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DIEGO | D’N’B ÖSTERREICH | TECHNO NIEDERLANDE: CLONE | BÜRO DESTRUCT | BJÖRK ALS BUCH | 276 REVIEWS
68
©
Februar
2.80
MÄRZ2003.
2002.EUR
€ 2.80
Schweiz: SFR 5,50
ELEKTRONISCHE LEBENSASPEKTE
MUSIK MEDIEN KULTUR
SELBSTBEHERRSCHUNG
MONATSZEITUNG
GOLD CHAINS
JAN JELINEK
SONIG
Kaliforniens Topher Lafata will als Gold Chains die große Klappe von
Gonzales übertreffen. Mit schwarzer Clark Kent-Brille geschlagen,
muss er doppelt so laut krächzen. Würde Tom Jones HipHop machen,
klänge es so.
<Seite03>
Der melodische Mod in elektronischer Schale Jan Jelinek stellt auf seinem neuen Album "La nouvelle pauvreté" endgültig klar, dass Elektronik und Gesang zwei Seiten der gleichen Medaille sind und er der legitime Nachfolger von Stevie Wonder und Bryan Ferry ist. <Seite#06>
Das Kölner Label Sonig setzt mit ".ilation" zur zweiten Werkschau an.
Alles bewegt sich bewusst im Fluss des immer unfertigen Tracks, neuer Scratch-Techniken und einer Musik, die mit dem Doppelclick auf das
Shareware-Icon noch nicht mal begonnen hat.
<Seite#10>
MUSIC FOR FREAKS
POPCORN ODER PIXEL
TEXT: FELIX DENK, SVEN VON THÜLEN | FELIX, [email protected]
TEXT: MERCEDES BUNZ, KAREN KHURANA | MRS.BUNZ, [email protected] / FOTO: NOSHE
Entertainer-Hop.
UK, dein House kennt keine Inseln.
Soul uncovert.
Smarties, Spinnen und neue Musik.
Tauschen und Tricksen im digitalen Filmuniversum.
Das Kollektiv ist die beste Organisationsform, um Marginalität gerecht
in Produktivität umzuwandeln. Von Karl Marx? Nein, das meinten neulich die Freaks. Und die müssen es wissen, denn auf der Insel weht der
Wind schon mal etwas rauer. Die Marktdominanz der britischen Raveindustrie und ihrer vorgekauten Produkte ist erdrückend und in der
Nische kann es schon mal zugig werden, wenn eine Schachtel Kippen
umgerechnet 7 Euro kostet.
"The man who lived underground" heißt das neue Freaks-Album mit
"Ich bin dagegen"-Haltung und literarischer Rahmenhandlung. Erzählt
wird die Geschichte von Weaver, der sich von der Gesellschaft abwendet und merkwürdige Geräte bastelt. In Wirklichkeit handelt es aber
von den Freaks, die der Musikindustrie den Rücken kehren und verdrehte Basslines produzieren. Und damit die noch vertrackter werden,
sind Luke Solomon und Justin Harris jetzt nicht mehr zu zweit, auch
nicht zu dritt, sondern zu sechst. Freunde von um die Ecke und der anderen Seite des Erdballs, die allesamt den Dancefloor mit Produzenten- und DJ-Augen fest im Blick haben, wurden angeheuert, um das
Studio zum akustischen Spielplatz umzufunktionieren. Wer braucht
schon Studiomucker ohne Plan?
Die Freaks sind jetzt also eine ganze Band und beinahe ein halbes Mothership, wie die erklärten Parliament-Fans begeistert erzählen. Entsprechend funky detailliert und unvorhersehbar wendig sind ihre neuen Housetracks geraten und man kann sich freuen, dass produktionstechnischer Mehraufwand auch wirklich zu ästhetischem Mehrwert
geführt hat. Das sollte sich dann eines Tages auch auf dem Kontostand
bemerkbar machen. Und weil es bei den Freaks nicht nur im Studio familiär zugeht, sondern auch das mit dem Label im näheren Bekanntenkreis geregelt wird, haben wir nicht nur 3/6 der Mothership-Besatzung
vor Ort in London besucht, sondern auch mit Party Animal Kenny Hawkes und Ex-Skater Lil Mark gesprochen und dabei erfahren, dass man
in Bristol als Besitzer von Technics MK 1210ern gute Chancen hat, nicht
verprügelt zu werden.
<Seite#13>
In keinem anderen Medium spielt die Technik eine so wichtige Rolle
wie im Kino. Schon seit längerem bekommt sie einen eigenen Oscar
und tatsächlich treiben gute Special Effects die Leute ebenso sehr ins
Kino wie zum Beispiel, äh, Julia Roberts. Mehr und mehr schreibt sich
jedoch das Digitale nicht nur in den Film ein, sondern formt den gesamten Bereich des Kino-Entertainments um, von neuen Kamerafahrten klitzekleiner lippenstiftgroßer Digitalkameras bis hin zu anderer
Filmdistribution, zu Filmsharing (wir haben erste Tests für euch durchgeführt) und - noch einen Hops später - einer vollkommen anderen
Filmvorführung. Die Leinwand springt von der Bühne und zumindest
die bildende Kunst, das zeigt die derzeitige Ausstellung "The Cinematic Imaginary after Film" am ZKM-Karlsruhe, ertastet Alternativen zur
herkömmlichen guckkastenhaften Installation. Aber auch die Ästhetik
des Films findet sich vor neuen Möglichkeiten: Dokumentarfilme treffen auf Datenbanken und programmieren neue Formate, die beispielsweise die Linearität des Films zu Gunsten der Interessen des Zuschauers beweglich macht. Doch nicht nur im Dokumentarfilm, allgemein
bricht die digitale Produktion die normale Herstellungsreihenfolge
Script, Geldauftreiben, Produktion, Postproduktion auf. In dieser DEBUG widmen wir uns deshalb den ganzen Veränderungen zwischen
Distribution, Produktion und Rezeption. Als Schmankerl besprechen
wir noch Musikvideos rund ums Digitale, in denen iMacs von den Goldenen Zitronen an die Wand geworfen werden oder Busta gegen Widder bounced. Und wir scannen erste Digi-Ausbildungsplätze von Wim
bis Wenders. Pünktlich zur Berlinale: Special ab!
<Seite#25>
HOLLYWOOD IM NETZ
WEATHER WEAPONS
ABLETON LIVE 2.0
Steigert sich die Bandbreite, wird der Filmindustrie die gleiche Filesharing-Freibeuterei drohen wie der Musikindustrie. Also versuchen die
kommerziellen Download-Plattformen Movielink und Transmissionsfilms vorauszueilen. Was hat der User davon?
<Seite#27>
Sind punktuelle Löcher in der Ionispähre schlagkräftiger als ganze
Truppenverbände? Amerikanische Geheimprojekte experimentieren
mit der Möglichkeit, das Wetter als Waffe einzusetzen.
<Seite#32>
"Elastic Audio" nennt Ableton das neue Killerfeature von LIVE 2.0. In
der Tat lässt es sich mit der neuen Timestretch-Engine Audio noch viel
individueller und mit deutlich weniger Artefakten behandeln.
<Seite#22>
Medien.
Kultur.
Musik.
Lohnt legales Downloaden?
ASYL FÜR ALTE LOGOS: BÜRO DESTRUCT..................................<SEITE#04>
ABLETON LIVE 2.0: EIN UPDATE MIT FOLGEN...........................<SEITE#22>
DAS INTERNET-MP3-LABEL TAPE.................................................. <SEITE#23>
TEILST DU EINEN FILM MIT MIR? FORMAT FILMSHARING... <SEITE#26>
WE SERVE YOU WHERE TO SURF: SERVER................................. <SEITE#32>
BILDERKRITIKEN............................................................................... <SEITE#32>
MEDIENKUNSTKOLLEKTIV URTICA AUS JUGOSLAWIEN........<SEITE#35>
Schützenhilfe aus der Ionisphäre.
DESIGN_JAPAN: WABI SABI......................................................... <SEITE#04>
DIGITALE KUNST: JODI..................................................................<SEITE#05>
SEXBEAT: DIEDERICHSENS POP-APOLOGIE REVISITED....... <SEITE#08>
ZKM-AUSSTELLUNG – DIE ZUKUNFT DES KINOS.................. <SEITE#25>
FILM_DIGITAL: ONE DOT ZERO..................................................<SEITE#29>
BJÖRK-BUCH................................................................................... <SEITE#34>
KUNST: FREDERIKE CLEVER.........................................................<SEITE#34>
Der Hunger nach Leben.
HIPHOP: CYNE................................................................................<SEITE#09>
MISC.................................................................................................. <SEITE#12>
OTTO VON SCHIRACH................................................................. <SEITE#15>
DRUM AND BASS IN ÖSTEREICH............................................... <SEITE#16>
MARCUS INTALEX............................................................................<SEITE#17>
CLONE................................................................................................<SEITE#19>
DIEGO............................................................................................... <SEITE#24>
<2> - DE:BUG.68 - 02.2003
Impressum
Bootin’ up
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A BETTER TOMOROW
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Texte: Alexis Waltz, Aljoscha Weskott, Ed Benndorf, Aram,
Lintzel, Anne Pascual, Anton Waldt, Sven von Thülen, Caspar Borkowsky, Clara Völker, Felix Denk, Nick Luethi, Ingrid
Arnold, Jan Joswig, Janko Roettgers, Gerd Ribbeck, Jutta
Vorhooeve, Karen Khurana, Katja Kynast, Kay Meseberg,
Marcus Hauer, Mercedes Bunz, Matthias Sohr, Nick Luethi,
Nico Haupt, Oliver Köhler, Pat Kalt, Sascha Kösch, Stefan
Heidenreich, Verena Dauerer, Anne Schreiber, René Margraff, Regina Möller, René Josquin, Tobias Vethake, Thaddeus Herrmann, Sami Khatib, Stefan Kraus, Jörg Fischer, Jutta
Voorhoeve, Frederike Winkler, Katja Hanke
Fotos: David at Stylus, Tina Winkhaus-Kuhn, Noshe, Christoph Klenzendorf, Conrad Ventur, Sibylle Fendt, Martin
Maier, Erik Weiss, Ole Brömme, Oliver Schultz-Berndt,
Monica Menez
Reviews: Andreas Brüning as asb, Anett Frank as anettf, Anne Pascual as miu, Caspar Borkowsky as caspar, Clara Völker as caynd, Christian Meyer as meyer, Christoph Jacke as
cj, Erik Benndorf as ed, Felix Denk as felix, Heiko H. Gogolin
as bub, Jan Joswig as jeep, Kay Meseberg as kam, Kerstin
Schäfer as kerstin, Mathias Mertens as mwm, Paul Paulun
as pp, Mercedes Bunz as mercedes, Nils Dittbrenner as bob,
Orson Sieverding as orson, René Josquin as m.path.iq, Sami
Khatib as sk, Sascha Kösch as bleed, Stefan Heidenreich as
sh, Stephen Lumenta as lum, Sven von Thülen as sven, Thaddeus Herrmann as thaddi, Tobias Ruderer as ion, Andreas
Dutz as ad, Sami Kathib as sk
DEBUG Ultra Beauty Operator:
Jan Rikus Hillmann ([email protected])
Alex Seeberg-Elverfeldt ([email protected])
TEXT: ANTON WALDT | [email protected]
Eine winterliche Inspektionsreise
durch Deutschland hat ergeben: Die
geklonten Bedenkenträger sind schon
mitten unter uns und haben begonnen,
die Achse des Schimmels und des Dosenpfands auf sämtliche Lebensbereiche auszubauen, um soziale Systeme
auszuhölen und das Land so ökonomisch zu ruinieren, um damit den europäischen Widerstand gegen einen
zweiten Golfkrieg zu untergraben. Die
Geklonten kann man allerdings echt
leicht erkennen: "Meine Arbeit für die
Barmer-Ersatz-Kasse ist mein Leben,
aber Bergabwärtsingen ist meine Leidenschaft", erzählen sie jedem ungefragt, der das zweifelhafte Vergnügen
hat, während einer Reise mit unserer
eigentlich vorbildlichen Eisenbahngesellschaft ein Abteil mit ihnen teilen zu
müssen. Zum Glück muss auch immer
irgendein menschlicher Schlaumeier
im Abteil gerade onanieren. Und so
kann man sich auch leicht mit dem Hinweis auf dringend benötigte Tempos
und andere Unterleibs-RambazambaZutaten (c by Goldt) am Klo aus der Affaire ziehen. Nachher kann man dann
das inzwischen als Gebrechen anerkannte Touristenklasse-Syndrom bei
den eigentlich vorbildlichen Angestellten unserer Eisenbahngesellschaft geltend machen und so einen Gutschein
für einen ICE-Zuschlag oder eine denkwürdige Nacht im Intercity-Hotel abgreifen. Auf jeden Fall die bessere Alternative zum "Pfand-Token" von Kaisers, das zwar so heißt, aber keineswegs aus Alu gefertigt ist und sich somit nicht zum Einsatz im Waschsalon
eignet, sondern nur blöd neben den Taxi-Quittungen in der Brieftasche von
der Tante, die man ja, seit man 30 ist,
auch manchmal benutzt, auf der Kommode vergammelt.
FRÜHRENTER MÜSSEN MEHR
EINSICHT ZEIGEN
Zum Jahresanfang wurde die herrschende Ordnung allerdings nachhaltig beschädigt: Das Gästelistensystem,
das mehr als ein Jahrzehnt lang zuverlässig funktioniert hatte, wurde durch
Kälte, Ignoranz und ein geplantes Eishockeysstadion außer Kraft gesetzt.
Da standen die abgehalfterten Protagonisten einer untergegangenen Epoche, teilten sich die letzten Zigaretten
ohne jeden Zusatzstoff und ließen die
Furcht vor Krieg, Armut und Nanomaschinen, die uns alle zu grauem Matsch
verabeiten werden, gründlich die
Oberhand gewinnen. Glücklicherweise
kam kein Klon-Schwein vorbei, weil die
ja frühmorgens alle noch zum Schein
ihre Nutella-Brötchen schmieren. Aus
malmenden Hirnen strömte die Angst
vor den kleinen, fiesen Gefahren, die
auf uns zu kommen: Die eigenen Geni-
talien in der Bratpfanne, embryonale
Stammzellen, Nano-Monster-Roboter,
Killer-Bakterien und Georges Bushs
Gehirn. "Dem Fischer seins muss aber
auch geschrumpft sein", warf ein Oberschlauer gerade in die eiskalte Runde,
als eine Horde billiger, wenigstens medial geklonter Raver die alten Säcke
entdeckte und den Generationskonflikt mit Eisenstangen ein für alle mal
beendete. Für ein besseres Morgen:
Den Kühlschrank regelmäßig auf Herrenrassenbakterien kontrollieren, mal
wieder Es zu Abend essen, keine Angst
vor dem Dasein als Matsch haben und
im TV-Flimmerlicht die Peace-ButtonHerstellung zum Nebenerwerb entwickeln.
gänzlich auffressen können sie ihn
nicht. Wir haben Knotengeschwüre der
Signifikanz zwischen dem orientierungsarm kopistischen Fashion-Organismus auf der Bread & Butter-Modemesse in Berlin erspäht: tibetanisch
dickwollener, handgefärbter Ziegenhirtenzwirn mit italienischem Dialekt.
So sieht das Gute aus (für eine Saison).
Und ich beharre drauf: Barfuß wird
doch der Renner im Sommer. Musik:
Einstürzende Neubauten (Bildhauerwerkstattsassistenten mit Metallblechen und –fräsen bei Diesel), Accapella-Rap (Ex-Anti Pop Consortiums Beans auf sich selbst gestellt bei Adidas)
und Metro Area verwoben mit Voigts
"Life's a gas"(auf Endlosschleife in der
Messehalle). Na, wo flüchtet ihr euch
jetzt hin, ihr oberflächenfeindlichen
Musikliebhaber-Slacker-Nerds? Etwa
zu Susan Sontag und Christine Öttinger in Klaus Biesenbachs Kunstwerke
zu Sontags 70stem Geburtstag? Die
zwei Ikonen linker und feministischer
Grandezza bewiesen enorme Überlegenheit über alle Fragen, die Bread &
Butter oder sonstige Modegatherings
auch nur im entferntesten aufrufen
könnten. Sagt uns das was zur Inkompatibilität von Geist und Garderobe?
Wenn man an Ulf Poschardt in seinen
Nike Shoxx denkt oder die esoterischen Luftblasenphilosophien, mit de-
nen sich die Designer in ihrem Minderwertigkeitskomplex gegenüber der EKultur gerne selbst verklären, schon.
Ansonsten immer wieder die italienischen Anarchisten der 20er-Jahre in
ihren Maßanzügen befragen. Warum
überhaupt diese Diskussion? Weil mir
gerade jemand in Kölle meine grün
orange Hermès-Krawatte abgeschnitten hat, psychotherapeutische Schadensbegrenzung.
Vertrieb: ASV Vertriebs GmbH, Süderstrasse 77, 20097
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UNSER MONAT
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IN DIE GADEROBE PASST
KEIN GEIST
Das Schöne ist das Gute. Wer sich
schön ausschmückt, versucht, dem bösen (für weniger religiös moralische
Menschen: dem schlechten) Grau des
Alltags sich selbst als Beweis für die
Existenz des Guten entgegenzustellen.
Sich schmücken ist blanker Idealismus.
Mode ist die Institutionalisierung des
Schmückens. Modeverkaufsmessen
sind die Institutionalisierung der Mode, also die doppelte Institutionalisierung des Schmückens. Institutionalisierungen behindern Idealismus, doppelte behindern ihn doppelt. Aber
DE:BUG.68 - 02.2003 - <3>
Es war live und ich war dabei
EINE NASE TANKT SUPER
Gold Chains
Mittels krächzigem Sprechgesang mausert sich Gold Chains, elektronikinfizierter Kalifornier mit Sonnendefizit, zum Liebling der clubbigen Hipster. Sein Album streckt sich von Techno-Balladen zu Rock.
Kay Meseberg hat den Entertainer zusammen mit Kit Clayton live belauscht.
TEXT: KAY MESEBERG | [email protected]
Freitagnacht, 29.11.2002. Letzte Vorbereitungen im Berliner Club. Gewusel eines
Mannes. Des Mannes des Abends: Gold
Chains aka Topher Lafata. Die Nippel sollen
härter als bei Peaches werden, hat The Face versprochen. Jupp, da ist er, der eben
noch ständig den Raum durchmaß. Zwei
eloquente Backgroundvocals erklimmen
nach ihm die 30 cm. Die Bässe böllern. Die
Beats schnätzeln. Die Rave-Signale erfüllen
ihren Zweck. Das Mikro hält dem GoldChains-Redeschwall stand. Die herrlich
http
”Touring sucks!” Kurze Zeit später im
Backroom hockend. Die Stimme krächzt
mehr, als bei Topher normal ist. Für den
einzigen Gig in Deutschland kamen Gold
Chains & Co aus den Niederlanden. Nach
Jubel und gedropten Tracks - hurtig, flink –
ab nach Kopenhagen. Dann der Mörderritt
von dort nach Zürich. Rom folgt mit Freizeit und Erholung. Im Auto! Hölle! Eine
Tour wie eine der berüchtigten Eurial-Fahrten von Collegue-Studenten: London-Paris-Berlin-Paris-Prag-Paris-Wien oder so
www.gold-chains-worldwide.com
Wenn ich singe, ist das Konversation mit mir selbst.
knackig, trocken, knurpsigen Sounds kommen voll zur Geltung. Vor der Bühne fröhliches Pflügen und Hüpfen um die Wette.
Der Background formiert sich zur Attacke.
Finger und Hände gehen verdient in die
Luft. Olé! Danke. Juche.
ähnlich. Geographie: Sechs. Setzen!
Im neuen Jahr wird Topher aber wieder
kommen. Soviel ist sicher. Dann endlich die
Freunde in Berlin sehen.
”Die Clubs sind grandios. Es ist alles mehr down to earth – verglichen mit London.” Die
www.tikidoll.com/gc_fight/gc_fight.mov
Stadt, die Clubs beherbergt, in denen Türwww.ruben.fm/gc/
www.topher.com
steher Pillen ausreichen und Kaugummis
verbieten. Auch um Längen besser als San
Francisco, wo er herkommt.
”Die besten Parties sind dort Homeparties.
Die Clubs wollen nur Kohle machen.” Doch
die Kalifornien-Einflüsse sind unverkennbar: Skater-Kid mit Minor Threat- und Black SERVICEPOINT
Flag-Sozialisation. Punk. Hart. Schnell. Auf
den Punkt. Breitseite mit Phillies-Spliff in Gold Chains, Young Miss America, erscheint auf PiaS
der Bauchtasche. Die Punk-Attitüde ist geblieben. Trotz Aufnahme von House und
Techno in den persönlichen Musikkosmos.
”Musik ist für mich Kommunikation. Meine
Musik ist aus meinen Einflüssen erwachsen.
Wenn ich singe, ist das Konversation mit mir
selbst. Ich will Vocal-Musik machen und nicht
in einem stilistischen Ghetto landen.” Das
demonstriert sein Album.
”Es ist ein Mix. Es ist punkiger als alles zuvor.
Mehr Rock. Aber auch Techno-Balladen.” Der
Anteil von Buddy und Freund Kit Clayton
ist dabei elementar. ”Wir haben beide starke
Egos, aber kein Ego-Problem. Wir diskutieren
die Musik aus und so läuft es großartig. Das
Album entstand, als Kit an der Jitter Software
arbeitete.” Mit ”The Game“ steht die erste
Single gerade im Netz. Ruben Flasher haben ein Video gemacht, das alles andere als
ein HipHop-Video ist. Intro und Outro
könnte schon für Snoop Dog gemacht sein,
aber dazwischen tanzen die Vektoren geschmeidig gewittrig. Dass Topher den Gig
trotz Tourterror genoss, mag auch an der
Entspanntheit des Ortes und der Gäste gelegen haben. Und daran, dass er sich nicht,
wie in New York neulich geschehen, mit
geltungssüchtigen Tourmanagern rumschlagen
musste.
Auf
www.tikidoll.com/gc_fight/gc_fight.mov
gibt es die Wahrheit zu besichtigen, wie Topher und The Streets-Tourmanager aufeinander treffen.
<4> - DE:BUG.68 - 02.2003
Design
EINE STADT FÜR AUSSTERBENDE LOGOS
Büro Destruct bieten Asyl für alte Logos
TEXT: NICK LUETHI | [email protected]
Im Netz finden seit einiger Zeit in der virtuellen Stadt "Loslogos" verdrängte Logos vor der alles
schluckenden Incorporate-Macht Zuflucht. Die (typo)grafische Hommage an alte Logos wird vom
Schweizer Grafikdesign-Kollektiv Büro Destruct realisiert.
Ausgangspunkt für Los Logos war die Heimatstadt von Büro Destruct. Seit Mitte Dezember gibt es in der historischen Altstadt
von Bern vier Filialen des amerikanischen
Hamburgerzubereiters McDonalds – alle
paar hundert Meter eine auf der Haupteinkaufsmeile – die Kaffeehaus-Kette Starbucks hat vor noch nicht allzu langer Zeit
ter Jugo-Logos höchstens etwas für Sozialismusnostalgiker ist, die Logos als kulturelles Erbe aber durchaus erhaltenswert
sind, entschied sich Müller für eine zeitgemäßere Form der Logo-Konservierung:
Networking, Digicam, und schickes GrafikDesign.
NAME IST PROGRAMM
Wer sich im Netz nach "Loslogos" begibt,
segelt durch Schriftzüge, Icons und Firmenwerbung. Alles in allem ein kunterbuntes typografisches Chaos, ein anarchischer
Mix, der sich wohltuend von der zeitgenössischen Corporate-Logo-Einöde abhebt.
Mit einem Klick auf sein Lieblingslogo er-
"Loslogos" ist kein pfannenfertiges Produkt. Es lebt von der Kollaboration der
User, die aufgefordert sind, selbst Logos zu knipsen und einzusenden. Also los.
ihren zweiten Laden eröffnet. Und weitere
werden wohl folgen. Auf den Konsum kann
man verzichten, dem visuellen Auftritt von
McDonalds & Co. auszuweichen, ist ungleich schwieriger. Durch die steigende
Präsenz identischer Firmeninsignien und
der grafischen Gleichförmigkeit dieser Logos erfährt die optische Identität des urbanen Raums eine Uniformität, deren Vorbedingung das Verschwinden von alten Markenzeichen und -schildern ist. Nicht so in
der virtuellen Stadt "Loslogos", dort haben
Corporate-Insignien nichts verloren. Ein
Blick in die Gründungsgeschichte der Logo-Stadt.
BESORGNIS IN BELGRAD …
Ungleich stärker als hierzulande verändert
sich das Erscheinungsbild von Städten in
Transitionsländern. Nehmen wir zum Beispiel Belgrad. Fast täglich eröffnet in der
jugoslawischen Hauptstadt ein West-Unternehmen seinen Ableger. Und das geht
so: Um den Claim abzustecken, wird ein
knallig-buntes Firmenlogo an die Wand genagelt, meist dort, wo früher dezent und
verblichen auf eine staatliche oder genossenschaftliche Verkaufsstätte aufmerksam
gemacht wurde. Diese Entwicklung beobachtet Walter Müller, Südosteuropa-Korrespondent des Schweizer Radios in Belgrad
mit Besorgnis. Da der physische Erhalt al-
… SANTIAGO UND BERN
Ähnliche Beobachtungen wie Müller macht
auch Uwe Schmidt a.k.a. Atom Heart – bekannt wegen seiner Soundkreationen, die
sich irgendwo zwischen Kraftwerk und Salsa bewegen – in Santiago de Chile. Kristallisiert haben sich die Sorgen um die Vergänglichkeit des visuellen urbanen Erbes
aber schließlich in der schweizerischen
Hauptstadt Bern. Genauer: Bei Heiwid und
Lopetz vom Grafikdesign-Kollektiv Büro
Destruct, die von ihren Freunden aus Belgrad und Santiago auf das traurige Schicksal alter Logos aufmerksam gemacht wurden.
Nach einem Brainstorming in einem
schmierigen Motel im Berner Oberland waren sich 3D-Spezialist Heiwid und GrafikMultitalent Lopetz einig – eine "Gesellschaft zur Erhaltung des urbanen visuellen
Erbes" wurde gegründet, die künftig als
Stadtherrin in "Loslogos" schalten und walten soll. Die 3D-Engine stand schon bereit,
für die Datenbankprogrammierung konnte
Büronachbar Kaspar Lüthi von Humantools
gewonnen werden und auch der Schriftzug
war bereits entworfen. Letzterer ziert den
Titel eines aktuellen Logo-Kompendiums
aus dem Gestalten-Verlag; das Buch hat
aber inhaltlich mit der gleichnamigen virtuellen Stadt nichts zu tun.
fährt man, woher das Bild stammt, vorausgesetzt der Einsender hat dies vermerkt.
Denn "Loslogos" ist kein pfannenfertiges
Produkt, sondern lebt von der Kollaboration der User, die aufgefordert sind, selbst
Logos zu knipsen und einzusenden.
Den beiden "Loslogos"-Autoren Lopetz und
Heiwid geht es um mehr, als nur um ästhetische Kategorien, wenn sie – wie etwa auf
der Fresh Conference in Singapur – fragen:
"Verlieren wir bald endgültig unseren Status
als Augenzeugen der sinnlich wahrnehmbaren Realität, zugunsten von technischen Datenüberwachungsprothesen und gefräßigem
Corporate-Identity-Denken in der Gefolgschaft von internationalen Großkonzernen
aller Art, die uns zu hilfsbedürftigen Sehbehinderten und Unterhaltungsindustrie-Idioten machen?"
Dass sich das Büro Destruct mit urbanen
Lebensaspekten beschäftigt, ist nicht neu
und zieht sich wie ein roter Faden durch
das Schaffen des bald zehnjährigen Kollektivs. Eine bewusste Themenwahl sei dies allerdings nicht, relativiert Lopetz: "Klar sind
für uns die Aufenthalte in den Städten dieser
Welt eine wichtige Inspirationsquelle, einen
genau so großen Einfluss auf unser Schaffen HTTP
hat zum Beispiel auch die Musik, die wir den
Loslogos / www. lologos.org / Büro Destruct / www.burodestruct.net
ganzen Tag hören."
Urbanfields / www.urbanfield.net
Design_Japan
WABI SABI
Mode mit Memento Mori
TEXT: FREDERIKE WINKLER | [email protected]
Die Poesie des Vergänglichen, die Konzentration auf das patinierte Detail, das zeichnet das japanische
Stilprinzip "Wabi Sabi" aus. Die Lehre aus dem 16. Jahrhundert inspirierte in den letzten Jahren vor allem
europäische Modedesigner zu einem grundlegend veränderten Kleidungsverständnis. Die Zeit vergeht,
der Fetzen belegt's.
Am Minirock führt im nächsten Jahr zwar
kein Laufsteg vorbei, viel nachhaltiger als
solche klaren und deshalb auch kurzlebigen Formen wirken in der Mode allerdings
fundamentale Gestaltungsprinzipien - wie
etwa Wabi Sabi. Nachdem japanische Modemacher wie Rei Kawakubo und Yohji Yamamoto Ende der Achtziger Jahre diesem
japanischen Prinzip als Stil zum internationalen Durchbruch verhalfen, hat er immer
wieder junge Designer fasziniert - zuletzt
etwa die zweite und dritte Generation der
immer wieder überraschenden Antwerpener Schule für die derzeit etwa so frische
Eigennamen wie Anne Demeulenmeester,
Veronique Branquino oder Raf Simmons
stehen.
UNVOLLKOMMENHEIT
Im eigenen Land fast in Vergessenheit geraten, breitet sich der Begriff eines uralten
japanischen Gestaltungsprinzips, ob als
Name für eine Platte oder in Verbindung
mit gestaltender Kunst, immer weiter in
unseren Breitengraden aus. Die Rede ist
von Wabi Sabi. Was sich erst nach einem
scharfen Gewürz zum Sushi anhört, entpuppt sich als eine ästhetische Stilrichtung, die seit dem 16. Jahrhundert einen
wichtigen Begriff in der japanischen Teezeremonie darstellt. Mit der Natur als Vorbild
und dem Zen-Buddhismus als geistigem
Unterbau müssen Dinge nach diesem Stil
die Unvollkommenheit und die Vergänglichkeit des natürlichen Zyklus zum Ausdruck bringen, um als wertvoll oder schön
zu gelten. Rost auf Metall, ein verwesendes
Blatt, von der Sonne gebleichter Stoff oder
rissiger Lehm oder Ton gelten als Momentaufnahmen der Zeit und sind somit Ausdruck dieser Symbiose von Gestaltungsprinzipien und philosophischen Theorien.
Während das Fehlen oder Vergehen von etwas in der westlichen Kultur negativ konnotiert wird, besteht bei Wabi Sabi genau
in der entstehenden Lücke die Beziehung
SERVICEPOINT
Neugierigen sei ”Wabi-Sabi für Künstler, Architekten und Designer" von Leonard Koren
und Matthias Dietz empfohlen.
Ebenfalls spannend ist das zu diesem Thema abgefasste Diplom von Martina Rau an der
FHTW in Berlin, das gegen Anfrage bestimmt gerne vorgelegt wird.
zwischen Objekt und Betrachter, der das eine friedlich, fatalistische WeltanschauBetrachtete erst vervollständigt.
ung darstellt, ist im Westen in Anmutung
und Wirkung wohl eher vergleichbar mit
BLUME STATT STRAUß
Stilrichtungen wie dem Beat, Punk oder
Sowohl das Teilhaben am Betrachteten als Grunge. Zwar formuliert die ästhetische
auch die Ästhetisierung der Vergänglich- Richtung keine konkreten politischen
keit macht Wabi Sabi zu einem Stil, der Standpunkte, sondern ist eher philosophidurchaus Unwohlsein oder Negativgefühle scher Natur, trotzdem beinhaltete der Stil
freisetzen kann, wie eben im Falle der japa- schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts mit
nischen Modemacher Rei Kawakubo und seiner klaren Abkehr von der allgemeinen
Yohji Yamamoto Ende der Achtziger Jahre. chinesischen Opulenz einen Hauch von geAls die Designer ihre ersten Kollektionen sellschaftlicher Kritik. Und tatsächlich
im Wabi Sabischen Stil auf den westlichen praktiziert Wabi Sabi Einzelhaftigkeit und
Laufstegen präsentierten, wurden sie die gibt der Blume und nicht dem Strauß den
Zielscheibe der Empörung. Deformatio- Vorzug. Auch die Schöpfungen der japaninen, dunkle Farben und abgerissene Mate- schen Modemacher betonen gezielt ihre
rialverarbeitungen waren für das vom kal- einzelnen Komponenten - die Haptik und
ten Krieg geschwächte Auge wohl anfäng- der Fall des Stoffes, Licht- und Schattenlich ein zu harter Brocken und motivierten spiel, den Schnitt und den Körper, der sie
die Kritiker zu missbilligenden Ausrufen, trägt. Auf Farben und aufwendige Details
wie "apokalyptische Endzeitmode" und wird zugunsten der Wirkung dieser Kom"postatomaren Fetzen- und Löcherlook".
ponenten verzichtet. Demnach sprechen
Das Gestaltungsprinzip, das ursprünglich wir also von einem sehr reduzierten Stil,
genauer von einer Reduktion, welche die
Poesie der Sache hervorhebt.
Mittlerweile hat das japanische Prinzip
auch europäische Anhänger gefunden, die
sich die subtile Herangehensweise zunutze
machen und Kollektionen entwerfen, die
weit über die bloße Addition von Kleidungsstücken hinausgehen. Gerade im
modischen und womöglich auch politischen Revival der Achtziger Jahre sind es
die Ansätze der Antwerpener Schule und
einiger Japaner, die eine tiefe und emotionale Auseinandersetzung mit ihrer Mode
herbeiführen. Bei Anhängern aus unseren
Reihen bringt man die Auseinandersetzung mit der Stimmung manchmal auch
ganz plakativ mit einem Shirtprint eines roten Punkts auf Herzhöhe zum Ausdruck.
Und der Aufschrift "J'ai peur".
DE:BUG.68 - 02.2003 - <5>
Digitale Kunst
SERVICEPOINT
Die Ausstellung “Install.exe” läuft vom 1. Februar bis zum 15. März,
im Berliner S-Bahnhof Jannowitzbrücke. Eröffnung: 1. Februar, 17 bis 20 Uhr
www.buerofriedrich.org
INSTALL JODI!
Jodi.org
TEXT: KAREN KHURANA | [email protected]
Seit Mitte der 90er verstören Jodi mit ihren farbig blinkenden Codewebseiten, fiesen Javascripts und ihrer Anti-High-Tech-Ästhetik das Internet. Mit ihren gestörten Webseiten fielen sie schnell in die Netzkunstschublade, aus der sie sich seither mit Software- und Spielemanipulationen zu befreien suchen.
Jetzt auch mit einer Einzelausstellung in der Galerie: Install Jodi!
WEB LINKS
text.jodi.org | sod.jodi.org
404.jodi.org | asdfg.jodi.org
oss.jodi.org | wwwwwwwww.jodi.org
www.wrongbrowser.org
Auf dem Manual des Austellungskatalogs
steht, “Install.exe” sei das erste Buch der
Netzkünstler Jodi. Lernen wir von Jodi und
konzentrieren uns auf die Fehler im System: Sind Jodi wirklich Netzkünstler?
Überlebt Netzkunst die Isolation in einer
Einzelausstellung? Was macht Jodi auf öffentlichen Computern? Debug sprach mit
Dirk Paesmann, einem Teil von Jodi, über
net.art, Ausstellungsstrategien, falsche
Browser und Spielmanipulationen.
DEBUG: Sucht man nach Texten über Jodi,
ist die Kategorie Netzkunst meist nicht
weit entfernt. Seht ihr euch selbst als Netzkünstler?
DIRK PAESMANN: Wir sind auf jeden Fall
nicht die typischen Netzkünstler. In den letzten drei Jahren haben wir nichts Spezifisches
für das Netz gemacht. Wir haben an Spielmodifikationen und Software gearbeitet, die
wir über das Netz verfügbar gemacht haben,
aber auch auf CD-Rom und bei Installationen. Ein Netzkünstler ist jemand, der die
ganze Zeit im Netz arbeitet und mit neuen
Dingen dafür herauskommt. Wir machen etwas anderes, haben von 95-99 viel im Netz
garbeitet, aber dann wurde uns die Kategorie
Netzkunst zu viel, zu offiziell, zu gewöhnlich.
Wir wollten andere Dinge machen, um von
dieser Kategorie wegzukommen.
DEBUG: Was hat euch am Netz gefallen?
DIRK PAESMANN: Eine gute Sache am Netz
war und ist es immer noch, dass es die Grenzen verwischt, wer ein Künstler ist oder wer
gute oder schlechte Beiträge für das Netz
schafft. Du brauchst keine Ausbildung als Designer oder als Künstler. Und dann gibt es diese Bastardisierung von Graphik, Musik,
Hacken, Google-Unfällen: Da findet man
Netzkunst, aber nicht in der gleichnamigen
Kunstkategorie.
DEBUG: Aber ihr findet es dennoch interessant, das Kunstsystem zu adressieren,
oder? Also seht ihr eure Arbeiten schon als
Kunst?
DIRK PAESMANN: Ja, es sind digitale Arbeiten, digitale Kunst.
DEBUG: Warum habt ihr euch zu einer Ausstellung in einer Galerie entschlossen?
DIRK PAESMANN: Es ist gut, um unsere
neueren Arbeiten zu installieren. Unsere Variationen beispielsweise von JetSetWilly, einem Spiel, das auf alten Spectrum ZX Computern läuft, könnten wir gar nicht anders
zeigen. Zu viele Leute haben keine Spectrum
ZX mehr. Ich bin nicht gegen Ausstellungen.
Wenn es nur um browserbasierte Arbeiten
geht, ist es vielleicht besser, sie nur im Web zu
zeigen. Aber es ist auch sehr spannend, was
passiert, wenn Leute zusammen auf einen
Computer schauen und anfangen, das zu das passt sehr gut in eine Austellung.
kommentieren. Man hat eine andere Form
von sozialem Austausch als vor dem Rechner KAPUTTMACHEN
allein zu Haus.
DEBUG: Ihr fokussiert in euren Arbeiten
immer wieder Fehler und simuliert StörunDEBUG: Ihr habt immer vermieden, read- gen. Was ist denn so gut an Störungen?
me files oder Erklärungen für eure Arbeiten Könntet ihr euch auch vorstellen, mal etmitzuliefern. Die Einzelausstellung gibt Jo- was zu entwickeln, das funktioniert?
di einen Kontext. Seht ihr das als einen DIRK PAESMANN: Nein. Das ist ja so, wie
Kompromiss, den ihr machen müsst, um wenn du einen Maler fragst, ob er ein Logo
eure Arbeiten einem breiterem Publikum gestalten könnte. Das könnte er sicher, aber
zu zeigen?
es wäre eine Verschwendung seines Talentes.
DIRK PAESMANN: Nein - aber eine Sache ist Eine Sache, die wir uns mal überlegt haben,
wirklich problematisch. Das Problem der Aus- wäre ein Interface für Linux zu programmiestellung von digitalen Arbeiten ist der Com- ren. Das könnte interessant sein. Aber alles,
puter. Wir haben kein Problem damit, wie un- was wir bisher gemacht haben, geht immer
sere Arbeiten auf dem Computer erscheinen, von einem Bezugspunkt aus, hat einen klaren
daran arbeiten wir ja die ganze Zeit und das Gegenstand, starke ”Ikonen” wie den Browser,
tun wir gern. Aber wie man ein Set von Com- den Desktop oder ein Spiel wie Quake. Und
putern in einem Raum, in einer Galerie inter- die machen wir dann kaputt, brechen sie. Das
essant erscheinen lässt, ist etwas, in dem wir erforscht in gewisser Weise auch die Diffesehr unentschieden sind. Das ist eine Frage renz zwischen einem Designer und einem
von Inneneinrichtung oder Möbeldesign. Dar- Netzkünstler. Von einem Designer wird erin sind wir nicht gut. Im Allgemeinen sind wartet, möglichst nützliche, gut navigierbakleine, improvisierte Räume besser. Aber re, stylish korrekte Dinge zu entwickeln. Das
letztendlich müssen wir Glück haben. Der Er- Gegenteil zu tun, hat sicher auch mit der Sufolg ist in jedem Fall sehr relativ. Meist hört che nach einer Identität zu tun, dafür, was diman so etwas wie: "Das ist es?" "Ist das alles?" gitale Kunst sein könnte, ohne gleich ”arty arDennoch: Wir ziehen es immer noch vor, die tists” zu werden.
Arbeiten auf ”langweiligen” Computern zu
zeigen: Ein Set mit Boxen, Licht und Arbeiten DEBUG: Euer neuestes Projekt sind Variadarin. Das wirkt auf uns ehrlicher - im Bezug tionen von dem Spiel JetSetWilly. Warum
darauf, was ein Computer ist - als alles an die denn noch eine Game-Modifikation nach
Wand zu beamen. Für uns ist das auch eine Quake und Wolfenstein?
Art Ästhetik von Hässlichkeit.
DIRK PAESMANN: Es war eigentlich gar
nicht unser Plan, wieder eine Game-ModifiDEBUG: In Bezug auf OSS*** habt ihr mal kation zu machen. Die Idee war, irgendetwas
gesagt – und das mag auch für andere Ar- auf dem ZX Spectrum Computer zu programbeiten gelten – dass es nur auf Personal mieren. Wir wollten Basic lernen – allein der
Computern funktioniert und weniger auf Name gefiel uns: ”Basic”, was gibt es schon
öffentlichen, weil es mit dem Eindruck von noch unterhalb von Basic? - und dann mit der
Störung und der Angst um sein eigenes Sy- Programmierung etwas auf diesem Compustem spielt. Kann die Ausstellung denn die- ter erscheinen zu lassen, aber das hat sich als
se Idee transportieren?
zu schwierig herausgestellt. Wir hatten eine
DIRK PAESMANN:
Deadline für dieses Projekt. Also haben wir
Nein, das kann sie sicher nicht. In dem ersten uns nach Tools umgesehen und haben herausTeil der Ausstellung in Basel haben wir ver- gefunden, dass es eine PC-basierte Software
sucht, eine symbolische Entsprechung dafür gibt, um eines der beliebtesten Spiele dieser
zu finden, indem wir den Besuchern am Ein- Zeit, JetSetWilly, zu modifizieren.
gang ein geschlossenes Laptop – gefüllt mit
Jodi - gegeben haben. Mit dieser übertra- DEBUG: Das heißt, ihr kennt Basic nicht
genen Verantwortung fürs Equipment haben von früher?
wir ein wenig versucht, die persönliche Bezie- DIRK PAESMANN: Nein, in den 80ern hahung zum Computer zu simulieren. Aber die- ben wir gar nicht mit Computern gearbeitet.
se dramatische Situation von "Mache ich ge- Die Idee hat also weniger etwas mit Nostalgie
rade meinen Computer kaputt?" kann natür- zu tun. Es war mehr wie eine Zeitreise: Wenn
lich in der Galerie nicht wirklich ausgelöst wir im Jahre 1984 Netzkünstler gewesen
werden. Mit unseren späteren Arbeiten ist wären, was hätten wir getan? Wir haben
das nicht so ein Problem, denn sie sind nicht dann herausgefunden, dass es alternative
mehr derart kontrovers, wie ich zugeben Post-Hippie-Gruppen um diesen Computer
muss. Sie konfrontieren einen mit einer unge- gab mit einer echten DIY-Mentalität, ähnlich
wöhnlichen Version eines Spiels, das man wie bei den Browsern am Anfang von Netzglaubte zu kennen. Es vertraut mehr auf die kunst. Es gab Magazine voll mit Basiccode.
Neugier, deine Zeit und Aufmerksamkeit. Und Der Computer lädt einen auch sofort ein zu
programmieren. Was sollte man auch sonst
machen mit diesen isolierten Computern?
Man konnte ja nicht einfach mal im Netz herumgucken.
DEBUG: Wie sehen denn die Variationen
von JetSetWilly aus? Ist das vergleichbar
mit den Modifikationen, die ihr für Quake
oder Wolfenstein programmiert habt?
DIRK PAESMANN: Nein, bisher haben wir
ja immer Abstraktionen von etwas mit einer
eher hohen Auflösung gemacht. Anders als
bei Quake oder Wolfenstein haben wir es aber
hier mit einer unglaublich niedrigen Auflösung zu tun, es ist selbst schon absolut abstrakt. Es scheint wie das unterste Limit für
eine Auflösung, mit der man noch Geschichten erzählen kann. Das war eine Herausforderung für uns, unter diesen sehr limitierten
graphischen Möglichkeiten etwas zu finden,
jetsetwilly.jodi.org
jodi mirror unter:
www.0100101110101101.org/home/copies
einfacher, das ist natürlich nicht schlecht,
aber es ist nicht das Gleiche. Auch das Bild
verändert sich, die Spectrum Computer waren an Fernseher angeschlossen, das Bild
wahr unglaublich rau, heute würden wir das
eine niedrige Auflösung nennen, mit vielen
schmutzigen drop outs, also ein digitales Bild
mit einer Art Rauschen. Die Emulation auf einem Laptop hat aber ein perfektes, klares Bild
ohne Störung.
DEBUG: Warum heißt es eigentlich
©1984? War es tatsächlich das CopyrightJahr des Spiels?
DIRK PAESMANN: ©1984 ist nur der Titel
einer Version des Spiels von zehn, die wir
wahrscheinlich schlicht Versions of JetSetWilly nennen werden. In ©1984 haben wir die
Copyright-Karte als graphisches Element ins
Spiel eingefügt. Das sind eigentlich Karten,
"Könntet ihr euch auch vorstellen, mal etwas zu entwickeln, das funktioniert?" "Nein."
was wir machen können anstatt unserer typischen Abstraktionen. Wir haben also etwas
mehr figurativ gearbeitet und uns mehr Graphik erlaubt als sonst. Das ist das Spiel, das
wir spielen.
DEBUG: Wird das Spiel emuliert werden?
DIRK PAESMANN: Ja, das war die Idee der
Arbeit, die Emulation mit der Version auf der
originalen Hardware zu vergleichen. Man
denkt ja immer, eine Emulation ist wie eine
identische Kopie, aber das stimmt nicht. Vieles geht verloren oder verändert sich. Der ZX
Spectrum hat beispielsweise ein sehr verwirrendes Keyboard: Jede Taste hat drei oder vier
Funktionen, also musst du vorher immer
Knöpfe drücken, um zu einer Serie von Funktionen zu wechseln. In der Emulation ist alles
die mit der Kassette mitgeliefert wurden, auf
denen Farbenmuster in einem Koordinatensystem eingezeichnet sind. Jedes mal wenn
das Spiel lädt, muss man eine Frage nach dem
Farbmuster eines Kartenfeldes beantworten.
Gibt man das richtige ein, ist man rechtmäßiger Besitzer und darf das Spiel spielen.
DEBUG: Was denkt ihr über Copyright?
DIRK PAESMANN: Copyright hält nie lange.
Es kann der Zeit nicht standhalten.
DEBUG: Vielen Dank!
<6> - DE:BUG.68 - 02.2003
VERLOSUNG EINS
EMAGIC
Kein Studio läuft ohne Emagics Software.
