend. Vor ein paar
die Lehne nicht zu niedrig sein, sondern Wochen bat ihn sein Hausarzt verlegen um ein
45–50 cm betragen, sonst presst man sich Autogramm, seine Mutter sei ein Fan, beide
gegen eine Kante.“
mussten herzlich lachen.
Er selbst bezeichnet sich als Industrie- Kukkapuro hat viele Jahre als Professor an der
Designer. „Ich mag Element-Konstruktio- Universität für Kunst und Design in Helsinki
nen. Ich habe immer mit den unter- unterrichtet. „Die meisten meiner Studenten
schiedlichsten Herstellern und Gewer- sind in Rente“, sagt er grinsend. Er lobt das
ken in Finnland gearbeitet. Aus dieser skandinavische System, „einige Lehrer waren
Separation entsteht eine andere Ästhe- moderne Interieur-Designer, viele waren sehr
tik, die durch Details und kleine Dinge berühmt. Hier unterrichten alle Architekten
geprägt wird. Es ist wichtig für mich, und Designer, während andernorts Professozu sehen, wie etwas gemacht wird, die ren lehren, die selbst noch nie etwas produziert
Konstruktion ist bei mir sehr offen- haben. Das ist nicht gut.“ Kukkapuros Arbeiten
sichtlich“, erklärt der Maestro. Wie- stehen unter anderem im MoMa, im Victoria &
der steht er auf und geht hinüber zu Albert Museum in London, auch im Hamburdem „Karuselli“-Sessel, dreht ihn um ger Museum für Kunst und Gewerbe. Aus Chiund zeigt, wie Fuß und Stahlbogen na, wo es einen Lizenznehmer für den asiatimiteinander verschraubt sind. schen Markt von Kukkapuro-Entwürfen gibt,
Auch heute noch, bekräftigt er, traf neulich ein kleines Paket ein. Darin: eine
werde alles bei Artek genauso her- Miniatur seines Hauses in einem Geschenkkargestellt wie damals. Nur das Kugel- ton, so wie er Kunden dort überreicht wird. Dalager ist jetzt ein Nylonlager. Nach rauf sollte in chinesischen Schriftzeichen „StuKaruselli hat der Designer nie dio Kukkapuro“ stehen. Doch ein Freund verwieder mit Plastik gearbeitet.
riet ihm: „Da steht Museum.“
„Die Pop-Art war neu, frisch, Davon ist sein „Ufo“ allerdings weit entfernt.
schön. Wir waren jung, sie hat „Als ich 50 war, dachte ich, ich bin alt und habe
uns alle beeinflusst. Aber dann schon alles gemacht. Doch dann kam der Postkamen die 70er-Jahre.
Modernismus und ich hatte neue Ideen für ForAlles war nur funktional, es men von Stühlen.“ So scheint es immer bei Yrjö
gab keine Farben, keine Ästhe- Kukkapuro zu funktionieren. Es liegt etwas in
tik, ‚beautiful‘ war ein der Luft und er macht daraus ein Möbel, ZeitSchimpfwort. In dieser Zeit zeugen, manchmal sogar Klassiker. Jetzt zeigt
verwendete ich viel Ergono- er Skizzen seines neuen Stuhls „Colour-Elemie. Dann kam die erste Öl- ment“: „Ich benutze nur Schwarz, Rot, Blau
krise, 1973, und auch Ökolo- und Gelb. Da ich nie Zeit hatte, Farben zu stugie wurde zunehmend dieren, benutze ich nur Primärfarben. Nächste
wichtiger. Ich stoppte die Woche erwartet er einen Prototyp.
MÖBEL
Zukunft
in Stahl und
Holz
Auf Thonet-Stühlen sitzt man
2014 genauso gut wie im
Gründungsjahr 1819 – und was
kommt jetzt? Esther Strerath war
zu Besuch in Frankenberg,
Thomas Meyer fotografierte
Percy Thonet aus der jüngsten Generation des Familienunternehmens mit seinem
Lieblingsstuhl, dem „S32“ von
Marcel Breuer
30
Hinter schwarzem Stoff und im Spotlight eines Strahlers thront ein seltsames Stück Holz,
gebogen wie eine Haarnadel, ein großes „U“.
Es ist Teil der Ausstellung „In the Making“ des
britischen Duos „Barber & Osgerby“ im Designmuseum London (bis 5. Mai). Dazu erklären die Designer: „Sicher der ikonischste Teil
eines Objektes aus der Möbelgeschichte, ist
dieses gedämpft-gebogene Bugholz das essentielle Stück, das dem ersten wirklich industriell gefertigten Möbelstück seinen Charakter verleiht – dem Nr. 14-Stuhl.“
Szenenwechsel: Zwei Männer, sie sehen ziemlich kräftig aus, biegen einen 2,26 m langen
Holzstab so weit, dass sich die Enden überkreuzen, sie fixieren ihn in einem Metallrahmen, drehen dann die Füße um 70 Grad nach
innen und ziehen sie wieder auseinander. Ort
des Geschehens: Frankenberg, Nordhessen.
Hier sind professionelle Bieger bei Thonet zugange. Sie fertigen, genau wie vor 155 Jahren
ein Stuhl-Teil vom Nr. 14, der heute 214 genannt wird. Ein paar hundert Meter entfernt,
man geht über Bahngleise und an leerstehenden Fabrikhallen vorbei, reihen sich ThonetStühle im Regal aneinander, gegenüber steht
der neue „S 1200“, ein smarter Sekretär. Es
gibt ihn in unterschiedlichsten Farbkombinationen. Dies ist der Showroom des FamilienUnternehmens, zwischen Firmenmuseum
und der privaten Fachwerk-Villa, die die Familie in dritter Generation bewohnt. Drumherum schlängelt sich die Landstraße sanfte Hügel und Mini-Orte mit Pizza-Service.
Thonets Vergangenheit ist groß: Picasso liebte
seinen Thonet-Schaukelstuhl, es gibt Fotografien von Charlie Chaplin auf einem Thonet,
ebenso Marylin Monroe, Liza Minelli tanzt mit
einem Thonet in „Cabaret“, auch im Weißen
Haus saß man darauf. „Wir haben viel Potenzial, das in den vergangen Jahren geschlummert hat“, sagt Percy Thonet, der jüngste seiner Familie im Unternehmen. „Es gab schon
immer Farbvielfalt bei Thonet. Die Innovation
ist also nicht vom Himmel gefallen. Aber wir
greifen das Thema ,Classics in Colour jetzt
wieder auf. Der Startschuss war die IMM
Köln, Mailand war ähnlich.“ Da Stahlrohr ein
wichtiges Standbein sei, sei es in diesem Kontext logisch gewesen, die Farben aus der Bauhaus-Zeit, die sich an der Farbpalette von des
Bauhaus-Leiters Johannes Itten orientieren,
aus der alten Kollektion wieder aufzunehmen.
„Schon im vergangenen Jahr haben wir neue
Beizfarben gespielt. Dafür waren Mitarbeiter
unserer Produktentwicklung auf der Modemesse ‚Bread & Butter’, auf Floristikmessen,
kurz, auf Messen die gar nichts mit Möbeln zu
tun haben, um zu schauen, was in Zukunft aktuell sein wird“, ergänzt Thonet, der als Vertriebsleiter Österreich fungiert. Thorsten
Muck, seit Ende 2013 Geschäftsführer, erzählt
die Geschichte von der IMM in Köln. Dort war
Anfang des Jahres der Stand schon am Vortag
der Eröffnung fertig. Die Botschaft lautete:
Hey, wir sind schon da. „Zwei Mal zeichnete
unser Haus für große Innovationen verantwortlich, war gestalterisch prägend. Zuerst
mit dem gebogenen Bugholz, als Kontrapunkt
zu den wuchtigen Möbeln damals, was Michael Thonet erfand. Und dann mit seinen Bauhaus-Klassikern aus Stahlrohr“, sagt Muck.
Und heute? „Erfinde Dich selbst neu“ – ist der
Titel zu einem Trendbericht auf der Homepage. „Man muss sich selbst gut finden und
wissen, warum. Was ist das Skelett, die DNA
der Firma? Das muss man lesen können und
es in neue Projekte injizieren, ohne zu 3
MICHAELKORS.COM
shop.santonishoes.com
DIE STAHLROHR-KLASSIKER
ENTWARF MART STAM SCHON
1931 - INZWISCHEN SIND SIE ETWAS
BUNTER GEWORDEN. DASS DAS
DESIGN-ERBE SO BEHUTSAM
MODERNISIERT WIRD, DAFÜR
SORGEN AKTUELL DIE THONETERBEN PETER UND PERCY UND
GESCHÄFTSFÜHRER THORSTEN
MUCK (MITTE)
32
3 schauen, was die anderen machen“, sagt
Muck. Als ein Unternehmen von annähernd
200 Jahren müsse das, was man entwickele,
gleichermaßen zum Unternehmen wie zur
Zeit passen.
Inzwischen ist auch Peter Thonet, Designer
und Ur-Ur-Enkel des Firmengründers eingetroffen. Sein Neffe Percy betont: „Es gab immer wieder neue Sachen bei uns. In den 70ern
mit Verner Panton und seinem ‚S-Chair‘, der
‚Flex-Stuhl‘ von Gerd Lange mit Kunststoff
und Hol.“ Vor sieben Jahren entwarf Stefan
Diez, einer der prägendsten Industrie-Designer Deutschlands, einen Stuhl für Thonet, den
„404“: Peter Thonet sagt: „Das treibt uns
grundsätzlich an, dass wir versuchen Möbel
zu machen, die ikonenhaft sind. Diese sollen
gerne Klassiker werden, manchmal geht das
schnell, manchmal dauert das sehr lange. Die
Bauhaus-Möbel fanden die Menschen anfangs
uninteressant, nicht schön.“
In den 30er-Jahren sei die Stahlrohrproduktion bei Thonet viel höher gewesen als die mit
Holz, Stahlrohr sei dann erst in den 70ern wiedergekommen. In den 80er- und 90er-Jahren
waren dann Generationen von Bugholz begeistert: „Jetzt gewinnen die Stahl-Klassiker
wieder zunehmend an Bedeutung, das ist der
Zeitgeist.“ In der Möbelwelt ist dazu angesagt,
was lange halten soll. Kaum ein Designer heute, der nicht anstrebt, ein Objekt für ein ganzes Leben zu entwerfen. „Genau da kommen
wir ja her“, sagt Percy Thonet, „das Wiener
Kaffeehaus etwa, da gibt es Häuser, die heute
noch aussehen wie damals. Dank des 14ers, der
30 Jahre lang drei Gulden kostete, soviel wie
ein halbes Schwein oder zwei Kisten Bier.“
Bei Thonet gehen pro Jahr rund 3000 Stühle
zur Reparatur ein, aus den unterschiedlichsten Epochen. Häufig ist das Geflecht der Sitzfläche hinten rechts ausgefranst – da „sitzt“
meist auch das Portemonnaie. „Das beweist,
wie sehr die Kunden an ihrem Möbel hängen“,
sagt Muck. Ein Gang durch die Werkhallen
führt die Aussagen von Thonet Junior vor Augen. Da werden Stahlrohrrahmen geschweißt,
ohne dass jemals eine Naht zu sehen ist, Löcher werden gebohrt, eine Frau streicht mit
einem nassen Schwamm geschwärztes Wasser über Holz-Lehnen. Eine andere rasiert mit
einem Lady-Shave (rosa jedenfalls) überstehende Härchen von dem berühmten, wabenartigen Thonet-Geflecht, an den Schleif-Maschinen tragen die Mitarbeiter keine Hand-
schuhe, um Unebenheit zu erfühlen. Und
durch alle Hallen fahren gemütlich ThonetStühle an Schienen die Decken entlang, auf
dem Weg zum nächsten Arbeitsschritt.
Die Geburt eines Stuhles dauert circa eine
Woche, gefertigt wird nach Auftrag, rund
120.000 Produkte pro Jahr. Kürzlich ist Thorsten Muck durch das Thonet-Archiv gegangen.
Mehr als 500 Stühle lagern dort: „Wir arbeiten
derzeit an zwei Re-Designs, die wir aber dieses Jahr noch nicht zeigen.“ Stattdessen präsentierte das Unternehmen auf der Mailänder
Möbelmesse ein neues Sideboard, inspiriert
von einem alten Schrank aus dem Archiv und
entwickelt vom eigenen Design-Team. Es ist
ohne Werkzeug aufbaubar. Percy Thonet ist
sicher: „Die Technologie wird den nächsten
Schritt in der Möbelindustrie vorgeben, auch
beim Stahlrohr war das ja so.“ Der Geschäftsführer ergänzt: „In nicht allzu ferner Zukunft
ist es wahrscheinlich, dass wir aus anderen
Branchen Fertigungsverfahren auf Möbel
übertragen.“ Aber noch, findet Percy Thonet
und wippt ein bisschen gegen die Rückenlehne, „gibt es nichts Bequemeres, ob man lümmelt oder gerade sitzt, als einen Freischwinger.“ Am besten in bunt.
SAMMLER
Stühle
im Kopf
Berliner Gestaltung, Glashütter Herz:
Manufaktur-Klassiker Tetra in
vier neuen hauptstädtischen Farben.
Auf der Bühne hält er die Zeit an.
Im wirklichen Leben ist er rastlos.
Robert Wilson lebt Kunst.
Grenzenlos. Bringt Lady Gaga und
Marina Abramović zusammen. Und
lässt Andreas Tölke über
YIORGOS KAPLANIDIS; LAURIE LAMPRECHT (2)
gesammelte Stühle staunen
34
Ein Übernachtungsgast in Robert Wilsons
New Yorker Loft überliefert glaubhaft die
Anekdote: „Abends nahm ich eine Tasse aus
einem Regal, am nächsten Morgen hing dort
ein Zettel: Bitte nichts wegräumen! Das ist
Kunst!“, unterschrieben mit „Bob“. Robert
„Bob“ Wilson lacht bei der Erzählung. Schallend. „Ich bin schon sehr ordentlich“, räumt
er ein. Das sein ganzes Leben Kunst untergeordnet wird, dass sagt er nicht ...
Apropos einräumen: Der 73-jährige Wilson
ist Sammler, das ist bekannt, aber nicht nur
von den Großen und demnächst Großen der
Disziplin. Er hat eine umfassende Sammlung
von Stühlen. Richtig gelesen: Stühle. „Ungefähr tausend“, schätzt er selbst. Der Regisseur,
Maler, Skulpteur, Autor – er ist nicht nur einer der kreativsten interdisziplinären Künstler unserer Zeit, sammelt nicht nur für ihn
besondere Einrichtungsgegenstände, er entwirft auch Interior. Der gebürtige Texaner hat
am renommierten Pratt Institute, New York,
Architektur und Design studiert. Der Einfluss
– bis heute sichtbar in Bühnenbildern. Minimalistisch, fokussiert, präzise beleuchtete Requisiten, hier ein Schrank, ein einzelner
Stuhl. Zerrst du die Zutaten für deine Bühnenbilder aus deinem eigenen Fundus? (Kein
wirkliche Frage, eher eine Frotzelei.) Wieder
lacht er. Wie bei jedem Gespräch, so ist Robert Wilson auch jetzt ein wirklich heiterer
Zeitgenosse. „Ich entwerfe sie für Inszenierungen, aber die Stücke aus meiner Sammlung sind mir zu wertvoll, um sie als Gebrauchsmöbel auf der Bühne zu nutzen.“ Das,
was er selbst kreiert, ist leidlich nah am Gebrauchsmöbel. Aber wer, bitte, will schon einen Wilson (für Kartell 2011) in limitierter
Edition, sieben Stühle, siebenfach, einfach an
den Esstisch stellen? In der Mailänder Scala
präsentierte er seine Entwürfe, die natürlich
im Kontext zu seiner Theaterarbeit stehen:
Shakespeares „Was ihr wollt“ als Sitzmöbel
symbolisieren die sieben Lebensphasen eines
Mannes. Robert ist jetzt über 70. Zeit, sich zu
setzen? „Ich plane ein neues Stück für das
Berliner Ensemble, in Athen kommt etwas
auf die Bühne, in Prag ...“ Okay, verstanden.
Bis zu Watermill, seinem kreativen Labor,
dem Ort seiner Sammelleidenschaft aus Menschen und Gegenständen, unweit von New
York, kommt er nicht.
„Schäumt auch die Meeresfläche wild, Gedanken formen doch ein Bild aus seiner Seele.“
Peer Raaben, Musiker, Dichter, Multitalent,
schrieb diese Zeilen für ein Lied. Ich muss,
treffe ich Wilson, immer daran denken. Worte für ihn, so treffend wie kaum andere. Robert Wilson, fast ständig in stürmischer Bewegung, Kunstnomade mit bis dato über 60
Inszenierungen. Neudeutsch könnte man bei
seinen Theaterarbeiten, wie vor Kurzem
beim berechtigt umjubelten „Einstein on the
Beach“, von „Entschleunigung“ reden. Das
wäre nicht Robert Wilson, der über zeitgeistige Wortverrenkungen nicht schmunzelt (ja,
er versteht einiges Deutsch). Dabei: Von wegen, der reife Mann ohne Draht zum Hier und
Jetzt. Er pendelt leichtfüßig zwischen E und
U, zwischen ernst und unterhaltsam, schlägt
Brücken. Vom Stuhl bis – wieder Stuhl.
Gerade sind seine Videos und Porträts mit Lady Gaga im Louvre gezeigt worden. Er, Wilson im Louvre, das ist fast zwangsläufig. Sie,
Lady Gaga, die Queen of Pop, hat es dem
Künstler zu verdanken. Das darf nicht verwechselt werden! „Sie war unglaublich, hat
3
neun, zehn Stunden in einer Pose
Hier: Tetra Goldelse (l.) und Tetra Kleene.
Vor Ostern im Handel. nomos-glashuette.com
LeagasDelaney.de
Eine Liebeserklärung für die Ewigkeit:
PROMISE BY KIM
EIN STUHL, DER HAT VIER BEINE? NICHT
SO DIE MODELLE, DIE ROBERT WILSON AUF
SEINEM ANWESEN MIT „SKULPTUREN-PARK“
AUF LONG ISLAND SAMMELT. ETWA 8000
KUNSTWERKE SIND DORT ZU SEHEN,
DARUNTER 1000 STÜHLE – DOCH EIGENTLICH MACHT WILSON KEINEN UNTERSCHIED
ZWISCHEN KUNST UND STUHL
36
3 dagestanden. Ich mag sie. Ich mag sie sehr.
Als sie Kontakt zu mir aufnahm, war sie an einem Punkt in ihrem Leben, an dem sie mehr
wollte als Pop“, sagt er über die Zusammenarbeit. Gaga also kam nach Watermill, zum
kreativen Pol des Vielfliegers (HON-CircleMember – auch da lacht Wilson nur).
Abflug nach Watermill. 1992 hat Robert Wilson das Gelände auf Long Island „besetzt“,
wie er schmunzelnd einräumt. Dort, in den
legendären Hamptons, residieren Donna Karan, Mariah Carrey und Steven Spielberg.
Jackson Pollock kreierte hier 1945 die bahnbrechenden „Drip Paintings“ und F. Scott
Fitzgerald den „Great Gatsby“. Hamptons –
das ist Künstlerenklave und Noblesse, Dekadenz und Idealismus. Mittendrin Robert Wilson als „illegaler“ Haus-Erbauer. „Es war wirklich so, dass wir erst vor zwei Jahren alle nötigen Genehmigungen erhalten haben“, erzählt
er von seinem Labor für Kunst, Performance,
Theater und Ballett. Jeden Sommer verwandelt sich das Areal in eine Kommune. Junge
Kreative aus der ganzen Welt entwickeln hier
ihre Ideen und „... kochen, putzen, kümmern
sich um den Garten“, wie es der Impresario
ergänzt. „Im Gegensatz zu Deutschland sind
Subventionen für Kultureinrichtungen aus
privater Initiative in den USA unbekannt.
Wir müssen alles allein finanzieren.“ Also
muss jeder anpacken, ist dann aber auch auf
dem jährlichen Sommerfest und kann seine
Kreationen vor einem illustren Publikum von
Lady Gaga, Hugh Jackman, Cindy Sherman
und Winona Ryder präsentieren. Eine Benefizgala der Superior-Klasse, die 2013 über
zwei Millionen Dollar für die Watermill Foundation generierte. Und knatterhart werden
Kosten transparent gemacht: Auf der Website
öffnen sich unter dem Stichwort Finanzen lückenlose Unterlagen, die unter anderem verraten, dass 2012 243.265 US-Dollar für Instandhaltung ausgegeben wurden.
Eine Investition in die Gegenwart. In dem
grau-grünlichen Block, der ein wenig an die
Architektur von David Chipperfield erinnert,
verbergen sich Schätze. Die Kunstsammlung
von etwa 8000 Stücken, die zum Teil im
Skulpturenpark zu sehen sind. Die Bibliothek
mit rund 6000 Bänden. 2000 qm Räume für
zuweilen ganz schön viel Theater. Wie behält
er den Überblick? „Zum Glück gibt es ein
Team vom Manager bis zum Archivar“, meint
Wilson. Schlamperei? So not Wilson. In dem
Gebäude auch der Großteil seiner Stuhlsammlung. „Angefangen hat es mit einem Geschenk. Ich war acht, fand den Stuhl bei einem meiner Onkel großartig und bekam ihn.“
Normalerweise bekommen texanische Burschen ein Gewehr und Cowboyboots. Mit 17
musste Wilson ebenjenen Stuhl an den Sohn
und Erben zurückschicken. Die Konsequenz:
„Selber die Dinge erstehen, an denen einem
was liegt.“ Oder einfach selber machen. „Ich
habe für mein erstes Stück einen Stuhl entworfen. Und dann immer wieder. Für Faust,
Einstein on the Beach, für Nijinsky, Queen
Victoria und Joseph Stalin.“ Auch diese Exponate sind heute unter einem Dach vereint.
Warum dieser Enthusiasmus für etwas vermeintlich Alltägliches?
„Stühle sind wie Skulpturen“, findet Wilson.
