Die Ostfriesischen Inseln - Institut für Geographie | Universität Stuttgart

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Die Ostfriesischen Inseln - Institut für Geographie | Universität Stuttgart
Institut für Geographie
Universität Stuttgart
Seminar zur Regionalen Geographie
Nordwestdeutschland
Die Ostfriesischen Inseln
SS 2001
Leitung: Dr. Eckhard Wehmeier, Dipl. Geogr. Bernhard Jakob
Johannes Walter
Inhaltsverzeichnis
INHALTSVERZEICHNIS ................................................................................................................................................ 2
ABBILDUNGSVERZEICHNIS ....................................................................................................................................... 3
1. EINLEITUNG................................................................................................................................................................ 4
2. ENTSTEHUNG UND ENTWICKLUNG DER OSTFRIESISCHEN INSELN....................................................... 6
2.1 ÜBERBLICK ÜBER DIE LANDSCHAFTSGESCHICHTE DES SÜDLICHEN NORDSEEBECKENS SEIT DEM PLEISTOZÄN . 6
2.2 ENTWICKLUNG DER INSELKÜSTE ............................................................................................................................ 7
2.2.1 Entstehung der Ostfriesischen Inseln........................................................................................................ 7
2.2.2 Exkurs: Vergleich der Ostfriesischen Inseln mit den Nordfriesischen Inseln und Helgoland.......... 10
2.3 TYPISCHE OBERFLÄCHENFORMEN UND NATURRAUMTYPEN EINER DÜNENINSEL............................................... 11
2.4 DISKUSSION ZUR LAGESTABILITÄT DER INSELN ................................................................................................... 13
2.5 AUFGABEN UND ZIELE DES KÜSTENSCHUTZES .................................................................................................... 16
3. NUTZUNG DER OSTFRIESISCHEN INSELN DURCH DEN MENSCHEN .................................................... 18
3.1 BESIEDLUNG UND W IRTSCHAFT ........................................................................................................................... 18
3.2 TOURISMUS-BOOM DURCH DAS HEILKLIMA DER OSTFRIESISCHEN INSELN ........................................................ 19
3.2.1 Wirtschaftliche Bedeutung des Fremdenverkehrs................................................................................. 19
3.2.2 Exkurs: Das Inselklima und seine Heilwirkung....................................................................................... 21
4. FAZIT .......................................................................................................................................................................... 22
6. LITERATURVERZEICHNIS .................................................................................................................................... 23
2
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Übersichtskarte Ostfrieslands. ........................................................................5
Abbildung 2: Meeresspiegelanstieg im Bereich der Nordsee seit dem Altholozän. .............6
Abbildung 3: Schematische Darstellung der Entwicklung von Inseln, Watt und Marsch seit
dem Ende des Pleistozäns. ..........................................................................................7
Abbildung 4: Schematisches Blockbild des Küstenholozäns. ..............................................8
Abbildung 5: Entstehung der Ostfriesischen Inseln in Abhängigkeit von Seegang und
Tidenhub.....................................................................................................................10
Abbildung 6: Schematischer Schnitt durch eine Düneninsel..............................................12
Abbildung 7: Sandbilanz der Ostfriesischen Inseln............................................................14
Abbildung 8: Sandtransport entlang der Ostfriesischen Inseln, Riffbogen zwischen Baltrum
und Langeoog.............................................................................................................15
Abbildung 9: Veränderungen im Bereich der Ostfriesischen Inseln vom 13. bis 18.
Jahrhundert. ...............................................................................................................16
Abbildung 10: Ausbau der Dünendeckwerke und Buhnen am Westende von Norderney
von 1858 bis 1953. .....................................................................................................17
Abbildung 11: Kurgastzahlen auf Baltrum 1898 - 1968......................................................20
Abbildung 12: Mittlere Verteilung der Niederschläge auf die Tagesstunden auf Norderney
(1936 – 1948). ............................................................................................................22
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1. Einleitung
Wie an einer Schnur aufgereiht liegen die Ostfriesischen Inseln vor der niedersächsischen
Küste. Auf rund 90 km Länge erstrecken sie sich von West nach Ost, dem Festland zwischen 3,5 und 10 km vorgelagert (vgl. Abb. 1). Zwischen den Inseln und dem Festland
befinden sich ausgedehnte Wattenbereiche (Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer), die eine viel größere Fläche einnehmen als die Inseln selbst.
Die Inselgruppe der Ostfriesischen Inseln besteht aus den sieben Hauptinseln Borkum,
Juist, Norderney, Baltrum, Langeoog, Spiekeroog und Wangerooge (von Westen nach
Osten). Dazu gesellen sich noch einige z.T. dünenbestandene Sandplaten wie das Lütje
Hörn und der Memmertsand zwischen Borkum und Langeoog sowie Minsener Oog südwestlich der Insel Wangerooge. Die großen Inseln haben, mit Ausnahme von Borkum, eine auffällig langgestreckte Gestalt, wobei das Westende einer jeden Insel einen südlich
verlaufenden Haken aufweist. Die Längsachse ist von einer Insel zur nächsten jeweils etwas nach N verschoben. Somit sind die Westenden der offenen See, die Ostenden dem
„Haken“ der nächsten Insel zugewandt. Die Inseln befinden sich am äußeren Rand des
Watts und werden deshalb als Wattrand-Dünen-Inseln bezeichnet, andere Bezeichnungen
sind schlicht Düneninseln oder Barriereinseln. Die Lage der Inseln am Wattrand ist nicht
zufällig, sie resultiert aus dem Zusammenwirken von „Gezeitenmeer, Sand und Wind im
Bunde mit einer besonderen Vegetation“ (NIEMEIER, 1972, S.1). Hierauf wird im Kapitel
über die Entstehung und Entwicklung der Inseln einzugehen sein.
