März 2016 - Die Welt

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März 2016 - Die Welt
MÄRZ 2016
ICON
ICON
März 2016
Andere
Zeiten
GETTY IMAGES
Let the sunshine in!
J
aaaa. Wir wollen genau das. Diese gute Laune, die Lebensfreude. Die Blumen, die Sonne und so etwas Wohltuendes wie die
Amalfi-Küste. Selfies müssten nicht sein. Es hilft der Seele mehr, die schönen Dinge des Lebens direkt wahrzunehmen.
Diese Aufnahme entstand beim Schlussbild (keiner kann Finale besser) zur Frühjahrsvorschau von Dolce & Gabbana. Dass
die Models sich selbstverliebt fotografierten, gehörte zur ironischen Inszenierung. Die Mode der Italiener ist nichts für
zurückhaltende Gemüter, sie ist eine Mischung aus Heimatliebe, Kitschgen und Spieltrieb. Urlaub vom Dresscode. Deshalb
haben wir das Bild gewählt. Auch wir brauchen dringend eine Portion Übermut. Jenes Ventil für reale und diffuse Sorgen. Und wir
brauchen Licht, wir brauchen Blumen (in echt und anderen Materialien), wir brauchen Aufmunterung. Und daher haben wir es in
diesem Heft mal etwas krachen lassen. Tür auf, rausgehen, tief durchatmen. Und willkommen in der anderen Zeit.
AUF DEM COVER: An der Treppe im Restaurant „La Guarida“ in Havanna trägt Model Marique
ein Kleid von Gucci. Mantel: Calvin Klein. Schuhe: Bottega Veneta
IRMA Ihr Leitsatz: Immer neu, immer anders. Irma, geschaffen von Künstlerin und Autorin Jasmin Khezri, ist mehr als eine Illustration. Sie ist eine
Stellvertreterin, die mit und für Frauen durchs Leben geht. Auf Magazin-Seiten, in Anzeigen, im Internet, auf Versandkartons von OnlineHändlern. Ihre Reisen brachten sie irgendwann auch nach Japan, dort war man schnell so begeistert von ihr, von ihren Looks und ihrem Auftreten,
dass Firmen wie Hermès oder Shiseido sie als Testimonial buchten. Längst ist sie dort ein Superstar, der auf Billboards prangt und mit Ausstellungen
gefeiert wird. Ihre bislang längste berufliche Station verbrachte Irma beim „Glamour“-Magazin, doch mit IRMAS WORLD starteten Jasmin Khezri
und Irma 2010 ein ganzes Universum rund um die schönen Dinge des Lebens: eine eigene Plattform. Irma ist nun bereit für den nächsten Schritt. Sie
ist erwachsener geworden, hat viel gesehen, weiß, was sie will. Und sie will für Icon reisen, staunen, sammeln. Willkommen, liebe Irma! Seite 62
AUGUST WITTGENSTEIN
COVER: NIKO SCHMID-BURGK; MARIO TESTINO; PICTURE ALLIANCE(2); J.K.M.I.P.
August Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg trägt nicht mal einen Siegelring, seinen Titel schon gar
nicht. Für unser Schmuckshooting schmückte sich der 35-jährige Schauspieler dann aber doch mit Juwelen. Angstfrei zu sein, sich selbst zu fordern ist sein Credo. Mit 15 verließ er das heimische Siegerland, ging aufs Internat in Schweden. Die Sprache
konnte er schon, seine Mutter ist Schwedin. Es folgten Jahre in London, ein Studium in Washington, die Schauspielausbildung an der American
Academy of Dramatic Arts in New York. 2009 sah man ihn in einer Nebenrolle im Film „Illuminati“ mit Tom Hanks. Geerdet blieb er immer. Mal in
Schweden zu drehen reizt ihn mehr als Hollywood. Und: „Der erste Tipp, den ich angehenden Kollegen gebe, ist: Such dir eine Teilzeitbeschäftigung, mit der du deine Miete verdienen kannst.“ Er tat es als DJ in Los Angeles und bei Start-ups in Berlin. Jetzt ist dafür keine Zeit mehr. Seite 54
EMILIA SCHÜLE Die Diva steht ihr gut. Für unser Shooting haben wir die sonst eher uneitle („Ich mag Berliner Shabby Chic“) Emilia Schüle
mit prächtigem Schmuck ausgestattet, und sie scheint, ganz Diva eben, so gar nicht beeindruckt. Das zeichnet Emilia Schüle als gute Schauspielerin aus. Mit ihren 23 Jahren hat die Berlinerin eine beachtliche Karriere vorzuweisen. Ein Blick in ihren Dreh-Kalender: Im
Herbst ist sie mit „Lenalove“ im Kino, und mit „Charité“ und „Auf kurze Distanz“ im Fernsehen. Gerade beginnen die Arbeiten zu Markus Gollers
„Simpel“. Der Tanzverein in Schönefeld hatte sie mit sechs Jahren auf die Bühne gebracht. Die vierte Klasse übersprang sie. Was sonst soll man mit
einer anstellen, die wochenlang bei Dreharbeiten ist und trotzdem Einsen schreibt? Durch einen Talentworkshop kam sie 2005 zur Schauspielerei und
ergatterte drei Jahre später mit „Freche Mädchen“ ihre erste Hauptrolle – der Durchbruch. Mit „Ku’damm 56“ erobert sie die nächste Dimension.
IMPRESSUM ICON
Chefredakteurin: Inga Griese (verantwortlich) Textchef: Dr. Philip Cassier Redaktion: Caroline Börger, Heike Blümner, Nicola Erdmann, Julia Hackober, Jennifer Hinz, Silvia Ihring, Mira Wiesinger.
Korrespondentin in USA: Huberta von Voss. Korrespondentin in Paris: Silke Bender. Style-Editor in NY: Nadia Rath Autoren: Susanne Opalka, Esther Sterath, Andreas Tölke Praktikantin: Lara-Marie Nöh
Redaktionsassistenz: Ursula Vogt-Duyver, Rebecca Bülow Artdirektorin: Barbara Krämer Gestaltung: Maria Christina Agerkop, Delia Bob, Katja Schroedter, Daniela Seidler, Adrian Staude
Fotoredaktion: Julia Sörgel, Elias Gröb Bildbearbeitung: Thomas Gröschke, Liane Kühne-Kootz Lektorat: Matthias Sommer, Andreas Stöhr
Verlagsgeschäftsführung: Dr. Stephanie Caspar, Dr. Torsten Rossmann Gesamtanzeigenleitung: Stefan Mölling; Anzeigen ICON: Roseline Nizet ([email protected])
Objektleitung: Carola Curio ([email protected]) Verlag: WeltN24 GmbH Druck: Prinovis Ltd. & Co KG, Nürnberg Herstellung: Olaf Hopf
ICON ist ein Supplement der „Welt am Sonntag“, die nächste Ausgabe erscheint am 17. April 2016. Sie erreichen uns unter [email protected]
Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter www.axelspringer.de/unabhaengigkeit.
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Schmuckkollektion.
Entdecken Sie mehr.
ICON
NIKO SCHMID-BURGK(2)
MÄRZ 2016
Badewannen-Talk: Schauspieler August
Wittgenstein mit Hans Grohe Brausekopf am Ohr. Mit Kollegin Emilia Schüle
brillierte er für unser Schmuckshooting
(Seite 54). Rechts oben trägt er in der
Suite des Berliner Hotel Zoo einen
Seidenmantel mit Pelzbesatz von Gucci.
Armbanduhr: „Oyster Perpetual“ von
Rolex. Siegelring: Jochen Pohl
Ein Making-Of-Video gibt’s unter
welt.de/icon/schmuckshooting
AUSGEWÄHLT
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FRÜHBLÜHER
Unsere Stilexperten sind wie immer ihrer
Zeit voraus und verraten Tipps und Tricks
rund um die Welt der Blumen
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AUFGEBLÜHT
Icona und ihr Icönchen sind von Kopf
bis Fuß auf Frühling eingestellt
IM GRÜNEN BEREICH
Oben: Der Ring von
Catherine Sauvage ist für
Puristen. Unten: Sag’s durch
die Blume: Der Jahresring für
2016 von Wellendorff kommt
diesmal mit floralem Muster
daher. Auf Silber gemünzt:
Armband von Gucci
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FLO RIERENDES GESCHÄ FT
Wie die Australierin Simone Gooch
mit ihren Blumenarrangements London
eroberte
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GUT GEERDET
Wir sprachen mit der Bestseller-Autorin
Andrea Wulf über ihren abwesenden grünen Daumen, ihre Liebe zur Natur und den
möglichen politischen Einfluss von Gärten
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BROT UND TULPEN
Tage Andersen machte erst Karriere
als Konditor. Dann wurde er Gärtner.
Und was für einer. Wir haben ihn in
Kopenhagen getroffen
Stilblüten: Ohrschmuck von
Manuela Merk (Kamelie),
Breguet (Rose) und Georg
Jensen (Gänseblümchen).
Weil Mädchen Jungs mögen:
von Chanel gibt es die neue
Uhrenkollektion „Boy.Friend“.
Dieses Modell aus Stahl ist
mit Brillanten besetzt
MODE
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NEUE HERR-ANGEHENSWEISE
Philip Cassier kennt sich aus in der maskulinen Welt der Maßschneiderei. Doch diesmal ließ er sich von einer Frau umgarnen
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DAS BLÜHENDE LEBEN
Wir finden: Der Trend zu floralen Mustern
vermittelt Leichtigkeit in schweren Zeiten
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IRMA LA DO UCE
Blumen sind das neue „It-Accessoire“
behauptet die Kunstfigur „Irma“. Hier stellt
sie die schönsten Blumenboutiquen vor
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KUBA LIBRE
Mode, so farbenfroh wie ein bunter Cocktail, inszenierten wir auf Kuba. Ein Shooting
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Frischmacher: Die Beuteltasche
ist von Christian Dior, der High
Heel von Stuart Weitzman
Flower Power: Der Stiletto ist von Rupert
Sanderson via stylebop.com. Die Tasche von
Alexander McQueen gibt’s bei matchesfashion.com
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MÄRZ 2016
Flowers to go: Die Handtasche ist von Salvatore
Ferragamo. Das limitierte „Roll-on Eau Rose“ von
Diptyque gibt es bei niche-beauty.com
Boho, Baby! Bestickte Stiefelette von Laurence Dacade
über net-a-porter.com. Die Tasche ist von Gucci
SCHMUCK & UHREN
Blütenzauber: Sonnenbrille von Dolce &
Gabbana, Tasche von Kaviar Gauche
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HO CHBLÜTE
In der hohen Juwelierkunst zählen
Blüten zu den kompliziertesten Formen.
Wir haben ein kostbares Bouquet
zusammengestellt
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KÜHNE KLEINO DE
Zu schade für den Tresor und doch
wahnsinnig wertvoll: Susie Hoimes verkauft antiken Modeschmuck. Wir wollten
mehr wissen über Frau und Geschmeide
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O PA S LIEBLING
Diese Uhren sehen alt aus, sind aber neu.
Mit Retro-Modellen reagiert die Branche
jetzt auf den Smartwatch-Trend
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GA R NICHT DÄMLICH
Die Luxusuhrenindustrie hat eine neue
Zielgruppe für sich entdeckt und tut nun
einiges für modeaffine Frauen mit einem
gewissen Interesse an technischen Details
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SCHMUCKER TYP,
SCHILLERNDE LADY
Wir fotografierten glamourösen Schmuck
mit den beiden Schauspielern Emilia
Schüle und August Wittgenstein
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GRÜNES GLÜCK
Grün ist die Farbe der Hoffnung, heißt es.
Wenn man sich mit dem SmaragdGeschäft auseinandersetzt, erscheint die
Metaphorik aktueller denn je. Ein Besuch
bei „Muzo Emeralds“ in Kolumbien
Schönste Schattengewächse: Jacke von
Emporio Armani, Tasche von Coach
Geschmackvoll: Blütenmuster zieren jetzt auch Rucksäcke
von Eastpack. Die Rosenkekse sind von Crabtree & Evelyn
Kunst-Blumen: Die Tasche „Trunk“ ist von
Marni, die „Chucks“ sind von Converse
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RICHARD MILLE BOUTIQUE MÜNCHEN
MAXIMILIANSTRASSE 34
+49 171 627 1321
www.richardmille.com
Apfel-Tasche: Das appetitliche
Lederetui ist von Hermès
ICON
MÄRZ 2016
Beeren-stark: Die Erdbeer-Ohrringe
sind von Susa Beck, das Buch
„Ladys in Gummistiefeln“ ist ein
prima Gartenparty-Gastgeschenk
(Elisabeth Sandmann Verlag)
KOSMETIK
Ab ins Körbchen: Dieses ist aus Leder
von der dänischen Firma skagen.com.
Schuhe für’s Beet: Bunte Clogs aus
Naturkautschuk von Hunter
Für Blumenmädchen: Uniqlo kooperiert
jetzt mit Liberty London. Die fröhliche
Kollektion ist ab dem 24. März erhältlich.
Wiesentauglich: Schuh von Dr. Martens
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IM SA MEN DER ROSE
Unsere Beauty-Experten schwören auf
positive Effekte der Königin der Blumen.
Plus: Neues aus dem Kosmetikregal
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IM MA ISO N DES MEISTERS
Am liebsten spricht er durch seine Parfüms.
Oder, wenn mal ganz real, dann über das
Leben. Ein Besuch bei Serge Lutens in
seinem Haus in Marrakesch
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I’ VE GOT THE FLOWER
Diese sieben Kosmetikprodukte bedienen
sich alle an der Kraft von Blüten
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EIN BUCHSTÄBLICH
A PPETITLICHER DUFT
Caroline Börger folgte einer Duftspur nach
Paris, wo sie die neue Parfümeurin von
Hermès traf – und dort verstand sie immer
nur Rhabarber, Rhabarber, Rhabarber ...
Häuschen Kunterbunt: Badekabine von Weishäupl (über pavilla.de). Es grünt so grün: Nagellack „Garden“ von Dior
GESCHICHTEN
Weil Icona viele Liebhaber
hat, haben wir ein bisschen
gebastelt: Mit der „Combyne“-App (für Android und
iPhone) lassen sich nun ihre
Looks (diesmal Seite 30)
ganz einfach nachkaufen
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ERGEBNISO RIENTIERT
Kris Ruhs hält wenig von Selbstinszenierung
und konzentriert sich lieber auf seine Kunst
und den Kosmos rund um die „10 Corso
Como“-Geschäfte. Das zahlt sich aus,
findet Andreas Tölke
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GRÜNER SALO N
Jetzt können wir es bald wieder bewohnen,
unser liebstes Zusatzzimmer. Schönste
Gartenmöbel, die selbst unwirschem
Wetter widerstehen
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BILDERBUCH
Jacques-Henri Lartigue war lange nur für
seine Schwarz-Weiß-Fotografie bekannt.
Nun zeigt ein neuer Bildband eine ganz
andere Schattierung seines Lebenswerks
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GLO BAL DIARY
Diesmal geht es in ein Bed & Breakfast
nach Rom, ins „Les Trois Rois“ nach Basel
und nach Dresden ins „QF Boutique Hotel“
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GRÜNKO HLCHIPS
ZU GÄNSEWEIN
Kein Schatten auf der Kur: Wir reisten ins
Resort „Verdura“ nach Sizilien
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DER BAUPLA N
Wir sahen dabei zu, wie ein klassischer
Pumps von Dior entsteht
Aufstiegschancen:
Die sogenannte
Kräuterleiter
„Normandie“ ist von
Garpa. Volle Kanne
gut: die Gießkannen-Lichterkette
gibt’s bei Depot
Statt Picknick-Korb: Tasche
von „Michael“ Michael Kors.
Gartenduft: „Jannat“ von
Memo Paris (meinduft.de)
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STILISTEN
TIM WALKER/ TENEUES VERLAG
BLUMEN, BLÜTEN, BEETE – UNSERE LIFESTYLEWEISEN HABEN EINEN GRÜNEN DAUMEN
ZURÜCK ZUR NATUR
Emmanuel
de Bayser
Mitbesitzer von
The Corner
Berlin
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Als wir vor zehn Jahren unser erstes Geschäft eröffneten, waren 80
Prozent unserer Auswahl in Schwarz mit gelegentlichen Aufhellungen in Grau und Weiß. Wenig Farben und noch weniger Muster.
Die Ästhetik war urban, kalt und effizient. Für romantische, fantastische Ideen gab es wenig Platz. Die erfolgreichen Designer setzten alles auf klare Linien, futuristische Formen und vorzugsweise
technische Materialien. Kurzum, der Zeitgeist ließ wenig Raum für
das Organische oder für Inspirationen aus der unglaublichen Vielfalt und Schönheit der Natur. Ein Jahrzehnt später ... Eine wahre
Explosion an Farben und Formen. Blau? Aber bitte, in allen Schattierungen: vom Königsblau, über Baby Blue zu Yves-Klein-Blau bis
zu Türkis. Ein bisschen Rosa? Fuchsia, Shocking Pink, Bubble
Gum- und Neonpink! Die Farben des Regenbogens! Und dann die
Muster! Arche Noah und Brehms Tierleben: Tiger, Löwen, Affen,
Katzen, Hunde, Elefanten, Schlangen, Schmetterlinge, Bienen –
von Gucci über Valentino, von Givenchy zu Loewe, Frauen und
Männer reißen sich um alles mit animalischen Motiven. Weder
Fauna noch Flora wurden vergessen. Man befindet sich in einem
Gemälde von Rousseau, einem „Jardin Anglais“ oder in den Hängenden Gärten von Babylon ... Blumen und Pflanzenmuster bei allen Designern wie Dries Van Noten, Saint Laurent oder Sacai. Der
Showroom von Céline, vor einiger Zeit noch sehr minimal, ist jetzt
angefüllt mit Blumen und Pflanzen jeglicher Art. Beim Abschiedsdefilee von Raf Simons bei Dior vor ein paar Monaten gab es einen
ganzen Berg aus Blumen. 400.000 blaue Blüten im Carré du Louvre! Das Werk des französischen Bildhauers Lalanne mit seinen
Tiermotiven erlebt ein unglaubliches Revival. Wer möchte nicht
gerne eines seiner wunderschönen Schafe in seinem Wohnzimmer
stehen haben? Oder die schönen Landschaftsaufnahmen in Ale-
Abfahrt:
Rosenbeet
Wer die Mode zu Ernst nimmt, verliert den Spaß an
ihr. Modefotograf Tim Walker träumt sich lieber
davon. Setzt etwa Model Lily Cole und Kolleginnen in Tüll und Rüschen nach dem Landausflug im
Rosenbeet ab. Falsche Ausfahrt? Nein, genau richtig. Mehr Faszinierendes von Tim Walker gibt’s im
Bildband „Pictures“, TeNeues Verlag.
Hoppla! Dürfen wir
vorstellen? Das ist
Benjamin, der
neue Jahreshase
VON FÜRSTENBERG
jandro Gonzáles Iñárritus Meisterwerk „The Revenant“. Lifestyle,
Mode, Interieurs, Henry David Thoreaus „Zurück zur Natur“ oder
zumindest das Verlangen danach, scheint stärker denn je zu sein.
Eine wahre Notwendigkeit. Eine Antwort auf die Klimaveränderung und einen urbanen Lebensstil, umgeben und besessen von
Technik und Maschinen. Wir müssen die Natur wieder mehr in unseren Alltag integrieren: Ein leicht verwelkter Strauß, eine BlumenTapete, eine gestickte Biene auf unserer Jacke ... Wie sagt ein altes
französisches Sprichwort? „Jage die Natur und sie kommt im Galopp zurück“.
muzo.co
KARL LAGERFELD/STEIDL
POWER OF
FLOWER
Dauerblüher
Mit Fotos ist es wie mit Sträußen, nur das Beste gehört hinein. In diesem Fall: Models
wie Lara Stone, Cara Delevingne oder Linda Evangelista, feinste Haute Couture und Karl
Lagerfeld hinter der Kamera. Auf den Covern des französischen Modemagazins „Numéro“
blühen bekannte Models zu Bestform auf. Das Fotobuch „Numéro Couture by Karl Lagerfeld and Babeth Djian“ feiert 15 Jahre Kollaboration in 167 Bildern. Steidl Verlag
DER PRAKTISCHSTE
PYJAMA
Nach Oscar! Nach Aftershow-Partys.
Nach Warten auf Leo di Godot. Ich
schlendere schnupfig im BrioniSmoking durch den Blumen-Dschungel des Beverly Hills Hotels zu meinem Mini-Bungalow 1 C.
Hollywood-Weisheit: Schlaf ist der
neue Sex! Der praktischste Schlaf-
David
Blieswood
PRIVAT
Connaisseur
aus Hamburg
anzug der Welt? Das
Handwerker-Outfit der
amerikanischen KultArbeiter-Firma „Carhartt“
(seit 1889 – „Honest value for an
honest Dollar“). Ein genialer Baumarkt-Pyjama (ca. 80 Euro). VIPFan: Kino-Legende Harrison Ford
(73; Pilot, Schreiner).
Der Witz: Fünf Taschen und noch
eine Schlaufe für den Hammer!
Lass nachts mal was sein. Aber
sexy ist anderes. Pyjamas sind die
Smokings des Betts. Nackt ist jung.
50 plus ist cool. Boxer Shorts und
T-Shirt. 60 plus = Camouflage!
Kuschlig – Flanell Kimono von
Muji. Seide ist geil, aber irgendwie
Wir sind Blumenkinder. Und das meinen wir im
Wortsinn. Für uns gibt es nichts Schöneres, egal
ob auf einer Wiese, auf Märkten oder in unserer
Wohnung. Draußen sind wir begeisterte Zuschauer, zu Hause legen wir selber Hand an. So
klar und reduziert unser Wohnstil auch ist, angesichts unseren vielen (wirklich vielen) Vasen kennen wir kein Halten. Die totale Experimentierfreude ist angesagt. Immer
wieder stolpern wir über etwas Unbekanntes, Ungesehenes – oder lassen
uns von gewagten Arrangements
überraschen. Jede Art hat ihren eigenen Charme – vom zarten Schneeglöckchen bis zur flamboyanten StreJohnny Talbot
litzie. Dass wir hier so nonchalant
& Adrian
Namedropping betreiben, hat übriRunhof
gens nichts mit botanischem FachwisDesigner-Duo
sen zu tun... Wir wollen nur nicht völlig des Münchner
Modelabels
unwissend erscheinen. Fakt ist: Die
Talbot Runhof
wenigsten Blumen kennen wir beim
Vornamen. Ein typischer Einkauf geht
deshalb ungefähr so: „Wir nehmen die da und die
gelbe da drüben und die mit den lustigen Fransen
bitte auch.“ Kurz: Florales nehmen wir ästhetisch
und olfaktorisch wahr, nicht intellektuell.
Auch Fragen nach unserem grünen Daumen
erübrigen sich. Nach jedem Defilee beschenkt
uns John Demsey von MAC Cosmetics mit
Orchideen zum Niederknien. Ihr Schicksal ist
hart: ein langsames Dahindämmern und Dahinwelken auf unseren Schreibtischen. Bis wir sie in
letzter Minute auf die Intensivstation (unsere
Buchhaltung) verlegen, wo sie liebevoll und mit
großem Erfolg wieder hochgepäppelt werden. Bis
dahin steht aber glücklicherweise schon die
nächste Saison an und wir bekommen Nachschub.
Natürlich spiegelt sich unsere Passion auch in den
Kollektionen wider. Flowerprints waren schon
immer ein wichtiges Element bei uns – mal konkret, mal abstrakt, mal en gros, mal en détail.
Dazu verfremden wir selbst gemachte Fotos und
Skizzen und experimentieren, was der Digitaldruck hergibt. Blüten sind modisch gerade nicht
en vogue? Let’s change it.
PS: Was wir ganz bezaubernd finden: In immer
mehr Hotels kann man gleich bei der Buchung ein
Bouquet auf’s Zimmer bestellen. Und auch die
Lufthansa serviert in der First Class mit Blümchen-Dekoration. Allein deshalb würden wir gern öfter so erstklassig
fliegen. Liebes Controlling, ist
das bitte drin?
retrogeil. Weiß ist engelhaft, blau
ist ewiger Boy. Und nachts ist es
eh dunkel.
Nein – Frau Blieswood sieht und
spürt alles. Anziehen zum Ausziehen.
Ab 30 Grad (Miami-Mallorca) ist
alles wieder nackt – XL – wie früher.
PS: Warum gibt’s noch keinen Sansibar-Pyjama, Herbert?
Wer schon nicht
auf Händen
getragen wird,
sollte
wenigstens
auf Rosen sitzen.
Stuhl „Bouquet“
von Moroso
G I B T ’ S E T WA Ü B E R
I C O N I S T. D E
ARMANI.COM
Edelsteine sind wahre
Überlebenskünstler. Weder
Kälte, Hitze oder gar die
Zeit selbst können ihnen
etwas anhaben. Besitzerwechsel übrigens auch
nicht, zeigt der TurbanDiamant des Maharadscha
von Nawanagar von 1907.
Die Ausstellung „Bejewelled Treasures: The Al Thani
Collection“ gibt noch bis
10. April Einblicke in die
Sammlung des ehemaligen
Staatsoberhaupts des Emirates Katar, Al Thani.