Logic Audio ist der Standard Audio/Midi
Sequenzer, und die nach und nach erschienenen Softwareinstrumente sind aus kaum
einer Produktion noch wegzudenken. Jetzt
seid ihr dran. Emagic spendiert zwei Superduper-Riesenpakete:
1. Logic Audio Platinum 5.5 für Mac OS (9.x
und X), gebündelt mit der ganzen Instrumentenpalette: "EVB 3" (Hammond-Emulation), "ES 2" (32-stimmger Synthesizer),
"EVD 6" (Hohner Clavinet Emulation), "EVP
MITMACHEN:
88" (Fender Rhodes Emulation) und "EVOC Postkarte an Debug, Brunnenstr. 196, 10119
20" (20 Band Vooder). Der Gesamtwert des Berlin.
Pakets: 2.400 Euro. Yo
Stichwort: "Logisch mach ich Musik, Alter!"
2. Big Box. Das Einsteigerpaket beinhaltet Einsendeschluss: 13. Februar 2003.
eine Version von Logic Audio sowie den Kein Rechtsweg. Hah!
SamplePlayer "EXSP24", die kleinere VSTVersion der Rhodes-Emulation "EVP73",
den Synthesizer "ES1" sowie die Sample-CD
"Xtreme Analog". Läuft auf Mac und PC.
Wert: 289 Euro.
HTTP
SPRUNG AUS DEN WOLKEN
www.scape-music.de
SERVICEPOINT
Jan Jelinek
Jan Jelinek, La Nouvelle Pauvreté, ist auf
Scape erschienen.
TEXT: ARAM LINTZEL | [email protected] / FOTOS: ERIK WEISS
Der melodische Mod in elektronischer Schale Jan Jelinek schlägt mit seinem neuen Album "La Nouvelle
Pauvreté" allen technokratischen Formalisten ein musikgeschichtiches Schnippchen und singt (sic!) sich
in schönster Uneigentlichkeit Persönlichkeiten wie Stevie Wonder und Bryan Ferry hinterher.
Zu den obskursten Momenten in der Geschichte der Meinungsforschung zählt ein
Umfrageergebnis im Debug-Leserpoll
2002: "Bester Programmierer: Jan Jelinek"
... Wer bitte hat sich diesen Mumpitz ausgedacht? "Melodischster Mod in elektronischer Schale" oder "subversivster Agenturbeschaller", da hätte man der Straße gerne
zugenickt. Aber "bester Programmierer"?
Das ist doch Quatsch, da war doch NoelleNeumann on Acid. Denn niemand kämpft
so wissend und gekonnt gegen beflissenes
Produzententum und technologischen
Software-Formalismus in der elektronischen Musik wie Jan Jelinek. Seine drei musikalischen Egos "Farben", "Gramm" und
eben "Jan Jelinek" handeln im Kern nicht
von Bedingungen, Möglichkeiten und Unfällen irgendwelcher Softwareprogramme,
sondern von Musikgeschichte im ganz materiellen Sinne. Soul, Jazz, House und nun
auch Rock und New Wave wandern durch
seine Tracks. Der von Persönlichkeiten wie
etwa Bryan Ferry oder Stevie Wonder hinterlassene musikalische Bedeutungswurm
interessiert Jelinek letztlich mehr als das
Abarbeiten an Technologie. Viel lieber als
über die neue heiße Software referiert Jelinek denn auch inspiriert über das asexuelle Begehren in Stevie Wonder-Songs oder
die dramaturgische Funktion des Applaus
auf Live-Jazz-Platten. Und jetzt singt (sic!)
er auch noch selber. Doch dazu später Sinne einer Ästhetik der Leere, die man in
mehr.
vielen aktuellen Minimal-Produktionen antrifft. Jelinek dazu: "Die ProduktionsmetaIM DICKICHT DER REFERENZEN
pher ist so wichtig geworden, dass man nur
"La Nouvelle Pauvreté" (dt.: die Neue Ar- noch über Technik kommuniziert. Das ist völmut) rührt den auf Jan Jelineks Veröffentli- lig legitim, nur oft geschieht das in Kombinachungen stets anwesenden historischen tion mit Konzeptideen, die eben nur auf ein
Humus neu auf und verdichtet ihn zu at- Produktionsdesign verweisen. Dann finde ich
mosphärischen Melodie/Restgeräusch- das zu wenig. Formalästhetik als Konzept Hybriden: "Es war mein Plan, dass diese Plat- das reicht nicht." Gegen technizistische Einte ein Dickicht an Referenzen darstellt. Nicht dimensionalität setzt Jelinek bewusst auf
weil ich als Schlaumeier, der seine Hausauf- ein Heterogenität und Distinktion: "Ich
gaben in Musikgeschichte gemacht hat, rü- wollte eine Popplatte machen, aber nicht in
berkommen wollte, sondern weil ich bemerkt dem Sinne, dass die Stücke Popsongs sind. Es
habe, dass sich bei elektronischer Musik zwei ging mir darum, dass die Stücke nicht auf eiLager aufgetan haben: Da sind zum einen die ne Produktionsidee verweisen, sondern für
Produzenten, die im Zuge dieses enormen Hy- sich stehen. So wie bei Popalben, wo die Sonpes um objektorientierte Software durch Zu- gs auch unabhängig vom Albumkontext
fall zum Medium Musik gekommen sind. Das wahrgenommen werden können und nicht
Resultat ist zwar Musik, aber es hätte auch aufeinander verweisen." Heraus kommt in
Design sein können", so Jelinek. "Das ist eine der Tat kein konsolidierter Konzeptualissehr spannende Sache. Da ist die alte Techno- mus, sondern die sperrige Eleganz des
Idee weitergedacht: Musik hat keine Ge- Disparaten, der man sich als Hörer auf holschichte und Musik braucht keine Geschichte! prigen Abwegen der (Musik-)Geschichte
Ich habe aber festgestellt, dass ich ganz an- zu nähern hat.
ders arbeite, weil ich mich ganz bewusst an
dem Medium Musik abarbeite, auch als Refe- MIT FREMDEN ZUNGEN SINGEN
renzsystem. Für mich hat Musik Geschichte." Vergleicht man "La Nouvelle Pauvreté" mit
Der Titel "La Nouvelle Pauvreté", ursprüng- dem ersten Jan Jelinek Album "Loop-Finlich von belgischen Modedesignern Ende ding Jazz-Records", so fällt sofort eine düder 80er geprägt, ist denn auch durchaus stere Traurigkeit auf. Da ist, anders als auf
als Zustandsbeschreibung zu verstehen: im der "Loop-Finding"-Platte, kein Hauch von
Für mich hat Musik Geschichte.
wattigem Wallpapersound für die legère
Schreibtischarbeit. Die Agenturtapete hat
sich verdüstert. Ahnungen bahnen sich den
Weg, eine unheilvolle Unheimlichkeit zieht
sich durch die Tracks und steckt sogar in
den winzigsten und scheinbar unschuldigsten Clicks und Cuts.
Die eigentliche Sensation ist aber, dass Jan
Jelinek es wagt zu singen. Ein Wagnis, das
nicht viele elektronische Produzenten eingehen und das für Jan Jelinek tatsächlich
ein auszehrendes ”Sich-Aussetzen” bedeutet. Der Name der Fake-Begleitband ("The
Exposures") soll verstohlen darauf hinweisen. Jelineks Stimme klingt aber nie peinlich, sondern angenehm touching und
unironisch - vorgebracht mit sympathischer Ernsthaftigkeit und Anspannung.
Doch gebraucht er sein sog. "Organ" nicht
als Garant eines echten Ausdrucks, sondern wie ein Tool unter anderen: "Ich habe
meine Stimme eher benutzt, wie man auch
Samples benutzt. Sprich: kurze Phrasen aufgenommen und die dann bearbeitet", so Jelinek. Oft stammen die eingesungenen Passagen aus Pop- und Soulstücken. Produktive Entfremdung statt urwüchsiger "Metaphysik der Präsenz". Vielmehr schlüpft Jelinek in die vorgefertigten Rollen und verwandelt die vorgefundenen Emotionsträger in abstrakte Botschafter seiner bittersüßen Message. Das alte Singer/Songwri-
ter-Subjekt kommt dabei keineswegs durch
die Drähte gekrochen.
VORHANG AUF/ZU UND WIEDER AUF
Die aneignende Uneigentlichkeit wird unterstützt durch viele ironisch theatralische
Momente: So beginnt "Music To Interrogate By" mit einem gefakten Klatschen, das
"Farben"-hafte Floorstück "If's, And's And
But's" beginnt und endet mit einem Sample, welches das Auf und Zu eines Bühnenvorhangs zu symbolisieren scheint. Es sind
nicht zuletzt solche überraschenden Miniaturen und Module, die das neue Jan Jelinek-Album zu einem großen Schritt für
elektronische Musik machen. Diese
manchmal seltsam affektiert klingende
Platte wirkt wie ein Sprung aus den Wolken
des gekannten Elektronika-Kosmos, hinein
in eine Welt, deren Umrisse kein Programm
dieser Welt errechnen kann. Nicht bloß das
magische Dreieck Farben – Gramm - Jan Jelinek wird sich neu justieren müssen.
Go. Spin the globe.
siemens-ausbildung.de/preis
Die Schule vorbei.
Das Abitur in der Tasche.
Die Zukunft vor Augen.
1.000 Chancen, kleine Träume ganz groß zu machen.
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1 Arbeitgeberpreis
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<8> - DE:BUG.68 - 02.2003
SERVICEPOINT
Diedrich Diederichsen: Sexbeat. Kiepenheuer & Witsch für 9,90 Euro.
SEXBEAT-KORREKTUREN
Im Cold War Zeit-Raum des Westens
TEXT: ALJOSCHA WESKOTT | [email protected] / FOTO: OLIVER SCHULTZ-BERNDT
Das 1985 erschienene ”Sexbeat" von "Pop-Papst" Diedrich Diederichsen war die Mao-Bibel jedes Popliebhabers mit Lacoste-Hemd und Rave-Bändchen. Zentralbegriffe einer anti-authentizistischen
Poptheorie wie Zitat, Bricolage und Strategie der Affirmation gibt's hier als amüsantes Figurentheater. Jetzt wird Sexbeat als "Sexbeat 2" mit einem korrigierenden Vorwort von Diederichsen selbst neu
aufgelegt.
Sexbeat - das ist die Expedition eines literarischen Ichs namens Diedrich Diederichsen durch den Cold War Zeit-Raum des
Westens, ständig erfasst von einer schillernden Unruhe, erfrischend unfertig und
schön kaputt, teilweise fast schon Beton
und trotzdem stilsicher gesetzt wie eine
Hookline Kylie Minogues im heutigen
LaLa-Land. Sexbeat ist aphoristischer, glossenhafter Text, der an seinen schönsten
Stellen musikalisch wird, wenn Popimpulse
auf Anti-Popimpulse treffen, wenn (verhindertes) Hipstertum auf reales Hipstertum
stößt, wenn in einer Post-Utopischen-Zeitrechnung operative Begriffsschöpfung und
beschreibende Wirklichkeit herausfordernd ein WEITER zersetzt und gleichzeitig
proklamiert, weil der Tanz auf und in Entfremdungszuständen zu einer fast letzten
verbliebenden Chance im Jahre 1985 geworden ist, sich nun aber schleunigst von
Hippies, Yuppies, Spießern und anderen
Authentizitäts-Monstern emanzipiert werden muss: Welche Drogen sind dafür am
besten geeignet? Gibt es wirklich nur LSD
oder SPEED? Sexbeat wird durch das Vorwort der Wiederveröffentlichung zu Sexbeat 2, weil 17 Jahre später vieles neu gefaltet
werden muss, um die zerschnittene Zeit
und retrospektiv den einen oder anderen
blinden Fleck des Buches, die geilen Irrtümer der eigenen Zeitlichkeit eben, zu kommentieren. So rattert es angenehm ereignisreich im erklärenden Vorwort ”Sexbeat
2“, fast wie im ICH-Buch Helmut Bergers.
Nur: Ohne Cam-Shots.
FÜR DIE MITTELLOSEN ...
Es sind politische Korrekturen, die den
nicht linear verlaufenden Prozess der Theoriebildung zwischen 1985 und heute aufblitzen lassen: Das langsame und sichere
Entfernen von Sexbeat, neue Auseinandersetzungen, etwa mit Bildender Kunst, eine
unzeitgemäße Faszination für die Moderne, dann aber auch ein anderes unmittelbares Reden in Pop - Wann war die Spex-Zeit?
Doch 1983 wird Diederichsen erstmal getrieben, als Priviliged Poor inmitten einer
Pop-Zeitrechnung New Yorks und seiner
Verheißungen, die einen immer glauben
machen, einen Tick zu spät gekommen zu
sein: Madonna hat gerade ihren kometenhaften Aufstieg hinter bzw. vor sich. Neulich arbeitete sie noch in der Bar ”Lucky
Strike“. Dort steht wenig später Diederichsen, ohne Geld, etwas völlig anderes on his
mind als unmittelbare Spurensuche.
... IST DAS PARADIES DIE HÖLLE?
Und die ”Paradise Garage“ gleicht eher eine Punica-Oase: Dancing without drugs
und im Darkroom läuft tatsächlich ”Die
Blechtrommel“. Das rockt. Alles sehr rhizomatische Vorgänge, die Diederichsen
preisgibt, ihn aber nicht dazu verleiten, eine Selbst-Ästhetisierung vorzunehmen,
um diesen äußerst produktiven, scheinbar
ideologiefreien Nicht-Ort erneut abzurufen: In die beim Leser entstehende Stimmung ”Irgendwie exterritorial genial, dieser Bohemia-Planet“ dringt allmählich ein
Kopfschütteln des Autors. Denn Diederichsen wäre nicht Diederichsen, wenn er sich
nicht aus dieser Selbst-Beschreibung dem
Analytischen zuwenden würde, um die damaligen theoretischen und persönlichen
Lacke zu fokussieren, ein neues ästhetisches Koordinatensystem zu bauen und
sich Adorno-like im Begriff (Pop) zu versenken.
TOMORROW WILL NOT BE LIKE TODAY
Wie funktionierte nun die damalige Deund Re-Programmierung des Selbst im
Spiegel einer sich in Sexbeat ausbreitenden Hassliebe auf Postmoderne Popkultur?
Ein Song der Band Gun Club, ”das erste auf
der ersten Seite, der Hit, Sexbeat“, wird
Namensgeber für ein ganzes Buch, gar für
eine ganze Anschauung. Eine Abrechnung
mit einem systemstabilisierenden Bohemia-Lifestyle, mit Subkultur per se. Denn
erst später wird Pop durch Figuren wie Boy
George oder den Pet Shop Boys ein neuer
Bauplan verpasst, ein Selbst-Engineering
durch Queering ermöglicht und erkannt,
dass ”nichts uneigentlicher ist als Sex, (Sex
eben) nur die Hardware ist, auf der das Programm läuft.“ War Sexbeat somit vielleicht
ein äußerst unpassender Titel? Hätte es
auch ”She’s like Heroin to me“ werden können? Nein. Plötzlich ist Düsseldorf wie
New York und Diederichsen spricht von einer beginnenden Bret Easton Ellis-Welt, in
der die Menschen von New York bis Mannheim etwas verbindet. Sexbeat spricht aber
aus der Stadt, der Diaspora, d.h. fast schon
postkolonialen Phänomenen und ihrer zu
klassifizierenden Protagonisten in heute
vielleicht obsolet gewordenen Subjekt-Typen. Nur differenzfeministische Impulse
lassen sich weit und breit nicht vernehmen.
Die später so wichtigen Popstrategien Butlers sind noch unsichtbar. Männer sind
noch Männer und Frauen noch Frauen?
Überhaupt ist (Un)Sichtbarkeit das eigentliche politisch-historische Verhältnis, um
den Taktschlag von Sexbeat, seinen antipluralistischen Drive zu begreifen. Wie organisierte sich das Mediale in der alten
BRD, wie eine Diskurslandschaft und Öffentlichkeit? Diedrichsen gibt nochmals
Aufschluss über den totalitären Touch der
alten BRD, ihrer Mischung aus Harmlosigkeit und Beton vor der Zeit des großdeutschen Privatfernsehen-Universums.
THE OTHER PEOPLE PLACE
All das, was schon in Sexbeat aufgespürt
und verhandelt wurde, wie britische und
amerikanische Rockmusik verschiedene
Pop-Modelle repräsentierten, mündet in
”Sexbeat 2“ in den höchst produktiven Versuch, die Unterscheidung individueller und
kollektiver Popmodelle zu begründen, diese historisch zu erden, um sie als unterschiedliche Kamerafahrten des Popsubjekts zu verdeutlichen: Während sich britische Pop-Musik der frühen 80er-Jahre als
”soziales Material für gesellschaftliche Pro-
Was ist Poltitik, was das Politische? Hey, what’s up?
jektionen und sympathisierende Politik“
generiert, sich darin ein Verhältnis zu einer
Band, zu einer konkreten Gruppe, gar zu einem partizipierenden Ich ausdrücken
konnte, versinnbildlichte der amerikanische Post-Hardcore-Punk ein anderes PopParadigma: ”Ein Cockpit der Wahrnehmung“ (Holert) entstand, ein IdentischWerden mit der Band und deren Sichtfenster auf Realität. Da drüben! Die Autobahn.
Ich!?
Dann ging es weiter. Und Sexbeat wurde
gar eine Art Drehbuch der Techno-HouseBewegung, wie Diederichsen meint. Doch
filtert man den Techno-Aspekt im Vorwort,
so ergeben sich kaum weitergehende
Denkbilder. Man trifft auf ein scheinbar
konformatives WEITER, ein Weiter im Programm, ein gleichförmiges Weiter also, ein
nur auf Wiederholung abzielender MTVDance-Charts-Rhythm. Ist für Diederichsen Techno wirklich so etwas wie für Platon
die Höhle? Lauern überall Trugbilder? So ist
es auch Techno, dass für Diederichsen zwei
Seiten zu versöhnen wusste: Die von einem
Weiter ohne gegenkulturelle Investments,
das ewige Freizeitpark-Theorem eben, und
einem Weiter in einer Immanenz-Hölle
(des kleinen Glücks). Der Dancefloor nur
eine Lichtung im Wald? ”Man ist im Beat,
aber der Blick nach Außen fällt nicht auf irgendeine asoziale andere Welt, eine Wüste
oder so etwas, sondern richtet sich auf genau diese soziale Vertreterfigur, die anderen Tänzer.“ Am Ende von “Sexbeat 2” steht
also ein Weiter, das Techno heißt und vielleicht allzu schnell, allzu voreilig den Zustand der cleanen, glatten Cockpit-Perspektive verabsolutiert. Und es steht ein
Anfang, Sexbeat wieder zu lesen, anders zu
lesen. Konsequent in Diederichsens Theorie ist dabei, unversöhnlich zu bleiben, fast
schon eine Realität einzuschreiben, die
nicht einfach von den Floors zu fegen ist.
Aber genau darum ist Sexbeat 1 und 2 auch
kein Solo-Album, sondern ein Buch für ALLE, die weiter fragen: Was ist Poltitik, was
das Politische? Was sollte das ”Hey, what’s
up?“ des Hipsters auch anderes meinen!
DE:BUG.68 - 02.2003 - <9>
Jung und unbekannt, aber gut
WACHSEN MIT AMBITION
Cyne
Die Floridaner HipHop-Gruppe Cyne glänzt mit politischem Bewusstsein und tiefschürfendem Engagement, ohne dabei in drögen Argumentationsrap abzudriften. Bei Botanica Del Jibaro haben sie ihre bisherigen Maxis rausgebracht und basteln munter an weiteren Statements.
TEXT: CLARA VÖLKER | [email protected]
Cyne, das ist eine andere Schreibweise für
das englische Wort für Zeichen und der Name einer HipHop-Gruppe aus Florida, die
dem eher komplizierten Namen entsprechend politisches Bewusstsein und Ambition mit cooler Musik verbindet. Kein Wunder also, dass sie bei Botanica Del Jibaro,
dem HipHop-Ableger der in Miami beheimateten Beta Bodega-Koalition, ihre bisherigen 12"s herausgebracht haben. Denn Beta Bodega kümmert sich seit jeher um ein
umfassendes Labelkonzept, das Musik, bisher zumeist Techno, mit gesellschaftlichen
Zusammenhängen zu verbinden versucht.
Und so geht es auch dem doppelten Duo
Cyne, bestehend aus den MCs Cise und
Akin und den Produzenten Speck und
Enoch, neben großartiger Musik um die
darin transportierte reflektierte Gedankendichte. Die Hauptintention der erst seit
2000 existierenden Gruppe hört sich ausformuliert so an: "Wir alle wollten einen beständigen Sound und ein Hybrid unserer Unterschiede kreieren", was auf Platte jedoch
viel spannender klingt.
DEBUG: Wieso habt ihr euch Cyne genannt?
CYNE: Über allem anderen: Menschen folgen, verstehen und erkennen Zeichen in der
einfachsten Form. Das Akronym für unsere
Schreibweise von CYNE steht für: "Cultivating Your New Experience", spezifisch durch
das Medium Musik.
DEBUG: Was ist euer Hintergrund, was
sind eure musikalischen Einflüsse?
CYNE: Wu Tang (RZA), Nas, De La Soul, Outkast, El-P, Rakim, 2Pac, Big Daddy Kane, Mos
Def, DJ Muggs, Gangstarr, Dead Prez, Run
DMC, the Roots, EPMD, Camp Lo, Madlib,
Prince Paul, the Bomb Squad, 2 Live Crew,
Twista, Roots Manuva, DJ Shadow, Kool Moe
Dee, Jimi Hendrix, Fugazi, Rage Against the
Machine, Bad Brains, Fela Kuti, Stevie Wonder, Miles Davis (this list can go on and on and
on)
DEBUG: Ist HipHop ein Werkzeug, um eine
Botschaft zu vermitteln?
CYNE: Lyrics können eine Plattform sein, um
Politik, Ideologien und Emotionen zu präsen-
SERVICEPOINT
SERVICEPOINT
www.botanicadeljibaro.com
www.cyne.net
Bisher erschienen:
Cyne - African Elephants 12" (Rice & Beans
/ Beta Bodega), Cyne - Midas 12" ( BDJ)
Cyne - Movements EP (BDJ)
Eine Compilation der 12"s erscheint demnächst in Japan. Eine neue 12" kommt im
April, das Debutalbum im Mai (beides auf
BDJ).
tieren, aber das Endprodukt von HipHop Pan-Afrikanismus als Grundlage, um auf diestellt ein Mittel bereit, um Attitude und So- sen Idealen aufzubauen. Durch den Akt des
und auszudrücken.
Sampling reinterpretieren, rekontextualisieren und studieren Enoch und Speck Musik,
DEBUG: Offensichtlich habt ihr ein politi- während sie versuchen, sie zu aktualisieren.
sches Bewusstsein. Worauf wollt ihr die
Aufmerksamkeit der Zuhörer richten?
DEBUG: Sind sinnvolle Lyrics für euch
CYNE: Vor allem wollen wir, dass die Leute wichtiger als ausdrucksvolle Musik?
Musik mit Absicht, Relevanz und Innovation CYNE: Beide Elemente besitzen das Potentihören. Es gibt keine einzigartige Botschaft. al, das selbe Gewicht zu tragen, obwohl sie
Vielmehr geht es um etwas, das zum Nach- das selten tun. Eine Kombination von den beidenken anregt oder worauf der Zuhörer emo- den wäre wohl ideal.
tional oder spirituell Bezug nehmen kann.
Ehrlichkeit ist ein Ziel: Über das zu berichten, DEBUG: Wie und womit produziert ihr euwas wir sehen und erfahren.
re Musik?
CYNE: Alle Beats werden auf der Akai MPC
DEBUG: Wie wichtig ist Geschichte und 2000 konstruiert, ausgehend von einer umeure momentane Umgebung für euch?
fangreichen Vinyl-Bibliothek. Wir nehmen die
CYNE: Geschichte hat unsere Musik geformt. Vocals auf und mixen alles mit ProTools. Die
Das bedeutet, dass wir auf der Vergangenheit Inspiration beginnt entweder mit lyrischen
aufbauen, um die Gegenwart zu verstehen Konzepten oder einem Beat, der Rest wächst
und um mit ihr umgehen zu können. Cise von dieser Quelle.
wuchs in einer südlichen baptistischen Umgebung auf und verlässt sich auf religiöse Ge- DEBUG: Was macht ihr außer Musik?
schichten als Gleichnisse für die Situationen CYNE: Cise beendet gerade seine Ausbildung
des Lebens. Akin verwendet einen universalen für Herz-Lungen-Wissenschaft, Enoch und
Akin machen das College fertig, Speck hat vor
kurzem die Universität abgeschlossen und arbeitet in einer Film/Video Produktion.
DEBUG: Botanica Del Jibaro scheint momentan zu expandieren und bringt recht
viele Platten raus. Was für ein Label ist BDJ,
wie kam eure Verbindung zustande und
was schätzt ihr an ihnen am meisten?
CYNE: BDJ ist ein HipHop-Ableger der Beta
Bodega-Koalition, ein Label, das es als Aufgabe sieht, Politik in Gestalt von Musik auszudrücken und zu verbreiten. La Mano (Labelchef) war an der Tatsache interessiert, dass
jemand, der geografisch so dicht an ihm dran
ist, ähnlich gesinnte Schritte und verwandte
Musik in einem Format transportiert, das er
als “vocally active–HipHop” bezeichnet. Wir
respektieren die Intentionen des Labels wirklich und die Möglichkeit, einzig auf die Musikseite dieser Welt zu fokussieren.
<10> - DE:BUG.68 - 02.2003
Musik die wo mehr weiß als ihre Immanenz
.ILATION
DIE DOKUMENTATION
DER SONIG EXPLOSION
TEXT: ED BENNDORF | [email protected] / FOTO: SIBYLLE FENDT
Das Kölner Label Sonig arbeitet sich auch auf seinem zweiten Sampler ".ilation" durch das frenetische Freispiel elektronischer Obskuritäten. Was macht Musik zu Musik? Aus der Sonig-Wundertüte werden in nächster Zeit die vielfältigsten Antwortversuche purzeln so
wie gigantische Jeansspinnen aus Studiofenstern.
Trotz Oval und Mouse on Mars ist Hajsch
mein liebster Sonig-Act. Klar waren erstere
die wichtigeren und wegweisenderen Projekte, aber das Urgestein Hajsch und seine
Umsetzungen unendlicher Zwischenzeiten
bleiben für immer ungeschlagen. Hier geht
es jetzt aber nicht um einzelne Projekte,
sondern um das frenetische Freispiel elektronischer Obskuritäten und angenehm
versponnener Künstler und Küstlerinnen,
die allesamt dem Kölner Label schnell den
Ruf eingebracht haben, das schwere elektronische Erbe ihrer Stadt mit Bravour, etwas Ironie und gehörigem Spaß weiterführen zu können.
Was geht also neben dem neuen, bestialisch guten Stück von Mouse On Mars noch
auf der neuen Labelpräsentation, die passend im Anschluss an die vor fast drei Jahren erschienene Sonig Rundschau namens
"comp." jetzt natürlich ".ilation" heißen
muss? Auf alle Fälle eine große Menge erfrischender Sound- und Beatexperimente
bekannter und neuer Acts wie Niobe, Wevie de Crepon (aka Wevie Stonder), Workshop, Dü, Aelters (ex-DAT Politics), Schlammpeitziger, So und Lithops. Wie das alles
unter dem Dach Sonig zusammengeht und
uns mit vertracktem Schwung durch den
Frühling bringen wird, erklären Jan Werner
und Frank Dommert.
FD: Wir haben uns Ende 2001 überlegt, eine
neue Compilation zu machen. Über das Zusammenstellen der Tracks bisheriger SonigLeute haben wir immer mehr dazubekommen. Auf einmal hatten wir dann den Plan
für das ganze Jahr fertig. Es wird also ziemlich
viel bei Sonig kommen, von fast allen wird es
ein neues Album geben.
JW: Sonig ist explodiert. Es gibt den SonigStamm um Mouse on Mars, Oval, Microstoria, F.X. Randomiz, Vert und Scratch Pet
Land. Und dann natürlich C-Schulz und Hajsch als die stillen, tiefen Wasser, die immer
wieder gute Sachen abliefern, aber aus dem
ganzen Diskurs-Update-Kontext raus sind
(und pro Album locker mal vier Jahre im Studio versinken). Die alle arbeiten sich irgendwie an ihrer Wahrnehmung ab, die machen
alle solche Musik, um für sich rauszufinden,
was Musik eigentlich ist. Hajsch ist z.B. jemand, der eher aus einem elektro-akutischen
oder konkreten Musikverständnis heraus
Klänge betrachtet.
DEBUG: Was hat es mit dem seltsamen
belgischen Brüderpaar Baudoux (Scratch
Pet Land und The Fan Club Orchestra) und
ihren gigantischen schwarzen Spinnen auf
sich?
FD: Ich glaube, weil die Tochter von einem der
beiden so große Angst vor Spinnen hat, hat er
eine riesige Jeans-Spinne gebaut und
schmeißt die immer aus dem Fenster im vierten Stock.
JW: Das ist so eine Art Ritual. Er macht das
SERVICEPOINT
htgtp
Die Labelcompilation ".ilation" erscheint demnächst auf Sonig. Es folgen Alben von
Hajsch, Wevie de Crepon, Niobe und Aelters.
www.sonig.com
www.hajsch.de
auch in anderen Städten und die eigentliche
Performance ist dann, dass er die Spinne aus
dem Fenster schmeißt und dadurch auch die
bösen Geister aus dem Studio vertrieben werden. Die Spinne ist wie eine überdimensionale
Voodoo-Puppe. Scratch Pet Land haben sowieso ihre eigenen, sehr individualistischen
Rituale, vor allem wenn du sie auf der Bühne
siehst.
FD: In Dänemark hat er z.B. mit einer Rolle
Smarties - die war richtig schwer dort zu kriegen - den Rhythmus geschlagen. Als das Stück
zuende war, hat er sie in einem Schlag aufgegessen.
JW: Die haben alle ihre Fetische. Nicolas Baudoux scratcht auch und hat seine eigene Technik mit einem Schellenbund am Arm entwickelt. Die Sonig-Künstler haben alle ihre eigenen Verfahren, Musik zu bannen, und
durch die Musik eine Idee von Musik zu entwickeln. Das bildet schön ab, was die Leute
für eigene Rhythmen haben und was für ein
Verständnis von Wahrnehmung, Geschwindigkeit und Komplexität sie haben.
DER ROTE FADEN IST ...
DEBUG: Wo findet sich nun der rote Faden,
der z.B. C-Schulz mit Oval und dem Fan
Club Orchestra zusammenbringt?
JW: Eigenheit ist der rote Faden. Je weniger
man das Gefühl hat, jemand arbeitet sich an
der Musik anderer ab, sondern an seiner eigenen ...
FD: ... oder an sich selbst und hat sogar noch
andere Einflüsse als musikimmanente. So wie
z.B. Scratch Pet Land aus der Kunst, der improvisierten Musik und Turntablism kommen
oder Kai Althoff von Workshop aus der Bildenden Kunst. Als Label wollen wir da aber
auch nicht stark eingreifen, wir lassen ihnen
den Freiraum.
JW: Es muss auf jeden Fall für uns interessant
sein zu verfolgen, an was die arbeiten. Es geht
uns nicht darum, von jedem ein ultimatives
Album abzusaugen oder eine Musik zu kriegen, die total auf den Punkt gebracht ist. Es
müssen Leute sein, die echt an irgendwas
dran sind. Und wir wollen das mitkriegen und
dafür einen Platz bieten. So eine Platte ist im
besten Falle auch nie fertig. Sie ist natürlich
nicht nur allein deswegen interessant, sondern auch komplex, ausgearbeitet und individuell genug, so dass man Lust hat, sie zu
hören. Die arbeiten alle sehr gründlich. Auch
wenn die Sachen teilweise verzerrt oder sperrig sind, bestimmte Frequenzen fehlen oder
das Arrangement zum perfekten Popsong
fehlt, dann wollen die das auch so. Jeder bearbeitet auch sein eigenes Thema: Aelters z.B.
scheitert ständig an der Software.
... DER INDIVIDUELLE ARBEITSWAHNDEBUG: Die neue CD bzw. Sonig als Label
stehen aber nicht nur vehement hinter
dem individuellen Arbeitswahn ihrer Musiker. Auch der nahezu bedrohlichen Egalität
von Musik per se (besonders aber der elek-
Wenn die Sachen verzerrt oder sperrig sind, Frequenzen fehlen oder das Arrangement zum perfekten Popsong fehlt, dann wollen die Sonig-Künstler das auch so.
tronischen) wird versucht, Einhalt zu gebieten. Das zeigt somit trotz aller fehlenden musikalischen Elitisierung nach der Selektion befreundeter Künstler die teilweise
auch abweisende oder zumindest zurechtstutzende Haltung der Kölner.
JW: Auf eine Art steht die Compilation auch
gegen etwas: In jedem PC ist Musik drin. In
den letzten Jahren ist natürlich auch alles auf
CD gebrannt worden, was man überhaupt
nur irgendwie aufnehmen kann. Und das, was
Shareware-Programme sowieso schon abliefern, ist für viele Leute schon eigene Musik,
vielleicht nur weil sie das Programm überhaupt öffnen konnten ... Dieses Sich-langean-einer-Sache abarbeiten, um zu gucken, ob
da nicht doch noch was ist, zeichnet alle auf
der Compilation aus. Da ist keiner mit dem
ersten Ergebnis zufrieden, die bleiben alle lange dran, haben ihre eigenen Verfahren entwickelt und bringen ihr eigenes Instrumentarium mit. Immer wieder den Rahmen zu
sprengen und gucken, ob sich da nicht noch
was öffnet, ist allen gemeinsam.
DEBUG: Und was geht dir besonders auf
die Nerven?
JW: Die Idee, dass man Musik immer mehr
auf den Punkt bringen kann, dass elektronische Musik bestimmte Dinge irgendwie komisch im Griff hat und alles irgendwie amalgamisieren kann. Als ob man alles in einen
Zaubertrank hineinschmilzt.
Was natürlich .ilation bravourös widerlegt.
Sonig signen schlichtweg keine Musiker,
die besonderen Wert auf die Reduktion legen, um im minimierten Skelett den Hang
zu ausgeleierten Musikgenres zu offenbaren oder um jeglicher wie auch immer nach
außen gerichteter Referenz entfliehen zu
können und ihr Heil womöglich im bloßen
Geräusch oder im Kaum-Hörbaren suchen.
Hingegen wird meist der Opulenz (nicht
etwa zu verwechseln mit Opernhaftigkeit,
Noise oder Überproduziertheit) genügend
Freiraum gelassen, der als Konsequenz frischen, kreativen Ideen den unersetzlichen
und nutzbaren Raum bietet.
Als das Gespräch doch noch auf Mouse on
Mars übergreift, fällt der unwirkliche Satz
Jan Werners: "Mouse on Mars-Musik ist wie
eine Alternativ-Mainstreammusik. Na ja, das
ist blöd gesagt ..." , hängt er zum Glück noch
dran und bringt den anstehenden Erfolg
des aktuellen Releases auf den Punkt: "Ich
finde, die ganze Compilation könnte man
komplett im Radio spielen. Wenn das so laufen würde, würden wir sagen, das wäre echt
ein okayes Radioprogramm. Und wir hätten
dabei nicht das Gefühl, wir würden jemanden
nerven oder erziehen wollen. Es ist halt keine
penetrante Andersartigkeit."
DE:BUG.68 - 02.2003 - <11>
House
SOUNDS LIKE DISKO DRU
The Soft Pink Truth
TEXT: GERD RIBBEK | [email protected]
Drew Daniel, eine Hälfte von Matmos und quirliger Kleinteil B-Boy, lädt zum Fist-Funk auf Matthew Herberts Label Soundslike. Eine Auftragsarbeit, die der gute Drew nicht ablehnen konnte und sich gleich als
The Soft Pink Truth auf seinem Debutalbum ins Zeug gelegt hat, wertkonservativen House-Freunden
kräftig in den Arsch zu treten.
Igitt – laut Jahrespoll wollen Debug-Leser
mehr Sex. Wie wäre es also mit einer Runde Fist-Funk, Bareback-Breaks und
Schwanztanz-Diskoclaps? Drew Daniel, die
quirlige Hälfte des Konzeptronic-Duos
Matmos, fummelt als The Soft Pink Truth
beherzt an den Nippeln seines Equipments
und seift die durch Minimal-Missbrauch
geschändeten PAs der Swingerclubs mit
gepfeffertem Ejakulat ein. "Do you Party?",
sein Debut-Album auf Soundslike, ist die
schön obszöne House-Interpretation für
alle, die beim Orgasmus am liebsten laut
lachen.
Dabei steht der Begriff "Soft Pink Truth" eigentlich für das Gegenteil: Impotenz,
schlaffer Schwanz, Schwäche. Den Namen
lieh er sich in der Nachbarschaft: Ein Türsteher der Schwulenbar "The Stud" in San
Francisco nannte einen befreundetet DJ
immer "Soft Pink Missy", weil der soviel
Speed nahm, dass die Erektion ausblieb.
"Aber vielleicht deutet die softe rosa Wahrheit auch mein Schamgefühl an, als schwuler
Mann House zu machen, vielleicht ist es gar
die schreckliche Wahrheit über mein ComingOut, dass nach all den Jahren des rauen, lauten, bizarren oder konzeptionell orientierten
Zeugs nun diese lächerliche Musik hervorploppt", rätselt The Soft Pink Truth und
stellt fest: "The name implies that I was soft
and pink all along." Und das stimmt, Drew
Daniel ist in jeder Hinsicht vom Fach. Sein
Coming-Out vor den Eltern nimmt er "zufällig" auf Tape auf und veröffentlicht es
rish-, Playhouse- und Kompakt-Sachen gut
findet. Und mit Matmos vor allem einen
konzeptionelle Ansatz verfolgt, so geschehen auf ihrem letzten Album "A Chance to
Cut is a Chance to Cure", für das sich das
Duo in den OP-Saal einer Schönheitsklinik
einschlich, um Sounds einzufangen, die etwa beim Fettabsaugen entstehen. Nur
diesmal ist Drew Daniel solo, und ein mulmiges Gefühl zwischen Angst und Ehre beschleicht ihn ob der Aufgabe. Was solls:
"Make A House Record" - das reicht erstmal als Konzept. "Das funktioniert wie bei
Yoko Onos konzeptionellen Sound-Arbeiten,
beispielsweise ’Laugh Piece - Keep laughing
for a week’. Der Auftrag wird zur Maschine,
die die Arbeit geschehen lässt. In diesem Fall
dachte ich an die blanken Knochen des House, schwere Kick-Drums, Snares auf die 2 und
4, große warme Akkorde, rein- und rausschießende geloopte Stimmen, und versuchte
nach diesem Rezept zu arbeiten. Formen sind
nicht notwendigerweise dumm oder einengend. Nimm das Sonett, das ist eine feste
Formstruktur, und dennoch so flexibel. Es ist
einfach schade, dass die meiste House-Musik
echt langweilig ist."
Von Langeweile kann bei "Do You Party?"
keine Rede sein. Zwar ist das Gebinde "Album" für Tanzmusik eher unpassend, wie
Daniel findet, aber stundenlange Fahrten
durch das nächtliche San Francisco haben
schließlich dazu geführt, die 10 Songs mit
schweren Kick-Drums ohne Eintönigkeit in
eine Reihenfolge zu bringen. Neben den
und Röcheln mit dieser wimmernden und
bettelnden Art zu singen, garstige SynthStabs aus Dazz Band-Platten, zerborstene
HipHop MCs. "Ich wollte etwas, dass die
Punkte zwischen den vielen Sounds, die ich
mag, mit einem Gefühl verbindet, das irgendwo zwischen einer House-Party für College
Kids und dem billigen Vibe einer schwulen Sex
Club Muzak schwingt, etwas, das zu albern
ist, um es gänzlich ernst zu nehmen, aber das
auch irgendwie böse ist."
SERVICEPOINT
"Do you Party?" ist auf Soundslike erschienen.
OTHER PEOPLE'S RECORDS
Natürlich verstößt "Do You Party?" so
ziemlich gegen jede Regel in Matthew Herberts PCCOM "Personal Contract for the
Composition of Music", im krassen Gegensatz zu der Arbeit von Matmos, die überwiegend die Bestimmungen einhalten.
Drew Daniel sieht The Soft Pink Truth als
liebevolles Archiv einer ganzen Garage voll
anderer Leuts Platten, ohne sie könne der
Act nicht bestehen. Sein Ansinnen, allen
Albernheiten zum Trotze, ist die Chancengleichheit der Wertigkeit von großen Stars
und teuren Produktionen auf der einen und
den wirklich obskuren, geheimnisvollen
Demos und überlebten Styles auf der anderen Seite. Politisieren lässt sich The Soft
Pink Truth nur schwer, warum sollte man
auch, schließlich geht es hier um "party
rockin' jamz yo". Bittere Ironie findet sich
dennoch. "Ein paar Soft Pink Truth-Songs
sind gänzlich aus Platten gemacht, die ich in
einem Wohltätigkeitsladen in San Francisco
gekauft habe, der von Schwulen und Lesben
HTTP
“Ich denke, du kannst nicht Astronaut und Feuerwehrmann gleichzeitig sein, aber
das ist mein Traum.”
später auf Lucky Kitchen zum Thema "Familie". Er arbeitet in Unterwäsche als GoGo-Tänzer in einer Bar und lernt dort seinen Partner M.C. Schmidt kennen, der mit
seiner Industrial-Band Iacore ein Konzert
gibt. Zu zweit gibt es kein Halten mehr: gemeinsam machen sie die Musik zu holländischen Hardcore-Pornos mit so vielversprechenden Titeln wie "Fistful Thinking",
"The Punch Hole" und "Powerfist". Scheinbar wie nebenbei hat Daniel zwei B.A.s in
Renaissance Literature an der UC Berkeley
und per zweijährigem Stipendium an der
Oxford University gesammelt und sitzt nun
an seiner Dissertation mit dem Thema
"Melancholie in Malerei, visueller Kunst
und Literatur zwischen 1580 und 1630".
Wuff! Den Balance-Akt zwischen akademischer und musikalischer Karriere sieht er
pragmatisch. "Ich denke, du kannst nicht
Astronaut und Feuerwehrmann gleichzeitig
sein, aber das ist mein Traum. Ich möchte
nicht allein von der Musik als Geldquelle abhängen, denn es könnte einen schlechten Einfluss auf die Entscheidungen haben, die ich
dann treffen würde."
MAKE A HOUSE RECORD
Auftragsarbeiten sind so eine Sache. Doch
jemand wie Matthew Herbert muss nicht
lange bitten, auch dann nicht, wenn der
Lieferant nur spärlich mit House zu tun hat
und im Genre allenfalls die Musik des Auftraggebers selbst sowie ein paar Theo Par-
bereits auf Soundslike erschienen beiden
12'' enthält die CD zwei neue Tracks. "Satie
(Grey Corduroy Suit)" reflektiert als einziger Song den Minimalismus und basiert auf
einem einzigen Sample aus Erik Saties
Komposition "Trois Gymnopédies". Ein ruhiger, warmer, melodischer und für das Album ungewöhnlich "schöner" Track, der
vielleicht gerade deshalb Fragen aufwirft:
Wird hier etwa leise Kritik an der, äh, Beliebigkeit minimalistischer Musik impliziert?
Oder umgekehrt? Man könnte beides in
Betracht ziehen, schließlich ist Drew Daniel konzeptioneller Musiker und versteckt
schon im Titel Hinweise, wie zum Beispiel
die Tatsache, dass sich Satie von einer kleinen Erbschaft sieben identische graue Corduroy-Anzüge kaufte, Musik auch als
Raumausstattung verstand und eine eigentümliche Einstellung zur Langeweile
pflegte: "Langeweile ist tief und geheimnisvoll"; sein gesamtes Wissen über die Langeweile widmete er seinen Feinden. "Big Booty Bitches" dagegen ist Sex-Tech pur und
verspricht alles, was man für eine GhettoParty braucht. Daniel spielt mit den Charakteristika aus 30 Jahren Diskothek, ergründet Klischees des Dancefloors und Toilettenbereichs gleichermaßen. In jedem
Track arbeitet er einen anderen speziellen
Sound heraus, der ihm besonders gefällt:
Tech-House Kick Drums, Claps und Snares
von frühen 80er-Breakdancehymnen, bis
zur Perversität gepushtes R&B-Keuchen
betrieben wird und wo ganze Plattensammlungen von schwulen Männern verkauft werden, die an AIDS gestorben sind. In gewisser
Hinsicht archivieren und bewahren diese
Tracks die Ästhetik jener Generation von
schwulen Männern und feiern sie, wenn auch
in einer kitschigen und albernen Art."
The Soft Pink Truth ist für Drew Daniel das
erste Solo-Projekt seit vielen Jahren. Sein
Partner M.C.Schmidt spielt zwar ein paar
Synthie-Passagen und Bongos, doch wie so
oft bei Musikerpaaren, siehe Tina und Ike
Turner, kann es zu Konflikten kommen. Als
Soft Pink Truth zuviel Zeit von Matmos
klaute, wurde er schon böse, meint Daniel,
"nun muss ich mein schändliches House-Geheimnis vor ihm verstecken". Das dürfte ihm
schwerfallen, denn längst hat sich The Soft
Pink Truth verselbstständigt. Soeben ist
der Remix von Björks "It's in our hands" erschienen und Remixe für den Schweden
Smyglyssna und dem Engländer Brooks
stehen als nächstes an, Europa-Gigs sind
für den Sommer geplant.
Soundslike:
http://www.magicandaccident.com
"Promofunk" Video von Ryan Junell:
http://www.texasmonkey.com/
softpinktruth/
<12> - DE:BUG.68 - 02.2003
House
HALB DANEBEN IST VOLL GETROFFEN
misc.
TEXT :PAT KALT | [email protected]
SERVICEPOINT
Wenn Christopher Bleckmann und Hannes Wenner nicht gerade in einer der angesagten Kölner Bar- und
Clublocations abhängen, stecken sie vermutlich wieder im gemeinsamen Studio und arbeiten an einem
ihrer vielen ambitionierten Projekte. Jüngstes Ergebnis ist das misc.-Album "in between", eine State-ofthe-Art-Aussage zur aktuellen Techhouse-Landschaft.
misc, In Between, erscheint im Februar auf Resopal Schallware
“Jeder Track ist ein fairer Kompromiss zwischen uns
beiden, quasi eine basisdemokratische Entscheidungsfindung.”
DEBUG: Ihr habt zu zweit auf ganz unterschiedlichen Labels mit unterschiedlichen
Projekten Musik veröffentlicht. Dabei deckt
jedes Projekt eine etwas andere Facette
und Stilrichtung elektronischer Musik ab.
Wie würdet ihr die musikalische Idee und
das Konzept der einzelnen Projekte Monophace, Van Delta, Niederflur, misc. und
Clubsessel erklären?