Von einem Shaker Chair aus dem 19. Jahrhundert, Kinderstühlen, Einzelstücken bis zu
Mies van der Rohe Sitzmöbeln – Robert Wilsons Sammlung ist eklektisch. Gibt es einen
Favoriten darunter? „Stühle sind wie Kinder.
Die mögen es auch nicht, wenn es einen Liebling gibt“, antwortet er. Dann muss er zum
Zahnarzt. „Und dass mir niemand was wegräumt“, sagt er lachend zum Abschied.
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EXKLUSIVER GENUSS
„Krenit“ von Herbert Krenchel
(Normann Copenhagen)
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„Salone“, der vorige Woche zu Ende ging. Auch Din-
oldie
„Shell Chair“ von Hans J. Wegner (Carl Hansen & Son)
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„Paris Chair“ von Arne Jacobsen
(Sika-Design)
„Zweig“ Wandlampe (Kalmar)
ge, die es noch gar nicht gibt, waren zu sehen, Prototypen
von Visionen. Doch man durfte die Messe auch für eine Reise in
die Vergangenheit nutzen. Schönstes Design-Déjà-vu: Das allererste Möbelstück von Arne Jacobsen,
der „Paris“-Stuhl von 1925,
wurde von Sika-Design relauncht. Cassina zeigte ein Sofa, das Charles-Édouard Jeanneret-Gris alias Le Corbusier
gemeinsam mit Pierre Jeanneret und Charlotte Perriand für sein Heim in der Rue
Nungesser-et-Coli entworfen
hatte. Poltrona Frau legte
Sofa von Jeanbunte Sessel von Gio Ponti
Michel Frank
wieder auf, 1965 von ihm für
(Hermès)
die Firma entworfen und jetzt in
Ponti-Blue und Ponti-Grün zu haben.
Artemide feierte 16 „Masterpieces“, darunter Arbeiten von Vico
Magistretti, Enzo Mari, Aldo Rossi und Ettore Sottsass, teilweise
nun mit LED-Technologie versehen. Der Vintage-Boom umfasst alle Dekaden, von den 20er- bis zu den 70er-Jahren: Pop bei Rosenthal mit Andy Warhols legendären „Campbell’s Soups“ auf Vasen
und Behältern, auch bunt bei „Carl Hansen & Son“, der anlässlich
des 100. Geburtstages von Hans J. Wegner dessen Ikonen Wishbone-, Shell- und Wing-Chair nun von Paul Smith neu einkleiden
ließ, natürlich gestreift (Stoffe: Maharam). Nicht weniger farbenfroh waren die sieben Looks des Sessels „Bardi’s Bowl Chair“ (limitiert auf 500 Stück) aus dem Jahr 1951 von Lina Bo Bardi bei Arper.
Wie schön, dass die Eleganz von damals nicht mehr unantastbar ist
und jetzt so frisch wiederkehrt. Die Archive der Hersteller sind voll
stre
mit Ideen, also: zurück in die Zukunft damit!
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„LC 5“ von Le Corbusier, P.
Jeanneret, C. Perriand (Cassina)
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ber Geschmack diskutiere
ich nicht!“ Der Mann ist
streng. Dabei ist er im Ausdruck sehr sanft: dieses herrliche, leichte
Singsang-Englisch, das nur Italiener so hinkriegen. Piero Lissoni – der Mensch als Marke.
Seit mehr als 30 Jahren im Geschäft, angefangen als Direktor bei Boffi – bis heute arbeitet
er mit dem Edel-Küchen-Hersteller zusammen, ist er aber längst aus dem Schatten der
Marke geschlüpft. Auf dem Salone del Mobile
zeigen Kartell, Living Divani, Porro und Cassina Objekte von ihm. Trotzdem ist er bis heute
mehr für die Szene sichtbar, die in Mailand die
neuesten Interior-Trends inhaliert, als für den
Konsumenten.
Während mit den Brüdern Bouroullec, den
Campana-Brüdern und Patricia Urquiola auch
direkt am Kunden in den Shops und Magazi-
nen geworben wird, ist Piero
deutlich weniger Rampensau:
„Ich mache meine Arbeit, die
mache ich gern. Ich bin nicht so
gern das Aushängeschild.“ Basta
cosi. Die Arbeiten sprechen für
sich. Vom Architekten zum
Produktdesigner und zurück.
Aber erst einmal hin. Aktuell
nach Amsterdam. Das ist dank
des revitalisierten Rijksmuseums sowieso gerade eine
Stadt, die man unbedingt aufsuchen sollte, und Piero Lissioni hat direkt neben dem
Museum das „Conservatorium Hotel“ erweitert und
ausgestattet. Seine bisher
fünfte Herberge weltweit.
Die ehemalige Musikhochschule zu stylen war kein
Spaziergang. Arabische Investoren, ein holländisches Gebäude aus dem 19.
Jahrhundert unter Denkmalschutz plus die Handwerker. Fünf Sterne später schwebt im überdachten Atrium ein hypermoderner
Kubus
als
Konferenzbereich vor der klassischen Fassade
im Inneren des Hotels. Die Deckenhöhe des
Hofs beträgt rund 20 Meter. Das Hotel selbst:
verwinkelt bis in die letzte Ecke mit Seitenflügeln und 129 Zimmern mit unterschiedlichsten Deckenhöhen. Ein Albtraum für jeden Designer-Architekten. Oder eben eine spannende Herausforderung.
Piero Lissoni jedenfalls schreckt auch vor einer Yacht nicht zurück. Das ist neun Jahre her
– die Ghost Sailing ist mehr als 37 Meter lang
und hat sechs Kabinen an Bord. Und wenn die
Yacht aus der Kreativstube von Signore Lissoni das Meer durchpflügt, dann liegt Sex in der
Luft, der nicht wie sonst so oft die Aura des
Machismo verströmt. Vielmehr eine global
verständliche Bellezza, die Piero Lissoni in allen seinen Projekten realisiert. Nie wird er
deshalb ein kreischiges „Must-have“-Produkt
auf den Markt bringen, nie einer Bling-BlingOptik sein Verständnis von Materialität und
Klasse unterordnen.
„Aber glaub bloß nicht, dass der Designer gegenüber dem Kunden jede Freiheit hat, die er
sich wünscht.“ In seinem Ton schwingt kein
Bedauern mit. Sein – das ist nicht abwertend
gemeint – klassischer Look beruht vor allem
auf „Diskussionen, Diskussionen, Diskussionen“. Im Team, mit den Kunden, mit den Herstellern. Wie geht das, wenn der Kunde mal
ein zukünftiger Yachtkapitän ist, mal ein Villenbesitzer in der Toskana, mal ein arabischer
Nabob, der ein Hotel als Kapitalanlage will,
und last but not least ein Möbelhersteller?
„Das ist gerade das Reizvolle: herauszufinden,
wo die Reise startet und wo sie hingehen soll.“
Ist der Startpunkt bei einem Projekt geklärt,
wird das dreistöckige Büro in einem Mailänder Hinterhof zum Kreativlabor: „Ich wache ja
nicht morgens auf und habe eine Eingebung,
wie ein Objekt oder ein Gebäude aussehen
soll.“ Und dann kommt das Team ins Spiel.
Über 40 Mitarbeiter sind es, die 2012 die 69
Projekte unter der Federführung von Piero
Lissoni realisiert haben. In seinem Büro gibt
es keine festen Arbeitszeiten. Lissoni setzt
Meetings an, bei denen Aufgaben verteilt werden. „Wann derjenige sie erfüllt, ist mir völlig
egal.“ An einem bestimmten Zeitpunkt im
Laufe des Vormittags sind alle da. Zu den Meetings ebenso. Und bei der Einhaltung von Terminen „bin ich der größte Risikofaktor“, gesteht Piero Lissoni.
Das liegt an der Flugbereitschaft des Italieners. Aktuell geht es nach Moskau für ein Hotelprojekt und dann weiter nach New York für
ein Symposium. „Das war mal glamourös –
viel unterwegs zu sein und viel zu fliegen“,
seufzt er und klingt nicht nur verschnupft. Er
ist es auch! „Das liegt an der Fliegerei.“
Er muss nicht nur wegen des Jobs unterwegs
sein – auch das Privatleben des Designers findet an zwei Orten statt. Zum einen in Mailand
mit seinen Kindern und dann in Berlin mit
der Lebensgefährtin. Sie ist, wie könnte es anders sein, auch selbstständig, auch erfolgreich
und auch an den Standort gebunden. Eine
Wochenendbeziehung hat Vorteile: „Ich kann
mich in Mailand zu 100 Prozent auf meine Arbeit konzentrieren und muss kein schlechtes
Gewissen haben, wenn ich länger im Büro
bleibe“, sagt er. Mit Verlaub – das Ambiente
des Office erinnert eher an eine LümmelLounge. Darauf angesprochen sagt Lissoni:
„Warum soll ich in einer Atmosphäre arbeiten, die mich ständig daran erinnert, dass es
Arbeit ist, was ich da mache?“
Privatfotos und Sitzlandschaften. Wer auf andere achtet, kann es auch bei sich selbst tun.
Das wird am deutlichsten, wenn Piero Lissoni
anfängt über Essen zu reden. Er schwärmt
von Nudelsorten, Soßen, Kräutern und ergeht
sich in Zubereitungsarten. So lustvoll wie
über Nahrung referiert er allerdings auch
über seine Arbeit.
Und wo wir gerade dabei sind: Was ist eigentlich komplizierter zu gestalten: ein ganzes Gebäude oder ein simpler Tisch? „Vielen Dank
für die vergiftete Frage“, ist seine spontane
Reaktion. „Ein Gebäude zu gestalten und auszustatten ist komplex, weil es viel Gewerke
braucht, viele helfende Hände. Ein Möbel ist
bis hin zum Prototyp von viel weniger Beteiligten zu bewerkstelligen.“ Hier spricht der
Diplomat. „Aber bei einem Gebäude, das in
der Regel viele verschiedene Elemente in sich
trägt, ist es viel einfacher, die Wahrnehmung
zu manipulieren und den Blick auf Gelungenes zu lenken. Bei einem Tisch aus Platte und
vier Beinen ist jedes noch so winzige Detail
auffällig und entscheidend.“ Das Ergebnis –
sei es ein ganzes Haus oder „nur“ eine Espressomaschine – stimmt auf alle Fälle.
Vermisst hier jetzt jemand die kritische Distanz des Journalisten? Nun gut: Für Pierantonio Bonacina hat Lissoni das Sofa „Pallet“ kreiert. Das wahrscheinlich teuerste Gartenmöbel aller Zeiten. Ein Sofa im Hochbeet. Aber
wie sagt der Meister selbst: „Über Geschmack
diskutiere ich nicht.“
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Diamantkollektion
aus dem Atelier Bucherer
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Stuhl aus der „Frames“-Kollektion von
Jaime Hayon für Expormim
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Milano Mobile
Der Mailänder Möbelsalon gibt die Richtung vor.
Esther Strerath hat sich umgesehen und weiß nun,
wo der Designtrend hingeht
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Vasen „Shibuya“ von Kartell
Lampen „North“ von
Besau-Marguerre für E15
Sofa „Move“ von Francesco Rota für Paola Lenti
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Tisch „Tobi-Ishi“ von Barber
Osgerby für B&B Italia
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ward Barber und Jay Osgerby für B&B Italia. Ursprünglich rund, hat das britische Duo
den Tisch vergrößert, optisch in die Länge gezogen, ihm ein zweites Standbein verpasst
und den Entwurf in „Candy Red“ lackiert. Tobi-Ishis heißen übrigens die Trittsteine in
japanischen Gärten. Dem Gegenteil solcher Ruhe verdanken neue Produkte von Kartell
ihren Namen. Kunterbunte Vasen und Tischgefäße des Designers Christophe Pillet (ein
Neuzugang in der berühmten Designer-Riege Kartells) heißen wie einer der trubeligsten Stadtteile Tokios: „Shibuya“. Außerdem tauchte das italienische Kult-Label bereits
vorhandene Bestseller in Gold, Bronze, Platin, Silber und Glanzschwarz, taufte das ganze „Precious Kartell“ und krönte sein Sortiment so mit neuem Glamour.
Metalle, ob authentisch oder ihr Look, sind in der Einrichtungsbranche immer noch
schwer angesagt. Dazu passt der edle Barhocker aus massivem Kupfer und mit Ledersitz, den Clemens Weisshaar schon einmal auf der Design Miami Basel vorgestellt hatte.
Classicon produziert ihn jetzt in Serie. Die zu Beginn erwähnte Leiter im Bad wärmt übrigens Handtücher („Tubes“), den Beistelltisch „Container“, der aussieht wie eine Vase,
hat sich Sebastian Herkner ausgedacht und die Decke ist ein neuer Sessel für die Serie
„Ruché“ von Inga Sempe (für Ligne Roset). Bei diesem schmiegen sich famos gesteppte
Polster so nonchalant wie ein übergeworfenes Plaid an das Gestell.
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Giorgia Zanellato
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Vase „Bowl“ von Classicon
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Eine Leiter für das Badezimmer, eine Vase als Tisch und eine Decke
auf Beinen – der „Salone del Mobile“ ist das Brennglas auf das „Jetzt“
des Möbel-Designs. Und das steckt voller Überraschungen: Tolix, die
Firma aus dem Burgund (gegründet 1927), präsentierte zum ersten
Mal seit 80 Jahren wieder einen neuen Stuhl. Die berühmten Eisenstühle haben ein neues Familienmitglied, den „T14“ von Patrick Norguet, der gerade mit seiner avantgardistischen Hotelkette „Okko“ für
Gesprächsstoff sorgt. Der chilenische Designer Abel Cárcamo Segovia, Gründer von „Primitivo“, entwarf Leuchten, die wie aus Edelmetallen gefertigt wirken, aber aus Ton sind. Seine Arbeiten sind jedoch
so „glossy“ beschichtet, dass sie eine andere Identität vortäuschen.
Der Spanier Jaime Hayon wählte ebenfalls ein rustikales Material:
Seine Serie „Frames“, so beschreibt der Hersteller „Expormim“, erinnere an die Korbhändler der 60er-Jahre, als deren Möbel Terrassen
in mediterranen Ländern schmückten. Dabei wohnt den Entwürfen
von Hayon eine verspielte Eleganz inne, die Handgeflochtenen gibt
es in verschiedenen Farben.
Sebastian Herkners Lounge-Sessel „Unam“,
mit dem Wallpaper Design Award 2014 ausgezeichnet, ruft Assoziationen mit sehr traditionellen Formen wach und ist dabei ungemein
zeitgenössisch. Mit einer stämmigen Struktur
aus gebogenem Rundholz, mit geflochtenen
Lehnen, Verschnürungen und Stoffpolstern
Stuhl „Masters“ von Kartell
der Sitzflächen scheint „Unam“ gleichzeitig
massiv und leicht zu sein. Herkner, der den
Pragmatismus des Schweizer Architekten
Pierre Jeanneret schätzt, war in Mailand
übrigens nicht zu verfehlen: In gleich sieben Ausstellungen waren Arbeiten des JungDesigners aus Offenbach zu sehen, darunter
die in Senegal handgewebten „Banjooli“-Stühle von Moroso (Banjooli bezeichnet in der Wolof-Sprache den Tanz vom Vogel Strauß).
Von einem ganz anderen Ende der Welt inspiriert ist „Tobi-Ishi“, der neue Tisch von Ed-
Beistelltisch
„Container“ von Pulpo
Die Montebello Villa in Montecchio Maggiore
Heimatarbeit
Das Atelier von Bottega Veneta hat die höchste Zertifizierung für nachhaltiges Bauen erhalten. Und es
ist ein wunderschöner Arbeitsplatz. Neidische Fragen von Inga Griese an Kreativ-Direktor Tomas Maier
W
arum haben Sie die
Montebello Villa als
Standort gewählt?
Sie ist ein schönes Beispiel für die klassische
Architektur, die man
auch in der Region finden kann, aus der Bottega Veneta stammt. Sie ist groß, funktional und
durch die Restaurierung und die Umbaumaßnahmen konnten wir unsere eigenen Bedürfnisse umsetzen. Unsere Intention war es jedoch, eine Umgebung zu schaffen, in der Menschen gerne zur Arbeit kommen und angeregt werden.
Und wir geben den Leuten, die in den vorigen
Jahren meine Erwartungen übertroffen haben,
indem sie meine Ideen in die Realität umgesetzt haben, nicht nur etwas zurück, sondern
erkennen gleichzeitig auch unsere Geschichte
und unsere Wurzeln an.
Harmonie und Funktionalität sind die
Schlüsselworte der räumlichen Gestaltung
Hat der „Architekt“ in Ihnen das Projekt vorangetrieben?
Für mich war es ein Traumprojekt.
Auf der Mailänder Möbelmesse haben Sie Neuheiten präsentiert, darunter Beleuchtungssysteme – sind die von der Villa inspiriert?
Nein, wir haben die Kollektion mit Bedacht
entwickelt, so dass sie nicht nur in möglichst
viele Atmosphären und Häusern passt, sondern auch zu einem klaren persönlichen Stil.
Sie ist also nicht von der Villa inspiriert, sie
würde aber trotzdem gut dorthin passen.
Es wird eine ziemliche Investition gewesen
sein. Heutzutage stellen die meisten Manager striktes Kosten-Management als den
Hauptfaktor für den Erfolg einer Firma heraus. Glauben Sie daran, dass schöne Produkte eine schöne Umgebung brauchen?
Absolut. Unsere Produkte sind bekannt
für herausragendes Handwerk, zeitgenössische Funktionalität, innovatives Design,
beste Materialien. Die Grundlage dafür
ist genauso wichtig wie das Produkt
selbst.
44
Wie sehr ist das Gebäude von Ihrem eigenen Lebensstil beeinflusst?
Wir haben mit Rücksicht auf die existierende Schönheit des Gebäudes und
der Natur eine einzigartige Erfahrung
aus Harmonie und Funktionalität kreiert, die Bottega Venetas Weg in die
Zukunft weist. Es war uns wichtig,
die Integrität der unglaublichen
Struktur so gut es ging zu bewahren.
Ist Umweltbewusstsein inzwischen ein wichtiger
Punkt in der Welt des Luxus?
Ich denke, das war schon immer so. Trotzdem
merken die Unternehmen mehr und mehr, dass
sie Verantwortung für ihr Handeln tragen. Auch
von einem geschäftlichen Standpunkt aus hat
sich der Gedanke durchgesetzt, dass es gut ist,
die Umwelt zu schützen und und ihr etwas zurückzugeben.
Glauben Sie, dass eine solche Arbeitsatmosphäre die Produktivität erhöht? Ist sie vielleicht sogar nötig, um die besten Leute an
Bord zu behalten?
Dante sagte einst, dass Schönheit die Seele
zum Handeln erweckt.
Schaufenster für die Identität von Bottega Veneta: Die
restaurierte Villa Montebello aus dem 18. Jahrhundert
Wie würden Sie reagieren, wenn Angestellte sich Blumen oder Schnickschnack
auf den Schreibtisch stellen würden?
Ich glaube, es ist wichtig zu wissen, dass
man seine Persönlichkeit besser zu Hause ausdrücken kann, als in einem Arbeitsraum, den man mit anderen teilt.
Gibt es Pläne für den 5,5 Hektar Park?
Wir haben uns genau angesehen, woraus die Beete bestehen. Nun blüht alles wieder wie früher, damit unsere
Mitarbeiter es genießen können.
BOTTEGA VENETA (5)
VISION
AUSSTELLUNG
Der feine Strippenzieher
Er ist kein Modeschöpfer, sondern Kurator. Dennoch bestimmt Harold Koda
nachhaltig die Mode. Huberta von Voss traf den Chef des neu benannten
„Anna Wintour Costume Center“ in New York, Jürgen Frank fotografierte
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Mit ihm würden Frauen zu gern tauschen: Harold Koda ist als Chef über das „Anna Wintour Costume Center“ in New York der Herr über mehr als 35.000 Kleidungsstücke
Harold Koda ist kein Mann für den ganz großen Auftritt. Als sich der Chef des New Yorker
Costume Institutes mit dem Enkelsohn seiner
legendären Vorgängerin Diana Vreeland im
Metropolitan Museum of Art zum Mittagessen
trifft, wird er gebeten, einen Moment auf seinen Tisch zu warten. „Das wäre meiner Großmutter nie passiert“, entrüstet sich der junge
Mann. Stimmt, meint Koda, achselzuckend.
Diana Vreeland, die Grande Old Dame der internationalen Modewelt, kann man nicht kopieren. Der feingliedrige Koda trägt als Erkennungszeichen weder auffällige Schals über
dem Anzug wie „Vogue“-Star-Reporter Hamish Bowles, noch Hochwasserhosen mit ausgefallenen Strümpfen wie sein stadtbekannter Co-Kurator Andrew Bolton. Eher sieht
man ihn im weißen Hemd in unauffällig eleganten Anzügen, mit denen er auch in jedem
Anwaltsbüro auf der Madison Avenue eine gute Figur machen würde. Ein Übermaß an
Selbststilisierung oder Flamboyanz kann man
dem in Harvard promovierten Landschaftsarchitekten nicht vorwerfen. Statt Verse zu
schmieden, bestelle lieber dein Feld, sagt eine
japanische Weisheit. Mag sein, dass sie dem in
Hawaii aufgewachsenen Sohn japanischer
Einwanderer die Bodenhaftung gibt, um auf
dem schlüpfrigen Terrain der Modewelt zu
bestehen. Unter seiner Ägide fanden in New
York die spektakulärsten Modeausstellungen
der letzten zehn Jahre statt. Von den Einnahmen des Instituts können andere Abteilungen
des Metropolitan Museums nur träumen. Seit
der studierte Kunsthistoriker im Jahr 2000
Chefkurator des Costume Institutes wurde, ist
er Herr über 35.000 Kostüme aus sieben Jahrhunderten und leitet damit das wohl repräsentativste Modearchiv der Welt. Wichtiger
noch: Er ist – dank des unermüdlichen Fundraising-Einsatzes von US-„Vogue“-Chefin
Anna Wintour – Hausherr der begehrtesten
Gala des Jahres. Wer auf dem Met Ball fehlt,
gehört nicht dazu. Einen Rekordpreis von
25.000 Dollar müssen handverlesene Gäste
wie Beyoncé, Sarah Jessica Parker oder Heidi
Klum dieses Jahr zahlen, um am 5. Mai den ro-
ten Teppich ins Allerheiligste der Kunst hochschweben zu dürfen. Dass es Koda bei all dem
Fashion-Hype gelingt, mit Risikobereitschaft,
ästhetischem Gespür und kommerziellem Geschick den Blick auf das Herausragende zu
verengen und dabei im besten Sinne Kunsterziehung zu leisten, hat er mehrfach bewiesen.