Die Ostfriesischen Inseln gehören zu einem ausgedehnten Barrieresystem, das sich entlang der Nordseeküste von den Niederlanden bis Dänemark erstreckt. Ihre Entstehung
unterscheidet sich aber wesentlich von derjenigen der Nordfriesischen Inseln (s. Abschnitt
2). Weiterhin wird im folgenden der naturräumliche Kontext (Aufbau und Gliederung einer
Düneninsel) untersucht. Dies führt schließlich zu einer kulturgeographischen Betrachtung
(Inselschutz, Besiedlung, Wirtschaft, Tourismus).
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Abbildung 1: Übersichtskarte Ostfrieslands.
Quelle: NIEDERSÄCHSISCHES VERWALTUNGSAMT, 1977, S. 28.
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2. Entstehung und Entwicklung der Ostfriesischen Inseln
2.1 Überblick über die Landschaftsgeschichte des südlichen Nordseebeckens seit dem
Pleistozän
Das Nordseebecken und der Küstenraum sind erdgeschichtlich sehr junge Landschaftseinheiten, die im Wesentlichen erst im Quartär geformt wurden. Während dem Pleistozän,
genauer während der maximalen Ausdehnung der Vereisung im Weichselglazial, lag der
Meeresspiegel weltweit ca. 120 bis 130 m unter dem heutigen Niveau (KÖHN, 1991, S. 82),
für die Nordsee ist eine maximale Meeresspiegelabsenkung um 110 m nachweisbar. Der
gesamte Nordseebereich war somit festländisch. Mit der gegen Ende des Pleistozäns beginnenden Erwärmung des Klimas, die ihren Höhepunkt im Atlantikum erreichte (ca. 50003000 v.Chr.), erfolgte einerseits ein Abschmelzen der Eismassen und andererseits ein
massiver Meeresspiegelanstieg bis annähernd auf das heutige Niveau. Die Abbildung 2
zeigt den Verlauf des Meersspiegelanstiegs. Er konnte mit Hilfe von Bohrungen etwa im
Bereich der Doggerbank, die noch lange festländisch blieb, rekonstruiert werden. Eine detaillierte Beschreibung dieser Entwicklung kann bei KÖHN (1991) nachgelesen werden.
Abbildung 2: Meeresspiegelanstieg im Bereich der Nordsee seit dem Altholozän.
Quelle: KRAMER, 1989, S. 14.
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2.2 Entwicklung der Inselküste
2.2.1 Entstehung der Ostfriesischen Inseln
Die weitere Landschaftsentwicklung wurde zunächst hauptsächlich vom Relief bestimmt,
das im Pleistozän entstanden war: Der Ostfriesisch-Oldenburgische Geestrücken erstreckt
sich noch weit in die heutige Nordsee, erst am Nordrand der Inseln taucht er ab. Hochlagen der Geest haben den Vorstoß der transgredierenden Nordsee gelenkt, die dazwischenliegenden Talausläufer ertranken zu Ästuaren, schließlich wurde die gesamte
pleistozäne Basisfläche bis auf wenige Ausnahmen überschwemmt (vgl. Abb. 3 b).
Abbildung 3: Schematische Darstellung der Entwicklung von Inseln, Watt und Marsch seit dem Ende
des Pleistozäns.
Quelle: KRAMER, 1989, S. 16.
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Es gab weite Flachwasserbereiche, in denen Sinkstoffe zur Ablagerung kamen und soweit
aufwuchsen, dass sie bei Niedrigwasser auftauchten (Abb. 3 c-e). Dies waren die ersten
Ansätze der Watten (REINECK, 1994, S. 127). Da das Meeresspiegelniveau immer wieder
Schwankungen unterlag (vgl. Abb. 2), entstanden verschiedenartige Ablagerungsbedingungen, so dass man Ablagerungen von Mooren, Lagunen, Brackwasser- und marinen
Sedimenten finden kann (vgl. Abb. 4).
Abbildung 4: Schematisches Blockbild des Küstenholozäns.
Quelle: REINECK, 1994, S. 14.
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Zur Entstehung der Inseln selbst gab es verschiedene Theorien, die aus wissenschaftshistorischen Gründen kurz vorgestellt werden sollen: PENCK (1894) vertritt in der Nehrungsinsel-Hypothese die Meinung, die Inseln seien Relikte einer zerbrochenen Nehrung.