MISC.: Monophace als unser erstes releastes
Projekt hat ja den Weg von Drum and Bass zu
experimentellem Breakbeat genommen. Die
Idee zu unserem letzten Album auf K2o kam,
nachdem wir von Drum and Bass als reine Format-Clubmusik genug hatten und mit unseren neuen Tracks bei allen Labels abgeblitzt
sind. Da haben wir uns gesagt: Jetzt machen
wir nur noch das, was uns an Breakbeat gefällt, ohne Rücksicht auf Format, Geschwindigkeit oder Clubfunktionalität. Da wir ab da
soundmäßig alles durften, haben wir uns vor
Output fast überschlagen, das war sehr befreiend.
Van Delta war und wird bald wieder unser erstes Projekt an verschiedenen Schnittstellen
von House, Techno, Breakbeat und HipHop.
Der Stilmix auf Basis unseres D’n’B-Produktionswissens, also D’n’B-artige Basslines, distorted Beats, Lofi-Funkyness usw. ist uns hier sehr
wichtig. Nach der Trennung von Groove
Attack haben wir zwar noch Tracks produziert, aber dafür nie ein Label gesucht. In Zukunft wollen wir aber auf Basis des bereits geschriebenen Materials mit Gesang arbeiten.
Niederflur war ein irgendwie akademisches
Konzept, bei dem zuerst ein Plan auf Papier
bestand und dann erst die Musik produziert
wurde. Wir haben uns zuerst über das Kölsche
Idiom der Bahnansagestimme in der örtlichen
U-Bahn amüsiert und nach einem Wort-Battle um die kölschesten Bahnansagen das Konzept ausgedacht. Tragender Bestandteil sollten neben den Stimmen vor allem auch die Sounds aus der U-Bahn sein. So sind wir dann
nach einem vorher gefertigten Plan nächtelang durch Köln gefahren und haben mit einem kleinen DJ-Sampler alle möglichen
Geräusche gesampled und in die Tracks eingebaut. Wichtig war uns auch die Endlichkeit des
Konzepts, also dass nach drei EPs Schluss ist.
Dass kam auch Richie Hawtin sehr entgegen,
der uns dasselbe vorschlug. So haben wir auch
nie mehr als 13 Tracks für dieses Projekt produziert, die dann auch alle releast wurden.
misc. ist unser Tech-House-Projekt, das neben
einigem Pop-Appeal auch eine technoide Seite
hat, die dann vor allem beim Label "Sender"
ihren Platz findet. Dabei ist der Name auch
Konzept: misc. steht für Verschiedenes; daher
hat dieses Projekt alle Freiheiten im Genre
Techno/House. Gerade die Schnittstellenmusik Techhouse hat uns dazu bewegt, selbst
Tracks in diese Richtung zu produzieren, da
wir beide Genres ja gerne vermischen, um etwas Neues entstehen zu lassen.
Clubsessel war wieder so ein Fluchtpunkt,
nachdem wir sehr lange an misc.-Tracks gearbeitet hatten und uns einfach die Puste ausging. Wir hatten einige Zeit zuvor bereits zwei
Ambient-Tracks für ein Artperformance-Projekt an der Expo 2000 geschrieben, das sich
dann aber im Sande verlief. Auf Basis des damals entstanden Materials haben wir acht
Tracks produziert, die so auf dem ersten Album auf K2o erschienen sind. Hier wollten wir
diesmal nicht alles anders und neu machen,
sondern einfach Musik entwerfen, die uns aus
unserem damaligen Produktionstief herausholte. Daher ist das Album auch ein wenig
dark geraten.
ROTE FÄDEN HARTER KREATIVITÄT
DEBUG: Gibt es trotz der breiten Palette so
etwas wie einen roten Faden bei euren Produktionen? Und ist das auch der rote Faden
für euer Musikverständnis als Produzenten?
MISC.: Der rote Faden in allen Produktionen
heißt: Jedes Musikstück ist Ergebnis einer harten kreativen Auseinandersetzung. Wobei die
Vermischung von mehr oder weniger Unvereinbarem schon häufig vorkommt. Der unterschiedliche musikalische Ansatz von uns beiden und die musikalischen Präferenzen außerhalb des Studios sind immer wieder ein Konfliktpunkt, über den wir hinwegkommen müssen. Jeder Track ist ein fairer Kompromiss zwischen uns beiden, quasi eine basisdemokratische Entscheidungsfindung. Daher sagen uns
Leute auch immer wieder, dass man uns beide
aus den verschiedenen Projekten "heraus- EIN HUT FÜR VIELE KÖPPE
hören" kann.
DEBUG: Wie schafft ihr es zeitlich nur, so
viele unterschiedliche Projekte unter einen
DEBUG: Welche Produktionstechniken ver- Hut zu bringen?
wendet ihr? Entstehen die Tracks alle mehr MISC.: Wir arbeiten phasenweise immer nur
oder weniger gleich oder machen sich je am einem Projekt, d.h. wir nähern uns dem
nach Stil- und Projektrichtung auch andere Sound des jeweiligen Projektes mit ein, zwei
Produktionsmethoden bemerkbar?
Tracks an und bleiben bei dem Stil so lange, bis
MISC.: Bis vor kurzem haben wir ja noch mit wir merken, dass es Zeit wird, sich einem aneiner Mischform von Hardware-Equipment deren Sound zuzuwenden. Dieses blockweise
und Software gearbeitet. Das Equipment stieß Arbeiten am Projekt erspart uns die typischen
aber schon seit längerem an seine Grenzen Ermüdungserscheinungen, die aufkommen,
und wir hatten das Gefühl, dass da nicht mehr wenn man sich ewig an seinem eigenen Tradeherauszuholen ist. Dann haben wir komplett mark-Genre-Sound abarbeitet. Oft ist dann
auf Computerproduktion umgestellt, weil die- ein Wechsel in ein anderes Projekt so fruchtse Arbeitsweise einfach Möglichkeiten eröff- bar, dass wir in sehr kurzer Zeit das Material
net, die wir mit Hardware nicht realisieren für ein Album beieinander haben. Man begeikonnten. Teile unseres alten Studios haben wir stert sich im Moment dann so stark für den
aber behalten, um zum Beispiel unsere über aktuellen Sound, dass Innovationen, über die
Jahre gewachsene Sound-Library weiter nut- man sonst vielleicht ewig hätte debattieren
zen zu können. Für ein analoges Feeling be- müssen, einfach wie von selbst in das neue
nutzen wir auch oft die Wandler unseres Akai- Musikmaterial einfließen. Dann sitzt man
Samplers, um Sounds in den Computer zu dann abends vor einem fertigen Track und
sampeln oder schließen einen alten Synthie wundert sich: Das ging jetzt ja irre schnell und
an, um einen bestimmen Sound herauszube- klingt auch noch gut!
kommen.
DEBUG: Wie kam es zu eurer ZusammenarDEBUG: Christopher ist ja auch als DJ tätig. beit?
Beeinflusst diese Erfahrung auch gewisse MISC.: Wir haben uns beim Arbeiten in einer
Track-Gestaltungen, beispielsweise für Videothek in Münster kennen gelernt. Chrimisc.?
stopher hatte ein kleines Home-Studio auf
MISC.: Mit Sicherheit. Christophers DJ-Erfah- dem er damals vor allem Instrumental-Hiprungen fließen vor allem bei misc. in die Tracks Hop produzierte. Hannes hatte nie aktiv Muein. Da dieses Projekt schon direkter auf den sik gemacht, war aber stark an der MöglichClub zielt, soll es dort auch funktionieren. Das keit interessiert, selbst Musik zu produzieren.
gibt natürlich auch ein wenig das Arrange- So haben wir uns dann gemeinsam Mitte der
ment eines Stücks vor, gerade auf 12". Also Zeit Neunziger zusammengesetzt, um Junglezum Rein- und Rausmixen für den DJ, gerne Tracks zu produzieren, ein Genre, dass uns zu
ein längeres Break in der Mitte, aber ohne dieser Zeit gerade sehr faszinierte. Wir haben
ganz so toolig zu sein. Die Cluberfahrung hilft aber auch schon damals alles Mögliche ausauch zu bestimmen, welche Frequenzen im probiert und ausgetestet. Dann kam 1997 die
Track wie anzulegen sind: So kann eine dicke erste 12" von Monophace auf Precision und wir
Kickdrum im Studio supertoll klingen, im Club merkten, dass neues Equipment her musste
aber alles totschlagen. Man denkt beim Pro- und wir die Zeit zuvor eigentlich sowieso nicht
duzieren, gerade für 12", schon den Club mit viel anderes mehr gemacht hatten als zu jobund meist stimmt dann auch der Sound vom ben und zu produzieren. So haben wir dann
Vinyl im Club.
einfach die Musik in den Vordergrund gerückt
und sind seitdem dabei geblieben.
ANTISTATIK FÜR ZUHAUSE
DEBUG: Euer neues misc.-Album hält auf
wunderbare Art und Weise die Balance zwischen Dancefloor und Homelistening. Inwiefern ist euch diese Qualität wichtig?
MISC.: Schon zu unseren D’n’B-Zeiten fanden
wir reine Tool-Musik langweilig. Nicht jeder,
der Vinyl kauft, legt dauernd in Clubs auf und
kann die Statik eines Technotool-Tracks mit einem coolen Mix brechen. Daheim machen solche rein funktionalen Tracks keinen Sinn. Wir
wollen aber Musik machen, die im Club und
daheim funktioniert, daher findet sich auch
immer auch ein wenig Pop in unseren Stücken,
ohne die Erforderlichkeiten eines Clubtracks
zu vernachlässigen. Daher kann man alle
Stücke des neuen Albums auch sehr gut auflegen.
DEBUG: Die Titel des neuen Albums sind
teilweise recht poetisch, teilweise assoziativ, teilweise bezogen auf verwendete Vocal-Samples. Hat die Wortwahl hier eine
höhere Bedeutung für euch oder ist das einfach Zufall, Einfall oder eine Laune des Moments?
MISC.: Der Titel des Albums "in between"
deutet an sich schon auf das hin, was den Hörer erwartet: Stücke, die zwischen Club und
Daheimhören liegen, alle sind zwar noch dem
Genre Techhouse angehörig, aber jedes besitzt
eine andere Facette. So haben wir bei
"vice/versa" ein Akkordeon als Lead-Instrument benutzt, da deutet sich schon die Spannung aus technoidem Sound und einem rein
akustischen Instrument im Track-Titel an. Wir
wollten bei der Namensgebung der Titel vermeiden, dass das ganze so nach Techno klingt.
<13> - DE:BUG.68 - 02.2003
House / Music For Freaks
UNTER DEM GULLY SPIELT DIE BAND
Freaks
SVEN VON THÜLEN, FELIX DENK | [email protected], [email protected] / FOTOS: DAVID AT STYLUS
SERVICEPOINT
Jenseits der Achse des Trance von Ibiza bis England findet sich mit Music for Freaks eine kleine Underground-Nische für House-Produzenten der Marke verdreht bis minimal. Im britischen Mutterland des Raves
produzieren die ”Freaks” Luke Solomon und Justin Harris konsequent an den langen Schlangen der Superlativ-Clubinfrastruktur vorbei.
"The Man Who Lived Underground"
erscheint auf Music For Freaks.
Die alternative Vinylfassung wird ordentlich Acid sporten.
Ein Technoalbum ist in der Mache.
Die Animationen zum Album kann man auf der Webpage
www.themanwholivedunderground.com angucken.
Wenn man als politisch korrekter Raver
manchmal über den Kanal blickt, entdeckt
man mit einer gewissen Angstlust allerhand merkwürdige Dinge in der Clubszene:
Da gibt es ein Gatecrasher, in dem verstrahlte Kids in fluoreszierenden Klamotten zappeln, dabei einen deutschen Trance-DJ anhimmeln ("PvD + E = God") und
Kiefer malmend ignorieren, dass der ihnen
immer wieder versucht einzubläuen, keine
Drogen zu nehmen. Man kann sich auch
über Freizeitkultur-Konglomerate wie das
Ministry of Sound wundern, das neben
dem Club mit Ibiza Dependance, einem Label mit Germany Dependance auch ein
Magazin betreibt, in dem man Statements
dem großen Ringelreihen mitzumachen
und insistiert stattdessen lieber auf seinem Nischendasein, fühlt man sich schon
mal an den Rand gedrängt. Die ”Freaks” Luke Solomon und Justin Harris können ein
Lied davon singen, wie ihr neues Album dokumentiert. Es heißt "The Man Who Lived
Underground" und basiert auf einer Geschichte, die ein Freund der Freaks geschrieben hat. Sie handelt von Weaver, der
sich in einer düster-apokalyptischen Welt
von der Gesellschaft abgewendet hat und
in einem Schacht lebt, wo er sich aus allerhand ausrangiertem Technikschrott ein
merkwürdiges eigenes Universum zusammenbastelt. Justin erklärt den tieferen
bands damals - und plötzlich schwebt diese
fünfzigköpfige Band im Mothership vom
Himmel. Ihre Musik war gleichzeitig weit vorne und verhandelte wichtige Themen. Mal
ganz abgesehen davon, dass sie unglaublich
unterhaltsam waren."
Das Freaks-Mothership umkreist die Erde
und in ihm haben derweil Diz, Stella (beide
Gesang), Rub (Bass) und Jonnie Rock (Gitarre) Platz genommen. Die Besatzung besteht aus Freunden und Bekannten, die
sich entweder schon als Produzenten oder
Vokalisten im MFF-Labelkatalog verewigt
haben oder deren Debut kurz bevor steht.
Scheinbar muss im Weltall Schwerelosigkeit nicht gleich zu Bindungslosigkeit
http
www.mff.com
Das ganze Gatecrasher-, Cream- und Ministry of Sound-Ding kollabiert. Viele Kids
aus der Ecke scheinen mitzubekommen, das Trance scheiße ist.
lesen kann wie das von Roger Sanchez, der
neulich meinte, dass sein Auflegen irgendwie spiritueller geworden sei, seit er bei
seinen Auftritten immer Räucherstäbchen
anzündet. Die Clubs präsentieren sich wie
international operierende Großunternehmen, was damit zu tun haben könnte, dass
sie in ihrer Wahrnehmung eben genau das
sind. Alles scheint eine Nummer größer zu
sein und muss irgendwie mit dem Präfix
Super kombinierbar sein – Superclubs haben schon mal einen Aufzug und eine Tanzfläche mit einem ins Parkett eingelassenen
Subwoover. Die Eintrittspreise sind superteuer (mal ganz abgesehen von den superbegehrten Tickets für die VIP-Empore) und
die Schlange vor der Tür ist superlang, weil
– man ahnt es schon – ein Superstar-DJ
auflegt und Super-Drogenhunde sich an
hin- und hertippelnden Raverbeinchen
entlangschnüffeln. Superklein sind dagegen die Waschbecken auf den Toiletten, so
dass man dem ehemaligen Rave-Volkssport des Nachfüllens der Wasserflasche
nicht mehr nachgehen kann. Dies ist allerdings kein großer Verlust, da aus den Hähnen ohnehin nur warmes Wasser kommt
und man stattdessen die Möglichkeit hat,
sich gegen ein winziges Entgeld vom Eau
de Toilette-Mann mit einem sonst superteuren Parfum seiner Wahl einsprühen zu
lassen.
RUNTER VOM SUPER-PLANETEN
Auch im Jahre 15 nach dem Summer of
Love, dem mythischen Urgrund im Mutterland des Raves und entsprechend der Beginn der offiziellen Zeitrechnung, findet
das mit dem Tanzengehen auf einem hohen
Organisationsniveau statt. Und auch wenn
Größenordnung und Hysterie der Clubszene irgendwie faszinieren und bei näherer
Betrachtung ein wohliges Gruseln auslösen können, wird die Sache ungleich komplizierter, wenn man auf der Insel lebt,
House der Handelsklasse "minimal und
verdreht" produziert, auflegt und ein Label
betreibt, das sich auch einen feuchten um
die Heavy Rotation Shows auf BBC Radio
One kümmert. Hat man keine Lust, bei
Sinn:
"Die Geschichte ist eine Art Parabel. So wie
dieser Typ lebt, sehen wir uns in der Musikindustrie." Ein Konzeptalbum also? Luke
drückt sich um das Wort etwas herum: "Es
soll nicht zu sehr wie ein Konzeptalbum klingen, aber es gibt schon Parallelen zwischen
der Story und den Lyrics auf dem Album." Zur
Illustration kann man auf der Website themanwholivedunderground.com die Story
nachlesen und den siebenminütigen Animationsfilm einer befreundeten Künstlerin
ansehen.
FUNKADELIC! FREAKADELIC!
Ob Konzept oder nicht, produktiv genutzte
Randständigkeit kann sich eben auch als
Kapital erweisen. Niemand weiß das so genau wie die beiden Chef-Freaks. Neben der
Nabelschau ist "The Man Who Lived Underground" ein House-Album, das diesen
Namen auch verdient, da nicht nur die Rahmenbedingungen des Formats sinnvoll genutzt, sondern die Formensprachen des
Genres erweitert werden. Das hängt wesentlich damit zusammen, dass die Freaks,
denen man immer schon ein Faible fürs
Vertrackt-Detaillierte anhören konnte,
jetzt eine Band gegründet haben, was ihre
Möglichkeiten noch mal exponentiell steigert. Was Weaver sein mühselig zusammengesuchter Technikschrott ist, aus dem
er sich seine kleine Welt zusammenbastelt,
war den Freaks und deren befreundetem
Umfeld schon immer die von der britischen
Ravemafia wegen des Generalverdachts
der Unfunktionalität sozusagen auf den
Soundschrottplatz verbannten verdrehten
Winkelgrooves, der spleenige Kleinteilfunk
und ihr verspielter Humor (nicht umsonst
wurden die ersten Maxis auf ihrem Label
Music for Freaks (MFF) ausdrücklich Robotern gewidmet), und so präsentieren sich
die Tracks der zur Band angewachsenen
Freaks noch quirliger und dem Funk verpflichteter, als man es sowieso schon von
ihnen gewohnt war. Luke:
"Natürlich stehen wir auf Bands wie Parliament und Funkadelic. Vor allem wegen ihres
Auftretens. All diese fürchterlichen Rock-
führen, auch wenn das den Produktionsprozess organisatorisch nicht gerade erleichtert. Da Diz in Chicago lebt und Rub in
Kanada, kann sich das Produzieren nicht
immer wie ein Zusammenspiel wahlverwandter Musiker gestalten. Trotzdem wird
viel Wert auf Interaktion gelegt, so dass
von dröge routiniertem Studiomucker-Style keine Rede sein. Luke und Justin bezeichnen ihr Studio auch passender Weise
als "Spielplatz". "Normalerweise haben wir
erst mal den Titel, dann überlegen wir uns die
Musik zu dem Thema und entscheiden, ob das
eher was für Diz oder Stella ist. Dann schreiben wir den Backing-Track. An dieser Stelle
kommen Diz oder Stella und fügen das Ganze
mit ihren Vocals noch mal neu zusammen",
erklärt Luke den groben Entstehungsprozess eines Freaks-Tracks im Bandformat.
Justin ergänzt: "Wenn die anderen ins Studio
kommen, spielen sie, was sie denken, das zu
dem Skelett des Tracks passen könnte. Es ist
nicht so, dass wir denen sagen, was sie spielen
sollen." Luke: “Wir nehmen auch alles auf.
Wir haben unglaubliche Soundarchive angesammelt, wir könnten eine Special Edition
DVD mit Directors Cut, Outtakes und Making of herausbringen (lacht). Am Ende verwenden wir aber oft die Sachen, die nicht so
richtig geklappt haben, weil sie trotzdem am
besten klingen. Das sind dann meistens die ersten Versuche. Deswegen: Lektion 1, immer
alles mitschneiden." Justin: "Das Beste sind
immer die Fehler."
WASCHTROMMELN IM
PARALLELUNIVERSUM
Was sich auf der letzten Maxi "Washing
Machine", einem wilden auditiven Trip
durch einen pulsierenden Waschsalon mit
vollautomatischen
Waschassistenten,
schon andeutete, zieht sich wie ein roter
Faden durch das neue Album. Komplexer
und verspielter sind die Tracks der Freaks
geworden. Gleichzeitig aber auch kürzer
und in sich geschlossener. So gleicht das
Album fast einem hyperaktiven Hörspiel
mit seinen dramaturgischen Brüchen, Tempiwechseln und Wendungen. Eine Tatsache, die die Stärken von "The Man Who Li-
ved Underground" nur noch mehr unterstreichen. Man kann förmlich hören, wie
sich die fünf im Studio ausgetobt haben
zwischen ihren Bergen von Material. Der
auf Loops basierte Track ist fast vollständig
einem gut gelaunten Singer/SongwriterGestus gewichen. Justin: "Ein Loop ist ein
gutes Tool, so lange du nicht das Glück hast,
Musiker zu kennen, die verstehen, was du
willst, und die kurz vorbeikommen und ein
paar Bassläufe für dich einspielen."
Offensichtlich ist er sehr zufrieden mit der
Entwicklung, die sich bei ihrem Label abzeichnet: "Es gibt schon Leute hier, die unsere Sachen verfolgen, aber im Vergleich zu
Classic sind wir Underground. Mit dem Label
war es wirklich hart. England ist das letzte
Land, das mitbekommt, was wir machen.
Wenn wir die Hits auf unserer Website
checken, dann kommen die hauptsächlich
aus Europa, vor allem Belgien, Frankreich
und Deutschland, oder Amerika. England findet man auf der Liste gar nicht. Das ist schon
sonderbar. Aber Dancemusic scheint sich hier
gerade in einem großen Wandel zu befinden.
Gerade die kommerziellen Sachen gehen den
Bach runter." Justin: "Hurra, wir haben gewonnen!" Luke: "Es gibt eine Menge Kids, die
nach neuer Musik suchen, und das könnte
diesmal uns zugute kommen." Justin: "Das
ganze Gatecrasher-, Cream- und Ministry of
Sound-Ding kollabiert. Viele Kids aus der Ecke
scheinen mitzubekommen, das Trance
scheiße ist."
Scheinbar auch weit weg vom Tagesgeschäft der Musikindustrie, im dunklen
Schacht oder irgendwo im Orbit schwebend, ist das Bedürfnis, mit der Außenwelt
in Kontakt zu treten, nicht völlig verloren
gegangen. Und vielleicht erblickt der
Mann, der unter der Erde lebt, ja in Zukunft
öfter mal das Tageslicht, auch wenn er da
sein schrulliges Paralleluniversum vermutlich vermissen wird.
FINDER
<#13-15> MUSIC FOR FREAKS-SPECIAL
Unser Special erzählt vom UndergroundDasein der "Freaks" um Luke Solomon, Justin Harris, Lil Mark und Kenny Hawkes.
House der Marke minimal bis verdreht abseits der englischen Superlativ-Clublandschaft.
<#16> DRUM & BASS IN ÖSTERREICH
Nahezu unbeachtet von der Medienmaschinerie entwickelte sich in der Alpenrepublik
eine Drum and Bass-Szene von internationalem Niveau. Ein weiterer Nagel in den
Sarg des Vienna-Downbeat-Hypes.
<#19> CLONE
Das niederländische Techno-Aktivistenkollektiv rund um den Vertrieb "Clone" rückt
sich die Nickelbrillen zurecht und träumt
von Electritalodisco in einer substantielleren
Welt.
<#20-22> ELECTROCLASH-SPECIAL
Larry Tee hatte eine Branding-Eingebung:
Electroclash. Und Retro-80ies-Electro bekommt Centerfold-Qualitäten. Ein Hype
und seine aktuellen Auswüchse: Tiga, Mount
Sims, Grom.
<#22> LIVE 2.0
"Elastic Audio" nennt Ableton das neue
Killerfeature ihres Audiosequenzers LIVE,
auf das die Hardcore-User schon lange warten.
<#15> OTTO VON SCHIRACH
<#16> UP, BUSTLE & OUT
<#17> MARCUS INTALEX
<#18> BLAAK FASHION
<#23> NETAUDIO SPECIAL
<#24> DIEGO
<14> - DE:BUG.68 - 02.2003
Music For Freaks
TANZEN, DEIN EINZIGER FREUND
Kenny Hawkes
TEXT: FELIX DENK | [email protected]
SERVICEPOINT
Kenny Hawkes’ Werdegang gleicht einem Blueprint für unzählige DJ-Sozialisationen in der Gischt des
Summer of Love von Manchester bis Ibiza. Egal ob als Pirate Radio DJ, Clubnachtbetreiber oder Produzent, sein breites Grinsen amalgamiert alle Stile des House auf partyfreundlichster Umdrehungszahl.
"Neulich", erzählt Kenny Hawkes beim Verlassen des Pubs, "hatte ich ein Booking in Jerusalem. Eine Woche bevor ich da spielen sollte, ging vor dem Club eine Bombe in die Luft.
Ich rief also mal bei den Organisatoren an.
Die dachten, ich wollte den Auftritt absagen,
und erzählten, dass bereits alle anderen DJs
gecancelt hätten. Eigentlich wollte ich nur
wissen, ob die Party überhaupt stattfindet."
Die Party fand statt, Kenny Hawkes ist hingefahren und hat aufgelegt. Man mag das
mutig, leichtsinnig oder blöd finden, es
zeigt jedenfalls Kenny Hawkes Enthusiasmus für seinen Job. Seine tief ins Gesicht
gefurchten Augenringe und seine Müdigkeit beim Interview bestätigen diesen Eindruck. Aber es ist eben Montag und demnach für DJs berufsbedingt und biorhythmisch Schontag.
Kenny Hawkes ist und bleibt zunächst einmal DJ, daran ändern auch die viel beachteten Produktionen "Play The Game" und
"Dance For Me" auf Music For Freaks
nichts. Sein Umgang mit Musik wurde hinter den Decks geprägt wie auch vom Plattenkistenschleppen, Unausgeschlafensein
und Durch-die-Gegend-Reisen. Seine Vita
liest sich entsprechend wie ein Bildungsroman, der einen englischen House-DJ als
Hauptfigur hat. Schon mit zarten 18 Jahren
verlies Kenny Hawkes das heimische
Brighton in Richtung Spanien, wo er sich in
der Afterhourszene einen Namen als DJ
machte. Nach den balearischen Wanderjahren verschlug es ihn Anfang der 90erJahre nach London, wo er bei dem Piratenradio "Girls FM" anheuerte, das zu diesem
Zeitpunkt nur über einen DJ verfügte, der
Dub, Reggae, Techno und Garage auflegte
– eine Mischung, die in ihrer spezialisierten
Antispezialisiertheit einen tiefen Eindruck
bei Kenny Hawkes hinterließ. Bei Girls FM
lief er auch Luke Solomon über den Weg,
mit dem er schließlich mit der Clubnacht
"Space" an der Institutionalisierung der eigenen musikalischen Vision bastelte. Etwas abseits von trendy Soho gelegen, in einem Club in der Shaftsbury Avenue, wo
sonst nur orientierungslose Touristen den
Weg zum Musical suchen, gelang es den
beiden, jeden Mittwoch ein unorthodoxes
Musikprogramm mit unglaublich guten
Gast-DJs auf die Beine zu stellen. Farley
Jackmaster Funk, Francois Kevorkian,
Kenny Carpenter oder Andrew Weatherall
spielten mehr oder weniger für einen warmen Händedruck, oder wie man im DJ-Jargon auf der Insel sagt, a pint, a pack of crisps and the cab ride home.
breite darzustellen und der sozialen Segmentierung der Szene entgegenzuwirken:
"Als wir Space gestartet haben, gab es nicht
viele Clubs, in denen die Musik gespielt wurde, die ich mochte. Ich erinnere mich, als ich
nach London gezogen war, gab es diese große
Kluft zwischen Garage, House, Disko, aber
auch der Soul-Szene und der Techno-Szene.
All diese Leute würden nie in den selben Club
gehen und das ganze Spektrum, das ja doch
zusammenhängt, hören. Als wir dann losgelegt haben, waren viele Leute erst mal schwer
verwirrt, dass wir Basic Channel- mit Basement Boys-Platten gespielt haben."
Sieben Jahre gab es Space und avancierte
damit zur am längsten laufenden Housenacht unter der Woche. Irgendwann
stellten Kenny Hawkes und Luke Solomon
fest, dass sie alles erreichten, was sie sich
vorgenommen hatten, und es Zeit für neue
Projekte sei. Während Luke das "Freaks"Projekt mit Justin Harris und die Labelarbeit intensivierte, machte sich Kenny Hawkes daran, seine musikalischen Ideen im
Studio umzusetzen und somit das letzte
Kapitel des Bildungsromans zu beschließen.
DEEJAY YOUR ASS OFF
Um 1998 erschienen die ersten HouseTracks von Kenny Hawkes auf "Luxury Service", dem mittlerweile eingestellten Label
von seinem Ex-Mitbewohner Rob Mello,
und dem Diskohouse-Label "Paper" aus
Manchester. Speziell in Deutschland machte Kenny Hawkes’ dubhousiger Two Lone
Swordsmen-Remix auf Warp von sich Reden. Danach kamen lange keine Produktionen mehr. "Wenn man mittwochs auflegt, ist
man donnerstags out of action und ab Freitag
schon wieder unterwegs. Wenn man dann
mal zuhause ist, muss man sich um weitere
Bookings kümmern oder irgendwelche Rechnungen zahlen”. Außerdem:
"Nach fünf Tagen Plattenauflegen will man
nicht unbedingt noch ins Studio gehen", erklärt Kenny Hawkes die Pause zwischen
seinen ersten Stücken und seinen neuen
Veröffentlichungen.
Auch wenn der volle DJ-Terminkalender der
Arbeit im Studio manchmal im Weg steht,
bildet das Auflegen letztlich den Ausgangspunkt für das Produzieren. Fragt man ihn,
ob denn viel vom DJ Kenny Hawkes in seinem Produzenten-Alter Ego steckt, erhält
man eine deutliche Antwort. "Ja, definitiv!
Auf jeden Fall. Oft spielt man eine Platte von
Produzenten, die nicht auflegen, und man
denkt sich, dass z. B. das Intro länger sein
Mit viel Engagement und Idealismus ging könnte oder so. Als DJ entwickelt man ein
es darum, House in seiner gesamten Band- sehr feines Gespür für Energie, Dynamik und
"Dance For Me" und "Play The Game" sind auf Music For Freaks erschienen.
Stimmungen. Diese Sensibilität kommt bei
mir definitiv aus der DJ-Perspektive."
Kenny Hawkes produziert die Sorte Tracks,
die man als DJ lange laufen lassen muss, damit sie ihre hypnotische Kraft voll entfalten. Die Stücke kommen meist ohne Breaks
aus, haben eine langsam aber stetig steigernde Dramaturgie und tiefe, grabende
Basslines, die für fette Soundsystems produziert wurden. Und zwar nur für fette
Soundsystems, denn die Clubsituation ist
genauso in die Tracks eingebaut. Es wird
erst gar nicht versucht, auf irgendetwas
außerhalb dieses Zusammenhangs zu verweisen: "Mich hat das nie gestört, dass meine
Musik ausschließlich für den Club gedacht ist.
So Drei-Minuten-Stücke für das Radio oder
Fernsehen interessieren mich nicht. Ich würde auch keine Jingles produzieren wollen oder
Musik für Werbung."
So entschlossen der Blick auf den Floor gerichtet ist, so flexibel ist Kenny Hawkes in
stilistischen Fragen. Auch wenn bei seinen
letzten beiden Produktionen die Vocals
von Louise Carver und Marcel & Kimra
stark im Vordergrund standen und diese
Kollaborationen auch seine nächsten Veröffentlichungen prägen werden, muss es
nicht immer Chicago oder Vocalhouse sein.
"It’s just trying on different clothes", kommentiert Kenny Hawkes seine Wankelmütigkeit. Er entscheidet eher nach Lust
und Laune oder eben nach Situation wie
bei "Dance for me", das auf den Vocals des
Phuture-Klassikers "Your only Friend" bezug nimmt. "Ich mochte immer diese Platte
und ich wollte etwas machen, um sie auf
ein anderes Level zu hieven. Das Original
ist auch nicht immer leicht zu spielen, zumindest nicht mehr, die Produktionen haben sich schon arg geändert."
TÄNZER OHNE HAUS, HOF UND KIND
Auch die Bedeutungsverschiebung, die
sich zwischen dem Original und der Bearbeitung ergibt, sind eher Ausdruck eines
DJ-Pragmatismus als Resultat einer tieferen Reflexion über Kontrollverlust, wie
man aus kontinentaleuropäischer Grüblerperspektive vielleicht annehmen könnte.
"This is cocaine speaking", beginnt "Your
only Friend", woraufhin das lyrische Ich in
Form einer dieser chicagotypischen tiefen
Männerstimmen erklärt, dass es einen um
Haus und Hof bringen wird – Frau und Kind
inbegriffen - und am Ende nichts mehr bleiben wird außer der Drogensucht. Das Stück
war damals als Warnung vor den Folgen
des Drogenkonsums gemeint, da man sich
sorgte, dass der Titel der A-Seite der Platte,
"Acid Tracks", die Kids irgendwie auf
Mich hat das nie gestört, dass meine Musik ausschließlich für den Club gedacht ist. So Drei-MinutenStücke für das Radio oder Fernsehen interessieren
mich nicht.
falsche Gedanken bringen könnte. Trotzdem strahlte die düstere Warnung auf dem
Dancefloor auf morbide Weise etwas
Verlockendes aus und sei es nur, weil die
meisten DJs den ersten Satz einfach nicht
spielten oder die TänzerInnen eben weder
Haus, Hof, Frau und Kind besaßen. Diese
Anziehungskraft bleibt auch bei Kenny Hawkes neuer Bearbeitung erhalten mit dem
Unterschied, dass es nicht das Kokain ist,
das einen um den Finger wickelt, sondern
diese hypnotische Macht abstrakter formuliert wird. "This is dance speaking", wird
man von Marcel begrüßt, der klingt, als wäre er ein muskulöser Schwarzer aus der
New Yorker Schwulenszene (in Wirklichkeit kommt er aus West London). Die direkte Ansprache verfehlt auch hier ihre suggestive Wirkung nicht. Der Vocal zieht einen
immer weiter in seinen Bann, bis sich das
Thema in ein sexuell aufgeladenes Call and
Response zwischen Marcel und Kimra steigert.
"Das mit Kimra ist so durch Zufall gekommen", erklärt Kenny zu der unerwarteten
Wendung gegen Ende des Stücks. "Ich habe
gerade die Session mit Marcel beendet, als
Kimra auftauchte. Marcel fand sie sofort super - sie sieht ziemlich gut aus und, na ja
(sucht nach den richtigen Worten), ist ziemlich selbstbewusst. Sie würde sofort über alles
singen. So kam es dann zu dem Call and Res-
ponse, das übrigens in nur einer Aufnahme
entstanden ist. Mein Gott, die Frau hat wirklich Eier."
Dann erzählt Kenny noch, dass der Satz
"This is cocaine speaking" von einem James
Brown-Konzert stammt, das er neulich auf
Video gesehen hat, und dass er gerade eine
Bearbeitung von Inner Citys "Big Fun" produziert hat, die demnächst erscheinen
wird. Und weil er schon gerade beim Plaudern ist, vertraut er uns noch an, dass er
neulich im Robert Johnson in Offenbach
Stage Diving war und dass das Girls on TopBootleg von Kraftwerk und Whitney Houston dadurch zustande kam, dass Mad Mike mal in London aufgelegt hat und die beiden Tracks ineinander gemischt hat. Und
obwohl ihm das Wochenende noch in den
Knochen steckt, packt Kenny immer noch
eine Anekdote aus dem Ärmel, wie ein DJ,
der immer noch eine gute Platte in der Hinterhand hat.
DE:BUG.68 - 02.2003 - <15>
House / Music For Freaks
Elektronika
RUPPIGES MUCKEN
Otto von Schirach
KAY MESEBERG | [email protected]
KONTINENTALEUROPÄISCH
KAUZIG
Der "Oddo" und die Pappen, eine wahrlich
kreative Kombination. Der gebürtige Amerikaner mit germanischen Wurzeln vertont
Schnipselschnittigkeit mittels zerbrochener Knäckebrotfragmente und gibt ansonsten ganz das Indieskaterkid.
Lil Mark
SVEN VON THÜLEN | [email protected]
SERVICEPOINT
Der durchaus angenehm verschrobene Bristoler DJ und
Produzent Lil Mark macht sich mit seiner Musik für die UKHouse-Label Classic und Music for Freaks auch in kontinentalminimalen Gefilden Freunde. Für Debug Grund genug, sich
einen Termin vor Ort geben zu lassen.
"At that Place" und "Expressions" sind auf Classic erschienen.
Lil Mark ist spät dran. Sein Wagen ist
zwischen Bristol und London unter ihm
zusammengebrochen. Auch um seine
physische Konstitution ist es heute
dank Schlafmangels und des ein oder
anderen Pints letzte Nacht nicht gut
bestellt, ganz zu schweigen von seiner
Stimmung. Er bellt seine voraussichtliche Ankunftszeit ins Handy, garniert
Lil Marks Remix von "Blam" erscheint demnächst auf dem Freaks Remixalbum.
in einem permanenten ”Walter Matthau meets Begbie of Trainspotting-Fame”-Zustand zu verweilen. Die Welt
schuldet ihm was. Ganz klar.
te. Von allen Produzenten im MFF/Classic-Umfeld ist Mark wahrscheinlich mit Abstand der minimalste,
trockenste, ja kontinentaleuropäischste, wenn man sich seine Tracks anMIT DERRICK L. CARTER
hört. Da weben minimale, verdrehte
AUF BILDUNGSREISE
Sounds eine auf Reduktion basierende
Dabei kann nicht jeder von sich be- Funkyness in die gleichzeitig auch ethaupten, Classic-Labelchef Derrick L. was verschrobenen, teilweise an Lach-
Track. Das musste ich (als Engländer) mal
loswerden (lacht). In Australien, wo ich
gerade war und demnächst wahrscheinlich auch eine Platte veröffentliche, sagen sie, dass ich Techno machen würde.
Aber im Endeffekt ist es doch sowieso alles House."
Froh über den eigenen Namen darf man bei vorhandenener Einzigartigkeit getrost sein. Otto von Schirach
(OvS) ist es auch. Das liegt aber nicht an den familiären
Nazibanden und der Verwandschaft zum "Chef-DJ der
Hitlerjugend" (Anton Waldt) Baldur von Schirach. Nein.
In seiner Hispanic-Hood in Miami gab es niemanden,
der einen so ausgefallenen Vor- und Zunamen wie er
hat. Schirach ist nicht Alvarez oder Vasquez oder
Sanchez, die Müller und Lehmanns und Meiers der Latinowelt. Den Vater, also den Grosscousin des HJ-Chefs,
hat er einmal im Monat gesehen. "Ich bin kein Nazi. Er
war es, der Grosscousin meines Vaters. Ich habe jüdische
Freunde, veröffentliche Musik auf dem Label eines jüdischen Freundes. Meine hispanische Nachbarschaft hat
mich mehr beeinflusst als mein Vater. Die Dinge, die mit
meinem Namen verknüpft sind, sind böse, aber es gibt
auch andere Dinge, die böse sein können. Jeder fragt mich
nach meinem Namen, immer wenn ich reise." Der Name
begleitet ihn abseits der Heimathood. Da erscheint es
auch als Treppenwitz, dass der gute Otto am Tag der
Einheit alljährlich Geburtstag feiert. Dass Otto aber so
ruppig muckt, liegt folglich nicht an den von DebugSchreiberlingen vermuteten provomäßigen TeutonenWurzeln.
Dezember. Berlin. NBI. Ist es wieder schick, Touristentshirts schlabbern zu lassen? Boah, nee. War das schon
mal schick? Diese Logos und Städtenamen in OrnamenSERVICEPOINT
Otto von Schirach, Choped Zombie Fungos, erscheint
Ende Februar auf Schematic. Er spielt am 7. Februar im
Club Transmediale, Berlin
WEB LINKS
www.ottovonschirach.com / www.schematic.net
Ich hasse cheesie Breakdowns. Das ist der größte Scheiß. Sie ruinieren den Track.
das Ganze noch mit ein paar allgemeinen, sarkastischen Beobachtungen
über den Zustand der Welt und das Leben an sich, lacht gequält und verspricht, rechtzeitig zur Music For
Freaks-Weihnachtsmottoparty ("Pimps
and Hoes") in London zu erscheinen.
Ohne Verkleidung natürlich, denn jemand wie Lil Mark versammelt in seiner ganzen liebenswert griesgrämigen
Freundlichkeit schon genug natürliche
Pimp-Attitude, als dass er sich deswegen extra noch mal umziehen müsste.
BRISTOL-CONNECTION
Wie auch Luke Solomon und einige andere aus dem Music for Freaks- und
Classic-Umfeld kommt Lil Mark aus
Bristol, wo er seine Jugend als B-Boy
mit Skateboardfahren und der Liebe
zur Musik im Allgemeinen und der
frühen Raveszene im Besonderen verbringt. Ansonsten aber ist in Bristol
nicht viel zu holen. Und wie seine
Freunde Jonnie Rock (Gitarrist der Freaks-Band und Vinyljunkie mit dem vielsagenden Spitznamen "Jonnie Four Copies") und Matthew Styles (Mitbewohner von Jonnie, auch echter Bristolianer, ehemaliger Schulpunchingball von
Mark (bevor er rausfand, dass Matthew
zwei Technics besitzt) und dessen
zukünftiger Partner bei furiosen LiveActs unter dem Namen ”Nautiloids”)
versichern, ist allein die Tatsache, dass
er dort ("one of the shittiest places on
earth") immer noch lebt, Grund genug,
Carter als Protegé zu haben. Denn die
DJ-Legende und House-Diva Carter
verguckte sich in Mark, schenkte ihm
einen kleinen Sequenzer und nahm ihn
als Zugabe drei Monate mit auf Tour
durch Amerika, auf seine Kosten natürlich. "An Educational Tour", wie Mark
die drei Monate grinsend beschreibt.
Das war 1997. Zwei Jahre später veröffentlichte er zusammen mit Rob Mello
als Detox Twins die vielbeachtete
"Love Shared EP" auf MFF.
"Als ich wiederkam, habe ich mir eine 505
Roland Drum Machine gekauft. Auf der
habe ich dann auch den Detox Twins-Remix gemacht. Ich verwende immer nur
kleine Parts, die ich dann selber sequenziere. Das hat Derrick früher auch immer
so gemacht. Eigentlich entwickle ich meine Songs eher aus Sequenzen als aus Musik. Ich benutze meine MPC für die Sounds, die ich aus der 505 heraushole. Die
meisten davon sind irgendwie scheiße.
Man muss sie ordentlich twisten, um zu
bekommen, was man will. Aber ich mag
das. Ganz im Gegensatz zur Arbeit mit
Computern. Da hast du coole Sounds,
aber rein gefühlsmäßig verliere ich persönlich beim Produktionsprozess am
Rechner etwas."
BITTE KEINE BREAKDOWNS
Etwa zwei Jahre später kam dann
Marks erste Maxi, gefolgt von einer Remix-Maxi auf Classic heraus und unterstrich den Eindruck, den man durch seinen Detox Twins-Remix gewonnen hat-
gas-induzierte Dubversionen mancher
Chicagoklassiker (z.B. eben von Derrick Carter) erinnernden Tracks, bis
man beim Vibe mancher Perlon-Tracks
wieder rauskommt. Nicht umsonst waren seine beiden Maxis auf Classic die
auf teutonischen Minimaltechno-Floors wahrscheinlich am meisten gespielten Classic-EPs der letzten Jahre
(und nicht umsonst wird es demnächst
wohl auch auf WMF Records eine Maxi
von Lil Mark geben). Das mag an seiner
Vorliebe für alte Bleep-, Clonk- und
Acidtracks liegen, verwundert dann
aber doch, wenn er als DJ, ganz britisch, ausladende Percussion-Setups
und nicht weniger opulente Garagevocals im Hysteriewettstreit gegeneinander antreten lässt. Dies hängt wahrscheinlich mit seinem musikalischen
Alltime-Hero Mark Kinchen zusammen, der mit süßen siebzehn via Kevin
Saundersons KMS Label und gemeinsam mit Terrence Parker die Detroit
Techno liebende Welt eroberte, um
sich dann später ganz seiner Liebe für
Garage hinzugeben (mittlerweile ist er
übrigens R&B Produzent. Aber das nur
am Rande). "Es ist schon komisch. Ich
produziere Musik, die ich als DJ nicht
spiele. Aber wenn ich produziere, will ich
wirklich nur mit den minimalsten Mitteln, den ’Basic Elements‘, arbeiten. Ein
Statement muss ich übrigens abgeben.
Das ist mir wichtig. Bitte keine Breakdowns! Ich hasse cheesie Breakdowns. Das
ist der größte Scheiß. Sie ruinieren den
Überhaupt Australien. Dort, auf dem
sonnigen fünften Kontinent, ist Mark,
ganz im Gegensatz zu seiner ungeliebten, grau-tristen Heimat Bristol, eine
kleine Underground-Berühmtheit. Sowohl als DJ als auch als Produzent.
Grund genug, einem mehrmonatigen
Aufenthalt im Herbst jetzt einen weiteren folgen zu lassen. "Meine Frau und
ich brauchen wirklich mal eine Auszeit
von Bristol und in Australien habe ich einige DJ-Bookings, die mir den Aufenthalt
finanzieren. Außerdem wohnt dort eine
Sängerin, mit der ich unbedingt zusammen ins Studio gehen möchte. Eigentlich
ist sie eher eine Spoken-Word-Performerin, aber sie hat eine wirklich sehr besondere Stimme. Ich will unbedingt mit Gesang arbeiten, Tracks mit Songstruktur
und fetten Vocals produzieren." Vielleicht nähert er sich ja so seinen DJSets etwas an, so dass bald auch mehr
seiner eigenen Tracks in seiner Plattenkiste und später dann auch auf dem
Plattenteller landen. Wir werden sehen.
ten mit giftig leuchtenden Grün, Gelb, Rosa, Pink. Wenig minder bunt die tätowierten Unterarme. Haare auf
Kurt-Cobain-Länge. Die Hosen richtig baggy. Postskatergrungepunkhiphopmidtwen. Das ist OvS für den aufmerksamen Beobachter, den man im Amerikanischen
übrigens so ausspricht: Oddo won Sherack. Alles klar?
Irgendwelche Parallelen zu Personen der Zeitgeschichte? Ellen Allien und Miss Kittin flankieren das zehnminütig Mac-OvS-Set vinylig.
Kurz vor seinem Berlin-Aufenthalt spielte Otto noch vor
700 Leuten in Rennes, Bretagne: Jardienne Moderne.
Auch das NBI ist voll. 3-D-Atmo aus Musik und menschlichem Gemurmel/Getuschel auf gleichem, sich in der
Phonstärke abwechselndem Level. Lange-Nicht-Gesehen-Und-Doch-Erkannt-Stimmung. "I played for Ellen."
Sie hat dem geneigtem Hörer auf ihrem Weiss-DJ-SetCD ja schon mal eine Kostprobe Sherack präsentiert.
Ob das damals am gewitzt eckigen Labstyleeinfluss lag,
sei mal unterstellt.
"Berlin is more crazy. Ich wundere mich, wie Leute hier Musik machen. Miami hat eine große Szene, aber nicht so groß
wie Berlin. Es ist nicht wegen der Music Conference. Die ist
nur für die Majors. Ich würde da spielen, wenn ich einen Remix für Britney Spears gemacht hätte. Naja, die zahlen
aber gut. Also nehme ich die Kohle und spiele doch."