(Victoria and Albert
Museum, London)
H. MOSER
OHNE BLING
Es mag ein wenig überraschen, dass jemand wie
ich, der Popmusik macht,
eine Uhr für eine Schweizer Manufaktur designt.
Aber es gibt mehr Gemeinsamkeiten in den
schöpferischen Prozessen, als man vermuten
würde. Sicher – wenn ich
einen Song aufnehme,
dann ist es ganz beBryan Ferry
stimmt nicht mein Ziel,
Popstar und Hobby-Gärtner
eine limitierte Auflage zu
machen, wie das bei meinem Modell für H. Moser
& Cie. der Fall ist. Und das Popgeschäft gilt gemeinhin als schnell. Was die beiden Tätigkeiten
allerdings eint, ist Folgendes: Man braucht viel
Zeit, um ein gutes Ergebnis zu erhalten. Wenn ich
an einem Lied arbeite, dann habe ich zuerst eine
Melodie im Kopf, das ist so etwas wie ein emotionaler Kern. Die variiere ich anschließend auf dem
Klavier, dann schlafe ich drüber, und wenn sie mir
dann immer noch gefällt, gehe ich alles erneut
durch und denke über den Text nach. Im Tonstudio sind noch einmal viele Stunden nötig, um das
Material einzuspielen und abzumischen, damit jedes Detail stimmt. Genau dieses Feilen an Details
ist es, was auch im Mittelpunkt steht, wenn man
eine hochwertige Uhr baut. Ich wollte kein großes
Modell, kein Bling, denn ich mag es schlicht, klassisch und diskret – und habe dann zunächst mit
dem CEO Edouard Meylan gesichtet, was Moser
in seiner langen Vergangenheit gebaut hat. Ein
bisschen davon soll sich in dem Stück widerfinden, obwohl es uns Heutigen natürlich auch etwas sagen muss. Ich
TRENDBAROMETER
VON WOLFGANG JOOP
Herr Haka
„Sag mir wo die Blumen sind“
sang Marlene Dietrich. „Über
Gräbern weht der Wind ...“
Das hatte nichts Romantisches, auch wenn ihre Stimme so elektrisiert. Und doch
blüht es eben auch auf Gräbern, ganz so, als seien Kriege und Blumen kein Widerspruch. Und wie oft haben
Kinder Soldaten Blumen
gebracht! Diese eigenartige
Verknüpfung erleben wir
derzeit auch in der Mode, die
Blumenorgien und MilitaryLook hinausschickt.
UND SONST NOCH
FIFFI FOREVER: „Je besser ich die Männer kenne, desto lieber mag ich Hunde“, schrieb
einst Anne Louise Germaine de Staël (1766 1817). Wem die französische Intellektuelle
damit aus dem Herzen spricht, der kann sich
nun bei dem Münchner Juwelier Sévigné den
geliebten Vierbeiner in einem individuellen
Schmuckstück verewigen lassen. Gleiches
gilt freilich für Katzenliebhaber. Kontakt:
Tel. 089/296072 — SISTER ACT: Die beiden
Schwestern Laetitia und Katia Belmadani, die
Gründerinnen der Charity Initiative „One
Million Sisters“, haben gemeinsam mit der
Marke Manu Atelier
ein Charity-Armband
entworfen, das auf
stylebop.com
angeboten wird. Der
Gesamterlös kommt
drei Wohltätigkeitsorganisationen zugute, die sich für Frauen stark machen.
SÉVIGNÉ
SERVETTE OVERSEAS LIMITED,2014. PRUDENCE CUMING ASSOCIATES LTD
Wüstenschätze
habe mit Edouard ständig in Kontakt gestanden,
weil er die Expertise hat – aber er hat mir in die
Entwürfe nicht hineingeredet. Auch die Tatsache,
dass mein Name klein auf dem Zifferblatt steht, wo
sich normalerweise das „Swiss made“ findet, geht
auf ihn zurück. Und glauben Sie mir: Gerade
weil die Uhr so wenig Elemente hat, war
es besonders anspruchsvoll,
Frau Dob
Du meinst die Schultern,
die Vetement grad in Paris
zeigte und die so breit waren,
dass man damit ein ganzes
Dorf verteidigen könnte?
Boudoir war gestern. Bemerkenswert, dass ausgerechnet
Donatella Versace, als alle
noch in Lingerie machten, für
diese Saison die Bewaffnung
des Alltags entdeckte und
eine wohl auch sehr erfolgreiche Military-Kollektion
entworfen hat. Der etwas
frivole Umgang mit einem
ernsten Thema. Kommt uns
das nicht wie gerufen?
die Bestandteile in eine gute Balance zu bringen.
Wir Männer haben ja kaum eine Möglichkeit, Accessoires zu tragen – insofern ist die Uhr wohl ein
Ausdruck der Persönlichkeit. Und es ist ein schönes Gefühl, die Zeit am Handgelenk ablesen zu
können. Das ist etwas ganz anderes als im
Smartphone. Ich bin jedenfalls sehr dankbar für
dieses Projekt.
HERMÈS - DIE WEITE DER NATUR
Green
thumbs up!
Keiner geht im Garten akribischer vor, als
die Engländer. Zum Jahr der Englischen
Gärten, 2016, ist die Welt eingeladen, sich
genau davon zu überzeugen – im Grünen
versteht sich. Designer Paul Smith empfiehlt einen Abstecher in die „Great Dixter
Gardens“ im Süden Englands. Zu weit?
Kein Problem. Landschaftsarchitekt Luciano Giubbilei hat seine schönsten Arbeiten,
unter anderem in Dixter, im Bildband
„The Gardens of Luciano Giubbilei“
(Merrell Publishers) verewigt.
Ich bin umgeben von Blumen aufgewachsen. Absurd, wenn man bedenkt, wie stark ich unter Heuschnupfen leide – aber passend, sowohl mein Vater als auch mein Großvater waren Floristen. Ich
habe ihren grünen Daumen nicht geerbt, weiß
aber die Schönheit von Flora in jeder Hinsicht zu
schätzen. Als ich ein Kind war, fuhr meine Mutter mit uns mindestens einmal in
der Woche zum Wochenmarkt. Immer
war ich fasziniert: von den lustigen Nüsse aus Brasilien, das erste Mal eine echte
Ananas sehen – und verstehen, dass sie
nicht in der Dose wächst. Und wie
macht man eigentlich Erdnussbutter ohChris Glass
ne Zucker? Für meine Mutter war es
Membership
wichtig, dass wir frisches Obst und GeDirector
müse, möglichst aus der Umgebung,
Europe
Soho House &
aßen. Sie war Verfechterin dieser LeCo aus Berlin
bensweise, lange bevor es zum HipsterTrend wurde. So haben wir das halt im
Süden der USA gemacht.
Meine Oma hatte ein eigenes Gewächshaus, eine
gigantische Konstruktion aus Glas und Plastikflicken. Drinnen: ihr tropisches Paradies. Mit einer
Gasheizung hielt sie das Gewächshaus auch über
den Winter warm, sodass sich Tropfen den Weg
24
ANDREW MONTGOMERY
FLOWER
FAMILY
entlang der Wände suchten und manchmal auf
meinem Kopf landeten. Ich schlenderte von Reihe
zu Reihe die Tische entlang und betrachtete ihre
kleinen Schätze. Die Tische schienen sich unendlich in die Ferne zu strecken, bepflanzt mit jeder
Art von Pflanze und Strauch, die man sich nur vorstellen kann. Oft spielte ich mit der Katze, die ihren Weg auf der Suche nach Ruhe vor den schreienden Kindern im Garten hereinfand. Und
manchmal versteckte ich mich mit ihr, genoss sowohl die Einsamkeit als auch das Gefühl des stillen
Lebens um mich herum. Mein Opa verbrachte
Stunde um Stunde im örtlichen Blumenladen, wo
er Sträuße und Gestecke band. Er hatte immer ein
Pfefferminzbonbon in der Tasche, ein Lächeln auf
dem Gesicht und einen Witz auf Lager. Mit jedem
Fremden sprach er auf die gleiche Weise wie mit
einem guten Freund.
Papa, wie wir ihn nannten, brachte uns manchmal
Übriggebliebenes von der Arbeit mit. Oft waren
es einfache Nelken- oder Rosensträuße, einige
Male auch Grabgestecke. Von ihm lernte ich die
Namen der Blumen und wann sie blühen. Floristik
schien ihn nicht wegen der Ästhetik zu interessieren, es war mehr eine Art der Kommunikation. Es
So wird der Sommer – oder wie
ihn Tommaso Aquilano und
Roberto Rimondi für Fay sehen
gab Blumen für viele verschiedene Anlässe. Ob
Geburt, Tod oder Liebe – Papa kannte sie alle und
bediente sich der Blumen so selbstverständlich wie
andere Menschen einer Sprache.
Samstag früh nahm mein Vater uns zu einem Geschäft für Kunstblumen mit. Anders als mein
Großvater arbeitete er mit diesen filigranen künstlichen Gewächsen, die echten Blumen oft sehr
nahkamen – wenn man sie gelegentlich vom Staub
befreite. Wir spielten in den Kartons und versteckten uns in den dunklen Ecken des Ladens, während
er Tigerlilien, Maiglöckchen und andere Blumen
auswählte, die er für seine Arrangements brauchte. Er war gut darin, und die Nachfrage groß – insbesondere von meiner Mutter. Manchmal waren
sie gewagt zusammengestellt und manchmal wie
eine Art architektonisches Kunstwerk. Wunderschön. All diese bunten Blüten, zusammengebunden mit einem Draht und in einen einfachen Styropor-Block gesteckt. Die Kreativität meines Vaters überwältigte mich. Wie gesagt, ich habe keinen grünen Daumen.
Also verlasse ich mich auf Ruby, meine Floristin,
die meine Kakteen und meinen Feigenbaum gedeien lässt. Zusätzlich füllen wir meine verschiedenen Vasen mit einer absurden Menge an frischen
Schnittblumen vom Markt. Wenn dann alles an
seinem Platz ist, im Raum verteilt, auf dem Regal
oder neben meinem Bett, könnte ich vor Freude
seufzen. Noch immer ist es diese stille Lebenskraft, die mich verzaubert. Man kann einen Jungen aus einem Blumengeschäft holen, aber du
kannst dem Jungen nicht die Blumen austreiben.
HERMÈS - DIE WEITE DER NATUR
Alice auf
Abwegen
THANASSIS KRIKIS
Gute Nachrichten: Alice
hat den Weg aus dem
Wunderland gefunden.
Nun hängt sie im Rokoko-Labyrinth fest. Fotograf Thanassis Krikis
schoss das Beweisfoto
mit Namen „Tempest“.
Einen Abzug der auf 150
Stück limitierten und
signierten Sonderedition
gibt’s auf lumas.de.
zeitig für verschiedene HeiliGeliebter Frühling, ich gehe HOW TO ART – TEIL IX:
ge, sie sind uns Vorlagen für
nun heute zum ersten Mal in
mal mehr, mal weniger ästhetiden Garten, mit Werkzeugen
sche Kunstwerke, denn Kunst
bewaffnet, und werde, wenn
ist, was man daraus macht,
nötig, an den grünen Schössund dann stehen wir Pessimislingen zerren, bis sie endlich
ten in der Natur herum und staunen jedes Jahr
anfangen zu sein, was sie versprechen. Der
aufs Neue, mein meisterhafter Frühling, was Du
Gärtner in mir greift zur Heckenschere, der besaus ein bisschen Sonne, Erde und Samen so alles
ten Freundin des Gärtners, in der Hoffnung den
wiedererschaffst. Das Synonym der Aufersteerfrorenen Rosenästen neues Leben einzuhauhung bist Du. Wir sind und bleiben doch immer
chen. Welch’ unzulängliches Werkzeug wir
nur schwächelnde Nachahmer. Wie musst Du
Menschen sind.
uns belächeln, werter Freund, wenn wir uns mit
Es dauert wie immer viel zu lange, dass wir Dich,
Pinsel und Farbe mühen, mit Stoffen und WerkFrühling, als gegenwärtig betrachten dürfen. Du
zeugen, den Blumen ans Leder zu gehen, sie uns
machst es uns nicht leicht, denn ein paar verirrte
anzueignen, zu pressen, hinter Glas zu sperren,
Blumen gaukeln uns vor, Du seist schon da, dazu schnitzen und zu drucken, vor allem sie zu
bei friert es immer noch, und wenn
wandeln, damit wir nicht an ihrer Schönheit sterDu, sehnlichst erwarteter Zwitter,
ben, Natur zu Kunst und Kunst aus Natur zu manicht Winter, nicht Sommer, aber von
chen. Wir würden alles geben, einmal so bewunbeidem etwas im Handgepäck, fühldert zu werden wie Du. Trotzige Pracht, wie die
bar und messbar da bist, dann reist
Narzissen im Schnee, lehrst uns Demut, den AuDu meist schon wieder ab. Winterlingenblick zu lieben, denn verweilen wirst Du
ge und Schneeglöckchen, Krokusse
nicht, deshalb versuchen wir uns weiter daran,
und
Narzissen,
Hyazinthen
und
ZauFlorentine
wenigstens die Blumen festzuhalten, zu verewibernuss
sind
Deine
Botinnen
einer
Joop
gen, abzubilden. Ich scheitere schon bei dem
schöneren
Zeit.
Frühling
ist
nicht
llustratorin
Gedanken daran, aber nur Mut, werte Kollegen!
Sommer,
eine
Rose
macht
noch
keiund Autorin
Und jeder weiß, dass eine Rose eine Rose ist,
in Berlin
nen Garten, eine Erwartung macht
und nichts weiter will sie sein, für den einen
noch keine Tatsache.
Augenblick. Du weißt das, Frühling, ich weiß.
Gertrude Steins Gedicht: „Sacred Emely“ ist uns
ja nur als winziger Teil bekannt, der mit der Rose,
die eine Rose ist, die eine Rose ist. Die eine Dame ist, die Rose heißt. Dabei geht es doch eigentlich immer um den Schein des Seins. Da
bist Du, mein lieber Frühling, einfach prädestiniert, denn wann bist du schon, was Dein Name
uns verkündet.
Wir versuchen immer wieder in der Kunst die
VON AURÉLIE BIDERMANN FINE
Blumen heranzuziehen. Die Niederländer beJ E W E L R Y Ü B E R S T Y L E B O P. C O M
nutzen sie als Symbole für Eitelkeit und gleich-
GETTY; F. JOOP
To rose
Glückskäfer tragen
jetzt Rubine
Seit je gelten Blumen als Zeichen der Liebe, des
Verliebtseins oder schlichtweg als höflicher, althergebrachter Brauch beim Besuch einer anderen
Person. Bereits im 15. Jahrhundert
finden sich opulente Stillleben und
beinah fleischig wirkende Blütenblätter
an prächtigen Stängeln in kunstvollen
Vasen oder Krügen, oftmals in Kombination mit neckischen Insekten,
einem halb geleerten Glas Wein oder
einem kleinen Reptil – die Vielfalt und
Nadine Dinter
Darstellungsbandbreite dieses InInhaberin einer
begriffs von Vanitas kannte keine
PR-Agentur für
Grenzen und wurde in kürzester Zeit
Kunst, Kultur und
zu einem festen wie populären Genre
Marken in Berlin
innerhalb der Malerei.
Die Erfindung der Daguerreotypie um 1830 war
zugleich der Startschuss für die fotografische
Blumeninszenierung. Was Pioniere wie William
Henry Fox Talbot, Imogen Cunningham und Karl
Blossfeldt begannen, wurde durch zeitgenössische Fotografen wie Robert Mapplethorpe, Nobuyoshi Araki, Paul Solberg oder gar Regisseur
David Lynch fortgeführt. Mal als klassisches
Porträt, mal als Polaroid oder als Fotogramm; im
Raum schwebend oder als beinahe greifbares
Close-up. Mein aktueller Favorit sind die Blumenstudien, mit denen die brasilianische Fotografin
Luzia Simons bekannt wurde. Mithilfe eines Scanners belichtet sie die Blumen und erschafft so eine
detailgenaue Abbildung, einschließlich Beschädigungen, Zeichen des Verfalls, Maserung und
Struktur. Ab dem 3. Juni lasse ich mich daher
von der Wahlberlinerin Simons und ihrer 8teiligen Serie „Stockage“ verzaubern. Als Hommage an Eros und Thanatos zeigen ihre großformatigen Scannogramme im hochherrschaftlichen Innenhof des Pariser „Hôtel
de Soubise“ den Verlauf von der Blütenpracht bis zum Niedergang der floralen Komposition. Noch bis zum 18.
September; weitere Informationen
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Schöner
Schmetterling
Dass Modefotograf Patrick Demarchelier
auch mal im „Raupenstadium“ mit kleinen
Schnappschüssen begann, ist heute kaum
mehr vorstellbar. So perfekt sind seine
Bilder inszeniert. Selbst flatterhafte Wesen
bringt er in Pose. Größen wie Jennifer
Lawrence, Nicole Kidman oder das ukrainische Model Viktoriya Sasonkina hatte er
schon von der Linse. Sein Sohn Victor tut
es ihm gleich. Camera Work, Berlin, vereint noch bis 7. Mai über 60 Arbeiten von
Vater und Sohn in einer Ausstellung.
VICTOR DEMARCHELIER
UND SONST NOCH
FRED MERZ/REZO.CH
ZEIG MIR
DEINEN GARTEN
Schon viele Gärten haben mich inspiriert. So zum
Beispiel der Jardin Majorelle in Marrakesch. Aber auch
die japanische Gartenkunst hat auf mich eine geradezu
meditative Wirkung. Doch auch ein bunter Bauerngarten
hat seinen Reiz. Ich denke, man kann sich aus jedem
etwas abschauen, um dann seinen ganz persönlichen
Rückzugsort zu schaffen. Für mich muss ein Garten vor
allem lebendig sein. Er darf nicht erstarrt wirken. Ich mag
es nicht, wenn man sich wie auf einem Golfplatz fühlt.
Meiner ist so groß, dass ich froh bin, bei
der Pflege unterstützt zu werden, aber
gern ziehe ich mir selbst die Gummistiefel an. Man könnte sagen, dass mich
mein Garten erdet. Im Wortsinn. Und ja,
die Natur ist für mich der größte und
kreativste künstlerische „Lehrmeister“.
Diese unzähligen Formen und Farben …
Im Garten kann ich damit spielen, mich
daran erfreuen und plötzlich weiß ich, wie
ein neues Schmuckstück aussehen wird.
Meine Lieblingsblume ist übrigens die
Caroline
Rose, mein Garten beherbergt teilweise
Scheufele
sehr exotische Züchtungen. Mein Herz
Co-Präsidentin
hängt besonders an einer seltenen, alten
und Kreativdirektorin
Teerosen-Züchtung, die mir ein sehr
von Chopard
lieber Freund geschenkt hat. Und sollten
Sie mal eine Gartenparty schmeißen:
Lassen Sie sie im und nicht nur mit Blick auf den Garten
stattfinden. Am besten barfuß, dann haben auch HighHeels-Trägerinnen, zu denen ich ja auch zähle, keine
Probleme. Außerdem verbindet das Thema „barfuß“
und man hat gleich ein Gesprächsthema …
AUGEN AUF: Bei Dolce & Gabbana lässt
man sich vom sizilianischen Puppentheater inspirieren. Die Wahl des
Materials
fällt
daher, klar, auf
Noce canaletto,
Walnussholz. Heraus kommt eine handbemalte Sonnenbrille mit MiniaturReliefs im Kästchen mit dem CarettoDruck. Die bunten Brillen sind auf 100
Stück limitiert und in Dolce & Gabbana
Boutiquen erhältlich (etwa Maximilianstraße 11, München)— FRISCH VOM FELD kommt diesmal kein Gemüse, sondern die Blumen von Bloomon. Einfach online zwischen drei
Größen wählen und schon kommt der Strauß (auf Wunsch auch mit passender Vase) direkt nach Hause(bloomon.de). Gibt’s auch im Abo.
ZWISCHEN PFERDEN
UND KASTAGNETTEN
Beflügelt das
Frühlingsgefühl:
Bei
Van Cleef &
Arpels lässt man
sich seit den
20er-Jahren von
Schmetterlingen
inspirieren.
B R O S C H E „ PA P I L L O N “
AUS WEISSGOLD,
DIAMANTEN, LAPISLAZULI
UND SAPHIREN
Kahl sieht es derzeit noch auf den deutschen Weinbergen
aus. In Spanien ist der Wein bereits aus seinem Winterschlaf erwacht, blüht und lädt Biene und Co. zum Imbiss
ein. Und nein, gemeint ist zur Abwechselung nicht die
Weinregion La Mancha, südlich von Madrid. Im Süden
Spaniens, da wo der Lokalmatador seit Jahrhunderten
Sherry heißt, liegt das Weingut Huerta de Albalá. Die
Böden ähneln jenen um Bordeaux. Eigentlich doch beste
Vorrausetzungen für einen guten Rotwein,
dachte sich Inhaber Vicente Taberner Carsi
und packte den Stier sprichwörtlich bei den
Hörnen. 15 Jahre Erfahrung im Weinexport
zahlten sich aus. Inmitten von Weiden, bevölkert von schwarzen Ibérico-Schweinen, Pferden und Stieren, gedeihen nun auch Syrah,
Herbert
Cabernet und Merlot unter andalusischer
Seckler
Sonne. In der Ferne klappern die Kastagnetten,
Kultwirt
und man selbst genießt Aussicht und Abendvom Sylter
sonne bei einem Glas „Taberner Nr. 1“. Ein
„Sansibar“
opulenter Syrah mit Aromen von Eukalyptus,
Brombeere und Mokka. Sicherlich einer der besten Rotweine Spaniens. Die Finca wurde übrigens auf einer alten
Römersiedlung errichtet. In Sachen Wein hätten die von
Herrn Taberner Carsi noch was lernen können: Die Römer
bevorzugten ihn nämlich lieblich und mit Wasser verdünnt.
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Lady unter Gentlemen
Londons Savile Row ist eine Männerbastion. Doch nun hat sich mit
Kathryn Sargent erstmalig eine Frau in ihrem eigenen Atelier unter den
Herrenschneidern durchgesetzt. Zu Besuch bei einer Unbeugsamen
Sie vermisst den Körper des Kunden – und die Seele gleich mit: Kathryn Sargent
32
sehr einträgliche Tätigkeit – und sie fällt nur
auf, wenn sie schlecht ausgeführt ist.
Die Kundschaft großer Häuser besteht außerdem zu 90 Prozent aus Männern. Das gibt den
Zuschneidern, die sich als Architekten der
Kleidungsstücke definieren, immer das Argument: Ein Mann will sich erfahrungsgemäß
nicht von einer Frau vermessen und bei der
Anprobe anfassen lassen. Also lassen wir’s besser, wie es ist. Kathryn Sargent amüsiert es,
wenn sie mit solchen Dingen konfrontiert
wird. Weil sie weiß, dass kaum männliche Kollegen dafür ausgebildet sind, für Frauen zu
schneidern. Sie hat 30 Prozent Kundinnen: Jene Klientel, die mit der Qualität dessen nicht
zufrieden ist, was sie von der Stange bekommt
– und bereit ist, für ein Kleidungsstück bis zu
vier Anproben in Kauf zu nehmen. So gebietet
es der Standard, den Sargent kennengelernt
hat, und da kennt sie keine Kompromisse: „Kathryn ist fantastisch, sie geht immer ihren
Weg“, sagt ihr grauhaariger Mentor Philip
Parker, lange Chefschneider von Henry Poole.
Das sagt einer wie er, der seit mehr als 50 Jahren im Geschäft ist, bestimmt nicht oft.
Diese Unbeugsamkeit kann man als Kern ihres Charakters sehen. So ruhig ein Gespräch
in ihrem Atelier zwischen all
dem warmen Holz, den halb fertigen Jacketts und den Schnittmustern in Packpapier ist, so
deutlich sind ihre Positionen.
Anders lässt sich eine Karriere
wie ihre nicht durchhalten. Sargent kommt aus Leeds, einer Arbeiterstadt in Yorkshire, in der
echte Kerle noch was zählen, und
wollte eigentlich etwas mit Kunst
GETTY IMAGES/GA
W
er sich in die Hände
eines Schneiders auf
Londons Savile Row
begibt, kann erwarten, dass der Anzug
sitzt. Trotzdem lässt
sich bei den „Cutters“ oft eine gewisse Distanz zum Kunden
feststellen – ein Gespräch, das über das Kleidungsstück hinausgeht, erlebt man selten. Bei
Kathryn Sargent ist das anders. Wenn sie vor
dem Spiegel das Band anlegt, die Augen hinter der Brille zu Schlitzen verengt, vermisst
sie nicht nur den Köper ihres Klienten: Durch
leise Fragen nach seinem Berufsleben, seinen
Hobbys, seinen Essgewohnheiten, seinem
Musikgeschmack und sogar seiner Art von
Humor erkundet sie die Seele gleich mit. Sie
ist der Überzeugung, dass ihr fertiges Produkt
auch zum Innenleben des Kunden passen
muss. Andernfalls hat sie ihre Arbeit nach ihren Maßstäben nicht ordentlich gemacht.