GRIPP (1944) war umgekehrt der Meinung, es handle sich um eine Vorstufe in der Entwicklung zu einer geschlossenen Nehrung. Die von LÜDERS (1953) entwickelte StrandwallHypothese geht davon aus, dass die Inseln sich aus einem früher vorhandenen, langgestreckten und ununterbrochenen Strandwall gebildet haben. Es besteht somit ein enger
Zusammenhang zwischen dem Aufwachsen der Watten und der Entstehung des Barrieresystems. Damit hat die Strandwall-Hypothese eine markante Übereinstimmung mit der
Platen-Hypothese von BARCKHAUSEN (1969). Er geht davon aus, dass die Barriere-Inseln
einzig „aus dem Kräftespiel von Strömungen, Seegang und Wind entstanden“ (STREIF,
1990, S. 116) sind. Von periodisch überfluteten Sandplaten (Sandbänken) über das Stadium teilweise hochwasserfreier Strandwälle haben sie sich zu dünenbestandenen Inseln
entwickelt. Diese Theorie entspricht weitgehend der heute vertretenen Auffassung der
Entstehung der Ostfriesischen Inseln, allerdings muss folgende Modifikation berücksichtigt
werden: Man hat herausgefunden, dass die Ostfriesischen Inseln das Stadium sog.
Geestkerninseln durchlaufen haben (STREIF, 1990, S.111). Diese Bezeichnung wird für
Inseln verwendet, bei denen ein Geestsporn über die Wattfläche aufragt und die Anlagerung holozäner Küstensedimente begünstigt. Im Untergrund der Inseln Borkum, Juist,
Norderney, Baltrum, Langeoog und Spiekeroog sind eindeutig solche Hochlagen des
Pleistozäns nachgewiesen, was die Behauptung nahe legt, diese Inseln hätten das Geestkernstadium durchlaufen. Die nordfriesischen Inseln, Sylt, Amrum und Föhr sowie die
westfriesische Insel Texel weisen heute einen solchen Geestkern auf. Wird die Geestkerninsel schließlich überflutet, erfolgt der Übergang zur Barriereinsel: Da die Geestkerne
günstige Brecherverhältnisse boten, kam es zur Sedimentation mariner Sedimente, welche die oben bereits beschriebenen Platen bildeten, die schließlich über die mittlere Tidehochwasserlinie aufwuchsen. Auf die Entstehung der Barriere-Inseln in Abhängigkeit von
Tidenhub und Seegang wurde bereits oben kurz hingewiesen. Bei zu geringem Tidenhub
entstehen nur Nehrungen, bei zu großem Tidenhub dagegen nur noch vergängliche
Sandbänke. Einzig bei mittlerem Tidenhub (ca. 1,8–2,8 m), wie er im Bereich der Ostfriesischen Inseln etwa gegeben ist, entstehen Düneninseln (vgl. Abb.5).
Sobald die Platen über das Hochwasserniveau aufgewachsen waren, wurde Sandtreiben
ermöglicht, was zur Dünenbildung führte. Zugleich konnten initiale Vegetationsgesellschaf9
ten Fuß fassen und als Sandfänger die junge Insel stabilisieren. Der heutige Verlauf der
Inselkette zeigt somit keine Beziehung mehr zum pleistozänen Untergrund.
Abbildung 5: Entstehung der Ostfriesischen Inseln in Abhängigkeit von Seegang und Tidenhub.
Quelle: REINECK, 1994, S.112.
2.2.2 Exkurs: Vergleich der Ostfriesischen Inseln mit den Nordfriesischen Inseln und Helgoland
Der bei Ebbe durch das Watt entstehende Eindruck des Zusammenhangs der Ostfriesischen Inseln mit dem Festland legte zunächst die Vermutung nahe, es könne sich auch
um Festlandsreste handeln, die durch Sturmfluten vom Land abgetrennt wurden. Im vorigen Abschnitt wurde jedoch deutlich, dass die Ostfriesischen Inseln neu entstandene
Landflächen sind.
Anders verhält es sich mit den Nordfriesischen Inseln: Hier handelt es sich tatsächlich um
Reste untergegangenen Festlands. Die Nordfriesischen Inseln werden in Geestkerninseln,
Marschinseln und Halligen unterschieden. Zu den Geestkerninseln zählen Sylt, Amrum
und Föhr (vgl. Abschnitt 2.2.1). Sie erhielten ihre Form in annähernd der heutigen Gestalt
schon vor ca. 600 Jahren. Lediglich einzelne Teile ihrer Marschflächen wurden bei Sturm10
flutereignissen (v.a. im 14. und 17. Jahrhundert) weggespült, die Geestkerne selbst blieben bestehen. Die Marschinseln und Halligen sind die Reste der ausgedehnten Marschflächen, die bei den verheerenden Sturmfluten nicht ins Meer gerissen wurden. Man unterscheidet die beiden Inseltypen an der Eindeichung: Marschinseln sind eingedeicht, Halligen sind es nicht.