Stundenlang standen die 660.000 Besucher
der Alexander-McQueen-Ausstellung „Savage
Beauty“ 2011 in der brütenden Sommerhitze
an und machten die Wasser- und HotdogVerkäufer auf der Fifth Avenue zu reichen
Männern. Noch nie zuvor, seit der imposante
Museumsbau 1872 seine Tore zu den Kunstschätzen der Welt öffnete, hatte eine Ausstellung so viel Interesse erregt. Ein Jahr später
wurde unter seiner Ägide die Ausstellung „Elsa Schiaparelli & Miuccia Prada: Impossible
Conversations“ eröffnet, für die Amazon–Tycoon Jeff Bezos – zum Missfallen der Kritiker
– zur Lancierung seiner Designerverkäufe die
finanziellen Mittel bereitstellte. „Schiap“, wie
man die exzentrische Stardesignerin und
Konkurrentin von Coco Chanel nannte, wurde
von den Spinnweben des Vergessens befreit.
Am 8. Mai wird das nun in Anna Wintour Costume Center umbenannte Modeinstitut mit
der Ausstellung „Charles James: Beyond Fashion“ nach zweijähriger Renovierung wiedereröffnet. Satte 40 Millionen Dollar verschlang der Ausbau der Räumlichkeiten im
Untergeschoss des Museums. Huberta von
Voss traf Harold Koda, 64, den wohl einflussreichsten Mann hinter den Kulissen der Modewelt, auf der Baustelle zu einem Gespräch
über den verführerischen Glamour des vergessenen Stardesigners, den Unterschied zwischen Modedesign und Kunst und die Raffinesse herausragender Schnitttechnik.
Herr Koda, erst einmal herzlichen Dank für die
Schiaparelli-Ausstellung. Meine Mutter hat daraufhin aus einer alten Truhe ein Vintagemodell von „Schiap“ hervorgezaubert, das meiner
Urgroßmutter gehörte und wie ein Wunder den
Krieg überlebt hat. Es ist das mit Abstand sinnlichste Kleid, das ich je besessen habe.
Oh, darf ich mal sehen? (Koda, weißes Hemd
und graue Stoffkrawatte, Gutachtermiene,
beugt sich schweigend über das Kleid und inspiziert jedes Detail. Dann sagt er höflich, was
ich nicht hören wollte): Meistens waren ihre
Sachen von innen ganz schön grob. Dieses
Stück hier ist aber sehr schön in der Ausführung. Ist das nicht interessant. Hat Ihre Urgroßmutter in Paris gelebt?
Nein, in Berlin-Mitte bei der Kroll-Oper. Sie
war eine gute Kundin von Elsa Schiaparelli,
hat aber leider nichts von Charles James getragen. Wie komme ich jetzt an eines seiner un-
glaublichen Ballkleider ran? Gibt es die noch
auf Auktionen oder besitzt das Metropolitan
Museum alle?
Es gibt nur noch ganz wenige auf dem freien
Markt und Sie müssten wohl gegen Azzedine
Alaïa bieten.
Oje, ich fürchte, der treibt die Preise hoch. Das
kann man also vergessen.
(lacht) Ich glaube auch. Er hat eine bemerkenswerte Couture-Sammlung. Seine Interessen sind so museumswissenschaftlich, dass
auch wir meistens gegen ihn antreten müssen.
Und oft kriegt er dann den Zuschlag. Erst gerade hat er einen Hut von Paul Poiret erworben,
den wir gerne haben wollten.
Leiht er Ihnen denn dann die Sammlerstücke
für Ausstellungen?
Oh, ich hoffe, dass wird er einmal tun. Es wäre
wunderbar, eine Ausstellung zu machen, die
seine Arbeit und Sammlung zeigt. Es ist offensichtlich, dass er nicht kopiert, aber er ist ganz
klar von anderen Meistern inspiriert. Wir teilen beide ein großes Interesse an Schnitttechnik. Er versucht die Philosophie eines Ansatzes zu verstehen. Einmal sah ich, wie er ein
Kleid aus winzigen Musselinfetzen zusammensetzte. Man konnte ganz klar den Einfluss
von Madeleine Vionnet erkennen, auch wenn
sie das nie selbst so gemacht hätte.
Christian Dior bezeichnete James, der heute einem breiten Publikum selbst in der amerikanischen Heimat unbekannt ist, als besten Modeschöpfer seiner Generation. Bis heute beziehen
sich unglaublich viele Couturiers auf ihn, aber
leisten konnten sich die Roben immer nur sehr
wenige Kundinnen. Was haben seine Kleider in
den 50er-Jahren zu seiner Hochzeit gekostet?
Das ging mit 800 Dollar los. Die meisten lagen
aber um die 1500 Dollar, was in den 50ern ungefähr dem Wert eines Cadillacs entsprach.
Aber sein Geschäftsgebaren war sehr launisch.
Ich nehme an, dass dasselbe Kleid unterschiedlich viel kostete, je nachdem wer es erwarb. Einmal habe ich eine Spenderin besucht, die ein atemberaubendes James-Kleid
aus schwarzer Spitze besaß, das sie zu einer
Geburtstagsparty des Aga Khan getragen hatte.
Sie sagte, es sei mit Abstand das teuerste Kleid
ihrer Garderobe.
Ich hätte gedacht, die aufwendigen Kleider wären sogar so teuer wie ein Kunstwerk.
So hat er definitiv ihren ideellen Wert gesehen. Zu Beginn sah James sich als Designer,
aber im Laufe der Jahre sah er sich als Künstler
und Bildhauer. Seit den 50er-Jahren war er
überzeugt, eine Kunstdisziplin zu vertreten,
die gleichwertig mit anderen Künsten war. 3
47
PICTURE ALLIANCE (2); GETTY; REUTERS
Ausstellungen, die Harold Koda
kuratierte (im Uhrzeigersinn):
Kleider und Schuh aus „Savage
Beauty“ von Alexander
McQueen (2011). Darunter:
„Schiaparelli & Prada: Impossible Conversations“ (2012),
Kleid aus „The Model as muse“
(2009) und links: ein RodarteOutfit, das in „Punk – Chaos to
Couture“ gezeigt wurde (2013)
„Es gibt sehr viele Arten, Mode zu betrachten.
Manche interessiert die geschlechterspezifische Seite,
andere die wirtschaftliche Komponente. Mich
interessiert vor allem die Technik, das Handwerk“
3 Auch Paul Poiret sah sich als Künstler.
Nicht jeder Modedesigner ist ein Künstler,
aber eine Handvoll zähle ich dazu.
Wo liegt der Unterschied?
Man muss ein ausgesprochenes Farbengefühl
haben, ein Musiker mit Sinn für die Poesie einer Komposition sein und ein Bildhauer mit
Raumverständnis.
War Elsa Schiaparelli eine Künstlerin?
Auf einer konzeptionellen Ebene war sie eine
Künstlerin, aber nicht auf der Objektebene.
Viele ihrer Kleider entstanden sehr spontan.
Die Ausführung interessierte sie nicht besonders. Sie war wie eine abstrakte Expressionistin, die aus dem Moment heraus arbeitete. Andere Modeschöpfer wie Balenciaga und Chanel waren hingegen besessen von der Perfektion des Designs. Schiaparelli liebte die
Kooperation mit surrealistischen Künstlern
wie Salvador Dalí. Wenn man sich als wirklicher Künstler versteht, gehört Zusammenarbeit nicht zum Vokabular. Kompromisse, die
sich auf die eigene Stimme auswirken, sind
für die meisten Künstler uninteressant.
48
Charles James hatte keinen besonders starken
Sinn für Zusammenarbeit.
Das kam darauf an. Er hat sehr gerne mit Kundinnen zusammengearbeitet, die bemerkens-
wert schön und sehr reich waren und einen
starken Sinn für ihren persönlichen Stil hatten. Allerdings glaube ich nicht, dass er in diesem Dialog die Kontrolle über den künstlerischen Prozess abgegeben hat.
Wie sehen Sie ihn? War er zugleich Couturier
und Künstler?
Er ist von seiner Karriere her ganz sicher ein
Couturier, aber von seinem Temperament her
war er ein Künstler.
Was bedeutet Charles James für Sie? Wie betrachten Sie Mode?
Es gibt sehr viele Arten, Mode zu betrachten.
Manche interessiert die geschlechterspezifische Seite, andere die wirtschaftliche Komponente. Mich interessiert vor allem die Technik, das Handwerk. Ich habe mich am Anfang
mit James schwergetan. Ich bin einfach so ein
Gefangener des Modernismus und einer
Schlichtheit, die die Essenz eines Materials
widerspiegelt. James hatte eine ganz andere
Vision. Er kombinierte Stoffe und Farben in
atemberaubenden Kombinationen, die auf
Widerspruch beruhten. Das hat zunächst einmal meine Vorstellung davon verletzt, was ein
sensibler Designer ist. Dann haben mir die
Landschaftsarchitekten Diller Scofidio + Renfro, die unsere Ausstellung designen, einen
anderen Blick auf ihn ermöglicht.
Dazu sagte James Galanos: „Eine einzige
James-Kreation ist so viel wert wie die ganze
Jahresproduktion der 7th Avenue.“ Dort sitzt in
Manhattan die amerikanische Modeindustrie.
Wenn man durch die Modegeschichte des letzten Jahrhunderts blättert, sieht man überall
seine Einflüsse.
Ja, das stimmt. Am direktesten kann man seinen Einfluss bei Halston sehen. Hinzu kommt,
dass er in der Umsetzung oft die besten Ideen
hatte. Zum Beispiel haben einige Designer in
den 30er-Jahren versucht, einen perfekten Sari mit westlicher Schnitttechnik zu entwerfen. Sein Wickelkleid war mit Abstand das Anmutigste. Dennoch ist es Halston im Gegensatz zu James gelungen, eine brillante Idee so
zu vereinfachen, dass sie in die Produktion gegeben werden konnte.
Wie wurde James von Menschen gesehen, die
ihn gut kannten?
Ich kenne einige, die ihn unglaublich inspirierend fanden und davon schwärmen, was für
ein großzügiger Mentor er war. Er war außerdem sehr belesen. Aber er war auch problematisch. Eine Frau, die als Studentin für ihn
gearbeitet hatte, sagte mir, schon am Tag nach
der Unterzeichnung einer Kooperationsvereinbarung waren die Anwälte da, um ihn wieder aus dem Vertrag rauszuholen.
Wie es scheint, hat er sich schnell eingesperrt
oder bedrängt gefühlt.
Nicht wenn Menschen ihm sehr offen begegnet sind. Wir haben dieses Bild vor Augen von
James, wie er einsam und traurig im „Chelsea
Hotel“ saß, aber das entspricht nicht der
Wirklichkeit.
War er verbittert am Ende seines Lebens?
Eher wütend.
Heute ist er außerhalb der Modewelt vergessen.
Gehen Sie nicht ein großes Risiko ein, das Costume Institute mit ihm wiederzueröffnen?
Nein! Es gab auch immer wieder Ausstellungen über ihn. Ausstellungen in New York, mit
all den Medien und dem internationalen Publikum, haben es zudem leichter als anderswo. Ich weiß nicht, ob James funktioniert.
Aber ich glaube, dass die Bilder, die sich mit
ihm verbinden, so einen verführerischen Glamour haben, dass es funktionieren wird.
„Es gibt
keine
Abkürzung
zur Kunst“
New York ehrt den vergessenen
Modeschöpfer Charles James als
Ur-Vater der Mode im 20.
Jahrhundert mit einer Ausstellung
S
ie haben alle von ihm geklaut.
Manche haben es zugegeben.
Christian Dior nannte ihn das
größte Talent seiner Generation.
Cristóbal Balenciaga ging noch
weiter: „Er ist nicht nur der
größte amerikanische Couturier,
sondern der beste der Welt.“ Kaum hatte er
die Bühne in den späten 1920ern betreten,
schob ihm der legendäre Paul Poiret bei einem Diner in Paris einen Zettel rüber: „Ich
übergebe Ihnen meine Krone. Sie machen mit
Schnitten das, was ich mit Farben gemacht habe.“ Wer die Modegeschichte durchblättert,
sieht bis heute überall den Einfluss des in Vergessenheit geratenen amerikanischen Modeschöpfers. Nun ehrt das ehrwürdige Metropolitan Museum of Art Charles James anlässlich
der Wiedereröffnung seines berühmten Costume Institutes mit einer Retrospektive.
„Er war ein visionärer Designer und singulärer Mann“, lobte Museumsdirektor Thomas P.
Campbell seinen 1978 verarmt gestorbenen
Landsmann, der wie er auch einen britischen
Pass besaß, in Anwesenheit der New Yorker
Modeelite bei der Preview. „Vogue“-Chefin
Anna Wintour, nach der gerade die Räumlichkeiten des Costume Institutes benannt wurden, lächelte andächtig, als Model Elettra Rossellini Wiedemann in James’ berühmtem
schwarz-weißem Clover Leaf Dress vorbeischwebte. Man trug in den 50ern seine atemberaubenden Ballkleider – wenn man sehr (!)
reich war und das Glück hatte, ihn als Frau zu
interessieren. „Charles James zog Frauen an,
die er mochte. Sie mussten selbstsicher sein,
abenteuerlustig, Stil haben und Eleganz“, erinnert sich sein langjähriger Mitarbeiter
COURTESY OF THE METROPOLITAN MUSEUM OF ART, PHOTOGRAPH BY CECIL BEATON/VOGUE/CONDÉ NAST
Das sind die Architekten, die mit dem High Line Park in Chelsea für New York ein neues Juwel geschaffen haben.
Ja, neben vielen anderen großartigen Projekten. Als ich Scofidio sagte, dass ich mich mit
James schwertue, riet er mir, ihn einfach als
„willful“, eigensinnig, zu betrachten. Das erfasst genau, was James war: Er war eigensinnig in jedem Aspekt seines Lebens. Was er
wollte, tat er auch, egal wie hoch der Preis privat oder geschäftlich war. Er hat seinem
künstlerischen Ideal alles geopfert. Couturiers
hingegen haben immer auch eine kommerzielle Seite, was ja nichts Verwerfliches ist.
James hatte endlos viele Ideen, aber er hat
dennoch nur 200 Kreationen in 50 Jahren geschaffen. Saint Laurent würde 200 Kreationen
in einer einzigen Modenschau präsentieren.
James war nicht kommerziell. Jedes Stück
war autonom und besaß eine innere Logik. Er
hat nie mit einem Team gearbeitet, weil er
keine Kontrolle abgeben konnte.
Homer Layne. Die meisten hatten nicht nur
Geld, sondern Geist und eigenständige Karrieren. Sie lebten damit, dass James Kleider so
oft umnähte und seinem Ideal anpasste, dass
sie nicht zum bestellten Anlass fertig wurden
oder auch nach Fertigstellung gar nicht mehr
passten. Die Damen bezahlten, führten das
Kunstwerk aus und spendeten es auf Bitten
des Modeschöpfers dem Brooklyn Museum,
das seine James-Sammlung nun an das Metropolitan Museum übergeben hat.
Ob bei der Krönung von Elizabeth II., auf Geburtstagspartys des Aga Khan oder den zentralen Gesellschaftsbällen in Europa und den
USA: James’ Kreationen waren wie der Titel
der Ausstellung besagt „Beyond Fashion“. So
steht im Mittelpunkt der Werkschau auch der
skulpturale und künstlerische Beitrag des Designers zur Modegeschichte.
Wer heute bei Halston Heritage ein halterloses Abendkleid erwirbt, hat die KorsagenTechnik James zu verdanken. Ebenso offensichtlich ist das Weiterleben seines „Figure
Eight“-Rockes, bei dem der Stoff in der Mitte
so gerafft ist, dass eine Sanduhr-Silhouette
entsteht (siehe z. B. Ralph Rucci). Am dankbarsten dürfte Diane von Furstenberg sein,
denn ihr berühmtes Wickelkleid entwarf
James bereits 1929. Sein sogenannter „Taxi
Dress“, bei dem erstmals Reißverschlüsse benutzt wurden, sollte es der viel beschäftigten
Frau ermöglichen, sich im Auto zwischen
zwei Terminen umzukleiden!
Dass er seinen eigenen, risikoreichen Weg gehen würde, machte der 1906 in wohlhabende
Verhältnisse geborene Sohn eines hohen britischen Militärs und einer Mutter aus Chicagos Geldadel schon als Junge klar. Seine offene Homosexualität führte schnell zum Rausschmiss aus der Eliteschule Harrow. Vermögende Schulfreunde wie Cecil Beaton blieben
ihm ein Leben lang treu und schoben seine
Karriere finanziell an, nachdem der Vater den
Kontakt zu ihm abgebrochen hatte.
James, der als junger Mann zwei Selbstmordversuche überlebt, lässt sich von seinem Weg
nicht abbringen und zieht nach Chicago, wo
er in einer Garage als Hutmacher beginnt.
Schon bald reißen sich die Damen um sein Label „Boucheron“. Doch James, der sein Leben
lang schwer über seine Verhältnisse und
meistens in den besten Hotels vor Ort lebt,
will mehr und setzt sich 1928 mit ein paar Pennies in den Bus Richtung Hamptons. Dort gibt
er sein letztes Geld für eine Maniküre aus und
überzeugt die Kosmetikerin, seine Modelle
am Strand vorzuführen. So wird Diana Vreeland auf ihn aufmerksam. Bald beginnt er mit
Kleidern, die besonders in England von den
Künstlern und Intellektuellen der fortschrittlichen Bloomsbury Group geschätzt werden.
Henri Matisse wird Mary Hutchinson in einer
raffinierten Wickelbluse von James malen.
Der schmeißt derweil Mitternachtsmodenschauen in seiner Londoner Bleibe, kooperiert mit Salvatore Dalí und Jean Cocteau und
feiert jeden Bankrott mit Champagnergelagen. Konvention und Modetrends interessieren ihn nicht. Sein Motto, das im Atelier auf
der Madison Avenue hing, war sein furchtloses Programm: „If you are going to make a
mistake, make a new one.“
Als James im Jahr 1964 ins „Chelsea Hotel“ in
der 23. Straße zieht, ist sein Stern schon verblasst. In diesem Hafen für gescheiterte Genies bleibt er bis zu seinem Tod vierzehn Jahre später. Er konzentriert sich fortan auf den
Zusammenhang zwischen Musiktheorie und
Schnitttechnik, erforscht die mathematische
Komponente des Entwerfens, entwirft ein
entsprechendes Lehrprogramm. In der Nacht
zum 23. September 1978 bricht er zusammen.
Die Sanitäter lässt er noch warten, um sich ordentlich anzuziehen. Auf die Frage nach seiner Identität antwortet er: „Sie werden vielleicht nichts darüber wissen, aber ich bin
nach weithin verbreiteter Meinung der größte Couturier der westlichen Welt.“ Gegen zwei
Uhr nachts stirbt er an doppelseitiger LunHuberta von Voss
genentzündung.
Charles James: Beyond Fashion. Metropolitan
Museum of Art. 8. Mai bis 10. August 2014.
Katalog ab Juni, ISBN-13: 978-0300204360.
49
ARCHITEKTURKUNST
Tiefe des Traums
Das Künstler-Duo Architectural Watercolors verleiht
Objekten der Architekturgeschichte einen
besonderen Zauber. Caroline Börger besuchte die
Wahl-Pariser in ihrem „Elfenbeinturm“
50
begann, arbeitete Zega schon dort. „Ich war
der Zeichenknecht“, erinnert sich der Deutsche. Akribisch setzte er die technischen
Zeichnungen mit Bleistift auf das Papier um –
das Gerüst für die Gebäude, denen Zega dann
durch die Farben Leben einhauchen würde.
„Absolute Teamarbeit.“ Daran hat sich bis heute nichts geändert, bis auf die Sujets, dass sie
also statt Wolkenkratzern französische
Schlösser und Chinoiserien auf Papier festhalten. Hyperrealistisch und gestochen. Dams
wird bis heute gefragt, was er eigentlich zu
den Gemälden beitrage. Denn die Arbeit des
50-Jährigen, das Bleistift-Gerüst, verblasst
durch die Farben, die Zega später ergänzt. Er
nimmt solche Fragen mit Humor.
1990 verließen sie das Büro von Stern und recherchierten für ihre erste Ausstellung: französische Gartenarchitektur um 1800. Schon
wenige Monate später fand in New York in der
Galerie von Didier Aaron die Vernissage statt
und war „erstaunlicherweise ein großer Erfolg“, erinnert sich Dams. Ein Verlag sprach
die beiden an und wollte sofort ein Buch machen. Mittlerweile sind es sieben mit Kunstwerken und deren Entstehungsgeschichte
und die, bis auf das jüngste, das dem New Yorker Central Park und seinen Bauten und Statuen gewidmet ist (Rizzoli), bereits Sammlerwert haben. Im Internet würden sie gehandelt, erzählt Dams leicht berührt. Hubert de
Givenchy, selbst großer Sammler der beiden,
schrieb sogar ein Vorwort.
„Wir machen historische Recherchen in Archiven. Wenn es sich um private Aufträge
handelt, dürfen wir in den Familienarchiven
stöbern und gelangen so an Orte, die andere
nie zu sehen bekommen. Unsere Arbeiten
sind historisch abgesichert“, erklärt der WahlPariser, der in Frankreich auch promovierte,
seine deutsche Akkuratesse aber nie ablegte.