Die besondere Begabung fürs Zwischenmenschliche könnte auch damit zu tun haben,
dass sie eine Frau ist. Und damit im Milieu der
Londoner Herrenschneider irgendetwas zwischen einer Ausnahme und einer Sensation.
Vor gut einem Jahr mietete sie sich im ersten
Stock der Brook Street 6 ein, fünf Minuten
von der Row entfernt. Seitdem zeigt sie als
erste Frau überhaupt allen Traditionalisten,
was im dritten Jahrtausend alles geht. Schneider gibt es auf der Row seit 170 Jahren, als
Henry Poole dort eröffnete. Doch in den
Werkstätten kommen die Damen fast nur als
„Finisher“ vor – also diejenigen, die mit ihren
weichen Händen das Taschenfutter einnähen
oder die Knopflöcher umgarnen. Das ist keine
oder Design machen. Auf dem College bestand ihre erste Aufgabe darin, eine Woche
lang möglichst genau eine Schachtel Streichhölzer zu zeichnen. Andere hätte das genervt:
„Aber ich fand die Präzision faszinierend, die
für dieses Detail nötig war.“
Mit der Welt der Herrenschneiderei kam sie
in einem kleinen Atelier in der Cork Street
erstmalig in Berührung. Deren Chefs unterstützen sie von dem Moment an, als sie zum
ersten Mal eine Nadel in der Hand hielt. Sie
stellten auch den Kontakt zu Gieves & Hawkes
her, diese Firma ist eine von Savile Rows „big
guns“. Was sie dort vor rund 20 Jahren als Zuschneider-Lehrling erwartete? Kathryn Sargent lächelt, wie es wohl nur gebürtige Briten
können. Aus ihren Worten geht hervor, dass
sie als letztes Glied der Kette unter all den sehr
konservativen Gentlemen das ein oder andere
zu hören bekam. Umso erstaunlicher ist es,
wie unbeeindruckt sie sich durchbiss – und
wie diskret sie damit heute umgeht. Niemand
kann ihr nehmen, dass sie in dem Haus, das
einst den Marineblazer erfand, bis zum „Headcutter“ aufstieg. Allerdings entwickelte sich
ihr Arbeitgeber immer weiter weg von einem
klassischen Bespoke-Atelier hin zu einem
Outfitter mit dem Fokus Konfektionsware, die
man weltweit anbietet.
Also ging Kathryn Sargent den nächsten
Schritt, mietete sich zunächst beim Traditionshaus Meyer & Mortimer einen Platz in der
Werkstatt und zog dann gegenüber vom Hotel
„Claridge’s“ ein. Auf der Row sind die Mieten
inzwischen so hoch, dass es selbst für die großen Häuser zuweilen schwierig wird. Wer sie
aufsucht, lernt eine Frau kennen, die mit
höchster Akribie ihr Handwerk ausübt; so variiert sie als eine der wenigen beispielsweise
ihr Zuschneidesystem je nach Körperbau. Es
scheint, als ob jedes Buch, das über Herrenmode je verfasst wurde, bei ihr im Regal steht.
Mehr als 60 Stunden Arbeit fließen in einen
Dreiteiler, geschnitten und genäht in LondonMayfair – ein Jackett startet bei 2600 Pfund,
weniger als man bei den meisten Konkurrenten loswird. Sargent besucht nun auch schon
die USA und hat zwei feste Angestellte; sie hat
sich durchgesetzt. Aber natürlich lauert da in
ihr schon die nächste Ambition: „Ein Geschäft
direkt auf der Row, das
wär’s“, sagt sie. Wer diese
Frau aus Yorkshire erlebt
hat, weiß: Sie wird es garantiert eröffnen.
Philip Cassier
Nimm doch bitte mal meine
Schere: Mit Prinz Charles und
Camilla bei Gieves & Hawkes
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I
Solo für
Blume
Unter dem Label Fjura erobert die Neu-Londonerin
Simone Gooch die blumenverrückten Briten.
Heike Blümner versuchte, sich während eines
Treffens in ihrem Atelier ein paar Kniffe abzuschauen
34
n den Vorgärten des Londoner
Stadtteils Kensington beginnen
die Magnolienbäume zu blühen.
Und das im Februar! Auch einige
Sträucher sind schon von zarten,
weißen Blüten übersät. Klimawandel oder doch ein Zeichen? Ein Wegweiser zu „der Floristin, die London mit ihren minimalistischen Arrangements aufrüttelt“, wie
die britische „Vogue“ vor Kurzem verkündete? Die winterlich kargen Gärten mit den ersten dramatischen, frühlingshaften Akzenten
könnten jedenfalls auch aus dem Repertoire
von Simone Gooch und ihrer Kleinstfirma
„Fjura“ (Maltesisch für Blume) stammen.
Vor acht Monaten zog die Australierin nach
zehn erfolgreichen Jahren in Sydney mit Kunden wie Hermès, Chanel und Louis Vuitton
nach London und hat hier einen Kickstart hingelegt. Vor allem über Mundpropaganda und
ihren Instagram Account verbreitete sich die
Kunde von ihren fotogenen Arrangements.
Ihr erster Job in der britischen Hauptstadt
war für die Boutique von Alex Eagle, die in
Berlin ebenfalls den Conceptstore „The Store“
betreibt. Seitdem reißen die Aufträge aus der
Mode- und Kunstwelt nicht ab.
An diesem Morgen ist die Floristin seit sieben
Uhr in ihrem Atelier und bereitet Gestecke
und Sträuße für die Londoner Fashion Week
vor, die am kommenden Tag beginnt. Die Kälte in dem kleinen, ungeheizten Industrieloft
mit Glasdach kriecht einem schon nach kurzer Zeit in die Knochen: „Blumen mögen das
sehr“, sagt Simone Gooch, und sie selbst
scheint es auch nicht weiter zu stören. Gut
verpackt in Jeans, Daunenjacke und einem dicken Schal stechen nur ihr hübsches, natürliches Gesicht und die dichten braunen Haare
hervor sowie ihre Hände, die ständig in Bewegung sind. Es gibt viel zu tun, sie packt’s an. Es
stapeln sich Kartons mit Ware und eimerweise Blumen und Blätter warten darauf, in Form
gebracht zu werden.
Wie kommt man dazu, ein im wahrsten Sinne
des Wortes florierendes Geschäft in Australien aufzugeben, um nach London auf ein
Hausboot zu ziehen und noch einmal von
vorn anzufangen? „Spannung und Aufregung
hatten mich in Sydney verlassen. Außerdem
entdeckte ich hier eine Marktlücke“. Im Prinzip, so Simone Gooch, gebe es in England nur
zwei dominante Stilrichtungen: „Der eine ist
der Country-Look, der andere Look ist sehr
kompakt mit vielen langstieligen Blumen in
einem Strauß. Beides wirkt auf Dauer sehr
uniform.“ Selbstbewusst setzte sie dem etwas
Neues entgegen: „Die Leute merken den Unterschied sofort.“
Natürlich kann man auch bei Fjura Sträuße
bestellen. Einige glückliche Privatkunden
leisten sich gar wöchentliche, persönliche
Lieferungen. Gerade wartet auf dem Arbeitstisch ein Bouquet, das an eine Moderedakteurin verschickt werden soll: Flieder, Rosen, Wicken und Fritillaria, auch Schachbrettblumen
genannt, die die Lieblingsblumen der Floristin sind und die eine der wenigen Pflanzen
sind, die es in Australien nicht gibt. Sie sind zu
einem bonbonfarbenen Blickfang gebunden.
Das Arrangement wirkt weniger formal, aber
auch nicht bemüht natürlich. Es ist eine kleine künstlerische Einheit in sich, darauf deutet
auch die Verpackung hin: Statt in obligatorisches Seidenpapier gewickelt, trägt der
3
Strauß eine große, harte Manschette aus
S H O P O N L I N E AT E S C A D A . C O M
re, sie zieht einzelne Stiele hervor und arbeitet mit einem Blick für Farben. Wenn sie mit
größeren Mengen an Material werkelt, verteilt
sie die unterschiedlichen Blumensorten nicht
gleichmäßig, sondern lässt sie in Gruppen
aufeinandertreffen. Die Londoner jedenfalls
können nicht genug davon bekommen.
Für die Veranstalter der Fashion Week haben
Simone Gooch und ihre Geschäftspartnerin
Lucinda Bell Johnson, ebenfalls australische
Expat, einen kleinen Dschungel an Topfpflanzen, vor allem Palmen und Fensterblatt-Pflanzen, in ihrem Lieferwagen nach Soho gekarrt.
Auf den Tischen der Presselounge stehen voluminöse Rosengestecke. Unter den Händen
der Floristin verwandelt sich das relativ herkömmliche Ausgangsmaterial von langstieligen roten Rosen in ein üppiges Arrangement.
Zum Beispiel öffnet sie geschlossene Blüten
mit ein paar leichten, einfachen Griffen per
Hand oder klappt die Außenblütenblätter
kunstvoll an den Seiten nach unten, sodass die
Blumen geradezu stilisiert wirken. Ein beherzter Versuch der Autorin, diesen Effekt
später zu Hause nachzustellen, endet übrigens
als zerfledderter Problemfall im Mülleimer.
Den ersten europäischen Winter hat die Australierin bestens überstanden: „Die Leute sagen, dass es für hiesige Verhältnisse mild war.“
Für ihr junges Unternehmen war es auf jeden
Fall eine heiße Zeit. Und mit der nahenden
Hochzeitssaison und den üppigen Jahreszeiten im Vorlauf, ist das wohl erst der Anfang:
„Wenn man einmal mit Blumen anfängt zu arbeiten, kann man nicht mehr aufhören. Man
vermisst sie zu sehr.“ Dazu wird es sicher auch
in London nicht kommen.
Two-Women-Show: Die Floristin Simone
Gooch mit ihrer Geschäftspartnerin
Lucinda Bell Johnson, die Fjura
gemeinsam gründeten
36
3 weißem Malkarton. Wenn Sträuße das
Pflichtprogramm einer Floristin sind, so zeigt
sich auch bei Fjura die eigentliche Finesse in
der Kür, also den Gestecken.
Hier offenbart sich der allseits gepriesene Style der Neulondonerin, und der lautet: Weniger
ist mehr. Die Konzentration auf die Schönheit
der einzelnen Blumen steht im Vordergrund.
Selbst wenn Simone Gooch mit mehreren
Blumen arbeitet, bekommt jede einzelne von
ihnen in einem Arrangement ihren Soloauftritt: „Ich lasse die Blumen sprechen“, beschreibt sie ihren Stil. „Ich achte aufmerksam
auf die unterschiedlichen Formen und gebe
jeder einzelnen Blume ihren Raum.“ Die Floristin schichtet ihre Pflanzen anders als ande-
Wenig Blumen, viel
Aufwand, große Wirkung: Minimalistische
Gestecke von Fjura
1966 —2016
Art Direction Pitis
photo Klaus Zaugg 1969
Fifty Years in Contemporary Design Culture
Serie Up, Gaetano Pesce — 1969
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FORSCHUNGSTREFFEN
Keine Panik,
es ist Botanik
Wir brauchen mehr Gärten: Die
Bestsellerautorin Andrea Wulf schlug
mit Huberta von Voss eine Schneise durch
das Dickicht der Natur und des Lebens
n den USA erfreut sich
ein deutscher Superstar
des 18. und 19. Jahrhunderts nach wie vor großer Beliebtheit. Von wegen Bildungsferne! Alexander von Humboldt,
der zu Lebzeiten so berühmt war wie Napoleon und Genies wie Goethe und Darwin beeinflusste, lässt auch heute
noch die Amerikaner begeistert zum Buch
greifen. Erst stürmte Daniel Kehlmann im
Jahr 2006 mit seinem dem Weltenentdecker
gewidmeten Roman „Die Vermessung der
Welt“ die amerikanischen Bestsellerlisten.
Nun legt Andrea Wulf mit ihrer im vergangenen Herbst erschienenen Humboldt-Biografie
nach: „The Invention of Nature“ (Knopf, 2015)
kletterte ebenfalls auf die Bestenliste der
„New York Times“ und gewann den renommierten „Costa Biography Award“. Das Buch
I
38
erscheint im Herbst als „Die Erfindung der
Natur“ (Bertelsmann) auch in Deutschland.
Die Designhistorikerin kennt sich zwischen
den Kontinenten hervorragend aus: In Indien
geboren und in Hamburg aufgewachsen, lebt
sie heute in ihrer Wahlheimat London. Dort
beschäftigte sie sich schon seit ihrer Zeit am
Royal College of Art mit der Wissenschaft, die
auch Humboldts Eintrittsticket in den Kosmos seiner Erkundungen war – der Botanik.
Schon bevor Andrea Wulf sich den berühmtesten aller Naturforscher vornahm, veröffentlichte sie eine Reihe von Büchern zu faszinierenden Gärten, Gärtnern und ihren Geschichten. Die Autorin ist von daher die perfekte Partnerin, um der grünen Leidenschaft
des Gärtnerns auf den Grund zu gehen.
Frau Wulf, Humboldts Liebe zur Pflanzenwelt
hatte eigentlich einen tragischen Grund.
Humboldts Kindheit war unglücklich. Sein
Vater starb, als er noch jung war, und seine
Mutter war gefühlskalt. Humboldt ergriff jede
Möglichkeit, seinem Klassenraum zu entfliehen und durch die Wälder der familiären Besitzungen zu streifen. Wie für so viele Menschen, hatte die Natur etwas Tröstendes, Linderndes für ihn.
Alexander von Humboldt war besessen davon,
seine wissenschaftlichen Beobachtungen festzuhalten, und zeichnete hochgradig detaillierte
Pflanzenbilder. Ist diese Liebe zum Detail eine
Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen
Gärtner?
Sie ist wichtig für einen Botaniker, aber nicht
so sehr für einen Gärtner. Humboldt hat zum
Beispiel nie gegärtnert. Er war mehr an den
globalen Vegetationszonen interessiert – und
dafür brauchte er ein scharfes Auge. Er
schleppte 42 wissenschaftliche Instrumente
quer durch Lateinamerika und kehrte nach
Europa mit Hunderten Zeichnungen und
Zehntausenden Beobachtungen zurück. Sein
spektakulärstes Bild war das „Naturgemälde”,
eine Art Querschnitt seiner Erkundungen auf
dem Chimborazo in Ecuador. Er zeichnete die
Pflanzen je nach ihrer Höhenzone ein und
fügte wertvolle Informationen über gemessene Temperaturen, Gravidität, Feuchtigkeit
und den Grad des Himmelblaus hinzu.
Sie selbst leben im Mutterland der Gärtner. Warum sind die Briten so besessen von Landschaftsgestaltung?
Dafür gibt es viele Gründe, aber zwei scheinen
mir besonders wichtig: Klima und Empire.
Das Wetter auf dieser Insel ist so perfekt für
die Flora, dass man so ungefähr alles in den
Boden stecken kann und es wächst. Hinzu
kommt der Zugang zu Pflanzen auf der ganzen Welt im 18. und 19. Jahrhundert, als Großbritannien noch ein riesiges globales Reich
war – und schon haben Sie das Rezept für fantastische Gärten.
Haben Sie einen Lieblingsgarten?
Kann ich bitte zwei auswählen? Einer meiner
Lieblingsgärten ist Studley Royal in Yorkshire.
Er kombiniert einen klassischen Wassergarten aus dem 18. Jahrhundert mit Elementen
eines wilderen Naturgartens – und mit einer
echten Ruine aus dem 12. Jahrhundert, die aus
einer Zisterzienserabtei stammt. Das ist bestimmt eine der spektakulärsten Gartenbauwerke der Welt. Und ich liebe Thomas Jeffersons Monticello: ein Garten, der einen Blick
über die Berge Virginias bietet sowie eine
spektakuläre 300 Meter lange Terrasse für Gemüseanbau und wunderschöne Haine und Rasenflächen. Monticello ist das Werk eines revolutionären Gärtners, der seinen Acker so
sorgfältig bestellte, wie er seine Worte wählte.
Wie sieht es mit Ihrem grünen Daumen aus?
Jetzt haben Sie mich erwischt. Ich habe absolut keinen grünen Daumen, aber das heißt
nicht, dass ich nicht die Natur liebe. Ich überlasse nur das Unkrautjäten gern anderen.
Was haben Sie Ihrer Tochter über Pflanzen beigebracht?
Da ich wie gesagt keine talentierte Gärtnerin
bin, habe ich ihr leider keine praktischen
Gärtnertricks beigebracht. Aber ich denke
und hoffe, dass es mir gelungen ist, ihr meine
tiefe Liebe zur Natur weiterzugeben. Die Idee,
dass die Erde ein lebender Organismus ist, ein
zusammenhängendes Ganzes, das zugleich
großartig und fragil ist. Es ist etwas, das wir
dringend beschützen müssen.
In Ihrem Buch „The Brother Gardeners“
schreiben Sie, dass historisch betrachtet nirgendwo weniger Pflanzen eingegangen seien
als auf den Britischen Inseln. Haben die Briten
besondere Tricks?
Es amüsiert mich immer ungeheuer, was die
Gärtner alles anstellen, die an der berühmten
Chelsea Flower Show teilnehmen, damit ihre
Blumen am entscheidenden Richttag perfekt
aussehen. Wenn es kalt ist, dann bringen sie
ihre Föns, damit sich die Blumen noch etwas
mehr öffnen, oder sie packen die Blumen in
Seidenpapier und Wattekugeln, um sie gegen
den Wind zu schützen. Manche Gärtner be-
wahren ihre Knollen im Kühlschrank auf, um
Winter vorzutäuschen. Wenn sie dann bei
Raumtemperatur eingetopft werden, legen
sie flugs ihr Frühlingskleid an, selbst wenn es
noch Dezember ist.
Der britische Gartenautor Adrian Higgins
schrieb in der „Washington Post“: „Ein Garten
ist ein Heiligtum – für Pflanzen, Tiere, für Mutter Erde und für dich.“ Welche moralische Wirkung haben Gärten auf die Menschheit?
Ich habe nie glücklichere Menschen getroffen
als Gärtner. Den Erdboden zu bearbeiten und
Teil vom Lebenszyklus der Natur zu sein erdet
Menschen im wahrsten Sinne des Wortes. Es
ist gut für Geist und Seele. Als die Präsidentschaft Thomas Jeffersons vorbei war, sagte er
erleichtert: „Auch wenn ich nun ein alter
Mann, so bin ich doch nur ein junger Gärtner.“
Er war erleichtert, die „Ketten der Macht“ loszuwerden.
Wenn Gärten uns so viel lehren, sollte dann
nicht auch mehr Schulunterricht draußen
stattfinden?
Absolut. Zum einen, damit Kinder lernen Gemüse anzubauen, zuzubereiten und zu essen,
und zum anderen, um ihnen ein Gefühl für
den tiefen Zauber der Natur mitzugeben. Sollten wir die Chance haben, den Klimawandel
unter Kontrolle zu bekommen, so muss uns
bewusst sein, dass wir nur beschützen werden, was wir lieben. Wir lernen nicht nur aus
Büchern. Nehmen Sie zum Beispiel einen so
genialen Universalgelehrten wie Humboldt.
Er war fest davon überzeugt, dass Wissenschaftler ihren Elfenbeinturm und ihre Labore verlassen, ihre Bücher zur Seite legen müssen, um in der Natur zu sein und sie zu durchdringen. Er sagte, dass die Natur durch Gefühl
erfahren werden müsse. Weise Worte, die so
relevant wie nie zuvor sind.
Vielleicht sollte Bundeskanzlerin Merkel ihren
Kollegen Cameron vor der Brexit-Abstimmung
im Muskauer Park zum Picknick einladen.
Das ist eine fabelhafte Idee, denn Gärten sind
oft Symbole für jahrhundertelange Kooperationen zwischen Gärtnern und Besitzern über
mehrere Generationen; oder Symbole für einen internationalen Austausch von Ideen
über Design und Inspirationen aus verschiedenen Ländern. Und Gärten sind natürlich Or-
te, wo Pflanzen aus der ganzen Welt glücklich
zusammenwachsen. In meinem Buch „Founding Gardeners“ erzähle ich, wie im Jahre 1787
Delegierte der sogenannten Constitutional
Convention einen Garten außerhalb von Philadelphia besuchten und dieser Spaziergang
möglicherweise den Kurs der amerikanischen
Geschichte beeinflusst hat. Als die Convention kurz vor dem Aus war, verbrachten einige
Delegierte den Morgen in diesem Garten und
sahen, wie dort Bäume aus allen 13 Staaten zusammen wuchsen – ihre verschlungenen Äste
stellten eine blühende gärtnerische Einheit
dar. Zwei Tage später wurde der berühmte
„Great Compromise“, (der die jeweilige Position der größeren und kleineren Staaten in der
Verfassung regelte, Anm. der Redaktion) getroffen. War es am Ende ein Garten, der den
Ausschlag für die friedliche Einigung gab?
Vom Schriftsteller Alexander Pope stammt der
Ausspruch: „Jegliche Gärtnerei ist Landschaftsmalerei.“ Dabei war die Landschaftsgärtnerei ursprünglich weniger eine ästhetische, als eine politische Angelegenheit ...
Wenn wir heute an Gärten denken, stellen wir
uns blühende Rosen und hübsch eingefasste
Beete vor. Aber es gab eine Zeit, in der Gärten
Leinwände für politische Statements waren.
Die ersten vier Präsidenten der Vereinigten
Staaten pflanzten mit großem Patriotismus
indigene Pflanzen. Mitten im amerikanischen
Unabhängigkeitskrieg trug George Washington seinem Verwalter auf, auf seinem Gut
Mount Vernon einen neuen Garten anzulegen,
in dem kein englischer Baum das Recht hatte,
Wurzeln zu schlagen. Das war seine gärtnerische Unabhängigkeitserklärung.
„Die Natur ist ein Geisterhaus“, schrieb die
amerikanische Dichterin Emily Dickinson.
Hört sich das nicht interessant genug an, um
berühmten Gärtnerinnen Ihr nächstes Buch zu
widmen?
Ich habe noch kein neues Buch begonnen,
aber danke für den Vorschlag. Es gibt sicher
genügend berühmte Gärtnerinnen von der
Dichterin Emily Dickinson in Amherst, Massachusetts bis zu Vita Sackville-West im englischen Sissinghurst in der Gemeinde Kent.
Aber im Moment bin ich noch so mit Alexander von Humboldt beschäftigt, dass ich noch
nicht mal an ein neues Buch denken kann.
„Den Erdboden zu
bearbeiten und Teil
vom Lebenszyklus
der Natur
zu sein erdet
Menschen
im wahrsten Sinne
des Wortes“
A N D R E A W U L F, B e s t s e l l e r a u t o r i n
39
SKANDINAVISCH GRÜN
tets trägt er Kniebundhosen, ein grobes
Baumwollhemd und Strickjacke. Das
graue, halblange Haar ist zurückgekämmt
und die freundlichen Augen blicken durch
eine Nickelbrille. In Schweden besitzt er
ein Gehöft, wo er in Koexistenz mit seinen
Tieren und Pflanzen lebt. Deshalb drängt
sich als mit dem europäischen Kinderbuchkanon sozialisierter Mensch eine Assoziation auf: Tage Andersen
scheint der Wiedergänger des Bauern Pettersson aus den
Geschichten von „Pettersson und Findus“ zu sein.
Doch während der Typ aus dem Buch ein sympathischer
Hippie mit Hang zum Chaos ist, handelt es sich bei Tage
Andersen um einen Gärtner, Floristen und Kunsthandwerker. Vor allem ist der Däne Perfektionist: „Ich lebe für Details“, sagt er in seinem Laden in Kopenhagen und nippt
stilecht an einem Glas Portwein. Statt eines Katers streift
ein Glanzfasan namens Tenzing um seine Füße.
Die Boutique in Kopenhagen ist seit fast 30 Jahren eine Institution, die nicht nur Fans aus Dänemark anzieht. Man
steigt eine schmale Treppe in ein dunkles, kühles Gewölbe
hinab und dann eine noch schmalere Treppe wieder hinauf zu einer Empore. Von hier lässt sich die Welt des
Künstlers erfassen, zunächst über die Ohren. In schmiedeeisernen halbrunden Käfigen flattern exotische Vögel,
deren Gezwitscher sich mit dem Klang
Gartenkunst: Tage Andersen formt die
der Choräle aus den Lautsprechern verNatur nach seiner Vorstellung. Seine
mischt. Schnittblumen könnte man hier
Boutique in Kopenhagen zieht Touristen
kaufen. Sie stehen in Kübeln, gespickt mit
aus der ganzen Welt an
knorrigen Zweigen – das Markenzeichen
von Andersens floristischem Stil. Doch
sie sind nur Beiwerk der Inszenierung, in
der auch die Mitarbeiter so gekleidet sind
wie ihr Chef. Von altertümlich anmutenden Gewändern über Moosskulpturen,
Gestecke bis hin zu Eisenstühlen kann
man hier alles kaufen, was zur Ausstattung gehört – und es stammt größtenteils
vom Meister selbst. Manche Leute hätten
„eine Hemmschwelle“, diesen Laden zu
betreten, weil sie ihn nicht einordnen
könnten, erzählt Andersen und wirkt dabei eher stolz als besorgt.