Eine Besonderheit stellt die Hochseeinsel Helgoland dar. Es handelt sich um eine ca. 60
m hohe Buntsandsteininsel, die von einer ca. 1,5 km östlich liegenden Düneninsel begleitet wird. Diese besteht aus Muschel- und Kreidekalk (SCHMIDT-THOMÉ, 1987, S. 9). Früher
war diese Insel ähnlich hoch wie Helgoland selbst, der Kalk wurde jedoch abgebaut, so
dass heute eine nur wenige Meter über das Meer aufragende Düneninsel übriggeblieben
ist. Die beiden Inseln waren ursprünglich miteinander verbunden, bei einer Sturmflut im
Jahre 1720 riss diese Verbindung jedoch ab (ROHDE, 1985, S. 74).
2.3 Typische Oberflächenformen und Naturraumtypen einer Düneninsel
Die Ostfriesischen Inseln sind alle mehr oder weniger ähnlich aufgebaut. Man unterscheidet vier Zonen (STREIF, 1990, S.117):
1. Sublitoral: umfasst die ständig von Salzwasser bedeckten Zonen.
2. Eulitoral: regelmäßig im Gezeitenrhythmus überflutete und trockenfallende Bereiche (Nasser Strand auf der seewärtigen Inselseite, Watten auf der landwärtigen Inselseite).
3. Supralitoral: Trockener Strand auf der Seeseite der Inseln, Salzwiesen und Inselheller auf der Wattseite der Inseln; nur gelegentlich von Salzwasser bedeckt.
4. Dünenregion: permanent über der Wasserlinie. Transport und Sedimentation von
Sand im Zusammenspiel von Wind und Vegetation.
Die Inseln haben also alle ein Dünengebiet als Kernstück. Im Westen und Norden schließt
sich ein Strand an, der häufig durch Schutzbauten umgestaltet ist (s. Abschnitt 2.5), und
im Osten befindet sich eine größere Sandplate. An der Wattseite schließt sich der Inselheller an. Abbildung 6 zeigt einen schematischen Nord-Süd-Schnitt durch eine Düneninsel.
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Abbildung 6: Schematischer Schnitt durch eine Düneninsel.
Quelle: REINECK, 1994, S. 120
Die wesentlichen Prozesse, die sich im Bereich des Vorstrandes und des Nassen Strandes (vgl. Abb. 6) abspielen, werden im Abschnitt über die Lagestabilität der Inseln besprochen. Das Hauptaugenmerk sei hier auf die Entwicklung der Dünen gerichtet: Sie konnten
sich erst entwickeln, nachdem eine bestimmte Pioniervegetation, nämlich v.a. die Strandquecke, Fuß gefasst hatte. Ohne diese wäre die Entwicklung nicht über das Stadium einer flachen Flugsanddecke fortgeschritten. Man spricht von „organogener Dünenbildung“
(STREIF, 1990, S. 132). Je nach Lage und Farbe der Dünen unterscheidet man Primärdünen, Sekundärdünen (Weißdünen) und Tertiärdünen (Graudünen). Primärdünen werden
aufgrund der Vegetation, die im Winter abstirbt und somit keine große Wirkung als Sandfänger besitzt, nicht höher als einige Dezimeter bis maximal 2-3 m. Sie bilden jedoch die
Grundlage, auf der sich weitere Dünenbildner ansiedeln können, um so eine weitere Erhöhung einzuleiten. Siedelt sich etwa der Strandhafer mit seinen langen, dichtstehenden
Blättern an, die gut zum Fixieren von Sand geeignet sind, so kann eine Sekundärdüne
entstehen. Sie erreichen 10-20 m Höhe und verlaufen in strandparallelen Zügen. Es können nacheinander mehrere Wälle solcher Sekundärdünen aufwachsen, wobei aber nur die
jüngste, seeseits liegende Düne ausreichend mit frischem Sand versorgt wird. Die seeseitigen Dünen unterliegen nur einer geringen Bodenbildung (Carbonatlösung => Syrosem).
Die älteren Dünen erfahren eine Umgestaltung zu Grau- oder Schwarzdünen (Humusanreicherung). Sie sind von der Zufuhr neuer Nährstoffe abgeschnitten, so dass der Boden
verarmt und versauert, und unter dem Einfluss der Niederschläge kommt es zu Eisenauswaschungen im oberen Bereich (podsoliger Ranker). Es stellt sich eine angepasste Vegetation (z.B. Sanddorn, Sandsegge, Silbergras und Sandschwingel) ein. Durch lokale Ver12
letzungen der Vegetationsdecke können Deflationswannen entstehen, die bis ans Grundwasser heranreichen, das eine weitere Winderosion unterbindet. Die Ostfriesischen Inseln
haben im Untergrund Süßwasserlinsen, die vom Regenwasser gespeist werden. Da Süßwasser ein geringeres spezifisches Gewicht hat als das versalzte Grundwasser, schwimmt
es auf diesem. Reicht der Grundwasserspiegel etwa in Dünentälern bis knapp unter die
Oberfläche, entstehen hydromorphe Böden (Gleye). Auf manchen Inseln gibt es sogar
richtige Süßwasserseen (z.B. Borkum: Kiewitzdelle, Waterdelle).
Eine Möglichkeit zur Erklärung der Entstehung solcher Dünentäler ist, wie oben bereits
angedeutet, Deflation. Eine andere Möglichkeit ist durch Sturmfluten gegeben: Die Wassermassen durchbrechen die Primärdünen, dringen ins Inselinnere vor und fließen
schließlich lateral wieder ab, die erodierende Wirkung führt zur Genese des Dünentals.