Skeptisch waren zunächst die französischen
Wissenschaftler in Versailles: „Eine Kuratorin
fragte uns, als wir uns vorstellten und ihr erzählten, dass wir ein Buch über die Pavillons
planten, wer uns das denn erlaubt hätte?“
Heute, nach mehr als zwanzig Jahren, lacht er
über den holprigen Start und berichtet von
der Anerkennung, die ihnen nun entgegengebracht wird, und dass mittlerweile eines ihrer
größten Werke, das die Hauptfassade von
Schloss Versailles zeigt, über dem Schreibtisch des Präsidenten des Schlosses hängt.
Wenn sie nicht für ein Buch recherchieren,
nehmen sie auch private Aufträge an. Zwei,
drei pro Jahr höchstens. Zu zeitintensiv ist die
Arbeit, sie dauert Monate. Wenn die Gebäude
ihres Interesses noch stehen, fahren sie hin,
fotografieren aus jeder Perspektive, nehmen
Maß. Zurück in Paris beginnt die Rechenarbeit. Sie sei das A und O, denn alles müsse in
den richtigen Architekturmaßstab umgerechnet werden. Erst wenn historisch alles wasserdicht ist, wird weitergemacht: „Man weiß zu
Beginn nie, was herauskommt und ob es uns
zum Ziel führt. Es ist wie die Arbeit eines Kriminalisten.“ Erst dann folgt die Kür, wobei die
Männer getrennt arbeiten: Dams beginnt mit
den Skizzen auf Aquarellpapier, tränkt es in
der Badewanne und tackert es zum Trocknen
auf eine dünne Holzspanplatte. „Dadurch wird
das Papier gedehnt. Je mehr Spannung, desto
besser. Erst wenn es vollkommen
plan ist, kann Andrew mit den Wasserfarben darauf arbeiten.“ Das
Grafit verschwindet nicht im Wasser, wird aber hauchzart. Ein Handy
besitzt der Architekt nicht und das
Telefon stellt er ab beim Arbeiten.
Musik? Fehlanzeige. Nur der belgische Mops namens Einkuss leistet
ihm – still – Gesellschaft.
Kreativduo, äh -trio: Bernd H. Dams
mit Mops Einkuss und Andrew Zega
ARCHITECTURALWATERCOLORS.COM (16)
Morgens um 10 Uhr in Paris. Die Touristen
strömen Richtung Louvre. Sie traben den Sehenswürdigkeiten hinterher – meist, ohne die
kleinen Seitenstraßen eines Blickes zu würdigen. Doch zwischen all den schmalen Häusern
mit den Sandsteinfassaden nahe der Rue de
Rivoli verbirgt sich Geschichte. In einem zunächst unscheinbaren Haus, das, so erzählt
der Gastgeber später, für „den Intendanten
der königlichen Gewächshäuser Ludwig XIV.
erbaut wurde“, wird sie besonders gepflegt.
Willkommen beim Künstler- und Architekturhistorikerduo Bernd H. Dams und Andrew
Zega. Regale, die in der Wand des kleinen Studios verschwinden, bergen Tausende Bücher.
Über Kunst, Gärten und Architektur. Zwischendrin lehnen einige ihrer eigenen Kunstwerke lässig an den Wänden.
Seit mehr als zwanzig Jahren widmen sich die
feinen, leisen Männer Architektur-Zeichnungen besonderer Art und fertigen teilweise
großformatige Gemälde von Pavillons, Palästen und Chinoiserien des 17. und 18. Jahrhunderts an. Eine Rarität. „In Amerika ist der Beruf des ‚Architectural Watercolorer‘ bekannter als in Europa. Dort gibt es Künstler, die in
Architekturbüros angestellt sind, um Skizzen
anzufertigen und sie mit Aquarellfarben auszumalen, womit sich das Büro dann um eine
Ausschreibung bemüht“, erzählt Bernd Dams,
der den amerikanischen Partner auch im Büro des Architekten Robert H. Stern in New
York kennenlernte. Der Rheinländer hatte Anfang der 80er-Jahre Architektur in Aachen
studiert. „Mich zog es jedoch nach New York.“
Praktika in Museen und Architekturbüros am
Hudson folgten, der Abschluss in
München und später noch ein
Kunstgeschichtsstudium an der
Columbia University in New York.
Zega, der zeitgleich in Princeton
Literatur studierte, hatte schon als
kleiner Junge leidenschaftlich
gern die Landschaft seiner Heimat
Pennsylvania gezeichnet, Aquarelle von Vögeln angefertigt. Dass das
Hobby der Kindheit später zu seiner Berufung werden sollte, ahnte
niemand. Als Dams nach abgeschlossenem Studium bei Stern
Schauen Sie nur: Das sind keine Fotografien, sondern die Aquarell-Zeichnungen von Bernd Dams und Andrew Zega. Briefkarten mit Motiven gibt es unter architecturalwatercolors.com
Handwerk und Eleganz – damit hat die italienische
Mode die Welt erobert. Die Ausstellung „The Glamour of
Italian Fashion“ im Londoner V&A Museum fängt ihren
Zauber ein. Und könnte bei einem Comeback helfen
Süßes Leben: Ein
Motiv aus einer
Werbekampagne
von Gianfranco
Ferré von 1991
52
„Das einzige Wort, das Elizabeth auf Italienisch kennt, ist ‚Bulgari‘“, bemerkte Richard
Burton einst in Richtung Elizabeth Taylor.
Bessere Italienischkenntnisse hatte seine Frau
für ihre Einkaufstouren auf der römischen
Via Condotti vermutlich sowieso nicht nötig.
Burton selbst schenkte Taylor das heute legendäre Bulgari-Collier aus kolumbianischen
Smaragden und Diamanten, das die Schauspielerin regelmäßig trug. 1961 in Rom, während der Dreharbeiten zu „Cleopatra“, überreichte er ihr dazu den passenden Ring.
Im Rom der 60er-Jahre, dem Fellini mit dem
Film „La Dolce Vita“ gleich zu Beginn des
Jahrzehnts ein provokantes Gesicht gab, hatte
man sich bereits an die internationalen Berühmtheiten gewöhnt, die ständig die Boutiquen frequentierten. „In dieser Zeit wurden
sehr viele Hollywood-Filme in Rom gedreht.
Die Stars wurden ständig von den Paparazzi
fotografiert, ihre Affären von den Klatschblättern dokumentiert. Und: Sie gingen einkaufen“, sagt Sonnet Stanfill. Sie ist die Kuratorin
der Ausstellung „The Glamour of Italian Fashion“, die seit Anfang April im Victoria & Albert Museum in London zu sehen ist und in
der auch die Bulgari-Juwelen präsentiert werden. „Diese Schmuckstücke sind für mich ein
Sinnbild dafür, wie sehr die Amerikaner es geliebt haben, den italienischen Stil zu leben,
wenn sie in Rom waren“, sagt Stanfill.
Die Ausstellung erzählt anhand von Fotografien, Text- und Videodokumenten und natürlich Kleidern und Accessoires, wie sich die italienische Mode seit dem Zweiten Weltkrieg
bis zur Gegenwart entwickelte. Als „Cleopatra“ gedreht wurde, hatte Italien sich längst
den Ruf erarbeitet, neben Frankreich der Anbieter für überaus elegante, von Hand hergestellte Mode zu sein, die zudem noch viel
günstiger war als in Paris. Ava Gardner war eine der besten Kundinnen der Sorelle Fontana,
die Designerin Fernanda Gattinoni entwarf
D
für Audrey Hepburn im Film „Krieg und Frieden“ ein Abendkleid im Empire-Stil. Lee Radziwill, die Schwester von Jacqueline Kennedy, oder Marella Agnelli, die Gattin des FiatUnternehmers, trugen auf dem von Truman
Capote ausgetragenen „Black and White Ball“
in New York fließende bestickte Roben der
Mailänderin Mila Schön.
Dem Menschen, der diese Entwicklung erst
möglich gemacht hatte und dessen Name
selbst Modeinteressierte kaum kennen dürften, widmet die Ausstellung zu Recht einen
eigenen Raum. Giovanni Battista Giorgini war
ein Einkäufer aus Florenz, der nach dem
Zweiten Weltkrieg, als Italien am Wiederaufbau arbeitete, die Kraft der Mode als wirtschaftlichen und identitätsstiftenden Faktor
erkannte. 1951 veranstaltete er in seinem Haus
einen mehrtägigen Modesalon, zu dem er Designer aus ganz Italien einlud, ihre Kreationen
zu zeigen. Seine guten Kontakte zu den großen amerikanischen Kaufhäusern wie Bergdorf Goodman in New York oder Magnin in
San Francisco lockten die wichtigsten Einkäufer aus den USA nach Florenz.
„Für Giorgini war die Mode ein Weg, Italiens
Ruf nach dem Krieg zu rehabilitieren“, sagt
Sonnet Stanfill, die Kuratorin. Giorginis Florentiner Salons, die bald in der Sala Bianca im
Palazzo Pitti stattfanden, entwickelten sich zu
gesellschaftlichen Events, zu denen Händler
aus der ganzen Welt anreisten. Sie hinterließen Marken wie Simonetta, Vanna und Emilio
Pucci riesige Kleider-Bestellungen.
Für die Modeindustrie Italiens ging es von da
an nur noch aufwärts. Selbst wer diese Zeit
nicht miterlebt hat, bekommt in der Ausstellung eine Vorstellung von dem Optimismus
und der kreativen Aufbruchstimmung, die
wirtschaftlicher Erfolg und eine Fülle an Fabriken, Manufakturen und Handwerkskräften
noch befeuerten. Sie erklären den Mut zur
Provokation von Designern wie Gianni Versace und Franco Moschino, die Lust am Überfluss von Valentino und Fendi und den Spaß
an Farben und Mustern, den die Familie Etro
und die Missonis auszeichnen. Noch heute
schöpfen die italienischen Labels aus dem leider stark geschrumpften Angebot an Leder-,
Seiden-, Strick- und Pelzspezialisten.
Ein Kapitel der Ausstellung befasst sich mit
der Herrenschneider-Tradition Italiens. Mit
weich geschnittenen Anzügen aus leichten
Stoffen definierten seit 1945 Marken wie Brioni, Rubinacci und später Armani die Männermode neu und ließen Großbritannien, bis dahin bei den Männern unangefochten, bald
hinter sich. Manch englischer Schneider hielt
es gar für unter seiner Würde, Kleidung für
Hollywoodstars anzufertigen.
Heute dagegen debattiert die Branche, wie
London den Konkurrenten Mailand, wo es
zwar alteingesessene Familienunternehmen,
aber kaum Nachwuchsdesigner gibt, als modischer Impulsgeber wieder überholt hat. Dass
nun ausgerechnet ein britisches Museum die
italienische Mode feiert, zeigt allerdings,
welche Strahlkraft „made in Italy“ besitzt: ein
Qualitätssiegel, das zurzeit auch in den Karstadt Premium-Departmentstores KaDeWe in
Berlin, Alsterhaus in Hamburg und Oberpollinger in München mit der Shoppingkampagne „Studio Italia“ zelebrieren.
Andererseits fragt man sich, warum die Italiener nicht selbst auf die Idee gekommen sind,
ihre Geschichte so glamourös zu vermarkten.
„Mailand stellt gerade seine eigene Rolle im
Modesystem infrage, da findet viel Selbstreflexion statt“, sagt Stanfill und weist auf die
Neuausrichtung des italienischen Modeverbands CNMI hin, der mit einem neuen CEO
die Lage der heimischen Modeindustrie verbessern will. Stanfill trägt am Tag der Pressevorführung ein Kleid des Jungdesigners Fausto Puglisi, der ebenfalls einen Platz in der Ausstellung hat. Die Zukunft der italienischen
Mode, sie hat schon begonnen. Silvia Ihring
„The Glamour of Italian Fashion“ läuft bis
zum 27. Juli im V&A Museum in London
VICTORIA AND ALBERT MUSEUM (3); KARL LAGERFELD; GIANPAOLO BARBIERI; BANCADATI DELL’ ARCHIVIO, FOTO LOCCHI, FIRENZE
Grande Bellezza
Hollywood-Stars wie Audrey
Hepburn, hier mit dem Schuhdesigner Salvatore Ferragamo, beflügelten den Erfolg der italienischen Mode. Rechts ein Look
von Roberto Capucci (1987–1988),
links eine Skizze von Fendi sowie
Schuhe von Dolce & Gabbana
(2000)
53
PUNKT,
PUNKT,
KOMMA,
STRICH
Fertig ist das Mode-Gesicht. Die Designer
empfehlen derzeit Design. Und wir dürfen
uns die Mode quasi malen, wie wir mögen.
Haben wir gern gemacht, danke
FOTO: AGATA POSPIESZYNSKA C/O AFPHOTO
STYLING & PRODUKTION: MIMI HOCKE
STYLING ASSISTENT: ELINA WAKKER
HAARE & MAKE-UP: LINDA SIGG C/O NINA KLEIN
MODEL: JOSEFINE WINKLER C/O LE MANAGEMENT
54
Bustier aus satinbeschichtetem Neopren von Ilja Couture. Bleistiftrock: Sportmax. High Heels: Christian Louboutin. Armreif und Kette: Christian Dior
55
Linke Seite: Minikleid mit seitlicher Schleppe von Amaya Arzuaga. Leggins, Armreif und Ohrringe: Jean Paul Gaultier. Schuhe: Christian Dior.
Links oben: Stretchkleid mit Plastikbeschichtung und goldenen Farbspritzern: Ilja Couture. Schuhe: Christian Dior. Rechts oben: Seidenoverall:
Jean-Charles de Castelbajac. Grauer Gummihut: House of Flora. Links unten: Gemustertes Baumwollhemd und Bleistiftrock aus Spitze von Aquilano Rimondi.
Turban: Donia Allegue. Rechts unten: Ledermantel mit farbigen Patchworkstreifen und Seidenrock: Calvin Klein. Kurzarmshirt: Windsor. Schuhe: Paule Ka
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Links: Baumwollsweater von Joseph. Plissierter Lagenrock: Dries Van Noten. Schuhe: Minna Parikka. Mitte: Kleid mit gekreuzten Stretchbändern von Versace.
Halsreif: Christian Dior. Rechts: Gemusterter Rock aus Neopren von Kenzo. Stretchshirt: Marc Cain. Sandalen: Prada. Ohrschmuck: Viveka Bergström
58
59
Netztop von Jean Paul Gaultier.
Rock: Tsumori Chisato. Plastikcap:
House of Flora. Clutch: Kenzo. Schuhe: Aquilano Rimondi. Armreif: Argument. Rechte Seite: Leinenhemd mit
roten Punkten von Burberry Prorsum.
Schwarz-weißer Minirock: Bottega
Veneta. Rot geringelter Leinenmantel: Joop. Sandalen: Jil Sander
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ACCESSOIRES
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Auf die leichte Schulter
Für eine Weltreise als Backpacker sind sie vielleicht nicht geeignet, sehr wohl aber
als Handtaschen-Alternativen für urbane Safaris: die neuen Designer-Rucksäcke
ein augenblick
zum festhalten.
Glanz-Beispiel: Stella
McCartneys Falabella-Bag in
der Rucksack-Version. Über
matchesfashion.com
Revival: In den 90ern war der
Prada-Rucksack schon einmal Kult
64
Paradiesvogel: Für MCM
gestaltete Takeshi Osumi
den „Paradiso“
Carte Blanche gibt’s für das
Leder-Modell von PB_0110
Abenteuer-Urlaub gefällig?
Der Chanel-Rucksack sieht
zumindest danach aus
Macht sich auch mit
Schulterriemen gut: Die
„Keepall à dos“ von Louis
Vuitton in Damier Cobalt
Schwarz und gesteppt:
Dieser Rucksack stammt
natürlich von Karl Lagerfeld
Inspiration? Gartensessel!
„Robinson“ von Tory Burch
GETTY IMAGES; ZUSAMMENGESTELLT VON MIRA WIESINGER
Gut verschlossen: Backpack
„G-active“ von Gucci
Calma
Octavio Paz, 1914-1998
Erdbeerbaum-Brosche
Früchte der Werkstatt
Katalog ist nicht ihr Ding. Die Münchner Juweliere Hemmerle
widmen ihrer neuen Schmuckkollektion lieber einen Gedichtband
Mohnkapsel-Kette
Sadly I walk’d within the field,
To see what comfort it would yield,
And as I went my private way,
An olive-branch before me lay,
And seeing it, I made a saty,
And took it up, and view’d it; then
Kissing the omen, said Amen;
Be, be it so, and let this be
A divination unto me;
That in short time my woes shall cease,
And love shall crown my end with peace.
The Olive Branch
Robert Herrick, 1591-1674
ARCHITEKTENUHR
Richtung Glashütte:
Einsteigen bitte
Nomos Glashütte – das ist Design in seiner schlichtesten Form.
Das neue Modell „Metro“ wurde von einem Berliner Designer
gestaltet. Und das Werk ist eine Unabhängigkeitserklärung
W
HEMMERLE (4)
Luna, reloj de arena:
La noche se vacia,
La hora se ilumina
GETTY IMAGES (2); NOMOS (3)
„Metro“ heißt das
Modell von Nomos –
den Namen darf
man gern mit
urbanen Symbolen
wie U-Bahnen in
Verbindung bringen
I
Schachblume
Ohrringe
In tausend Formen magst Du
Dich verstecken...“ Johann
Wolfgang von Goethe kannte
Hemmerles nicht, sie wurden
ja erst lange, nachdem er dieses Gedicht schrieb, geboren.
Doch seine Ode an die Liebe,
der er mit Bildern aus der Natur huldigt, hätten auch die Münchner in
Auftrag geben können. Ist die Liebe zu den
tausend Formen den Juwelieren, die sich allerdings viel mehr als Kunsthandwerker sehen, doch sehr nah. Weswegen sie der Poesie des Geheimrats nun auch ein Schmuckstück widmeten: Die Physalis – auch sie (in
der Natur) sich wandelnd in ihrer Form. Die
Brosche ist eines der Unikate aus der Serie
„Nature’s Jewels“, inspiriert von Früchten,
Samen, Blättern, Bäumen, die in den vergangenen zwei Jahren im Münchner Atelier
entstanden sind. Allein die Fertigung der
Mohnkapsel-Kette dauerte gut 350 Stunden,
das Zusammentragen der richtigen Steine
für die gestrickte Kette Jahre. Und da Stefan, seine Frau Sylveli, Sohn Christian und
Schwiegertochter Yasmin Hemmerle nie
auf die Idee kämen, eine profanen VerkaufsKatalog zusammenzustellen, wurde auch
diese Kollektion wieder mit einem besonderen Buch gewürdigt.
Nach dem Kochbuch „Delicious Jewels“ von
Tamasin Day-Lewis, das 2011 die GemüseSchmuckserie begleitete, huldigt nun ein
Gedichtband den naturgetreuen Kostbarkeiten aus Kupfer, Silber Gold, Diamanten
und Edelsteinen, die fernab von jedem
Kitschverdacht vielmehr den typischen
Hemmerle „Glow“ haben. Und auch der auf
1000 nummerierte, sowie fünfhundert weitere Stück limitierte Gedichtband trägt dem
strengen Reinheitsgebot des Hauses Rechnung. Yasmin und Christian Hemmerle hatten lange überlegt, was dem Faktor Zeit, der
dem Schmuck ja innewohnt, entsprechen
könnte. Und weil die Mutter eines kleinen
Jungen selbst Gedichte schätzt, wenn sie
mal Zeit zum Lesen hat, fiel die Wahl
schließlich auf dieses Genre.
Es sollten verschiedene Sprachen sein, acht
sind es geworden (am Ende stehen alle noch
einmal in englischer Übersetzung), schon
um den welterfahrenen Kunden zu reflektieren. Und sie engagierten auf Empfehlung
von Bekannten eine junge britische Dichterin, Greta Bellamacina, die dem Cranberry
auch selbst ein Stück („Older than you“)
widmete. Vor allem aber aus unendlichen
Möglichkeiten eine Auswahl zur Endauswahl traf. Hilfreich allein waren die räumlichen Vorgaben der Kaligraphin: nicht mehr
als 24 Zeilen, damit es auf eine Seite passt.
Und – eine Vorgabe von Yasmin Hemmerle:
nichts Trauriges! Mit dem Londoner Kunstbuch-Verleger Michael Mack fanden sie den
Mann, „dessen grundlegendes Verständnis
unserer Philosophie und unseres Handwerks“ der Idee den Rahmen gab. Gleich
man in aller Ruhe die 15 Schmuckstücke betrachten mag, ist auch das Buch als Entdeckung aufgebaut. Ein Pergamentbogen mit
feiner Illustration und Bezeichnung des jeweiligen Stücks, darunter das Gedicht auf
Pergament und darunter schimmert jeweils
Haselnuss, Hagebutte, Eichenlaub hindurch. Als Foto auf Reliefpapier, das, natürIG
lich, die Form aufnimmt.
er auf der größten Uhrenmesse
der Welt etwas
gelten will, der
versucht häufig
mit dem klassischen Luxusprogramm: Während
der Baselworld servieren bei den Präsentationen der großen Marken Kellner in cremefarbenen Jacketts den Kaffee in Porzellan, die
Wände sind mit Holz vertäfelt, dazu lächeln
Katalogschönheiten in mehr oder weniger gedeckten Kostümen. Der kleine Kreis der Luxusuhr-Fetischisten bevorzugt anscheinend
Bekanntes – und doch gibt es Anbieter, die
sich an diesem Spiel nicht beteiligen. Bei Nomos aus dem sächsischen Glashütte trifft man
sich nicht in einem klimatisierten, schwer
vertäfelten Hinterzimmer, sondern in weitläufigen Lounges auf hohen Sofas, in die man
sich so richtig hineinplumpsen lassen kann.
Dieser Stilbruch ist vom Unternehmen wohl
gewollt. 1992 startete Nomos mit vier Grundmodellen. Doch anstatt durch historistische
Bezüge an die große Tradition des Glashütter
Uhrmacherhandwerks anzuknüpfen, war das
Design von Beginn an am Bauhaus orientiert.