Das Gegenstück zu dieser exzentrischen Theatralik bietet
sein Gehöft Gunillaberg, das erstmalig in Aufzeichnungen
aus dem 17. Jahrhundert erwähnt wird und das der Hausherr in der wärmeren Jahreszeit auch für Besucher öffnet.
Hier formt er die Natur nach seinen märchenhaften Vorstellungen, unter anderem mit skulpturalen Pflanzen,
Wasserspielen und wildromantischen Landschaften.
Selbst die Stiere stammen aus eigener Züchtung, die HänTage Andersen ist einer der bekanntesten
gebauchschweine sind nach Farbton ausgesucht. HerzGartenkünstler Nordeuropas. In Kopenhagen hat er eine
stück des Anwesens ist die von ihm selbst entworfene
Orangerie mit einer spektakulären Kameliensammlung,
ungewöhnliche Boutique, in Schweden ein Anwesen,
die er seit fünfzig Jahren aufzieht: „Die Kamelie ist eine
sehr poetische Blume. Wenn im Winter alles grau ist, blüht
das ganz nach seinen mystischen Vorstellungen gestaltet
sie in der Orangerie in prachtvollen Farben und steht für
ist. Heike Blümner traf ihn auf einen Portwein
die Hoffnung.“
Jeder, der selbst auch nur einen Balkon beackert, kann
erahnen, wie viel Arbeit hinter dieser Art von Systematik
steht. Zumal Tage Andersen seine Gestaltungskraft nicht
nur auf seinen Privatbereich beschränkt: Unter anderem
tobt er sich, zusammen mit einem kleinen Team, auch in
Schlossgärten, Parkanlagen, Theaterbühnen und auf
Hochzeiten aus: „Ich stehe nicht da mit irgendwelchen
Skizzen“, sagt er. „Ich lege los und arbeite intuitiv.“
Der gartenbauliche Alleskönner ist Autodidakt. Ursprünglich lernte er den Beruf des Konditors. Bevor er sich ganz
den Pflanzen und Blumen verschrieb, hatte Tage Andersen
in den 70er-Jahren zunächst eine „Rosenpatisserie“ in Kopenhagen, in der ansehnliche Torten im Umfeld nicht weniger üppiger Rosenarrangements angeboten wurden.
Würde er heute seinen Kunden empfehlen, 50 Euro lieber
in einen Strauß oder eine Torte zu investieren? Tage Andersen überlegt kurz. Dann sagt er: „Es kommt darauf an,
ob es die letzten 50 Euro sind. In dem Fall würde ich eher
für Brot plädieren.“
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BENT REJ(4)
Grüne Märchen
BLUMENKINDER
Summer of Love
Poesie, Romantik, Sinnlichkeit – wenn die Welt
düster erscheint, zeigt die Mode sich gern konträr.
Und so dürfen wir uns im Frühling an lieblichen
ZUSAMMENGESTELLT VON JÜRGEN CLAUSSEN; GETTY IMAGES (14); DDP; PICTURE ALLIANCE
GIORGIO ARMANI
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COACH
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CALVIN KLEIN
DOLCE & GABBANA
BLUMARINE
ETRO
NO 21
SAINT LAURENT
Eine alte Faustregel besagt: „Je kürzer der Rock, desto kräftiger der
wirtschaftliche Aufschwung.“ Aber was für ein modisches Motto gilt
eigentlich für weltpolitisch dunkle Zeiten? Schaut man in die Vergangenheit, dann lautet die Antwort vor allem: schwarz. Weil es für Trauer steht. Für Demut. Für Sparsamkeit. Anders war es in den 60er- und
70er-Jahren, als die Hippie-Bewegung unter der Parole „Make love,
not war“ gegen den Vietnamkrieg demonstrierte, gegen Wohlstandsideale und für mehr Naturverbundenheit à la Henry David Thoreau.
Und sich deshalb mit Blumen schmückten. „If you're going to San
Francisco, be sure to wear some flowers in your hair“, singt Scott
McKenzie in seinem 1967 veröffentlichten Song „San Francisco“, von
wo aus der Trend seinen Lauf nahm. Blumen also – die für vieles stehen mögen, aber eben nicht für Härte und Gewalt – als Waffen gegen
Feindseligkeit und Krieg. Das Klingt zunächst ebenso paradox wie
poetisch. Und ist deshalb auch in der Mode ein immer wieder gern zitiertes Gefühl. Eines, das uns mit federleichten Stoffen, pudrigen Farben, zarter Transparenz und geradezu naiven Blütendetails auch in
der aktuellen Saison und durch diese angespannte Zeit begleiten –
und vielleicht auch ein wenig aufmuntern will. Denn wenn selbst MoMW
de nicht mehr Spaß machen darf, was dann?
FENDI
Blumenprints und sanften Farben erfreuen
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BLATT-GOLD
In voller Blüte
Bis Kleinode von größter Präzision in den Ateliers erblühen können, braucht es
feinste Edelmetalle und -steine, geschickte Hände und, vor allem das, Aberhunderte
von Arbeitsstunden – sie machen aus Schmuck wertvolle Skulpturen
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1. Die Blätter der Brosche „Rose de Noël“ von Van Cleef & Arpels sind aus Türkis gefertigt. Um das Juwel zu erschaffen, bedarf es viel Zeit und Expertise, denn der Türkis ist sehr delikat.
2. Der Ring „Flowers Pavé“ aus der Echtschmucklinie von Salvatore Ferragamo besteht aus Saphiren, Diamanten und einem Amethysten. 3. Die Ohrringe aus der „Capri“-Kollektion von
Pomellato sind mit Chrysoprasen besetzt. 4. Die Wempe-Ohrringe schmücken Saphire und Diamanten. 5. Earcuff und Stecker aus der „Mediterranean Garden“-Kollektion von Piaget. Der
Ohrschmuck besteht aus Brillanten und Farbedelsteinen. 6. Für die „Melody of Colours“-Kollektion von de Grisogono werden die Steine durch raffinierte Fassungstechniken inszeniert.
Auch der Innenseite des Rings mit Diamanten und Saphiren wurde viel Aufmerksamkeit geschenkt. 7. Das Einzelstück „Fleurs d’Éternité“ stammt aus der „Voyage dans le Temps“-Kollektion von Louis Vuitton. Den Ring schmückt ein blauer Saphir. 8. Auch der Ring „Fleurs d’Opales“ ist ein Einzelstück. Der beweglich montierte Opal im Zentrum des Juwels und die filigranen Blätter erfordern handwerkliches Geschick, das bei Chopard zum Einsatz kommt. 9. Die „Secret Garden“-Ohrringe von Fabergé sind ein buntes Potpourri aus unterschiedlichsten
Farbedelsteinen. 10. Giampiero Bodinos „Primavera“-Ring ist ein Einzelstück aus Diamanten, Saphiren und Smaragden. Der Naturliebhaber ließ sich von der Zaun-Rose inspirieren.
11. Rund 100 Stunden Arbeit fließen in die Fertigung der Brosche von Wilm, allein eine Woche dauert es, die vielen kleinen Saphire und Diamanten zu fassen. Bei Wilm wird vorab ein
Silbermodell gefertigt, um die Konstruktion zu überprüfen. 12. Die Blütenringe von Tiffany & Co. sind aus Platin, Diamanten sowie einem blauem und einem gelben Saphir gefertigt.
SHUTTERSTOCK; MONTAGE ICON/MARIA CHRISTINA AGERKOP/LUNA SIMIC; ZUSAMMENGESTELLT VON MIRA WIESINGER
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1. Zum 125-jährigen Jubiläum von Bucherer kreierte man das „La Cerise“-Collier. Das Meisterstück wurde in über Tausend Arbeitsstunden aus Diamanten, Quarzen und Saphiren gefertigt.
2. Filigran und farbintensiv wie eine Hyazinthe ist der „Bouquet“ Ring mit Amethysten von Cada. 3. Das Echtschmucksegment von Thomas Sabo trägt Knospen: Der Anhänger „Glam and
Soul“ erinnert mit diamantbesetzten Blättern an eine Lotusblüte. 4. Schmuck von Christian Dior steht für das unkonventionelle Zusammenspiel verschiedener Steine. Der Ohrring „Grandville“ ist ein Farbfeuerwerk aus Diamanten, Tansaniten, Saphiren und Smaragden. 5. Das „Divas’ Dream“ Collier von Bulgari mit Diamant-Pavé soll Göttinnen würdig sein. Auf jeden Fall ist
es ein Zeugnis überirdischer Handwerkskunst: Seine Rückseite ist genauso exquisit gearbeitet, wie die Vorderseite. Vier Wochen dauert es, bis es fertig ist. 6. Die Ohrringe „Rose Bouquet“ aus der „Swallow“-Kollektion von Anabela Chan glänzen durch Materialvielfalt: Perlmutt, Saphir, Granat, Amethyst, Diamanten und handbemaltes Emaille. 7. Der Ring aus der „Paris
Nouvelle Vague“-Kollektion von Cartier vereint Volumen und Beweglichkeit und ist mit Lapislazuli und Diamanten besetzt. 8. 355 Diamanten bringen neben Saphiren und Spinellen das
Collier „Broderie de Camélias“ von Chanel zum leuchten. 9. Der „Kamelien“-Ring aus Weißgold und Brillanten ist ein Unikat von Sévigné. Sechs Wochen verschlingt seine Fertigung.
10. Der Ring „La Mystique“ ist ein Unikat und aus der Couture-Kollektion von Schoeffel. 11. Der „Tulip“-Ring von Tamara Comolli, hier mit Amethyst, gibt es in unterschiedlichen Farben.
12. Das Haus Ole Lynggaard ist bekannt für seine Naturverbundenheit. Dieser Entwurf mit Diamantpavé und einem Amethysten entstammt der „Flower Collection“.
SHUTTERSTOCK; MONTAGE ICON/MARIA CHRISTINA AGERKOP/LUNA SIMIC; ZUSAMMENGESTELLT VON MIRA WIESINGER
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VINTAGE
Aus der Schatulle
des Jetsets
druckende Sammlung aus antikem
Modeschmuck wurde in den Salons der
Nitze-Residenz zwischen Bildern von
Edvard Munch, Emil
Die Schmuckhändlerin Susie Hoimes aus San Francisco
Nolde und Richard
Diebenkorn
zum
handelt mit hochwertigem antiken Modeschmuck. Anhand
Verkauf angeboten.
Die „Trunk Shows“
ihrer Sammlung lassen sich die Vorlieben der
gehören zu den geamerikanischen Society-Damen erzählen
sellschaftlichen Formaten, bei denen
sich vermögende Society-Ladys Amerikas treffen und sich
enn die Kunst- mit dem eindecken, was man auf dem Parkett
händlerin
Ann oder am Pool so alles braucht, um zu glänzen.
Nitze in ihr elegan- Im Moment sind das vor allem riesige Statetes Stadthaus im ment-Ohrringe einflussreicher Haute-CoutuWashingtoner
re-Designer der 20er- bis 80er-Jahre.
Stadtteil George- Als Hoimes vor gut zehn Jahren in ihrer Wahltown
einlädt, heimat San Francisco begann, in großem Stil
macht man am Vintageschmuck zu sammeln, war nicht klar,
besten Platz im Kalender. Die grazile Galeris- ob sich die Investition lohnen würde. „Heute
tin gehört zu den profiliertesten Gastgeberin- ist Vintage in aller Munde“, sagt die aus Großnen der amerikanischen Hauptstadt und ist britannien stammende Kunsthistorikerin.
selbst eine der beliebtesten Gäste auf Dinners Aufgewachsen in Ostafrika, umringt von den
und Events weltweit: Ob sie bei einem Lun- Insignien eines von Dekor und Antiquitäten
cheon in der New Yorker Frick Collection mit besessenen Empires, war sie schon im KunstSammlern über die Zukunft der Museen dis- studium an der New York University von diekutiert, sich den gigantischen Steg aus Stoff- sen Objekten fasziniert: „Lange Zeit trugen die
bahnen ansieht, den ihr enger Freund Christo Damen echten Schmuck, um ihren sozialen
über den Iseo-See in Norditalien spannt, ein Status zu zeigen. Doch im 20. Jahrhundert deAbendessen in London mit britischem Hoch- monstrierte man mit den Kreationen von Coadel gibt, oder sich mit ihrem Freund Edmund co Chanel und Elsa Schiaparelli seine Individe Waal in Berlin trifft: Wo Ann Nitze ist, ist dualität und seinen persönlichen Kunstgeauf hohem Niveau etwas los.
schmack.“ Viele derer Stücke seien von den
So gesehen verpasste sie der renommierten damaligen Kunstströmungen inspirierte, limiSchmuckhändlerin Susie Hoimes unlängst ge- tierte Auflagen, und nach denselben Herstelwissermaßen den letzten Schliff. Deren beein- lungsverfahren wie echter Schmuck gefertigt.
W
46
„Die Stücke sind sehr wertbeständig, wenn sie gut gepflegt
werden. Mittlerweile haben das
auch die renommierten Auktionshäuser entdeckt.“
Doch dort kauft Hoimes allerdings nicht. Vielmehr stammen
ihre mehrere Tausend Stücke
von privaten Sammlerinnen
aus Palm Beach, San Francisco,
New York und anderen Orten,
wo Haute Couture schon immer viele Kunden hatte: „Eine
meiner Zulieferinnen lebt umringt von Picassos, hat aber
stets nur hochwertige Costume
Jewelry getragen. Eine andere
ist die Frau eines Diamantenhändlers, liebte aber ebenfalls
nur
aufwendigen
Modeschmuck der herausragenden
Designer.“ So gelang es Hoimes, eine Sammlung zusammenzustellen, die von den betörenden Glascolliers des italienischen Hauses Coppola e Toppo aus den 40er-Jahren reicht
bis hin zu den frühesten Ketten
Coco Chanels, den ausgefallenen Broschen Elsa Schiaparellis, Ohrringen von Dior und Lacroix und dem Glamour amerikanischer Designer wie Kenneth Jay Lane, Miriam Haskell,
Trifari und Hobe.
Dass es in den USA einen derartigen Fundus an hochwertigem antiken Modeschmuck gibt, dessen Einzelpreise sich zwischen 200 und 25.000 Dollar bewegen, liegt
nicht zuletzt an Modeikonen wie Jackie Kennedy und natürlich an Hollywood. Besonders
hoch gehandelt werden Kreationen von Eugene Joseff, der Filme wie „Vom Winde verweht“, „The Wizard of Oz“ und „Casablanca“
ausstattete. Hollywood-Stars wie Greta Garbo,
Marilyn Monroe und Joan Crawford machten
die mehrreihigen Strassketten gesellschaftsfähig, schnell schwelgte die Mittel- und Oberschicht Amerikas in den glitzernden Prunkstücken. Als die damalige First Lady Mamie Eisenhower für die Ballnacht nach der Vereidigung ihres Mannes 1953 eine mit 2000
Strasssteinen besetzte Abendrobe trug, war
der Glitzerschmuck endgültig angekommen.
Riesige Broschen in Form von Fröschen, Libellen, Pfauen, Pferden oder Blumen gehörten
lange in jede Schatulle des internationalen Jetsets. Nachdem in den vergangenen Jahren die
von architektonischen Formen geprägten Ketten der 60er-Jahre wieder besonders begehrt
waren, sind derzeit die teils bis zur Schulter
reichenden Ohrringe der 30er-Jahre der Hit.
Wenn Hoimes die Auslagen erklärt, erkennt
sie jedes Stück sofort. „Dieser Bakelit-Armreif
von Chanel gehörte Diana Vreeland“, sagt sie
und dreht das funkelnde Stück. „Wir hatten
ihn auch noch in Schwarz, aber er war sofort
weg.“ Wie sie sich zu jedem der Tausende Objekte die Provenienz und Geschichte merken
kann? „So ist das, wenn man etwas liebt“, sagt
sie und lacht. Ähnlich leidenschaftlich wird sie
nur, wenn es um antikes venezianisches Glas
geht, das sie ebenfalls in ihrem Laden MDVII
in San Francisco verkauft. Auf der Website der
Boutique befinden sich auch ausgewählte Modeschmuckstücke – falls man gerade keine
Einladung von Ann Nitze im Briefkasten hat.
Huberta von Voss
MATT MENDELSOHN
More is more: Susie Hoimes,
eine der profiliertesten Sammlerinnen von Modeschmuck
KRIS RUHS (2)
Der Künstler Kris Ruhs;
Skizzen und
Eindrücke aus seinem
Atelier sowie von
ihm gefertigter Schmuck
(unten rechts)
48
Im Hinterhof seines Mailänder Ateliers
geht’s ab: „Ob es Kunst oder Produktdesign ist, ist nicht wichtig. Es ist, was es
ist“, sagt Kris Ruhs über seine Arbeit
HINTERHOFKUNST
W
o der Hinterhof nicht vor
Graffiti strotzt, bröckelt
der Putz: Der Arbeitsplatz
von Kris Ruhs in Mailand
hat
Berlin-KreuzbergCharme. In seinem Atelier, einer ehemaligen Fabrikhalle, öffnet sich das kreative Universum: Ein
schäbiges Sofa, dazu Tische, die kaum die Last der
Entwürfe, der Keramiken und der Prototypen, tragen können. Dazwischen streifen flauschige MaineCoon-Rassekatzen umher, die die Menschen in ihrer
Umgebung gnädig dulden. Der Künstler selbst sieht
aus, wie ein Künstler eben auszusehen hat, mit Farbspritzern auf dem Pulli und ausgebeulter Hose. Er
gilt als äußerst zurückhaltend: „Kunst hat mittlerweile so viel mit Selbstdarstellung zu tun, dass ich
mich oft wundere, was wichtiger ist: das Ergebnis
oder die Inszenierung des Künstlers“, sagt er. Ruhs
bevorzugt es zweifellos, die Ergebnisse für sich sprechen zu lassen.
Seine Lebenspartnerin Carla Sozzani residiert im
selben Hinterhof wie Ruhs. Nur dass es bei ihr im
Büro ein bisschen anders aussieht: Hier befinden
sich Fotos von Steven Meisel, Stühle von Hans J.
Wegner und ein Eiermann-Schreibtisch. Die Gale-
Ruhs ist ein Einzelgänger. Mit gerade mal zwei
Mitarbeitern stemmt er ein riesiges Pensum: Im
Restaurant, das zum „10 Corso Como“ gehört, ist
das gesamte Interieur von ihm – bis auf zwei Ausnahmen: Die Sessel in der Lounge und im Patio
sind von Pierre Paulin und Marc Newson. Sie stecken dafür in seinen Bezügen. Weitere Entwürfe
sind auch im Conceptstore unübersehbar: Von
Knöpfen, bezogen mit seinen Stoffen, über Deckenlampen und Accessoires bis hin zu Vasen, in
denen Kunstblumen stecken, die nicht so tun, als
seien sie echt, sondern erkennbar den verspielten
Ruhs zitieren.
In den Vitrinen für Schmuck herrscht traute Eintracht der Champions League: Entwürfe aus dem
Maison Martin Margiela, von Walter Van Beirendonck und Toilet Paper. Klar, dass Kris Ruhs seinen Schmuck auch hier präsentiert. Alles ist sorgfältig kuratiert und gerade beim Geschmeide ist
die Grenze zwischen Kunst und Kommerz kaum
zu erkennen. Bei Ruhs’ Entwürfen bewegt sich
der Look zwischen Post-Hippie und Mittelalter.
Es gibt filigrane Blüten-Armbänder oder auch
martialische Ketten, die man zum Kilopreis verkaufen könnte. Gemeinsam ist seiner Schmuckkollektion der Unikat-Status.
Der Unerreichbare
Der amerikanische Künstler und Designer Kris Ruhs
folgte seiner Partnerin Carla Sozzani nach Mailand.
Dort gestalten sie gemeinsam einen Exportschlager:
Den Conceptstore „10 Corso Como“. Andreas Tölke
schaute sich vor Ort um, Thomas Meyer fotografierte
ristin und Schwester der Chefredakteurin der italienischen „Vogue“ trägt an diesem Tag einen Rock von
Alaïa, einen Pullover von Alexander McQueen – und
eine Kette von Kris Ruhs. Sie habe die größte Sammlung seines Schmucks, gesteht sie, geschätzte 500
Stücke. Ein erster Hinweis auf die künstlerische Verbindung zwischen den beiden, die sich im Conceptstore „10 Corso Como“ voll entfaltet, der ebenfalls hier
auf drei Etagen Platz findet. Seit 25 Jahren sind die
beiden zudem privat liiert. Die gemeinsamen öffentlichen Auftritte sind jedoch rar gesät.
Der 64-jährige Ruhs wuchs als Kind deutscher Einwanderer in New York auf, studierte dort an der
School of Visual Arts und erlebte die Hochphase des
Pop-Art-Papsts Andy Warhol in seiner Heimatstadt.
Warhols Apostel, Keith Haring und Jean-Michel Basquiat, gehörten zu seinem Bekanntenkreis.
Die Wurzeln von Ruhs Karriere sind bis heute sichtbar im Œuvre des Künstlers: den Katzen aus Keramik, den Figuren, die über seine Taschen tanzen –
fröhlich oder auch zeitweise ein wenig melancholisch. So wie der Kreateur selbst. Er schaut mit einem nicht allzu scharfen Misstrauen auf die Welt –
und die gute Laune lässt er sich nicht verderben:
„Eins führt zum anderen“, lautet sein Motto. Und es
führt zu vielem. Sein Output ist auch für ihn kaum
noch überschaubar, und um Genres kümmert er sich
ebenfalls nicht: „Ob es Kunst oder Produktdesign ist,
ist nicht wichtig. Es ist, was es ist“, sagt er.
Im Atelier des Künstlers steht ein schwarzer Metallschrank mit Schubladen. In der obersten
steckt ein Konvolut aus Prototypen. Ruhs behauptet, er könne in einer Stunde einen Entwurf
liefern – wenn es ihn überkomme: „Im Moment
habe ich aber wenig Spaß daran“, räumt er ein.
„Fun“ sei sein Motor.
Carla Sozzani drückt es etwas anders aus: „Er ist
das Kind“, sagt sie, und lässt ihm mit den verschiedenen Niederlassungen des „10 Corso Como“ seine eigenen Spielplätze. Drei weitere Luxusoasen in Shanghai, Seoul und Peking werden
inzwischen aus diesem einen Atelier heraus bestückt: Ruhs malt, hat eigene Brennöfen für seine
Keramiken und eine Metallwerkstatt. Und irgendwo auch eine Telefonstation ohne Telefon.
„Es ärgert manche Menschen, dass ich so schlecht
zu erreichen bin“, sagt er und freut sich fast ein
bisschen darüber. Er reise außerdem viel, erzählt
er: Nach Paris, um im Alaïa-Store eine spektakuläre Lampe über drei Stockwerke zu installieren
oder um dem Couturier Verschlüsse für Taschen
und Schnallen für dessen Schuhe zu präsentieren. „Aber wer mich wirklich erreichen will, der
schafft es auch.“ Ein kleiner Tipp vielleicht? Er
gehe jeden Tag zum Essen in das gleiche Restaurant. Und auch das liegt in einem Hinterhof in
Mailand, in dem Universum, das er mit geschaffen hat, am 10 Corso Como.
49
DER CHANEL MOMENT
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Alt ist neue Mode
In Zeiten, in denen Smartwatches morgens schon die
Nachrichten twittern, setzt die mechanische Uhrenwelt
auf optische Zurückhaltung. Die jüngsten Kreationen
erinnern nicht ohne Grund an Opas gute Uhr
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Wempe „Zeitmeister
Großdatum“,
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Cartier „Drive de
Cartier kleine Sekunde“,
18.500 Euro
1. Auf bis zu 100 Stunden Gangreserve kommt das wegweisende Manufaktur-Automatikwerk mit Siliziumspiralfeder und rückerlosem Schwingsystem. 2. Zum 20. Firmenjubiläum
gönnt man sich ein erstes, hauseigenes Manufakturchronographenwerk. 3. Die auf 1892
Exemplare limitierte Serie dürfte schnell vergriffen sein, da sie trotz massivem Goldgehäuse unter 5000 Euro kostet. 4. Die dritte Herrenuhrenlinie innerhalb von fünf
Jahren präsentiert sich in einem kissenförmigen Gehäuse. Das Werk mit kleiner Sekunde
stammt aus eigener Fertigung. 5. Die neben der Sternwarte von Glashütte montierten
mechanischen Uhren mit ETA-Werken sind Chronometer-geprüft. 6. Dies ist bereits das
16. Uhrwerk innerhalb von 22 Jahren mit einer Mondphasenfunktion, das die Manufaktur
entwickelt hat. Die Funktion muss man erst nach 122,6 Jahren einmal um einen Tag
verstellen. 7. Das Handaufzugswerk ist nach den Standards der Genfer Punze gefertigt
und nur 2,8 Millimeter hoch. 8. Seit zwei Jahren verbaut man mit der Fossil Group
Schweizer Uhrwerke, nun gibt es ein kissenförmiges Modell mit Sichtfenster.