Im Süden der Inseln existieren Heller oder Groden, also Inselmarschen. Sie konnten sich
im Schutz der Inseln entwickeln, da im ruhigen Wasser Sinkstoffe besser zur Ablagerung
kommen und Tier- und Pflanzenwelt besser entwickelt sind und so zur organogenen Wattund Hellerbildung beitragen können (NIEMEIER, 1972, S.123). Im Vergleich zu den Festlandsmarschen sind die Inselmarschen aufgrund der geringeren Tonmächtigkeit wesentlich ärmere Böden, durch die Sedimentationsbedingungen sind die Böden hier deutlich
sandiger. Je nach Entsalzungs- und Entkalkungstiefe und in Abhängigkeit von der Körnung unterscheidet man Salzmarsch, Kalkmarsch und Kleimarsch. Vor allem die Binnengroden spielen für die landwirtschaftliche Nutzung eine wichtige Rolle, so etwa auf
Borkum, Norderney oder Wangerooge, wo relativ umfangreiche Binnengroden existieren
(s. Abschnitt 3.1).
2.4 Diskussion zur Lagestabilität der Inseln
Hinweise, wie der Verlust des Westturms und die Zerstörung des gesamten Westdorfes
auf Wangerooge (Mitte 19. Jahrhundert, NIEMEIER, 1972, S. 128), scheinen darauf
hinzudeuten, dass die Inseln einer West-Ost gerichteten Bewegung unterliegen.
Insbesondere bei Stürmen kommt es durch die starke Brandung zu einer Verlagerung von
Sand, genauer zu einem Abbruch am Westende der Inseln und einer Anlandung am
Ostende (KRAMER, 1989, S. 215), an den Sandplaten. Tatsächlich weisen nahezu alle
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1989, S. 215), an den Sandplaten. Tatsächlich weisen nahezu alle Inseln eine entsprechende Sandbilanz auf (vgl. Abb. 7).
Der anhaltende Verlust von Sand an den Westenden einiger Inseln gefährdet natürlich den
Bestand der Siedlungen. Aus diesem Grund spielt der Küstenschutz eine wichtige Rolle.
Im folgenden Kapitel werden Aufgaben und bisher erzielte Erfolge des Küstenschutzes
angesprochen.
Abbildung 7: Sandbilanz der Ostfriesischen Inseln.
Quelle: KRAMER, 1989, S.236.
Zwischen den Inseln liegen sog. Seegaten. Sie verbinden das Wattenmeer mit der offenen
See. Bei Ebbe fließt dabei durch ein solches Seegat mehr Wasser aus, als bei Flut einströmt. Dies liegt an der Beschaffenheit der einzelnen Einzugsgebiete: Die topographische
Wattwasserscheide stimmt nicht mit der hydrologischen überein, was eine Folge der
Vertriftung durch Westwinde ist. Die Strömungskräfte sind also überwiegend ostwärts gerichtet, die Wassermassen kommen von Westen her in die Seegats. Das hat zur Folge,
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dass die Westenden der Inseln stark angegriffen werden. Dies macht entsprechende
Baumaßnahmen zum Inselschutz nötig (s. Abschnitt 2.5). Häufig ist ein Sandtransport von
Westen nach Osten über diese Seegaten hinweg zu beobachten. Mit dem nach Osten gerichteten Gezeitenstrom ist nördlich der Inseln ebenfalls eine östlich gerichtete Strömung
ausgebildet. Durch das Zusammentreffen des Ebbstroms und dieses inselparallelen
Stroms ungefähr im rechten Winkel wird der mitgeführte Sand in einem Bogen um das
Seegat zu Riffen aufgeworfen (LUCK, 1966, S. 4; vgl. Abb. 8).
Abbildung 8: Sandtransport entlang der Ostfriesischen Inseln, Riffbögen.
Quelle: SEEDORF & MEYER, 1996, S. 123.
Ein generelles West-Ost-Wandern muss jedoch ausgeschlossen werden (STREIF, 1990, S.
111), wenn auch Verlagerungen dokumentiert sind (vgl. z.B. Abb. 8). Die zwischen den
Inseln liegenden Seegaten müssten ebenfalls verlagert werden. Dabei müssten die
Pleistozänhochlagen in der Spur dieser Seegaten tiefgehend abradiert sein. Dies ist jedoch bei den meisten der Ostfriesischen Inseln nicht zu vermuten, Rinnenverlagerungen
haben nur in relativ kleinem Maß stattgefunden (ca. 3-5 km). Stattdessen kann eindeutig
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eine Nord-Süd-Verlagerung der Inseln nachgewiesen werden. Bohrbefunde geben Anhaltspunkte, dass etwa Wangerooge in den letzten 7500 Jahren um 6 km nach Süden verlagert wurde, was mit der Meerestransgression zusammenhängt. Man geht im Küstenbau
davon aus, dass ein Meeresspiegelanstieg um einen Meter eine Rückverlagerung der
Strandlinie um 300 m zur Folge hat. Hinweise auf diese Süd-Wanderung liefern auch fossile Grodenschichten, die im Norden einiger Inseln zu finden sind (z.B. auf Wangerooge).