Das bekannteste Modell, die „Tangente“, war
und ist die Antithese jeglicher Komplikation:
rundes Stahl-Gehäuse, weißes Zifferblatt,
schwarze Ziffern, drei gerade Zeiger, kleine
Sekunde. Aus, Ende, Feierabend. Kein Datum,
keine Stoppuhr, an so etwas wie eine Mondphase ist gleich gar nicht zu denken. Eine konsequent unterkühlte Ansage in Sachen Formgebung – wie gemacht für Menschen, die gern
nach außen tragen wollen, dass sie immer aufs
Wesentliche konzentriert sind. Und
so feiert diese Uhr und die Marke
speziell unter Architekten und Ingenieuren große Erfolge. Aber auch
Studenten sparen auf sie und schenken sie sich zum Examen. Diese Zielgruppe hat kein großes Interesse an cremefarbenen Jacketts und Porzellan.
Nun hat Nomos sein Programm „Drei Zeiger
und fertig“ in den vergangenen Jahren weit
ausgebaut. Die „Metro“, die Geschäftsführer
Uwe Ahrendt auf einem der Sofas in Basel in
den Händen hält, lässt noch immer jeglichen
Schnörkel vermissen, bietet aber einige Funktionen: eine Datumsanzeige, Ziffern-Sekundenmarkierungen und eine dreifarbige Gangreserveanzeige. Die Zeiger laufen spitz zu und
sind deswegen sehr präzise. Ein Schelm, wer
da beim Namen „Metro“ zunächst an Großhandel denkt. Das Design stammt erstmalig
aus Berlin von Mark Braun – einem Mann, der
sich auch um Einrichtung kümmert. Nomos
wollte ein dezidiert großstädtisches Produkt,
das sich für die U-Bahn genauso eignet wie für
die Straße oder das Büro.
Allerdings ist nicht nur das Design ein neuer
Schritt. Das Werk der „Metro“ ist als erstes mit
einem hauseigenen Taktgeber ausgestattet, in
ihr arbeitet ein für über zehn Millionen Euro
entwickeltes Reglage-System. Lieferungen
von Nivarox aus der Schweiz werden damit
überflüssig. Man muss sich Uwe Ahrendt, wie
er da lächelnd und ganz leicht sächselnd auf
seinem Sofa sitzt, als stolzen Mann vorstellen.
Aber wenn das hier jemand sein darf, dann er:
Einer Glashütte-Uhr mehr Glashütte zu
schenken und sie gleichzeitig urbaner zu machen, daran hätte man auch scheitern können.
Philip Cassier
Das Swing System, der taktgebende
Teil des Werks, kommt ganz aus Glashütte
MODE
Der Kick beim Klick
Die besten Geschichten erzählen oft die Menschen hinter der Kamera. So auch Yasuko Austin. Als
Produzentin für Helmut Newton, Peter Lindbergh, Herb Ritts oder Ellen von Unwerth erlebte sie die
glamouröse Ära der Modefotografie. Silke Bender hat sie besucht, René & Radka fotografierten
68
und einflussreichen Männern. Aber ich wollte
selbst mein Leben gestalten.“ Sie heiratete einen Hippie und Habenichts – und war darauf
angewiesen, selbst Geld zu verdienen. Sie
tanzte und trat leicht bekleidet in Hugh Hefners damaligem „Playboy Club“ und Casino in
London auf. „Als Tochter einer Ärztefamilie
hatte ich Gott sei Dank keine Probleme mit
nackten Körpern.“
Mit der Schwangerschaft und der Geburt ihrer
eigenen Tochter Miki 1968 (später Frontsängerin der Rockband Lush) musste sie andere
Möglichkeiten finden. Gut, dass ihr ClubStammgast und Schauspieler Omar Sharif das
Pokern beibrachte und sie ins Glücksspiel einführte. Rennwetten und Roulette – damit verdiente sie drei Jahre lang ihr Geld. „Bei den
Hunden und Pferden setzte ich auf die Namen,
die mir am siegreichsten erschienen. Das Verrückte war: Es klappte fast immer.“
Leicht war das trotzdem nicht. 1973 ging die
erste Ehe in die Brüche, und Musiklegende
Brian Eno wurde ihr enger Freund. „Er hatte
sich zuvor im Streit von Roxy Music getrennt,
kam aus Thailand zurück, wo er tagsüber mit
den buddhistischen Mönchen betete und
abends in seine Wohnung in einem Bordell
ging“, erinnert sie sich. Zwei, die dieselbe Begeisterung für Zen-Philosophie und Kunst
teilten, aber nicht so recht wussten, wohin ihr
Leben sie führen sollte. Auf Empfehlung von
Peter Sellars besuchte sie einen damals berühmten Wahrsager am Sloane Square. Mit
den Händen auf der Kristallkugel sagte dieser
ihr voraus, dass er sie umgeben von Tausenden von Fotos sähe. Dass sie einen sehr maskulinen, athletischen Mann kennenlernen und
nach Amerika gehen würde.
Am Set von „Mit Schirm, Charme und Melone“
traf sie Ray Austin, damals Regisseur und einer der bestbezahlten Stuntmen Englands.
Die beiden heirateten, und sein Vertrag in
Hollywood führte das Paar 1977 nach Los Angeles. „Es wäre leicht für mich gewesen, über
meinen Mann mit der Schauspielerei weiterzumachen“, sagt sie. „Aber ich wusste, dass
man damit schwer alt werden kann.“ In Kalifornien begeisterte sie sich jedoch schnell für
die Mid-Century-Modern-Architektur, besuchte die ikonischen Häuser von John Lautner oder Richard Neutra. Vielleicht wäre ja
Set-Designer beim Film etwas für sie?
Doch dann kamen wieder Anrufe aus Japan, eine Modefirma, die Surfermode in Los Angeles
fotografieren wollte. Und Yasuko um Hilfe bei
der Organisation baten. Langsam wurde die
Prophezeiung des Wahrsagers Realität und ihr
neues Leben als Foto-Produzentin nahm Konturen an. „Mode fand damals ausschließlich in
New York statt“, sagt sie. „Das änderte sich erst
mit Herb Ritts. Er brachte L.A. auf die Mode-
Weltkarte.“ Auch Angeleno, der zunächst für
Andy Warhols „Interview Magazine“ Promi-Partys knipste, rief auf Empfehlung bei Yasuko an.
Als in den frühen 80er-Jahren der Körperund Fitnesskult an der kalifornischen Westküste den Mainstream erreichte, war sie am
rechten Ort zur rechten Zeit. Das damals noch
kleine Modehaus „H&M“ beauftragte Mikael
Jansson, eine Werbekampagne in L.A. zu fotografieren. Und dann kamen sie alle zu ihr: Peter Lindbergh, Helmut Newton, Ellen von Unwerth, Annie Leibovitz. Sie war dabei, als Topmodel Christy Turlington das erste Mal vor
der Kamera stand, sie buchte Cameron Diaz,
damals noch ein unbekanntes Katalogmodel,
für einen großen japanischen Kunden. Produzierte Peter Lindberghs Shooting für den Pirelli-Kalender im Yoshua Tree. Prada-Kampagnen. Armani. Jaeger.
Besonders gut hat sie sich immer mit ihren
deutschstämmigen Klienten verstanden. „Japaner und Deutsche haben denselben
Arbeitsethos – ich habe fast nie mein Budget
überzogen. Nur einmal: um 58 Cent“, grinst
sie. Bald kannte sie die Vorlieben und Marotten der Fotografenstars. Annie Leibovitz: angestrengt-perfektionistisch. Peter Lindbergh:
brauchte immer Requisite wie für einen Kinofilm. Herb Ritts: Der Schnellste, nach 25 Minuten war er fertig. Und hatte keine Ahnung von
Fototechnik. Ellen von Unwerth: spontan und
darauf bedacht, dass alle Spaß am Set haben.
Sie machte Ende der 80er-Jahre Claudia
Schiffer in der Guess-Jeans-Kampagne zum
Star. Und scheuchte am Set in Tennessee mutig selbst die aufdringlichen Landjungs weg.
Und der große Helmut Newton? Sparsam, das
magerste Set-Catering von allen. Brauchte
Stunden für seine Polaroids, um dann nur mit
einer einzigen Filmrolle in seiner Hasselblad
alles im Kasten zu haben. Während 20 Jahren
arbeitete sie immer wieder mit ihm, wenn er
nach Los Angeles kam.
Sie wusste, wie sie ihn glücklich macht. Sie
holte ihn immer in ihrem Porsche ab: „Er
mochte meine Art, Auto zu fahren, am liebsten den Mulholland Drive lang und im Radio
laut Country-Musik.“ Und June musste mit
dem Leihwagen hinterherfahren.
Yasukos Erinnerungsvermögen ist so detailliert, als hätte das alles erst gestern stattgefunden. Das braucht sie auch: Denn Fotos aus ihrer Vergangenheit hat sie keine, nichts archiviert. Nur die fertigen Arbeiten, die ihr die Fotografen schenkten und die ihre Wohnung
schmücken. Heute produziert sie nur noch die
Jobs, die ihr Spaß machen. Und sie überlegt,
zurück nach Japan zu gehen. Weil die Menschen dort höflicher, hilfsbereiter und zuvorkommender seien. Und vor allem: weil es dort
kein Verbrechen ist, alt zu werden.
Yasuko Austin ist in den
Hollywood Hills zu Hause
PICTURE-ALLIANCE / DPA; PICTURE ALLIANCE / EVENTPRESS
I
hr großzügiges Haus, das sich
in mehreren Etagen in die Hügel von Hollywood schmiegt,
ist ein Mix aus Möbelklassikern, Antiquitäten und Kunst
aus allen Epochen. Im oberen
Stock befindet sich noch heute das Büro von „Legend Photo“. Die 70-jährige zarte Japanerin führt uns
die Treppen hoch ins Wohnzimmer, auf dem
Arm Sabu, eine ihrer zwei Katzen: „Ich weiß
nicht, ob ich wirklich so spannend bin“, sagt
sie bescheiden. Noch nie hat sie, die ihr Leben
lang bevorzugte, hinter den Kulissen zu arbeiten, ihre Lebensgeschichte einem Magazin erzählt. Als sie jung war, wollten sie viele vor die
Kamera locken und schafften es kurzfristig
auch: Starfotograf David Bailey, Terence Donovan oder „Tony“ Earl of Snowdon. 1967 war sie
Bond-Girl in „Man lebt nur
zweimal“, neben John Steed
und Emma Peel trat sie einige
Male in der Fernsehserie „Mit
Schirm, Charme und Melone“
auf und in „Kein Pardon für
Schutzengel“.
„Ich war eine schreckliche
Schauspielerin“, sagt sie. „Es
war nur ein Mittel zum Zweck,
um ein unabhängiges Leben
zu führen und mich und meine Tochter zu ernähren.“ Und
dennoch war Austin dabei, als
sich die Modefotografie in den
späten 60ern zu dem Big Business entwickelte, das sie heute
ist. Als die Fotografen statt der
Regisseure die ästhetischen
Codes einer Epoche definierHelmut Newton fuhr gern in ihrem
ten. Yasuko war schon in den
Porsche, Peter Lindbergh brauchte laut
frühen 70er-Jahren „Location
Yasuko Austin immer viel Requisite
Scout“ in London, als es dafür
noch gar keinen Begriff gab.
Mit 23 Jahren kam sie als Yasuko Nagazumi
von Tokio an die Themse, um englische Literatur zu studieren. Mitten in das „Swinging London“ Ende der 60er-Jahre. „Damals war ich als
Japanerin ein Exot“, sagt sie. „Ich wurde auf
der Straße für ein Fotoshooting angesprochen
– und landete auf dem Cover vom ,Look Magazine‘.“ Schnell kamen die ersten Film- und
Fernsehangebote, die sie sogar bis auf die Bühne der berühmten Royal Shakespeare Company brachten. „Ich war dafür viel zu nervös und
schüchtern. Ein Albtraum“, sagt sie lachend.
Die schöne Asiatin mit ihrer diskreten, aber
natürlichen Art sorgte auch sonst für viel Aufsehen in Londoner Jetset- und Künstlerkreisen. „Ich nehme an, ich war ein Objekt männlicher Fantasien“, erzählt sie fast belustigt. „Ich
war ziemlich populär unter vielen berühmten
SHOPPING
PORTRÄT
Möbelstück?
Lebenshaltung!
Der Löwe
von Venedig
Mit der Design Miami hat Ambra Medda eine
Kunst, Film, Tanz und Architektur:
wichtige Messe geschaffen. Mit L’Arco Baleno will
Paolo Baratta ist Präsident sämtlicher
sie jetzt Designbegehrlichkeiten befriedigen – denn
Biennalen – und dabei in jeder
Möbel haben für sie nicht nur mit Wohnen zu tun
Disziplin zu Hause. Andreas Tölke
hat ihn in Berlin getroffen
A
70
lle zwei Jahre eine Roadshow: Venedig, Berlin, Paris, London, New
York. Paolo Baratta hat
dann immer den aktuellen Direktor der Architektur-Biennale an seiner Seite und präsentiert die Vision und Themen einer Ausstellung, die ein paar Monate
später in Venedig eröffnet wird. Ganz egal,
wer da mit ihm reist, ob David Chipperfield
oder aktuell Rem Koolhaas, Paolo Baratta ist
der eigentliche Star. Einer, der auch zum hundertsten Mal das Warum erklärt, mit einer
Lässigkeit, die kein Mediencoach je vermitteln könnte. Er lacht zum x-ten Mal natürlich
über den Scherz, den seine Begleiter vom Podium in die Journalistenrunde hüsteln.
Gerade die Architektur-Biennale ist eine sperrige Angelegenheit, sie wurde von der Kunst
überholt und dümpelt im Schatten der Filmfestspiele. „Trotzdem halte ich sie für die
wichtigste Biennale, geht es um Nachhaltigkeit“, sagt Baratta und fügt hinzu: „Ein Film ist
ein, zwei Stunden ein Erlebnis, und Kunst
steht ab einer bestimmten Qualität selten im
eigenen Zuhause für eine tägliche Begegnung
zur Verfügung. Architektur aber ... Stellen Sie
sich doch einfach ein Leben ohne Fenster
vor.“ Da schmunzelt er selbst über seine Anspielung auf das aktuelle Konzept von Rem
Koolhaas, der sich zu dem auf den ersten Blick
unverständlichen Satz hinreißen lässt: „Ohne
Balkone ist Architektur nicht denkbar.“
Aber sein Konzept der Biennale löst die Plattitüde auf: Koolhaas’ Biennale wird eine Enzyklopädie der Details. Vom Fenster über Treppen, Böden, Geländer: Ist bekannt, dass sich in
den vergangenen 50 Jahren der Neigungswinkel der Treppen in repräsentativen Gebäuden
stetig verflacht hat? Koolhaas leitet ab, dass
D
PICTURE ALLIANCE/DPA; BIENNALE (2)
Italiens Mann für
den allgemeinen künstlerischen Überblick:
Paolo Baratta
der Aufstieg
als
Symbol an Bedeutung verliert.
Interessanter Gedanke,
findet Paolo Baratta. Er
nippt am Weißwein und weckt
damit Erinnerungen an einen
Abend in der „Paris Bar“ in Berlin vor
drei Jahren: Unter Kunst von Kippenberger
saß er als Gegenüber an einer langen Tafel.
Der Abend zog sich bis – nun ja – sehr spät.
Signore, damals alterslose 71, war einfach in
jedem Thema sattelfest, mit einer Weltgewandtheit, die demütig werden lässt.
Ein Mann der Macht, der in Italien Minister
für Wirtschaft (1994) sowie Arbeit und Inneres (1995/96) war, macht allerdings nicht
zwangsläufig neben Charlize Theron auf dem
roten Teppich eine wichtige Figur. Oder gar
neben Madonna. Oder George Clooney. Seit
insgesamt zehn Jahren (1998–2000; und seit
2008 wieder) überreicht er Goldene Löwen
an Größen aus der Kunstwelt (wie Elaine Sturtevant und Tobias Rehberger) und bleibt doch
als graue Exzellenz im Hintergrund. Er genießt seinen Status und hat nichts vergessen.
Seine Jugend im Nachkriegsitalien, seine mit
Nebenjobs finanzierten Jahre als Student.
Nein, er ist kein Salonlinker, er ist Ökonom
mit Verve, die ihm zu einem Stipendium in
Harvard verholfen hat und über viele Stufen
hinauf auf den Direktoren-Sessel der italienischen Telekom. Eigentlich könnte er längst in
Cinque Terre ein bisschen in Dolce Vita machen. „Das entspricht mir nicht, und meiner
Frau würde es nicht gefallen, wäre ich dauernd zu Hause“, sagt er dazu.
Sein Heim liegt in Rom neben der Spanischen
Treppe, Riesenterrasse, Zitronenbäumchen
inklusive. Von oben erlebt Paolo Baratta, wie
Globetrotter die Stadt erobern und verändern.
„Die Erfahrungen, die heute reisend und virtuell möglich werden, sind ein Geschenk.“ Er
teilt sie. Linkedin-Profil, Facebook – für ihn
alles kein Mysterium, sondern Gewinn. „Das
Schlimmste ist, sich etwas zu entsagen“, lautet
sein Credo. Und er freut sich, dass Neue Medien auch in seinem Leben Alltag sind: „Die
Videopressekonferenz zur Biennale aus Vene-
dig hat mir einen Langstreckenflug nach New
York erspart. Journalisten aus Nordamerika
wurden einfach dazugeschaltet. Wunderbar.“
Überhaupt ist er sehr differenziert, sagt:
„Filmstars sind Allgemeingut und nicht die
Personifizierung einer ökonomischen, politischen oder philosophischen Macht.“ In der
Architektur hingegen würden die Stars elitär
ausgewählt. Von ökonomisch oder politisch
Mächtigen: „Sie werden gefragt, ob sie Macht
und Reichtum repräsentieren wollen und
können. Die Stars unter Architekten haben
der Konzentration von Einfluss und Geld Repräsentationsfläche gegeben. Ein wertfreier
Fakt.“ Wohingegen Nutz- und Wohnarchitektur, Architektur des täglichen Lebens, ein
Schattendasein friste. Neben den Machern sei
hier die Allgemeinheit in der Pflicht. Viele
Bürgermeister und Verantwortliche seien mit
der Frage, was mit einer Stadt passieren soll,
heillos überfordert: „Bis dato haben sich
Amtsträger in höchster Verzweiflung an Architekten gewandt, mit der Bitte, etwas ,Spektakuläres‘ zu entwerfen. Völlig unbeeindruckt
von den Bedürfnissen der Bevölkerung.“ Baratta referiert unter vier Augen in einem Salon der italienischen Botschaft in Berlin aus
der Tiefe des Fauteuils. Bedächtig, nicht lahm
– als würde er sich die Gedanken auf der Zunge zergehen lassen, um noch mal die Wertigkeit nachzuschmecken.
Antje Ebert, verantwortlich für PR und Sponsoring bei Rolex Deutschland, trifft in Berlin das
erste Mal auf den Italiener und ist angetan. Die
führende Schweizer Luxusuhrenmanufaktur
engagiert sich bei der Architektur Biennale 2014
quasi als logische Ergänzung zum internationalen Kunstförderprogramm, der Rolex Mentor
und Meisterschüler Initiative. Es ist wirklicher
Luxus, den sich das Unternehmen leistet. 2010
etwa hat das japanische Büro SANAA, Vor-Vorgänger von Rem Koolhaas bei der Biennale, auf
dem Campus der EPFL (École Polytechnique
Fédérale de Lausanne) das Rolex Learning Center übergeben. Die ganz konkrete Unterstützung einer Universität durch die Wirtschaft ist
überlebenswichtig für Bildungseinrichtungen.
Und schließt im speziellen Fall den Kreis zur
Biennale. Ob Paolo Baratta diesen Deal eingefädelt hat? Da schweigt er diskret. Doch auch hinter den Biennalen steckt Ökonomie, die es im
Griff zu halten gilt. Und dass er die beherrscht,
ist ebenso unstrittig wie seine Kompetenz als
der gegenwärtige Doge von Venedig.
er erste Eindruck: Wow,
ist die schön. Wenn man
es ausspricht, dann
lacht sie die verbalen
Blumen weg: „Sei nicht
so pathetisch.“ Schön
und streng. So ist sie.
Doch wie ist sie so geworden? Vor acht Jahren stand Ambra Medda,
nicht mal 30 Jahre alt, in der Bambus-Lounge
der ersten „Design Miami“ und rauchte. Ein
Affront mitten im Design District, den ihr damaliger Gatte, der Bauunternehmer Craig Robins, vom Getto zum In-Viertel entwickelte.
Das Projekt hat zwei gute Paten: Craig Robins
auf der Suche nach einem Investment und
Ambra Medda, die sich als studierte Sinologin,
Archäologin und Kulturhistorikerin auf schöne Dinge weltweit versteht. Die auf Rhodos
geborene Italienerin ist nicht nur mental ein
Globetrotter. Irgendwann in den 90ern landete sie zwangsläufig in Miami. Weil sich eine
Hotellandschaft stilprägend neu formierte
und sie sich ihr eigenes Bild machen wollte.
Und es gab einen weiteren Anreiz: die „Art Basel“, mit Sam Keller als Direktor, der die wichtigste Kunstmesse der Welt nach Florida
brachte. Kunst und Design: Möbel aus acht
Jahrzehnten von 15 der führenden Galerien
aus aller Welt fanden sich in Miami. Vier Tage
später haben Liebhaber aus aller Welt für sieben Millionen Euro eingekauft. Medda hatte
damit auf einen Schlag eine Messe etabliert.
Doch das Traumpaar trennte sich, sie war
noch für eine Saison Direktorin ihres „Babys“.
Ihr neuer Lebensmittelpunkt: New York. Neuer Mann an ihrer Seite: Damian Kulash. 2009
lernte sie den Sänger der Band OK Go kennen,
ein Jahr später die Hochzeit. Zackig kam ein
neues Projekt auf den Tisch – für Fendi brachte sie elf Designer zusammen, die auf der Mailänder Design Week unter „Craft Punk“ eine
interdisziplinäre Performance hinlegten.