Vacheron Constantin
„Patrimony“,
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6
A. Lange & Söhne
„Saxonia Mondphase“, 28.500 Euro
7
8
Emporio Armani
„Swiss Made ARS
3351“, 995 Euro
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ZEITSPIEL
Haute Joaillerie trifft
Haute Horlogerie: Die „Lady
Arpels Ronde des Papillons“
von Van Cleef & Arpels
Die weibliche Mechanik
Die neue Generation von Damenuhren ist eine Verbindung aus komplizierter Technik und verspieltem Design.
Vorreiter waren nicht die Uhrenhersteller, sondern Modemarken, stellt Lorraine Haist fest
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So fantasievoll wie anspruchsvoll sind diese Neuheiten für 2016 (von links): „Panthères et Colibri“ von Cartier aus Weißgold mit Brillanten, Handaufzug. „Millenary“ von
Audemars Piguet aus Roségold mit Zifferblatt aus Onyx, Brillanten und Perlen, Handaufzug. Einzelstück „Dior VIII Grand Bal Pièce Unique Ondine No. 10“ von Dior aus Weißgold, Diamanten, Tsavoriten, Saphiren und gelben Saphiren, Automatikwerk. „Limelight Stella“ von Piaget aus Weißgold und Diamanten, mit Mondphase und Automatikwerk
GETTY IMAGES; MONTAGE: ICON
L
Lässt man im Gespräch mit Branchenbossen spezialisiert hat. „Die Technik einer Uhr zu seden Begriff „Modeuhr“ fallen, verziehen die hen, interessiert Frauen nicht so sehr“, sagt
meisten von ihnen noch immer das Gesicht: Picciotto. „Es geht ihnen mehr um Poesie, um
Man ist stolz auf seine Tradition, auf Hand- eine Geschichte – und darum, etwas zu haben,
werk und die Qualität, die daraus erwächst. das nicht jede andere Frau hat.“
Mit Moden oder Trends will man dagegen Bei Dior hat man das schon früh verstanden.
nicht in Verbindung gebracht werden. Das Pariser Haute-Couture-Haus hatte 2011 die
Schließlich geht es nicht um WegwerfIdee, das Bild von einer großen Roprodukte, sondern Dinge, die im Idebe, die sich beim Tanz bewegt, in
alfall von Generation zu GeneratiForm einer Uhr zu präsentieon weitergegeben werden.
ren. Bei der „Dior VIII Grand
Dabei haben die Hersteller der
Bal“ liegt das SchwunggeMode viel zu verdanken.
wicht, als essenzieller Teil
Nicht nur, dass sie schon imdes Werks normalerweimer einen wichtigen Einse höchstens von der
fluss hatte auf die Gestaltung
Rückseite der Uhr aus
der Zeitmesser. In den versichtbar, auf dem Ziffergangenen Jahren haben große
blatt. Das in 18-monatiger
Häuser wie Dior, Chanel und
Arbeit entwickelte „Dior InHermès entscheidend dazu beigeversé“-Kaliber ist aber nicht nur
tragen, dass sich heute immer mehr
eine technische Meisterleistung
Frauen für mechanische Werke intean sich. Die Technik ist auch in der
ressieren. Von dieser Entwicklung
Lage, eine Geschichte zu erzählen:
profitieren auch die Hersteller von
Besetzt mit Farbedelsteinen und
Luxusuhren: Sie erzielen mit DamenDiamanten, Hahnenfedern oder
modellen inzwischen rund 30 Prozent
zarten Blättern aus Perlmutt, erinihres Umsatzes, Tendenz steigend.
nert die mithilfe der Schwerkraft
Frauen sind eine anspruchsvolle Kundhin
und her schwingende halbkreisDer neueste
schaft, auch dann, wenn es um den Coup von Uhr- förmige Scheibe tatsächlich an die
Platz am Handgelenk geht. Ihre Anfor- macher-Koryphäe Bewegungen eines Haute-Couturederungen sind in den vergangenen JahKleids, das aus vielen Lagen von Tüll
Jean-Marc
ren immer größer geworden – immerund Seide besteht.
Wiederrecht:
hin kaufen sie sich ihre Stücke zuneh- die „Lady Levity“ Den auch von alteingesessenen Mamend selbst. „Frauen achten inzwinufakturen heute allenthalben bevon Fabergé
schen darauf, dass die Uhr zum
dienten Unisex-Trend – und die TatGesamtoutfit passt, auch in der Wertigkeit. sache, dass Frauen inzwischen gerne auch mal
Dabei spielt die Mode eine große Rolle: Nicht eine Männeruhr tragen – hat Chanel schon im
nur das Design der Uhr, sondern auch Mode- Jahr 2000 mit dem Modell „J12“ vorausgesefarben sind wichtig“, sagt Bernhard Stoll, Ge- hen. Die Hightech-Keramikuhr, einem klassischäftsleitung Uhren bei Juwelier Wempe. schen Modell für Taucher nachempfunden, ist
„Außerdem interessieren sich immer mehr bis heute die sowohl bei Damen als auch bei
Frauen für Uhrentechnik.“ Tat es früher noch Herren am meisten verkaufte Uhr des Pariser
das mit Diamanten besetzte Quarzkaliber, Modehauses. Dank des Erfolges der „J12“ ist
muss heute auch das Innenleben stimmen: Chanel mittlerweile selbst ein wichtiger
Mechanik ist im Luxussegment auch bei Da- „Player“ in diesem Geschäftsfeld. Eine 2008
men mittlerweile Standard.
begonnene Kooperation mit der TraditionsDoch bevor Frauen bereit sind, Zehn-, oder marke Audemars Piguet trug zusätzlich dazu
manchmal Hunderttausende von Euro auszu- bei, dass die Franzosen endgültig in der Haute
geben, müssen noch andere Wünsche erfüllt Horlogerie angekommen sind.
werden. Beispielsweise Komplikationen, die Mitglied dieses elitären Zirkels ist seit 2006
denen eines Herrenmodells derselben Preis- auch Van Cleef & Arpels. Damals entwickelte
klasse ebenbürtig sind: Mondphasen, ewige das Pariser Juwelierhaus, traditionell mehr
Kalender, Minutenrepetitionen – allerdings in für seine üppigen Geschmeide als für komplieinem femininen, verspielten Gewand. „Eine zierte Werke bekannt, mit der Uhrmacher-KoUhr ist für Frauen dann begehrenswert, wenn ryphäe Jean-Marc Wiederrecht die Kollektion
sie nicht nur schön und wertig ist, sondern „Poetic Complications“. Die Kollektion – geauch Gefühle erzeugt“, sagt die Pariser Uhren- nau genommen handelt es sich um ein vollund Schmuckexpertin Eléonor Picciotto, die kommen neuartiges Konzept – präsentierte
sich mit ihrer Website „The Eye of Jewelry“ erstmals eine Uhr, deren extrem komplizierte
auf eine wachsende weibliche Zielgruppe Technik es möglich macht, in einem Zyklus
von 24 Stunden durch Bewegungen auf dem
Zifferblatt eine Geschichte zu erzählen. Von
einem Marienkäfer auf emailliertem Hintergrund zum Beispiel, der im Lauf eines Tages
um Kleeblätter flattert – bis das Zifferblatt
abends den Blick auf einen Strauß diamantbesetzter Blumen freigibt. Oder von einem Paradiesvogel, der tagsüber mit einer Blüte spielt,
um sich nachts in einen Mond aus Diamanten
zu verwandeln. Im Modell „Lady Arpels Ronde des Papillons“ aus der aktuellen Kollektion
kreisen Schmetterlinge aus Emaille im Minutentakt um eine Wolkenformation; die Stunden markiert eine fliegende Schwalbe.
Kein Wunder, dass Jean-Marc Wiederrecht
mittlerweile der gefragteste Mann der Branche ist, wenn es um die Verbindung von komplizierter Technik und Erzählung geht. Für die
Schmuckmarke Fabergé entwickelte er 2015
das Modell „Lady Compliquée Peacock“, die
erste Haute-Horlogerie-Uhr der Marke: Dank
einer retrograden Funktion im Werk schlägt
ein Pfau auf dem Zifferblatt im Stundentakt
sein Rad – erneut ein Modell mit extrem aufwendigem Innenleben und sehr verspieltem
Äußeren. Hermès bediente sich ebenfalls für
seine leicht und elegant wirkenden, dabei
technisch enorm anspruchsvollen Unisex-Modelle „Le Temps Suspendu“ und „Slim
d’Hermès“ der Künste von Wiederrecht.
Das Erzählen aus weiblicher Perspektive ist
gewissermaßen die DNA der Marke Cartier,
die sich erst in den letzten Jahren auch als
wichtiger Name für technisch anspruchsvolle
Herrenuhren etabliert hat. Insofern mag man
sich vorstellen, dass Cartier sein spektakuläres
neues Modell „Panthères et Colibri“ mal eben
aus dem Ärmel geschüttelt hat. In jedem Fall
ist die Uhr ein Paradebeispiel aus der Kategorie der komplizierten Kaliber, die ihre Technik ganz in den Dienst der Fantasie stellen:
Auf dem Zifferblatt ruht ein Panther aus Diamanten in Gesellschaft eines goldenen Kolibris – bis man auf die Aufzugskrone drückt.
Dann springt ein Pantherjunges zwischen den
Pfoten seiner Mutter hervor und verjagt den
Vogel. Der ausgelöste Mechanismus ist die
Gangreserveanzeige eines neu entwickelten
Uhrenkalibers: Je weiter der Kolibri fliegt,
desto mehr Zeit bleibt, bis die Uhr wieder aufgezogen werden muss.
Dass verspielte Luxusuhren bei der weiblichen Kundschaft offenbar ankommen, zeigen
die aktuellen Kooperationen von Jaeger-LeCoultre und Roger Dubuis: Mit Christian Louboutin und dem Schuh-Couturier Massaro holen sich beide Uhrenmarken viel Modekompetenz ins Haus. Gut möglich, dass der Begriff
„Modeuhr“ auch Branchenbossen schon bald
viel leichter von den Lippen geht.
53
Emilia trägt ein Kleid von
Max Mara. Strümpfe: Falke.
Pumps: Dior.
Ohrringe: Sevigné. Armreif:
Bucherer. In den Händen
hält sie Schuhe mit Blockabsatz von Gucci,
Sandalen und Pumps von
Jimmy Choo.
Kleider auf dem Sofa von
rechts nach links: Blazer mit
Applikationen: Dries Van
Noten. Kleid mit Fransen:
Talbot Runhof. Blaues
Spitzenkleid: Stella
McCartney. Weißes Kleid
mit silberfarbenen Trägern:
Brunello Cucinelli. Kleid auf
dem Tisch: Fendi. Tüllrock:
Dries Van Noten
„Welche
Schuhe,
Darling?“
54
August im Anzug
von Emporio Armani.
Hemd und Krawatte:
Hugo Boss. Tiara mit
Diamanten: Wagner
Preziosen
UND WAS ZIEH
ICH JETZT AN?
EIN BESONDERER ABEND SOLL ES WERDEN ...
IN EINER SUITE IM HOTEL ZOO IN BERLIN. ES FUNKELN DIE
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55
„Und wie sehe ich jetzt aus?“
„Also die Frisur? Ich weiß nicht“
K
56
„Ku’damm 56“. Eine Adresse, die man sich merken sollte.
Denn es ist der Name eines Dreiteilers, der Ende März im
ZDF gezeigt wird und den man aus vielerlei Gründen sehen sollte. Weil es Fernsehunterhaltung von Nico Hoffmann ist, mit einem Drehbuch von Annette Hess, weil alle
Schauspieler perfekt besetzt sind, sich zeigt, dass es auch
eine ganze Garde talentierter jüngerer Darsteller im deutschen
Film gibt, und weil das Thema sicher ungeplant, aber eben doch
sehr aktuell ist. Nämlich: Wie emanzipiert dürfen Frauen sein? Die
Errungenschaften, so selbstbestimmt leben zu können, wie wir es
heute können, sind noch gar nicht so alt und selbstverständlich wie
man meinen könnte. Schauplatz der Story, die in ihrer qualitativen
Umsetzung an die Mehrteiler wie „Der große Bellheim“ oder „Das
Adlon“ erinnert, ist die Tanzschule „Galant“ im Berlin der 50er-Jahre, erzählt wird die Geschichte von drei Schwestern und ihrer Mutter, deren oberstes Ziel ist, ihre Töchter mindestens standesgemäß,
wenn nicht besser zu verheiraten. Es geht um Emanzipation, um
die Befreiung von dem engen gesellschaftlichen Nachkriegs-Korsett. Nicht nur für die Frauen übrigens.
An einem Samstagmorgen Ende Januar diesen Jahres
geht es unweit der fiktiven Tanzschule in der Suite 625
im Hotel Zoo am Ku’damm wuselig und völlig unverklemmt zu. Es ist der Drehort für eine Geschichte, die
mit dem ewigen Klischee spielt: Mann ist längst fertig,
Frau kann sich nicht entscheiden. Wir haben den Aspekt
hinzugefügt: Er probiert aus lauter Langeweile ihren Schmuck.
Ganz ohne (reflexhafte) Anspielung übrigens auf das große Thema
Genderbending. Wir baten die Schauspieler Emilia Schüle und August Wittgenstein mitzuspielen, denn wir wollten nicht nur Bilder,
sondern Kopfkino erzeugen. Dies ist der Moment, sich für die gelungene Umsetzung zu bedanken. Überhaupt und weil es ein sehr
langer Tag wurde und es ein Vergnügen war, die Spielfreude der
Schauspieler zu beobachten. Zehn Gesichtsausdrücke in einer Minute? Bitte sehr.
Emilia, 23 Jahre, in Russland geboren, als Kind mit den Eltern und
der älteren Schwester nach Berlin gekommen, zauberhaft, zäh und
klug und sicher eines der größten Nachwuchstalente im Land,
spielt in „Ku’damm 56“ die Rolle der 19-jährigen Krankenschwester
Emilia trägt ein Kleid von Fendi, im Haar eine Diamant-Brosche von Chanel.
Diamant-Armband: Cartier. Ohrringe: Wempe. Uhr: Patek Philippe. Strümpfe: Falke.
August trägt einen Seidenmantel mit Pelzbesatz von Gucci. Kniestrümpfe: ItemM6.
Diamantcollier: Bulgari. An der rechten Hand: Ring von Piaget.
An der linken Hand: Ring mit Sternen von Chanel. Uhr: Oyster Perpetual von Rolex
Eva, die alles drauf anlegt, sich den 35 Jahre älteren Professor Fassbender zu angeln, um dann als „Frau Professor in einer 12-ZimmerVilla“ zu leben. „Anfangs dachte ich, sie ist einfach nur ein kleines
Miststück“, erzählt Emilia. „Doch dann habe ich die Figur als viel
tragischer empfunden, weil sie komplett losgelöst von ihren Gefühlen lebt. Sie empfindet ja überhaupt gar nichts für diesen Mann,
alles geschieht aus gesellschaftlichem Druck heraus. Es hat mich
gereizt, eine Frau zu spielen, die genau in meinem Alter, aber in einer völlig anderen Zeit mit so ganz anderen Weltbildern lebt. Ich
als Emilia kann heute heiraten, wen ich will, ich muss gar nicht
heiraten und die Eva stand unter dem Riesendruck, einfach so
schnell wie möglich verheiratet zu werden.“ Es gibt eine Szene, da
sagt sie wie nebenbei: „Ich bin die viertletzte unter den Freundinnen.“ Und Emilia selbst, hat sie sich gleichwohl schon mal eingeengt gefühlt, nur weil sie eine Frau ist? „Nein. Ich habe eher öfter
das Gefühl, dass ich anders behandelt werde, weil ich jung bin.“
Sollte einem auch zu denken geben.
August spielt Evas/Emilias Schwager Wolfgang von Boost. Jurist,
preußisch-stolz erzogen, glänzende Partie. Aber schwul. Also „ab-
artig“, wie es damals noch hieß. Man weiß gar nicht, ob man ihn
oder seine naive Frau Helga mehr bedauert. Wittgenstein, der in
den USA erst seinen Bachelor in Geschichte machte, dann dort
zum Schauspieler ausgebildet wurde und Blockbuster-Erfahrung
hat, spielt das großartig. Persönlich ist der 35-Jährige das Gegenteil
von verklemmtem Adel. Von Adel schon. Dass er sich nur Wittgenstein nennt, den ganzen traditionsreichen Rest weglässt, zeugt von
Souveränität. Wurde er frei erzogen? „Nein. Mein schwedischer
Großvater war extrem streng. Was mir nicht geschadet hat. Darüber bin ich ganz froh, auch wenn ich tierisch Angst vor ihm hatte.
Meine Eltern sind sehr liebevoll, sie haben versucht, uns alles zu
ermöglichen, aber sie legten sehr viel Wert darauf, dass man sich
gut benimmt, dass man auch dafür arbeitet. Im Garten irgendwelche Sisyphos-Jobs ableistet. Schadet nicht!“
„Traumpaar des deutschen Films“. Auch so eine Schublade, die es
nicht mehr braucht. Wobei man die mit Emilia Schüle und August
Inga Griese
Wittgenstein gern aufziehen würde.
„Ku’damm 56“; 20., 21. und 23. März, jeweils 20.15 im ZDF
57
Alles
auf
Anfang
Emilia in einem Seidenmorgenmantel von La Perla. Höschen: Christian Dior. Diamantohrringe: Bulgari. Diamantring: Cartier
August trägt ein mehrgliedriges Diamant-Collier von Bucherer, darüber ein Diamant-Collier mit Anhänger von Chanel, darunter eine
silberne lange Kette mit Amulett und Diamanten von Jochen Pohl, darunter eine silberne lange Kette mit floralem Love Amulett
von Cada, darunter eine goldene Kette mit Diamant-Anhänger von Wempe. Rechtes Handgelenk: Armreif mit Diamanten von Bucherer.
Linkes Handgelenk: Uhr Oyster Perpetual von Rolex. Duschkopf: Hans Grohe
58
Emilia in einem Mantel von Dries Van Noten. Kleid: Christian Dior.
Ohrringe mit Diamanten und Edelsteinen: Cada. Ringe an Emilias rechter
Hand: Kleiner Finger: Pomellato. Ringfinger: drei schmale Ringe: Ole
Lynggaard. Großer Ring: Cada. Mittelfinger: Cada. Zeigefinger: Cada.
Ringe an Emilias linker Hand: Kleiner Finger: Tiffany & Co..
Ringfinger: Vieri. Mittelfinger: Piaget. Zeigefinger: Ring Vieri
Lippenstift: Diorific Icone. Nagellack: „Nuit 1947“. Beides von Dior
„Und so
jetzt?“
59
„Sie wird fertig.
Sie wird nicht fertig.
Sie wird fertig ...“
„Geht doch. Und wie
bezaubernd du aussiehst, Liebling“
August trägt auf dieser Doppelseite einen Anzug von Emporio Armani.
Hemd und Krawatte: Hugo Boss. Manschettenknöpfe: Cada. Uhr: Oyster Perpetual von Rolex.
Emilia: Mantel: Dries Van Noten. Kleid: Christian Dior. Clutch: Bottega Veneta. Ohrringe mit
Diamanten von Cada. Drei schmale Ringe an ihrer rechten Hand: Ole Lynggaard. Ringe mit
Diamanten und Edelsteinen: beide von Vieri
Linke Seite: An Augusts Revers funkelt eine Brosche mit Brillanten von Wagner Preziosen.
Emilia trägt Sling Pumps von Jimmy Choo. Schmuck auf dem Tisch: Perlenkette: Tiffany & Co..
Diamant-Ohrringe: Piaget. Ring in der Perlenkette mit Diamanten: Jochen Pohl. Collier mit
Diamanten und Edelsteinen: Vieri. Mehrfach-Ring innerhalb des Colliers: de Grisogono.
Feingliedrige Kette mit Edelsteinen: Pomellato. Collier mit Turmalin: Wagner Preziosen.
Ohrringe und Ring mit Edelstein: Ole Lynggaard. Ring mit Diamanten: Cada
61
IRMAS WORLD
Durch
die
Blume ...
DIE MODE IST
VERRÜCKT NACH
BLÜTEN. IRMA, UNSERE
NEUE KOLUMNISTIN,
WEISS, WO DIE
WELTBESTEN
FLORISTEN SITZEN
Thierry Boutemy, Brüssel
Die Blumenkunst des Brüsseler Floristen
Thierry Boutemy ist längst über die
Stadt- und Landesgrenzen hinaus be-
62
kannt, vor allem seit er 2006 die üppigen
Blumenarrangements für Sophia Coppolas „Marie Antoinette“ schuf. Seitdem
gehören viel Topdesigner zu seinen
Kunden, darunter Stella McCartney,
Dries Van Noten, Lanvin und Alber Elbaz. In dieser Saison dürfen wir uns auf
seine Blumeninstallationen für Hermès
freuen, aber der stille Franzose fertigt
auch einfach atemberaubende Blumenkompositionen für private Geburtstage
und Hochzeiten.
Rue Vanderkindere 375, 1180 Uccle, Brüssel
thierryboutemy.com
Mark Colle, Antwerpen
Der Florist, der die Runway-Shows des
Hauses Dior ausstattet, betreibt auch
heute noch einen kleinen Blumenladen
in Antwerpen. Das hilft ihm, geerdet zu
bleiben, sagt er. Er selbst liebt die so
einfache und altmodische Dahlie. Seine
Blumeninstallationen für Dior dagegen
sind eine wahre Blumenorgie. Für die
erste Modeschau seines Freundes Raf
Simons bei Dior überzog Mark Colle
mehrere Räume mit mehr als einer
Million Rosen, Nelken und Orchideen.
Ein starkes Signal: Das hatte man zuvor
noch nicht gesehen. Er liebt starke Farben und spannende Gegensätze – also
nicht überrascht sein, wenn sich in den
Blumenstrauß auch Kräuter und Gemüse
mischen. Auch nach dem Abschied von
Raf Simons vertraut man weiterhin auf
Colles florale Fähigkeiten.
Baltimore Bloemen
Orgelstraat 6, 2000 Antwerpen
markcolle.com und baltimorebloemen.be
Baptiste Fleurs, Paris
Cartier verlässt sich in dieser Saison auf
die Kreationen des Pariser Blumenkünstlers Baptiste Pitou. Der Rosenliebhaber zählt zu den wichtigsten Floristen
Frankreichs, nicht zuletzt weil er seit
einigen Jahren der offizielle Florist für
Hermès ist. Spektakuläre Blumenwände
mit Tausenden von Blüten zählen zu
seiner Spezialität, aber die Kunden lieFlower-Power: Das Outfit von
Simone Rocha steht Irma bestens
ben ihn auch wegen seiner ebenso eleganten wie aufregenden Bouquets.
4, rue de l’Abbé Grégoire, 75006 Paris
baptistefleur.com
Fioraio Bianchi Caffè, Mailand
Karla Otto, die wohl einflussreichste PRund Imageberaterin der Modebranche,
die seit mehr als 30 Jahren Designer wie
Jil Sander, Miuccia Prada und Jean Paul
Gaultier betreut, hat ein untrügliches
Gespür für Stil und Trends. Wenn es um
Blumen geht, verlässt sie sich auf Fioraio
Bianchi Caffè in Mailand. Dieser charmante kleine Blumenladen mit Café
(oder ist es ein Café mit Blumenladen?)
bezaubert seine Kundschaft seit mehr als
40 Jahren mit französischer KaffeehausAtmosphäre und täglich neuen Blumenarrangements.
Via Montebello, 7, 20121 Mailand
fioraiobianchicaffe.it
Azuma Makoto, Tokio
Der japanische Künstler Azuma Makoto
ist kein Florist, aber er hat einen ganz
eigenen Zugang zur Botanik und schafft
spektakuläre, oft surreal anmutende
Arrangements. Für Fendi verwandelte er
den Flagshipstore im Stadtteil Ginza in
ein Gewächshaus und ließ die für Fendi
so typischen Fellpuschel auf Bäumen
sprießen. Er selbst bezeichnet seine
botanischen Installationen als PflanzenHaute-Couture. Da liegt es auf der Hand,
dass Modehäuser wie Hermès, Maison
Margiela oder Issey Miyake sich darum
reißen, mit ihm zusammenzuarbeiten.
azumamakoto.com
The Tuktuk Flower Studio, London
Eine schmale kleine Treppe in Mayfair
führt zu einem Blumenstudio der ganz
besonderen Art. Die Besitzerin Silka
Rittson Thomas ist bekannt für ihre
Ausstellungen, in denen sie Blumen mit
Gefäßen und Vasen bekannter Künstler
in London in Verbindung bringt.
73 Duke Street, Mayfair, W1K 5NP
thetuktuk.net
IRMASWORLD
B
lumen sprechen ihre ganz
eigene Sprache, und in
dieser Saison sind sie das
neue „It“-Accessoire. Designer lieben Blumen
nicht nur wegen ihrer
zarten Schönheit, sondern
wegen der subtilen Botschaften, die sie
aussenden. Sonnenblumen oder Lilien?