Normalerweise entstehen die Groden aber auf der wattwärtigen Inselseite (s. Abschnitt
2.3). Die Insel hat also ihren eigenen Heller überfahren.
Es hat sich in historischer Zeit nicht nur die Lage der verschiedenen Inseln verändert,
sondern es sind Inseln versunken bzw. neu entstanden. So ist die Insel Bant seit dem 13.
Jahrhundert immerstärker geschrumpft und heute ganz verschwunden (vgl. Abb. 9). Andererseits sind die (unbewohnten) Inseln Memmertsand und Lütje Hörn entstanden.
Abbildung 9: Veränderungen im Bereich der Ostfriesischen Inseln vom 13. bis 18. Jahrhundert.
Quelle: REINECK, 1994, S. 134.
2.5 Aufgaben und Ziele des Küstenschutzes
Wie bereits aus dem vorigen Abschnitt hervorgeht, ist es zum Schutz der auf den Inseln
bestehenden Siedlungen v.a. seit Beginn der touristischen Erschließung Mitte des 19.
16
Jahrhunderts (vgl. Abschnitt 3) nötig, geeignete Baumaßnahmen durchzuführen. Zwar
wurde schon in früherer Zeit Inselschutz betrieben, etwa wenn die schützenden Dünenzüge durchbrochen wurden und die Ortschaften gefährdet waren. Doch die ersten Bauwerke
entstanden 1858 auf Norderney, nachdem der den Ort schützende Dünenwall bei einer
Sturmflut zerbrach (KRAMER, 1989, S.224). Man baute ein Dünendeckwerk, das zwar dem
Dünenschutz diente, aber nicht den Landabbruch verhindern konnte. Zu diesem Zweck
wurden Buhnen gebaut, die senkrecht zur Strandlinie ins Meer reichen. Bis zur Mitte des
20. Jahrhunderts wurden diese Bauten immer weiter ausgedehnt; heute ist der gesamte
westliche Inselkopf mit Buhnen bestückt, das Deckwerk zieht sich mehrere Kilometer nach
Osten (Abb. 10). Ähnlich verliefen auch die Baumaßnahmen auf den anderen Inseln.
Abbildung 10: Ausbau der Dünendeckwerke u. Buhnen am Westende Norderneys von 1858 bis 1953.
Quelle: KRAMER, 1989, S. 225.
Auch die massiven Bauwerke konnten aber letztendlich nicht die negative Sandbilanz
ausgleichen, so dass der Strand weiter erniedrigt wurde (NIEMEIER, 1972, S. 94). Da diese
Art des Inselschutzes außerdem mit hohen Kosten verbunden ist (eine Buhne 4 Mio. DM,
1 km Dünendeckwerk 10 Mio. DM), versucht man heute einen alternativen Weg zu gehen:
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Durch Strandauffüllungen soll der Küstenschutz aktiv gestaltet werden. Wieder wurde auf
Norderney der erste Schritt getan. 1951/52 erfolgte hier eine große Strandauffüllung auf
einer Länge von ca. 5 km. Es folgten weitere Aufspülungen, auch auf den anderen Ostfriesischen und auf den Nordfriesischen Inseln. Strömungen und die Brandung schaffen das
Spülgut jedoch innerhalb weniger Jahre wieder fort, so dass erneute Aufspülungen in regelmäßigen Abständen erfolgen müssen.
Die Schutzmaßnahmen haben nicht den Zweck, die Badestrände zu verbessern, sondern
sie dienen der Sicherung des gesamten Küstengebiets, da die durch die Baumaßnahmen
in ihrem Bestand und ihrer Lage weitgehend stabilisierten Inseln eine wirksame Barriere
gegen die offene See darstellen (daher der Name Barriereinseln).
Neben der Sicherung der Inseln gegen die offene See spielt auch der Schutz der Wattseiten eine Rolle. So wurden Deiche um die Inselheller gebaut (=> Binnengroden), so dass
diese landwirtschaftlich genutzt werden konnten. Zur weiteren Neulandgewinnung werden
Lahnungen gebaut, die geeignete Wattflächen in rechteckige Felder unterteilen. In diesen
Feldern setzt sich Schlick rascher ab als auf dem offenen Watt.
3. Nutzung der Ostfriesischen Inseln durch den Menschen
Die Ostfriesischen Inseln weisen alle einen mehr oder weniger gleichen Aufbau und dieselbe Gliederung in Naturraumeinheiten auf (Abschnitt 2). Auch das kulturräumliche Bild
der Inseln weist Gemeinsamkeiten auf, die hauptsächlich dadurch modifiziert wurden,
dass die Entwicklung zu Fremdenverkehrsorten zeitlich versetzt begann. Im folgenden
werden wichtige Grundzüge der Besiedlung und der Wirtschaftsstrukturen angesprochen.