Otto macht es sich mit der Benennung musikalischer
Einflüsse leicht: Hiphop, Hardcore, Freestyle. "And Mr.
Bungle" (eine der Bands von Ex-Faith-No-More-Vokalist
Mike Patton, die nicht ganz an den akzentfreien Kracher
Fantomas heranreicht) – "they fucked my head up. Ich
mag es mit den Lautsprechern zu arbeiten, den Sound laufen zu lassen, mit der Technik zu arbeiten." Was dabei herauskommt, kann man dem Unwissenden am besten so
erklären: Man nehme etwa 100 Chorknaben, teile diese
in zwei Gruppen. Der einen Gruppe drückt man Knäckebrot in die Hand und der anderen Fillinchen. Und dann
knuspern die Sangeskünstler kanonmäßig an Wasa und
Burger. Zwischendurch vielleicht noch eine Knusperflocke einwerfen. Das Geknisper und Geknusper wiederum wird dann verstärkt, verzerrt und komprimiert.
Oddo hat das Ganze ohne Chorknaben hinbekommen.
Ein paar Pappen haben gereicht - an Equipment technical, Soundgeschnätzel und Sampledatenbankselbstbedienung. "Acid was really big in Miami. Jetzt nehme ich es
nicht mehr, aber es hat immer noch einen Einfluss auf meine Musik." Soso.
<16> - DE:BUG.68 - 02.2003
TripHop
Drum and Bass
PUMP, PUMP, PUMP ME
UP !
Up, Bustle & Out
RENÉ JOSQUIN | [email protected]
Nach 5 Alben und 10 Jahren Ninja Tune sorgen UB&O nicht nur durch ihren Wechsel
zu Unique für Aufhorchen. Ihre musikalische Reise trug sie von Kuba nach Jamaika,
wo sie neben den Spuren von King Tubby
noch unbetretene Pfade fanden. Eine Band
mit vielen illustren Gästen und noch mehr
ill-lustigen Radikalphrasen.
ALPEN ON THE ROCKS
Drum and Bass in Österreich
STEFAN KRAUS | [email protected]
Clubs zum Bersten voll, Gast-DJs aus UK voller Begeisterung,
Platten und Tracks, die in London und Umgebung Rewinds und
Dauereinsatz einfahren. Nahezu unbeachtet von der Medienmaschinerie entwickelte sich in der Alpenrepublik eine Drum
and Bass-Szene von internationalem Niveau. Ein weiterer Nagel
in den Sarg des Vienna-Downbeat-Hypes. Drum and Bass in
Österreich - von der Peripherie mitten ins Zentrum.
Die Mächtigen bauen Unterschiede
zwischen den Menschen auf. Die
brauchen sie, um Hass und Nationalismus zu erzeugen.
Der hyperaktive Kopf des Kollektivs DJ Rudy und der
eher introvertierte Studioschrauber Clandestein Ein trugen für ihr neues Album “Urban Evacuation” jede Menge
antikes Equipment für authentischen Sound in ihr Studio
und banden wieder ein paar Gäste in ihr Projekt ein. Die
argentinische Latin-Percussionistin Eugenia Ledesma
und der Flamenco-Gitarrist Cuffy El Guapo gaben schon
den alten UB&O-Scheiben ein Flair, das sie bei Ninja zum
erfolgreichsten Act in Spanien und Lateinamerika machte. Dazu DJ Dave Cridge, dessen Cuts nicht weniger exakt sind als seine klaren Aussagen. Für stimmliche Vielfalt sorgen zudem Ras Jabulani (Linton Quesi Johnson
Style!), der roughe Jamaikaner DJ Mexican und der Portugiese Orlando Santos. Live begleitet UB&O MC Nicky
Blaze, die sich hier im Gegensatz zu ihren Arbeiten mit
Roni Size aller Freiheiten erfreut. Da gehen die Tablas
von Nitin Sawhney, der Kontrabass von Portisheads Jim
Barr und Andy Hagues Trompete fast unter.
Insgesamt eine Ansammlung von Charakteren, die unterschiedlicher kaum sein könnte und gerade erst deswegen zu funktionieren scheint. Fast alle Generationen
und Menschentypen sind hier versammelt. Doch die
Vielfalt wird durch das gemeinsame Gedankengut geeint. Revolution war und ist das Schlagwort, das schon
bei ihrem hierzulande bekanntesten Track ”Revolutionary Woman Of The Windmill” auftauchte. „Ich möchte,
dass unsere Musik für etwas Höheres gut ist“, sagt Rudy,
der sich nicht umsonst selbst Don Quichote nennt. Und
so reden alle im Endeffekt mehr gegen Konformität, Glo-
Releases auf Moving Shadow, Renegade Hardware, Architecture, Cylon,
Soul:R, all das innerhalb von knapp eineinhalb Jahren und mitten aus Österreich. DJ D.Kay aka Mindmachine
macht's möglich. Doch aus D.Kays Studio reißt der Nachschub nicht ab, mit
"Barcelona", einem super-relaxten
Summertime Tune, hat er gemeinsam
mit Epsilon (sein Buddy aus Zagreb) einen ultimativen Dubplate-Hit geschaffen, der von Peshay bis Bad Company
alle Playlists rockt. Der Experimentalität verpflichtet, ein Breakz-Liebhaber
par excellence (auf der Suche durch
D.Kay seit kurzem auch das ProducerDuo "Ill.Skillz", wo mit dem auf Dylans
und Digitals neuem Label "Freak" erscheinenden, trance-angehauchten
"Be There for You" schon der nächste
potenzielle Raveburner der Veröffentlichung harrt. Trance als Hit-Garantie?
Keineswegs, denn "den Hit vom
Reißbrett gibt’s einfach nicht. Wir machen einfach, wonach uns ist, am Schluss
sind wir oft ganz woanders, als wir uns
das so vorgestellt haben. Aber lustigerweise immer noch dort, wo wir eigentlich
hinwollten. Das verstehen wir selber
nicht." Warum ist Drum and Bass der-
SERVICEPOINT
Out soon:
Ill.skillz "Fusion Dance EP" Trickdisc
ill.skillz – „the remix EP" – DSCI4
D.kay+Epsilon "Barcelona" BC Recordings
D.kay + rawfull "Be there for you"
Freak Rec.
d.kay – „balearic dreams" – Soul:R
d.kay – „platinum" – Hardware
haft mit. Es wäre halt besser, sich weniger mit Szenepolitik aufzuhalten, als kontinuierlich seine Skills zu verbessern,
dann stellt sich der Erfolg schon ein."
Doch im Grunde ist es ganz einfach:
"Wir machen Musik, einfach weil wir uns
nichts anderes vorstellen könnten, was
wir lieber täten."
EIN NEST NAMENS ZWETTL
Seit Ende 1998 gibt es Trickdisc, erstes
Drum and Bass-Label aus Österreich
und inzwischen bei Katalognummer
sieben angekommen. Der Qualitätslevel war von Beginn an hoch, im Know-
HTTP
http://www.drumandbass.at
http://www.illskillz.at
http://www.trickdisc.com
http://www.dogsonacid.com
http://www.dsci4.com
kann ohne Druck und in Ruhe arbeiten."
Seit letztem Jahr gibt es mit Groove
Attack einen kompetenten Vertriebspartner, die Releases sind regelmäßig
ausverkauft, und da wäre noch die
neue EP: Watch out for the "Fusion
Dance"–EP von Illskillz, die derzeit aktuelle Scheibe des Labels. Nummer
eins in der Playlist von Trace, wollte sie
sogar Ed Rush signen, jedoch war sie
schon für Trickdisc fixiert. Was nichts
daran ändert, dass sich das Ding derzeit in den Plattentaschen von Dylan,
John B, Ed Rush und anderen Big Names befindet.
Wir sind oft ganz woanders, als wir uns das vorgestellt haben. Aber lustigerweise immer noch
dort, wo wir eigentlich hinwollten.
SERVICEPOINT
Up, Bustle & Out, Urban Evacuation, ist auf Unique Records erschienen
http:
http
http: www.upbustleandout.co.uk
balisierung, Liberalisierung und Windmühlen und für die
Freiheit des Individuums, Kommunismus und Spiritualität als über ihre Musik. Die wollen sie viel lieber für sich
selbst sprechen lassen.
Genrelos waren UB&O schon immer. Die für den Hörer
sicher überraschenden Wechsel von jazzy zu kubanischem und jamaikanischem Flair waren in Wirklichkeit
schon immer immanent. Auch auf ”Urban Evacuation”
werden von Roots bis Protest und Hoffnung alle Facetten des jamaikanischen Streetsounds der 70er integriert.
Damit war ein Wechsel weg vom Hipster-Label wohl auf
Dauer nur zwangsläufig. Als dann auf die Demos, die sie
verschickten, kein Feedback kam, entschieden sie sich
für Unique, wo noch nicht das Business alles Ideelle zu
überdecken scheint. Erst dann kamen Anfragen von eben
denen, die zuvor keine Zeit gehabt hatten. Die dürfen
sich dann gleich wieder ärgern, wenn das zweite, bereits
abgeschlossene Album die Produktionsstätte 500cc Revolutionary verlässt.
Berge von Reissues, Soulplatten, Breakz aus dem Netz ...), sind seine Tracks
wie auch sein DJ-Stil immer sehr abwechslungsreich: "Ich möchte schon,
dass die Leute tanzen, aber auch, dass sie
sich für die Musik interessieren, ich
möchte den Sound weiterbringen." Ähnlich weit gespannt erweist sich der Stil
der Releases, von technoiden Nummern über an Digital gemahnenden
Neo-Oldschool ("The Break" auf Architecture) bis zu easy und soulful, aber
auch Trance-infizierten Ravestücken –
speziell zu letzterem: "Derzeit mag ich
Melodien, und die Stimmungen, die man
damit auslösen kann." Die technischen
Tricks für die State Of The Art Drum
and Bass Produktion hat sich der gelernte Tontechniker ("ich könnte mit
Ach und Krach auch eine MainstreamMetalband abmischen ...") und Musikfan
("Musik war immer schon Teil von mir, ich
höre alles, von Jazz bis Pop, insbesondere
auch R’n’B + Hip Hop, da kann man auch
produktionstechnisch was lernen.")
mühsam, aber erfolgreich, selbst beigebracht.
zeit so offen für Leute, die nicht aus UK
sind? Raw.full: "In London bist du mittlerweile einfach so gut wie dein letzter
Track, es zählt einfach die Qualität.
Außerdem hat das Internet die Sache auf
ein nächstes Level gehoben, Dubs und unreleased Material kannst du auf Sites wie
Drumandbass Arena oder dogsonacid.com hören und dich inspirieren
lassen, da findet sich einfach mindblowing stuff und neue Ideen en masse. Einige haben da auch viel Vorarbeit geleistet,
viele Kanäle stehen schon offen und die
Leute wissen, man muss kein Londoner
sein, um guten Drum and Bass zu produzieren." Auch kontinuierlicher Austausch mit den Originators aus England führt, neben einem informierten
Publikum und Konkurrenz innerhalb
des DJ-Circuits, zum hohen Niveau der
Veranstaltungen in Wien und Umgebung. Raw.Full, auch Mitveranstalter
der legendären "Trife.life"-Parties im
Wiener Flex, dem Club mit dem vielleicht besten Soundsystem Europas,
berichtet immer wieder von der Begeisterung der UK-Acts: "Die DJs von der
Insel sagen immer, die Parties in Wien
TRANCE ALS HIT-GARANTIE?
gehören zu den besten, die sie gesehen
Zusammen mit DJ Raw.Full bildet haben, das Publikum geht einfach sagen-
ledge-Magazine, auf der Internetplattform Drumandbass Arena, aber auch in
Debug erhielten die Platten durchweg
gute Kritiken. Nahezu alle wichtigen
Producer Österreichs haben schon auf
Trickdisc veröffentlicht, als kleiner Hit
bleibt der Illskillz-Remix von Tomkins
"E-Sparks" – ein mächtiges, oldschool
infiziertes Ravemonster (Trickdisc 004,
Herbst 2001) in wohliger Erinnerung.
Thomas Kienast aka DJ Tomkin, Producer, DJ und Hauptverantwortlicher des
Imprints, über seine Motivation: "Mit
den Veröffentlichungen auf Trickdisc versuchen wir immer, eine eigene Note zu
haben, immer ein wenig anders zu sein –
kopieren interessiert uns nicht. Aber
auch der Nachwuchs liegt mir sehr am
Herzen." Zudem zeichnete sich Tomkin
auch für den ersten Szenesampler "Inside.Aut" verantwortlich. Ein wenig kurious ist der Umstand, dass sich Tomkins Studio in Zwettl, einer Kleinstadt
im Waldviertel, einer recht ländlich geprägten Region Ostösterreichs befindet. Drum and Bass, eine gemeinhin
mit Urbanismus verbundene Musikrichtung, entsteht in der Provinz, ein
Widerspruch? "Eigentlich ist das kein
Problem, es ist recht gemütlich dort – ich
MEHR HOCHBURGEN VON SANKT
PÖLTEN BIS GRAZ
Doch der Virus hat sich – nicht zuletzt
durch die als Infopoint der von urbanen Zentren abgeschnittenen Heads
fungierende Breakbeat Show "Dog's
Bollocks" (der Drum and Bass-Part wird
gehostet von D.Kay, jeden letzten Freitag im Monat ab 23Uhr) des Jugendradios des österreichischen Rundfunks
FM4 - bereits über das gesamte Land
ausgebreitet. In den meisten Landeshauptstädten hat sich ein qualitativer
Drum and Bass-Circuit entwickelt.
Stauder mit Breakform (einschließlich
eigenem Label) in Graz, Reload in
Sankt Pölten, Sprawl aus Linz, Full
Contact aus Innsbruck und andere halten - gut vernetzt - den Vibe hoch.
Selbst die Kontrolle behalten, Konsequenz und ehrliche Leidenschaft - dedication pays off.
<16> - DE:BUG.68 - 02.2003
TripHop
Drum and Bass
PUMP, PUMP, PUMP ME
UP !
Up, Bustle & Out
RENÉ JOSQUIN | [email protected]
Nach 5 Alben und 10 Jahren Ninja Tune sorgen UB&O nicht nur durch ihren Wechsel
zu Unique für Aufhorchen. Ihre musikalische Reise trug sie von Kuba nach Jamaika,
wo sie neben den Spuren von King Tubby
noch unbetretene Pfade fanden. Eine Band
mit vielen illustren Gästen und noch mehr
ill-lustigen Radikalphrasen.
ALPEN ON THE ROCKS
Drum and Bass in Österreich
STEFAN KRAUS | [email protected]
Clubs zum Bersten voll, Gast-DJs aus UK voller Begeisterung,
Platten und Tracks, die in London und Umgebung Rewinds und
Dauereinsatz einfahren. Nahezu unbeachtet von der Medienmaschinerie entwickelte sich in der Alpenrepublik eine Drum
and Bass-Szene von internationalem Niveau. Ein weiterer Nagel
in den Sarg des Vienna-Downbeat-Hypes. Drum and Bass in
Österreich - von der Peripherie mitten ins Zentrum.
Die Mächtigen bauen Unterschiede
zwischen den Menschen auf. Die
brauchen sie, um Hass und Nationalismus zu erzeugen.
Der hyperaktive Kopf des Kollektivs DJ Rudy und der
eher introvertierte Studioschrauber Clandestein Ein trugen für ihr neues Album “Urban Evacuation” jede Menge
antikes Equipment für authentischen Sound in ihr Studio
und banden wieder ein paar Gäste in ihr Projekt ein. Die
argentinische Latin-Percussionistin Eugenia Ledesma
und der Flamenco-Gitarrist Cuffy El Guapo gaben schon
den alten UB&O-Scheiben ein Flair, das sie bei Ninja zum
erfolgreichsten Act in Spanien und Lateinamerika machte. Dazu DJ Dave Cridge, dessen Cuts nicht weniger exakt sind als seine klaren Aussagen. Für stimmliche Vielfalt sorgen zudem Ras Jabulani (Linton Quesi Johnson
Style!), der roughe Jamaikaner DJ Mexican und der Portugiese Orlando Santos. Live begleitet UB&O MC Nicky
Blaze, die sich hier im Gegensatz zu ihren Arbeiten mit
Roni Size aller Freiheiten erfreut. Da gehen die Tablas
von Nitin Sawhney, der Kontrabass von Portisheads Jim
Barr und Andy Hagues Trompete fast unter.
Insgesamt eine Ansammlung von Charakteren, die unterschiedlicher kaum sein könnte und gerade erst deswegen zu funktionieren scheint. Fast alle Generationen
und Menschentypen sind hier versammelt. Doch die
Vielfalt wird durch das gemeinsame Gedankengut geeint. Revolution war und ist das Schlagwort, das schon
bei ihrem hierzulande bekanntesten Track ”Revolutionary Woman Of The Windmill” auftauchte. „Ich möchte,
dass unsere Musik für etwas Höheres gut ist“, sagt Rudy,
der sich nicht umsonst selbst Don Quichote nennt. Und
so reden alle im Endeffekt mehr gegen Konformität, Glo-
Releases auf Moving Shadow, Renegade Hardware, Architecture, Cylon,
Soul:R, all das innerhalb von knapp eineinhalb Jahren und mitten aus Österreich. DJ D.Kay aka Mindmachine
macht's möglich. Doch aus D.Kays Studio reißt der Nachschub nicht ab, mit
"Barcelona", einem super-relaxten
Summertime-Tune, hat er gemeinsam
mit Epsilon (sein Buddy aus Zagreb) einen ultimativen Dubplate-Hit geschaffen, der von Peshay bis Bad Company
alle Playlists rockt. Der Experimentalität verpflichtet, ein Breakz-Liebhaber
par excellence (auf der Suche durch
D.Kay seit kurzem auch das ProducerDuo "Ill.Skillz", wo mit dem auf Dylans
und Digitals neuem Label "Freak" erscheinenden, trance-angehauchten
"Be There for You" schon der nächste
potenzielle Raveburner der Veröffentlichung harrt. Trance als Hit-Garantie?
Keineswegs, denn "den Hit vom
Reißbrett gibt’s einfach nicht. Wir machen einfach, wonach uns ist, am Schluss
sind wir oft ganz woanders, als wir uns
das so vorgestellt haben. Aber lustigerweise immer noch dort, wo wir eigentlich
hinwollten. Das verstehen wir selber
nicht." Warum ist Drum and Bass der-
SERVICEPOINT
Out soon:
Ill.skillz "Fusion Dance EP" Trickdisc
ill.skillz – „the remix EP" – DSCI4
D.kay+Epsilon "Barcelona" BC Recordings
D.kay + rawfull "Be there for you"
Freak Rec.
d.kay – „balearic dreams" – Soul:R
d.kay – „platinum" – Hardware
haft mit. Es wäre halt besser, sich weniger mit Szenepolitik aufzuhalten, als kontinuierlich seine Skills zu verbessern,
dann stellt sich der Erfolg schon ein."
Doch im Grunde ist es ganz einfach:
"Wir machen Musik, einfach weil wir uns
nichts anderes vorstellen könnten, was
wir lieber täten."
EIN NEST NAMENS ZWETTL
Seit Ende 1998 gibt es Trickdisc, erstes
Drum and Bass-Label aus Österreich
und inzwischen bei Katalognummer
sieben angekommen. Der Qualitätslevel war von Beginn an hoch, im Know-
HTTP
http://www.drumandbass.at
http://www.illskillz.at
http://www.trickdisc.com
http://www.dogsonacid.com
http://www.dsci4.com
kann ohne Druck und in Ruhe arbeiten."
Seit letztem Jahr gibt es mit Groove
Attack einen kompetenten Vertriebspartner, die Releases sind regelmäßig
ausverkauft, und da wäre noch die
neue EP: Watch out for the "Fusion
Dance"–EP von Illskillz, die derzeit aktuelle Scheibe des Labels. Nummer
eins in der Playlist von Trace, wollte sie
sogar Ed Rush signen, jedoch war sie
schon für Trickdisc fixiert. Was nichts
daran ändert, dass sich das Ding derzeit in den Plattentaschen von Dylan,
John B, Ed Rush und anderen Big Names befindet.
Wir sind oft ganz woanders, als wir uns das vorgestellt haben. Aber lustigerweise immer noch
dort, wo wir eigentlich hinwollten.
SERVICEPOINT
Up, Bustle & Out, Urban Evacuation, ist auf Unique Records erschienen
http:
http
http: www.upbustleandout.co.uk
balisierung, Liberalisierung und Windmühlen und für die
Freiheit des Individuums, Kommunismus und Spiritualität als über ihre Musik. Die wollen sie viel lieber für sich
selbst sprechen lassen.
Genrelos waren UB&O schon immer. Die für den Hörer
sicher überraschenden Wechsel von jazzy zu kubanischem und jamaikanischem Flair waren in Wirklichkeit
schon immer immanent. Auch auf ”Urban Evacuation”
werden von Roots bis Protest und Hoffnung alle Facetten des jamaikanischen Streetsounds der 70er integriert.
Damit war ein Wechsel weg vom Hipster-Label wohl auf
Dauer nur zwangsläufig. Als dann auf die Demos, die sie
verschickten, kein Feedback kam, entschieden sie sich
für Unique, wo noch nicht das Business alles Ideelle zu
überdecken scheint. Erst dann kamen Anfragen von eben
denen, die zuvor keine Zeit gehabt hatten. Die dürfen
sich dann gleich wieder ärgern, wenn das zweite, bereits
abgeschlossene Album die Produktionsstätte 500cc Revolutionary verlässt.
Berge von Reissues, Soulplatten, Breakz aus dem Netz ...), sind seine Tracks
wie auch sein DJ-Stil immer sehr abwechslungsreich: "Ich möchte schon,
dass die Leute tanzen, aber auch, dass sie
sich für die Musik interessieren, ich
möchte den Sound weiterbringen." Ähnlich weit gespannt erweist sich der Stil
der Releases, von technoiden Nummern über an Digital gemahnenden
Neo-Oldschool ("The Break" auf Architecture) bis zu easy und soulful, aber
auch Trance-infizierten Ravestücken –
speziell zu letzterem: "Derzeit mag ich
Melodien, und die Stimmungen, die man
damit auslösen kann." Die technischen
Tricks für die State Of The Art Drum
and Bass Produktion hat sich der gelernte Tontechniker ("ich könnte mit
Ach und Krach auch eine MainstreamMetalband abmischen ...") und Musikfan
("Musik war immer schon Teil von mir, ich
höre alles, von Jazz bis Pop, insbesondere
auch R’n’B + Hip Hop, da kann man auch
produktionstechnisch was lernen.")
mühsam, aber erfolgreich, selbst beigebracht.
zeit so offen für Leute, die nicht aus UK
sind? Raw.full: "In London bist du mittlerweile einfach so gut wie dein letzter
Track, es zählt einfach die Qualität.
Außerdem hat das Internet die Sache auf
ein nächstes Level gehoben, Dubs und unreleased Material kannst du auf Sites wie
Drumandbass Arena oder dogsonacid.com hören und dich inspirieren
lassen, da findet sich einfach mindblowing stuff und neue Ideen en masse. Einige haben da auch viel Vorarbeit geleistet,
viele Kanäle stehen schon offen und die
Leute wissen, man muss kein Londoner
sein, um guten Drum and Bass zu produzieren." Auch kontinuierlicher Austausch mit den Originators aus England führt, neben einem informierten
Publikum und Konkurrenz innerhalb
des DJ-Circuits, zum hohen Niveau der
Veranstaltungen in Wien und Umgebung. Raw.Full, auch Mitveranstalter
der legendären "Trife.life"-Parties im
Wiener Flex, dem Club mit dem vielleicht besten Soundsystem Europas,
berichtet immer wieder von der Begeisterung der UK-Acts: "Die DJs von der
Insel sagen immer, die Parties in Wien
TRANCE ALS HIT-GARANTIE?
gehören zu den besten, die sie gesehen
Zusammen mit DJ Raw.Full bildet haben, das Publikum geht einfach sagen-
ledge-Magazine, auf der Internetplattform Drumandbass Arena, aber auch in
Debug erhielten die Platten durchweg
gute Kritiken. Nahezu alle wichtigen
Producer Österreichs haben schon auf
Trickdisc veröffentlicht, als kleiner Hit
bleibt der Illskillz-Remix von Tomkins
"E-Sparks" – ein mächtiges, oldschool
infiziertes Ravemonster (Trickdisc 004,
Herbst 2001) in wohliger Erinnerung.
Thomas Kienast aka DJ Tomkin, Producer, DJ und Hauptverantwortlicher des
Imprints, über seine Motivation: "Mit
den Veröffentlichungen auf Trickdisc versuchen wir immer, eine eigene Note zu
haben, immer ein wenig anders zu sein –
kopieren interessiert uns nicht. Aber
auch der Nachwuchs liegt mir sehr am
Herzen." Zudem zeichnete sich Tomkin
auch für den ersten Szenesampler "Inside.Aut" verantwortlich. Ein wenig kurious ist der Umstand, dass sich Tomkins Studio in Zwettl, einer Kleinstadt
im Waldviertel, einer recht ländlich geprägten Region Ostösterreichs befindet. Drum and Bass, eine gemeinhin
mit Urbanismus verbundene Musikrichtung, entsteht in der Provinz, ein
Widerspruch? "Eigentlich ist das kein
Problem, es ist recht gemütlich dort – ich
MEHR HOCHBURGEN VON SANKT
PÖLTEN BIS GRAZ
Doch der Virus hat sich – nicht zuletzt
durch die als Infopoint der von urbanen Zentren abgeschnittenen Heads
fungierende Breakbeat Show "Dog's
Bollocks" (der Drum and Bass-Part wird
gehostet von D.Kay, jeden letzten Freitag im Monat ab 23Uhr) des Jugendradios des österreichischen Rundfunks
FM4 - bereits über das gesamte Land
ausgebreitet. In den meisten Landeshauptstädten hat sich ein qualitativer
Drum and Bass-Circuit entwickelt.
Stauder mit Breakform (einschließlich
eigenem Label) in Graz, Reload in
Sankt Pölten, Sprawl aus Linz, Full
Contact aus Innsbruck und andere halten - gut vernetzt - den Vibe hoch.
Selbst die Kontrolle behalten, Konsequenz und ehrliche Leidenschaft - dedication pays off.
DE:BUG.68 - 02.2003 - <17>
Drum And Bass
SAHNEHAUBE DES DRUM AND BASS
Marcus Intalex
Drum and Bass und House sind so verfeindet wie Katz und Maus. Zumindest in der Wahrnehmung der
Hörer. Marcus Intalex aber behält den Überblick, schickt mit seinem Label Soul:R Grußadressen ans Mutterschiff House und füttert Drum and Bass so mit Klasse, Glamour und Seelen:lösung.
TEXT: SVEN VON THÜLEN | [email protected] / FOTO: CHRISTOPH KLENZENDORF
"I did this radio show in LA and I actually did a
house set for a bit and people were like - what
the fuck is he doing? At a certain point I started talking over the music - telling them: Don't
you get it? What I do comes from this - house
meets hiphop meets reggae and a whole lot of
other music. Drum and bass is not the enemy
of house music. A lot of new school people seem to think that they're opposing forces."
Marcus Intalex lacht, als ich ihm diese Passage des Photek-Interviews im KnowledgeMag vorlese. Ja ja, das kennt er. Diesen ewigen Kampf. Haben nicht vor kurzem auch Ed
Rush und Optical ein House-Set irgendwo
gespielt und damit auf DOA (Dogs On AcidWebsite) eine Riesendiskussion, ob House
"gay" wäre oder nicht, in Gang gebracht? Ja,
da war was. Noch ein Schluck Wein, ein kurzes Schulterzucken und dann ein freundliches Lächeln. "Ich kenne das Problem. Ich stehe selber in letzter Zeit immer öfter davor, weil
ich einfach keine Lust mehr habe, diese funktionalen und geforderten Partytunes zu spielen. In England ist es wirklich schwierig geworden. Die Erwartungshaltung ist ganz klar
definiert. Ich will natürlich schon, dass die
Leute feiern und ihre Party haben. Aber ich
merke, dass ich mehr und mehr spielen möchte, was mich, meinen Geschmack und das Label repräsentiert." Und das ist nun mal "more musical".
"Soul:R", das Label von Marcus Intalex und
seinem Partner ST Files, hat es in seiner
zweijährigen Geschichte auf gerade mal
vier Releases gebracht. Vier Releases aller-
dings, deren Qualität fast schon bedrückend hoch ist.
Und irgendwie ist es mit Soul:R-Platten wie
mit den Houseplatten, die sie sampeln, egal
ob Chez Damier, Masters at Work oder Ten
City (auch wenn umgekehrt für den wertkonservativen Freund der gepflegten 123
bpm Drum and Bass immer eher als der
rotzlöffelige Bastard galt, der zu schnell, zu
prollig, zu affektiv und zu ungepflegt daherkam. Antagonismus ist eben keine Einbahnstraße). Sie verströmen den süßen Glamour
von Klasse, von Soul, von Deepness. Unantastbar. Nur dass die Tracks von M.I.S.T. - so
nennen sich die beiden, Marcus und ST,
jetzt in aller gleichberechtigten Kürze eben durch die Geschwindigkeit und die
fordernde Energie, die Drum and Bass mit
sich bringt, immer für den Dancefloor, für
die Party gemacht sind und weniger für das
lauschige Kaminfeuer mit Freunden und
gutem Wein. Jede Minute, die sie länger laufen, entfalten sie ein Stück mehr ihrer
Deepness und ihres Grooves. Da schmilzt
das Begehren nach einem ordentlichen
Breakdown mit Ravesignal und droppender
Bassline mit jeder Sekunde mehr dahin, und
plötzlich findet man sich in einem ganz anderen Tunnel wieder. Affektfreier Drum and
Bass mit ordentlich Groove im Arsch. So
könnte es endlos weitergehen. Denkt man.
Und findet mit DJ Lee, der zusammen mit
D.Kay aus Österreich, der auf dem ersten
Teil der Soul:ution Compilations mit einem
Track vertreten und somit schon Teil des
Soul:R-Universums ist, das Label Atlas gegründet hat, weitere Verbündete im Geiste.
Ganz zu schweigen von High Contrast und
Calibre.
SERVICEPOINT
HTTP
"Soul:ution" Part 1 und 2 ist auf Soul:R erschienen.
www.soulr.co.uk
DEBUG: Wie geht es weiter mit Soul:R? Ihr
lasst euch ja schon ziemlich viel Zeit.
MARCUS: Das stimmt. Ich war viel unterwegs und dann haben wir einige Remixe gemacht …
DEBUG: … die ja mittlerweile auch heiß begehrt sind.
MARCUS: Das stimmt. Aber wir wollen uns
jetzt wieder mehr auf uns konzentrieren. Mit
Remixen ist es immer so eine Sache. Wir bekommen eine Menge Anfragen, vor allem von
Tracks, die schon Hits sind. Da wird das Remixen schwierig. Als wir den LK Remix gemacht haben, haben wir echt geschwitzt, weil
das Original so großartig ist. Wenn es uns
reizt, sagen wir meist zu, aber immer unter
Vorbehalt. Wenn wir das Gefühl haben, es
funktioniert nicht, dann lassen wir das Ganze.
Soul:R Releases verströmen den süßen Glamour von
Klasse, von Soul, von Deepness. Sie sind unantastbar.
DEBUG: Das geht dann so einfach?
MARCUS: Na ja, es ist ihr Geld und unser Name. Wir haben kein Interesse daran Platten
herauszubringen, mit denen wir nicht zufrieden sind und sie haben eine Menge Geld gespart. Es hat halt irgendwie nicht funktioniert.
Die zündende Idee fehlte, tauchte einfach
nicht auf. Und langweillige Remixe gibt es nun
DEBUG: Hattet ihr so eine Situation schon wirklich genug. Aber zum Glück war das ein
mal?
Ausnahmefall.
MARCUS: Ja einmal. Da sollten wir London
Elektricitys Track mit Robert Owens remixen. DEBUG: Du sagtest vorhin, dass du von den
Einmal mit Robert Owens zusammenarbei- Parties und dem ganzen Drumherum in
ten, das war für uns ein Traum. Aber es hat England genervt bist und lieber im Ausland
nicht hingehauen. Der Funke ist nicht überge- spielst. Was schätzt du denn generell an
sprungen. So haben wir das Ganze dann ge- Drum and Bass am meisten?
cancelt.
MARCUS: Das Schöne an Drum and Bass ist,
dass die Leute, die in die Clubs kommen und
ERLEND OYE
“UNREST” CD/LP
ab: 10.02.03
(Weltum-)spannendes
Elektronik-Projekt des
Kings Of Convenience Sängers:
10 Songs, 10 Städte, 10 Producer
(Schneider TM, Morgan Geist, Jolly Music,
Op:l Bastards, Björn Torske u.v.a.)
auf Tour Ende März
(nähere Infos unter www.target-concerts.de)
PUPPETMASTAZ
"CREATURE FUNK" CD/LP
ab 27.01.03
Oft als HipHop beschrieben, stehen die Mastaz fest in rahmenlosen
Puppetstyle - zwischen Zirkus und Clubkultur,
jedes Klischee zerstörend, die Popwelt aufmischend und
keine Grenzen in musikalischen Stilen setzend.
www.puppetmastaz.com
BARBARA MORGENSTERN
"NICHT MUSS" CD/LP
ab: 03.03.03
Mit “Nichts Muss” schwingt Barbara Morgenstern sich auf zu einer technoiden
Chanconniere ersten Ranges. Erlesene deutsche PopMusik in einem eigenen Orbit,
jenseits von Indietronics oder sonstiger elektronischer Vokal-Musik.
www.barbaramorgenstern.de
Platten kaufen, größtenteils mit Haut und
Haar in dieser Musik stecken. Dedication. Entweder du bist drin oder draußen. So einfach ist
das. Vor kurzem hat Photek in London seinen
Remix meines "How U Make Me Feel" gespielt,
von dem niemand, nicht mal Scottie (Doc
Scott) wusste, dass er existiert. Innerhalb von
zwanzig Minuten konnte ich mich vor SMS
nicht mehr retten. Alle haben mir die Bude
eingerannt. Wollten wissen, von wem der Mix
ist. Dann erinnerte ich mich daran, dass ich
Rupert (Photek) irgendwann mal alle Sounds
des Tracks geschickt hatte. Ich würde mich
nicht wundern, wenn der Mix mittlerweile
schon im Netz kursiert. Verstehst du, was ich
meine?
Ja, wir verstehen.
PLA
T
D TE
MO ES
NAT
S
DE:BUG.68 - 02.2003 - <17>
Drum And Bass
SAHNEHAUBE DES DRUM AND BASS
Marcus Intalex
Drum and Bass und House sind so verfeindet wie Katz und Maus. Zumindest in der Wahrnehmung der
Hörer. Marcus Intalex aber behält den Überblick, schickt mit seinem Label Soul:R Grußadressen ans Mutterschiff House und füttert Drum and Bass so mit Klasse, Glamour und Seelen:lösung.
TEXT: SVEN VON THÜLEN | [email protected] / FOTO: CHRISTOPH KLENZENDORF
"I did this radio show in LA and I actually did a
house set for a bit and people were like - what
the fuck is he doing? At a certain point I started talking over the music - telling them: Don't
you get it? What I do comes from this - house
meets hiphop meets reggae and a whole lot of
other music. Drum and bass is not the enemy
of house music. A lot of new school people seem to think that they're opposing forces."
Marcus Intalex lacht, als ich ihm diese Passage des Photek-Interviews im KnowledgeMag vorlese. Ja ja, das kennt er. Diesen ewigen Kampf. Haben nicht vor kurzem auch Ed
Rush und Optical ein House-Set irgendwo
gespielt und damit auf DOA (Dogs On AcidWebsite) eine Riesendiskussion, ob House
"gay" wäre oder nicht, in Gang gebracht? Ja,
da war was. Noch ein Schluck Wein, ein kurzes Schulterzucken und dann ein freundliches Lächeln. "Ich kenne das Problem. Ich stehe selber in letzter Zeit immer öfter davor, weil
ich einfach keine Lust mehr habe, diese funktionalen und geforderten Partytunes zu spielen. In England ist es wirklich schwierig geworden. Die Erwartungshaltung ist ganz klar
definiert. Ich will natürlich schon, dass die
Leute feiern und ihre Party haben. Aber ich
merke, dass ich mehr und mehr spielen möchte, was mich, meinen Geschmack und das Label repräsentiert." Und das ist nun mal "more musical".
"Soul:R", das Label von Marcus Intalex und
seinem Partner ST Files, hat es in seiner
zweijährigen Geschichte auf gerade mal
vier Releases gebracht. Vier Releases aller-
dings, deren Qualität fast schon bedrückend hoch ist.
Und irgendwie ist es mit Soul:R-Platten wie
mit den Houseplatten, die sie sampeln, egal
ob Chez Damier, Masters at Work oder Ten
City (auch wenn umgekehrt für den wertkonservativen Freund der gepflegten 123
bpm Drum and Bass immer eher als der
rotzlöffelige Bastard galt, der zu schnell, zu
prollig, zu affektiv und zu ungepflegt daherkam. Antagonismus ist eben keine Einbahnstraße). Sie verströmen den süßen Glamour
von Klasse, von Soul, von Deepness. Unantastbar. Nur dass die Tracks von M.I.S.T. - so
nennen sich die beiden, Marcus und ST,
jetzt in aller gleichberechtigten Kürze eben durch die Geschwindigkeit und die
fordernde Energie, die Drum and Bass mit
sich bringt, immer für den Dancefloor, für
die Party gemacht sind und weniger für das
lauschige Kaminfeuer mit Freunden und
gutem Wein. Jede Minute, die sie länger laufen, entfalten sie ein Stück mehr ihrer
Deepness und ihres Grooves. Da schmilzt
das Begehren nach einem ordentlichen
Breakdown mit Ravesignal und droppender
Bassline mit jeder Sekunde mehr dahin, und
plötzlich findet man sich in einem ganz anderen Tunnel wieder. Affektfreier Drum and
Bass mit ordentlich Groove im Arsch. So
könnte es endlos weitergehen. Denkt man.
Und findet mit DJ Lee, der zusammen mit
D.Kay aus Österreich, der auf dem ersten
Teil der Soul:ution Compilations mit einem
Track vertreten und somit schon Teil des
Soul:R-Universums ist und das Label Atlas
gegründet hat, weitere Verbündete im Geiste. Ganz zu schweigen von High Contrast
und Calibre.
SERVICEPOINT
HTTP
"Soul:ution" Part 1 und 2 ist auf Soul:R erschienen.
www.soulr.co.uk
DEBUG: Wie geht es weiter mit Soul:R? Ihr
lasst euch ja schon ziemlich viel Zeit.
MARCUS: Das stimmt. Ich war viel unterwegs und dann haben wir einige Remixe gemacht …
DEBUG: … die ja mittlerweile auch heiß begehrt sind.
MARCUS: Das stimmt. Aber wir wollen uns
jetzt wieder mehr auf uns konzentrieren. Mit
Remixen ist es immer so eine Sache. Wir bekommen eine Menge Anfragen, vor allem von
Tracks, die schon Hits sind. Da wird das Remixen schwierig. Als wir den LK Remix gemacht haben, haben wir echt geschwitzt, weil
das Original so großartig ist. Wenn es uns
reizt, sagen wir meist zu, aber immer unter
Vorbehalt. Wenn wir das Gefühl haben, es
funktioniert nicht, dann lassen wir das Ganze.
Soul:R Releases verströmen den süßen Glamour von
Klasse, von Soul, von Deepness. Sie sind unantastbar.
DEBUG: Das geht dann so einfach?
MARCUS: Na ja, es ist ihr Geld und unser Name. Wir haben kein Interesse daran Platten
herauszubringen, mit denen wir nicht zufrieden sind und sie haben eine Menge Geld gespart. Es hat halt irgendwie nicht funktioniert.
Die zündende Idee fehlte, tauchte einfach
nicht auf. Und langweillige Remixe gibt es nun
DEBUG: Hattet ihr so eine Situation schon wirklich genug. Aber zum Glück war das ein
mal?
Ausnahmefall.
MARCUS: Ja einmal. Da sollten wir London
Elektricitys Track mit Robert Owens remixen. DEBUG: Du sagtest vorhin, dass du von den
Einmal mit Robert Owens zusammenarbei- Parties und dem ganzen Drumherum in
ten, das war für uns ein Traum. Aber es hat England genervt bist und lieber im Ausland
nicht hingehauen. Der Funke ist nicht überge- spielst. Was schätzt du denn generell an
sprungen. So haben wir das Ganze dann ge- Drum and Bass am meisten?
cancelt.
MARCUS: Das Schöne an Drum and Bass ist,
dass die Leute, die in die Clubs kommen und
ERLEND OYE
“UNREST” CD/LP
ab: 10.02.03
(Weltum-)spannendes
Elektronik-Projekt des
Kings Of Convenience Sängers:
10 Songs, 10 Städte, 10 Producer
(Schneider TM, Morgan Geist, Jolly Music,
Op:l Bastards, Björn Torske u.v.a.)
auf Tour Ende März
(nähere Infos unter www.target-concerts.de)
PUPPETMASTAZ
"CREATURE FUNK" CD/LP
ab 27.01.03
Oft als HipHop beschrieben, stehen die Mastaz fest in rahmenlosen
Puppetstyle - zwischen Zirkus und Clubkultur,
jedes Klischee zerstörend, die Popwelt aufmischend und
keine Grenzen in musikalischen Stilen setzend.
www.puppetmastaz.com
BARBARA MORGENSTERN
"NICHT MUSS" CD/LP
ab: 03.03.03
Mit “Nichts Muss” schwingt Barbara Morgenstern sich auf zu einer technoiden
Chanconniere ersten Ranges. Erlesene deutsche PopMusik in einem eigenen Orbit,
jenseits von Indietronics oder sonstiger elektronischer Vokal-Musik.
www.barbaramorgenstern.de
Platten kaufen, größtenteils mit Haut und
Haar in dieser Musik stecken. Dedication. Entweder du bist drin oder draußen. So einfach ist
das. Vor kurzem hat Photek in London seinen
Remix meines "How U Make Me Feel" gespielt,
von dem niemand, nicht mal Scottie (Doc
Scott) wusste, dass er existiert. Innerhalb von
zwanzig Minuten konnte ich mich vor SMS
nicht mehr retten. Alle haben mir die Bude
eingerannt. Wollten wissen, von wem der Mix
ist. Dann erinnerte ich mich daran, dass ich
Rupert (Photek) irgendwann mal alle Sounds
des Tracks geschickt hatte. Ich würde mich
nicht wundern, wenn der Mix mittlerweile
schon im Netz kursiert. Verstehst du, was ich
meine?
Ja, wir verstehen.
PLA
T
D TE
MO ES
NAT
S
<18> - DE:BUG.68 - 02.2003
Elektronika
VORSPRUNG DURCH DEZENTRALE BRUNNEN
Das japanische Label +croSs
MATTHIAS SOHR | [email protected]
Kraft rhizomatischer Kollaboration entstand das japanische Musiklabel +croSs. Elektronische Klänge offerieren feinverpackte Dosen fernöstlicher Meditationen in Klang, Bild und Wort. Debug packt behutsam
aus und genießt die Blüten.
UV-Licht erinnert an objektiv affektarme
Abende in gar nicht mal so provinziellen
Tanzlokalen. Grell-bläulich leuchtende TShirts versetzen das Publikum hier noch in
Extase. UV-Licht auch als Pre-Show-Effekt
bei Blaaks Frühjahr/Sommer 2003 FashionShow "Illuminating Force". Diese Kraft, fluoreszierende Einladungen zu aktivieren,
verursacht emotionale Schwingungen, auf
der Richterskala gegen minus sieben komma zwo tendierend. Bei stark vereinfachter
Betrachtung natürlich nur. Da existiert an
beschriebenen Orten und Veranstaltungen
Business, man stimuliert sich einfach gegenseitig, mit mehr Leidenschaft. Wenn ich
mir die Stücke anhöre, die in Kollaboration
entstanden sind, dann existiert keine Kategorie wie alt oder neu. Die Musik handelt
von Menschen, von der Arbeit mit ihnen,
und das ist gute elektronische Musik." Jede
Veröffentlichung auf +croSs erzählt von einer Freundschaft – "take some coffee, take
time".
Die letzte Veröffentlichung von Akira Tanaka aus Nagoya kam auf Grund eines zugesandten Demotapes zustande. Lulie: "Jetzt
duktive Störgeräusch der Kategorie knackt
dank gedachter und artikulierter Worte immer wieder laut und deutlich. Zum Beispiel
minimal? Lulie: "Nein." Naruhisa: "Manchmal." Super, Post und Electronica. Die drei
hörten gute elektronische Musik, Benoa zeichnete an einem Briefkasten, und Lulie liebte es,
das Wort ”super” in ihren Wortfluss einzustreuen. Ganz klar. Spiel, Worte, Poetik, so begann auch die Kollaboration von Lulie, der Semiotikerin, die über japanische Sprache und
C++ sinniert, und Benoa, der jedes Objekt in
seine Fläche auflöst, wo der Hintergrund den
SERVICEPOINT
Benoa Berger Ausstellungen
14.10. – 13.11.02 – Miki Mialy Store Paris,
France
31.10 – 28.11.02 – Donzé van Saanen Gallery Lausanne, Swiss
Januar 2003 – Maison des Arts de Creteil,
nahe Paris
Releases:
... READAPT – V.A remix compilation
(CRCD006) – release date 1.12.2002
... New Town – Akira Tanaka (CRCD005)
... Lit Clos – Mils (CRCD004)
... Distillation – Yuzo Kako (CRCD003)
... Enthusiast - MiMi (CRCD002)
... Super Post Electronica – V.A.
(CRCD001)
... cross mix1 (mixtape) (CRMT001)
... trip in Jazzeffect 1 (mix cd-r) (crossclassiques-CRM001)
... fairy's vibration – Matsuoka Naruhisa
(CRSS003)
... magnetic roman – Kako Yuzo
(CRSS002)
... de mars à avril 2000 – MiMi
(CRSS001)
WEB LINKS
Wir können nicht genau sehen, was es ist, weil es sich verändert.
meist ein zusätzliches Moment, das hier ja
viel lieber betrachtet wird. Ohrenmerk also
auf die Waitingmusic zur Fashion-Show: Ein
Ambientklang der wärmsten Art schafft es,
der doch so abgegriffenen Oberfläche Tiefe
zu verleihen, der Körper wird zum in Vibration versetzten Angriffspunkt. Yuzo Kako,
dem Blaak diesen immensen Tropfen Tiefe
verdankt, veröffentlicht auf +croSs, dem japanischen Label "mit den besten Elektronika-Tracks vor allem" (Kösch). Der anschmiegsame Bass steht zumindest allen
gut, der Raum gespannt, dezente Aufregung verursacht, stellt man sich vor.
Lulie Kutsuma beschreibt sich in einer email als Gründerin und Konzepterin von
+croSs. Von Konzepten möchte niemand,
der in +croSs involviert ist, gerne sprechen.