Heute zählen für Ambra Medda vor allem New
York und Berlin. Dort hat sie Mitte des vorigen
Jahres L’Arco Balena präsentiert. An ihrer Seite: Oliver Weyergraf, der als Entrepreneur in
der Internetszene erfolgreich war.
Die Italienerin ist zurückgekehrt zu ihren
Wurzeln als Kuratorin, jetzt allerdings auf einer Website mit dem Exklusivsten, was man
sich ins Heim stellen kann. Von Hans Wegner
bis Marcel Breuer – nur Originale, die dorthin
verschifft werden, wo auch immer der Kunde
residiert. Und wenn das Domizil aus allen
Nähten platzt: Mittlerweile gibt es auch
Schmuck, Porzellan und ausgewählte Textilien. Einen Kaschmir-Umhang von I Pezzi Di-
pinti für 1780 Dollar zum Beispiel. „Es
sind alles Dinge, die ich mir persönlich angesehen habe“, sagt Medda. Bei
einem Joaquim-Tenreiro-Tisch für
180.000 Dollar kann man das auch erwarten. Ebenso wie substanzielle Beratung, die bei solchen Summen persönlich erfolgt, wahlweise vom Berliner oder New Yorker Team.
Ihr New Yorker Heim ist minimalistischer Eklektizismus von Gio Ponti bis
Maarten Baas. „Stil ist etwas sehr Per-
Was das Leben
schöner macht:
Ambra Medda
kennt sich aus
– und bietet
mit ihrer
neuen Firma
feinstes Möbeldesign
sönliches, aber über Qualität ist kaum zu streiten“, lautet eines ihrer Postulate.
Lauert da ein „Hauptsache teuer“? „Das kann
es nicht sein. Wir arbeiten zum Beispiel gerade mit Patty Johnson aus Kanada und den Etsha Weavers aus Angola zusammen. Eine Kooperation, bei der wunderschöne, erschwingliche Körbe entstanden sind.“ Nicht das einzige Projekt mit Handwerkern aus der Dritten
Welt und Schwellenländern. Hier ist der New
Yorker Designer Stephen Burks Impulsgeber:
„Es wird immer wichtiger, Traditionen zu bewahren und zu revitalisieren“, sagt Medda
und führt an, dass eine Kelly Bag von Hermès
von 1937 auch in 20 Etappen zur Tasche wird:
„Ganz ehrlich: Bevor ich aus einem Textildis-
NADINE JOHNSON & ASSOCIATES, INC. (3)
counter TrashMode für kleines
Geld hole, bei der
ich genau weiß, dass
sie über Ausbeutung von
Natur und Menschen auf
den Markt kommt, spare ich
lieber auf eine YSL-Jacke.“
Für die Unternehmerin sind die Dinge, mit denen man sich umgibt, Ausdruck einer Haltung. Sie lässt den geneigten Kunden
ihres E-Commerce-Shops nicht allein und
lässt profunde Artikel zu Designer, Materialien und Epochen im Blog veröffentlichen.
Und an ihrer Seite sind anerkannte Experten
wie Produktdesigner Tom Dixon, Pop-Star
Pharrell Williams, das Ehepaar Krzentowski,
dem etwa die Galerie Kreo in Paris gehört,
und Stefano Tonchi vom „W Magazine“.
Und sie wollte weniger reisen. Doch das erste
Telefonat für das aktuelle Gespräch fand auf
einem Flughafen statt: „Ich bin gleich weg.
Aber ich rufe morgen aus Kopenhagen an.“ Es
ist auch ein harter Job, für die schönen Dinge
Andreas Tölke
im Einsatz zu sein.
71
„Ich bin immer wieder begeistert von Niks Arbeit und der Kraft, die sie auf mich
ausübt“, sagt der Schauspieler Til Schweiger über seinen Bruder. Dabei bevorzugen
die beiden privat durchaus unterschiedliche Designs: Während Nik seine Wohnung
im Kreuzberger Gründerzeithaus mit futuristischen Glasskulpturen, Alberto Häberlis „Take A Soft Line“-Sesseln und jeder Menge Grünpflanzen eingerichtet
hat, wohnt sein Bruder in Hamburg konsequent bodenständig-gemütlich
Don’t panic,
it’s organic
Als Filmemacher ist Til Schweiger
berüchtigt für seinen Perfektionismus.
Für sein neuestes Projekt als
Designunternehmer hat sich
der Workaholic jetzt einen
ähnlich detailversessenen Partner
gesucht: den Architekten
Nik Schweiger, seinen Bruder.
Harald Willenbrock besuchte
ihn, Mark Seelen fotografierte
A
72
Als Tilman Valentin Schweiger noch jung war,
verbrachte er daheim in Heuchelheim ganze
Nachmittage damit, seinem jüngeren Bruder
jede Szene und jedes Detail von Filmen nachzuerzählen, die er gerade gesehen hatte. Das
tat er so ausgiebig, dass sein kleiner Bruder
am Ende das Gefühl hatte, „Hundstage“ mit Al
Pacino tatsächlich selbst gesehen zu haben.
Als Nikolaus Schweiger jung war, verbrachte
er viel Zeit damit, dem Sonnenlicht hinterherzuschauen, wie es sich in Glas- und Wasserflächen brach und in immer neuen Reflexionen
durch den Raum tänzelte. Während sein älterer Bruder Leinwände und Bildschirme eroberte, spezialisierte sich Nik auf Lichtdesign
und arbeitete für Branchengrößen wie Matteo
Thun oder Philippe Starck. Mit der Designagentur 3deluxe gestaltete er Sven Väths legendären „Cocoon“-Club, zusammen mit seiner
Frau, der Architektin Soryonne Schweiger,
das Frankfurter „Roomers“-Hotel – eine Arbeit, für die er als „Innenarchitekt des Jahres“
ausgezeichnet wurde.
Über viele Jahre hinweg sahen sich Nik, der
Nachdenklichere und Schmächtigere der bei-
den, und Til, der Raumgreifende und Vielbeschäftigte, daher allenfalls bei Filmpremieren
oder Familienurlauben (Florian, der dritte
und älteste Bruder, ist Manager bei einem
bayerischen Automobilzulieferer). „Wir hatten aber immer ein super Verhältnis“, sagt
Nik, 48, den man nie ohne seine Schiebermütze auf dem Schädel antrifft. Außerdem gibt es da diese zwei Eigenschaften, die die Schweiger-Brüder teilen:
ihren ausgeprägten Familiensinn
und den professionellen Drang, die
Dinge immer noch ein bisschen besser zu machen.
„Müssen Kinos eigentlich immer aussehen wie überdimensionale Schuhkartons?“, fragte Til daher eines Tages seinen Bruder und: „Könntest du nicht eines
entwerfen, in dem man sich auch im Hellen
wohlfühlt?“ Natürlich konnte Nik. Binnen
weniger Wochen richtete er im Showroom eines Berliner Home-Cinema-Anbieters ein 25
Quadratmeter großes Privatkino ein, das mit
moos-samtiger Auslegeware, bequemen Sofas
und Kinosesseln, einer per iPod steuerbaren
High-End-Technik und geschätzten
200.000 Euro Kosten jeder Luxusyacht zur Ehre gereichen würde. Mit
anderen Worten: Schweigers PremiumLichtspielhaus ist jene Art Vorführraum, von
der wohl jeder Filmemacher träumt, wenn er
an ein ideales Kino denkt.
„Ich bin immer wieder begeistert von Niks Arbeit und der Kraft, die sie auf mich ausübt“,
sagt Til, „auch wenn ich privat einen anderen
Stil bevorzuge.“ Während Nik seine Wohnung
im 5. Stock eines Kreuzberger Gründerzeithauses mit futuristischen Glasskulpturen, Alberto Häberlis „Take A Soft-Line“-Sesseln und
jeder Menge Grünpflanzen avantgardistisch
eingerichtet hat, wohnt sein Bruder in Hamburg konsequent bodenständig-gemütlich.
Sein ideales Wohnambiente beschreibt der
Filmemacher als „Gefühl von einem ehrlichen
Fabrikloft mit einer Note Family Long Island“.
Bei ihrer gemeinsamen Kino-Produktion hingegen waren sich die beiden Schweigers derart einig, dass sie im Anschluss gleich eine Design- und Architekturfirma
gründeten. „Barefoot Bros. Design“
ist, wie alles bei den Schweigers,
reine Familienangelegenheit.
Firmensitz ist Tils Produktionsfirma in Berlin-Mitte, ihre Geschäfte führt Niks 28-jähriger
Sohn Marcel Graf, der im Nebenberuf auch noch das Marketing von „Barefoot Productions“
verantwortet. „Barefoot“ wiederum ist nicht nur der Name von
Tils Produktionsfirma, sondern
auch jener seiner mallorquinischen
Finca, auf der die Familie regelmäßig gemeinsam urlaubt. „Family Business ist
enorm wichtig für mich“, sagt Til, „ich mag es,
in vertrauter Umgebung zu arbeiten. Und auf
Familie kann man sich immer verlassen.“
Wie in jeder funktionierenden Familie
sind auch bei „Barefoot Bros. Design“
die Aufgaben klar verteilt: Til kümmert sich um Kontakte und Kunden, Marcel ums Management,
Nik um Entwürfe. Die folgen
zumeist den Prinzipien des
russischen Mathematikers Georgi Woronoi, von denen man
nur so viel verstehen muss:
Sie übersetzen natürliche
Muster in architektonische
Form. „Und weil diese Formen physikalisch richtig und
gelernt sind“, erklärt der Innenarchitekt, „fühlt sich in entsprechend gestalteten Räumen
eigentlich jeder intuitiv wohl.“
Aktuell lässt sich das schweigersche Raumgefühl im „Baku Room“
am Kurfürstendamm erleben. Den
Showroom im noblen „Cumberland House“
gestalteten die Barfußbrüder im Auftrag einer
aserbaidschanischen Unternehmensgruppe,
die hier um Investoren und Projekte wirbt.
„Die Geschäfte laufen gut an, wir hatten den
richtigen Riecher“, sagt Til. In Zukunft würde
er gern mehr Architekturprojekte realisieren.
„Ein Museum wäre cool!“
Momentan aber beschäftigt sich der ältere
Schweiger vor allem mit der Realisierung seines nächsten Spielfilms, in dem neben Emma
Schweiger und Didi Hallervorden auch eine
Skulptur seines Bruders eine Rolle spielen
wird. Nik Schweiger wiederum tüftelt an Entwürfen von Leuchten ähnlich seinem Erfolgsmodell „Aphrodite“, das dank eines rotierenden Glaszylinders und programmierbarer
LEDs fortlaufend neue Lichtspiele in den
Raum wirft.
Letztlich also ist bei den Brüdern alles beim
Alten. „Atmosphäre schaffen, darum geht es
uns beiden immer“, sagt Nik. Und das tun die
Schweigers seit jeher, indem sie Licht an Wände projizieren. Jeder auf seine Art. Und jetzt
eben zusammen.
Familienangelegenheit: Bei „Barefoot
Bros. Design“
kümmert sich Til
um Kontakte und
Kunden, Nik um
Entwürfe und der
älteste Bruder
Marcel ums
Management
73
ARCHITEKTUR
FengShui
mal italienisch
Konstruktion
wie ein Baum:
Mall in Shanghai
KATJA HENTSCHEL (3)
China ist der größte Markt für europäische
Prestige-Marken. Zwei italienische Architekten
prägen auch den neuen Baustil.
Katja Hentschel fotografierte
N
74
Noch eine Shopping-Mall. An der
Huaihai Road in
Shanghai reiht sich
schon eine an die andere.
Immer größer, immer glitzernder. In Shanghai ist von
neuer chinesischer Luxus-Reduzierung in Shanghai nichts zu spüren. Hugo
Boss und Prada bauen neue Flagship-Stores,
so groß wie Kathedralen. Doch die „K11 Art
Mall“ ist anders. Nicht nur, weil sie die erste
bereits renovierte Mall der Stadt ist, angeschlossen an den 61 Stockwerke hohen New
World Tower anno 1990. Ein Altbau nach
Shanghaier Zeitgefühl. Filippo Gabbiani erfrischt sich erst einmal unter dem 35 Meter
hohen Wasserfall, der im Eingangshof über
neun Stockwerke rieselt und dabei kühle
Gischt versprüht. Es sei, erklärt sein Partner
Andrea Destefanis, gefiltertes Regenwasser,
das ebenso die vertikalen Gärten an der Außenfassade versorge. „Wasser ist im Feng-Shui
das Symbol für Geld“, sagt Destefanis. Das soll
hier natürlich reichlich strömen. Aber bitte
europäisch nachhaltig. „Kunst, Natur und
Menschen“ ist das Leitmotiv des Mall-Projekts
ihres Architektur- und Designbüros Kokaistudios. 50.000 Quadratmeter, zwei Jahre Umbauzeit. In China ticken die Uhren schneller.
Die K11 ist ein nach allen Straßenseiten offenes, luftig leichtes Konstrukt, das bis in die
untersten Geschossebenen mit Tageslicht erhellt wird – dank des gewellten Glasdaches im
Innenhof, das an eine Baumkrone erinnern
soll, gestützt von Pfeilern in Form stilisierter
Äste und Stämme. Zwischen den Boutiquen
der großen Luxusmarken von Burberry bis
Valentino gibt es auch 3000 qm Platz für
Kunstausstellungen und Überraschungen. So
stolpern arglose Shopper über die verstörenden, oft täuschend echten Menschen-Skulpturen des Künstlers Liu Jianhua oder finden
sich in üppig sprießenden Gemüsegärten wieder, in denen manche der Restaurants ihre
Kräuter, Tomaten oder Salatköpfe ziehen. Bei
einem frisch gepressten Fruchtsaft auf der
grünen Dachterrasse geben die Star-Architekten Shanghais Auskunft über ihre Blitzkarriere. Die beiden Mittvierziger kennen sich seit
ihrer Studentenzeit in Venedig, gründeten
dort 2000 auch Kokaistudios. Venedig, diese
in Schönheit zerfallende Stadt voller Geschichte, und die junge Boomtown Shanghai,
im späten 19. Jahrhundert durch Opium-, Teeund Seidenhandel reich geworden, seit 1990
Zentrum der kapitalistischen Neuausrichtung
des Landes. Die Gegensätze ihrer alten und
neuen Heimat könnten nicht größer sein. „Venezianer und Shanghainesen ticken gleich“,
grinst Gabbiani verschwörerisch. „Es sind
knallharte Geschäftsleute, Beziehungen sind
das A und O, alles hat Grauzonen.“
2002 führte sie ein Projekt hierher: Ein altes
Bankgebäude aus der englischen Kolonialzeit,
direkt an der Uferpromenade Bund gelegen,
gammelte seit zehn Jahren vor sich hin. Kokaistudios sollte ein neues Nutzungskonzept
entwickeln. Sie renovierten behutsam, schlugen eine Mischnutzung zwischen Gastronomie, Galerien und Luxusboutiquen vor. Heute
ist „Bund 18“ die erste Adresse des Shanghaier
Nachtlebens, die Bar Rouge mit der spektakulären Dachterrasse und dem Blick auf die Wolkenkratzer von Pudong der Top-Tipp in jedem
Reiseführer, unten sind Brands von Cartier bis
Zegna eingezogen. Die gelungene Wiederbe-
lebung brachte Kokaistudios den UnescoAward für Baudenkmalschutz ein. Das Beispiel machte Schule. Danach wurden fast alle
historischen Gebäude am Bund nach einem
ähnlichen Prinzip restauriert. „Man kann sich
gar nicht mehr vorstellen, wie trist es hier vor
elf Jahren noch aussah“, sagt Destefanis.
Bewahren statt abreißen – im modernitätsverliebten China, das im Rausch des schnellen
Geldes und der Turbo-Industrialisierung seine jahrtausendealte Kultur und Handwerkskunst zu vergessen scheint, war die Position
von Kokaistudios ein Novum. „Allein in
Shanghai wurden in den letzten 20 Jahren 80
Prozent der Altbauten abgerissen“, erzählt
Gabbiani. Im selben Zeitraum haben die neureichen Chinesen allerdings Geschmack an
europäischen Luxusgütern gefunden. Ihr Absatzvolumen wird nach McKinsey knapp 30
Prozent der weltweiten Verkäufe ausmachen.
Und Luxusbrands – Ironie der Geschichte –
beziehen ihren Nimbus vor allem aus ihrer
Historie. Den italienischen Marken-Architekten gelingt der Spagat zwischen eigenem Anspruch und chinesischer Realität. „Einfach,
weil wir dort sind, ein Gesicht haben und uns
den Respekt erarbeitet haben.“
Besonders gelungen ist ihnen das 2007 für Richemont. Für die Schweizer Luxusgruppe restaurierten sie zwei Zwillingsherrenhäuser aus
den 30er-Jahren, in denen Dunhill und Vacheron Constantin ihre Verkaufsräume bezogen
haben. Gleich daneben entstand auch das chinesische Headquarter der Gruppe. Das Gebäudeensemble aus Alt und Neu mit seinem stillen, begrünten Innengarten wurde ebenfalls
mit dem Unesco-Award ausgezeichnet.
Auch Miele vertraute auf die Kokaistudios. In
einer traditionellen chinesischen Villa befindet sich heute ein hochmoderner Showroom. Die Chinesen kommen Busweise. „Jeder, der was auf sich hält, kauft sich eine Miele-Küche.“ sagt Gabbiani und fügt lächelnd
hinzu: „Allerdings meist nur zum Zeigen.
Wirklich kochen tun die Chinesen nach wie
vor lieber in irgendeiner Kammer dahinter
auf die alte Art.“
Silke Bender
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wollte, lieh ihm jener Mann seinen
persönlichen Füller, der Minuten zuvor in einem verbalen Meisterstück
die Herzen der Deutschen erobert
hatte: „Ich bin ein Berliner!“ Anzunehmen, dass der junge John F. Kennedy vom 87-jährigen Kanzler seinen
Edelfüller zurückbekam – alte Schule eben. Anders erging es da dem rumänischen Staatspräsidenten, als
sein französischer Amtskollege Sarkozy die teure Feder erblickt hatte.
So haute Monsieur le Président nach
der Unterzeichnung eines Vertrages
den verdutzten Gastgeber einfach
an und steckte das gute Stück ein –
Bling-Bling.
Gerade erst bekam der weltweit angesehene Historiker Fritz Stern von
der New York University einen
Preis verliehen, samt einem mit
seinem Namen gravierten Meisterstück. Wer schreibt, der bleibt.
Doch ist selbst das heutzutage
nicht mehr genug. Vor allem, wenn
man zum Genfer Luxusgüter-Weltkonzern Richemont gehört. Des-
Acht, acht, acht schreiben die Mitarbeiterinnen minutenlang aufs Papier, weil diese Zahl
jeden beim Schreiben üblichen Neigungswinkel erfordert. Dabei wird darauf geachtet, dass
die Tinte durch die beiden sich verjüngenden
Kanäle ohne Tropfen an der Federspitze fließt.
Noch wichtiger ist, dass das Schreiben möglichst geräuschlos erfolgt.
Fünf bis acht Jahre dauert es, bis die Auszubildenden das Handwerk selbstständig beherrschen, doch besonders das Gravieren der
Goldfedern bleibt ein lebenslanger Lernprozess. „Ein Graveur lernt seinen Beruf und
wenn er ausgelernt hat, ist er noch lange kein
Graveur“, sagt das Montblanc-Urgestein Henry Heuer, 73. Nur wer zu höchster Präzision
bereit ist, Geduld und eine ruhige Hand besitzt, wird in der Herstellungsabteilung glücklich. Auch im Artisan Atelier geht es vor allem
ums Detail, wenn die handwerklich aufwendigen Sondereditionen von Goldschmieden, Juwelenfassern, Werkzeugmachern und ehemaligen Zahntechnikern zusammengebaut werden. Das Ergebnis der Teamleistung lässt sich
am besten im Skeleton-Pen nachvollziehen.
Dessen filigranes Goldgehäuse erlaubt einen
Blick ins Innenleben des Füllers.
Fast zu schade zum Anspitzen: Bleistifte von Hermès
Für
Schreibtischtäter
25 Jahre Pallone.
Neue Modelle.
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Lifestyle Brasiliens.
Papierkram! Allein das Wort kann allergische
Reaktionen auslösen. Wir aber fanden Mittel,
die süchtig danach machen können
Nicht täuschen lassen: Dies ist
ein Brieföffner (über cedon.de)
Mut zur Farbe: Füller „Leman Rot“ von Caran d’Ache
In der Tinte
... liegt die Kraft. Seit 90 Jahren
gibt es das „Meisterstück“, den
legendären Füller von Montblanc.
Ein Grund für das Hamburger
Traditionshaus, in New York zu
feiern – und gleich neue Märkte
ins Visier zu nehmen
W
76
ladimir Putin und Barack Obama verbindet
dieser Tage nicht viel.
Was sie und viele andere Staatenlenker jedoch
eint, ist der Dienst einer in Hamburg handgefertigten goldenen Feder, durch die seit 90
Jahren zuverlässig die Tinte rinnt, die zeitgenössische Geschichte besiegelt. Ob zur grimmigen Annektierung der Krim, zum Eintrag
ins Goldene Buch bei Staatsbesuchen oder
zum Signieren bilateraler Verträge: Überall ist
das Schreibgerät aus tiefschwarzem Edelharz
dabei, dessen Firmensymbol die sechs
Gletscherzungen von Europas höchstem Berg symbolisiert.
Als sich Konrad Adenauer am 26. Juni 1963
ins Goldene
Buch Berlins
eintragen
halb feierte das Hamburger Traditionshaus
jüngst in New York seinen Aufbruch in neue
Märkte mit der aufwendigen Vorstellung seiner exklusiven Meisterstück-Kollektion aus
Schreibgeräten, bei denen die klassischen
drei Ringe in Rotgold gehalten waren. Dazu
kamen hochwertige Artikel aus weichem
Kalbsleder in mattem Schwarz und elegantem
Taupe, detailreiche Uhren und Herren-Accessoires wie Manschettenknöpfe aus Onyx.