3.1 Besiedlung und Wirtschaft
Die Lage der Inselsiedlungen ist durch eine ausgesprochene Schutzlage hinter einem Dünenwall, also der offenen See abgewandt, gekennzeichnet. Dies trifft zumindest für die
alten Ortskerne zu, die neueren Siedlungsteile mit Fremdenverkehrseinrichtungen reichen
zwar häufig bis knapp an den Strand heran („Blick aufs Meer“), liegen jedoch meist auch
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im Schutze von Dammbauten. Mit Ausnahme von Wangerooge liegen alle Orte auf der
westlichen Inselhälfte. Dabei konnten aber nur Borkum und Langeoog seit dem Mittelalter
ihre Ortslagen behaupten. Auf den anderen Inseln mussten wegen Inselabbrüchen am
Westende (s. Abschnitt 2.4) die Orte verlagert werden (NIEMEIER, 1972, S. 127). Neben
der Schutzlage hinter den Dünenwällen war ein weiteres wichtiges Kriterium zur Standortwahl die Nähe zum Inselheller, der je nach Vernässungsgrad als Viehweide oder Ackerfläche diente. Außerdem fällt auf, dass sämtliche Häfen an den südwestlichen Haken liegen,
welche durch Aufschüttungen und Uferbefestigungen gesichert sind. Die Fischerboote
mussten bei stürmischer See auch bei Niedrigwasser den Hafen anlaufen können, deshalb war die Lage nahe der Seegaten und Baljen wichtig. Der Fischfang, insbesondere der
Walfang, und die Handelsschifffahrt bildeten lange Zeit die Lebensgrundlage der Inseln
(EHLERS, 1990, S.505), bis die napoleonischen Kriege und die Kontinentalsperre die Handelsfahrten unterbanden und der Walfang wegen Überausbeutung unrentabel geworden
war. Einzig auf Borkum gab es aufgrund der großen Hellerflächen ausreichend Ackernahrung (NIEMEIER, 1972, S. 136). Auf den übrigen Inseln wurde je nach Größe der Heller und
damit nach den gegeben Weidemöglichkeiten eine entsprechende Anzahl Vieh (v.a. Kühe,
Schafe) gehalten. Heute spielt die Landwirtschaft nur noch eine geringe Rolle im Erwerbsleben. Die gesamte Inselwirtschaft ist auf den Fremdenverkehr ausgerichtet. Die verbliebenen Nebenerwerbsbetriebe bauen v.a. Kartoffeln und Gemüse an. Dies reicht jedoch
nicht, um den Inselbedarf insbesondere während der Saison zu decken. Dasselbe gilt für
das Milchvieh, das zudem leistungsschwächer ist als das auf dem Festland. Ansonsten
werden heute hauptsächlich Pferde gehalten, die auf den autofreien Inseln als Transportmittel genutzt werden.
3.2 Tourismus-Boom durch das Heilklima der Ostfriesischen Inseln
3.2.1 Wirtschaftliche Bedeutung des Fremdenverkehrs
Die Entwicklung der Inseln zu Erholungslandschaften erfolgte am frühesten auf Norderney
(seit 1796 Seebad), also bereits in vorindustrieller Zeit. Die anderen Inseln folgten erst
nach dem Eisenbahnbau bis an die Küste. Die Geschichte und Entwicklung der Seebäder
auf den Ostfriesischen Inseln ist in NIEMEIER (1972, S. 9ff) zusammengefasst. Der Fremdenverkehr wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts auf den meisten Inseln zwar zur
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Haupterwerbsquelle, doch die nur 5-8 Wochen dauernde Hochsaison brachte oft nicht genug ein, sodass zunächst auch andere Erwerbstätigkeiten weitergeführt wurden (z.B. Fischerei, Robbenjagd). Insbesondere seit den 1950er Jahren jedoch haben sich die Kurgast- und Übernachtungszahlen deutlich gesteigert, die Saison hat sich auf 14 und mehr
Wochen verlängert. In Abbildung 11 wird der Anstieg dokumentiert, außerdem kommt die
Auswirkung der beiden Weltkriege auf den Tourismus zum Ausdruck.
Abbildung 11: Kurgastzahlen auf Baltrum 1898 - 1968.
Quelle: NIEMEIER, 1972, S. 144.
Die Fremdenverkehrsangebote beschränken sich nicht auf Hotels, Fremdenzimmer und
Kureinrichtungen, sondern es hat sich ein reichhaltiges Dienstleistungsangebot entwickelt,
v.a. im Bereich der Unterhaltung und Freizeitgestaltung. Allerdings sind die Öffnungszeiten
vieler Geschäfte und kulturelle Angebote auf die Sommermonate beschränkt. Während
der Hochsaison weisen v.a. die großen Inselbäder großstadtähnliche Züge auf (Norderney, Borkum), während die kleineren ihren dörflichen, ländlichen Charakter mit zunehmendem Erfolg anpreisen (SEEDORF & MEYER, 1996 S. 257). Heute sind weit über 80%
aller Arbeitsplätze direkt oder indirekt mit dem Fremdenverkehr verbunden.