Ein abstraktes Gesteck aus Zweigen oder
ein üppiger Pfingstrosenstrauß? Ein
lässiger Blumenkranz im Haar oder eine
edle Calla-Lilie am Revers? Der Trend
zum Floralen schwappt in dieser Saison
vollends auf die Laufstege. Blumen erzeugen Stimmung und Stil, und so spielen sie gerade bei den großen Modehäusern eine wichtige Rolle, sei es ihr Einsatz als Accessoire (Dries Van Noten)
oder als wahre Kunstwerke bei den großen Schauen (Christian Dior). Mit Blumen können die Designer die Corporate
Identity und den Stil ihres Modehauses
zum Ausdruck bringen. Für Modenschauen, Installationen, Partys oder
Fotostrecken in Modemagazinen schaffen sie mit Blumen Kompositionen, die
weit über Gebinde hinausgehen.
Wir haben die führenden Modehäuser
gefragt, wo sie in dieser Saison Blumenpräsente für ihre Kunden und magische
Blumendekorationen für ihre Schauen
fertigen lassen und stellen die schönsten
Blumenboutiquen vor.
Der Blumentrend bleibt:
Irma trägt J.W.
Anderson aus
der kommenden
Herbst-/Winterkollektion
Barock am Baum:
Kunststoff-Lüster für
den Garten von Fatboy
VOR DER TÜR
Alles muss raus!
Zum Beginn des Frühjahrs haben wir wieder
ein Zimmer mehr: Garten, Balkon oder
Terrasse. Das lästige Rein- und Rausschleppen
der Möbel ist aber passé. Esther Strerath
macht wetterfeste Vorschläge
Auf Zack: Couchtisch von Oxyo
ochen, schlafen, lümmeln – und das unter freiem Himmel! Gern schon jetzt, egal ob auf Balkönchen oder XLTerrasse, der „Draußen-Aufenthalt“ schert sich kaum
mehr um niedrige Temperaturen. Längst hat auch der
Städter der nördlichen Hemisphäre seinen privaten Außenbereich zum ZusatzZimmer erkoren.
Der französische Industrie-Designer Thomas
Sauvage („Ego“) konstatierte 2015 anlässlich der
Auszeichnung mit dem
„Red Dot Award“ für seine Outdoor-Liege: „Der
Outdoor-Möbelmarkt
bewegt sich immer näher in die Richtung, ein
wesentlicher Bestandteil
des Zuhauses zu sein.“
Weswegen es außerhalb
der vier Wände jetzt so
aussieht wie hinter den
Fensterscheiben. In etwa
Fifties-Revival: Re-Edition eines
so: Auf Parkettboden erZweisitzers aus Bambus von Oxyo
zeugt ein bunter Teppich nebst Stehlampe
mit
Schirm
sowie
Couchtisch, Pouf und
fluffig gepolstertem Sofa ein ungetrübtes
Wohnzimmergefühl – nur der mit WasBeinahe ein
serpistolen tobende Nachwuchs irritiert
Love-Seat:
ein wenig. Macht nix, den neuen Materia„Mbrace“ von
lien kann Wasser nichts anhaben. Sonne
Sebastian
auch nicht. So ist der vermeintliche HolzHerkner für
boden tatsächlich aus Keramikfliesen.
Dedon
Der Lampenschirm (von Kettal) wurde
aus Porotex gefertigt, ein in Tschechien
erfundenes Membran-Material,
das hauptsächlich aus Polyamidfasern besteht, mit ökologischem Polyurethan beschichtet
und wasserabweisend ist. Der
Teppich wiederum ist aus bunten Seilen geknüpft (eine Idee
Regenimmun:
des italienischen MöbelherstelDie Superpolster
lers Paola Lenti). Ein anderer
des „Walrus“-Sofas
Stoff ist etwa Sunbrella, er ist aus
können gleich nach
100 Prozent Acryl, dessen Fasern
Schauern wieder „besetzt“
die Farbpigmente umschließen
werden (extremis.be)
und somit nicht ausbleichen.
Das Farbspektrum leidet nicht
darunter. Im Gegenteil: Die neuen Sofabezüge von „Kettal“ hat das indisch-britische Design-Duo Doshi Levien entworfen, in insgesamt 34 Farben. Es gibt auch Outdoor-Leder, -Tapeten, -Kronleuchter
und Outdoor-Küchen. Letztere haben den „Von-drinnennach-draußen-Trend“ stark befeuert – Mann grillt ja so
gern. Das kann er nun an einer schicken Garten-Küchenzeile und sich dort auch um die Beilagen kümmern. Frau
gießt derweil ihr vertikales Indoor-Beet. Und wenn es
wirklich mal zu kalt ist: Es ist ja auch schön hinauszuschauen, in das neue Saison-Zimmer.
Ein Holztablett auf Stahlbeinen trägt
K
Polster und gewebte Rückenlehne:
„Rivera" von Minotti
Modebewusster
Hocker oder Beistelltisch
im Missoni-Outfit von
Ego Paris (furnitureegoparis.com)
Ringel aus der
Reihe: Neues
Design für den
Klassiker als
Kindersessel
von Airborne
Wetterfester Schirm mit
Lampe von Kettal
Kuschel-Look mit VintageCharme: Das Sofa
„Oasis“ entwarf Tord
Boontje für Moroso
Auch Klassiker dürfen jetzt ins Freie:
Thonet hat die Freischwinger S 33
und S 34 (von Mart Stam) outdoortauglich beschichtet
Glamping: Das Daybed „Kumo“ macht
die Terrasse zum Schlafgemach
(manutti.com)
63
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S t y l e Ed i t o r : Na d i a R a t h ; Ha a r e & Ma k e - u p : S t e f a n Ke h l
c / o W i l h e l m i n a ; Mo d e l : Ma r i q u e S c h i m m e l c / o S u p r e m e ;
Produktion: Odalys García García; Castingdirektor:
A n d r e a D e a n e s i ; Fo t o a s s i s t e n t i n : K i r s t i n S c h m i t t ;
66
S t y l i n g - As s i s t e n z : D a r a Fr a n k u . Ka t h a r i n a Kü h n h o l z
In der Altstadt,
Barrio Habana Vieja.
Kleid: Blumarine.
Rock: Roberto Cavalli
67
Ausruhen beim Friseur
in Viertel Jesús María.
Total Look: Louis Vuitton
Marique lässt sich am Malecón,
der Ufermauer, die Meeresbrise
um die Nase wehen.
Jacke: Dolce & Gabbana.
Kleid: Elie Saab.
Schuhe: Stuart Weitzman
In das von Armut
geprägte HafenViertel „Jesús
María“ verirren
sich nur selten
Touristen – da
wollten wir uns erst
recht mal umsehen.
Jacke: Saint
Laurent. Bluse und
Bermudas: Akris.
Kette: Pervis Ross
Das Kapitol, 1929 erbaut, ist nur wenig
älter, als die meisten Autos auf Cuba.
Gerade wird es renoviert. Ab 2018 soll
hier wieder das Parlament tagen
Hinauf zum „Hotel Nacional de Cuba“.
Hier stiegen schon Frank Sinatra und
Marlene Dietrich ab. Jacke: Agnona.
Kleid: Alberta Ferretti. Turtleneckdress:
Marni. Tasche: Tory Burch
Marique traut sich in einen
Boxclub in der Altstadt Havannas.
Jacke: Christian Dior. Hemd: Polo Ralph
Lauren. Faltenrock: Kenzo. Schuhe: Prada
Mitten in Havannas
Altstadt: Jacke: Fendi.
Bluse: Max Mara.
Rock: Delpozo.
Ohrringe: Giorgio Armani.
Schuhe: Emanuel Ungaro
74
Von der Dachterrasse
des berühmten
Restaurants
„La Guarida“ hatte man
schon 1993 im Film
„Fresa y chocolate“
(span.: Erdbeere und
Schokolade) einen fabelhaften Ausblick. Mantel:
Jil Sander. Bluse: Anglomania. Rock: Miu Miu.
Schuhe: Elie Saab. Brille:
Dolce & Gabbana
Diese Seite: Kleid: Burberry.
Darüber: Top: Dries Van
Noten. Armreif: Pervis Ross.
Rechte Seite: Gegend „Jesús
María“ im Viertel Centro
Habana, zwischen „Parque de
fraternidad” und dem ZentralBahnhof. Jacke: Agnona. Netztop: Saint Laurent. Karotop:
Victoria Beckham. Shorts:
Moncler. Schuhe: Versace.
Ohrringe: Dolce & Gabbana
76
Kolonialhaus
im Viertel Colón.
Kimono: Etro.
Kleid: 3.1 Phillip Lim.
Schuhe: Tory Burch
78
Am Gemüsemarkt
in Habana Vieja.
Jacke: Prada.
Pulli: Polo Ralph Lauren.
Hemd: Marco Polo.
Rock: Stella McCartney.
Schuhe: Marni
A
80
ls Tourist kommt man auf Kuba meist gut
über die Runden – deshalb stehen die
wichtigsten Tipps für den Alltag in keinem Reiseführer. Das Leben auf der Insel
ist sehr einfach und schwierig zugleich –
meistens im Wechsel von Minuten. Für
das, was man in Deutschland an einem Tag
erledigen kann, braucht es in Havanna
mitunter eine Woche und man muss dafür jeden Stein dreimal
umdrehen. Gelassenheit, Humor, Fantasie und Schlagfertigkeit sind entscheidend, um voranzukommen. „Calle“ nennen
die Kubaner diese Kombination an überlebenswichtigen Eigenschaften. Und auch bei unserem Fotoshooting wäre ohne
Calle gar nichts gelaufen.
Das Wetter war Anfang dieses Jahres außergewöhnlich
schlecht. Regen, Sturm, hoher Wellengang, kühle Temperaturen quälten die Inselbewohner, und auch der karibisch blaue
Himmel hatte sich dauerhaft verabschiedet. Im Morgengrauen
des ersten Tages, es war noch dunkel, stand ich in den Straßen
der Altstadt, wo ich derzeit auch lebe, knietief im Wasser. Der
Autoverkehr steckte fest, nichts ging mehr.
Aber wie es für Kuba typisch ist: Irgendwas geht dann doch
immer. Nach ein paar Stunden besserte sich das Wetter etwas
und fortan galt auch für uns, das Beste aus dem Moment rauszuholen. Schon bei der ersten Fahrt durch die Stadt mit dem
gerade eingetroffenen Team offenbarte sich der typische
Fluch und Segen: Für alle, die Havanna das erste Mal sehen, ist
es schmerzhaft, sich auf Motive festzulegen. Das Team hätte
am liebsten alle paar Meter angehalten, wäre aus dem Auto gesprungen, um sofort loszulegen. Man muss sich also zumindest ein bisschen disziplinieren und dennoch offen sein für alle Eventualitäten. So ähnlich haben wir es dann schlussendlich gemacht. Auch das gehört zum Lebensgefühl Havannas:
Man improvisiert und ist eigentlich immer in Bewegung.
Mit sieben Leuten waren wir ein vergleichsweise kleines
Team, aber natürlich erweckt eine derartige Entourage Aufsehen in den Vierteln. Um uns ungestört vorzubereiten, sprachen wir spontan die Leute auf der Straße an, dort wo wir unsere Aufnahme machen wollten. Sie öffneten uns ihre Wohnzimmer und Schlafzimmer, die wir temporär in Garderoben
und Make-up-Studios verwandelten. Alle Außenaufnahmen
mussten dann sehr schnell gehen, meistens waren nur das Model, der Fotograf und die Stylisten dabei. Es war wie eine kurze
Traumsequenz – danach fühlten wir uns euphorisch.
Die Kubaner sind alles andere als auf den Mund gefallen. Aber
wie unser Model dort wie eine fast schon außerirdische Erscheinung plötzlich in ihrem Umfeld auftauchte und umgehend wieder verschwand – da fehlten selbst ihnen oft die Worte. Staunendes Interesse umschreibt die Reaktionen auf den
Straßen vermutlich am besten. Ich bin mir sicher, dass wir
noch Tage später das Gesprächsthema waren. Aber die Hauptstadtbewohner sind nicht schüchtern – und wenn wir beispielsweise Passanten fragten, ob sie mit aufs Foto wollen, willigten die meisten sofort begeistert ein.
Kuba befindet sich derzeit im Umbruch. Unser Shooting in
Havanna zeigt indirekt auch, was hier gerade passiert: Das
Land öffnet sich und ist mehr und mehr den Einflüssen einer
globalisierten Welt ausgesetzt. Verschiedene Kulturen werden
in Zukunft stärker aufeinandertreffen, die Frage nach der Verteilung des Wohlstands wird neu gestellt werden müssen.
Denn, machen wir uns nichts vor, heute ist es noch so, dass von
dem Wert eines Outfits, das wir fotografiert haben, eine fünfköpfige Familie zehn bis fünfzehn Jahre leben muss. Die Habaneros hoffen, dass sich das im Laufe der nächsten Jahre ändern wird. Ein reicher Engländer bot unserem Nachbar Jose
vor Kurzem viel Geld für seine kleine, verfallene Wohnung.
Das Haus grenzt an eine Straße, die zum neuen Luxus-Boulevard umgebaut wird. Vom seinem Balkon rief Jose zu uns herüber: „Oh ha! Nur über meine Leiche! Schaut doch mal runter!“ Er fuchtelte wild mit den Armen und zeigte auf eine Touristengruppe, die mit ihren Faltkarten kämpfte: „Es sind ja
jetzt mehr Touristen als Kubaner auf der Straße. Bis vor Kurzem wollte ich hier noch weg. Aber jetzt überlege ich mir das
noch mal ganz genau. Ich glaube, das alles hier ist mehr wert,
als wir denken.“ – „Luz!“, riefen wir zurück! Neben Calle ist
Luz ein weiteres wichtiges Wort, das man in Kuba verstehen
sollte: Es bedeutet, dass jemand einen klaren Moment hat und
den Nagel auf den Kopf trifft.
Aufgezeichnet von Heike Blümner
Obere Reihe von links:
Jacke: Prada. Kleid: Hermès. Petticoat:
Dries Van Noten. Armreife: Marni.
Daneben: Mantel: Ungaro.
Overall: Lacoste. Schuhe: 3.1 Phillip Lim
Vom „Malecón“ zurück in die
Altstadt. In der Mitte:
Jacke: Giorgio Armani.
Kleid: Kenzo.
Rock: Boss.
Schuhe: Ungaro
Traumsequenzen
in den Straßen
Havannas
DIE DOKUMENTARFILMEMACHERIN UND
FOTOGRAFIN KIRSTIN SCHMITT
PENDELT SEIT JAHREN ZWISCHEN KUBA
UND BERLIN. BEI UNSEREM
FOTOSHOOTING ASSISTIERTE SIE DEM
FOTOGRAFEN DER STRECKE ALBERTO
TOMMASO BADALAMENTI UND FASSTE
IHRE EINDRÜCKE VOM SHOOTING UND
DEM LEBEN IN HAVANNA ZUSAMMEN
Untere Reihe von links:
Lederkleid: Tom Ford.
Blusenkleid: Anglomania.
Schuhe: Blumarine.
Kette: Laruicci.
Daneben: Top: Bottega Veneta.
Kleid: Salvatore Ferragamo.
Schuhe: Dries Van Noten
KOLUMBIEN
Die
Farbe der
Hoffnung
Liz Taylor schlief nie ohne ihren
dattelgroßen, grünen Ring, den
ihr Richard Burton mal in den
Eisschrank legte, als Dank für
eine Liebesnacht. Smaragde, so
sagt man, haben verzaubernde
Kräfte. Dagmar von Taube
besuchte Muzo – die größte
Mine im neuen Kolumbien
I
82
ch kenn noch die Jungs, die
vor 20 Jahren die Dinger
nach Thailand oder Mexiko
schmuggelten, um die 50
Prozent Steuern zu prellen“,
erinnert sich Ronald Ringsrud, 58. „Die hatten die Steine in einem Briefumschlag
zusammen mit ihrem Flugticket in der Hand,
so war’s am unauffälligsten. Und fuhren dann
mit dem Auto von Mexiko wieder zurück in
die Staaten, den Kofferraum voller Geldscheine, eingewickelt in nasse Badeklamotten:
40.000, 100.000 Dollar ... Aber das ist lange
her, wie gesagt“, betont der Kalifornier und filetiert einen Mozzarella auf seinem Teller, als
operiere er am offenen Herzen. Sein Hemd ist
rot und das Goldamulette um seinen Hals ein
ziemlicher Johnny. Champagner perlt in den
Gläsern der 20 anwesenden Journalisten, die
extra eingeflogen wurden aus aller Welt für
das Event. Ronny trinkt Saft. „15 Motorradunfälle und sieben Knochenbrüche reichen.“
Er war auch mal Smaragd-Dealer, lang bevor
er als „Quality Director“ bei Muzo anfing. So
heißt die größte Smaragdmine Kolumbiens,
2500 Quadratmeter im Norden des Landes,
aus der ein US-Unternehmen, das sie vor
sechs Jahren übernahm, nun die schönsten, in
Ronalds Fachjargon würde man sagen: die
einschlussfreiesten, lupenreinsten Steine gewinnen will. Ronald ist gelernter Gemmologe,
er kennt sie alle: „Die Rubi-Jungs, die SaphirTypen. Wir sind eine Familie, die ,StoneBrothers‘, obgleich sich das Business extrem
gewandelt hat. Gott sei Dank“, sagt er. „Wir säßen sonst nicht hier.“ Im „Harry Sasson“, einem feinen Restaurant in Bogotá, der SiebenMillionen-Einwohner-Hauptstadt von Kolumbien. Fünf Millionen Menschen davon leben
in Armut. Hier, im Viertel Emaus, stehen Villen im gregorianischen Stil, die mit hohen,
Ein Smaragd aus der Muzo-Mine kann schon
mal über 2000 Karat auf die Waage bringen.
In Bogotá werden sie geschliffen, bevor sie
verkauft und von Juwelieren wie Bulgari,
Van Cleef & Arpels, Chopard, Cartier oder
Antoine Sandoz (links) verarbeitet werden
skalpellspitzen Zäunen abgesichert sind. Wer
einen Arzt oder ein Büro besucht, muss sich
mit seinem Fingerabdruck registrieren lassen. Das Lokal wird von zehn Männern in
Schusswesten bewacht, Muzos Bodyguards.
„Tja, wir haben nicht nur Freunde ...“, sagt Ronald und knetet das Ohr seiner Serviette.
Der Flug nach Muzo dauert 40 Minuten. Von
Bogotá aus geht’s über die Anden 100 Kilometer in den Dschungel. Der Helikopter landet
zwischen Hibiskus, Eukalyptus, Palmen, Orchideen. Es sprießt sattgrün, alles umschlingt
sich wie in einem riesigen Garten der Lüste.
Der Jeep holpert durch Flussbetten, über kurvige Wege. Plötzlich Wachtürme, Maschinengewehre, Hunde. Die Szene könnte aus „Narcos“ stammen, sofort ist da dieses unheimliche Gefühl. Stacheldraht umzäunt das Gelände, das rund um die Uhr bewacht wird. 700
Menschen, die meisten Kolumbianer, arbeiten
hier drei Wochen sechs Stunden pro Tag.
Dann gibt’s zehn Tage frei. Die Hälfte wohnt
auch hier. In ihren Overalls sehen alle gleich
aus, darum gibt’s Spitznamen, sagt einer, den
sie „Mickey Mouse“ rufen wegen seiner Segelohren. „Und der da drüben ist ‚Egg‘“, sagt Mickey Mouse. „Der Eierkopf.“ Gelächter. So vergeht „oben“ der Tag. Alkohol ist verboten, dafür haben sie Tischtennis und einen Fernsehraum. Einmal pro Woche kommt ein Priester.
40 Grad zeigt das Barometer an. Unten ist die
Hitze noch größer. Es gibt sechs Schächte.
Früher musste man laufen, seitdem die Rampen verbreitert wurden, kann man in kleinen
Trucks runterfahren. Der Fahrer macht ein
schnelles Kreuz auf seiner Brust, dann aerlischt hinter ihm das Tageslicht. Eine Journalistin bekommt plötzlich Panik. Ruhig atmen.
Schnell mal eben wieder raus – funktioniert
nicht. Nach 30 Metern geht’s im Fahrstuhl weiter. Eine Art Stahlkäfig. Sechs Stunden sitzt
hier eine Frau unter einem Funzellicht und
drückt immer nur auf zwei Knöpfe: Grün –
der Lift kommt hoch. Rot – er fährt runter. 50
Frauen arbeiten mittlerweile in Muzo – und es
werden mehr, erzählt der Minenführer. Sie
flüchten vor Missbrauch, Alkoholismus, Gewalt zu Hause. „Die meisten haben mit 21
schon vier bis fünf Kinder, alle von verschiedenen Männern. Die flehen uns um Jobs an.“
400 Dollar sind das Monatsgehalt in der Mine,
das Doppelte von dem, was die meisten draußen bekämen. „Mine“, sagt ein Arbeiter, „ist
auch immer noch spannender als Fabrik.“
Acht Mann quetschen sich, bis es quietscht in
den klapprigen Fahrstuhl, der sie langsam,
sehr langsam durch einen stockfinsteren
Schacht 50, 80, schließlich 120 Meter in die
Tiefe trägt. Das ist wirklich nichts für Klaustrophobiker – und es ginge noch tiefer! Irgendwann will man sogar bis auf 400 Meter
runtergehen. Unten ist es heiß, eng und
feucht. Im Gänsemarsch, eingezogener Kopf,
geht es durch das stickige Erdlabyrinth, durch
das sich breite Rohre ziehen: Ein neues
Pumpsystem, das die Tunnel mit mehr Sauerstoff versorgt. Einmal eröffneten Mineneindringlinge ein Waffenfeuer in einem solchen
Tunnel. Man darf gar nicht darüber
nachdenken ... weitergehen. Stop! Eine Taschenlampe leuchtet auf eine
schwarze Wand mit ganz feinen Silberfäden. Aha! Hier wird jetzt mit einem Pickel geklopft oder besser gesagt: ganz, ganz
vorsichtig Millimeter für Millimeter geschabt,
damit man auch ja keinen Stein zerstört oder
übersieht. Die Erde ist wie Mehl, das beim Berühren sofort zerfällt. Es braucht Geduld.
Smaragde, sagen die Arbeiter hier unten, sind
wie Frauen: Wer nach ihnen sucht, wird sie
nicht finden. Man muss so tun, als sei man gar
nicht interessiert. „Und dann leuchten sie
plötzlich in deiner Hand!“ Am Ausgang müssen alle durch den Body-Scanner gegen Diebstahl. Die Verlockung ist einfach zu groß.
Smaragde wurden 1300 vor Christus erstmals
von den Ägyptern abgebaut. Sie beherrschten
lange Zeit den Handel im Mittelmeerraum.
Sie entdeckten auch ihre Heilkraft. Nero soll
einen Smaragd als Monokel getragen haben,
gegen die blendende Sonne. Mit der Eroberung Südamerikas durch die Spanier brach ihre Handelsstellung. 55 Prozent aller Smaragde
kommen heute aus Kolumbien.
„Es war kein leichter Weg für uns“, erklärt
Charles Burgess, 59. Er ist der Minen-Direktor
von Muzo, dessen Hauptinvestorgruppe in
Huston, Texas sitzt, aber aus Sicherheitsgründen nicht genannt werden will. Man muss wissen: Über Jahre lag das Minengeschäft Kolumbiens in den Händen verbrecherischer Smaragdbosse, die es mit paramilitärischen Einheiten gegen Guerillas und Drogenkartelle
sicherten, sobald diese die Kontrolle wollten;
vor allem über die unermesslichen Gewinne
und die Geldwäsche dieses Industriezweigs.
„Es war Krieg“, sagt Burgess, „in dem die Bosse ihre Machenschaften ausschließlich mit
Waffen regelten, jeder gegen jeden.“ Tausende
von Menschen starben im „Green War“ in den
80ern, bis ein gewisser Victor Carranza 1990
Frieden aushandelte. Er war einer der Vorbesitzer der Muzo-Mine und ihr Verteidiger gegen Drogen-Baron Pablo Escobar und seine
Bande. Burgess will nun eine neue Ära einläuten im neuen Kolumbien, grün wie die Farbe
der Hoffnung: „Wir wollen Transparenz statt
Schurkengeschäfte, halten uns an Gesetze,
zahlen Steuern, Löhne, modernisieren. Und
trotzdem“, Burgess haut sich brüllend auf den
Schenkel, „man staunt immer wieder!“ Kürzlich sollte er die kleine Summe von fünf Millionen Dollar rausrücken. „Da hatte unser
Partner mal eben ‚vergessen‘, die Stromrechnung zu bezahlen – für ganze zehn Jahre! Hallo?!“ Aber das sei ja noch harmlos. „Es laufen
immer noch genug Typen herum, die uns für
unsere Modernisierung hassen. Da gibt es
dann Leute, die sich in unsere Mine schleichen, um unsere Smaragde zu stehlen. Die
buddeln sich wie die Maulwürfe in die Erde
und robben sich dann 100 Meter tief. Wir
konnten es selbst nicht glauben, bis wir diese
Löcher sahen!“ Er blicke trotzdem optimistisch in die Zukunft. Auf der Baselworld zeigt
Muzo nun erstmals seine Schätze. Highlight
war mal ein 2350-Karat-Stein. In Genf eröffnet
bald ein Showroom. Private Liebhaber allerdings brauchen gar nicht erst zu klingeln. Muzo verkauft nur an die großen Juwelierhäuser.