„Wenn Business-Schools lehren könnten, wie
man eine Ikone kreiert, dann gäbe es wohl
mehr davon“, scherzte Montblanc-CEO
Jérôme Lambert im sonnendurchfluteten
Flagship-Store in SoHo. Der Mann muss es
wissen, schließlich war er schon Vorstandsvorsitzender der Uhrenmanufaktur JaegerLeCoultre. Aber das Handgelenk des 44-jährigen Franzosen ziert nun eine hauseigene Uhr.
Dass sich diese erst seit 1997 in zwei Schweizer Manufakturen hergestellten Zeitmesser
im Luxusmarkt etablieren, ist eine seiner Herausforderungen. Eine andere wird sein, im
digitalen Zeitalter, in dem Tasten längst die
Handschrift ersetzt haben, Schreibgeräte für
den globalen Markt attraktiv zu halten.
Doch es täuscht sich, wer glaubt, dass
Smartphones, Laptops und Co die Füllfederhalter mit der Zahl 4810 auf der Feder – so
hoch ist der Montblanc in Metern – bereits
verdrängt haben. Zehntausende handverlesene Meisterstücke verlassen jährlich das
Werksgelände am Rande Altonas. Die meisten
von ihnen werden wenig später in den Aktentaschen von Asiaten und Arabern stecken,
denn von China über Südostasien bis auf die
arabische Halbinsel ist der Power Pen ein beliebtes Statussymbol. Dennoch bleiben Europa und die USA wesentliche Märkte. Auch in
aufstrebenden Wirtschaftsmächten wie Mexiko zückt man häufig einen Montblanc.
Nur wenige der Kunden dürften wissen, dass
jeder Füller, der das Haus verlässt, vorher
sorgfältig in einem schallgedämpften Raum
mit farbloser Tinte eingeschrieben wurde.
Glücklich werden dieser Tage vor allem jene
Sammler sein, die im Briefkasten ein Kaufangebot für die Jubiläumsedition haben. Ein
paar Hundert Füller-Liebhaber zählt diese Gemeinschaft weltweit. Nur wenige können sicher sein, bei jeder limitierten Auflage zum
Zuge zu kommen. Einige von ihnen besitzen
jeden Montblanc, der herausgekommen ist,
und sind bereit, bei Auktionen obszöne Preise
dafür hinzulegen. „Gerade wurde ein CharlieChaplin-Füller aus einer Sonderedition bei einer Auktion in Asien für 250.000 Dollar verkauft“, sagt Christian Rauch, Managing Director für Writing Culture. „Vor vier Jahren
kam er für 20.000 Euro auf den Markt.“
Rauch kennt die besten Kunden persönlich.
„Darunter gibt es einen Sammler, der grundsätzlich die Seriennummer 240 kauft, weil er
als Fan des Science-Fiction-Bestsellers „Per
Anhalter durch die Galaxis“ die magische Zahl
240 verehrt. Ein anderer Sammler kauft nur
Füller mit der Seriennummer 17, weil er an
dem Tag seine Frau kennengelernt hat.“ In der
behandschuhten Hand dreht Rauch sorgsam
eine mit 90 Brillanten besetzte Edelfeder aus
massivem Rotgold im Wert von 27.000 Euro.
Wann die auf 90 Stücke limitierte Auflage
wohl ausverkauft sei? „Ach, heute, denk ich
mal“, sagt er trocken. Nur wer die Hand ganz
schnell hebt, wird bei diesen Sammlern überhaupt ernst genommen.
Bei der New Yorker Gala wurde unter dem
Förderprogramm „The Power of Words“ Nelson Mandela mit einer Hommage aus drei
Kurzfilmen geehrt. „Ein guter Stift kann uns
an die glücklichsten Momente unseres Lebens
erinnern, noble Ideen in unsere Hütten und
Seelen bringen. Er kann Tragödien in Hoffnung und Sieg verwandeln“, schrieb Mandela
von Robben Island an seine Tochter Zindzi.
Fast möchte man hoffen, dass Wladimir Putin
diese Worte zur Kenntnis nimmt, vor allem
aber derzeit nicht Montblancs spezielle Jubiläumstinte benutzt. Die lässt sich nämlich nie
Huberta von Voss
wieder abwaschen.
Pastell geht immer: Bleistift „Sparkle“ von Faber-Castell
Holz sorgt gleich für Wohlfühlatmosphäre:
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Flotter (Klebeab-)Roller: Gibt’s bei Cedon
Ziert jeden Schreibtisch: Stiftebecher aus
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Creme“ eine neue
Generation entwickelt, die nicht nur
den Hautton optimieren, sondern
auch noch Falten
vorbeugen soll.
80
Strahlkraft: So soll
sich die neue „Cellular Radiance Night
Cream“ von La
Prairie auf den Teint
auswirken. Und wie
bei allem: Die Mischung macht’s. Ein
Wirkstoffkomplex
kümmert sich um die
Faltenbekämpfung,
Shea- und Himbeerbutter sowie
Hyaluronsäure
sollen für genügend
Feuchtigkeit sorgen.
Und ein Extrakt aus
Papaya peelt unauffällig über Nacht.
Will man mehr? Nö.
Strandgefühl: Ja,
der Sommer rückt in
greifbare Nähe. Zur
Einstimmung könnten Sie schon jetzt
das „Mermaid Body
Oil“ ausprobieren.
Es duftet nach
Orangenblüten und
Kokos. Am besten
nach dem Duschen
auf der feuchten
Haut verteilen,
einziehen lassen,
fertig. Wo geht’s
zum Strand? nichebeauty.com
Sinnlich: Bei Cartier
steht der Panther
für das Weibliche,
Verführerische. Und
schon in den 80erJahren inspirierte
das elegante Raubtier den Juwelier zu
einem Duft. Nun
gibt’s mit „La
Panthère“ (haben
Sie den Kopf des
Tieres entdeckt? )
eine moderne Variante. Wie es duftet? Samtweich nach
Gardenie, Chyprenoten und Moschus.
GUERLAIN
Tempel der Schönheit
Design und Kosmetik? Gehört
für mich zusammen. Flakons
und Tiegel verschönern schließlich jedes Badezimmer. Aber
schöner Schein allein reicht
nicht, das Innenleben muss
überzeugen. Ein gutes Beispiel
für eine gelungene Kombination ist die Kosmetiklinie A4.
Schlichter Tiegel, orangefarbenes Logo. Die Produkte werden
komplett in Deutschland produziert und abgefüllt. Eine
kleine Seltenheit. 2004 hat Eva
Steinmeyer das Unternehmen
gegründet, bis heute 19 AntiAging-Produkte entwickelt, die
alle auf natürlichen Inhaltsstoffen und reinen Pflanzenölen
basieren. Und noch immer ist
sie bei Fragen persönlich ansprechbar (etwa über ihren
Blog) und liefert gern RundumService wie eine Anleitung zur
Gesichtsgymnastik, schenkt
Kunden gern auch einen FoodGuide, nachdem man sich
jünger essen kann ...
Stefanie MüllerReitzer Inhaberin
der Parfümerie
F.X. Miller in
Regensburg
MANNOMANN
Innere Werte? Sind nicht unwichtig. Aber wir Männer achten natürlich auch auf das Äußere, wenn es um Kosmetikprodukte geht. Was mich, der
sich berufsbedingt in der Kosmetikindustrie auskennt, in
letzter Zeit besonders angesprochen hat, war der Flakon
von „Bottega Veneta Pour
Homme“. Rauchig, grau, maskulin, etwas Metall und Leder.
Alles dabei. Und ja, er duftet
auch noch gut. Sehr augenfällig
im Bad ist auch das Reinigungspuder „Men Vita Mineral“ von
Declaré. Schwarze Verpackung,
schlichtes Design, gut zu handhaben. Es eignet sich vor allem
als Reinigung und kann, wenn
Mann mag, auch als Rasierschaum eingesetzt werden.
Marc Niendorf
Inhaber der
Parfümerie
Niendorf in Bühl
Kärchern
PSS
Die
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Neu!
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ing
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T H E C U L T U R E O F T O TA L B E A U T Y
Zeitgeist
Reiningungs-Geräte liegen voll im
Trend. Nach „Clarisonic“ kommt
„Luna“ (in Stockholm entwickelt):
befreit die Haut mit sanft rüttelnden
Pulsationen und abgerundeten Silikonborsten auf der einen Seite von
Make-up, Hautschüppchen und Co.
Die Rillen auf der Rückseite arbeiten
Seren und Fluids gut in feine Linie ein.
Völlig unkompliziert liegt es in der
Hand und: Abwaschen unter Wasser
genügt, ein Bürstenauswechseln ist
nicht nötig. In drei Varianten und, ja,
auch für Männer. Über foreo.com
Exklusive Haarpflege und Kosmetik.
In ausgesuchten Friseur – Salons: labiosthetique.de
Als Tochter der Ryanair-Gründerfamilie kam Danielle Ryan viel herum. Nun
hat sie „Roads“ gegründet, ein kleines
Unternehmen, das aus einem Verlag,
einer Filmproduktion und einer Parfümkollektion besteht. Ihre Vision?
Produkte zu kreieren, die von Zeitgeist- Kultur inspiriert werden. Zehn
solcher Düfte, wie etwa das nach
Mandarine, Bergamotte und Jasmin
duftende „This weekend“, gibt’s nun
bei Ludwig Beck in München.
Haut-Design
Frauen wollen ebenmäßige Beine.
Eincremen allein reicht natürlich nicht
(Sport und Ernährung sind das A und
O), aber es unterstützt (die Psyche).
So wie die „Anti Cellulite Creme“ von
Susanne Kaufmann. Sie soll die Fettzellen-Verbrennung ankurbeln und
die Spannkraft der Haut erhöhen.
Tipp: zweimal täglich einmassieren
und ab und zu als „Kur“ benutzen –
eincremen, Beine mit Frischhaltefolie
umwickeln und 30 Minuten einwirken
lassen. susannekaufmann.com
Neu neu
Huch? Diptyque, das kleine 1961
gegründete Pariser Label, bekannt
für seine wohlriechenden Duftkerzen, Raumdüfte und Eau de
Parfums macht nun in Gesichtspflege? Richtig. Die „L’Art du
Soin"- Linie besteht aus sechs
Pflegeprodukten. Besonders
schön ist das Reinigungspuder aus
Tonerde, das sanft nach Verveine
und Neroli duftet und sich, sobald
es mit Wasser in Kontakt kommt,
zu einem Schaum entwickelt.
Magisch. Gibt’s zum Beispiel im
KaDeWe in Berlin.
Spot aus!
Pigmentflecken sind eine Überreaktionen der Melanozyten. Diese
produzieren zu viel Melanin, verteilen
sich ungleichmäßig im Gesicht und
schon hat man Flecken (Falten werden dadurch fast zur Nebensache ...).
Schuld sind, klar, UV-Strahlen, von
denen 70 Prozent sogar durch dicke
Wolkendecken hindurchgelangen.
Clinique hat nun das leicht getönte
„Even better Dark spot defence SPF
45“ entwickelt, das den Teint ebnet
und schützt. Durch dick und dünn.
Aufgewacht
Gloss-klar
Etwas Glanz auf den Lippen kann nie
schaden. Darum hat Clarins nun die
Kollektion des „Gloss Prodige“ um eine
transparente Variante erweitert. „Crystal“ (Nr. 12) können Sie entweder über
einem farbigen Lippenstift auftragen
und ihm so mehr Glanz geben oder Sie
verputzen, äh benutzen es pur.
Schmeckt nach Cassis und Lakritze ...
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82
Augenschatten sind häufig nicht nur ein
Müdigkeits-Zeichen, sondern zeugen meist
vom Verlust der Spannkraft oder einem
Stau in den Gefäßen unterhalb der Augen.
Die „Lift Remodelling Eye Cream“ von
Sensai dürfte helfen: Ein Extrakt der Braunalge soll das besonders dünne Gewebe
unterm Auge stärken. Die Eibischwurzel
löst den Gefäßstau auf. Dazu gibt’s übrigens einen Mini-Massagespatel (im Sommer ruhig mal in den Kühlschrank legen),
der die Mikrozirkulation wieder anregt.
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Feines Näschen: Geruchsexpertin Sissel Tolaas
Der Duft der großen weiten Welt – Sissel Tolaas
konserviert nicht nur ihn in ihren Fläschchen
MARTIN MAI (2); MARTIN U.K. LENGEMANN; PICTURE-ALLIANCE; GETTY IMAGES (1); PRIVAT (2)
W
PARFUM
Immer der Nase nach
Sissel Tolaas ist die weltweit einzige interdisziplinär
arbeitende Geruchsexpertin. Ihr jüngstes Werk ist ein
olfaktorischer Plan für einen Palast des britischen
Königshauses. Andreas Tölke hat Witterung aufgenommen
84
Dies ist das Wappen am Tor des Buckingham Palace.
Für den erstellt Sissel Tolaas einen Geruchsgrundriss
Wenn eine norwegische Duftkünstlerin aus
Berlin in einen Palast der britischen Königsfamilie geladen wird, dann ist das schon eigen.
Wenn sie aus dem Termin mit dem Auftrag
herauskommt, einen Geruchsgrundriss für einen Palast zu erstellen, dann ist das wahrhaft
außergewöhnlich: „100 years Historical Royal
Palaces“, ein Jubiläum liegt in der Luft.
Sissel Tolaas spricht über dieses Engagement,
als sei es eben einer ihrer vielen Termine. Als
einzige interdisziplinär über Duft forschende
Expertin der Welt hat sie eine üppige Agenda.
Comme des Garçons, Cartier, Dries Van Noten
(Ausstellung mit Sissel Tolaas seit Februar im
Louvre) – alle wollen teilhaben an ihrem
Know-how: Wie kann Geruch als Informationsquelle genutzt werden? Sie hat noch nie
ein Parfum entwickelt (aber beim gleichnamigen Film beraten). Sissel Tolaas vermisst, konserviert und rekonstruiert die Gerüche der
Welt. Vom Abfall bis zum Krieg, von einem königlichen Palast bis zum Wedding.
Ein paar Highlights aus 2013: Sie forscht mit
und für das Weizmann Institute of Science Israel und das Copernicus Science Centre in
Warschau, ihre Ausstellung „Smell & Communication“ war unter anderem in Luxemburg
und Den Haag. Zusammen mit dem Fotografen Nick Knight realisierte sie die Ausstellung
„Violence“ im MoMA New York. Und anlässlich der United Nations zur Klimakonferenz
reist sie nach Louisiana.
In der weitläufigen Berliner Altbauwohnung
sitzen wir am Tisch. Wie ist das nun mit der
Queen? Seit dem 17. April stehen die Tore des
Palastes offen und Sissel Tolaas erstellte
Grundrisse auf Papier, die Gerüche enthalten,
die den Besucher mittels der Duftkarte vor
der Nase durch bis dato dem Publikum verschlossene Räume führt. Wo sonst bei Exkursionen Teppiche und Gemälde erklärt werden,
erzählt Tolaas die Geschichte durch Gerüche,
deren Moleküle sie einfängt. Was bei einer
Wandverkleidung aus dem 17. Jahrhundert bedeutet: Der Besucher riecht 2014, wie es vor
500 Jahren im Gemäuer duftete.
Für Tolaas sind auch Geld oder Straßenzüge
Moleküle und damit riechbar: „Das Erste, was
wir wahrnehmen, ist Geruch. Bis das Auge Informationen verarbeitet und an das Gehirn
geleitet hat, dauert es deutlich länger. Geruch
ist unmittelbar.“ Was aber auch bedeutet: Geruch ist ein dauernder Begleiter ganz ohne
Distanz. Tolaas kann das an ihrem Konferenztisch schnell demonstrieren: Aus einem Regal
kramt die Gastgeberin ein Gerät von der Größe eines Walkmans vor. Daran ein Schlauch,
der in einen Trichter mündet. „Im Kern der
Box sind einzelne Zellen, die mit Quarz gefüllt
sind, der die Moleküle bindet“, erklärt sie.
Dann geht das Ganze an die IFF (International
Flavors & Fragrances Inc.,), einen der führenden Dufthersteller der Welt und die Firma, die
Tolaas’ Labor namens re_Searchlab unterstützt. Bei IFF in den USA werden die Moleküle in die chemischen Bausteine zerlegt und
als Formel ganz schlicht ausgedruckt. So sind
sie jederzeit reproduzierbar.
Tolaas sammelt ihre Gerüche nach strengen
Prinzipien. Die Ergebnisse der Jagd sind über
6730 kleine Aluminiumfläschchen in ihrem
Laborarchiv nebenan, jedes fein säuberlich
mit dem Datum und dem Überbegriff des eingefangenen Geruchs etikettiert. Darunter
auch: Achselschweiß. Kein Zweifel, Tolaas
geht dahin, wo es wehtut. Uns zumindest.
Der Achselschweiß ist allerdings auch ein
wunderbares Beispiel für die Distanzlosigkeit
ihres Mediums. Man denke nur an überfüllte
U-Bahnen im Sommer. Tolaas verwandelt allzu Menschliches ohne Berührungsängste, die
Ausdünstungen von Bill Gates zum Beispiel
zu Käse. Nicht zum Verzehr geeignet, aber
Kunst, die Flüchtiges materialisiert. Für Adidas wurde von David Beckham Entsprechendes verwandelt. „Es gibt kaum schlechte Gerüche. Erst durch Kultur und Erziehung werden
Gerüche eingeordnet und dann unangenehm.
In den unterschiedlichen Kulturen entstehen
so ganz verschiedene Lernerfahrungen. Asiaten finden andere Düfte eklig als Europäer.
Ich frage unter anderem, warum das so ist,
wie wir Gerüche lernen und ob diese Vorurteile zu revidieren sind.“
Ihre Mikroorganismen aus Ausdünstungen
sind Differenzierungen in einer Welt, die immer aseptischer wird. Dass Allergien auf dem
Vormarsch sind – auch ein Resultat der Sagro-
tanjunkies. Gesellschaftlicher Konsens bei
Körpergeruch: überdecken. Hat die Künstlerin ein Lieblingsparfum zum Verwischen der
eigenen Spuren? „Mehrere! Ich bin nicht jeden Tag dieselbe. Mal bin ich frisch und quicklebendig. Dann trage ich Moleküle, die sagen:
Schaut her – hier bin ich. Und mal mache ich
mich unsichtbar.“ Obacht aber, die eigene
(Duft-)DNA krampfhaft überdecken zu wollen. Das führt zuweilen dazu, dass es dem
Nachbarn stinkt. „Wie übertriebenes und
schlechtes Styling“, sagt Sissel Tolaas.
Folgerichtig lautet eine ihrer Kernfragen: Was
geschieht, wenn wir Gerüche ganz emotionslos als eine Information, eine Sprache behandeln? Die Gefühle wegzulassen, das klappt oft
nicht und ist auch in ihrer Erfahrung durchaus berührend. Am renommierten MIT (Massachusetts Institute of Technology) hat Tolaas
2006 weiße Wände mit dem Körpergeruch
von 21 traumatisierten US-Soldaten bestrichen. „The Fear of smell – the smell of Fear“
lautete der Titel. Die Besucher sind mit der
Nase an Angst geführt worden, ganz dicht heran – jede Wand ein Mensch, ein konserviertes, zu erriechendes Schicksal.
„Eine Frau kam jeden Tag zu einem Exponat,
also immer zu dem gleichen Geruch eines
Mannes. Sie hat jeden Tag die Wand geküsst,
die danach mit Lippenstiftabdrücken übersät
war. Ich habe sie gefragt, was der Geruch bei
ihr auslöse. Sie antworte: ,Ich errieche einen
wundervollen Menschen, den ich nie kennenlernen werde.‘“ Eine Nase kann uns die Augen
öffnen: „Was wir riechen, bleibt sehr, sehr lange im Unterbewusstsein. Wenn ich Menschen
trainieren kann, ihre Stadt, ihr Umfeld durch
die Nase zu verstehen, bin ich also einen großen Schritt weiter, was Toleranz angeht.“
Der Londoner Palast des britischen Königshauses erlaubt demzufolge Eindrücke, die
einzigartiger und intimer nicht sein könnten.
Kein Paparazzi, kein noch so offenes Interview wird je so nah an der royalen Wirklichkeit sein wie das, was Sissel Tolaas erlaubt ist
zu kommunizieren. Ein historischer Moment
in einer Unmittelbarkeit, die jedem Besucher
der Ausstellung erlaubt, sich ein unverfälschtes Bild zu machen. Ohne Pomp und ohne
Protokoll. Eine Monarchie für die Sinne.
Für Information und Besuchstermine:
http://conservation100.hrp.org.uk
„Es gibt kaum schlechte
Gerüche“, lautet ein Credo von
Sissel Tolaas. Allerdings schont
sich die Expertin auch nicht,
wie diese Aufnahmen beweisen
85
PFLEGE
KOSMETIK
Die Zeichen der Zeit anhalten? Eine kleine schwedische
Kosmetikmarke versucht das mit einem neuartigen Molekül.
Caroline Börger ist gleich einmal hingefahren
86
Volvo, Filippa K, Acne, Billy, Ektorp und Malm.
Das alles ist Design made in Schweden. Aber
Kosmetikprodukte? Dafür ist das kleine Königreich kaum bekannt. Noch nicht. Gegenüber vom Königspalast im Zentrum ruht das
„Grand Hotel“. Man trifft sich hier am Abend
auf einen Drink und schaut über das glitzernde Wasser, von dem es in Stockholm mehr als
genug gibt. „Wenn das Wetter schön ist, gibt es
keinen schöneren Platz auf dieser Erde – und
damit kann ich wohl für jeden Schweden sprechen“, stellt Lars Fredriksson, der 2011 die Marke „Verso“ gründete, erst einmal klar. Auch er
hat seine Zentrale in der Hauptstadt. Die Fabrik, in der seine mittlerweile sechs AntiAging-Produkte gefertigt werden, befindet
sich knapp zwei Stunden nördlich davon. Erst
im vergangenen Jahr lancierte der 45-Jährige
seine eigenen Produkte. Dabei ist der Vater
von drei Kindern kein Neuling in der Welt der
Kosmetikbranche, er hatte sich nur erst 16 Jahre lang auf die Herstellung pharmazeutischer
und kosmetischer Produkte für andere Marken spezialisiert. „Verso“, das lateinische Wort
beschreibt eigentlich die Rückansicht, etwa
eines Gemäldes. „Doch es bedeutet auch so
viel wie Umkehrung, die Zeichen der Zeit quasi zurückdrehen.“ Der Name zum Programm
war gefunden. Die Hauptzutat schon vorher.