Viel lieber von Kollaboration. So bleibt die
Gründung 1999 in Kobe vielleicht der einzige Augenblick in der Geschichte von
+croSs, der nur eine einzige Person einschließt. Denn +croSs ist viele, ganz besonders
auch der französische Graphiker Benoa Berger sowie der japanische DJ und Produzent
Naruhisa Matsuoka, letztlich jeder Kollaborateur, sei es musikalisch, künstlerisch,
freundschaftlich – kein Unterschied. Naruhisa: "Beim Kollaborieren geht es nicht um
sind wir Freunde." Mils, 4 Jungs aus Rennes,
entdeckte Benoa ungefähr mit den Worten:
"That's excellent, shall we contact them?" In
welcher Sprache auch immer. Kein Unterschied. Mit Yuzo Kako tritt Naruhisa gerne
live auf, wie auch am 16. November wieder
auf einer +croSs-Party in Osaka. Lulie erfährt von dieser Veranstaltung ihres Labels
just im Moment des Interviews: "I'm not invited." Naruhisa: "Sie ist immer beschäftigt.
Wenn ich ihr davon erzähle, dann würde sie
sagen: Ok guys, macht das alleine." Lulie: "Ich
habe eine Menge Verabredungen." Business?
"For private." Kein Unterschied. +croSs entwickelt sich mit jeder involvierten Person.
Der Kontakt zu Jens Massel (Senking/Kandis) ist mehr als gute Musik und eine schöne Begegnung im Liquid Sky in Köln. Jede
Person ist +croSs, ohne Ort, ohne Zentrum.
Hier ist das noch so, darf es sein. Ganz klar.
PLATZ VS. KATEGORIE
"Super Post Electronica", der Titel der ersten Labelcompilation von +croSs, verleitet
dazu, das Zentrum im Verweis auf eine Kategorie zu sehen, eine neue, spielerisch ironische Schublade. Naruhisa: "Ich möchte
keinen Stress haben wegen irgendeiner Kategorisierung. Ich möchte mehr Raum, mehr
Freiheit." Ganz klar. Aber das durchaus pro-
Vordergrund bestimmt: Köpfe verschmelzen,
Tische verschwinden unter Schnee, leere Gesichter schreiben keine Worte. Benoa per email: "Ich arbeite mit Schnappschüssen von
Freunden, meiner Familie oder mir selbst.
Mehr als eine einfache ästhetische Forschung
sind meine Bilder die Repräsentation meiner
Verbindung zur Realität. Ich glaube, mein Stil
ist konkret und abstrakt zugleich, wie Musik.
Ich möchte nicht alles zeigen, ich überlasse Interpretation und Imagination dem Betrachter.
So ist die Verbindung zur Musik eine ganz
natürliche."
mind, crossing simple things, crossing everything, not only inside. In many different dimensions, I can do it naturally. Maybe I can
have a happy situation by crossing, feeling something, plaisir. Das ist nicht logisch. It's Japanese. In Japanese gardens, there is no fountain
in the middle. You can distract your view. Just
pass away the center, pass through the center.
Western conception is sometimes so sad. That'
s why so many philosophers had to suicide.
They wanted to escape to the oriental side. We
have the oriental conception by naissance. It's
so free. That's the best point in +croSs. I love
+croSs. I love everything, every design, every
DER WESTEN MACHT MICH TRAURIG
music, every guy. But sometimes there is a
Lulies und Benoas erste gemeinsame Expe- moment I don't want to continue +croSs anyrimente mit poetischer Sprache, mit Ge- more."
dichten im weitesten, musikalischen Sinne
sind schwer zu beschreiben. Man muss Schock. Dabei nimmt sich alles kleiner aus,
schon ein wenig Zeit mit Lulie verbringen, als es sich anhört. Wenn sich zum Beispiel
um zu erfahren, wie Onomatopoesie ihre eine große Handelskette beschwert, dass
Artikulation bestimmt. Dann intoniert sie eine Hülle ohne CD ausgeliefert wurde. Mit
einzelne Stimmfragmente für ihr nächstes der Folge für +croSs, sich in für Japan übliMimi-Album, "like cutting up a poem". che, langwierige EntschuldigungsbeteueÄsthetische Laute, wie Worte ästhetisch rungen zu ergehen. Diese kleinen, geschäftsind. 'Kant', "eine gute Kombination von lichen Dinge sind es, die Lulie manchmal
Buchstaben", noch schöner aber +croSs, den Spaß an +croSs verleiden. Lulie schaut
dessen + rein optisch, nicht akustisch funk- etwas bedrückt. "Ich möchte keine solchen
tioniert. Lulie im Cut-up O-Ton: "I want to Probleme." Für Probleme ist auch gar keine
cross the image in the mind, like travelling my Zeit. Tracklisting für die Anfang Dezember
Fashion
SPACY ERDTÖNE
Blaak Fashion
MATTHIAS SOHR | [email protected]
Beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre
sprühen die Farben, alles ist noch bunter
als bunt. Bunter als auf der Erde, denn der
Kontrast zum kargen Mondaufenthalt gehorcht anderen, größeren Maßstäben.
Durchquerten in der Herbst-Winter Kollektion 2002/2003 noch Nomaden die Wüste,
wollen das Designer-Duo Blaak im Frühjahr/Sommer 2003 mehr (Spiel)Raum.
"Spacy!" Im Showroom in Tokyo Harajuku
hängt für zwei Tage eine kleine Auswahl
der aktuellen Kollektion "Illuminating Force", die am 14. September auf Londons Fashion-Week Premiere feierte. Neon leuchtend betonen die keilförmigen Badeanzüge
Sachiko Okados schlanke Frauenlinie. Sachiko und ihr Partner Aaron Sharif, verant-
wortlich für die Männerkollektion, strapazieren keine Science Fiction Clichés. Fern
von steifen Schnittvisionen der 60er und
70er halluzinieren sich die beiden ihren
Raumrealismus. Die scharf kalkulierten
Kontrastberechnungen zeigen dann ihre
Wirkung auf dem Laufsteg in genau ausgeloteter Umlaufbahn. Hier nimmt sich der
Großteil der Kollektion in schlammigen
Erdtönen zumindest farblich sehr zurückhaltend aus, verleiht dem Neon seine
Leuchtkraft, ganz getreu der eingangs erläuterten Theorie. Sachiko präzisiert: "Keine erdigen Erdtöne. Spacy Erdtöne!" Die
Erde ist ja schon gewesen. Kein logischer,
sondern ein intuitiver Schritt, jetzt das Teleskop neu zu positionieren und etwas
+croSs: www.bbc.co.uk/aboutmusic/toptens/ cross.shtml
www.kcc.zaq.ne.jp./m2studio/cross/
Monderde unter die Ideen zu mischen. Kratrige Oberflächen (der Kleidung), eher optisch zerschlissen als im Anfassen rauh.
Denn immer wieder gewaschen geben
auch die härtesten Materialen den Vorstellungen Blaaks nach, werden geschmeidig
und bewahren sich doch ihre Widerspenstigkeit dank Herkunft und Geschichte,
produzieren Produkttiefe. Sachiko befühlt
sachlich einen Ärmel aus Netzgewebe und
klärt auf über das Material, dass zur Hutversteifung hätte dienen sollen. Nichts verweist mehr auf die vormalige Spannkraft.
Die "illuminated force" von Sachiko und
Aaron zeigt seit 1998 immer wieder seine
Wirkung.
Yuzo Kako
http://www.y-k.uni.cc/
erscheinende Remix-Zusammenstellung
"readapt" fertigstellen, Alben vorbereiten
von Christophe Charles, MiMi (Lulie Kutsuma), Naruhisa Matsuoka, Yuzo Kako,
schnell noch diskutieren, ob neues Material
von "Far East Broadcast" (Lulie, Naruhisa
und Izumi Kiyoshi/Rephlex) nicht vielleicht
doch auf +croSs veröffentlicht werden
könnte... Lulie: "In Zukunft möchte ich noch
mehr kollaborieren." Puh.
Einen Tag nach dem Interview, es ist Montag, Lulie und Naruhisa legen entspannt ihre Lieblinge zu Blaaks Reception-Party in
Tokyo auf. Dort treffe ich Akemi wieder, die
immer wieder sprach- und kulturbedingte
Verstrickungen zwischen Interviewten und
Interviewendem behutsam enthedderte.
Sie erzählt mir von Interviews mit japanischen Künstlern in französischen Magazinen. Häufig laute dort das Fazit, Japaner seien schlechte Künstler, weil Reflexion und
Kommunikation über das eigene Werk
kaum stattfinde. Anders vielleicht, und
nicht einmal das. Naruhisa: "Wir können
nicht genau sehen, was es ist, weil es sich verändert." +croSs ist organisch, hier ist Technik nicht Mittel zum Zweck, sondern Mittel
zur Freundschaft mit Sinnen und Menschen.
<18> - DE:BUG.68 - 02.2003
Elektronika
VORSPRUNG DURCH DEZENTRALE BRUNNEN
Das japanische Label +croSs
MATTHIAS SOHR | [email protected]
Kraft rhizomatischer Kollaboration entstand das japanische Musiklabel +croSs. Elektronische Klänge offerieren feinverpackte Dosen fernöstlicher Meditationen in Klang, Bild und Wort. Debug packt behutsam
aus und genießt die Blüten.
UV-Licht erinnert an objektiv affektarme
Abende in gar nicht mal so provinziellen
Tanzlokalen. Grell-bläulich leuchtende TShirts versetzen das Publikum hier noch in
Extase. UV-Licht auch als Pre-Show-Effekt
bei Blaaks Frühjahr/Sommer 2003 FashionShow "Illuminating Force". Diese Kraft, fluoreszierende Einladungen zu aktivieren,
verursacht emotionale Schwingungen, auf
der Richterskala gegen minus sieben komma zwo tendierend. Bei stark vereinfachter
Betrachtung natürlich nur. Da existiert an
beschriebenen Orten und Veranstaltungen
Business, man stimuliert sich einfach gegenseitig, mit mehr Leidenschaft. Wenn ich mir
die Stücke anhöre, die in Kollaboration entstanden sind, dann existiert keine Kategorie
wie alt oder neu. Die Musik handelt von Menschen, von der Arbeit mit ihnen, und das ist
gute elektronische Musik." Jede Veröffentlichung auf +croSs erzählt von einer Freundschaft – "take some coffee, take time".
Die letzte Veröffentlichung von Akira Tanaka aus Nagoya kam auf Grund eines zugesandten Demotapes zustande. Lulie: "Jetzt
sind wir Freunde." Mils, 4 Jungs aus Rennes,
dank gedachter und artikulierter Worte immer wieder laut und deutlich. Zum Beispiel
minimal? Lulie: "Nein." Naruhisa: "Manchmal." Super, Post und Electronica. Die drei
hörten gute elektronische Musik, Benoa
zeichnete an einem Briefkasten, und Lulie
liebte es, das Wort ”super” in ihren Wortfluss einzustreuen. Ganz klar. Spiel, Worte,
Poetik, so begann auch die Kollaboration
von Lulie, der Semiotikerin, die über japanische Sprache und C++ sinniert, und Benoa,
der jedes Objekt in seine Fläche auflöst, wo
der Hintergrund den Vordergrund be-
SERVICEPOINT
Benoa Berger Ausstellungen
14.10. – 13.11.02 – Miki Mialy Store Paris,
France
31.10 – 28.11.02 – Donzé van Saanen Gallery Lausanne, Swiss
Januar 2003 – Maison des Arts de Creteil,
nahe Paris
Releases:
... READAPT – V.A remix compilation
(CRCD006) – release date 1.12.2002
... New Town – Akira Tanaka (CRCD005)
... Lit Clos – Mils (CRCD004)
... Distillation – Yuzo Kako (CRCD003)
... Enthusiast - MiMi (CRCD002)
... Super Post Electronica – V.A.
(CRCD001)
... cross mix1 (mixtape) (CRMT001)
... trip in Jazzeffect 1 (mix cd-r) (crossclassiques-CRM001)
... fairy's vibration – Matsuoka Naruhisa
(CRSS003)
... magnetic roman – Kako Yuzo
(CRSS002)
... de mars à avril 2000 – MiMi
(CRSS001)
WEB LINKS
Wir können nicht genau sehen, was es ist, weil es sich verändert.
meist ein zusätzliches Moment, das hier ja
viel lieber betrachtet wird. Ohrenmerk also
auf die Waitingmusic zur Fashion-Show: Ein
Ambientklang der wärmsten Art schafft es,
der doch so abgegriffenen Oberfläche Tiefe
zu verleihen, der Körper wird zum in Vibration versetzten Angriffspunkt. Yuzo Kako,
dem Blaak diesen immensen Tropfen Tiefe
verdankt, veröffentlicht auf +croSs, dem japanischen Label "mit den besten Elektronika-Tracks vor allem" (Kösch). Der anschmiegsame Bass steht zumindest allen
gut, der Raum gespannt, dezente Aufregung verursacht, stellt man sich vor.
Lulie Kutsuma beschreibt sich in einer email als Gründerin und Konzepterin von
+croSs. Von Konzepten möchte niemand,
der in +croSs involviert ist, gerne sprechen.
Viel lieber von Kollaboration. So bleibt die
Gründung 1999 in Kobe vielleicht der einzige Augenblick in der Geschichte von
+croSs, der nur eine einzige Person einschließt. Denn +croSs ist viele, ganz besonders
auch der französische Graphiker Benoa Berger sowie der japanische DJ und Produzent
Naruhisa Matsuoka, letztlich jeder Kollaborateur, sei es musikalisch, künstlerisch,
freundschaftlich – kein Unterschied. Naruhisa: "Beim Kollaborieren geht es nicht um
entdeckte Benoa ungefähr mit den Worten:
"That's excellent, shall we contact them?" In
welcher Sprache auch immer. Kein Unterschied. Mit Yuzo Kako tritt Naruhisa gerne
live auf, wie auch am 16. November wieder
auf einer +croSs-Party in Osaka. Lulie erfährt von dieser Veranstaltung ihres Labels
just im Moment des Interviews: "I'm not invited." Naruhisa: "Sie ist immer beschäftigt.
Wenn ich ihr davon erzähle, dann würde sie
sagen: Ok guys, macht das alleine." Lulie: "Ich
habe eine Menge Verabredungen." Business?
"For private." Kein Unterschied. +croSs entwickelt sich mit jeder involvierten Person.
Der Kontakt zu Jens Massel (Senking/Kandis) ist mehr als gute Musik und eine schöne Begegnung im Liquid Sky in Köln. Jede
Person ist +croSs, ohne Ort, ohne Zentrum.
Hier ist das noch so, darf es sein. Ganz klar.
PLATZ VS. KATEGORIE
"Super Post Electronica", der Titel der ersten Labelcompilation von +croSs, verleitet
dazu, das Zentrum im Verweis auf eine Kategorie zu sehen, eine neue, spielerisch ironische Schublade. Naruhisa: "Ich möchte
keinen Stress haben wegen irgendeiner Kategorisierung. Ich möchte mehr Raum, mehr
Freiheit." Ganz klar. Aber das durchaus produktive Störgeräusch der Kategorie knackt
mind, crossing simple things, crossing everything, not only inside. In many different dimensions, I can do it naturally. Maybe I can
have a happy situation by crossing, feeling something, plaisir. Das ist nicht logisch. It's Japanese. In Japanese gardens, there is no fountain
in the middle. You can distract your view. Just
pass away the center, pass through the center.
Western conception is sometimes so sad. That'
s why so many philosophers had to suicide.
They wanted to escape to the oriental side. We
have the oriental conception by naissance. It's
so free. That's the best point in +croSs. I love
+croSs. I love everything, every design, every
DER WESTEN MACHT MICH TRAURIG
music, every guy. But sometimes there is a
Lulies und Benoas erste gemeinsame Expe- moment I don't want to continue +croSs anyrimente mit poetischer Sprache, mit Ge- more."
dichten im weitesten, musikalischen Sinne
sind schwer zu beschreiben. Man muss Schock. Dabei nimmt sich alles kleiner aus,
schon ein wenig Zeit mit Lulie verbringen, als es sich anhört. Wenn sich zum Beispiel
um zu erfahren, wie Onomatopoesie ihre eine große Handelskette beschwert, dass
Artikulation bestimmt. Dann intoniert sie eine Hülle ohne CD ausgeliefert wurde. Mit
einzelne Stimmfragmente für ihr nächstes der Folge für +croSs, sich in für Japan übliMimi-Album, "like cutting up a poem". che, langwierige EntschuldigungsbeteueÄsthetische Laute, wie Worte ästhetisch rungen zu ergehen. Diese kleinen, geschäftsind. “Kant”, "eine gute Kombination von lichen Dinge sind es, die Lulie manchmal
Buchstaben", noch schöner aber +croSs, den Spaß an +croSs verleiden. Lulie schaut
dessen + rein optisch, nicht akustisch funk- etwas bedrückt. "Ich möchte keine solchen
tioniert. Lulie im Cut-up O-Ton: "I want to Probleme." Für Probleme ist auch gar keine
cross the image in the mind, like travelling my Zeit. Tracklisting für die Anfang Dezember
stimmt: Köpfe verschmelzen, Tische verschwinden unter Schnee, leere Gesichter
schreiben keine Worte. Benoa per e-mail:
"Ich arbeite mit Schnappschüssen von Freunden, meiner Familie oder mir selbst. Mehr als
eine einfache ästhetische Forschung sind meine Bilder die Repräsentation meiner Verbindung zur Realität. Ich glaube, mein Stil ist konkret und abstrakt zugleich, wie Musik. Ich
möchte nicht alles zeigen, ich überlasse Interpretation und Imagination dem Betrachter. So
ist die Verbindung zur Musik eine ganz natürliche."
Fashion
SPACY ERDTÖNE
Blaak Fashion
MATTHIAS SOHR | [email protected]
Beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre
sprühen die Farben, alles ist noch bunter
als bunt. Bunter als auf der Erde, denn der
Kontrast zum kargen Mondaufenthalt gehorcht anderen, größeren Maßstäben.
Durchquerten in der Herbst-Winter Kollektion 2002/2003 noch Nomaden die Wüste,
wollen das Designer-Duo Blaak im Frühjahr/Sommer 2003 mehr (Spiel)Raum.
"Spacy!" Im Showroom in Tokyo Harajuku
hängt für zwei Tage eine kleine Auswahl
der aktuellen Kollektion "Illuminating Force", die am 14. September auf Londons Fashion-Week Premiere feierte. Neon leuchtend betonen die keilförmigen Badeanzüge
Sachiko Okados schlanke Frauenlinie. Sachiko und ihr Partner Aaron Sharif, verant-
wortlich für die Männerkollektion, strapazieren keine Science Fiction Clichés. Fern
von steifen Schnittvisionen der 60er und
70er halluzinieren sich die beiden ihren
Raumrealismus. Die scharf kalkulierten
Kontrastberechnungen zeigen dann ihre
Wirkung auf dem Laufsteg in genau ausgeloteter Umlaufbahn. Hier nimmt sich der
Großteil der Kollektion in schlammigen
Erdtönen zumindest farblich sehr zurückhaltend aus, verleiht dem Neon seine
Leuchtkraft, ganz getreu der eingangs erläuterten Theorie. Sachiko präzisiert: "Keine Erdtöne. Spacy Erdtöne!" Die Erde ist ja
schon gewesen. Kein logischer, sondern ein
intuitiver Schritt, jetzt das Teleskop neu zu
positionieren und etwas Monderde unter
+croSs: www.bbc.co.uk/aboutmusic/toptens/ cross.shtml
www.kcc.zaq.ne.jp./m2studio/cross/
die Ideen zu mischen. Kratrige Oberflächen
(der Kleidung), eher optisch zerschlissen
als im Anfassen rauh. Denn immer wieder
gewaschen geben auch die härtesten Materialen den Vorstellungen Blaaks nach,
werden geschmeidig und bewahren sich
doch ihre Widerspenstigkeit dank Herkunft und Geschichte, produzieren Produkttiefe. Sachiko befühlt sachlich einen
Ärmel aus Netzgewebe und klärt auf über
das Material, dass zur Hutversteifung hätte
dienen sollen. Nichts verweist mehr auf die
vormalige Spannkraft. Die "illuminated force" von Sachiko und Aaron zeigt seit 1998
immer wieder seine Wirkung.
Yuzo Kako
http://www.y-k.uni.cc/
erscheinende Remix-Zusammenstellung
"readapt" fertigstellen, Alben vorbereiten
von Christophe Charles, MiMi (Lulie Kutsuma), Naruhisa Matsuoka, Yuzo Kako,
schnell noch diskutieren, ob neues Material
von "Far East Broadcast" (Lulie, Naruhisa
und Izumi Kiyoshi/Rephlex) nicht vielleicht
doch auf +croSs veröffentlicht werden
könnte... Lulie: "In Zukunft möchte ich noch
mehr kollaborieren." Puh.
Einen Tag nach dem Interview, es ist Montag, Lulie und Naruhisa legen entspannt ihre Lieblinge zu Blaaks Reception-Party in
Tokyo auf. Dort treffe ich Akemi wieder, die
immer wieder sprach- und kulturbedingte
Verstrickungen zwischen Interviewten und
Interviewendem behutsam enthedderte.
Sie erzählt mir von Interviews mit japanischen Künstlern in französischen Magazinen. Häufig laute dort das Fazit, Japaner seien schlechte Künstler, weil Reflexion und
Kommunikation über das eigene Werk
kaum stattfinde. Anders vielleicht, und
nicht einmal das. Naruhisa: "Wir können
nicht genau sehen, was es ist, weil es sich verändert." +croSs ist organisch, hier ist Technik nicht Mittel zum Zweck, sondern Mittel
zur Freundschaft mit Sinnen und Menschen.
DE:BUG.68 - 02.2003 - <19>
Techno
RAFFINERIE DELUXE
Clone
TEXT: KATJA HANKE | [email protected]
HTTP
In Holland zählt die Disco im Kopf. Woanders findet sie auch kaum
statt. Das Techno-Aktivistenkollektiv rund um den Vertrieb "Clone"
rückt sich die Nickelbrillen in den Studios der Elternhäuser zurecht
und träumt von Electritalodisco in einer substantielleren Welt.
www.clone.nl (mit Links zu den befreundeten Labels Bunker, Viewlexx und
Murder Capital)
Nighttown, Rotterdam: Dorfdisco-Ambiente. Männer in weißen Jeans und dick geschminkte Frauen in engen Spitzenoberteilen tanzen zu Stampf-Techhouse. Verwirrt
gucken wir uns an. Eine Party von Clone
soll hier sein. Meine Begleitung muss da lachen. "Neulich war ich auf einem Fest von
Bunker Records", erzählt er. "In einer Garage,
so groß wie mein Wohnzimmer. Da saßen ein
paar Nerds rum und haben gekifft. Das
war’s." Die sind heute nicht hier. Leider,
denke ich. Aber Electro gibt es im Keller.
Düster und trocken, mit gelegentlichen
frickelig-funkigen Elementen, die, bevor sie
geradlinig-poppig werden können, wieder
zurückgeschraubt werden. Die Leute
dam. "Nichtkommerzielle elektronische Musik" verkauft er da. Von Planet E bis Morr
Music sind die Fächer mit feinster Elektronik bestückt. Ein Vertrieb kam später dazu:
Jazz, House, Electro, Detroit-Techno. Egal.
Hauptsache, die Platten werden aus "Freude an der Musik" gemacht und nicht weil "sie
Geld einbringen sollen". Das klingt idealistisch, so sehr nach perfekt straightem Underground, dass es fast unheimlich ist: Musik um der Musik willen, frei von kommerziellen Richtlinien, frei von Trends, ganz ohne "irgendwo dazugehören zu wollen" durch Musik nicht und durch Äußeres
schon gar nicht. Er sehe doch völlig normal
aus, sagt Serge und zeigt überzeugt auf
still kill the old way" deutlich. Ein DetroitGefühl schwingt in allen Stücken konsequent mit. Eine gewisse dunkle Grundstimmung, etwas Kaltes, Düsteres ist immer da.
Als typisch für Rotterdam (oder Den Haag)
würde Serge das nicht sehen. "Der Einfluss
von Disco ist hier besonders groß", stellt er
fest. "Nirgends wurde soviel Italo-Disco gespielt und produziert wie bei uns. Vor allem in
Den Haag. Das war eine prollige Stadt, und
Disco war eben prollig. Der Trance von damals. Der Electro-Disco-Sound, ja, der kommt
hierher. Und ich meine nicht gesampelt wie
bei vielen deutschen Produktionen, sondern
selbstgemacht."
schlechte Musik. Was gute für ihn ist, kann
er nicht erklären. Vorspielen schon. "Acid
Planet 6" zum Beispiel von Unit Moebius.
Da wippt er sogar enthusiastisch mit dem
Fuß. "Der Sound hier geht momentan dahin
zurück. Das Disco-Ding ebbt langsam ab",
ruft er durch den Raum. Danach spielt er eine lässige, lasziv groovende Chicago-Platte
und schnippst dabei mit den Fingern.
"So etwas mit Acid Planet kombinieren, das
wäre perfekt." Als die Platte vorbei ist, flüstert er wieder. Los sei in Den Haag eigentlich nicht viel. "Man trifft sich bei Clone in
Rotterdam. Das ist wie ein Klub von Freunden."
keln. Sonst nennt Remco sich Phako und
veröffentlicht auf Dub experimentelle Musik. Tim macht als Frame Six Techno mit viel
Bodenhaftung. Sein eigenes Label Grammar wird von Clone vertrieben. Sie kennen
sich seit Ewigkeiten, begegnen sich manchmal im Laden. "Jetzt bringen wir mal Ideen
zusammen, die sonst für sich allein stehen",
sagen sie.
In einem kleinen, stickigen Studio unterm
Dach spielen sie erste Ergebnisse vor. Die
Kombination aus 4/4-Wumms und vertrackt-funkigen Klanggebilden klingt wie
ein Profan-Track mit Druck, der sich zwei
Schritte nach vorn und gleichzeitig drei
nach hinten bewegt. Tanzmusik der erleb-
SERVICEPOINT
Nirgends wurde soviel Italo-Disco gespielt und produziert wie in Den Haag. Das
war eine prollige Stadt, und Disco war eben prollig.
gucken komisch. "Ziemlich geil. Sehr geil",
ruft meine Begleitung und springt auf die
Tanzfläche. Die Leute sind verhalten und
bleiben es. Selbst als Alden Tyrell die massiv-funkige Electro-Disco durch den Keller
schickt.
TOTAL UNDERGROUND
"Der Abend war nicht typisch", sagt Serge
Verschuur, der Inhaber von Clone, ein paar
Tage später. "Die Leute waren lahm, zu
mainstream eben. Wir wollten es mal probieren." Wir sitzen in einem Cafe nicht weit
von seinem Laden Clone Records, der in
und um Rotterdam Anlaufpunkt für elektronische Musik ist, das Zentrum eines
breiten Netzwerkes.
Mit dem Label fing alles an. Das gründete
er 1993, um seine Musik und die seiner
Freunde zu veröffentlichen. Später übernahm er einen Plattenladen, den I-F in Den
Haag führte, und eröffnete ihn in Rotter-
sich selbst. Kurzes, schütteres Haar, ausgewaschenes Longsleeve-Shirt und dunkelblaue Malerhosen. Auffallen durch Unauffälligkeit, vielleicht als Gegentrend zum
um sich schlagenden Selbstinszenierungswahn. Egal, ein angenehmer Typ jedenfalls.
Einer, der ungezwungen erzählt und dabei
nicht übertrieben oder aufdringlich ist.
DÜSTERES ROTTERDAM
Clone und Dub sind die eigenen Label, letzteres die Experimentierwiese. Sonst ist alles möglich. Schubladendenken ist – na
klar - nicht angesagt. Platz für spacigen Electro von Drecxyia oder das funkig zerklüftete Beat-Gefrickel von Phako, die obskure
Mischung aus melancholischem House
und HipHop-Beats von The Other Peoples
Place oder die Indie-Electro-Breakbeats
von Kettel. Dass "Electro" nicht ausreicht,
um die Bandbreite der Musik zu beschreiben, wurde schon mit der Compilation "We
ELECTRO-DISCO MIT DÜNNER STIMME
Von Samples hält auch Danny Wolfers aka
Legowelt nichts, der den Electro-Disco-Sound meisterhaft kultiviert. "Das Spannende
ist gerade, alles selbst zu machen", sagt er leise. Denn wenn er spricht, dann flüstert er
eigentlich und guckt dabei verängstigt zur
Seite. So, als sei es ihm unangenehm, über
sich und seine Musik zu reden. Danny wäre
die perfekte Besetzung für die Hauptrolle
von "Revenge Of The Nerds": runde Brille,
Schuljungenhaarschnitt und kreidebleich.
Im idyllischen Badeort Scheveningen, in
dem Studio über der Wohnung der Eltern,
bastelt er an elektronischen Disco-Monstern, die jeden Club zum Toben bringen. An
Toben ist bei Danny selbst schwer zu denken. Seine Musik produziert er vor allem für
sich und "weil es Spaß macht". "Oberflächliche Tanzkultur" findet er schrecklich und
"schlechten Retro-Electro" noch viel mehr. Er
unterscheidet rigoros in gute und in
We still kill the old way ist auf Clone/Clone erschienen.
Drecxyia, Grava 4, ist auf Clone/Clone erschienen.
Phako, Bolness/Shipyard & Engineering Co.Ltd., ist auf Dub/Clone erschienen.
Kettel, Cenny Crush, ist auf Dub/Clone erschienen.
The Other Peoples Place feat. Mystic Tribe A.I.- Sunday night Live at the laptop cafe (Clone/ C#27)
Legowelt – Klaus Kinski (Bunker 3023)
Legowelt – Tracks from the tube (Stilleben 015)
Frame Six – Dante (Grammar 007)
GEGENSEITIGE INSPIRATION
Serge kennt sie alle, eine ziemlich große
Gruppe von Leuten, die regelmäßig in den
Laden kommt. Die meisten von ihnen machen selbst Musik. "Man trifft sich hier und
geht dann in die Studios der anderen, um zu
hören, was die gemacht haben. Die Szene
dreht sich nicht ums Ausgehen. Ab und zu machen wir an unterschiedlichen Orten auch
Parties, aber eigentlich besteht die Szene aus
Leuten, die sich kennen, Musik machen und
sich gegenseitig inspirieren." So wie Remco
de Jong und Tim Hoogesteger, die gerade
ein paar Häuser weiter an neuen Ideen wer-
nisreichen und hypnotischen Art. Perfekt
seien die Stücke noch nicht, sagen sie, man
hätte sich gerade erst auf den Sound geeinigt. Zehn Stücke für ein Album sollen fertig werden. Ganz ohne Stress. Die Freude
bei der Suche nach neuen Klängen, nach
überraschenden Momente scheint hier am
wichtigsten.
"Wir sind völlig unabhängig", sagt Serge und
lehnt sich gelassen zurück. "Wir müssen
nicht jeden Samstag tausend Menschen zum
Tanzen bringen und wir müssen auch nicht
unbedingt Umsatz machen. Hauptsache, wir
mögen selbst, was wir tun."
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<20> - DE:BUG.68 - 02.2003
Electroclash
WER MACHT DA NUR SO'N LARRY?
Larry Tee
TEXT: JAN JOSWIG | [email protected] / FOTO: CONRAD VENTUR
SERVICEPOINT
Für Electroclash, diesem Subgenre zwischen Kleinkunst-Glamour und 80’s-Electro, muss vor allem
Larry Tee verantwortlich gemacht werden. Warum sich ein New Yorker Ex-House-DJ zu dieser Tat hinreißen ließ, was er damit für eine Welle lostrat, welche Missverständnisse, Geschmacksverirrungen
und Zumutungen er beförderte, wird nun ein für allemal geklärt.
Die offiziöse Electroclash-Compilation, zusammengestellt von Larry Tee, ist auf Mach1 Records erschienen.
Es gab mal so'n lustigen Reißbretttiger, der
dachte sich, Rockmusik ist langweilig geworden mit seinen Muckerhansels auf Stadionbühnen, da müssen wir was entgegensetzen. Also konzentriert man sich auf die
außermusikalischen Elemente, Styling und
Show. Parodieren wir doch die Bikerrockmontur und ziehen sie wortwörtlich durch
den Dreck, barbarisieren wir doch den Griff
an die Eier und rülpsen, furzen und beschmieren uns mit Dieselfett, dass Martin
Luther seine reine Freude hätte. Diese klamaukige Vision von Las Vegas als gigantischem Schweinestall nannte sich Grebo.
Das war 1987. Ihr erinnert euch nicht an
Bomb Party, Gaye Bikers on Acid, Zodiac
Mindwarp? Kein Wunder, Grebo wollte nie
in die Geschichtsbücher, verstand sich nur
als sardonisches Späßchen am Rande.
2003. Im Nachmittagsfernsehen befragen
Boulevardmoderatoren Ehefrauen, was sie
denn von ihren trendbewussten Männern
mit diesen gewagten 80er-Vokuhila-Frisuren hielten. "Ja, das hat man doch jetzt zu dieser neuen Musikmode, Electroclash. So eine
nette Hommage übrigens, der Name, wo doch
gerade Joe Strummer gestorben ist. In der
'Glamour' hatten sie schon das ganze 1 x 1 dazu, von Lockenwickler bis Zerschneidetipps für
T-Shirts." "Aber, ganz ehrlich, mein Mann und
ich, wir kleiden uns auch gerne etwas frecher,
aber hören tun wir viel lieber unsere Italodisco-Evergreens, Kano, Natasha King, Klein &
M.B.O., N.O.I.A., B.B. Band, Sandy Steele.
Bernhard Mikulski und Tony Carrasco liegen
mir mehr am Herzen als Larry Tee und dieser
andere, DJ Hell, das schwör' ich aber!"
PERFIDE PERFORMANCE
Der lustige Reißbretttiger Electroclash
dachte sich, die elektronische Tanzmusik ist
so in ihren Formaten festgefahren, da müssen wir was entgegensetzen: die außermusikalischen Elemente, Styling und Show.
Nehmen wir doch die schrill aufgetakelten
Konservenpop-80er und überbetonen den
Pappmaché-Aspekt. Unsere Idee von Electro soll nichts mit der Detroit-Mystifikation
am Hut haben, dem Soul der Extraterrestrier (Drexciya, Ersatz Audio, Dopplereffekt).
Keine sinistre Anonymität, sondern ganz im
Gegenteil grelle Sichtbarkeit, offensive Potemkinsche Dörfer, billiger Spaß. In die Geschichtsbücher will auch damit niemand.
Zumindest nicht, wenn man Larry Tee fragt,
Electroclash-Namensgeber, Initiator des
gleichnamigen New Yorker Festivals, Produzent und Besitzer des Labels "Mogul":
"Mir doch egal, wenn der Hype sich nächstes
Jahr ausgebrannt hat. Ich bin dann eh ganz
woanders. Wer in Bewegung ist, muss sich
nicht um den Status Quo kümmern. Ich bin
ständig in Bewegung. Electroclash, don’t take
it too serious!" Wie er das sagt, ist er ganz
der integre Klamauk-Verwalter einer Las
Vegas-Idee von Tanzmusik, die die Posterplakativität von Waldorf, A.R.E. Weapons,
Avenue D., W.I.T. oder Scissor Sisters für den
letzten Schrei an hippem Signifying hält.
ÜBERTREIBUNG UND
MISSVERSTÄNDNIS
Komisch, dass es nach dem weiten Weg
vom New Yorker Stadtteil Williamsburg bis
Deutschland nur noch abgeschmackt und
dümmlich wirkt, ungefähr so lustig wie
Truck Stops Country-Adaption. Oder versteht man aus eurozentrischer HeteroSicht einfach was falsch? Geht’s hier nicht
um die Cowboys von Truck Stop, sondern
um den Cowboy der Village People? It’s a
New York Drag-/Queer-Thing? "Don’t take it
too serious!" Larry Tee hat jahrelang totsturen House aufgelegt in New Yorks
Großclubs, bis er vor lauter Langeweile und
Mix-Vergiftung nur noch kotzen musste. Also jetzt bitte alles durcheinander, auch und
gerne zur rechten Zeit gerade das, was offensiv schlecht ist. "It’s just trash. It’s great."
Das Larry Tee-Universum kreist um die klassischen Schwulendisco-Items Schwindel,
Kitsch, Übertreibung, Plastik-Hysterie, exzessive Oberflächlichkeit, Uneigentlichkeit.
Die typische Cabarét-Theatralik, die ihre
Ironie als politisches Statement gegen den
Zwang zur Selbstverleugnung setzt. Unsere
Bedürfnisse werden marginalisiert, also
übererfüllen wir sie umso lauter. "I’m marginal, let’s have some fun." (Universal Congress
of …) "I’m marginal, let’s have two tons of
fun." (Larry Tee) Electroclash hat aus New
Yorker Perspektive viel mehr mit der Vogueing-Filmdokumentation "Paris is burning" zu tun als mit dem Soundtrack zum
Boutiquenshoppen für die DepressionsÜberlebenden, die immer noch in costumized Sneakern zum Selbstverwirklichungsjob gehen können, wie es aus deutscher
Sicht erscheint. Electroclash ist in New York
selbstermächtigter Trash-Spaß für jene, die
ihre Vorstellung von Spaß nie öffentlich leben dürfen. Die sich selbst statt der Gesellschaft den Travestiespiegel vorhalten und
dabei den Szene-internsten Spaß haben.
www.electroclash.com
http://nuwave.pages.de
Wenn man diese Form des Spaßes Szeneextern ausweitet, kann es nur zu Missverständnissen führen. Abturnenden Missverständnissen.
TANZFLÄCHE VERSUS BÜHNE
These: Treibt er sich im falschen Kontext
rum, bringt es den Besten um. Beweis: Ich
hatte das ungemeine Glück, Gottlieb Wendehals vor seinem Durch-BRUCH (sic!), vor
"Polonaise Blankenese" in einem kleinen Jazzclub in Gütersloh erleben zu dürfen. Er
war so gut, mindestens, wenn nicht besser
als Helge Schneider zu dessen Glanzzeiten.
Na, ist das kein Beweis? Nicht nur, dass Electroclash durch den Exodus aus Williamsburg dem "Polonaise Blankenese"-Syndrom
erliegt, es wird auch noch mit Aufgaben
überfrachtet, die eines Herkules würdig
wären; dabei ist Electroclash höchstens der
kleine Bruder von Ganymed: Was soll eigentlich der Quatsch von der Rettung der
Dance-Kultur aus dem Würgegriff der Abfütter-Routiniers, der von allen Seiten (inklusive Larry Tee selbst) Electroclash angedichtet wird? Megaraves, auf denen die
anonymisierte Masse paralysiert auf Timo
Maas-Klone in der Kanzel stiert, sind doch
nicht die Realität, mit der sich ein ambitionierter Raver herumschlagen müsste. Das
ist nicht die Matrix, vor der Electroclash
wieder Individuen, Performance, Glamour
und Gesang zur Überwindung gesichtsloser
Langeweile in Anschlag bringen müsste zumindest nicht außerhalb New Yorks. So
sieht nicht die Aufgabe von Electroclash
aus. Und die wird dann auch noch als Bärendienst geleistet.
Techno hat das Verhältnis von Produzent zu
Rezipient revolutioniert, das steht hier zum
1001. Mal in aller plakativen Deutlichkeit.
Die Tanzfläche ist die Bühne, der Tänzer der
Star. Der Spaß wird nicht von den Künstlern
ersatzvorgelebt, sie schaffen den Rahmen
für das Erleben der Tänzer. Langeweile und
steifer Hals vom Starren auf die Bühne waren gestern. Electroclash reinstalliert ganz
reaktionär wieder dieses Gestern, die typische Substitutwelt des Rock'n'Roll mit ihrer
Trennung in Konsumenten im dunklen Pit
und den Actionhelden da oben im Lichte,
wie comicmäßig auch immer - und schafft
so genau das, wogegen es scheinbar angetreten war. Electroclash muss sich schon einen Phantomgegner wie Megaraves herbeidichten, um den Backlash zu rechtfertigen,
Rock nicht nur als musikalischen Stil wieder
einzuführen, sondern auch Rock als elitäres
Larry Tee hat jahrelang totsturen House aufgelegt in
New Yorks Großclubs, bis er vor lauter Langeweile
und Mix-Vergiftung nur noch kotzen musste.
Starmodell. Und das dann obendrein auf cherer Verschanzung hinter der Bar beobBetriebsfest-Niveau.
achtet: eines, das größer ist als das Etikett,
eines, das mit dem Etikett abschmieren
Also haben wir unsere langweiligsten alten wird, und eines, das wohl froh wäre, würde
Fürze ausgesandt, um garantiert griesgrä- es unter diesem Etikett überhaupt wahrgemige Einschätzungen zu diesem tolldrei- nommen. Viel Spaß mit der spaßverderberisten Schabernack namens Electroclash ein- schen Debug.
zusammeln. Drei Projekte wurden aus si-
DE:BUG.68 - 02.2003 - <21>
Electroclash
ELECTRO AUF DEN HUND GEKOMMEN
Tiga
TEXT: PAT KALT | [email protected]
Mit einem legendärern Traveller-DJ als Papa und dem Hit "Sunglasses At Night" in der Hosentasche kann
sich Tiga aus Montreal lässig zurücklehnen und mal eben eine DJ-Kicks hinfusseln. Zwischen Soft Cell
und einer neu gesungenen Version von Felix da Housecats "Madame Hollywood" lebt Tiga die Magie des
Pops. Mit dem teuersten Analog/Digital-Wandler der Welt.
Interviews mit Stars, bei denen sich die Journalisten die Klinke fortlaufend in die Hand
drücken, haben ihre ganz eigenen Gesetzmäßigkeiten. Da kann es schon mal passieren,
dass einem der Interviewpartner mit fettem
Kebab und einer Cola in der Hand gegenübersitzt ... Party- und Remixkönig Tiga jedenfalls
nimmt die Sache gelassen, ungemein entspannt und entschuldigt sich zwischen zwei
schnellen Bissen für den strengen Knoblauchduft, aber schließlich hätte er den InterviewRaum im K7-Office an diesem Tag kaum verlassen. Die Nacht zuvor stand der sympathische Kanadier in seinem Berliner Lieblingsclub an der Charlottenstraße hinter den
Plattentellern und machte auf eine sehr beeindruckende Art und Weise Werbung für seine soeben auf K7 erschienene DJ-Kicks. So
seltsam das bei einem DJ auch klingen mag,
aber bei Tiga scheint das Talent vererbt: Schon
sein Vater beglückt in den wilden Siebzigern
auf Goa tanzende Menschenmassen mit psychedelischen Klängen von Tapedecks. Mama
und Sohnemann begleiten ihn auf seinen Reisen, und so lernt der kleine Tiga schon früh,
was es heißt, ein Set vorzubereiten, aufzubauen, Stimmungen und Spannungsbögen zu
formen. Wo andere Kinder im Sandkasten
spielen, paukt der Kanadier aus Montreal das
Einmaleins der DJ-Schule. Eine Erfahrung, die
man Tiga beim Spielen ansieht und die spürbar hörbar ist. "Ich bin ja eigentlich schon ein
richtiger DJ-Veteran", lacht der heute 29Jährige. "Wenn ich daran denke, in wieviel
tausenden von DJ-Battles ich bereits verwickelt war, dann ist das Auflegen für mich
mittlerweile wie Fahrradfahren ..."
Unbekanntes Neuland betritt er vor zwei
Jahren, als er zusammen mit Kumpel Jori
Hulkkonen den 80er-Hit "Sunglasses at
night" von Corey Hart unters Remix-Messer nimmt. Der Song schlägt ein wie eine
Bombe, klettert sogar in die Top Ten und
für ein gutes Jahr sind die Sonnenbrillen
aus keinem Club der Welt mehr wegzudenken. Dabei, so gesteht Tiga ganz offen, sei
der Remix in gerade mal einer knappen
Stunde bei ihm Zuhause mit von Freunden
geliehenem Equipment entstanden. Sogar
sein Hund hat sich dabei verewigt; wer der
Platte aufmerksam lauscht, wird irgendwann einmal einen Hund entfernt im Hintergrund bellen hören. "Mit diesen wenigen
und billigen Mitteln einen Top Ten-Hit neben
all diesen unglaublich aufwendig produzierten und bis ins kleinste Detail soundtechnisch
perfektionierten Songs von Kylie oder anderen Stars zu landen, das ist wahrer Punkrock
für mich!" Zwischenzeitlich ist das Studio
SERVICEPOINT
Tiga, DJ-Kicks, ist auf K7 erschienen.
allerdings deutlich gewachsen, dem Hit sei
Dank, und ein Remix-Auftrag reiht sich an
den anderen: "Remixen, das ist wie ein Gericht würzen und abrunden."
Für die aktuellen DJ-Kicks waren Tiga nur
die besten Soundgrundlagen gut genug:
"Mein letztes Mixalbum ist soundtechnisch
einfach nicht zufriedenstellend gewesen. Ich
finde im Allgemeinen, dass viele Mix-Alben
einfach ein Problem mit der Soundqualität
haben." Im Kaufrausch ersteht der Kanadier
einen High-End-Mixer und einen "arschteuren" Analog-Digital-Konverter, dessen Output er in seinen Rechner lädt und von dort
in Loops und Bits wieder zurück ins Mischpult. "Am Ende blieb mir kaum noch Geld für
Platten übrig ..." Das Ergebnis kann sich
hören lassen. Die insgesamt 25 Tracks auf
der CD klingen richtig fett und gehen gut
nach vorne. Bei der musikalischen Auswahl
kennt Tiga keine stilistischen Grenzen: Gut
ist, was gefällt und den tanzbaren Clubkontext nicht verlässt. Auf Tigas Spielwiese
tummeln sich dann auch in harmonischer
Eintracht die Sounds von 2raumwohnung,
Soft Cell, Le Tigre, Carl Finlow oder Märtini
Brös. Die "Magie des Pops" ist Tiga wichtig
und wird durch ein John-Lennon-Zitat abgestützt: "If you can't play with one finger,
Auflegen ist für mich mittlerweile wie Fahrradfahren
it's not a good song." Und so krönt der Kana- schön: "If I can't dance to it, it's not my revodier sein Mix-Album dann auch folgerichtig lution."
mit einer selbst gesungen Version des Felix
da Housecat-Songs "Madame Hollywood",
die Frau Kittin in punkto Pop-Appeal harte
Konkurrenz macht. Wie heißt es doch so
Electroclash
MEHR SEX
Mount Sims hilft aus
CASPAR BORKOWSKY | [email protected] / FOTO: SIBYLLE FENDT
Matt Sims ist ein erwecktes Ex-Model, das die geile Musik vom Laufsteg selbst produzieren wollte. Mit
80er-Keyboards und Welterrettungsplan durch Sex landet der idealistische Poser aus Los Angeles im Electroclash-Schminktopf, schwimmt da aber dank wasserdichter Philosophie ganz oben.
Die Leser haben entschieden, es ist zu wenig Sex in Debug. Die Redaktion ist verstört
bis belustigt, aber natürlich greift sofort der
Rettungsplan, huhu, da war doch was in
letzter Zeit, etwas wo Sex dick drauf und
drin stand, wo Posen wieder ging, und sowieso, beweg deinen Nietengürtel-Arsch
und so ... Also, ihr habt es so gewollt, jetzt
gibt's good and plenty. Denn wer könnte
besser aus der Patsche helfen als der neueste International DeeJay Gigolo, Mr. "UltraSex" persönlich, Matt "Mount" Sims?