DAGMAR V. TAUBE
Bogotá liegt auf
2600 Meter Höhe,
die Temperatur
gleichbleibend bei
20 Grad Celsius.
100 Kilometer
nördlich befindet
sich die MuzoMine, die seit 1559
besteht. Das
Gebiet ist mineralogisch einzigartig und wird von
100 Bodyguards
bewacht
83
MINISTÈRE DE LA CULTURE – FRANCE/AAJHL / COURTESY SCHIRMER/MOSEL
FOTOMAGIE
Die Farben des Lebens
Erst in den Sechzigern wurde Jacques-Henri Lartigue entdeckt – zumeist richtete sich die
Aufmerksamkeit auf seine Schwarz-Weiß-Fotos. Nun ist ein Band mit Farbaufnahmen des Mannes
erschienen, dessen Fotografien das 20. Jahrhundert so einzigartig inszenieren
84
Links: Lartigues erste Frau Madeleine,
genannt Bibi, im Restaurant des „Eden
Roc“ im Mai 1920. Diese Seite im Uhrzeigersinn: Ascoli Piceno, 1958; Flore
Ormea, genannt Florette, die dritte Frau
des Fotografen, im Mai 1954 in Morgan,
Provence. Jacqueline Roque und Picasso, Jean Cocteau, Francine und Carole
Weisweiller und, davor sitzend, Florette
beim Stierkampf, Vallauris 1955
S
ein ganzes Leben lang
hat er Dinge getan, die
für andere unerreichbar
waren, doch entdeckt
wurde er erst ziemlich
spät: Der französische
Maler und Fotograf
Jacques-Henri Lartigue
gehört zu denjenigen, von denen sich behaupten lässt, sie hätten wirklich die ganze Welt ins
Bild gesetzt und dabei Unverwechselbares geschaffen. Als Sohn aus gutem Hause konnte er
es sich leisten, früh mit Kameras zu experimentieren, schon als 18-Jähriger schoss er 1912
das Foto, das seinen Ruhm ab den 60er-Jahren
begründen sollte: einen Rennwagen, bei dem
er die Kamera mitzog, sodass sich die Hinterräder auf dem Foto verformten. Ein Sinnbild
für das Tempo der Moderne. Er beschäftigte
sich auch früh mit der Autochrom-Technik,
die durch ein kompliziertes Verfahren Farbaufnahmen ermöglichte. Ein Anlass für den
Schirmer-Mosel Verlag, die farbige Seite seines Schaffens mit dem Band „Das Leben ist
bunt“ zu würdigen.
In Zeiten, in denen jeder mit seinem
Smartphone unbegrenzt Bilder machen kann,
stechen die Arbeiten dieses Mannes umso
mehr heraus. Lartigue, der dreimal verheiratet war, schafft es jedes Mal, die Welt trotz ih-
rer Dynamik wohlgeordnet, ja aufgeräumt
aussehen zu lassen. Natürlich lässt sich sagen,
dass er gern an Plätzen wie dem „Eden Roc“Hotel an der Côte d’Azur war, an denen es
nicht schwierig ist, Schönheit zu inszenieren.
Doch erstens muss man zugeben, dass man
für Arrangements wie das mit seiner ersten
Frau „Bibi“ im Restaurant schon das Auge eines Malers haben muss – und auch als solcher
arbeitete der Lartigue ja. Und zweitens war er
sich nie zu fein, auch Orte wie amerikanische
Tankstellen oder die harten Viertel Roms aufzusuchen. Alles in allem war der Mann, der
1986 starb, also ein Beweis dafür, dass Schönpec
heit finden wird, wer Schönheit sucht.
85
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HEITER BIS ROSIG
Sie wollen „dufte“ ins Frühjahr
starten? Dann baden Sie doch
mal in „La vie est belle Florale“
von Lancôme. Der roséfarbene
Flakon hat extra sein Frühlingskleid angezogen und duftet wie
ein Bouquet aus frischen Frühlingsblüten.
Und Sie wollen dann auch Ihren
Teint frühlingsfit optimieren?
Dann empfehle ich besonders
das „Absolue L’Extrait“, das
regenerierende Kräfte aus der
Lancôme-Rose erhält (wurde
1973 vom Rosenpapst Georges
Delbard kreiert). In jedem der,
ja von Hand, abgefüllten Tiegel
stecken übrigens zwei Millionen
Rosen-Stammzellen, gewissermaßen Hilfe zur Selbsthilfe, die
die Haut ungemein regenerieren. Fehlt nun nur noch das
passende Wetter, oder?
Sind die echt?
Diese Frage haben sich wohl einige der Moderedakteurinnen und Front-Row-Gäste bei der Show
von Rodarte vor wenigen Wochen gestellt. Die Designer-Schwestern Laura und Kate Mulleavy
schickten die Models während ihrer Show in New York mit, ja, echten Orchideen als Haar- und
zugleich auch Ohrschmuck auf den Laufsteg. Ein Trend, der sich kinderleicht zwischen Kiel und
Garmisch kopieren lässt. Falls Sie also noch Inspiration für die nächste Gartenparty suchen ...
Dreierlei News: XXL-Lippenstifte kann Sisley gut. In
diesem Sommer gibt’s sechs
neue Nuancen, wie „Poppy“
(Nr. 13). Sensai kombiniert im
„Silky Design Rouge“ Lippen- und Konturenstift in
einem (sechs Rot-Nuancen).
Und bei Tom Ford wird’s
glänzend. Der neue „Patent
Lip Color“ deckt ab, und
glänzt trotzdem.
Lieblingston?
Stolen
Cherry.
Konfetti: Rouge gibt’s in vielerlei
Ausführung. Als Puder, als
Creme Rouge oder in Stift-Form.
Und bei Givenchy nun auch aus
der Tube. Die kleinen rosa- und
perlmuttfarbenen Perlen, die im
klaren, feuchtigkeitsspendenden
Gel schwimmen, lösen sich auf,
sobald Sie sie auf den Handrücken drücken und mit den
Händen verreiben. Und schon
wird aus dem Gel von „Mister
Radiant Blush“ eine hübsche
Farbe, die dann nur noch leicht
auf den Wangenknochen einmassiert werden muss. Magic!
Lufti-Kuss: Sie denken nun, dass
Sie den Flakon bereits kennen?
Recht haben Sie. Der Inhalt ist
aber definitiv neu. Versprochen.
Und zwar steckt in ihm der vierte
Duft der Prada Candy-Reihe:
Candy Kiss. Er duftet nicht so süß
wie die große Schwester Candy,
sondern eher
nach einem
Hauch Baumwolle. Parfümeurin
Daniela Andrier
entwickelte gemeinsam mit
Miuccia Prada
und kombinierte
nun dafür Moschus mit Vanille
und Orangenblüte.
Mmmmmmhhhhh...
Glückwunsch: Zum 10-jährigen Jubiläum der AntiAging-Pflege „Sublimage La Crème“ von Chanel,
gönnten sich die Franzosen ein Upgrade. Detailliert
aufzulisten, welche neuen, bahnbrechenden, wissenschaftlichen Errungenschaften genau in der Wunder-Creme (drei Texturen) stecken, führt zu weit.
Aber sicher ist: Etwas wirkt. Wir haben getestet.
Franz Ende
Geschäftsführer der
Parfümerien Werner
und Godel in Stuttgart
IM NAMEN
DER ...
... Sie wissen, worauf ich hinaus
möchte, oder? Mein Metier ist
die Kosmetikwelt, nicht die
Literatur, daher liebe ich Produkte, in denen die Königin der
Blumen steckt. Einer meiner
Rosen-Lieblinge ist das Spray
„Rose Dust“ von A4, einer
Marke aus Bayern. Es enthält
hauptsächlich Rosenwasser,
aber eben auch pflegende
Inhaltsstoffe wie Arganöl und
Aloe Vera. Sprühen Sie es, wann
immer Ihre Haut es braucht: als
Erfrischung zwischendurch am
Laptop, nach zu viel Sonne ...
Und wenn Ihnen die Rose auch
in die Nase steigen soll, dann
nebeln Sie sich am besten mit
„Acqua Nobile“ von Acqua di
Parma ein. Rosen-Power!
Karin Schuhwerk
Geschäftsführerin
der Parfümerie
Lüdicke in Füssen
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von Leben und Schönheit.
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Individuell für jede Haut und
jedes Haar.
Das ist unsere Aufgabe.
Exklusive Haarpflege und Kosmetik.
In ausgesuchten
Friseur – Salons und auf
labiosthetique.de
CRISTIAN BARNETT
ZU BESUCH
Herr im Haus:
Serge Lutens lebt
in Marrakesch
Monsieur Geheimnisvoll
Normalerweise spricht Serge Lutens nicht viel – und schon gar nicht mit jedem.
Susanne Opalka machte sich dennoch auf den Weg zu ihm nach Marrakesch.
Und siehe da, der Grandseigneur der Duftwelt fing an zu erzählen
E
90
in Künstler, wer es vermag,
seine eigene Wahrheit auszudrücken. Serge Lutens
spricht seit Jahren vor allem durch seine Parfüms –
oft intellektuell und rätselhaft, gern widersprüchlich
und radikal, niemals gewöhnlich, immer berührend. Mit der GoldKollektion beschreitet er jetzt eine neue Ebene; und die ist ohne Beispiel. Wie sein Haus in
Marrakesch, in dem er lieber übers Leben als
von Düften spricht. Wobei: Genau das ist eben
nicht zu trennen.
Seine warme, leise und dabei sehr klare Stimme schwingt vor humorvollen und manch
selbstironischen Tönen, ist eindeutig lautmalerisch – Serge Lutens zuzuhören ist ein Vergnügen, selbst wenn man der französischen
Sprache gar nicht mächtig ist. Sein Blick ist
scheu und sofort wieder offen, voller Wärme
und in der nächsten Sekunde wieder Distanz
wahrend; auch das wirkt auf ungekannte Weise anziehend. Rührend sorgt er sich, ob es
nicht zu kalt ist, lässt große, rote Umhänge
bringen – es ist schattig und zugig in einem
Empfangsraum vor dem Innenhof seines Hauses mit jahrhundertealten Palmen und Zedern, plätschernden Wasserläufen mitten in
der Medina von Marrakesch. Doch wir bibbern gern weiter. Zumal der zarte elegante
Herr, vor wenigen Tagen 74 Jahre alt gewor-
den, nichts davon zu spüren scheint. „Ich friere einfach nicht“, sagt er, um ironisch hinzuzufügen: „Ich mag es eisig“. Typisch Lutens.
Monsieur Serge, wie er von seinen Angestellten mit respektvoller Zuneigung genannt
wird, was er fast beschämt erwähnt, beginnt
zu erzählen, versetzt uns augenblicklich in
seine Welt: „Dieses Haus besteht aus ehemals
20 Häusern, alles ist neu strukturiert, es ist eine Art Ideal, nach dem ich strebe. Man bewegt
sich in dessen Richtung, muss sich immer
wieder überwinden, ihm näher zu kommen.“
Seinen Antrieb für die Kunst, für sein Leben
manifestieren diese Mauern: Seit mehr als 40
Jahren strebt er in und mit diesem Gebäude
nach seinem Ideal, fertig ist es, ist er noch im-
men inzwischen aus ganz Europa angereist,
um sich seinen Kurzhaarschnitt mit ausrasiertem Nacken verpassen zu lassen, geht Serge
Lutens nach Paris („Geld und Erfolg interessierten mich nicht, ich wollte mich unbedingt
entwickeln, etwas vollbringen“), wird mit 20
Jahren Kreativchef für Haar, Make-up,
Schmuck bei „Vogue“, arbeitet für Magazine
weltweit, reicht bei Dior ein Dossier ein, weil
man dort einen Make-up-Kreateur sucht. Natürlich wollen sie ihn. Er fotografiert, filmt,
zeichnet, entdeckt seine Liebe zu Japan, arbeitet mit den größten Namen der Modewelt,
der Fotografie. 1980 kreiert er das globale
Image von Shiseido. Anfang der 70er-Jahre
tauscht er seinen Wohnsitz Paris gegen Marrakesch, erlebt sein olfaktorisches Erwachen.
„Das war der Geruch in den Souks, vor allem
das Zedernholz, davon fühlte ich mich sehr
angezogen. Ich habe Gerüche gesammelt, sie
alle in kleine Döschen getan; die habe ich immer noch.“ Sein erstes Parfüm erscheint 1982,
das eigenwillige und sagenhafte „Nombre
Noir“. Heute das Einhorn der Düfte, für das
Liebhaber ihre Rentenansprüche riskieren
„Vetiver oriental“, „Clair de musc“, „Daim
blond“, „Sarrasins“, „El attarine“ ... Ab 2000 arbeitet Serge Lutens dann ausschließlich unter
eigenem Namen. Eine gewisse Verbindung zu
Shiseido bleibt jedoch bestehen und soll, so
munkelt man, in Zukunft wieder enger werden. Was eventuell auch mit „Section d’Or“ zu
tun haben dürfte, der goldenen Kollektion, die
alles übersteigt, was das Allroundgenie bisher
präsentierte. Für den Meister persönlich keine
Frage der raren und kostbaren Inhaltsstoffe.
„Es geht mir nicht unbedingt um die Wohlgerüche, es geht nicht um die Rezeptur, es geht
um das Erschaffen. Alles, was ich tat und tue,
ist eine Auseinandersetzung mit mir selbst. Es
geht immer wieder darum, den Eindruck wiederzuerschaffen, den ein Geruch hinterlassen
hat. Das ist die Arbeit, die mich fasziniert.“
Parfüm ist für ihn zu einer ganz eigenen Sprache geworden. „Vor zehn Jahren wäre ich nie
in der Lage gewesen, diese Düfte zu machen,
nein. Es ist wieder ein Entwicklungsprozess,
ein Fortschritt darin, wie ich mich ausdrücken
kann. Es sind nicht einfach Parfüms, das sind
Geschichten, meine Geschichten, meine Gedanken.“ Tatsächlich sprechen die Noten, die aus jedem
der sechs verschiedenen „Essays“ in den tiefschwarzen
Flakons zu vernehmen sind,
wie mit seiner Stimme:
warm, zurückhaltend und
elegant im Ton, von Gefühlen
getragen. Und sie sind extrem, intensiv und unerhört
berührend.
Monsieur macht eine kurze
Pause, wir blicken verwundert, seit Stunden nimmt er
uns nun schon gefangen in
seinem Kosmos, in seinem
Haus. In dem er sich übrigens
ebenfalls als Gast empfindet.
Denn Lutens lebt hier gar
nicht, kommt nur zum Arbeiten am Nachmittag. Er wohnt
außerhalb der Medina. „In einem einzigen Zimmer.“ Das
will nun doch keiner glauben.
„Ich schwöre es Ihnen. Ich
habe es selbst entworfen, das
Bad ist sehr groß, das Zimmer sehr klein. Darin steht
ein kleines Bett, da schlafe
ich hinter einem geschnitzten Holzgitter als Schutz. Ich
mag dieses Beschützte, ich
mag gern in Ecken sein, da
fühle ich mich in Sicherheit.“
So wird sein angestrebtes
Ideal ein Museum werden,
sein Geschenk an Marrakesch: „Damit muss ich mir um die Zukunft
meiner Leute hier keine Sorgen machen. Ich
habe schon mit den Vätern oder sogar Großvätern von einigen gearbeitet.“ Rachid, einer der
engen ständigen Mitarbeiter, ist es dann auch,
der ganz nebenbei erwähnt: Das Konzept, jeder Raum, jede Farbe, jede Schnitzerei, jedes
Ornament – das komplette Ganze und mit
ihm jedes einzelne noch so winzige Detail –
entstammt Lutens’ Feder, entworfen, gestaltet
und eigenhändig gezeichnet. Er selbst hat dies
nicht mit einer Silbe auch nur angedeutet.
PATRICE NAGEL
mer nicht. Auf mehr als 1000 Quadratmetern
fügt sich ein beispielloses Kunstwerk ineinander, eine Art Enzyklopädie nordafrikanischer
Handwerkskünste, die sich nur hier, nur so
hautnah erleben lässt. 500 Handwerker haben
zeitweise gleichzeitig daran gearbeitet: an der
Koranschule, dem Hamam, komplett aus Tadelakt, dem antiken marokkanischem Kalkputz,
der Bibliothek, einem Archiv, den (Tee-)Salons, Innenhöfen, surrealen Deckengewölben
aus dreidimensionalen, ineinandergeschichteten Mini-Ornamenten, surreal, schmalen,
höhlenartigen Fluren wie Gassen der Medina.
Mystische Dunkelheit, in der man schnell die
Orientierung verliert, die meisten Räume haben keinerlei Fenster – ein Labyrinth, angefüllt mit Kostbarkeiten längst vergangener
und verdrängter Berber-Kultur.
Wir erreichen zwei Laboratorien, die sich gegenüberliegen, unweigerlich halluziniert
man in Goldschwaden gehüllte Alchemisten –
und ist fassungslos angesichts der Exzellenz,
der Perfektion – überreich und zugleich ohne
jeglichen Protz, von erhabener Strenge. Wie
alles, was Serge Lutens entwirft und gestaltet.
Ein Abbild seiner selbst. „Alles
ist eine Verdoppelung“, nennt
er es. Greifbar wird sein Leitmotiv, als er von seiner Jugend
erzählt. 1942 als unehelicher
Sohn in Lille geboren, wächst
er zwischen zwei Familien auf
und will im Nachkriegsfrankreich Schauspieler werden.
„Ich habe eigentlich immer geschauspielert, ich hatte bestimmte Gesten, es waren die
von Greta Garbo, von Lauren
Bacall, die schaute ich mir ab.
Ich wusste gar nicht, was natürlich ist. Habe immer versucht,
jemand anderes zu sein.“ Doch
der Vater steckt ihn in einen
Friseursalon in Lille. Fürchterlich sei es dort gewesen. Über
Jahre habe er nichts lernen
dürfen. Bis ihm eines Tages befohlen wurde: Serge, frisiere
das Mädchen dort! Einfach so.
„Ein sehr trauriges Mädchen, es
wirkte irgendwie gebrochen.
Ich sehe es im Spiegel, und
dann war es so, als würden wir
uns doppeln, als würden wir
uns ineinander hineinversetzen.“
Mit den Kino-Bildern im Kopf
greift der Lehrling zur Schere.
Es habe ihn überwältigt, „Zack,
ich höre noch diese nasse
Strähne auf den Boden fallen.
Und plötzlich war alles andere
still, ich weiß es, als wäre es heute. Es war eine
unschöne Stille, so voller Kritik, eine böse
Stille. Und plötzlich wusste ich oder spürte
ich, hier geht es jetzt um mein Leben. Ich
nahm die Schere und schnitt die zweite Strähne ab, noch heftiger.“ Er habe mutig sein müssen, zugerichtet, wie er gewesen sei, nach seiner Kindheit. Schüchtern, sehr in sich gekehrt, und um das zu überwinden, müsse man
sich selbst Gewalt antun. Aus sich herausgehen. „Die Strähne, das Abschneiden. Es war
tatsächlich wie eine Nabelschnur, die durchtrennt war.“ Der Urknall des Künstlers Serge
Lutens. „Ein bisschen schizophren. Vielleicht
nicht nur ein bisschen“, sagt er jetzt lachend.
Was folgt ist Legende: Statt sich den eigenen
Salon finanzieren zu lassen, die Kunden ka-
Paradiesisch: 500 Handwerker arbeiteten an Haus
und Garten von Lutens in Marrakesch, die er Anfang
der 70er-Jahre kaufte und nur zum Arbeiten nutzt
würden. Es wurde schnell vom Markt genommen. Zu teuer – in jeder Hinsicht.
Mit „Féminité du bois“ – zusammen mit Pierre Bourdon entstanden – markiert er 1992 Shiseidos erfolgreichen Einstieg in die Duftwelt.
Es folgen „Bois de violette“, „Ambre sultan“,
„Iris silver mist“, „La myrrhe“, „Fleurs d’oranger“, „Cuir mauresque“, „Rahät loukoum“.
Man müsste sie (fast) alle nennen, denn seine inzwischen mehr als 60 Kunstwerke
(die meisten in Symbiose mit dem Parfümeur Christopher Sheldrake komponiert) verändern die Parfümbranche.
Essays im Flakon: Der Duft
„L’Haleine des Dieux“
entstammt seiner neuesten
Linie Section d’Or
91
Einfach rosig
Der Trend zu Blüten und Blumen hat sich
längst von der Mode- auf die Kosmetikbranche übertragen. Wie schön. Bei Dior
widmete Kreativdirektor Make-up Peter
Philips daher seinen Frühjahrslook (ja, auch
das gibt’s nicht nur in der Mode) den Glowing Gardens. Wer auch etwas von dieser
Leuchtkraft eines gerade erblühten Gartens
abhaben mag, könnte es mal mit dem Rouge
417 in, klar, „Glowing Pink“ versuchen.
Sag’s mit der Rose
Der RTL-Bachelor hätte an diesem Parfüm
seine helle Freude, überreicht er doch in
jeder Sendung der Dame seiner Wahl eine
(echte) Rose als Zeichen seiner Zuneigung.
Nun, er könnte beim nächsten Mal doch
einfach einen Flakon „Rosa“ von Blumarine
anreichen. Hätte einen (wohl duftenden)
Mehrwert.
PSS
Die
Natur pur
Tata wer? Zugegeben, das haben wir uns auch gefragt.
Mal wieder ein neuer Stern am Kosmetikhimmel? Ja, das
ist sie wohl. Denn Tata Harper, eine Kolumbianerin, die in
Vermont lebt, baut auf ihrer Farm die meisten der in ihren
Cremes und Sprays (testen Sie unbedingt mal die „Hydrating Floral Essence“ – zum Befeuchten der Haut) verwendeten Zutaten selbst an und füllt sie dann von Hand in
Tiegel und Flaschen. 100 Prozent Natur und handmade in
USA. Good Job! Über niche-beauty.com
SS t
Neu!
l
ing
e
Nix als Grünzeug
Haben Sie einen Kräutergarten
hinterm Haus? Dann wissen Sie ja,
wie gut das Grünzeug duften kann.
Für diejenigen, die mehr von dem
Potpourri möchten, empfiehlt sich
die „The Herb Garden“-Kollektion
von Jo Malone. Das ist eine limitierte Duftreihe und bedeutet:
Sie könnten sich etwa mit Petersilie
& Tomate, Lavendel & Koriander
oder auch Fenchel & Karotte
(Favorit) einduften. Macht süchtig!
Gute Nacht, Schönheit!
Sieht zwar wenig blumig aus, dieser schwarze Tiegel, aber in seinem
Innern verbirgt sich viiiieeeel Blume. Und zwar die Wirkstoffe der Wunderblume (lat. Mirabilis jalapa). Diese öffnet sich nur in der Dämmerung und verschließt sich am Tag. Was das für unsere Haut bedeuten
mag, wenn man die „Dream Night Mask“ von Kenzoki benutzt? Nun
ja ... auftragen, über Nacht einwirken lassen und am Morgen wundern.
Im frischen Gewand
92
Seit 30 Jahren zählt die „Crème Jeunesse des Mains“ von
Clarins zu den Bestsellern des französischen Familienunternehmens. Angeblich wandert weltweit alle 30 Sekunden eine ihrer
Handcremes über den Ladentisch. In jedem Fall gibt es rechtzeitig
zum astronomischen Frühlingsbeginn (heute!) eine limitierte
Mini-Kollektion der Creme – und zwar in drei neuen Duftrichtungen: Orangenblätter, Weißer Tee und – Favorit der Redaktion –
Feige! Am besten probieren Sie alle drei.
Kenner unter Ihnen werden
wissen, dass im französischen
Giverny der Garten von Claude
Monet liegt. Dieser soll Aerin
Lauder, Enkelin von Estée, zu
ihrem neuesten Duft „Waterlily
Sun“ inspiriert haben. Er will in
„eine friedvolle, grüne Oase“
entführen. Funktioniert am
besten unter der Dusche mit
dem passenden Duschgel.
Gibt’s bei Breuninger in Stuttgart oder im Berliner KaDeWe.
ZUSAMMENGESTELLT VON CAROLINE BÖRGER
Garten-Dusche
Schönheit
verbindet die Welt
Schönheit ist essentiell.
Wie das Wasser und die Luft.
Vom ersten Erblühen
bis zur Ewigkeit.
Wir atmen Schönheit.
Sie schenkt uns Sicherheit
und macht die Welt zu einem
besseren Ort.
Sie verbindet und vereint uns.
Sie fließt von Herz zu Herz.
Doki-Doki
Bewahre die Schönheit.
Verleihe deiner Haut die Stärke,
die sie braucht.
Ultimune
Power Infusing Concentrate
man jemanden, der das Metier beherrscht.
Das tue ich und deshalb bin ich überzeugt von
meiner Kreation. Trotzdem musste ich einiges
lernen, ich musste Hermès lernen, indem ich
es von innen heraus lebe, die Texturen erfahren, die Geschichten ...
Das machen Sie wie?
Ich kreiere an zwei Orten: in Cabris in Südfrankreich, wo Jean-Claude lebt, und in meinem Labor in Pantin bei Paris. Dort ist das gesamte Kreativhandwerk von Hermès versammelt. Ich fühle mich dort sehr wohl zwischen
all der Handwerkskunst.