Retinol, also Vitamin A. Eigentlich keine Neuheit, galt es schon vor Jahrzehnten als Wundermittel im Kampf gegen Falten. Doch war es
lange ein Wirkstoff, bei dem Vorsicht geboten
war, er wurde meist von Hautärzten verschrieben, um Akne oder Psoriasis zu bekämpfen.
„Doch in den meisten Fällen reizte es die Haut
unnötig. Und in Verbindung mit UV-Strahlen
VERSO
V
Im Einklang
Schweres metallisches Klack oder doch eher ein leichtes Klick? Hören Sie beim nächsten Mal ganz genau hin,
wenn Sie Ihren Lippenstift verschließen. Der Sound sagt mehr, als man ahnt. Susanne Opalka hörte zu
G
ILLUSTRATIONEN: ISABELL BISCHOFF
Es gibt ein Zurück ...
reagiert es ebenfalls“, sagt der Experte. Aufgrund der hohen Dosierung des Vitamin A liegen seine Verso-Produkte also knapp an der
Grenze zur Verschreibungspflicht. „Unser Vitamin A ist vielleicht nicht so potent wie die
reine Säure, aber wer es über einen längeren
Zeitraum anwendet, kann dieselben Resultate
erzielen. Und: Man kann es auch am Tag benutzen“, erklärt der smarte Gründer und lacht.
Aber wieso nun gründete er nach all den ja erfolgreichen Jahren noch eine eigene Marke?
Die er sehr leidenschaftlich sein „viertes Kind“
nennt. Ein koreanischer Wissenschaftler
brachte ihn auf die Idee: „Er erklärte mir, dass
er einen Wirkstoff habe, der
achtmal wirksamer sein soll
als Retinol.“ Das elektrisierte
ihn allerdings zunächst nicht
wirklich. „In dieser Branche
ist es üblich, dass jemand
kommt und dir etwas anpreist. Am Tag darauf kommt
jemand anderes und erklärt,
dass er etwas habe, das neunoder zehnmal wirksamer
sei.“
Also bat er den
Wissenschaftler,
ihm die Dokumente
mitzugeben.
Fredriksson, der
weder Arzt noch
Chemiker
ist,
kehrte nach Stockholm zurück, kontaktierte ehemalige Weggefährten
und Dermatologen
am
KarolinskaKrankenhaus und
bat sie, sich die koreanischen Forschungsergebnisse einmal genauer
anzusehen. Sie bestätigten nach ein
paar Tests die achtfach stärkere Wirkung des neuen Retinol-Moleküls und: Es sei
um 50 Prozent weniger hautirritierend. „Das
war überraschend“, so Fredriksson. Kaum verwunderlich, dass er mit dem Koreaner ins Geschäft kam, das neue Molekül „Retinol 8“
nannte und patentieren ließ. Viele der Kosmetikmarken machten für seinen Geschmack die
Dinge zu kompliziert. „Ich wollte es alles einfacher halten.“ Vor allem auch das Design. Das
Ergebnis sind schlichte, runde, weiße Flaschen, nur mit dem Logo und der Bezeichnung versehen. Sie tragen keine umständlichen Namen, sondern sind – in Spiegelschrift
– nummeriert. Fünf Produkte gab es zum
Start. Nummer 6 gegen Pigmentstörungen
folgte erst jetzt. Viel mehr werden es auch
nicht. Für die Verpackung arbeitete er mit einer Designagentur zusammen. „Ich wollte das
Beste aus zwei Welten: die beste Anti-AgingFormel und ein Design, das simpel, skandinavisch und zeitlos zugleich ist.“ Einfach eben.
Woher das Design-Faible kommt? „Das haben
wohl alle Skandinavier in sich. Wir Nordlichter sind die meiste Zeit des Jahres drinnen,
und daher verwundert es kaum, dass wir versuchen, es uns möglichst schön im Haus zu
machen, oder?“ Und offenbar auch im Gesicht.
ut möglich, dass Sie
dem warmem Violettton von „440 Irresistible“ nicht widerstehen
könnten.
Schwer liegt er in der
Hand, so schön glatt
die Oberfläche, und
dann dieses satte Klack, wenn die Hülse wieder auf den Lippenstift gleitet. Pure Anziehung, klack, magnetisch, noch einmal klack,
macht richtig Spaß – im Ohr. Und genau da
sitzt letztendlich der K(l)ick, verantwortlich
für unsere finale Kaufentscheidung. Laut
Wahrnehmungspsychologen soll die Akustik
eines Produkts bis zu 50 Prozent daran beteiligt sein, ob wir es wollen oder eben nicht.
Sounddesign sei Dank, bleibt nichts dem zufälligen Geräusch überlassen. Nicht nur bei
Estée Lauders neuem „Pure Color Envy
Sculpting Lipstick“. Keine Corporate Identity
ohne Sound-Identity. Beim Beautyriesen in
New York überzeugt sich Chairman Leonard
Lauder persönlich vom Klang eines neuen
Produkts, bevor es auf den Markt kommt. satt,
sicher und hochwertig soll es klingen, wenn
die Kundin das Rouge zuschnappen lässt. Wie
bei den Türen einer Luxuslimousine.
Erste wahrnehmbare Spuren hinterließ das
Sounddesign bereits vor über 40 Jahren im
Automobilbereich. Man wollte die Motoren
für den Fahrer im Innenraum besser klingen
lassen. Seit etwa 20 Jahren weiß man – wissenschaftlich untermauert – sehr genau, welche Wirkung der Hörsinn auf das Kaufverhalten hat. Und kontrolliert und konstruiert beinahe jedes Geräusch. Denn wie Gerüche kommen Geräusche ohne Umweg im limbischen
System an, dem Teil des Gehirns, in dem Emotionen entstehen. Der Sound, als die Stimme
des Produkts, vermittelt uns vielfältige innere
Bilder, beschwört Erinnerungen unseres
akustischen Gedächtnisses herauf. Schon bei
der Geburt tragen wir viele akustische Erinnerungen in uns. In der Kindheit bauen wir
dieses Archiv täglich aus, verbinden Gehörtes
mit Gefühlen und Stimmungen: Das vertraute
Klackern von Mamas Absätzen, das erfrischende Zischen einer Limonadenflasche.
Mittlerweile entfallen rund fünf Prozent der
Entwicklungskosten eines Produkts auf den
Bereich Sound-Engineering. Tendenz: steigend. Ob Pharma, Lebensmittel, Haushalt
oder Kosmetik, heute nutzt fast jeder Industriezweig Sounddesign, um sensorische Botschaften künstlich zu optimieren. Und das
nicht, um uns zu manipulieren. „Wir sorgen
dafür, dass sich der Verbraucher insgesamt
wohler fühlt“, sagt der Pionier des Sounddesigns Dr. Friedrich E. Blutner – mit seiner Firma Synotec Psychoinformatik seit über 20
Jahren die Anlaufstelle im Erzgebirge, umgeben von Wald, etwas außerhalb von Geyer, „einem der leisesten Orte der Welt“. Hierhin pilgern Produktmanager aus ganz Europa. Blutner erfand den „Sexy Sound of Beer“, das Gluckern der Flüssigkeit, wenn es aus der Flasche
läuft. „Das ist ein Vibrato mit 5 bis 7
Hertz, so singt die Callas“, erklärt Blutner. Und es ahmt den Rhythmus des
Saugreflexes beim Baby nach. „Das sind
Geräusche, die süchtig machen.“ Seit etwa sechs Jahren macht Blutner einen
Paradigmenwechsel aus: „Geräusche,
die noch vor Kurzem als die besten
galten, sind plötzlich nicht mehr gefragt. Die Zielgruppenstruktur hat
sich verändert. Junge Leute sehnen
sich nach Stille, sie fragen sich, natürlich läuft das vollkommen unterbewusst ab, hat dieser Lärm oder jenes
Geräusch Sinn?“ Beispiel Auto. Ein
lauter Verbrennungsmotor signalisiere vielen nicht mehr Power und
Fahrspaß, „sondern klingt nach
Emissionen, und das wollen wir
nicht“. Auch Staubsauger müssen heute leiser sein als
früher, als ihr
Sound die
hohe
Saugleistung akustisch darstellte, heute signalisiere das Stromverschwendung.
„Das Auge drängt sich zwar immer in den Vordergrund, aber das Ohr ist entscheidend. Alles
ist akustisch, schon das Baby hört den Sound
der Mutter, Sound heißt Leben.“ Und der wird
im Zeitalter der digitalen Kommunikation,
die uns zunehmend mit optischen Reizen
überfordert, immer entscheidender. Der kleine Lauschangriff in der Kosmetik etwa dient
dazu, die Wirkweise von Produkten hörbar zu
machen. Ein Haarspray kann rein akustisch
Volumen suggerieren, „ein leise-luftiges
Pffffft klingt nach Fülle“, so Friedrich Blutner.
Oder der Produktton hat praktische Gründe.
Beispiel Sonnenmilch. Was in der Geräuschkulisse von Pool oder Strand verwendet wird,
muss beim Schließen das akustische Signal
geben, dass das Produkt sicher verschlossen
ist. Aktuell untersucht Friedrich Blutner
Sprühgeräusche von Düften. „Fehlt im Duft
die dunkle Seite, ein schwerer Akkord, können Sie den mit dem Sprühgeräusch erzielen, indem Sie es mit einer rauchigen Stimme unterlegen. Ein Zitrusduft
dagegen wird immer hell und spitz
klingen.“ Hat man da noch Töne? Doch
zurück zum Lippenstift. „Farbtöne können auf der Haut anders wirken als bei
uns in der Parfümerie. Zum Beispiel,
weil der eigene Lippenton durchscheint. Wer genau den Ton des Produkts haben möchte: Lippen vor dem
Auftragen einfach mit etwas Foundation grundieren“, sagt Tanja Bublitz, Inhaberin der Parfümerie Brückner in
München. Bis man bei Lauder im Einklang mit den neuen Lippenstiften war, brauchte es ebenfalls diverse Tests. Denn alle 20 Farben –
von Nude- bis hin zu Beerennuancen – sollten so funktionieren,
dass jede Farbe zu jedem Hautton
passt. Möglich machte das eine
Pigmentkomposition mit einem
ganz speziellen Unter-Ton.
Envy Sculpting Lipstick“
von Esteé Lauder;
87
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UNTERWEGS
Die Coolness
der Industrie
Das Ritz-Carlton in Wolfsburg war ein großer Wurf von
Interieurdesignerin Andreé Putman. Doch nun wurde
es umgestaltet. Maria Schneider, die Kreativdirektorin
der Autostadt, erklärt, warum es sein musste
ŠTRBSKÉ PLESO,
SLOWAKEI
Dass Safari-Anhänger auch in Old Europe auf ihre
Kosten kommen können, ist den wenigsten bekannt.
Es gäbe hier, so die Mutmaßung, keine atemberaubende Fauna. Irrtum. Der Europäische Braunbär, in der
männlichen Version bis zu drei Meter groß, tapst zwar
nur höchst selten durch die Alpen (wo er schnell zum Problembären wird – und paff), jedoch in großer Anzahl durch
die Karpaten. Die ziehen sich von Tschechien über die Slowakei und die Ukraine nach Rumänien, vielen allenfalls dank Graf
Dracula ein Begriff. Viel dichter, nämlich in der Hohen Tatra, von der
Unesco als Biosphärenreservat anerkannt, liegt der slowakische Kurort Štrbské Pleso, ungefähr
STRÄBBS-ke PLE-so ausgesprochen und auch als Tschirmer See bekannt. An diesem Gewässer sagen sich Fuchs, Hase, Rothirsch und Vögel gute Nacht – und Meister Petz. Auf dessen Fährte führt
der Biologe Robin Rigg, Engländer mit Wahlheimat Slowakei, seine Gäste (slovakwildlife.org) auf eine
naturnahe, erhebende Tour. Sie ist ungefährlich, sofern man nicht zwischen Mutter Bärin und ihren
Nachwuchs gerät. Für so einen seltenen Fall trägt Rigg am Gürtel eine Dose Pfefferspray, das die feine Nase der Raubtiere für Beeren, Gras, Insekten und Fleisch abdrehen lässt. Ansonsten geht es im
kleinsten Hochgebirge der Welt, das immerhin vier Gipfel jenseits der 2600er-Marke zählt, alpin zu.
Eine exotische Erfahrung? Absolut. Nur in den kältesten Monaten sollte man keine zu hohen Erwartungen an die Braunbären stellen: Dann halten sie Winterruhe. Out-of-Africa-Zelte und -Lodges hält
die Region allerdings nicht bereit. Stattdessen steht am Tschirmer See – um es in Anlehnung an Jules
Vernes’ gleichnamigen Roman zu sagen – ein „Karpatenschloss“, im Sommer von Bergwiesen umgeben, im Winter von Skipisten. Das „Grand Hotel High Tatras“ der deutschen Kempinski-Gruppe, 2009
im Nationalpark auf 1350 Meter Höhe eröffnet, vereint zünftiges Eichendesign und Berg-und-Tal-Paronama mit deftiger Küche. Jan Sustr, aus der Gegend stammend, ist Naturbursche und Concierge in
einem und weiß am besten, wann und wo die Bären los sind.
Wie Michael Braun Alexander den Aufenthalt in der Slowakei fand? Ist klar. Bärenstark
D
ie Eröffnung des ersten
Ritz-Carlton-Hotels in
Deutschland vor 13 Jahren war eine kleine Sensation. Nicht in Hamburg, München oder Berlin, sondern in Wolfsburg, in der gerade neu
eröffneten Autostadt, hatte die französische
Innenarchitektin und Grande Dame der Design-Szene Andrée Putman einen Entwurf
realisiert, der in besonderer Weise auf den Ort
bezogen war. Mit ihrer schlichten, feinen
Handschrift und großer Sensibilität dafür,
dass sich dieses Fünf-Sterne-Hotel auf dem
Gelände eines Industrieunternehmens gegen
die kräftige Backsteinarchitektur der Fertigungshallen durchsetzen musste, gelang es
ihr, die Gäste mit subtilen Farben und Materialien zu erobern. Der Ausblick auf die denkmalgeschützte Industrie-Architektur des al-
ten Kraftwerks, der Anspruch im Service und
die Gestaltung des Hotels brachten dem Haus
eine Auslastung von über 80 Prozent.
Nach zwölf Jahren muss der intensiven Nutzung Rechnung getragen werden. An einem
Redesign arbeiten heißt, sensibel Vorhandenes und neue, veränderte Anforderungen in
zeitgemäße Formen zu übertragen. Viele Gäste lieben die Atmosphäre so, wie sie ist. Für sie
ist ein Hotel ein Zuhause auf Zeit. In den Lobbys bleiben Erinnerungen an Begegnungen
und Gespräche und jeder Eingriff, jede Veränderung wird so abwartend betrachtet, als würde das häusliche Wohnzimmer ummöbliert.
Es gibt gute Beispiele, die zeigen, dass ein
Transfer trotzdem gelingen kann. Zum Beispiel im Pariser „Le Meurice“ kann man erleben, wie ein in die Jahre gekommenes Grandhotel, mit Humor und Leichtigkeit von Designer Philippe Starck gestaltet, unter Erhalt vieler vorhandener Element, dann aber in der
Konfrontation mit radikal Neuem, mit einem
feinen, frischen, freundlichen Gesicht lächelt.
Gemeinsam mit dem Inszenierungsteam der
Autostadt hat der in Paris lebende amerikanische Interior-Designer Elliott Barnes einen
Entwurf realisiert, der den Stil Andrée Putmans zeitgenössisch transferiert. Entstanden
ist ein Gesamtkonzept für 174 Zimmer, 23
Suiten, eine Lobby mit Blick auf ein IndustrieHafenbecken sowie zwei Restaurants, darunter das Drei-Sterne-Lokal von Sven Elverfeld.
Elliott Barnes entwickelte ein von Wohnlichkeit und zurückhaltender Atmosphäre geprägtes Design mit natürlichen Materialien
wie Holz, Leder, Glas und Stein. „Ein Interieur
darf sich niemals selbst loben. Viel wichtiger
ist, was zwischen den Menschen passiert und
was sie von diesem Ort mitnehmen“, beschreibt er den Grundgedanken.
Die Idee bei der Ausgestaltung der vier Etagen
mit den Gästezimmern war die eines imaginären Aufstiegs im Gebirge: Ausgehend vom Tal
(Erdgeschoss) mit erdigen Tönen changieren
die Farben sowohl in den Gängen als auch in
den Zimmern in Richtung Hang (erste Etage),
Gletscher (zweite Etage) und Gipfel (dritte
Etage) zu immer helleren Nuancen. Den Abschluss bildet die Club-Etage als Sinnbild für
die Wolken, die mit leichten, „luftigen“ Tönen
einen atmosphärischen Gegenpol zum Eingangsbereich des Hauses liefert. Um das neue
Konzept konsequent umzusetzen, wurden viele Möbel eigens angefertigt. Gleichzeitig wurden alte und neue Designklassiker – darunter
Vasen, Lampen und Stühle – in die Einrichtung integriert. Bestenfalls fügt sich im Falle
des Re-Designs eines Hotels das zusammen,
was gutes Design ausmacht: Es stellt den Menschen in den Mittelpunkt, nicht sich selbst.
DEIDI VON SCHAEWEN (3); THE RITZ-CARLTON WOLFSBURG
Die meisten Touristen gehen ins „Chateau Marmont“ zum VIP-Watching und zahlen dafür 20 Dollar
für ein Glas Wein. Wie ich. Leider waren nur auch andere Leute wie ich da. Lieber erst gar nicht nach
den Zimmerpreisen fragen. Ich quartiere mich also im „Hollywood Downtowner
Inn“ ein, einem einfachen, aber pieksauberen Motel aus den 50er-Jahren, dessen einzige Sterne die in der schönen alten Neon-Reklame
sind. Nachts kann ich nicht schlafen – Jetlag. Genervt hieve ich
mich aus dem Bett, im Pyjama und mit einer Frisur wie ein aufgeplatztes Sofakissen, um vor der Tür eine Zigarette zu rauchen. Ein Mann kommt die Treppe herunter und grüßt mit
scheuem Lächeln. Er kommt mir bekannt vor. Auch er im
Pyjama, Kapuzenjacke und nicht gerade wie aus dem Ei gepellt. Er setzt sich 20 Meter weiter an den Pool und raucht
ebenfalls. Der Groschen fällt in Pfennigen: Johnny Depp!
Das kann doch nicht sein!! Was macht der denn hier? In Sekundenschnelle spiele ich möglichst unaufgeregte Kontaktaufnahmen durch. Feuer? Geht nicht. Zigarette ist schon an. Nach
noch einer Zigarette fragen? Dann wird mir übel. Als ob er Gedanken lesen könnte, zieht er sich die Kapuze tiefer ins Gesicht und tippt
auf seinem Handy rum. Schreibt er etwa mir die SMS? Hollywood-Motels
sind bekannt als Stundenhotels und Dealer-Treffpunkte. Ich könnte mich einfach zu ihm an den Tisch
setzen, wir würden uns erkennen. Wir würden auf seiner Insel glücklich. Ich kann doch auch Französisch. Mein Kopfkino lässt keinen Kitsch aus. Und mein Verstand schämt sich. Er kommt zurück, geht
an mir vorbei und wünscht mir süß lächelnd (etwa dankbar für meine Diskretion?) eine gute Nacht.
Jetzt erkenne ich seine Ringe und Armbänder. Wer in Hollywood raucht sonst noch, hat denselben
Schmuck und sieht aus wie Johnny Depp, ohne es zu sein? Ich konnte endgültig nicht mehr schlafen.
Silke Bender grämt sich heute noch, dass sie Johnny Depp nachts traf und gar nichts passierte
Jubiläumsangebot für Frühjahrsbucher
7 Nächte so richtig Urlaub.
89
BAUPLAN
7
4
5
6
2
8
9
THG PARIS
1
3
DIE ARMATUR
PÉTALE DE CRISTAL
VON THG PARIS
In den Ateliers und Manufakturen werden weiterhin
Handwerkskünste gepflegt, und wir schauen zu
THG Paris ist ein Hersteller von edlen Badezimmerarmaturen und -accessoires und wurde 1950 von André Tetard, Julien Haudiquez und Alexandre Grisoni in Béthencourt-sur-Mer in Nordfrankreich gegründet. Die Armaturen werden in unterschiedlichsten Stilrichtungen angeboten und auf
Wunsch auch nach Maß hergestellt. 2013 präsentierten die Franzosen das Model „Pétale de Cristal“. Es ist in Zusammenarbeit mit der französischen
Kristallmanufaktur Baccarat entstanden. Wir haben uns die wichtigsten Entstehungsschritte einmal angeschaut.
1. Der Entwurf der „Pétale de Cristal“ wurde von Pierre-Yves Rochon, einem Pariser Innenarchitekten und Designer, gezeichnet. 2. Sobald der Entwurf steht, folgt die grafische Umsetzung am Computer. 3. Daraufhin wird ein Prototyp des Armaturauslaufes hergestellt. 4. Nun wird flüssiges
Messing – eine Legierung aus Kupfer und Zink – in die vorbereiteten Formen für die Wasserausläufe gegossen. 5. Eine Fräsmaschine fertigt die Rosetten und Blütenblätter, die an den Armaturknäufen angebracht sind. 6. Anschließend misst ein Messgerät die exakten Durchmesser der Armatur.
7. In einem galvanischen Bad folgt die Oberflächenveredelung. 8. Zum Schluss werden die Oberflächen des Auslaufes von Hand poliert. 9. Der
Knauf der „Pétale de Cristal“ ist aus schwarzem Kristall und der Form einer Lotusblüte nachempfunden.
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