Richtig, keiner.
Cookies, die Club-Legende Berlin-Mittes,
liegt zwar schon seit einiger Zeit in schaurig-schönem Sterben, aber jetzt gibt's noch
mal was zu glotzen. Mounti hat seine beiden Gogos im Gepäck und ab geht der
Ponyritt. Sie ziehen das komplette schelmische Gießkannen-Brimborium der Kopulationsshow durch, diese jungen, agilen Menschen auf der Bühne. Dionysisches Cabarét,
um George Bush locker zu machen. Es war
live und ich war dabei. Egal, weiter. Hot
Dogs rausgeholt, schnell reingemampft,
Mounti kreischt da schon "Good Service"
und will damit wohl ironisch die Las-Vegasierung Amerikas auf die Tolle nehmen.
Und jetzt Achtung: Am nächsten Tag, die
drei jetzt brav auf dem Sofa lümmelnd,
schließt sich der Kreis:"Gewisse Menschen in
der Gesellschaft werden sehr gefährlich, wenn
sie ihre Sexualität nicht frei ausleben können.
Look at George Bush, I mean, does he get any
at all?" Was war geschehen? Gab es hier etwa eine geheime Verknüpfung des DebugLeserpolls mit dem Konzept des UltraSex?
Oder wie anders war es zu erklären, dass,
einen Tag, nachdem Georgie zum Demagogen des Jahres im Debug-Headquater
gekürt worden war, uns Mr. UltraSex Mount
Sims völlig schlüssig erklären konnte, was
dieser Mann eigentlich für ein Problem hat?
Na ja, aber Matt meint es liebenswert ernst
SERVICEPOINT
mit dem Thema Sex. "Das Konzept von Ultrasex soll den Widerspruch zwischen der rea- Mount Sims, Ultra Sex, erscheint im Frühjahr auf International DJ Gigolo Records.
len Praktizierung von Sexuellem und der gesellschaftlichen Bedeutung, die das Wort symbolisch zugeschrieben bekommt, thematisieren. Der super-ultra-ultimative Sex für mich Als damals Boy George berühmt war, standen plötzist gleichzeitig männlich und weiblich. Ultrasex ist Sex als Technologie. Aber auch die sexu- lich unbedarfte und brave Siebtklässer auf diese
elle Interaktion mit den Maschinen kann der
1,90m große Dragqueen. Das war ein Spaß.
ultimative Sex sein. Musik zu produzieren hat
ein orgiastisches Moment für mich." Danke,
Mount, wir halten fest: Eindeutig genug Sex
in Debug, wenn gilt: Musik gleich Sex.
den 80ern unterscheide, dreht Mount die Und warum nun das dicke Comeback? Für
Frage um und verrät seinen liebsten Aspekt Sims ganz pragmatisch eine simple Folge
Unter dem Electroclash-Banner will er, wie der 80er.
der Lage am Markt für gebrauchtes Musikeso viele Acts in letzter Zeit, lieber nicht ge- "Als damals Boy George berühmt war, stan- quipment. Wenn man heute ein billiges
führt werden. Zu kurzatmig schätzt er Larry den plötzlich unbedarfte und brave Siebtkläs- Keyboard erstehen wolle, sei das halt meist
Tees PR-Knallerwort ein, als dass er da mit- ser auf diese 1,90 m große Dragqueen, wes- ein 80er-Keyboard. Musiktrends dank kapilaufen würde. Er mag seinen Chef Hell und halb dann mitten im amerikanischen Westen talistischer Marktzwänge also, wer bietet
ist ein LA-Gigolo, eine Kategorisierung sei- ahnungslose Muttis ihren Kindern Mappen mehr?
ner Musik möchte er vermeiden. Auf die mit dieser aufgetakelten Dragqueen vorne
Frage, ob und wie weit sich sein Sound von drauf kauften. Das war ein Spaß."
<22> - DE:BUG.68 - 02.2003
Electroclash
MEIN HERZ IST EIN REISEBUS
Grom
TEXT: ANTON WALDT | [email protected]
SERVICEPOINT
HTTP
Wenn man an das Hitwunder-Duo Grom denkt, kommt man an straighten Orgien, nackten Musikern, rosa Schwänen und heterosexuellen Austauschschülern nicht vorbei. Das Nachfolgeprojekt der einen
Hälfte von Dakar und Grinser tauscht Kampfhunde gegen Schlangenmusteroveralls und gewinnt Sympathiepunkte.
Grom, Sadness Sells, ist auf
Ladomat/Zomba
erschienen.
www.ladomat.de
Im sehr heißen Sommer 1985 hielt ein Reisebus am Zonenrandstreifen, um eine
westdeutsche Schulklasse und ihre französischen Gastschüler in den Staub vor den
Aussichtstürmen in den Ostblock auszuspucken. Im pädagogischen Sinn spielt sich
die Szenerie in guten alten Zeiten ab, da
Fünfzehnjährige damals im Umgang mit illegalen Drogen noch äußerst ungeübt waren und sich die modernen Zeiten höchstens durch die grassierende Walkman-Plage pastellfarben andeuteten. "Smalltown
Boy" konnte so in den noch nicht voll verdrahteten Hirnen einer ganzen Generation
seine Wirkung unangefochten entfalten.
Und auch wenn der französische Austauschschüler ein sportlicher Streber mit
Pickeln war, der in hellblauen Frotteepyjamas, die zwei Nummern zu klein waren, zu
nächtigen pflegte, gab es in echt so gar
nichts Schwules. 17 Jahre später haben sich
viele Dinge grundlegend geändert, der
Umgang mit illegalen Drogen ist geläufig,
die Sonne knallt nicht mehr auf die Mauer,
sondern geht über dem Ostberliner Hauptbahnhof auf und bestrahlt auch die morgendliche Tanzfläche, nur die Verdrahtung
für guten Pop ist stabil geblieben, genau
wie die für das heterosexuell sein, auch
wenn die Jungs jetzt gut durchtrainierte
Oberkörper und gepiercte Brustwarzen haben.
Botschaft! Über Grom reden heißt, über
die ehrenwerte Tradition des zivilisierten
Pop zu reden, in dem Leiden nicht mit Wut,
sondern mit schönem Weh verknüpft ist
und Johnny sich erinnern wird, egal ob das
1967 in Memphis, 1985 in London oder 2002
in Berlin passiert. Aber Obacht! Fallstricke
lauern auf diesem Feld selbstredend zuhauf und schnoddrige Musikjournalisten nebenbei ein im höchsten Maße fragwürdiger Beruf - produzieren angesichts Grom
Beschreibungen wie "Schlagertechno halt"
oder jetzt kommt es ganz dicke - "elektronische Romantiker, die sich aus der unterkühl-
ten und doch anschmiegsamen Soundästhetik und der nie ganz distanzlosen Emotionalität der Texte eine eigene Welt der artifiziellen Herzlichkeit gebaut haben". Solche Sätze
sind natürlich wirklich unschön und es war
bestimmt nie die Intention von Michelle
Grinser und Florian Horwarth, solche Absonderungen zu provozieren.
AUF TOUR MIT DEPECHE MODE
Für die Tour mit DM musste sich Grom
dann ausgerechnet einen opulent umgebauten Reisebus zulegen, der - wie es eine
glückliche Fügung wollte - günstig aus der
Konkursmasse einer US-Monsterrockband
übernommen werden konnte: "Depeche haben gesagt: Wir fahren mit keinen PKWWichsern", erläutert Herr Horwarth die Anschaffung. Die macht sich allerdings vor allem für Herrn Grinser immer wieder bezahlt, weil er sein Schlangenkostüm mit
passenden Schuhüberzügen in mehreren
Farben besitzt und er sich im aus Kosten-
gründen stillgelegten Whirlpool ungestört
umziehen kann. In Wien wird der Vorteil
dieser Umkleidekabine schnell deutlich,
wenn man - wie der Autor dieser Zeilen - einige Wochen vor dem Grom-Gig das zwei-
Beides sollte zwanglos ineinander übergehen, genau wie die Grom-Bühnenperformance in eine echt berauschte Ravermasse, was leider nicht immer der Fall ist. Aber
wie der eigentlich ungewollte Tourbus und
Über Grom reden heißt, über die ehrenwerte Tradition des zivilisierten Pop zu reden.
felhafte Vergnügen hatte, im Backstage
des "Flex" eine sechsköpfige Swingband
beim Anlegen ihrer froschfarbenen RetroAnzüge zu beobachten. Ansonsten gilt es,
die üblichen Vorteile eines Tourbusses zu
nutzen, von denen Teenager mit französischen Austauschstudenten immer schon
geträumt haben: DVD-Abende und Sex.
die hellblauen Frotteepyjamas zeigen, liegt
es manchmal einfach am Setting, ob der
gute Pop die Seele rocken kann oder vor
blöde Säue geworfen wird.
Musiktechnik
DER HUNGER NACH LEBEN JETZT NOCH BESSER GESTILLT
Abletons LIVE 2.0
TEXT: THADDEUS HERRMANN | [email protected]
"Elastic Audio" nennt Ableton das neue Killerfeature von LIVE 2.0. In der Tat lässt sich Audio mit der neuen Timestretch-Engine noch viel individueller und mit deutlich weniger Artefakten behandeln. Und auch
sonst ist 2.0 voll von Detailverbesserungen, auf die die Hardcore-User schon lange warten.
Wenn es bei LIVE etwas gab, das immer
wieder beklagt wurde, dann waren das die
von der Timestretch-Engine produzierten
Artefakte und der manchmal einfach nicht
100% durchsetzungsfähige Klang im Allgemeinen. Nicht alles ließ sich sorgenfrei
durch die TImestretch-Engine schicken, vor
allem flächige Sounds konnten bislang mitunter ein bisschen merkwürdig klingen. In
der neuen Version wird das nun anders.
Das Redesign dieses Dreh- und Angelpunkts von LIVE ist eines der Hauptfeatures des 2.0 Update. Zukünftig stehen
"Tones" ist besonders für Melodien oder
Basslines gedacht, "Textures" sollte über
Flächen gestülpt werden, kann mit den Parametern "Grain Size" und "Flux" noch feinjustiert werden, und "Beats" rockt die Beats. Die Ergebnisse sind beeindruckend. LIVE macht in Sachen Klang einen großen
Schritt nach vorne. Deutlich mehr Headroom bei In- und Output unterstützen
dies nur noch.
Bleiben wir noch einen Moment im Session-Fenster. LIVE 2.0 hat hier viele nützliche
Details abbekommen. Zunächst den "Tap"-
X-FADE AUF 4BIT UND AB
Was sofort auffällt, sind die beiden Buttons
"A" und "B" unter jedem Kanalzug und der
neue Crossfader in der Mastersektion. Jedem Clip kann nun ein A oder B zugewiesen werden, was smoothes Überblenden
innerhalb einer Szene gestattet. One for
the DJ. Dieser Crossfader lässt sich übrigens auch per Midi-Controller steuern, genau wie sich nun das Umschalten zwischen
verschiedenen Szenen per frei definierbarer Shortcuts oder per Controller regeln
lässt.
SERVICEPOINT
HTTP
Update: 69 Euro / 89 Euro
Vollversion: 399 Euro
www.ableton.com/
alle mal eingestellt werden. Ein optionaler Informationen über die I/O Settings einFull Screen-Modus (muss ich nicht wirklich und ausblenden. Bereits bei der Aufnahme
erklären, oder?) rundet die Session ab.
können per Tap Warpmarker für die spätere Bearbeitung der Aufnahmen gesetzt
AB IN DEN ARRANGER
werden. Das ist ungefähr so praktisch wie
Denn auch hier hat sich einiges getan. Ne- die Hintergrundbeleuchtung der neuen Poben der frei skalierbaren Wellenformdar- werbooktastaturen - niemand hat wohl
stellung und dem "Global Tempo Envelope" darüber je nachgedacht, aber verzichten
steht für jede Spur nun ein direkter Zugriff will auch niemand mehr.
auf alle vorhandenen Devices zur Verfügung. PlugIn-Parameter können nun eben- Die neue Version machte auf unserem Testfalls im Arranger direkt beeinflusst werden. rechner (PowerBook G4 / 1Ghz / OS 10.2.3)
Automationskurven können auf diese Wei- einen rundum guten Eindruck. Die Perfor-
LIVE macht in Sachen Klang einen großen Schritt nach vorne.
vier verschiedene Modi zur Verfügung quasi Presets, gedacht für bestimmte Arten von Quellmaterial. Von der (von vielen
ebenfalls sehnsüchtig erwarteten) Tatsache, dass Audioclips überhaupt nicht über
die Engine geroutet werden müssen, also
auch in ihrem Originaltempo in der Szene
mitlaufen können, bringt "Repitch" gutes,
altes Samplergefühl zurück, verknüpft also
Tempo und Pitch wieder. Schraubt man die
Geschwindigkeit in die Höhe, geht auch
der Pitch mit, Mickey Mouse lässt grüßen.
Button, der das Synchronisieren von LIVE
zu externen Quellen extrem erleichtert
und rundum gute Werte liefert. Praktisch,
das. Ein Metronom klickert auf Wunsch
nun ebenfalls mit. Im Clip View kann man
nun per Knopfdruck an den Start- und Endpunkt des Samples gelangen. Auch das ist
mehr als hilfreich, konnte man sich bei den
diversen Warpmarkern bislang doch herrlich verfusseln und oben gerne mit unten
verwechseln.
Auch bei den PlugIns gibt es Neuigkeiten:
Neben den Neulingen "Redux" (ein feiner
Bitcrusher) und "Gate" (was kann das wohl
sein?) lassen sich Presets nun abspeichern.
A propos abspeichern: In den Preferences
lassen sich neben der Auswahl von deutlich
mehr Skins nun auch verschiedene Grundeinstellungen als Autoload-Dokumente abspeichern, was ebenfalls lange erwartet
wurde und mehr als hilfreich ist. Einstellungen für den WarpModus, Quantisierung
oder den Launch-Mode können so ein für
se auch im Arranger direkt erstellt werden.
Per "Envelope Lock" kann entschieden werden, ob Automationsdaten beim Verschieben von Clips mitkopiert werden, oder an
ihrem ursprünglichen Platz andere Clips
beeinflussen sollen. Per "Snap To Grid" lässt die Verschiebung von Clips nun viel besser und fein aufgelöster, abhängig vom
Zoom-Raster, regeln. Und auch die direkte
Aufnahme von Audio ist nun im Arranger
möglich. Mit einem ähnlichen Look & Feel
wie bei ProTools lassen sich in jedem Track
mance hat trotz zahlreicher neuer Features
nicht gelitten, im Gegenteil. LIVE 2.0 kostet im 1.x Update 69 Euro als Download
und 89 Euro in der Box. Die Vollversion
schlägt mit 399 Euro zu Buche. Bedenkt
man die zahlreichen Umsonst-Updates des
letzten Jahres, geht der Update-Preis voll in
Ordnung. LIVE 2.0 hat zahlreiche gnadenlos große neue Features mit an Bord, die
das Produkt nochmals völlig neu erscheinen lassen. Gut gemacht.
DE:BUG.68 - 02.2003 - <23>
Elektronika/Netaudio-Spezial
STEHBLUES GERNE NEBEN DER SPUR
Rework
Die Vorabauskopplung ”You’re so Just Just“ kündigte es bereits fulminant an: das Debutalbum der
deutsch-französischen Combo ”Rework“ auf Playhouse. Die Stuttgarter Produzenten Daniel Varga und
Michel Kübler über die Anfänge von Rework, die Zukunft mit nunmehr zwei Französinnen am Mikro sowie die alte Liebe zu den Heroes aus der New Wave Ära.
TEXT: BUG | [email protected] / FOTOS: BUG | [email protected]
DEBUG: Wie fühlt ihr euch mit dem Prädikat ”New Wave des aktuellen europäischen
House-Sounds“?
REWORK: (schmunzelnd) Wir nennen unsere Musik ganz gerne ”Indie-House“, aber da
wir mit New Wave aufgewachsen sind - und
davon auch viel gehört haben-, distanzieren
wir uns jetzt nicht davon oder finden es
anderen Veröffentlichung aus dieser Zeit. Es
ist schon so eine ”Style-Sache“. Klar, wir hätten auch die Möglichkeit, andere Styles zu
machen, aber es war uns wichtig, das Rework
erkennbar ist. Es sollte in eine Richtung gehen, die unserer beiden Vorstellung entsprach
– und natürlich wollten wir dabei einen eigenen Stil finden.
DEBUG: Die Jungs gingen, die französische
Chanteuse Laetitia kam – und mit ihr drei
Maxis und nun das Debütalbum auf
Playhouse. Seit Kurzem habt ihr mit Caro
sogar noch eine zweite Französin am Mikrofon.
REWORK: Wir möchten auf der nächsten
Platte mit beiden arbeiten. Mit Caro entste-
Jimmy Tamborello heiSSt der Mann, der uns gleich mit zwei Alben den Herbst versüSSt.
schlecht. Die Leute bei Playhouse haben das DEBUG: Wie hat das mit Rework eigentlich
so an die Presse gegeben und wir sind damit angefangen?
einverstanden.
REWORK: Anfang 2000 gab es einige JamSessions mit der vagen Idee, etwas GemeinsaDEBUG: Wie hat sich eure Soundästhetik mes zu machen. Damals waren mit Philip
letztlich herausgearbeitet?
Roller und Milan von den Cybordelics noch
REWORK: Das war zu der Zeit, als es darum zwei andere Jungs mit an Bord. Wir ließen Beging, einen gemeinsamen Nenner zu finden. ats laufen, haben an den Synthies rumgeWir hatten, jeder für sich, ne Menge Techno, schraubt und begannen auch vereinzelt
House und anderes Zeug gemacht, bevor wir Tracks zu machen - aber bei so vielen Leuten
anfingen zu überlegen, auf welcher Schiene gehen die Vorstellungen dann doch weit auswir zusammen weiterfahren könnten. Dabei einander. Und Musik, die hauptsächlich am
kamen wir auf die alten Heroes wie Joy Divisi- Computer entsteht, macht das Ganze ja noch
on und anschließend New Order. Ein sehr be- schwieriger.
deutender Einfluss, viel größer als von jeder
hen gerade die ersten Tracks.
DEBUG: Habt ihr eigentlich ein besonderes
Faible für Frankreich, oder hat sich das
schlicht so ergeben?
REWORK: Es ist jetzt nicht so, das wir gesagt
haben ”wir machen einen auf französisch“ so war’s also nie ... (Michel schaut Daniel an
und fügt süffisant hin zu) ...“Wieso – so war
es doch ...“ (schallendes Gelächter)
DEBUG: Diesen Monat erscheint euer Debütalbum ”Fall Right Now“. Man könnte
glauben, ihr versuchtet damit, die gesamte
Palette an Gefühlszuständen zu initialisieren. Trockene Clubtunes und melancholi-
sche Minimalballaden Seite an Seite ...
REWORK: Wir haben auch Stehblues auf der
Platte (lachen). Nein, wir finden es schon
wichtig, verschiedene Gefühlswelten auf einer Platte zu vereinen. Wenn wir jetzt ein Album gemacht hätten, das nur im Club funktioniert, dann wäre das nicht so zufriedenstellend gewesen. Wir wollten auch richtige
Songs drin haben, mit Aussage im Text.
DEBUG: Herrscht bei Rework der Bandgedanke vor, oder seht ihr euch eher als Teilzeitprojekt?
REWORK: Der Bandgedanke. Auf jeden Fall
bis zur nächsten LP. (lachen herzhaft) Nein,
wir machen das Schritt für Schritt und beobachten, wie es sich entwickelt.
DEBUG: Als eure Schritte noch kürzer waren, so im Alter von zwölf Jahren, habt ihr
DEBUG: Ihr baut erst die Tracks und der bereits erste eigene Kompositionen auf
Gesang kommt auf der letzten Spur?
dem Klavier geschrieben. Liebeslieder für
REWORK: Eigentlich schon. Wir hatten aber Mädels, wie man hört. Bekennt ihr euch daauch schon Instrumentalstücke, die plötzlich zu?
zu einem Gesangsstück wurden. Laetitia war
im Studio, wir haben ein paar Sachen pro- REWORK: (lautes Lachen) Wo hast du denn
biert, und dann hatte sie gerade zu diesem das aufgeschnappt? Aber ja - eine wahre
Stück eine Idee. Sie fand den Song gut, der Geschichte. Wir hatten beim selben Kladadurch auch eine völlig andere Qualität be- vierlehrer Unterricht und Michel kam eines
kommen hat und ohne Gesang vielleicht nie- Tages an und meinte, das er was kompomals veröffentlicht worden wäre.
niert hätte. Zu diesem Zeitpunkt hatte
auch ich etwas fertig. Wir haben uns die SaDEBUG: Sie liegt mit ihrem Gesang auch chen gegenseitig vorgespielt - und das war
gerne mal eine Spur neben der absoluten natürlich ”für die Girls..“ (lacht) Für wen
Harmonie. Mögt ihr es ein wenig ”off key“? schreibt man sonst Lieder?
REWORK: Auf jeden Fall. Das ist genau das,
was uns interessiert. Perfekt singende Soul- DEBUG:
röhren dagegen überhaupt nicht - wir mögen Fragt mal Xavier Naidoo …
es eher ein bisschen schräger. Es darf nicht zu
perfekt rüberkommen, es soll eher authentisch klingen. Wir haben auch nicht ewig daran rumgefeilt, Laetitia hat drei mal eingesungen und daraus haben wir dann was gemacht.
Elektronika / Netaudio
.TAPE
Und jetzt? Zootronics!
TEXT: RENE MARGRAFF | [email protected]
SERVICEPOINT
Erfolg à la modern. Dani Romeo kümmerte sich nicht darum, CD-Rs an Labels zu verschicken, sondern
setzte zu 100% auf MP3s. Nach diversen Daten-Releases gibt es jetzt auch Vinyl und Polycarbonat. Eine
Erfolgsgeschichte aus Spanien.
Hinter dem Namen .tape steckt ein junger
Spanier namens Daniel Romeo, der sich
eher unbeabsichtigt daran gemacht hat,
ein neues Genre zu begründen. So ganz geheuer ist ihm die für ihn gezimmerte
Schublade ”Zootronics” auch noch nicht.
Passend erscheint sie allerdings schon,
denn Dani macht die beste repetitive Musik, die vor lauter Plinkereien und lustigen
Geräuschen einfach überschäumt und sich
anfühlt wie ein 2003er Update von Jean
Jacques Perrys Loop- und Geräuschabenteuern. Da regnet es schon mal bunte Wollknäuel und Kindergeburtstagströten. Nach
verschiedenen MP3-Release stehen nun einige "echte" Veröffentlichungen von Dani
an. Ein idealer Gesprächspartner also zum
Thema MP3 und Netlabels.
TO MP3.COM OR NOT TO MP3.COM?
Auch für Dani begann der Einstieg über
MP3.com, die auf Grund ihrer Geschäftspolitik immer wieder gerne und zu recht
auch immer häufiger ausgebuht werden. Es
ist aber eine Tatsache, dass es dort einige
gute Artists gibt, wenn gleich die Zahl derer, die sich zurückziehen und ihre Tracks
löschen, immer größer wird.
DANI: Ich beschloss einfach, meine eigene
MP3.com-Seite zu machen, da es etwas davon
hatte, seine eigene Welt zu kreieren. Für mich
war das mit den Tapelabels von früher vergleichbar, man baut sich seine eigene Musi-
kindustrie. Dabei geht es einem selbst gar VIRTUELLE FREUNDE
nicht um Geld, sondern einfach darum,
gehört zu werden und den Leuten "etwas Fer- DEBUG: Außer den tatsächlich anstehentiges" präsentieren zu können.
den Releases auf Optical Audio and Aspic
Records, Mira, Zeal und Skylab ... was brinDEBUG: Was hat es gebracht, wie viele De- gen Dir die MP3s sonst noch?
mos hast Du trotz MP3s im Internet bisher DANI: Hm, es ist einfach wunderbar, wie einverschickt?
fach es das Internet macht, Künstler, die man
DANI: Bisher habe ich alle Plattendeals dank mag, zu kontaktieren. Ich liebe es neue Dinge
meiner MP3s bekommen. Ich kann mich zu entdecken, unbekannte Menschen, die ihre
glücklich schätzen und sagen, dass ich bisher Sachen einfach mal so zum Spaß ins Netz
noch keine Demos verschickt habe. Ein oder stellen. Ich bin ja auch so einer und es gibt so
zwei Labels fanden mich, als sie nach Musik viele wirklich gute unbekannte Artists da
im Internet suchten, andere Labels habe ich draußen. Nachdem ich entdeckte, dass es
auf die MP3s hingewiesen. Ich habe aller- Menschen gibt, die meine Musik durchaus
dings nie irgendwelche Spam-Emails ge- mögen, habe ich mich auch mehr getraut,
schickt, sondern immer nur persönliche Leute zu kontaktieren. So habe ich viele neue
Emails an ganz wenige Labels, die ich sehr Freunde gefunden: die Menschen von Optical
mag und von denen ich gerne eine Meinung Audio & Aspic Records, Mike von Skylab, Flozu meiner Musik gehabt hätte. Manche La- rian & Fran von Mira Records und jede Menbels hören sich keine MP3s an, andere ant- ge anderer Artists. Das ist schon super.
worteten nie und wieder andere mochten
meine Musik sehr gerne. Es ist hart, wenn Du LABELFRUST VS. FORMATEWAHNSINN
ein Label echt gut findest und sie sich deine Angeblich kauft ja niemand mehr SchallMP3s nicht anhören. Andererseits verstehe platten und alle hören nur noch MP3s. Bei
ich es auch, dass sie nicht alle soviel Zeit ha- jemandem wie .Tape stellt neben den privaben, sich Tracks herunter zu laden. Ich werde ten Vorlieben auch noch eine weitere Fradiesen Labels nun CD-Rs schicken, da ich ihre ge. Nämlich diese: wer verdient nichts?
Meinung über meine unwichtige Musik wis- Kleiner Exkurs: Artists, die Platten in einer
sen möchte."
500er Auflage veröffentlichen, bekommen
von ihren Labels meist 10% der Auflage,
sprich mit fünfzig Freiexemplaren ist man
quitt. Diese 50 Exemplare verkauft man
Bereits erschienen:
Flying over Banugues CD
(Optical Sound & Aspic Records)
MP3-EP auf Observatory Online
Etliche MP3s auf verschiedenen MP3dann, wenn man Glück hat, entweder an einen Mailorder und bekommt dann so etwa
4 Euro (bei einer 12“, also je nach Format)
oder gibt sie günstig an Freunde ab. Wenn
man so dann den Strom bezahlen könnte,
den das Hobby frisst, wäre man doch eigentlich schon zufrieden. So sieht es zu-
Compilations
Bald: 10” auf Mira, eine Floppy Disk mit
interaktivem Flash-Kram und ein Album
und eine 7” auf Zeal Records.
Format. Zumindest werden sich das mehr
Leute anhören. Die Anzahl der Kopien beim
MP3 ist ja erfreulicher Weise unendlich.
Wenn mir nun aber ein großes und böses Label anbietet, einen Track auf einer beknackten Compilation unterzubringen, die mich
aber komplett berühmt macht, dann werde
Bisher habe ich alle Plattendeals dank meiner
MP3s bekommen.
mindest für einige aus. Sicherlich mag das
bei anderen Labels und Artists schon wieder ganz anders sein, daher bitte nicht auf
die Details festnageln. Was bleibt ist allerdings eins: so gut wie kein Geld. Was in diesem "Business" dann auch noch gang und
gebe ist, sind Menschen, die ihr Label als
Hobby betreiben, was ja sehr ehrenhaft ist.
Manche übernehmen sich dabei dann allerdings ganz schön und so kann es dann zu
Ärger und Frust kommen. Wie bewertet
Dani das nun? Bringt einem eine feine
MP3-Compilation mehr Freude als eine obskure 10"? Und was bringt mehr Fans?
DANI: Ich denke schon, dass ein Track auf einer guten MP3 Compilation mehr bringt als
ein Track auf einem Sampler im obskuren 10“-
ich trotzdem das kleine Label mit den Menschen, die ich mag wählen. Ich mach das auch
immer häufiger, dass ich Tracks als MP3s
weggebe, die ich aber noch auf richtigen Alben unterbringen werde, da sind andere Artists ja auch etwas verkrampft. Es geht dabei
auch nicht um Vinyl gegen MP3, da ich beide
Formate absolut lieb gewonnen habe. Was
das Geld angeht: Ich würde nie behaupten,
dass es uncool wäre halbnackt in meinem
Zimmer zu sitzen, Kaffee zu trinken, Musik zu
machen und dafür bezahlt zu werden, gerade
im Moment, wo ich einen Job suche. Dennoch
steht der Selbstverwirklichungsgedanke weit
drüber über dieser romantischen Vision vom
Lebensunterhalt.
<24> - DE:BUG.68 - 02.2003
Techno
UNWAHRSCHEINLICH LÄSSIGE PRÄZISION
Diego
TEXT: KATJA KYNAST ,ALEXIS WALTZ | [email protected], [email protected] / FOTOS: MARTIN MAIER
SERVICEPOINT
2002 war für Heiko Laux' Label Kanzleramt das Jahr von Alexander Kowalski. Nun ist Diego fällig.
Er hat kein "All I ever got to know" zu bieten, vielmehr bearbeiten die smart getwisteten Detroit- Tracks
des Daily Operators so sicher den Dancefloor wie sie das Karma von modernem Jazz atmen.
DEBUG: Ich finde das neue Album schärfer,
brüchiger, pointierter, zerrissener als "Persuasion Channel". Kannst du damit was anfangen?
DIEGO: Nö. (lacht)
DEBUG: Ich habe "Persuasion Channel"
harmonisch, fließend in Erinnerung.
DIEGO: War es eigentlich auch. Aber es hat
auch harmonische Tracks auf dem neuen. Es
ist vielleicht ein bisschen widersprüchlicher.
Wie kommen wir zusammen, Diego? Deine
Musik und unser Text? Deine Tracks haben
verhindert, dass so mancher Dancefloor ins
Stumpfe, Gefühllose abglitt. Dass die Beats
kein Dröhnen im Kopf auslösen, nicht frontal auf die Stirn treffen, sondern fest und
behutsam zupacken, wie die Männerhände
gewisser Gay-Floors die Po-Backen umfühlen: zärtlich, aber auch sehr genau die
sexuellen Potentiale ermessend. Sind die
Geschichten durchtanzter Nächte die einzigen, die im Bezug auf Diego erzählt werden könnten? Unsere alten, heiß geliebten
Masterpläne wie die des kaputten Detroits,
in dem Black Politics-Ansätze in high encryption neu formuliert wurden, Pläne, die
in Europa als psychotische Phantasie zwischen Neubausiedlung und Bildern des zerstörten Den Haags nach dem zweiten Weltkrieg wiederkehrten, sucht man bei ihm
vergeblich. Kanzleramts Pragmatik gesaugter Teppichböden wird auch im Falle Diegos nicht gebrochen. Die Musik als Bauplan
toller Sprach-Konstruktionen zu gebrauchen, bleibt ganz uns SchreiberInnen überlassen.
90% der Musik macht er für sich, sagt er,
und die Tracks entstehen im Halbstundentakt. Seine überbordende Produktion steht
unter keinem äußeren Einfluss, den man
benennen, beschreiben könnte. Diego ist
natürlich kein Tool-Funktionalist, der einen
sprachlos werden ließe.
schreibende Vokabular dieser Sprache
scheint adäquater: Etwa ”klingt” die Musik
nicht, was ja etwas Romantisch-Verfeinertes hat, sondern sie ”tönt”, was dem materiellen Sound schon viel näher ist.
Diegos Grundsound, den alle Stücke mehr
oder weniger teilen, ist schon mal sehr gut:
Extrem fett hat er heimlich etwas von
HipHop, arbeitet immer auf Widersprüche
und Brüche im Sound hin. Er schmeißt fortwährend Ideen herein, die in ganz verschiedenen Bezugssystemen von Sound funktionieren. Andere Produzenten findet er tendenziell zu homogen: ”Ich versuche ja überhaupt keinen Style zu haben.”
Der konkrete Track ist nicht einer, an dem
man sich besonders abgemüht hat, sondern einer der besten von vielen entstandenen. Das ist deutlich hörbar.
Produktionsweise und Produkt fallen bei
Diego ineinander und das Treibende tönt
dann eben. Wenn ein Piano kommt, dann
schnell und seine Melodie nahezu vergessend. Repetitive, schlichte Stimmen schieben sich zwischen die Sounds, als hätten
sie eine Sekunde später keine Gelegenheit
mehr dazu. Ein paar langatmigere Dubs
funktionieren dann noch als spröder Hallraum, die eine Karte zeichnen, in der die
trockenen Tracks in ihrer eigenen aufgeladenen Spannung zum Rotieren gebracht
werden. Und wenn nötig, zischen die Hihats auf jedem Takt. In diesem Treiben arbeitet Diego mit einer lässigen Präzision,
die unwahrscheinlich ist. Nie bekommen
seine Tracks etwas Fliehendes oder Überbordendes, sie arbeiten immer auf den notwendigsten Punkt hin und aus ihm heraus.
”Instant Reality” ist auf Kanzleramt erschienen, Persuasion Channels ”Emergence Three”
und ein Remix von Archae & Grovskopas ”Emergence One” sind auf Emergence Records
erschienen.
Track richtig zusammen gemacht, aber der
war beschissen. Es ist schon was anderes,
wenn man dem echt gegenüber sitzt. Ich wusste ja über ein Jahr gar nicht, wie der aussieht,
wie der spricht, wie groß der ist. Wenn du
dem gegenüber sitzt, hast du dann schon
Hemmungen, obwohl du ihm übers Internet
blödes Arsch sagen kannst.
DEBUG: Es ja auch ein Unterschied zwischen der unmittelbaren Zusammenarbeit
und dem Nacheinander ...
DIEGO: Der Austausch ist dann schon sehr
fleißig, alle zehn Minuten ein File rüberschicken und über ICQ miteinander kommunizieren: Mach die Bassdrum noch ein bisschen lauter. Es wäre auch kein Problem, echt
realtime zu arbeiten, aber die Bandbreite ist
noch zu klein.
DEBUG: Welche Dateiformate verwendet
ihr?
DIEGO: Midi, MP3, WAV. In letzter Zeit haben wir uns auf Reason geeinigt. Da hast du
einen File, da sind die Samples drin und alles.
Irgendwie erwartet man immer, das Techno-Produzenten mitten im Geschehen stehen, die Parties, das Vinyl genau verfolgen.
Das ist auch bei Diego nicht der Fall. Wie
die meisten verfolgt er den Output der anderen nicht genau. (Wer tut das eigentlich?
Die DJs, die Plattenhändler, die Fans? Ist
Sascha tatsächlich der einzige?) Das man
auch mit ganz anderen Zielen Musik machen kann, dass jener Aspekt, dieser Kontext relevant werden kann, interessiert
Diego nicht. Da ist er schon ganz Künstler,
das heißt bei fremder Musik geht es um die
Brauchbarkeit, Tragfähigkeit der Ideen,
nicht ob sie aus dieser oder jener Perspektive relevant sein könnten. Elektronische
Live-Sets werden komplett gedisst, das gefeierte Ableton Live als Langeweile-Produzent hingestellt, gerade dem klassischen
DJ-Gig räumt er mehr künstlerische Möglichkeiten ein.
ICQ & JAZZ
Diego arbeitet seit Jahren gemeinsam mit
Dave Ellesmere aka Voco Derman aus
Amsterdam. Jeder Track, der gefällt, wird
ins Netz gestellt, als ”Shapes & Forms“ veröffentlichten sie eine CD auf K2o; mit Alexander Kowalski und Dennis DeSantis entDEBUG: Wie arbeitest du? Hast du eine stand ”Reasons“, das ausschließlich mit
Idee, was Neues entstehen soll?
Propellerheads-Software produziert wurDIEGO: Das zweite Album ist im Flow ent- de.
DEBUG: Spielst du live?
standen. Einfach mal hingesetzt, Elemente
DIEGO: Nein, das ist erstens Heuchelei und
übernommen aus den vorherigen Stücken DEBUG: War Reason neu für dich?
zweitens langweilig. Ich kenne keinen Liveund weitergearbeitet. Die Tracks geremixt DIEGO: Ich benutze es fast ein Jahr und Alex Act, der wirklich live spielt: Ein paar Loops
und weitergeformt, bis ein neuer da war. Es ist hat sein letztes Album fast komplett damit triggern ist nicht live. Da macht DJing schon
kein Konzeptalbum, das war das letzte aber gemacht.
mehr Spaß, da hast du direkten Zugriff auf
auch nicht.
die Platten, kannst die mischen, cutten und
DEBUG: Aber unter Musikern gilt es als scratchen. Das ist eher Musik machen als
DEBUG: Du verfolgst schon verschiedene berüchtigt?
Loops antriggern. Mit Ableton Live kann auch
musikalische Linien ...
DIEGO: Für Techno ist es ideal.
nichts falsch gehen, weil der neue Loop im
DIEGO: Wenn ich im Studio arbeite, mach
neuen Takt abgespielt wird. Da kannst du dich
ich mal so einen Track, mal so einen. Ich kann DEBUG: Haben Dennis, Alexander und du auch nicht verdrücken oder so. Idiotensicher.
auch locker mit einem Fast-Gabba-Track an- die eingebauten Synthesizer benutzt oder
fangen und den dann so umformen, dass es den Sampler?
Diegos Mentor-Sound ist Jazz. Pop-Songs
ein Ambient-Tune ist. Dann wird sortiert, DIEGO: Die Synthesizer haben wir schon be- kann er nur ein einziges Mal hören, beim
wenn es fertig ist.
nutzt, die Drums haben wir gesampelt; die zweiten Hören ist ihr Stumpfsinn schon zu
mitgelieferte Soundlibrary ist einfach Kacke. offenbar. Seine Lieblingsplatte des letzten
Sein Schweizer-Deutsch wirkt kubistisch,
Jahres war "Power, Expansion, Release"
die anderen Betonungen lassen jedes DEBUG: Wie arbeitest du mit Dave, habt vom New Yorker Jazz-Pianisten Matthew
Wort, jeden Begriff in einer extremen ihr euch auch mal getroffen?
Shipp, der zwischen Thelonious Monk und
Deutlichkeit erstrahlen. Das Musik-be- DIEGO: Zweimal, wir haben auch einen Cecil Taylor verortet wird. ”Power, Expansi-
Ich versuche, überhaupt keinen Style zu haben.
on, Release“ ist tatsächlich frei im Sinne
von Free Jazz. Weil diese Musik in den zerfahrensten, harschsten Momenten auf eine
zunächst unbegreifliche Weise MelodischEmotionales erzeugt, kann sie auf einer
sonderbaren Ebene tatsächlich als Ideengeber für neue Detroit-Sounds funktionieren. Shipps Album macht tatsächlich einen
Raum auf, der ähnlich unideologisch ist wie
der von Detroit-Techno, weil hier das Freie
nicht das letzte Wort ist, weil die formale
Idee des ”free“ nicht von erstrangiger Bedeutung ist, weil sie auch immer wieder unwichtig wird. Trotzdem gibt es auch nicht
das Moment, wo sie erkennbar abgewertet, negiert werden würde - genauso wie
Detroit abstrakte Musik ist und zugleich
nicht-abstrakt ist, ohne das Abstrakte zu
verneinen. Als im letzten Jahr der Spaß von
Techno oft zu Gunsten von Albernheit verloren ging, haben die Kontinental-Detroiter trotzdem massive Platten produziert,
die dem Projekt einer unmöglichen Musik
komplett entsprachen, sie waren Tanzmusik, nicht hart, ohne Lied, mit einem Konzept von Schönheit, eine eigene Welt: Fabrice Lig, Stefan Manceau, Heiko Laux,
Dennis DeSantis, Arne Weissberg, Deepart,
Lawrence, Lowtec, Diego.
DEBUG: Wie erklärst du dir, dass melodiöser Techno schwach vertreten ist?
DIEGO: Vielleicht ist es zu anstrengend zu
hören, aber das ist mir eigentlich egal.
DEBUG: Was machst du außer Musik?
DIEGO: Nichts.
DEBUG: Kannst du davon leben?
DIEGO: Schlecht. Es stellt sich auch immer
wieder raus, dass mich keine Sau kennt. Nur
ein paar Freaks. Die Promoter sagen, die Leute wollen Adam Beyer, Monika Kruse. Die Leute kennen auch Heiko Laux nicht. Wenn ich
wo Abgelegenes spiele, kommen fünf Leute.
DEBUG: Hast du noch was Wichtiges zu sagen?
DIEGO: Nö, ist eh alles unwichtig.
<25> - DE:BUG.68 - 02.2003
FINDER
Film_Digital
<#25-30> SPECIAL: DIGITALER FILM
Der digitale Film unter der Lupe: Wie steht's
um das Potential von Filmsharing? Verändert das Digitale die filmische Ästhetik? Debug jagdt den digitalen Film in Ausbildung,
Overnet & Movielink Test, Medienfest OneDotZero und lukt in ein paar Musikclips.
<#32> WEATHER WEAPONS
Das Wetter zur Waffe machen. Amerika testet mit "HAARP" das Wetter von morgen
und die Schlagkraft von punktuellen
Löchern in der Ionisphäre. Ein Betatest-Update.
<#34> FREDERIKE CLEVER
Die Berliner Künstlerin Frederike Clever filtert Bilder und malt die westlich imaginierten Bilder marginalisierter Länder aus dem
Reisekatalog ab.
SERVICEPOINT
KINO 3000
RECONFIGURING THE CAVE
Die Ausstellung Future Cinema ist im
ZKM Karlsruhe noch bis zum 30. März
2003 zu sehen. www.zkm.de
Die Zukunft des Kino-Entertainments
Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher Katalog von Martin Rieser, Andrea
Zapp (Hg.): New Screen Media.
Cinema/Art/Narrative.
<#34> BJÖRK
Was ist “Björk”? Evelyn McDonnell untersucht in ihrem Buch das Phänomen “Björk”
zwischen isländischer Märchenfee und
feministischem Rolemodel. Eine kritische
Fanbetrachtung der Riot Elfe. Jetzt in deutscher Übersetzung.
<#35> DIGITALE KUNST AUS JUGOSLAWIEN
Das Künstlerkollektiv Urtica spielt Memory
mit NATO-Operationsnamen online, reflektiert die soziale Not ihrer Heimat Novi Sad,
lassen die Galerien hinter sich und unterwandern das jugoslawische Medien-Establishment.
<#32> BILDERKRITIKEN
Die Ausstellung “Future Cinema” im Karlsruher ZKM will den alternativen Diskurs zur Zukunft des Kinos angehen – und stellt nur die Fragen,
die Hollywood zurzeit zu beantworten versucht. Die allerdings dann in
alle möglichen Richtungen.
<#32> GEWINNEN
<#33> SERVER
<#36> GOTO
TEXT: OLIVER [email protected] / FOTOS: NOSHE
Es sind paradoxe Zeiten: Auf der einen Seite gibt es eine Medienvielfalt wie nie zuvor,
auf der anderen Seite ragt aus dieser Vielfalt eines hervor wie der Monolith in "2001
– Eine Weltraum Odyssee": Das KINO. Es
kann scheinbar kommen, was will, irgendwie lockt uns Hollywood immer wieder aus
unseren voll ausgerüsteten Heimunterhaltungszellen heraus und rein in die Kinoplexe. Bar jeder ökonomischen Logik können
Überleg einfach mal, wie oft der Satz "Das
muss man auf der großen Leinwand sehen"
gefallen ist. Wo ist also das Problem? Sind
das alles nur Verdruss-Erscheinungsformen
nach zu vielen Quicktime-Dateien? Erleben
wir die letzten Wehen eines sterbenden
Medien-Dinosauriers? Ganz zu Unrecht
äußern Shaw und Weibel ihre Reform Annahme nicht: Trotz Hochkonjunktur zerfleischt sich die Traumfabrik Hollywood ge-
Muss Kino überhaupt interaktiv werden?
wir nicht die Finger davon lassen: 15 bis 20
Euro sind doch auch okay für einen Monstertopf Gen-manipuliertes Popcorn, eine
Dreiviertelstunde Fitness Studio Werbung
und zwei Stunden meist banalstem KinoEntertainment. Was will man mehr? Eine
ganze Menge, glauben zumindest die Kuratoren Jeffrey Shaw und Peter Weibel. Interaktivität, aufwendige, außerirdische Projektionsflächen und neue erzähltechnische
Features sind die Stichpunkte, unter denen
die beiden ihre laufende Ausstellung "Future Cinema – The Cinematic Imaginary after
Film" im Karlsruher ZKM zusammengestellt
haben. Was sie sich mit ihrer Ausstellung
erlauben, ist die alternative Thematisierung
einer Reform des Kinos: Fernab von Hollywood und trotzdem unter Berücksichtigung der heute gegebenen Produktions-,
Vertriebs- und Rezeptionsfaktoren. Als
Kunstausstellung konzipiert, nicht als reines Film Festival, erlauben sie sich ebenfalls
eine große Freiheit bei der Auswahl an
Künstlern, Theoretikern und Theorien aus
den alten analogen und neuen digitalen Kinoschulen.
KINO REFORMIEREN?
Alles schön und gut, nur sind wir noch nicht
an der ersten Frage vorbeigekommen: Ob
wir diese neuen Theorien brauchen? Wie
wir 2002 gesehen haben, war es eindeutig
das Jahr der Blockbuster wie Spiderman
oder eben besagtem Lord of the Rings.
rade selber. Mit der digitalen Revolution
stehen neue Zeiten und neue Regeln in Hollywood an. Nur fordern die weit reichenden
Entwicklungen die Frage heraus, ob das der
Anfang oder das Ende des cineastischen
Umbruchs bedeutet? Wenn wir Weibel und
Shaw Glauben schenken mögen, dann birgt
die Zukunft des Kinos – was Projektion, Produktion, Interaktion und letzten Endes Narration betrifft – noch einige grundlegende
Veränderungen.
DAS IMAX PARADIGMA –
ENDLOSE PROJEKTIONSFLÄCHEN
Zum Thema Rave hat mal einer gesagt: Bei
Rock-Konzerten gucken alle in die eine
Richtung nach vorne, bei Raves, dagegen,
schaut sich das Publikum gegenseitig an.
Ähnlich verhält es sich mit dem Unterschied zwischen Classic Cinema und Future
Cinema: Auf dem Weg ins ZKM ist auf der
linken Seite ein Kinoplex. Außerhalb des
Gebäudes steht einer der Kinosäle auf Stelzen und sieht aus wie ein riesiger Silberwal,
eine Art Leviathan des Kinos. Der Rumpf
deutet auf die absteigenden Sitzreihen mit
gleichgeschaltetem Blick nach vorne. Beim
Betreten der Future Cinema Ausstellungsräume tauchen viele Kinosaalformen auf –
riesige Kugeln, Kisten und gefächerte Leinwände. In diesen Projektionskonzepten der
Zukunft wird das Auge nicht auf ein Punkt
gerichtet, sondern wird zum Multitasking
herausgefordert. Das fängt mit den auf zwei
oder drei Projektionen aufgeteilten Leinwänden von Eija-Liisa Ahtila oder Isaac Julien an und findet seine Vollendung in dem
Werk "Pedestrian" (2002) von Paul Kaiser
und Shelley Eshkar. Konsequent stellt die
Projektion einer 3D-Straßenszene auf den
Bürgersteig die Frage, wie weit in Zukunft
die Erfahrung des Kino geht. Ganz zu
schweigen von der Frage was passiert,
wenn sich Fiktion und Realität vollkommen
überlappen… Zwischen diesen zwei Polen
der gesplitterten und der omnipräsenten
Leinwände finden sich jegliche Permutationen. Dreidimensionale narrative Netze, wie
in Masaki Fujihatas Installation "Fieldwork@Alsace", die das zeitliche als auch räumliche Koordinatensystem des Topos mit
dem Filmmaterial in Einstimmung bringen.