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3.2.2 Exkurs: Das Inselklima und seine Heilwirkung
Das Inselklima zeichnet sich durch seinen ausgesprochen maritimen Charakter aus: Der
Einfluss des Meeres hat eine ausgleichende Wirkung („thermische Ozeanität“, W EISCHET,
1995, S. 114). Die Jahresschwankung der Temperatur beträgt auf den Inseln 15°C (+/0,1°), im Küstenbereich schon ein halbes Grad mehr und im Binnenland bis zu 4°C mehr
(NIEMEIER, 1972, S. 20f und MÜLLER-W ESTERMEIER, 1990). Auch der Tagesgang der Temperatur unterliegt der ausgleichenden Wirkung des Meeres. So liegt das mittlere tägliche
Minimum durchschnittlich um 0,5 – 1 °C über dem des Küstenbereichs, das mittlere tägliche Maximum liegt im Winter ebenfalls etwas über dem des Küstenbereiches. Die Anzahl
der Frost- bzw. Eistage ist auf den Inseln geringer als auf dem Festland.
Die häufig vorherrschende Meinung, Inselklima sei niederschlagsreicher als Festlandsklima, trifft i.a. nicht zu. „Die Inseln sind deutlich niederschlagsärmer als der größte Teil Ostfrieslands“ (NIEMEIER, 1972, S. 25). Zwar ist die Zahl der Regentage auf Inseln und Festland in etwa gleich, es ergeben sich jedoch Unterschiede im Tagesgang: Während im
Sommer auf dem Festland eher die Tendenz zu nachmittäglichem Niederschlag besteht,
fällt auf den Inseln eher nachts Regen. Dies wird in Abbildung 12 deutlich.
Es ist dies einer der Vorteile des Inselklimas gegenüber dem Festlandsklima im Hinblick
auf den Kurbetrieb und die Heilwirkung. Die Strahlungsintensität ist zudem auf den Inseln
höher, da Seeluft einen wesentlich größeren Reinheitsgrad besitzt als Landluft. Die Seeluft
enthält außerdem Meersalze, die bei Einatmung für eine Belebung des Mineralstoffwechsels im Körper sorgen. Die Seeluft wirkt somit heilungsfördernd bei vielen Atemwegserkrankungen. Die gesunde Wirkung des Seeklimas auf den Menschen wurde im England
des 18. Jahrhunderst bereits seit längerer Zeit ausgiebig genutzt, bevor in Deutschland
das erste Seebad eröffnet wurde (Heiligenbad, Mecklenburg, 1794). Das erst Nordseeheilbad wurde 1796 auf Norderney eingerichtet (s.o.).
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Abbildung 12: Mittlere Verteilung der Niederschläge auf die Tagesstunden auf Norderney (1936 –
1948).
Juli
August - - - - -
Quelle: NIEMEIER, 1972, S. 28.
4. Fazit
Der Fremdenverkehr hat nicht nur die wirtschaftliche Struktur der Inseln maßgeblich verändert, sondern er hat auch zu massiven Eingriffen in den Naturhaushalt geführt. Zum einen geht es dabei um eine Belastung von Fauna und Flora, zum anderen um mittelbare
und unmittelbare Eingriffe in die Oberflächenformen (EHLERS, 1990, S. 505f). Mittelbare
Eingriffe erfolgten durch den Flächenverbrauch, der im Zuge des ungebremsten Anstiegs
des Fremdenverkehrs zu verzeichnen war: Man musste dem Bedarf an Unterkunftsmöglichkeiten und Infrastruktureinrichtungen Rechnung tragen. Verkehrsflächen wie Flugplätze
und Freizeiteinrichtungen wie Sportplätze und Schwimmbäder nehmen große Flächen ein.
Dazu kommen entsprechende Erschließungswege. Innerhalb des empfindlichen Ökosystems der Ostfriesischen Inseln führen unkontrollierte Besucherströme auch zu direkten
Eingriffen in den Naturhaushalt: So ist beispielsweise die Norderneyer Ostplate von einem
(unbefestigten) Wegesystem geprägt, das bei jeder Überflutung Ansatzpunkte zur Tiefenerosion bietet. Aufgrund der guten Aussicht werden häufig die Dünenkämme begangen.
Durch Zertrampelung wird die Vegetationsdecke beschädigt, so dass die Dünen der Deflation ausgesetzt sind. Sehr markante Eingriffe erfolgen auch durch den Küstenschutz (s.o.),
der ohne den Tourismus nicht in demselben Ausmaß nötig wäre (EHLERS, 1990, S. 513).
Die hier angedeuteten erheblichen Beeinträchtigungen des Naturraumes der Ostfriesi22
schen Inseln, die im übrigen auch bei anderen Nordseeinseln zu verzeichnen sind, erfordern also wirksame Gegenmaßnahmen. Aus diesem Grund erfolgte die Einrichtung des
Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer. Die touristischen Aktivitäten werden zunehmend durch Einschränkungen und Verbote geregelt. Das ungebremste Wachstum des
Fremdenverkehrs wird jedoch zu einer Verschärfung der Probleme führen. Versuche, den
Druck während der Hochsaison dadurch zu verringern, dass zunehmend auch attraktive
Angebote außerhalb der Sommermonate eingeführt werden, sind nicht vom erwarteten
Erfolg gekrönt: Es erfolgt keine Entlastung während der Hochsaison, sondern eine zusätzliche Belastung in der Nebensaison.
6. Literaturverzeichnis
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