HERMES
Wie hat Jean-Claude Ihre Arbeit beeinflusst?
Jean-Claude hat mich nicht wie ein Lehrer
unterwiesen, sondern war und ist mein Berater. Er hat mich jedoch gelehrt, frei in meiner
Arbeit zu sein, mich ermuntert: „Sei mutig!“
Deshalb verzichte ich bei meiner Arbeit auf
Marketingstrategien oder Umfragen. Seine
Laufbahn war schon vor seiner Zeit bei
Hermès beeindruckend, seine Karriere dort
dann großartig. Er hat immer seinen Stil bewahrt, jedoch hat er den Geist von Hermès
aufgesogen. Das möchte ich auch.
M
adame Nagel, Sie sagen, es sei schwieriger,
ein Eau de Cologne zu
entwickeln als ein
Parfüm. Warum?
Ein Cologne ist eine
Stilaufgabe, diese Einfachheit verlangt Können. Die wenigen Zutaten wollen wohlüberlegt sein, mit Feingefühl ausgesucht. Ich glaube, dass ein Parfüm Vergnügen verbreiten
soll, und das kann ein Cologne besser. Man
kann viel Freude, Spontanität und Farbe hineinbringen, wie man auch am roten Flakon
erkennen kann.
Weshalb wählten Sie für Ihren ersten HermèsDuft ausgerechnet Rhabarber?
Weil ich Rhabarber liebe! Nein, im Ernst. Als
man mich beauftragte, ein Cologne zu entwickeln, habe ich mir die Frage gestellt, was es
werden könne. Es gibt ja bereits eine schöne
Kollektion, die Jean-Claude Ellena kreiert hat,
und was sollte ich dem Neues hinzufügen?
Abseits von Zutaten wie Zitrus- und Bergamottenoten, den eigentlichen Hauptbestandteilen eines Cologne, damit es frisch duftet.
Denn das ist ja das Charakteristische. Ich wollte aber durch etwas Neues Frische erzielen.
Und so kam ich schnell auf Rhabarber.
Wie das?
In meinem Garten in der Schweiz gab es viel
davon. Mich interessierte seine grüne Facette.
Wobei sich grün nicht auf die Farbe bezieht,
sondern auf den herben, frischen Geruch. Ich
wollte das Gefühl nachempfinden, das ich
beim Pflücken einer Rhabarber-Stange erlebe, die Explosion spritziger Duftnoten.
94
Hatten Sie Vorgaben seitens Hermès?
Nein. Nach Jean-Claude bin ich wohl weltweit
die einzige Parfümeurin, die freie Hand hat.
Mein „Eau de rhubarbe écarlate“ habe ich erst
vorgestellt, als es fertig war. Und zwar nur
Pierre-Alexis Dumas, unserem künstlerischen
PARFÜM
DuftExplosion
Alles neu bei Hermès. Nach
zwölf Jahren übergab Hausparfümeur Jean-Claude Ellena
Anfang des Jahres das Zepter an
Christine Nagel. In Paris stellte
sie ihr erstes eigenes Parfüm
vor: ein Rhabarberduft.
Caroline Börger bekam Appetit
Leiter, sowie den Hauptverantwortlichen der
Parfüm-Sparte. Bedeutet: Ich habe eine Idee,
arbeite an dieser, und wenn ich denke, dass sie
ausgereift ist, stelle ich sie vor.
Und? Wie war die Reaktion?
Pierre-Alexis Dumas hat daran gerochen und
sagte: „Wow! Das ist genial. Das ist neu. Das
bringen wir heraus!” Und ich sagte: „Ja, ja, ja!“
Arbeiteten Sie mit Jean-Claude zusammen?
Tatsächlich arbeiteten wir während der vergangenen zwei Jahre Seite an Seite. Wissen
Sie, es gibt heutzutage zwei Arten von Parfümeuren. Die, die in Unternehmen tätig sind
und viele verschiedene Projekte haben, und
dann gibt es uns Hausparfümeure. In Europa
gibt es nur sechs dieser Art. Doch alle arbeiteten zuvor für große Duftstoffproduzenten, das
ist der klassische Berufsweg. Als Hermès mir
die Nachfolge von Jean-Claude antrug, suchte
Seit Anfang des Jahres sind Sie auf sich allein
gestellt. Flößt Ihnen das Respekt ein?
Nun, ich habe viel Respekt vor der Arbeit von
Jean-Claude, es steht ein beeindruckendes Erbe hinter mir, das wird Teil meines Fundamentes sein. Aber eingeschüchtert bin ich davon nicht, nein. Es ist, so glaube ich, mein
Wunsch, gewagte Duftnoten zu präsentieren,
und ich habe das Glück, für ein Haus zu arbeiten, das solche zulässt, ja diese sogar verlangt.
Ellena arbeitete sehr reduziert, mit höchstens
20 Zutaten. Wie steht’s mit Ihnen?
Ich bin wie er für Einfachheit und Klarheit.
Nehmen wir ein Beispiel aus der Schneiderkunst auf: Ein sehr schlichtes Kleid enthält
mitunter viele Details, die man auf den ersten
Blick nicht erkennt. Das heißt jedoch nicht,
dass sie nicht vorhanden sind. Jean-Claude
entschied sich, mit 20 Zutaten zu arbeiten. Ich
selbst nehme mir die Freiheit, mehr einzusetzen, wenn ich sie benötige. Was ich erreichen
will, ist eine schlichte Erscheinung, denn
Hermès ist subtile Einfachheit. Wie bei der
Herstellung einer Kelly-Bag sind es die Vorgehensweise und die speziellen Details, in denen enorm viel Arbeit steckt. Doch was zählt,
ist allein die Erscheinung ...
Haben Sie Lieblingszutaten? Moschus taucht
immer wieder in Ihren Kreationen auf.
Gute Frage. Moschus ist in der Parfümerie allgegenwärtig. Heutzutage als synthetische Variante, denn die Verwendung natürlichen Moschus’ ist verboten. Der synthetische weist jedoch höchst unterschiedliche Facetten auf.
Mal duftet er milchig, mal fruchtig, mal hölzern. Seine Arbeit in einem Duft lässt sich
kaum in Worte zu fassen. Aber es ist in etwa
wie die Kreation des New Look. Als Christian
Dior ihn schuf, kreierte er eine Silhouette. Das
Typische dieser Silhouette waren eine sehr
enge Taille und ein glockiger Rock in Form einer Blume. Moschus ist quasi der Petticoat,
der dem Rock Stand gibt. Erst wenn Sie ihn
anlegen, haben Sie Stil. Ohne ist der Stil banal
und es fehlt ihm an Eleganz. Auch Moschus
darf man nicht wahrnehmen, doch er verleiht
Ausdruck, eine Sinnlichkeit, die unvergleichlich ist. Und hat nicht gerade die Beschäftigung mit dem nur unterschwellig Wahrnehmbaren seinen Reiz?
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maßgeschneidertes Kleid, das ein Leben lang getragen wird und spezielle Pflege benötigt – eine persönliche
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Körperhülle die gewünschte Ausstrahlung erhält. Dafür benötigt sie eine gezielte und ausreichende Versorgung mit wichtigen Nährstoffen. Gerade ab dem 25. Lebensjahr, wenn sich die Stoffwechselprozesse
im Körper verlangsamen, reicht eine pflegende Anwendung von außen nicht mehr aus. Aktuelle Studien
zeigen, dass gerade die Pflege von innen für eine gesunde Hautstruktur unentbehrlich ist.
Erst recht, wenn UV-Strahlen, Nikotin und Stress ihre Spuren hinterlassen. Sie hemmen die
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SONNTAG, 20. MÄRZ 2016
Global Diary
ROM
Zwei Herzen schlagen in meiner Brust. Einerseits
möchte ich mein Glück eifersüchtig für mich behalten, andererseits es freudig und möglichst
laut in die Welt hinausposaunen. Es liegt an
Rom, dieser komplizierten alten Dame, dass ich
mich in ein Bed & Breakfast verliebt habe.
Seit Jahren reise ich regelmäßig in die Ewige
Stadt, habe dort die Betten gewechselt wie eine
launische Liebhaberin, und fühlte mich dementsprechend unbefriedigt. Durchgelegene Matratzen, Schimmel an den Wänden, jede Nacht
Party bis drei Uhr morgens im Hinterhof – meine
persönliche Beschwerdeliste ist lang, wenn es um
römische Hotels geht, die alle jedoch eines ge-
96
meinsam hatten: Sie sahen von außen pittoresk
aus und waren überteuert.
Ein Schnäppchen ist das Bed & Breakfast „My
Navona“ auch nicht, aber das ist völlig in Ordnung, denn hier bekommt man für sein Geld
echte römische Gastfreundschaft geboten. Sieben geräumige Zimmer vermietet die Innenarchitektin Alessandra Bruti Liberati in ihrer Privatwohnung, die in einem monumentalen Haus aus
dem Jahr 1800 liegt, das der österreichischen
Kirche gehört. Alle sind geschmackvoll, aber
nicht überladen eingerichtet und mit einem Bad
en suite ausgestattet. Diese Art von persönlicher
Eleganz findet man in größeren Etablissements
eher selten. Der Komfort ist jedoch vergleichbar.
Die Hausherrin begrüßt ihre Gäste persönlich
und ist großzügig mit Tipps, auf die man sich in
diesem touristischen Umfeld verlassen kann.
Gemeinsam bespricht man auch das Frühstück,
das zur gewünschten Zeit auf einem Servierwagen ins Zimmer geschoben wird. Die einzige
Mahlzeit des Tages, für die Italiener sich nicht
weiter interessieren, und die sie von daher bestenfalls mittelgut beherrschen – hier ist sie perfekt. Feines Gebäck aus eigener Herstellung,
Obst und Eierspeisen werden täglich frisch zubereitet. Wenn man noch mehr Glück hat und in
einem Zimmer im Vorderhaus mit Blick auf die
Kirche Santa Maria della Pace untergebracht ist,
ist man spätestens während des Essens über-
Vom Hauptbahnhof ins Domizil im Hotel-Maserati – nicht etwa mit 210 Stundenkilometern, sondern unauffällig dem Stadttempo entsprechend. BülowResidenz und Taschenbergpalais lassen wir für unser „Ladies only“-Weekend
dieses Mal links liegen, unser QF Boutique Hotel steht Wange an Wange mit
der barocken Frauenkirche. Das Kürzel „QF“ steht für Quartier an der Frauenkirche. Das Gebäude mit der Hauseckenrundung war auch vor dem Facelift
stets eine feste Größe, heute zieht das Privathotel mit 5-Sterne-Häusern
gleich. Überzeugend das Fehlen von Chichi, Deko-Wahn, bleierner Historie
oder gar unbequemen Designexperimenten. Holzmöbel in gedeckten Tönen, die Räume sind großzügig geschnitten und die junge Direktorin Dorit Schaper hat alles im Blick. Trotz Grand Lit in der Parvus Suite ist
auf 51 Quadratmetern ausreichend Platz für
meine Yogaroutine.
Den Samstagmorgen beginnen wir mit einer frühen Teerunde – mit weißen Pfirsichblüten „aus dem Garten der Wang
Mu“. Das Frühstück ist weitgehend
hausgemacht wird in der schnellen oder
gesunden Variante serviert. Alternativ
bedient man sich am Buffet. Vor allem
das duftende Brot aus der Hausbäckerei
hat es mir angetan. Ein frisch zubereiteter Power Drink beflügelt unser Vorhaben,
in der Neustadt die neusten Trends aufzuspüren. Unser Augenmerk gilt Designern, die
sich aus Hinterhöfen heraus nach oben arbeiten.
Dorothea Michalk zum Beispiel hat es längst geschafft. Die Modedesignerin schneidert elegante Haute
Couture, mit Ornamenten reich per Hand bestickt. Wer sich der Mode kritischer nähern will, geht in die Ausstellung „Fast Fashion“ im Deutschen Hygiene Museum (noch bis zum 3. Juli). Sofort nach dem Sonntagsbrunch lohnt eine Reise ins nahe Glashütte. Hier werden die Uhren von A. Lange & Söhne gefertigt. Wie man die Zeit zurückdreht, dass wir noch ein wenig länger verweilen
können, hat man hier aber leider auch noch nicht herausgefunden.
Uta Petersen hat wieder einmal gemerkt, wie herrlich
Deutschland sein kann
DRESDEN
ERINNERN SIE SICH? AN DIE ZEIT, ALS MAN
STATT WHATSAPP UND E-MAIL NOCH KARTEN VON
FREMDEN ORTEN SCHRIEB? WIR TUN ES NOCH IMMER.
ILLUSTRIERT VON TIM DINTER
zeugt, dass es doch einen Gott geben muss –
und zwar einen, der einem wohlgesonnen ist.
Derartig gestärkt stürzt man sich ins Getümmel,
oder legt erst einmal eine kleine Pause direkt vor
der Haustür ein. Obwohl das „Ma Navona“ unweit des touristischen Durchlauferhitzers Piazza
Navona liegt, geht es in dieser Gasse zwar lebendig, aber nicht hysterisch zu. Bei einem Cappuccino könnte man zum Beispiel einem seltenen Spektakel beiwohnen: Echte Römer bei der
Verrichtung ihres Tagwerks beobachten. Aber
auch alle anderen Sehenswürdigkeiten sind von
hier aus bequem zu Fuß zu erreichen.
Alessandra Bruti Liberati freut sich jedes Mal
aufs Neue, wenn die Gäste sich zum Abschied
überschwänglich bei ihr bedanken: „Sie haben
Glück mit mir zu leben“, sagt sie verschmitzt und
es klingt kein bisschen eingebildet. Wie zum Beweis drückt sie einem noch eine Papiertüte in die
Hand. Darin befinden sich eine Flasche Wasser
und ein kleines Präsent, selbst gemachte Aprikosenmarmelade oder Pralinen beispielsweise.
Das Arrivederci wird einem hier nicht leicht gemacht und die meisten Gäste kommen wieder.
Deshalb ist es oft ziemlich schwierig, ein Zimmer
spontan zu ergattern. Als Trost bleibt dann nur:
Die Hausherrin plant demnächst, ihr Angebot zu
erweitern.
Heike Blümner wäre gerne nach Diktat
verreist. Raten Sie mal, wohin?
BASEL
Je öfter ich von zu Hause fort
bin, desto mehr sehne ich
mich in der Fremde nach
einem Ort, der Geborgenheit vermittelt. Gut
geführte Grandhotels
sind solche Refugien
mit weichen Polstern,
unaufdringlichen
dienstbaren Geistern
und kuschligen Zimmern, in denen nicht der
Fernseher die Hauptrolle
spielt, sondern der Gast. Das
„Les Trois Rois“ in Basel ist so
ein Haus. 101 Zimmer und trotzdem
intim. Vor mir hat hier schon Josephine
Baker genächtigt und Thomas Mann, der wegen der Preise gemäkelt haben soll. Auf der Schokoladenseite der Stadt am Rheinknie gelegen, ist
das Dreikönigshaus eine der großen Diven der Schweizer Hotellerie. Vom
gegenüberliegenden Kleinbasler Ufer aus sieht das Haus wie die gestärkte Piquébrust eines feinen Frackhemdes aus. 1681 als sogenannte Herrenherberge gegründet und 1844 als Grandhotel neu erbaut, verströmt es
auch nach Renovierung im 21. Jahrhundert umwerfenden Charme. Lüsterlicht und Vorhangfülle, Friese und Goldfilets an den Wänden, eine
filmreife Bar und ein lichtes Foyer, in dem sich zur Teatime vorwiegend
Damen in Champagnerlaune um die Etageren mit Törtchen und Sandwiches gruppieren. Wer will, kann abends im Sternerestaurant „Cheval
Blanc“ dinieren oder im Herzl-Zimmer wohnen, das nach dem einstigen
Hausgast und geistigen Vater des Staates Israel benannt wurde. In meinem Zimmer hatten die dunkelroten Textiltapeten maurische Motive, an
den Wänden hingen echte Kunstwerke. Vom Bett aus schaute ich auf den
Fluss. Zwei Schleppkähne schipperten rheinaufwärts, geleitet von einer
Eskorte kleiner weißer Möwen. Mein Fernweh hielt sich in Grenzen.
Inge Ahrens erliegt gern altem Charme
SIZILIANISCHE HEILUNG
Ohne Hintertür
Spätestens als Susanne Kaloff in die Minibar blickte,
war klar: Im „Verdura Resort“ denkt man an alles
D
er Fahrer
fragt
auf
halber Strecke
vom
Flughafen
Palermo
nach Agrigento:
„Café, Signora?“ Si, si, auf jeden Fall, denn es könnte im
Land mit der höchsten Espressomaschinendichte für längere Zeit der letzte sein. Einen
kurzen Schwarzen im Stehen
und knapp 40 Minuten später
erreicht man das „Verdura Resort“. Im Schneckentempo nähern sich Golfcarts, es wird
distinguiert gegrüßt, und das
Meer vor Sizilien ist schon zu
sehen und zu riechen.
Um zu verstehen, was „la verdura“ bedeutet, muss man keine Italienischkenntnisse haben, es reicht ein Blick aus
dem Fenster: Das Resort mit
etwas mehr als 200 Zimmern
gehört zur Rocco-Forte-Hotelgruppe und liegt in einer üppigen Gartenanlage auf einem
230 Hektar großen Grundstück
zwischen Olivenhainen, Zitronen- und Orangenbäumen.
Das Konzept, das hier verfolgt
wird, basiert auf den fünf Säulen von Sebastian Kneipps
Lehre: Wasser, Pflanzen, Bewegung, Ernährung und Balance.
Jedes einzelne Element führt
zu Wohlbefinden, aber nur alle
zusammen und in richtiger
Kombination können Heilung bewirken.
Heilung klingt gut, aber auch ein wenig zu
ernsthaft für einen Urlaub unter der Sonne
Italiens. Die einzelnen Programme heißen
hier also ganz zeitgemäß Anti-Aging, Detox,
Fit, Relax oder Slim. Sie sind entweder für
drei oder sechs Tage buchbar und bestehen
aus verschiedenen Ritualen, aus einem maßgeschneidertem Fitnessplan und unterschiedlichen Diätstilen, die man auch problemlos in
den Urlaubsalltag integrieren kann. Wenn
man es kann. Sprich: Der Rest der Familie
schlemmt munter, während man dennoch zusammen am Tisch sitzt und die Ferien gemeinsam verbringt.
Und gibt es zur Not nicht noch das Hintertürchen Minibar? Mit Chips, Schokolade und Piccolo? Vergessen Sie es! Grünkohlchips und
Kokosnusswasser statt Erdnussflips und Wodka sind hier angesagt. Entscheidet man sich
für eines der Spa-Programme, wird die Minibar resolut geräumt: Kein Alkohol, keine
Schokoriegel und auch keine Softdrinks. So
kommt man gar nicht in Versuchung, tagsüber einen grünen, zuckerfreien Smoothie im
Blick auf die Hotelanlage und in
den Spa-Bereich sowie ein Öl aus
der neuen Bio-Kosmetiklinie, die
von Hotelier-Tochter Irene Forte
entwickelt wurde
Thalasso Pool zu schlürfen, an der Snack Bar
Crudités mit Humus zu verdrücken, unter
dem strengen Blick des Personaltrainers zu
schwitzen, nur um dann am Abend nach einem glutenfreien Dinner im „Zagara“-Restaurant die Tüte Erdnüsse mit einem Bierchen
runterzuspülen.
Großer Vorteil dieser erzieherischen Maßnahme: Man kommt morgens tatsächlich besser aus dem Bett, und das ganz ohne Kaffee.
Der wird während des Gesundheitsaufent-
halts durch Aufgüsse ersetzt, „Infusions“ genannt, in denen etwa Lorbeerblätter, Petersilie oder Basilikum eingelegt werden. Regelmäßig genossen, sorgen sie für einen
besseren Säure-Basen Haushalt im
Körper als ein Caffè doppio. Das
Frühstück startet mit heißem Wasser mit Zitronen, die selbstverständlich aus dem eigenen Garten
kommen. Außerdem Safran-Quinoa mit sonnengetrocknetem Tomatenpesto, Oliven und Mandeln.
Die Rocco-Forte-Nourish-Menüs
sind in Zusammenarbeit mit der
bekannten Food-Bloggerin und
Autorin von „Get the Glow“, Madeleine Shaw, entstanden.
Es dauert nur eine kleine Weile, bis
man die anderen Gäste für ihr Marmeladen-Croissant auf dem Teller
nicht mehr auf den Mond schießen
möchte. Spätestens nach der ersten
Gabel des ungewöhnlichen Frühstücks ist man wieder versöhnt. Es
schmeckt himmlisch.
Alle Programme beginnen und enden mit einer Konsultation beim
Fitness-Manager Marcello Mulato.
Wer beispielsweise sechs Tage „Fit“
bucht, bekommt fünf Personaltraining-Einheiten, Fitness-Vollpension und Smoothies, zwei SportKompressen und mehrere Anwendungen wie Sportmassagen, zwei
revitalisierende Gesichtsbehandlungen, ein Salzpeeling, ein Salzbad und eine Shiatsu-Behandlung
im 4000 Quadratmeter großem
Spa mit Thalasso-Therapie Pool.
Die Produkte gehen nicht nur vom
Garten frisch auf den Tisch, sondern neuerdings auch auf die Haut. Denn gerade wurde
die neue Spa- und Kosmetikmarke Forte Organics gelauncht, mit deren Produkten seit Januar 2016 in allen Rocco-Forte-Hotels weltweit – von London über Sankt Petersburg bis
Berlin – behandelt wird.
Irene Forte, eine der beiden Töchter des britischen Hoteliers Sir Rocco Forte, ist Gründerin
und gleichzeitig Testimonial für die neue organische Kosmetiklinie. Im Garten auf Sizilien, wo Irene schon in ihrer Kindheit ihre
Zeit am liebsten verbrachte, fand die in London lebende 27-Jährige alle Zutaten. Die Bioprodukte sind reich an Ingredienzien wie Lavendel, Rosmarin, Zitrone, oder Oliven- und
Mandelöl. Die Basis aller Cremes bildet ein
oligomineralisches Wasser mit hohem Magnesiumsulfat-Gehalt, das aus dem sizilianischen Madonie-Naturpark stammt. Die gesamte Palette ist frei von Parabenen, Paraffinen, Allergenen, Farb- und Duftstoffen. Man
könnte sie zur Not vermutlich auch verzehren. Aber nach Verzicht hat sich dieser Aufenthalt wirklich nicht angefühlt.
97
BAUPLAN
2
3
5
8
9
6
4
7
10
DIE PUMPS
VON DIOR
In den Ateliers und Manufakturen
dieser Welt werden weiterhin Handwerkskünste
gepflegt, und wir schauen zu
Gewöhnliche Pumps sind wahrscheinlich im Schuhschrank jeder Frau zu finden. Der „Dioressence“ gehört eher in die Kategorie „Wow“. Und durch seine Absatzform verleiht er der Trägerin eine aufrechte Silhouette. In der Nähe von Venedig entsteht er in über 100 Fertigungsschritten aus zwölf Einzelstücken. Wir
haben das genau beobachtet: 1. Im Schuhdesignatelier von Dior wird zunächst ein Entwurf gezeichnet, in dem die allgemeine Gestalt auf Papier festgehalten
und koloriert wird. Er dient als Vorlage für alle weiteren Schritte. 2. Leistenmacher, Absatzmacher und Modellbauer entwickeln eine Grundform aus Holz,
die dem Pumps seine charakteristische Gestalt gibt. 3. Der Absatzmacher bearbeitet von Hand ein Kunstharzmodell für die richtige Form. Die Herausforderung: die Synthese von Ästhetik und Gleichgewicht. 4. Der Leistenmacher zeichnet die Proportionen auf das Holzmodell, auf dem später das Leder angepasst wird. 5. Im Lager wählt der Schuhmacher aus den Rohstoffen das passende Leder. 6. Im ersten Produktionsschritt werden die verschiedenen Lederteile zugeschnitten. Hier das Schaftstück, das die obere Partie des Pumps bildet. 7. Im Anschluss folgt die Entoilage, die Bespannung mit dem weißen Stoff, der
als Basis auf das Leder gebracht wird und die Formgebung des Pumps stützt. Dann werden die zwölf vorgefertigten Stücke von Hand zusammengesetzt. Der
Schaft wird ausgerichtet und zusammengenäht. 8. Der Schuhmacher positioniert die Sohle erst mit der Hand, dann wird sie von einer Maschine an den
Schuh gepresst. 9. Nun bekommt der Absatz seine Ummantelung. Das Leder wird mit Klebstoff bestrichen und per Hand auf die Oberfläche geklebt. Was
übersteht, wird abgeschnitten. 10. Eine zusätzliche Metallspitze im Absatz wird mit Nägeln fixiert. So bekommt der Schuh genügend Stabilität. Übrigens:
Schon Christian Dior wusste: „Ein Hauch Farbe kann Ihr ganzes Auftreten verändern.“ Beim „Dioressence“ haben Sie die Wahl – es gibt unzählige Varianten.
POL BARIL
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MEINE LIEBE GEHÖRT DIR
TOM BECK
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