Mini-Kinolounges, wie die in Lev Manovichs
Exponat "Soft Cinema". Eine Kupfer Halbschale, geschaffen von Luc Courchesne, in
die der Besucher sein Kopf reinhebt und mit
dem Film interagiert. Am nächsten dran an
den derzeitigen Hollywood Träumen
kommt vermutlich Jean Michel Bruyères "Si
Poteris Narrare, Licet"-Installation: In einer
riesigen, aufblasbaren Kugel steht ein Joystick zur Auswahl des Projektionsausschnittes. Der Film wird nicht wie in einem nassen
iMax-Traum auf die ganze Leinwand projiziert, sondern nur auf ein ca. 2m x 2m Teildetail des Ganzen: Welches, das bestimmen
wir und nicht das Studio.
dass in Zukunft Filme vollständig von der
Festplatte kommen können und nicht erst
die drehbuchschreibenden Barton Finks
dieser Welt benötigen. Zwar nur eine Handvoll Exponate, doch die haben es in sich:
Paul Johnson beispielsweise geht den konsequentesten Weg mit seiner Vision einer
filmischen Erzählung, die von drei verschiedenen Videospielen gesteuert wird. In "Red
v. 2.0, Green v. 2.0, Blue v. 2.0" wird nicht
nur der Programmierer ins Zentrum der
Filmmaschinerie gerückt, sondern auch ein
Denkanreiz gegeben, inwiefern Videospiele
schon die heutige Filmindustrie dominieren
und beeinflussen - nicht nur kommerziell,
sondern auch inhaltlich. Abgelöst wird
selbst der Programmierer aus dem Regiesessel durch Karl Sims' "Evolved Virtual
Creatures" aus dem Jahre 1994. Ursprünglich vermutlich als Reflektion der künstlichen Intelligenz entstanden, äußert das
Werk im Kontext des cineastischen Diskurses eine dramatische These: Wir sind jetzt
imstande, im Computer Verhaltensformen
– und damit auch Erzählstrukturen – zu entwickeln. Dass Regisseure noch eine kleine
Schonfrist haben und noch nicht durch Programme ersetzt werden, beweist allerdings
Jennifer & Kevin McCoys "Horror Chase",
ein Horrorfilm mit eingebauter Endlosschleife auf der Basis eines Algorithmus. An
beliebigen Punkten setzt die Software ein
und spielt den Film rückwärts ab, wie eine
Art Palindrom. Der Zufall verbietet uns, dieVOM SKRIPT ZUM SCRIPT –
selbe Abspielsequenz mehr als ein einziges
DREHBÜCHER AUS CODE
Mal zu sehen. Haben wir dann den Film
Dass die Selbstbestimmung in Hollywood überhaupt gesehen?
nicht nur durch äußere, sondern auch durch
interne Faktoren tangiert wird, ist eine Tat- INTERAKTIVES ODER
sache, die seit Anfang des Millenniums INTERPASSIVES KINO?
deutlich wird: Waren die Studios noch in Muss Kino überhaupt interaktiv werden?
den Achtzigern und Neunziger vom Faktor Übt das Berieseln von einer Riesenleinwand
Mensch abhängig, so sind sie inzwischen nicht eine seltene Magie aus? Ist es nicht
auf dem besten Wege, clean zu werden. schlimm genug, wenn sich Leute um die
Nicht umsonst machen sich zurzeit Schau- Fernbedienung zanken? Die Vorstellung,
spieler um ihre Jobs Sorgen, wenn im Na- die Action im Kinosaal den Zuschauern
men des Profits Menschen von der Fest- überlassen zu wollen, ist alles andere als poplatte dargestellt werden. Das ist erst der sitiv-utopisch. Nehmen wir aber mal Shaw
Anfang: Nach Auffassung von Future Cine- und Weibel beim Wort, so muss es scheinma sollten sich Drehbuchschreiber und Re- bar kommen: Das interaktive Kino. Eine der
gisseure auch nicht allzu sicher wähnen. simpelsten Varianten wird von Michael NaiZum einen wird der narrative Zauberstab mark mit seinem Exponat "Be Now Here"
zunehmend in die Hände der Betrachter ge- präsentiert. Auf einer Drehbühne "fährt"
legt, zum anderen beweist die Ausstellung, der Zuschauer an Bildern heiliger Stätten
vorbei. Im Gegensatz zum Kino, wo andere
Zuschauer durch die Inneneinrichtung aus
dem Bild ausgeblendet sind, werden Zuschauer zu Darsteller und umgekehrt, je
nachdem wo sie sich auf der Drehbühne befinden. Technischer wird es mit den Exponaten, die dem Betrachter direkten Zugang
zur Leinwandhandlung gewähren, z.B. "Alpha Wolf" von der Synthetic Characters
Group des MIT Media Lab. Oder Maurice
Benayouns “So.So.So. (Somebody, Somewhere, Sometime)", bei dem sich der Betrachter durch ein Maelstrom sämtlicher
Alltagsszenen klicken kann. Ganz wird man
das Gefühl aber nicht los, eine schicke Videospielinstallation auf großer Leinwand
zu durchleben. Zur Frage der Zukunft der Linearität macht sich Christian Ziegler in seinem Werk "66movingimages" wohl dennoch die cleversten Gedanken: Auf eine 11
Meter langen Schiene montiert, lässt sich
der Bildschirm hin und her durch die Erzählung schieben. Als Topos wählte Ziegler das
Genre des Road Movie komplett mit aufwendig-morphender Landschaft, die beim
Stillstand dann filmische Segmente vorführt. Die wirklich wichtige Frage, aber ist,
wie viel Unlinearität der Zuschauer akzeptiert. Im Gegensatz zu den vielen verzwirbelten Narrativen der Ausstellung schafft
Ziegler es den Faden der Erzählung und die
Balance beizubehalten – sowohl für den aktiven als auch passiven Zuschauer. Das Verhältnis von Gucken und Tun bleibt intakt.
Das ist nicht in allen interaktiven Exponaten der Fall: Wo Zieglers Werk noch so was
wie ein "Kinopublikum" hat, setzen beispielsweise Briefmarken große Webcinema
Movies jegliches Massenerlebnis außer
Kraft. Obwohl Weibel und Shaw in dem Begleitheft zur Ausstellung erklären, dass gerade die verschiedenen neuen Formen des
Vertriebs neue Formen des "kollektiven
Films" ermöglichen, stellen solche hochsubjektiven Filmerfahrungen trotzdem noch
die Frage: Ob diese Paradigma als FutureCinema bewertet werden können, oder doch
nicht nur als FutureFilm?
<26> - DE:BUG.68 - 02.2003
TEILST DU EINEN
FILM MIT MIR?
Film_Digital
Zum Format Filesharing
TEXT: OLIVER KOEHLER | [email protected]
Spätestens seit Star Wars "The Phantom Menace" vor dem
Kinostart 1998 auf Servern weltweit gesehen wurde, ist klar:
Musik teilt sich mit Film die Bandbreite. Sofort schlugen in
Hollywood die Alarmglocken, mit dem ungefähren Wortlaut: "Hört auf meine Filme zu downloaden, sonst gibt's keine mehr!" warnte etwa Jedi Guru George Lucas die Filmsharer. Doch in gewisser Weise schützt die Kinoleinwand
Film vor problemloser grenzenloser Kopierwut - deutlicher
als beim Format Musik. Und oft hat man beim Angebot, am
PC-Bildschirm ein Film zu sehen, als Antwort gehört: "Das
muss man doch auf der breiten Leinwand im Kino sehen"?
Was bislang eher im Hintergrund steht, sind die Chancen,
die das Phänomen Filmsharing in sich birgt. Bei einer Zahl
von etwa 3 Millionen Menschen, die sich in Deutschland
häufig oder zumindest gelegentlich Videos herunterladen,
hat man es – je nachdem wie man es nimmt - mit einer
kaufhausgroßen Videothek oder mit einem Alexandria der
Film-Museen zu tun. In dem Potenzial mehrerer Millionen
vernetzter Festplatten mit filmischer Kultur schlummert eine völlig neue Definition eines kulturellen Gedächtnisses.
Was aber diese Kultur so einzigartig macht, ist die Notwendigkeit der Nutzer, ihre Info- oder Kulturspeicher miteinander zu vernetzen, also die Inhalte zu teilen. Wo die Festplatten die grauen Zellen dieses Gedächtnisses bilden, verbinden
die Kazaa's und iMesh's wie Synapsen unsere kulturellen
Zellen miteinander. Filmsharing ist also Vertriebskanal und
Speicherort zugleich! Perfekt, oder? Allerdings wie bei Musik immer eher was für den Mainstream: Versuch mal, etwas Abwegiges zu finden, beispielsweise "Crimewave" von
Sam Raimi. Unmöglich. Mit dem handelsüblichen, DSLsüchtigen Teenager fällt der Austausch von Raritäten
schwer. Verübeln kann man es nur der Industrie, die Filme
streicht. Je enger der Griff auf die Inhalte offline wird, desto
In dem Potenzial mehrerer Millionen vernetzter Festplatten mit filmischer Kultur schlummert eine
völlig neue Definition eines kulturellen Gedächtnisses.
mehr wird sich das Angebot online zwangsläufig anpassen.
Das sind Punkte, an dem Filmsharing eine pragmatische
Grenze erreicht. Doch mit der Zeit und zunehmender Copyright Freizügigkeit liegt die Vermutung nahe, dass sich spezifische, subkulturelle Tausch-Communities bilden können.
Wer hätte zu Napsters Zeiten gedacht, dass es so was spezielles wie Soulseek für Electronika Nerds geben könnte? Es
besteht die Hoffnung, dass nicht nur eben jenes an den Rand
gedrängte Angebot, sondern auch das Interesse daran über
längere Zeit bestehen kann. Frag mal British Pathé: Die
Nachrichtenfirma British Pathé hatte Ende November 2002
mehr als 3.500 Stunden aus dem Bestand ihrer Wochenschauen oder "Newsreels", u.a. aus der Zeit des zweiten
Weltkriegs, kostenlos online zur Verfügung gestellt. Innerhalb der ersten drei Tage nach der Eröffnung ihres Filmarchivs hatten sie mit 250.000 Nutzern und beinahe 50.000
Downloads ihr monatliches Limit von 46 GB bei weitem
überschritten. Filmsharing im Netz: Es muss kommen!
PRIMA KÜNSTLICH
Die Potentiale des Digitalfilms
TEXT: VERENA DAUERER | [email protected] / FOTOS: NOSHE
Digitalfilme allerorten. Was verschiebt sich eigentlich mit den
neuen digitalen Produktionsmitteln, wie verändern sie die filmische Ästhetik? Haben die vielen neuen Medienfestivals
drum herum recht? Verena Dauerer fasst das mal alles für uns
zusammen.
Digitalfilm allerorten. DV-Filme sind
mittlerweile auf eigenen Festivals zu
sehen. Sei es auf dem Nodance seit
1997 in Utah, das als erstes Festival nur
DVDs abspielte. Oder um die Ecke das
Backup Filmfestival in Weimar, gegründet 1998. Selbst die Berlinale hat eine
eigene digitale Sparte. Und sowas
treibt auch belustigende Blüten wie die
"DiveFilm.com", eine Website speziell
für Digitalfilmtaucher, an. Oder die
Screenings auf dem IFP Filmmarkt in
New York, wo die eingesendeten Digitalarbeiten als Bedingung auf dem
Windows Media Player abspielbar sein
müssen. Oder eine New Yorker Digitalfilmschule mit dem kuriosen Namen
"DV Dojo”.
DIGITALE PRODUKTION
Als Hardware taucht da erstmal die DigiCam auf und deren High End-Fassung, die 24p-Kamera. Ihr Können
durfte man an den eindrucksvoll überfrachteten Bildern der letzten Episode
von Star Wars bewundern. Multiformatig kann man mit ihr für NTSC oder PAL
aufnehmen oder einen 16mm, 35mm
und einen schlechteren 70mm-Look-alike draus machen. Leider verspricht
sie keine demokratischeren Produktionsmittel für Indiefilmer, denn sie ist
teuer - zu teuer für den Heimgebrauch.
Vielleicht hilft das Warten aufs Digitalfernsehen, sie passt praktischerweise
auf die TV-Distributionsformate HDTV
und SDTV. Als nächstes muss der digitale AVID-Schnittplatz dazu, klaro. An
ihm hängen die Special Effects und die
Pallette an Hard- und Softwaretools
für ihre Generierung. Parallel kommt
für den Normalmensch nach dem digitalen Filmen der Schnitt am heimischen Computer mit Premiere oder Final Cut. Für Holly Willis vom amerikanischen Digitalfilm-Magazin RES werden durch diese Entwicklung alte
Strukturen angebröckelt: "DV bricht die
normale Herstellungsreihenfolge Script,
Geldauftreiben, Produktion, Postproduktion auf. Die verschiedenen Sphären des
Produktionsprozesses verschmelzen, so-
bald man während des Drehens gleichzeitig schneiden kann.” Das fertige Filmlein wird nun selbstgemacht übers Internet vertrieben. Vom kommerziellen
Aspekt wollen wir lieber nicht so viel
reden.
Dass Online aber tatsächlich viel Wirbel gemacht werden kann, hat 1999 der
Marketinghype um den Wackelhorror
Blair Witch Project vorbildlich bewiesen. Der Verleih Artisanet hatte als clevere Marketingstrategie das Filmmaterial auf der Webseite für echt erklärt
und die Gerüchteküche um die Authentizität angeheizt. Die Low Budget
Produktion spielte darauf allein in den
USA mehr als 100 Millionen ein.
MEHR BEWEGUNG
Man kann sich aber jetzt mal drauf einigen, dass DV Teil einer Techno-Revolution ist: Digital ist besser. Aber kein
Grund, das Ende des Zelluloids auszurufen, wie es Matt Hanson vom Onedotzero-Festival in der Anfangseuphorie 1997 tat. Trotzdem, die Vorteile liegen auf der Hand. Angefangen beim
non-linearen Schnitt, bei dem man das
Material komplett neu und immer wieder durchrumpeln kann. Bei der DV
wird genauso frohlockt, dass nun
ästhetisch viel mehr drin ist. Vor allem
die "künstlerische Freiheit” einer ungetrübten Schaffensfreude. Mit der
Handkamera kann man sich auf alles
stürzen und herumtüfteln. Das ist
zweifelsfrei eine Chance, endlos rumspielen zu können. Bloß ohne Ordnung
im Kopf kann das planlose Drauflosgefilme in der Postproduktion saumäßig
teuer werden. Beim Filmmaterial wie
16- oder 35mm muss dagegen jeder Meter überlegt werden.
Heißt das trotzdem Demokratisierung
des Mediums? Jau, jeder kann sich
theoretisch mit qualitativen Ausmaß
einen Film zusammenschneidern. In
der Praxis heißt das: Voll authentische
Bilder schießen mit urbaner GuerillaRomantik. Das war oft auf MTV zu sehen und da besonders als Doggycam
auf dem Kopf eines Boxers. Man sieht,
die Kamera bietet viele und neue visuelle Möglichkeiten. Ein ganz banales
Argument soll aber noch angeführt
werden, auch wenn‘s lächerlich klingt.
Holly Willis: "Mehr Frauen können Filme
drehen. Um die schweren Filmkameras
zu tragen, musste man bisher immer
ziemlich stark sein oder groß und in dieses Schema passen. Als Körpererweiterung wie bei einem Cyborg bewegt sich
die Kamera auf einmal anders, viel flexibler. Manche dieser Kameras sind winzig und liefern neue Perspektiven. Harmony Korine hat bei Julien Donkey Boy
Kameras in der Größe von Lippenstiften
überall am Drehort versteckt.”
in der Postproduktion völlig animiert.
Aus den übermalten Videobildern wurde später eine Art Comic, der per Software weitaus realistischer scheint wie
bei der herkömmlichen Rotoskoptechnik der alten Walt Disney-Filme.
NARRATIVE STRUKTUR
Die äußere Veränderung gibt auch dem
Inhalt einen Kick. DV kann analog zum
non-linearen Schnitt die narrative
Struktur aufbrechen. Noch einmal Holly Willis: "Nonlinearität war schon immer eine marginalisierte Form wie beispielsweise die experimentellen französischen Romane der 60er-Jahre. Die Möglichkeiten von DV, Text, Musik und Bilder
Im Ernst, ohne Ordnung im Kopf kann das
planlose Drauflosgefilme in der Postproduktion
saumäßig teuer werden.
DOGMA UND ANDERE
DIGIÄSTHETIK
Experimentalschnickschnack hin oder
her, eventuell kauft man sich so ein
cooles Teil nur fürs nächste Verwandschaftsfest? Stichwort Dogma. Bei der
Familienfeier von Thomas Vinterbergs
Dogmafilm "Das Fest” (1998) war die
DV-Kamera mit ihrem Miniformat wie
geschaffen, den emotionalen Katastrophen auf den Leib zu rücken. Dogma,
das war das strenge Manifest von Lars
von Trier, der 1995 mit seinem Keuschheitsschwur eine back-to-the-basicsÄsthetik mittels der DV etablieren
wollte. Mit Handkamera, Originalbeleuchtung und –musik und viel Spontanität sollte gleichfalls die Handlung auf
die Dauer eines Tages reduziert werden. Mittlerweile gibt es eine Reihe an
teils gelungenen, teils anstrengenden
Filmen aus allen möglichen Ländern.
Als ästhetischer wie inhaltlicher Anschub ist die Bewegung doch super.
Eine weitere, schöne neue Digitalästhetik entstand beispielsweise
beim Verknoten von DV und Special Effects zu grafischen Hybriden. Richard
Linklaters "Waking Life” (2001) wurde
mit Schauspielern auf DV gedreht und
zusammenzuformen verbinden sie damit. Ihre Eigenart ist einmal die Klarheit
des Bildes. Außerdem kann sie Frames innerhalb von Bildern schaffen, die wie der
Computerdesktop aussehen. Genauso
gibt es unterschiedlich große Bilder oder
ein Bild aus drei oder vier Kästen wie die
Splitt Screens bei 'Time Code' von Mike
Figgis. DV greift den Avantgardefilm auf
und belebt seine Tradition wieder. In den
USA wurde Filmgeschichte lange nicht in
den Schulen unterrichtet. Nun werden
endlich alte Techniken bei Videoinstallationen, Videoumgebungen und Rave-Videos benützt. Der fundamentale Unterschied ist natürlich, dass das traditionelle
Kino, wie wir es kennen, ein Kind seiner
historischen Periode war. Unsere Kultur
ist heute völlig anders.”
Da wären wir wieder beim neuen Zeitalter. Letztendlich ist die DV einfach
ein weiteres Tool, das man in seinen
Alltag einfummelt. Neben dem Laptop,
dem Organizer und dem Handy, mit
dem man Minifilme aufnehmen kann.
Alles sehr schön, extra hypen wär aber
doof.
DE:BUG.68 - 02.2003 - <27>
Film_Digital
http
VIDEO OHNE DEMAND
Movielink:
www.movielink.com
Overnet:
www.overnet.com
Die ersten Schritte der Filmbranche ins Netz
Transmissionfilms:
www.transmissionfilms.com
Edonkey 2000
www.edonkey2000.com
TEXT: JANKO ROETTGERS | [email protected] / FOTOS: NOSHE
In Bezug auf Hollywoods Filmdistribution birgt das Netz ein gefürchtetes Potential. Die beiden derzeitigen Plattformen Movielink und Transmissionsfilms straucheln im Test allerdings entweder an harten
Ausleihbedingungen, schlechter Qualität oder eingeschränktem Angebot. Film ab.
2002 war ein gutes Jahr für Hollywood. Spider-Man, der Herr der Ringe Teil 2, Harry
Potter, Eminems Leinwand-Debut - sie alle
sorgten für Rekordumsätze in den Kinos.
Seit 1959 sind nicht mehr so viele US-Amerikaner ins Kino gegangen wie im vergangenen Jahr. Und das, obwohl die DVD dem
Kinobesuch mittlerweile fast den Rang abgelaufen hat. Zumindest, wenn es ums har-
bedingt gemeinsam auf einen Computerbildschirm starren.
Oder ganz einfach: Das Netz hat Potential.
Möglicherweise könnte es mal eine große
Rolle in der Filmdistribution spielen. Vielleicht sogar irgendwann einmal DVDs ersetzen. Fragt sich nur, welche Rolle Tauschbörsen dabei spielen werden.
Streifen anzuschauen, deaktiviert er sich
jedoch nach 24 Stunden mittels DRM von
selbst und wird dann automatisch von der
Festplatte gelöscht.
Zum Digital Rights Management (DRM)
setzt Movielink auf Windows Media oder
wahlweise auch den Real Player, dessen
Durchsetzung wird aber mittels eines eigenen Movielink-Managers verwaltet. Dieses
TRANSMISSIONFILMS: INDIE UND P2P
Geht es nach Jed McCaleb, dann werden
Tauschbörsen in Zukunft eine noch größere Rolle beim Vertrieb von Filmen spielen.
McCaleb ist der Programmierer des Edonkey-P2P-Clients, der für Filmfans zur ersten
Wahl geworden ist. Außerdem schuf er im
letzten Jahr Overnet als dezentralen Edonkey-Nachfolger. Und er ist verantwortlich
ge Lizenz dazu erworben - innerhalb von
fünf Tagen beliebig oft anschauen. Alternativ dazu lassen sich Filme auch für zehn
Dollar ohne Beschränkungen "kaufen" oder
für zwei Dollar ganz konventionell streamen. Die Bildqualität der Downloads ist
deutlich besser als bei Movielink, dafür
sind die Dateien aber auch doppelt so groß.
Trasmissionfilms ist ein interessantes Modell für Indie-Content-Vertrieb. Ausgesuchte Filme für ein ausgesuchtes Publikum, dazu P2P, um nicht sinnlos Bandbreite zu verschwenden - das könnte funktionieren.
te Geld geht. Mit der Spider-Man-DVD
wurden innerhalb der ersten Woche 190
Millionen Dollar eingefahren, in den Kinos
erspielt der Film zur Eröffnung ”nur” 115
Millionen Dollar.
2002 war aber auch ein gutes Jahr für vernetzte Filmfans. Fast jeder erfolgreiche
Film tauchte noch vor seiner Premiere im
Netz auf. Gegen Ende des Jahres tummelten sich rund fünf Millionen Nutzer gleichzeitig auf diversen Tauschbörsen. Allein
das Edonkey 2000-Netzwerk, genutzt
hauptsächlich zum Tauschen von Hollywood-Hits, bringt es auf rund 300.000 simultane Nutzer. Sein Nachfolger Overnet
verzeichnet noch einmal rund 100.000 tauschende Filmfans.
Stellt man die beiden Jahresendbilanzen
gegenüber, lassen sich daraus jede Menge
Schlüsse ableiten. Wie etwa dieser: Tauschbörsen sind für Hollywood keine Gefahr.
Oder auch: Es gibt einfach noch zu wenig
billige DVD-Brenner. Oder zu wenig Breitband. Oder: Ohne Tauschbörsen ginge es
Hollywood noch besser. Vielleicht
schmeckt das Popcorn in Kinos aber auch
einfach besser als das aus der Mikrowelle.
Oder man will beim ersten Date nicht un-
MOVIELINK: ZU SEHR HOLLYWOOD
Keine, wenn es nach dem Willen der fünf
großen Hollywood-Studios geht. Gemeinsam haben sie im November letzten Jahres
ihre Filmplattform Movielink.com gestartet. Das Ziel: Eine kostenpflichtige Alternative zu den Tauschbörsen aufbauen. Eigentlich eine gar nicht so abwegige Idee. Nicht
jeder will Tage auf seinen Download warten oder sich stundenlang mit der Frage beschäftigen, welcher DivX-Codec denn nun
für diesen oder jenen Film gebraucht wird.
Dennoch hat Movielink ein Problem. Es ist
zu sehr Hollywood.
Der schon von DVDs bekannte Ländercode
wird von dem Portal mal eben per IP-Nummern-Mapping ins Netz übertragen. Wer
nicht aus den USA auf Movielink.com zugreift, wird ganz einfach ausgesperrt. USamerikanischen Nutzern präsentiert Movielink rund 240 Filme zum Download, darunter ein paar alte Kamellen mit Grace Kelly und Cary Grant, aber auch Neuerscheinungen wie Spider-Man oder Men in Black
2. Kostenpunkt: je nach Film zwischen drei
und fünf Dollar. Dafür kann der Film nach
dem Download bis zu 30 Tage "ausgeliehen"
werden. Beginnt man einmal, sich den
Programm fungiert als eine Art DownloadManager und kümmert sich ganz nebenbei
auch noch um das Verwalten, Abspielen
und Entsorgen der ausgeliehenen Filme.
Natürlich gibt's das erstmal nur für Windows, an einer Lösung für Macs arbeitet man
angeblich. In der Praxis dürfte die aber auf
sich warten lassen, da Macs derzeit sozusagen eine DRM-freie Zone sind. Weder
Microsoft noch Real Networks bieten ihre
Media-Player für MacOS mit Rights Management an.
Im Test zeigte sich Movielink anfangs noch
reichlich wacklig. Um den Film erst einmal
auf die heimische Festplatte zu befördern,
brauchte es einige Telefonate mit dem
Customer Service, doch da ging er dann
dummerweise verloren. Nach einem weiteren Anruf und einem zugegebenermaßen
mit weniger als zwei Stunden ziemlich fixen Download klappte es dann endlich und enttäuschte. Knapp 500 Megabyte
Windows Media-Daten können einfach keine akzeptable Bildqualität bieten, sondern
rangieren irgendwo knapp unter VHS.
für die Technik von Transmissionfilms.com,
dem ersten auf P2P basierenden kommerziellen Filmvertrieb. Im Vergleich zu Movielink ist Transmissionfilms vor allen Dingen eins: nicht Hollywood. Im Angebot der
Site, die zum Redaktionsschluss dieser Debug noch an ihrem "Hard Launch" bastelte,
sind bisher nur eine handvoll IndependentProduktionen. Ein Roman Polanski-Streifen
von 1966, ein paar unbekannte japanische
Filme, ein wenig White Trash.
Vetrieben werden die Filme über McCalebs
Overnet. Bisher läuft das noch etwas zäh,
da nicht allzu viele Nutzer zwei Dollar für
das "Anmieten" eher obskurer Indie-Filme
zahlen wollen, wenn es im gleichen Netzwerk Hollywood-Hits für umsonst gibt. Im
Test war der Wunschfilm nach rund drei Tagen kontinuierlichem Hintergrund-Transfer auf der heimischen Festplatte. An
Microsofts DRM kommt man auch bei
Transmissionfilms nicht ganz vorbei, und
deshalb gibt's auch dieses Angebot erstmal
nicht für Mac-User. Europäer werden aber
zum Glück nicht ausgesperrt.
Die Ausleihbedingungen sind ein bisschen
freundlicher gestaltet als bei Movielink. So
lässt sich ein Film - hat man einmal die nöti-
HOLLYWOOD GEGEN DEN ESEL
Weder Transmissionfilms noch Movielink
werden etwas daran ändern, wie sich Hollywood und das Netz im Jahr 2003 entwickeln werden. Doch beide Plattformen
sind Modelle dafür, wie Filmvertrieb im
Netz funktionieren könnte - beziehungsweise nicht funktioniert. Beide setzen auf
DRM, doch damit könnte man sich in Verbindung mit freundlichen Lizenzbedingungen ja noch einlassen. Die vermisst man bei
Movielink bisher jedoch. Bis zu fünf Dollar
für einen Film zu verlangen, den es in der
Videothek um die Ecke für weniger Geld
und in weit besserer Qualität gibt, wird zudem nicht besonders viele Cineasten überzeugen. Aber zum Glück müssen wir Europäer uns darum ja keine Sorgen machen.
Trasmissionfilms dagegen ist ein interessantes Modell für Indie-Content-Vertrieb.
Ausgesuchte Filme für ein ausgesuchtes
Publikum. Dazu P2P, um nicht sinnlos
Bandbreite zu verschwenden - das könnte
funktionieren. Vielleicht nur als Nische. Eine ernst zu nehmende Konkurrenz für Movielink ist das Angebot damit jedoch allemal.
<28> - DE:BUG.68 - 02.2003
MUSIKCLIPS
Film_Digital
Ist digital oder kommt digital drin vor:
Voilà, eine ungerechte Auswahl unserer
Lieblingsdigimusikvideos.
BUSTA RHYMES/ Break Ya Neck
Regie: Hype Williams
Auch wenn der Anteil von Computeranimationen in diesem
Video eher gering ist, so ist die Platzierung doch so auf den
Punkt, dass man es hier einfach ansehen muss. Nachdem
wir dem Busta ca. zwei Minuten bei seinen üblichen Tätigkeiten (Rappen, Frauen anbaggern, Cruisen...) zugeschaut
haben, bricht die Musik und das Setting in der Mitte des
Songs plötzlich ab. Wir befinden uns nun in freier Wildbahn.
Der Busta, mit seitlich geflochtenen Haaren zum Widder
stilisiert, sieht sich einem Ebensolchen in natura gegenüber.
Nach der kurzen Aufforderung: "Ya wanna mess with me?"
(herrlich absichtlich Lippen-unsynchron) stürzen sich beide
Protagonisten mit dem Kopf voran aufeinander. Ihre Schädel krachen zusammen, der echte Widder taumelt schließlich zurück und stürzt. Der Busta lacht, die Musik geht weiter. Das Ganze ist täuschend echt, herrlich absurd und
flashig. Man könnte sicherlich sagen, dass hier das zuvor im
Ghetto-Kontext dargestellte Revierverhalten durch ein archaisches Bild visualisiert wird - man kann es aber auch lassen und nochmal zurückspulen: "Ya wanna mess with me?"
[T.V.]
ERZÄHLST DU MIR, SO ERZÄHL ICH DIR
Digitaler Dokumentarfilm
TEXT: ANNE SCHREIBER | [email protected] / FOTOS: NOSHE
Was passiert eigentlich, wenn man die vielbeschworenen Eigenschaften der Neuen Medien auf
Dokumentarfilme anwendet? Wir fragen bei der Amsterdamer Stiftung und Designagentur
Mediamatic nach, die in einer Serie von Workshops mit den Möglichkeiten des interaktiven,
nicht linear Erzählens experimentiert und stellen euch ein digitales System vor.
"What do you believe in?" war im November 2002 die Headline des “International Documentary Filmfestival
Amsterdam”, kurz IDFA, das einen kritischen Blick auf unsere mediale Realitätswahrnehmung wirft. Anlässlich
dazu bot Mediamatic einen Workshop
für Dokumentarfilmer an, in denen die
ästhetischen Möglichkeiten der "Neu-
CHEMICAL BROTHERS/Star Guitar
Regie: Michel Gondry
Beim flüchtigen Reinzappen in dieses Video denkt man:
"Naja, ganz nett!" Die Musik läuft, dazu eine aus dem fahrenden Zug gefilmte Landschaftsaufnahme farbloser, britischer Industrievororte. Minimalistisch und Low Budget das
Ganze, was soll's? Beim zweiten Hinsehen fällt einem auf,
dass die vorbeiziehenden Industrie- und Bahnbauten sich irgendwie seltsam wiederholen, und beim dritten Hinsehen
merkt man schließlich, dass jeder Pfahl und jedes Gebäude
exakt auf die Beats und Sounds des Songs abgestimmt sind.
Die Szenerie wurde präzise am Computer auf die Ereignisse
in der Musik getimet, aber so unmerklich, dass man es erst
spät entdeckt. Am auffälligsten wird dieses Prinzip bei der
Verlangsamung des Zuges in der Mitte des Songs, wenn sich
mit dem Schließen eines Synthesizer-Filters das Licht verändert; es wird Abend und wir gleiten, passend zur Musik,
langsam an einem Bahnhof vorüber. Künstlicher Naturalismus in der Verschmelzung von Musik und Bild: Groß!
[T.V.]
und DVD-Publikationen hervor. Außerdem zahlreiche andere Aktivitäten im
kulturellen Bereich wie die sonntäglichen Projektpräsentationen im Mediamatic Salon, Ausstellungen, Vorträge,
die Workshops oder eben Parties, interaktiv natürlich. Interaktiv?
Klaas Kuitenbrouwer, der die Workshops leitet, weißt darauf hin, dass der
kow-Syndrom, ein Dokumentarfilm
über Alkohol, der aus ca. 150 kurzen
Einzelfilmen besteht, die aus einer Datenbank erzeugt werden. Während ein
Clip läuft, werden Links zu thematisch
passenden Clips generiert, der Betrachter kann sich einen Link aussuchen und navigiert so durch den Pool
an Filmen. Auf der Seite der Produkti-
Mittel, postmoderne Realität zu erzählen.
ALLES NUR NACH HINTEN
Klingt eigentlich gut, ist aber dann
auch nicht interaktiver als Zappen
vorm Fernseher. Das Aufbrechen des linearen Erzählflusses durch die lose
Verteilung kurzer Erzählsequenzen, die
Klingt eigentlich gut, ist aber auch nicht interaktiver als Zappen vorm
Fernseher.
en Medien" erprobt, sowie interaktive
Wege des Erzählens erforscht werden
sollten. Der Workshop beim IDFA ist
nicht der einzige Projekt-Teil einer Reihe, die Mediamatic seit drei Jahren organisiert. Unter dem Motto "Designing
Behaviour" experimentieren nicht nur
Begriff "Interaktivität" durch den inflationären Gebrauch zwar an Bedeutung
verloren habe, immer aber noch jedoch
die Art und Weise kennzeichne, wie
Neue Medien kulturelle Strukturen
verändern. Diese seien mehr und mehr
durch Partizipation bestimmt. Eine
on bedeutet dies, dass der Dokumentarfilmer das Material, das sich bei der
Recherche angesammelt hat, gleichwertig präsentieren kann. Die einzelnen Szenen müssen nicht wie beim
Film einem festen Drehbuch untergeordnet werden, einem Plot, der ja im-
vom Betrachter oder Leser selbst zu einer jedes Mal individuellen Story aufgelesen werden, die aber am Ende, d.h.
beim Verlassen der Software wieder
unverändert in ihren Ausgangszustand
rücken und in ihrer Grundstruktur
nicht verändert werden können, verHTTP
www.mediamatic.nl/
Filmemacher, sondern auch Designer,
Künstler oder Radiomacher mit den
Gestaltungsmöglichkeiten interaktiver
Prozesse.
Partizipation, die mehr und mehr designt werden muss. "Designing Behaviour" bedeutet hier also, der Frage
nachzugehen, wie ein (digitales) System sich seinem User gegenüber verMEDIAMATIC
hält und wie sich der User umgekehrt
Der Fokus auf die interaktiven Mög- gegenüber dem (digitalen) System verlichkeiten durch Neue Medien ist Kern- hält.
konzept bei Mediamatic, das aus zwei
Teilen besteht: der von Willem Veltho- KORSAKOW. WAS?
ven und Jans Possel in Groningen Mit- Wie sieht die Übertragung dieser Ante der 80er-Jahre gegründeten Stiftung sätze auf die Produktion und Rezeption
und dem Beratungs- und Entwick- des Dokumentarfilmens aus? Für den
lungsbüro für Webauftritte, "Interac- Workshop im November z.B. wurde das
tive Publishing". Aus der Stiftung ge- von Florian Thalhofer entwickelte Korhen heute eine unregelmäßig offline sakow-System benutzt. Ein Computererscheinende Zeitschrift, CD-Rom- programm ist Grundlage für das Korsa-
mer das Ergebnis von Selektion und
Verwerfung großer Teile des filmischen
Materials ist. Anders als der Cut, der eine absolute Entscheidung bedeutet,
erhält der Link eine Vielzahl an Möglichkeiten aufrecht. Über die Menge,
die Dauer, die Vertiefung sowie die
Richtung der Information kann der
User entscheiden. Und sich damit ein
eigenes Bild machen. Das charakteristische Merkmal des Dokumentarfilms, sein Versuch Authentizität wiederzugeben, wird durch die Auswahlmöglichkeit durch den User perspektivisch gebrochen und bereichert die
narrativen Möglichkeiten klassischer
Dokumentation um ein ästhetisches
mittelt nur den Anschein von Interaktion. Die Selektion des Cut wird einfach
nur weiter nach hinten geschoben:
Welche Themen werden dokumentiert,
welche nicht? Auf welche Momente
richtet sich die Aufmerksamkeit, welche werden übersehen? Aber vielleicht
geht es auch mehr um den Prozess des
Filmemachens im Spiegel des Erzählers. Technisch einfach zu erlernende Systeme wie das Korsakow-System
jedenfalls sind ein guter Ausgangspunkt für die Erzeugung eigener kleiner Filme. Ob die genauso clever werden wie die von Florian Thalhofer, ist
damit aber nicht garantiert.
DE:BUG.68 - 02.2003 - <29>
Film_Digital
MUSIKCLIPS
ALLTAG EINS PUNKT NULL
Busta Rhymes feat. Janet Jackson:
What's it gonna be?
Regie: Hype Williams
Gursky lernt laufen
TEXT: CASPAR BORKOWSKY | [email protected] / FOTOS: NOSHE
Nach Simulation und Effektproduktion tapst der digitale Film langsam zu einer eigenen Sprache.
Erste Gehversuche waren auf dem digitalen Filmfestival “OneDotZero” zu sehen. Jake Nights
Kurzfilm "Solary Man" etwa zeigt, dezent manipuliert, wie man mit einer Kamera seiner eigenen
repetitiven Alltagsmonotonie im grau-blauen Filter auf die Spur kommt.
Der digitale Film watschelt weiterhin
quäkend in seiner Frühphase rum.
Streng nach Marshall McLuhan ist er
noch nicht über das Nachahmungsstadium bereits vorhandener Medien hinaus gekommen. Bisher lässt sich kein
wirklich systemeigener Code anschreiben. Die unter schwerem Rechnereinsatz erquetschen Effekte sind bekannt
teressant dürfte es erst wieder in dem
Moment werden, wenn der totale Realismus in Computerspielen erreicht ist.
Dann wird man sich endlich die Frage
stellen, was sonst noch so möglich ist,
abgesehen eben von der perfekten Simulation. Bis dahin werden die Maschinen wohl noch ein wenig für das erste Etappenziel schwitzen. Wir warten
phie, Andreas Gursky, sein könnte. Der
junge Mann fragt sich, was mit seinem
Leben ist. Hat er gestern gelebt?
Er beschließt, sich eine Kamera umzuhängen, die automatisch in regelmäßigen Abständen Fotos schießt.
Man sieht ihn bei der Arbeit, der Fotoapparat wird selbstständig ausgelöst,
niemand registriert es. Egal, wo die Ka-
dezent manipulierten Bilder die Intentionen des Films und seine Grundstimmung unterstützen, verfügt über eine
besondere Qualität. Die Dauerfalle
großbudgetierter Blockbuster-Produktionen, mit digitalen Effekten Altbekanntes nachzuahmen, und sei es auch
noch so progressive Sci-Fi, wird hier intelligent umgangen. Ist man bei Hol-
Lecker Flüssigmetall-Morphing von Hype Williams, von
dem auch die schönen Clips für Missy Elliott in Insektenbzw. Kampfroboter-Rüstungen sind: Busta Rhymes wird aus
einem Glas Wasser als Glibbermann geboren, wie es der Terminator II bei James Cameron schön reibungslos vorgemacht hat. Busta tropft, schmilzt, wabert durch eine silbern
schimmernde Umgebung und generiert eine Geschmeidigkeit, in die man sich reinkuscheln möchte. Und materialisiert sich, wie immer in seinen Clips gut angezogen, in silberner Rüstung samt glänzenden Sneakers. Sein zweites
Outfit ist eine silberne Blechuniform, im Schlepptau hat er
eine gesichtslose Blaskapelle als Verweis auf den "Zauberer
von Oz". Er wird zum durchsichtigen SciFi-Kopfmonster, das
rumgleitet und die Zähne beim Rappen bleckt. Seine Umgebung besteht aus fest geometrischen Formen, aus einem
Raum, bei dem sich Kacheln als kantige Blöcke aus der
Wand rausschieben. Gegen die Kuben singt Janet Jackson in
einer Sphäre aus weichem Metallsamt an. Sie ganz wallerausch im ösenbesetzten lila Domina-Lackkleid, umwogt
und umspült von silber-violetter Flüssigkeit. Alles wellenkräuselt sich. Die einzige Konstante ist ihr im Decolleté prall
zusammen gequetschter Busen, auf dem kleine Busta Rhymes-Wassertropfen zerspringen. Flüssigkeit und Sex. OK.
Das ist offensichtlich. Und was folgt, ist ein wunderschön
dynamisch tröpfelndes Ineinanderglitschen der beiden in
Flüssigmetall. [VERENA].
http
www.onedotzero.com
Der digitale Film Solary Man zeigt gelungen die
Monotonie des Alltags - da kann selbst der
Realsozialismus einpacken.
oder bekommen eben einen netten
Twist, aber eine wirklich eigene Sprache? Ein eigenes Zeichenrepertoire?
Fehlanzeige. Es erinnert an den Beginn
der Kinematographie, die auch Jahrzehnte brauchte, bis sie sich vom
bloßen Abfilmen bereits bekannter
Phänomene oder dem simplen Aufzeichnen von Theatervorführungen lösen konnte. Doch es keimt Hoffnung.
Das Filmfestival "onedotzero" betreibt
bereits seit einigen Jahren Schnittstellenforschung in Sachen digitaler Film.
BINÄR-FILMFESTIVAL
War "onedotzero" zunächst eine noch
wenig beachtete Lokalveranstaltung in
London, fährt das Binär-Filmfestival inzwischen radikalen Globalisierungskurs: Tokio, Stockholm, Prag, Barcelona, Hongkong und zum zweiten Mal
bereits Berlin standen im letzten Jahr
auf dem Reiseplan.
Mit thematisch zusammengestellten
Sammelsurien versuchen die Macher,
einen Überblick der verschiedenen Felder digitaler Bild- und Tonforschung im
neuen Jahrtausend zu geben. Altbewährtes und –bekanntes wie schnellschießende Videoclips, knackig-bunte
Flashfilmchen oder der neueste speicherfressende Spieletrailer bieten ein
paar amüsante Einblicke in den Stand
der Manipulierbarkeit von Bildpixeln.
Aber das ist alles nicht wirklich neu. In-
ab und vertreiben uns die Zeit mit den
ersten zaghaften Versuchen, den digitalen Möglichkeiten eine intelligente
narrative und sprachliche Ebene abzukritzeln. Bei den "onedotzero"-Screenings in Berlin stach besonders ein Beitrag aus England heraus: Jake Nights
Kurzfilm "Solary Man".
UND TÄGLICH GRÜßT
DER PIZZAKARTON
Ein Mann liegt auf dem Boden, leerer
Gesichtsausdruck. Man erfährt nicht,
warum er regungslos auf dem Teppich
eines 08/15 Großraumbüros liegt. Alles
ist in einem Millenium-schick graublauen Grundton gehalten. Der Mann
steht auf, geht einen endlos langen
Gang hinunter, Ende der Sequenz. Er
wohnt in einem sich ewig wiederholenden Gebäude, sein Weg zur Arbeit ist
die U-Bahn, er geht einkaufen, alle
Menschen um ihn herum sehen gleich
aus, der Businessanzug als Uniform.
Digital montierte, repetitive Endlosstrukturen, die an künstliche Gurskys
erinnern, prägen sein Leben: Sein
Wohnblock besteht aus einer Reihe
modernistisch-minimaler Hochhausfassaden ohne Variation. Da kann
selbst der Realsozialismus einpacken.
Man sieht Einstellung auf Einstellung,
die jede für sich genommen ein montiertes Breitwandbild des Meisters der
intelligenten Monumentalphotogra-
mera im Folgenden losgeht, die Figuren im Film bleiben stoisch ignorant,
obwohl der Effekt für den Zuschauer
spektakulär ist, sie sehen den technisch überzogenen Moment des Auslösens.
Ein paar Tage später schaut sich der namenlose Held die ersten vier Filme in
der Mittagspause an. Er sieht: Seine
Wohnung in ihrer simplen Tristesse,
den Ticketautomat der U-Bahn, seinen
Arbeitsplatz im Großraumbüro, den
Supermarkt in seiner Anonymität der
endlosen Einkaufsreihen. Und jeden
Tag eine völlig identische Bilderreihe.
Er stellt fest: "My life is rotating". Dann
schließt sich die Zirkulationsschleife
des Films, es wird klar, warum er am
Anfang auf dem Boden liegt. In einer
Kontrastierung zu dem restlichen Ablauf, der monoton träge dahingleitet,
gibt es plötzlich eine enorme Verdichtung der Zeitachse: ein Kollege stolpert über ein Kabel, in einer digitalen
Sequenz wird eine stretchende Superzeitlupe mit Rotationseffekt der Kameraperspektive etabliert, ein anderer
Kollege haut eine Kaffeetasse um, dem
Helden fliegt ein Pizzakarton in den
Nacken, er fällt um. Soviel dazu.
MONOTONIEFORSCHUNG
IM EISBERGLOOK
Das Thema von "Solary Man" ist nicht
neu. Aber die Art und Weise, wie die
lywoods bemüht dollen Feuerwerken
entweder gelangweilt oder so spitzfindig, sich an der doch noch nicht wirklich vorhandenen Perfektion aufzuhängen, gibt es in Nights kleinem Monotonieforschungswerk keine Möglichkeit
der Flucht in die Verurteilung. Diese
Bilder passen und man muss sich ihnen
stellen. Der immer anwesende eisig
grau-blaue Filter und die technisch
produzierten Vorlagen (Architektur,
Stadtbild, Apparaturen) und digitalen
Bilder reproduzieren eine Welt der perfekten Monotonie. Aber genau an dieser Monotonie kristallisiert sich trotzdem noch eine Differenz heraus, in diesem Fall die des Stolperns über das Kabel und des fliegenden Pizzakartons.
Zur Diagnose einer all-technischen
Welt bedarf es also der ebenfalls rein
technischen Apparaturen, in diesem
Fall der umgehängten Kamera mit
Selbstauslöser, zur Unterbrechung der
Monotonie bedarf es aber scheinbar
einer profanen Nahrungsverpackung
beschleunigt von Muskelkraft im
Raum. Debug empfiehlt: Lieber mal
wieder gut essen gehen.
Röyksopp - Eple
Regie: Thomas Hilland
Röyksopps easy listening-Gefrickeltrack "Eple" macht sich
exzellent im eng anliegenden, quietschgelben 70er-ThermoOutfit zum Après Ski an der Berghütte. Und deshalb besteht
hier die Welt aus Postkarten und Urlaubsbildern mit Menschen als eingefrorenen Setzkastenmännchen in der Landschaft. Bilder werden zu gezoomten Photoshop-Schnipseln,
die sich aneinander reihen, ineinander übergleiten und
durch ihre rangezoomten Details von einem Bild ins nächste
überleiten. Schnipselrealitäten, die mit dem angegilbten
Charme Geschichten auf den Fotos aus den 70ern und
80ern ausplaudern. Seien es Fotos vom relaxten Wanderurlaub vor dem Alpenpanorama mit aufdringlich schwimmbadblauem Himmel, tolle Apartments vor südlichen Betonwüsten oder Campingfamilien in Schlaghosen und fesche
Segler; oder Kinderfotos. Darum auch Kuriositäten wie
Mädchen mit weißem Hund vor Kirche oder feucht-fröhliche Dauerwellen-Damen in Kittelschürzen bei ausgelassenem Gelage auf der eichenrustikalen Eckbank. Es sind Postkarten vom Flohmarkt, voll verfranzt mit künstlich dick aufgetragenen Farben. Die geben dem Andenkenfoto eins auf
die Verfremdungsmütze. Als könnten sie mit den Farben
auch dramatische Gefühlslagen in fetten Schichten
nachträglich auftragen und das Erlebnis in der Erinnerung
gewichtig machen, wie das damals die grell nachkolorierten
Filme der 50er-Jahre mit pathetischer Farbgebung versuchten. Mittlerweile werden die Motive der Postkarten auf
Mousepads verhackstückt. Auch schön farbig. [VERENA]
<30> - DE:BUG.68 - 02.2003
MUSIKCLIPS
Film_Digital
Die Goldenen Zitronen - Flimmern
Regie: Deborah Schamoni, Ted Gaier
(Smoczek Policzek)
Deborah Schamonis Clip zu "Flimmern" von den Goldenen
Zitronen ist beeindruckend blaustichig inszeniertes Cinéma-Vérité mit ein paar roten Flecken: Die Mitglieder einer
Selbsthilfegruppe gegen was-weiß-ich-was verhalten sich
sehr befreit und werfen allerlei Elektronikgerät an die Wände ihres kahlen Gruppenraums: Monitore, gerne iMacs,
handliche Digitalkameras und natürlich eine Gitarre. Das
ist im amateurigen Homevideo-Stil gefilmt, ein bisschen wie
bei Fatboy Slims "Praise you" (Spike Jonze, 1997) - bloß dass
hier weniger getanzt wird. Stattdessen tritt die eine und der
andere kontrolliert-aggressiv aus dem Kollektiv und agiert,
teils untertitelt, nur entfernt assoziativ zum Songtext: "Was
soll'n die Nazis raus aus Deutschland ... hier gehör'n sie hin."
Ein wenig in den Schnitt gefallen ist die letzte Wendung des
Clips, in der sich die Selbsthilfegruppe als Galeriepublikum
entpuppt. Mit der verfilmten Performance gewann “Flimmern” den Publikumspreis der Kurzfilmtage Oberhausen.
Nun ist der Clip noch mal europaweit auf Kino-Tour zu sehen: www.kurzfilmtage.de [Ingrid Arnold].
Björk - It's In Our Hands
Regie: Spike Jonze
Björks Videos laufen außer Konkurrenz. Von Spike Jonze (u.
a. Beastie Boys' "Sabotage" 1994, Björks "It's Oh So Quiet"
und das rückwärts gedrehte "Drop" von Pharcyde - beide
1996, "Elektrobank" von den Chemical Brothers 1997, und natürlich - "Being John Malkovich" 1999 und Fatboy Slims
"Weapon of Choice" 2001, sowie der neue Spielfilm "Adaptation" - Kinostart am 6. März) mit Army-Nachtsichtgerät
und fluoreszierenden Kontaktlinsen in einem grünstichigen
Quasi-Schwarz-Weiß gedreht, ist "It's In Our Hands" eine
dieser unvergesslichen atmosphärischen Bilderfolgen: Björk
duckt sich als kleines, hochschwangeres Elfenwesen zwischen Riesenpflanzen hindurch, begegnet im dunklen Wunderland einem großen Frosch oder schwimmt mit Rochen
und Quallen: "Look no further!" Man könnte in vier Minuten auch einen Kurzfilm erzählen. Björk bleibt dabei: eine visuelle Idee, einzigartige Performance, große Videokunst.
Seit Chris Cunninghams Video zu "All Is Full Of Love" 1998
lief irgendwie kein Björk-Video mehr in der Heavy Rotation,
keine der Single-Veröffentlichungen aus "Vespertine". Ein
Glück, dass sie mittlerweile alle Singles als DVD rausbringt
- und es ihre Videos auf bjork.com als Quicktime gibt.
[Ingrid Arnold]
DIE TECHNIK STEHT BEREIT,
ES FEHLT AN INHALTEN
Filmstudium und Digitalität
TEXT: INGRID ARNOLD | [email protected] / FOTOS: NOSHE
Digitale Filme haben nach wie vor das Zeug zur Subversion der
Filmbranche - anders erzählen müssen sie dafür aber gar nicht.
In den Unterrichtsplänen der Hochschulen ist von einer digitalen Revolution aber noch wenig zu merken. Ingrid Arnold hat
sich umgehört.
Im Dezember 2002 hat Wim Wenders
in Hamburg eine Professur angetreten,
im neuen Studiengang Medien an der
Hochschule der bildenden Künste. Das
klingt erstmal nicht allzu spannend,
gab es doch von ihm als Regisseur
außer einem Bap-Film und dem braven
Beitrag zu "Ten Minutes Older" in letzter Zeit nicht viel zu sehen. Aber man
kann von seinen Filmen halten, was
man will: Wenders ist einer der fleißigsten Lobbyisten des digitalen Films in
Deutschland. Und da kann es ja nicht
schaden, dass er die Beschäftigung damit an der Uni fördert. In der Ausbildung scheint es nämlich beim Thema
digitaler Film noch zu hapern: Die
Technik steht bereit, es fehlt an Inhalten.
Auch Wenders will interdisziplinär arbeiten, damit der digitale Film "alte
Formen wieder beleben" kann, aber auch
"neue Formen erfinden". Welche könnten das sein? Von neuen Erzählformen
ist seit Jahren die Rede: Jedes VideoFestival und jede Medienkunstausstellung will sie erkunden - erzählt wird
dann aber selten etwas, weil das ja den
Ruch des Reaktionären hat, Hollywood
und so. Im Independent-Bereich dagegen geht auch im Erzählkino nur noch
wenig ohne DV, weil das so schön nach
"Dogma" klingt. Und jeder halbwegs
erfolgreiche Filmemacher mit einer
DV-Kamera spricht von der Revolution
- und muss damit allerdings die Produktionsbedingungen meinen, nicht
die schlechtere Bildqualität.
DIGITALITÄT IM FILM, WAS KANN
DAS SEIN?
Dass der digitale Film zu einem etwas
inhaltsleeren Begriff verkommen ist,
mag auch an der Unklarheit darüber
liegen, was mit Film gemeint ist. Digitale Filme sind ja nicht automatisch
Medienkunst. Zwar haben sich Avantgardefilm und Videokunst frühzeitig
mit dem Einfluss der neuen Medien
und mit der Digitalisierung beschäftigt. Aber auch die Filmindustrie hat
sich die Technik früh angeeignet - und
damit durchaus Innovatives geschaffen, angefangen bei Coppolas "One
from the Heart" über, natürlich, Geor-
http
Die “Academy Of Converging Media” geht ins zweite Jahr, wieder mit zwei "Modulen" zwischen Juni und August 2003. www.academy-of-converging-media.de/
Der Berlinale Talent-Campus findet dieses Jahr zum ersten Mal statt, vom 10. bis
14. Februar. www.berlinale-talentcampus.de/
Kleine feine Website mit kontroversen Texten - und Infos zu den im Forum der
Berlinale laufenden DV-Produktionen. www.netloungedv.de/
ge Lucas bis zur digital animierten "Toy
Story". Doch erst seit Dogma 95 herrscht die Überzeugung vor, dass der digitale Film das Kino auch aus dem Independentbereich heraus revolutionieren kann. Der "erleichterte Zugang
zu Produktionsmitteln" und billiges Material erlauben mehr Do-it-yourself,
neue Distributionswege (Internet, Satellit und DVD) eröffnen sich. Mehr Experimente sind möglich, die Fantasie
scheint befreit.
Andererseits werden gerade die Produzenten des Blockbuster-Kinos auch
künftig auf eine Angleichung der Dramaturgie von Kinofilmen an Videospiele und Internet drängen - dunkle Erinnerungen an frühe Van-Damme-Filme
und zuletzt "Resident Evil" werden
wach. Was, wenn das die einzigen neuen Erzählformen sind? Die nicht neue
und ernüchternde Erkenntnis: Die Zukunft des kommerziellen digitalen Erzählens sind wohl tatsächlich interaktive Spiele mit narrativem Charakter.
Denn im Filmbereich selbst scheint
sich nicht viel zu tun. Das bestätigt ein
Blick auf die Ausbildungssituation.
AN DER HOCHSCHULE UND
ANDEREN INSTITUTIONEN
Während an Kunsthochschulen wie der
für Medien in Köln Studiengänge zu
"audiovisuellen Medien" oft pragmatisch zwischen Film und Medienkunst
unterscheiden - wo dann viel und gern
mit digitalen Formen experimentiert
wird -, beziehen an Filmhochschulen
nur die wenigsten Fächer die Digitalisierung in den Curriculum ein. Und
wenn, dann stehen, wie an der Filmakademie Baden-Württemberg im Studienfach Mediadesign, "Themen wie Interactive Storytelling, Game Development, Interactive Media Technologies
(EPGs, Media Browser etc.), Immersive
Erlebnisräume sowie die Entwicklung
neuer Rezeptions- und Interaktions-Devices" im Vordergrund; es geht also gar
nicht mehr um Film.
Die Master School Drehbuch, eine Initiative des Filmboard Berlin-Brandenburg, hofft weiterhin, Autoren zum
"wirklich guten Drehbuch" zu verhelfen.
Doch will sie sich auch "modernen For-
Immerhin: Der "erleichterte Zugang zu Produktionsmitteln" und billiges Material erlauben mehr
Do-it-yourself, neue Distributionswege (Internet, Satellit und DVD) eröffnen sich.
men des Erzählens" nicht verschließen:
Zusammen mit der Deutschen Filmund Fernsehakademie Berlin (dffb) hat
sie deshalb die "academy of converging
media" ins Leben gerufen, weil "hoch
qualifizierte Spezialisten" gebraucht
werden, um "die Geschichten von morgen zu schreiben". Unterschieden wird
in den Kursen zwischen Stoffentwicklung für interaktive Medien und Stoffentwicklung für kooperative Systeme.
Gemeint sind in beiden Fällen vor allem Games. Das Ziel: eine "Professionalisierung der Medienindustrie".
Die Berlinale schließlich veranstaltet
dieses Jahr den ersten "Talent Campus". Rund 500 internationale junge
Menschen aus den Bereichen Dreh-
buch, Produktion, Regie, Kamera und
Schauspiel sollen sich mit etablierten
Profis austauschen können, Kontakte
knüpfen und sich mit der gesamten
Bandbreite des Filmschaffens auseinandersetzen: "Von neuesten technologischen Entwicklungen und stilistischen
Trends bis zu ethischen Fragen." Explizit
um digitalen Film geht es also auch
hier nicht - obwohl sich den Teilnehmenden laut Presseinfo Fragen stellen
sollen "zum Einfluss digitaler Technologien und zu neuen Wegen des Erzählens".
Wobei wir immer noch am Anfang
wären: auf der Suche nach neuen Erzählformen für den Kinofilm.
<32> - DE:BUG.68 - 02.2003
VERLOSUNG
BILDERKRITIKEN
TEXT: STEFAN HEIDENREICH | [email protected]
STABILO BOSS MINI
Winterzeit ist Indoorzeit. Passend zur
Schreibtisch-Saison wird im Hause Stabilo (ja, die mit den Stiften) nicht gekleckert: Der Stabilo Boss Mini, der
kleine dicke Pocket-Boss unter den fetten Markern, soll euch die individuelle
Nachgestaltung in Büchern erleichtern. Für alle Studenten und ähnliche
Leute, die Bücherseiten während der
Lektüre ganz ungeniert verfremden,
bietet sich diese 3er-Pack-Lösung an.
Predator Bild
www.msnbc.com/news/818335.asp?cp1=1
Gehört ihr also zu den fortschrittsorientierten Schreibtischknechten, seid
Büromaterialien gegenüber aufgeschlossen, wolltet schon immer im Seminar oder Office mit Boss markieren,
könnt ihr 10 mal die Stabilo Mini Boss
3er-Packung gewinnen.
Postkarte bitte senden an Debug,
Brunnenstr. 196, 10119 Berlin. Stichwort: "Der kleine Dicke". Einsendeschluss: 13. Februar 2003.
Kein Rechtsweg.
Krieg
Predator heißt die bewaffnete Drohne, von der aus kürzlich
irgendwo in der arabischen Wüste ein fahrendes Auto beschossen wurde. Bilder dieser Qualität sind alles, was man
im Netz von den Kameras der "Räuber" findet. Erstaunlich
genug, dass der Konsolen-Schütze überhaupt ein Ziel erkannt hat. Aber wie immer sieht man auf dem Rauschen,
das für Zivilisten vom Kriegsschauplatz übrigbleibt, nicht
viel mehr, als die Tatsache, dass etwas passiert. Die Kriegsgamer hinter ihren Konsolen behaupten immerhin, man
könnte in der unzensierten Live-Sendung beinahe die Nummernschilder lesen. Offenbar genug für einen kurzen Prozeß.
In Zukunft sollen Mobiltelefone genügen, um ihre Besitzer
auszuweisen. In Arabiens Wüste, Afghanistans Bergen und
palästinensischen Flüchtlingslagern ist diese Zukunft schon
wahr geworden. Ein schönes Medienverbundsystem: bei Anruf Mord. Das CIA hat nun eine Liste mit Identitäten (und
Telefonnummern?) herausgegeben. Israel praktiziert die
Methode schon seit einiger Zeit.
Predator heisst wörtlich "Vor-Datierer". Was die bewaffneten Drohen auf jeden Fall vordatieren, ist die Exekutive von
die Jurisdiktive: erst vollstrecken und dann sehen, was es zu
verhandeln gab. Wie sieht die Lage im Kriegszustand aus?
Ferngelenkte Flugzeuge machen Mobilfunk-Endgeräte unbrauchbar. Menschen gibt’s nur jenseits der Schnittstellen,
manche hinter der Konsole und andere mit dem Ohr am
Handy. Erstere im Langzeittest für bedingte Reflexe, letztere Kollateralschäden bei der Bereinigung von Fehlkommunikation.
sh
••
DAS WETTER ZUR WAFFE MACHEN
Weather Weapons
TEXT: NICO HAUPT | [email protected]
Während die zu erwartenden Kiregsaktivitäten der USA unter
dem Zeichen des militärischen Betattesting neuer Technologien stehen, brodeln in den Thinktanks einerseits und in Laboren,
die nicht mal das CIA kennt, andereseits die Diskussionen über
das Wetter von morgen und wie man es als Waffe nutzen kann.
Sind punktuellen Löcher in der Ionispähre schlagkräftiger als
ganze Truppenverbände?
Alle Jahre wieder kursieren neue Updates über die Zweigprojekte des "Wetterwaffen"-Projektes HAARP, das
zunächst geheim unter der Strategic
Defense Initiative (SDI) Ronald Reagans entwickelt wurde und in Gokoma/Alaska stationiert ist. Mit zuneh-
Die ganze Welt ist aus Papier:
Die Liebig-Bilder
www.gwdg.de/kunsts/wwwpapier/zooml11.htm
Die Avantgarde in Sachen Fleischextrakt war im Deutschen
Reich wegweisend in Sachen Werbung und hat sich nicht gescheut, sich auch gesellschaftlicher Themen anzunehmen.
Konkurrenten standen den Liebig-Leuten nicht nach, etwa
Palmin mit seiner Sammelkarten-Serie zum Thema "Armee": Volksertüchtigung und Berliner Kasernenromantik
im Namen der guten Margarine. Mit Disziplin und Gehorsam auf dem Weg zum 1000-jährigen Reich. Eigentümlich,
was aus der Bildästhetik der Zeit übrig geblieben ist: die steifen Posen erinnern an Menzels unvollendetes Schlachtgemälde und die seltsam schlotterige Linienführung an
Simplicissimus-Comics. Der Rest, auch der visuelle Rest, von
Preußens Gloria liegt unter dem Schutt des 1000-jährigen
Reichs gut begraben.
Was wäre heute eine Parallele: Top-Gun Romantik aus dem
persischen Golf direkt unter dem Zeichen von Coca Cola,
dem guten Kokain-Extrakt für Piloten, oder im Namen der
Siegesgöttin Nike. Mazedonien-Schutztruppe feat. Mercedes Benz. Nicht der Walking-Rentner mit Camper, sondern
Werbung, die zeigt, was politisches Engagement wirklich
bedeutet. Stattdessen wird heute geradezu zwanghaft auseinandergehalten, was doch eigentlich zusammengehört.
Allen Kriegszuständen zum Trotz hat sich die Armee als Modell werbewirksamer Wunschproduktion noch nicht wieder
voll etabliert.
sh
•••
maßte der ehemalige Nationalsicherheitsberater Zbigniew Brzezinski in
seinem Buch "Between Two Ages", dass
Techniken der Wettermodifikation entwickelt werden würden, um künstliche
Stürme zu kreieren. Schon seit Jahren
wurden Spekulationen laut, ob gar El
http
Nützliche unabhängige Quellen:
www.guerrillanews.com/government/doc288.html
www.globalresearch.ca/articles/CHO201A.html GWEN links
www.totse.com/en/politics/us_military/gwen.html
educate-yourself.org/gwentowersbybyronweeks.html
Space weapon empire link:
www.globalresearch.ca/articles/VAL206A.html
Project Starfish:
www.globalpolicy.org/socecon/envronmt/weapons.htm
Project Starfish (1962)
peopleawakening.com/bio.html
Die Geschichte von Wetterwaffen galt bislang als
spekulativer Mythos.
mender Kriegslust der Amerikaner, die
im November 2001 quasi ehemalige Alliierte wie Saudi Arabien oder sogar Pakistan imaginär auf ihre Liste setzten,
wurden nun auch weitere futuristische
Pläne gegen Länder mit Waffen der
Massenzerstörung (WDM) enthüllt.
Wie aber der kanadische Professor Michel Chossudovsky (http://www.globalresearch.ca) zu Recht befand,
gehört auch HAARP zu solchen Waffen. HAARP nimmt zunehmend eine
wichtige Rolle im Wetterkrieg ein. Wie
Wissenschaftler Dr. Rosalie Bertell
vom "International Institute of Concern for Public Health" jüngst erneut
bestätigte, arbeitet das US-Militär
tatsächlich an neuartigen "Wettersystemen" als potentielle Waffe.
HOCH OBEN
HAARP, kurz für "High-Frequency Active Aural Research Program", soll ein
gigantischer Erhitzer werden, der
große Zerstörungen in der Ionisphäre
verursachen könne. Solche Löcher
würden aber auch das Schutzschild
zerstören, der die Erde bislang vor tödlichen Strahlungen aus dem Weltall
schützt. Schon in den 70er-Jahren mut-
Nino ein "Fehlprojekt" solcher militärischen Experimente war. Andere vermuteten, dass das Militär so genannte
Chemtrails in die Wolken absetzt, um
das Klima zu beeinflussen.
Marc Filterman, ein ehemaliger französischer Militäroffizier, beschreibt verschiedene unkonventionelle Wetterwaffen, die sich Radiofrequenzen bedienen, sogenannte "extreme low frequencys" oder auch ELF genannt.
HAARP, so Autor Dr. Nicholas Begich
("Angel's Don't Play this HAARP", earthpulse.com), soll Radiowellen in die
Ionisphäre schicken und die Atmosphäre mit plasmaphysikalischen Methoden aufhitzen. Danach würden
elektromagnetische Wellen auf die Erde zurückgelenkt und bestimmte Einwohner "on demand" penetrieren. Dr.
Begich - ältester Sohn von US Congressman Nick Begich Sr. (Alaska) und der
politischen Aktivistin Pegge Begich wurde zwei Mal als Präsident der Alaska Federation of Teachers und der Anchorage Council of Education gewählt
und gilt als seriöser Autor. Was Begich
in seinem bekanntesten Werk noch als
Zukunftsszenario beschrieb, gibt es
aber auch schon als kommerzielle Vari-
ante.
Im August 2001 prahlte Peter Cordani
von der Firma Dyn-O-Mat, die Stärke
von großen Hurricans mindern zu können (http://www.newscientist.com,
http://www.dynomat.com) und schon
1997 baute die malaysische Firma BioCure mit seltsamen Verstrickungen sowohl nach Russlang als auch in die USA
an künstlichen Zyklonen - wie damals
vom malaysischen Forschungsminister
Datuk Law Hieng Ding bestätigt wurde.
HERR ÜBER DEN STURM ODER SO
Die Geschichte von Wetterwaffen galt
bislang als spekulativer Mythos aus
dem Hause von Nikola Tesla-Fans, allerdings wurden etliche Entwicklungen
immer wieder mal von verschiedenen
Quellen nachgewiesen. 1962 begann
die USA mit dem "Project Starfish" die
Ionisphäre und den Van Allen Belt im
Weltall zu manipulieren. 1978 arbeitete
das Solar Powered Satellite Project an
Satellitenwaffen. 1981 experimentierte
das NASA Spacelab mit dem Orbit Maneuvering System und "Gasinjektionen". 1985 weiterentwickelte das Space
Shuttle diese Gasmanipulationen, um
ein Loch in der Ionisphäre zu erzeugen.1986 arbeiteten die USA erstmals
an einer Hydrogenbombe, doch die Experimente schlugen fehl. Kurz darauf
geschah die Tschernobyl-Katastrophe
und das US-Militär beendete offiziell
diese Experimente. Seit Jahren gibt es
in den USA allerdings ein "Weather
Modification Advisory Board", das
noch im Juli 2002 auch das Oklahoma
Weather Modification Program mitintegrierte.
Immer wieder tauchen also Wetterwaffen in seriösen Dokumenten auf. Seltsame Machtgedanken kreisen dort,
beispielsweise in einem militärisches
Forschungsdokument vom August
1996, das am kompletten "Wetterbesitz" im Jahre 2025 arbeitete: Diese Studie sah vor, dass unbemannte Flugzeuge genutzt werden sollen, um Wettermodifikationen mit Hilfe von eingebauten Mikrowellenwaffen vorzunehmen. In der Trilogie der Ressourcenkriege, derzeit getarnt als "War Against
Terrorism", wird nach Öl und Wasser
nun auch das Wetter aufgenommen und das Topic von den meisten Massenmedien ignoriert.
DE:BUG.68 - 02.2003 - <33>
//01
www.popularfront.com/
seasonsgreetings
Jaja, jede Schneeflocke sieht anders aus.
Das stimmt. Angucken und selbst ausprobieren. Die amerikanische Werbeagentur
"Popular Front Interactive" beschert uns
für den Winter Schneeflocken zum Ausschneiden im Flashformat. Nach Weihnachtsstern-Prinzip schneidet man Löcher
in eine dreimal gefaltete Fläche, versieht
sie mit Namen und kleinem Text und speist
die Flocke in die Schneelandschaft. Da fällt
sie als weißer Punkt vom Himmel, mit
Mouseover zoomt sich der Punkt zum
Sechseck auf eine Postkarte samt Namen
und Gruß und vollzieht den Ausschneideprozess im Schnelldurchlauf nach, bis aus
dem Sechseck eine Schneeflocke geworden ist. Ohne Frost. [KAREN]
//02
www.liebesexundaids.de
Ein wollenes, himmelblaues Kondom und
fünf Jungs zwischen 18 und 28 Jahren erzählen uns was über Liebe, Sex und Aids.
Art Director dieser etwas anderen Aufklärungsinitiative ist Mike Meiré, der solche und andere Statements (www.statements.de) immer wieder gern hat und auch
gut verpackt. Boris, Chris, Daniel, Nico und
Sung-Woo posieren jeweils mit dem seltsamen, gestrickten Objekt (von Bernhard
Wilhelm) vor der Kamera (Kira Bunse) und
finden dieses Spielzeug nicht wirklich amüsant. Authentisch ist das Ganze nicht, aber
trotzdem will man den Bildern ihr albernes
Geheimnis entlocken, die Gesprächsfetzen
knistern im Hintergrund und am Ende
steht völlig unerhofft im blauen Dunst die
Aussage: Die Wahrheit liegt manchmal im
Banalen. [MIU]
04
//04
//03
www.messageproject.com/
msg.html
Das Messageproject zeigt in seiner ersten
Ausgabe "I Think Therefore" Photos von
Menschen in Manila, die in den Müllhalden
nach kleinen Kostbarkeiten suchen, um so
ihr Leben zu finanzieren. Jede Aufnahme
des "Treated Photo Essay" basiert auf vielen übereinander gelegten Layern: Bildelemente werden mit unterschiedlichen
Transparentheitsgraden wiederholt, verschoben und folgen dennoch der Komposition eines Dokumentarbildes. Ein kleines,
rotes, blinkendes Kreuz öffnet auf Klick einen Text zum Bild. Ohne leere Protestaufrufe, mit Wissen um die eigene Selektion,
bleibt die Seite dem Political Chic geschickt fern. [KAREN]
www.hfg-offenbach.de/
projStart.hfg?fdId=100
Objekte oder Ideen, die einem den Kopf
verdrehen, sind ziemlich selten. Eine Quelle für solche Dinge findet sich an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach. Der
”main – laden“ verkauft Kunst, Design und
Theorie der Studierenden und Alumnis aus
den beiden Fachbereichen Visuelle Kommunikation und Produktgestaltung. Und
da sind sie, die Prototypen, Experimente
und Meisterstücke, die ein Höchstmaß an
Phantasie und Liebe enthalten. Taschen-TShirt, Bastelbogen für einen Heimcomputer, Filzringe, May – eine Ablage, Eissterne,
green_pot – ein Zitat der Natur in den
Raum, sind nur ein paar Beispiele aus dem
bunten Sortiment. Demnächst bekommt
der ”main – laden“ auch seine Verkaufsräume, aber auch im Netz findet das Geschenk
seine Abnehmer, denn der nächste Anlass
wartet schon! [MIU]
02
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//05
www.kramdesign.com
Post-it-Design ist etwas Wunderbares: Es
funktioniert wie ein Panorama, ist modular
und bündelt alles zu einer klaren, aber farbigen Ordnung. Red Krams neue Website
verrät endlich mehr über seine Futurologie,
wie er sie z.B. in Rem Koolhaas ”Seattle Public Library”–Projekt oder das Mediendesign der Prada Stores realisiert hat. In der
Research Abteilung werden weitere Konzepte und Experimente zum Interface Design von morgen vorgestellt, auf das wir
wohl noch einige Jahre warten müssen. Mit
ausführlichen Beschreibungen und bestem
Bildmaterial hat diese Seite alles, was ein
neugieriges Auge sehen will. Der Travellog
ist natürlich etwas Attitüde, aber als wahrer Kosmopolit muss man schon zeigen, wo
man überall zu Hause ist. Und wer es dann
immer noch nicht weiß: ”In the future,
computers will not live in boxes!“ [MIU]
07
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SERVER
TEXT: ANNE PASCUAL, MARCUS HAUER, KAREN KHURANA |
[email protected], [email protected]
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//misc
www.pixeltees.com
labs.google.com/gviewer.html
www.z.com
www.tree-axis.com/course
www.empire-wb.de
Einfach, aber gibt es das schon? Auf Pixeltees kann man sich T-Shirts selbst entwerfen, verkaufen und vertreiben. Gestaltet
wird pixelbasiert. Dafür gibt es recht viele
Tools: Stift, Radiergummie, Lineal, Buchstaben, Farbauswahl, Formen, Pinzette und
sogar Werkzeugspitzen. Und was macht
man mit dem eigenen Pixeldesign? T-Shirt
für 12$ bestellen (gerade ist Winterschlussverkauf) oder gleich eigenen Shop aufmachen, pro verkauftem T-Shirt verdient ihr
gestaffelt. Ja, ja die New Economy.
[KAREN]
Als ob wir nicht schon lange gedacht hätten, dass Konvergenz nur noch in Post-Post
Economy Gesprächen zwischen Thomas
Middlehoff und Paulus Neef stattfände,
will Google mit dem Google Viewer auch
den letzten Altavista User überzeugen, seinen Internet Fernseher gegen ein neues 17"
PowerBook einzutauschen. Der Interface
Designer jedenfalls hat ganze Arbeit geleistet und sich gleich noch mit seinem Metalliclook und Bildchen-Grafiken vom sleaken auf Simple Text basierenden Look Googles verabschiedet. Diese Website-Slideshow für notorische Maus-Spastiker jedenfalls hat es in sich und wir hoffen jedenfalls,
dass sie in den Google Labs hängen bleibt
und wir vom Play- und Pause-Effekt verschont bleiben. Oh nein!
[YUKO]
Manchmal haben Marketingabteilungen
einfach zu viel Geld. Dann überlegen sie
sich, wie sie mit einer lustigen Domain das
Doppelte davon wieder an ihre Auftraggeber zurückgeben können. Der Nissan 350Z
sollte so ein Objekt werden, was man
schon alleine der hippen Website wegen
glauben könnte (die leider unter ein wenig
Contentmangel leidet...). Wie sie an diese
1-Letter Domain gekommen sind, fragen
wir erst gar nicht, weil wir sonst ganz
schnell merken würden, dass das ganz und
gar gegen alle guten Regeln des goldenen
Al Gore Internet Zeitalters verstößt. Aber
wer kauft schon einen Nissan Sportwagen?
[YUKO]
Ein ebenso lustiges wie kompliziertes Partikelsystem haben sich da Tree-Axis aus
San Francisco ausgedacht. Auch wenn jeder gestandene Physiker (oder wer sonst
dafür zuständig ist) lachen würde, wir finden es ein prima System zum Musik machen oder um solch wichtige Sätze wie "Eat
your greens!" zu formulieren und ganz neben bei allen Zeitgeistforderungen wie Pixelschrift, Raster und Technikfimmel zu inkludieren. Und dabei glauben wir nicht,
dass das noch lange so bleiben wird und ihr
alle nur noch eure Konsolen aus dem Keller
zu holen braucht, um irgendwie halsbrecherische Ideen zu haben. Nein, nein.
[YUKO]
Autobahn Hamburg-Berlin, die nordostdeutsche Tiefebene rauscht in schnöder
Gleichmäßigkeit vorbei, wäre da nicht auf
einem Acker auf der Höhe Wittenburg ein
Werbebanner für www.empire-wb.de. Eine
gründliche Recherche ergab: Die Seite gibt
es wirklich, und Empire ist der Name einer
Großraumdisko. Die selbsternannte "günstigste Diskothek Norddeutschlands"
fackelt irgendwo in Meck-Pomm jedes Wochenende ein größenwahnsinniges Trashfeuerwerk ab. Die obligatorischen PartyFotostrecken lassen jede Nachmittagstalkshow wie das Sandmännchen aussehen. So prall feiert die Provinz. Unbedingt
empfehlenswert. (SK)
<34> - DE:BUG.68 - 02.2003
Buch
BJÖRK
Ein zerlegtes Phänomen in Episoden
TEXT: REGINA MÖLLER | [email protected]
Die amerikanische Autorin Evelyn McDonnell zerlegt das Phänomen "Björk" in Episoden. Eine Art Biographie also. McDonnell beschreibt - vielleicht manchmal etwas zu hochgradig selbst von Björk fasziniert - ihre Karriere vom isländischen Kinder- zum internationalen Superstar. Unterhaltsam und schick,
aber eher etwas für Fans.
Was ist "Björk"? Ein E-Buch, auch "...E =
(E)loquenz, = (E)ffizienz, =(E)pisode , =
(E)ssay" – so die amerikanische Autorin und
Musikkritikerin Evelyn McDonnell. Kein Interviewband, keine Biographie, keine Reisereportage, sondern ein eloquenter, in effiziente Episoden unterteilter Essay als
Wegweiser auf der Entdeckungsreise in das
Reich des Wesens Björk. Also, von allem etwas. Auf in eine Retro- wie Techno-Reise
mit der Erzählerin und "unserer" Heldin. Jawohl "unserer" – richtig gehört. Im Inhaltsverzeichnis werden Kapitel von Episoden
ersetzt, in denen die Erzählerin von unserer
Heldin spricht. Wie im Märchen.
Darin lesen wir von den Anfängen Björk
Gudmundsdóttir als Kinderstar in Island,
erfahren ein wenig über ihre Erziehung,
Aufwachsen und die Beziehung zu ihrer
Heimat Island. Selbst einen kleinen Grundkurs über die Geschichte Islands gibt es.
Ausführlich geht’s natürlich um ihre Solo-
chen kommt. Denn diese Beziehung ist
nicht leicht auszumachen und hier tut sich
selbst die feministische Autorin als Fan von
Björk schon etwas schwerer. (Vielleicht hat
das Thema deshalb kein eigenes Kapitel erhalten.) "Elfenhafte Kindfrau", "Eisprinzessin" sind z.B. Etiketten, auf die "Björk nicht
gerade viel Energie verwendet hat, diese los
zu werden". Sie spielt mit Zündstoff. Björk
überzeichnet - in diesem Punkt der Riot
Grrl-Bewegung nahe, obschon Björk dieser
kritisch gegenüber steht – die Etiketten ins
Paradoxe, indem sie sie nicht ablegt, sondern annimmt und in ihren Video-Clips,
Auftritten und mit ihrer Gestikulation noch
eher verstärkt. Nicht ohne Anspielungen
steht Björk in "Venus as a Boy" als Hausfrau
in einer Küche. Und "Vespertine" sollte ursprünglich "Domestica" heißen. Mit der
elektronischen Kammermusik "das Paradies
in der eigenen Küche finden". Oder, wenn sie
von ihren drei wichtigsten "Spielsachen"
oftmals zu wenig besprochen wird und die
McDonnell ganz richtig anspricht – könnte
durchaus noch ausführlicher sein. Björk
selbst macht keinen Hehl daraus, dass sie
am liebsten mit eigenwilligen Charakteren
und hervorragenden Leuten arbeitet, die
schlummernde Qualitäten in ihr zum Erwachen bringen und sie deren Einflüsse einbringen kann. "Ich mag Spontanität, ausgefeilte Muster und perfekte Arrangements."
LEBENSELIXIER BJÖRK?
Schmerzhaft wird es, wenn die Erzählerin
auf die gescheiterten Beziehungen Björks
zu sprechen kommt und versucht, eine Parallele zu ihrem Leben zu ziehen. Zum Glück
geschieht das nur an wenigen Stellen, die
von uns übersprungen werden können, ohne den Faden zu verlieren.
Denn es handelt sich um eine leichte Lektüre inklusive einem exklusiven Interview.
Manchmal läuft sie Gefahr, Björk wie ein
Schmerzhaft - uh - wird es, wenn die Erzählerin auf die gescheiterten Beziehungen
Björks zu sprechen kommt und versucht, eine Parallele zu ihrem Leben zu ziehen.
Das muss ja nicht sein.
Karriere und der Suche danach, was Björk
zu Björk macht. Für alle, die sich mit Björk
schon mal ein bisschen beschäftigt haben,
soweit eigentlich nichts Neues, aber hier
gebündelt serviert.
spricht, was Klänge angeht: die Stimme, die
Streichinstrumente und der Beat. Da
macht es dann richtig Spaß zuzuhören.
Auch die (weibliche) Intuition, auf die sich
Björk immer wieder beruft, reicht nicht allein für dermaßen professionelle und kreaRIOT GRRL BJÖRK?
tive Produktionen. Es schimmert durch,
Interessant wird es, wenn McDonnell - zwi- dass "Björk" eine brillante Zusammenarbeit
schendrin immer mal wieder - auf das Ver- aus vielen versierten Persönlichkeiten aushältnis von Björk zum Feminismus zu spre- macht. Darin liegt eine ihrer Stärken, die
SERVICEPOINT
Evelyn McDonnell "Björk“. Nicht sehr gut aus dem Amerikanischen von Leah "Babelfish"
Himmelsbach übersetzt. Auf Deutsch erschienen bei orange-press GmbH, 2002. ISBN 3936086-01-X.
www.orange-press.com
Lebenselixier zu behandeln. Nichtsdestotrotz findet es meinen Gefallen durch
ihre offenherzige Entdeckung und interessante Sammlung hervorragender Zitate
"der Virtuosin von fabelhaften Anekdoten
und Metaphern." Und - mal ehrlich - wie
könnte ein Buch dem Energieteufel Björk
auch nur annähernd gerecht werden: "I
can’t say write out my life because that would
kill it!"
Kunst
KULTURIMPERIALISMUS MIT KATALOG
Frederike Clever filtert Bilder
TEXT: JUTTA VOORHOEVE | [email protected]
Die Berliner Künstlerin Frederike Clever verhandelt in der noch vor wenigen Jahren totgeschriebenen
und jüngst kunstmarkt-wirksam auferstandenen Malerei auf sehr eigene Weise Probleme von Sichtbarkeit. Einer Sichtbarkeit zwischen Landschaftsmalerei, Allegorien des Fremden und Exotischen und Urlaubsclischees.
Im latent nervigen Overflow an Literatur
über und Positionierungen zu den Medien
tritt insbesondere der Diskurszirkus über
das Bild gerne auf der Stelle. Es ist also
höchste Zeit, konkrete Blicke zu werfen.
Frederike Clever (* 1971) stellt mit gemalten Metonymien marginalisierter Länder
das westlich Imaginäre und seine Funktionsweise ins Zentrum der geschätzten
Aufmerksamkeit. Sie zeigt, wie geografische Identität über kürzelhafte Landschaftsausschnitte oder imagebildende
Kulturerzeugnisse wie Tempel hergestellt
werden (Balinesischer Tempel, 2000). Die
Künstlerin durchstöbert diverses Bild- und
Textmaterial zu diesen Ländern, beispielsweise Reiseprospekte. Zentralasien oder
Ägypten als gut säuberlich erschlossene
Reiseländer für die westliche Gesellschaft
locken sogar im Neckermann-Katalog mittels schlechter Fotos mit dem Phantasma
des Anderen. Dass ganze Länder auf ein
Eyecatcher-Foto zusammenschrumpfen,
welches quasi symbolisch die komplette
kulturelle Praxis des Fremden einzufangen
vorgibt, erzählt weniger über die Reiseziele
als über die Produktionsmaschine "Sehnsucht" der hiesigen Gesellschaft. "Sheraten
Deha Hotel und Resert, Quatar" (1998), eine Zeichnung der Serie, die sich mit Foto-
vorlagen der Prospektlandschaft auseinandersetzt und im Medienwechsel das gleiche Motiv vom Foto in Malerei transponiert, arbeitet nicht mit dem Modus der
maßstabsgetreuen Übertragung, um das
Medium Malerei als solches zu thematisieren. Es geht um eine ganz andere Form der
Übersetzung: In der Filzstiftzeichnung entdeckt man die Vorlage zunächst gar nicht,
da die schnell gestrichelte Zeichnung, der
etwas Skizzenartiges anhaftet, das Ausgearbeitete zunächst vermeidet. Mit wenigen
Strichen werden Hotel und Umgebung so
dargestellt, dass jeder das Orientalische
sofort erkennt. Selbst dagewesen zu sein,
ist dafür nicht nötig. Die Zeichnung verfügt
über alle visuellen Eckdaten, die mit Quatar gemeinhin assoziiert werden. Als gezeichnetes Bild enthält es aber andere Informationslieferungen als der Reiseprospekt, obwohl die Vorlage nur wiederholt
worden ist. Die eigentliche Informationslieferung liegt genau in dieser Passage vom
einen ins andere Medium. Im Dazwischen
des Nicht-Sichtbaren - die Zeichnung
selbst operiert mit Leerstellen - präsentiert
Clever das Klischee dieser Sehnsucht nach
dem Fremden, Fantasien vom Orient mit
dem ganzen Paket von Ursprünglichkeit
und Abenteuer. "Balinesischer Tempel"
(Öl/ Papier, 2000) lässt in seiner angenehmen bräunlich-rosa Farbigkeit, der sich der
betont grobe Pinselduktus widerständig
entgegen schiebt, bildcodierte Wahrnehmung in Imagination umschlagen. Doch
die dem Konsum vorgelegte abgelegene
Hochkultur kann den kulturimperialistischen Aspekt nicht verbergen. Schließlich
befindet sich nicht jede Kultur im Besitz
des autonomen Individuums, das reisen
kann. Clevers Arbeiten wie "Balinesischer
Tempel" oder "Bei den Tempeln (Angkor I)"
(2001) legen die Potentialität von Bildprozessen offen. Sie verweisen nicht nur auf
die abgebildeten Tempel, sondern in noch
viel stärkerem Maße auf andere Bilder, auf
ein ganzes Netzwerk bereits existierender,
solide errichteter Vorstellungen. Der delokalisierte Tempel führt eine jahrzehntelang
aufbereitete Bilderpalette mit sich. Der
Tempel ist nicht nur der Tempel. In "Angkor
I", grisailleartig nur in grau-weiß Tönen gemalt, von denen sich die Weißhöhungen
stark absetzen und das Ornamentale betonen, finden sich diverse Bildstörungen, die
wie graue Schleierzonen über einigen Bildstellen liegen. Die Störung in der Darstellung betont den Prozess des Darstellens
selbst, der in der vermeintlichen visuellen
Verfügbarkeit aller Bilder aus aller Welt ef-
Malerisch offen legen, wie ganze Länder auf ein Eyecatcher-Foto zusammenschrumpfen, das symbolisch
die komplette kulturelle Praxis des Fremden einzufangen vorgibt.
fektiv unsichtbar geworden ist. Frederike
Clevers Malerei, der ein Filterungsprozess
durch andere Medien vorausgegangen ist,
fängt Spuren ein und nutzt diesen memorialen Zug für ein betont unentschiedenes
Bildspiel. Ihre Malerei oszilliert fein zwischen ästhetischer Landschaftsmalerei
und den dahinter liegenden kulturellen
Rahmenbedingungen. Dabei verwischt
auch die persönliche Handschrift. Von der
unakkuraten Zeichnung bis zur detailgenauen Malweise driften die genutzten stili-
stischen Möglichkeiten.
Die Oberflächen der Sichtbarkeit schließen
unsichtbare Gegebenheiten stets ein. Exakt im Zitat von bekannten visuellen Eckdaten verschwindet die unschuldige Oberfläche ihrer Malerei und schaltet die ideologischen Räume der kulturellen Konstruktionen frei. Und genau das ist auch der Ort,
wo gemalte Bilder die Differenz zu Fernsehbildern und Reiseprospekten aufmachen.
DE:BUG.68 - 02.2003 - <35>
Kunst
DIE NATO BITTET ZUM MEMORY-SPIEL
Das Medienkunstkollektiv Urtica aus Jugoslawien
TEXT: NICK LUETHI | [email protected]
http
Wer von der Nato attackiert wird, kriegt die Bombenlast stets unter einem klangvollen Label verpasst.
Wir erinnern uns: "Enduring Freedom", "Shining Hope" oder "Amber Fox". Das jugoslawische Medienkunstkollektiv Urtica hat das ultimative Onlinegame zu den Namen der NATO-Operationen entwickelt.
Debug hat Violeta Vojvodic und Eduard Balaz von Urtica in Novi Sad getroffen.
www.urtica.org/
Novi Sad, Hauptstadt der Provinz Vojvodina in der Bundesrepublik Jugoslawien.
Knapp hundert Kilometer nordwestlich von
Belgrad, auf halber Strecke in Richtung Ungarn. Seit 1999 international bekannt wegen der von NATO-Bomben zerstörten Donaubrücken. Die Universitätsstadt ist im
Vergleich zur serbischen Kapitale wohltuend relaxed. Es überrascht wenig, wenn
hier ästhetisch schlichte und prägnant konzipierte Medienkunst entsteht. Novi Sad
ist die Wirkungsstätte von Urtica, einem
inzwischen dreijährigen Kollektiv. Debug
traff Creative Director Violeta Vojvodic
und Art Director Eduard Balaz zum Mittagessen beim Griechen, Espresso und Plaudern beim Italiener - dazwischen Sightseeing in der schnuckeligen Altstadt. Neben
einem Penner, der eben abgekratzt ist und
provisorisch mit einem Leintuch bedeckt in
der Fußgängerzone liegt, sind die Auslagen
mit Diesel, Nokia, Swatch und anderem
Markenschrott vollgestopft, der von jungen Frauen in arschbetonten Jeans und J-Lo
Brillen begutachtet wird. An die Synchronität von kaputt und trendy muss man sich
al Healing Therapy" vorstellte – mit Nessel- einer Art offenem Kanal ausstrahlen lassen.
kleidern, Nesselbetten und Nesselkuren Das aktuelle Projekt von Urtica heißt "Lapsoll die Gesellschaft therapiert werden.
sus Memoriae", zu deutsch: Gedächtnislücke. Eine farblich dezent in schwarz/weiß
DEBUG: Was meint ihr genau mit "Social und Grautönen gehaltene, sowie gestalteHealing"?
risch an einfachen und klaren Formen oriVIOLETA: Es geht uns in erster Linie darum, entierte Flash-Oberfläche lädt zum Meüber Dinge zu sprechen, die zwar alle sehen, mory-Spiel ein; Kärtchen aufdecken, reaber niemand anzusprechen wagt – oder an- spektive am Bildschirm anklicken und hofders gesagt: Wir wollen den Finger in die fen, dass man auf zwei identische trifft. BaWunden der Gesellschaft halten. Ausgangs- nal und harmlos, ist man versucht zu sagen,
punkt für unsere Arbeiten ist stets ein sozialer wäre da nicht der politisch brandaktuelle
Brennpunkt, den wir zuerst mit Recherchen Inhalt des Spiels. Auf den Spielkarten sind
ergründen und dann mit einer künstlerischen die Namen von NATO-Operationen der
Arbeit umsetzen.
vergangenen zwölf Jahre als Icons visualisiert. Deckt man zwei nicht identische
DEBUG: Weshalb seid ihr anlässlich eures Kärtchen auf, erscheint die Fehlermeldung
Gründungsprojekts mit einer Werbekam- "Lapsus Memoriae" auf dem Bildschirm,
pagne aufgetreten?
was in diesem Kontext so viel bedeutet,
VIOLETA: Nachdem wir unsere Kunst jahre- wie: Du hast die NATO-Terminologie noch
lang in Galerien und Ausstellungen präsen- nicht verinnerlicht: Weiterspielen! Der Urtiert hatten, suchten wir einen Ort für unsere instinkt des Spielers, nämlich möglichst erArbeiten, der ein breiteres Publikum an- folgreich abzuschneiden, lässt ihn die
spricht. Und das waren die Massenmedien. In Kriegsrhetorik verinnerlichen. Schafft man
den Galerien war man unter sich. Das war es, zwei identische Felder anzuklicken,
zwar nett, aber entsprach nicht unserer Vor- wird zur Belohnung in einer Laufschrift der
in Jugoslawien einfach gewöhnen.
Violeta und Eduard fallen in dieser Lifestyleeinöde auf. Beide sind schlank und groß
gewachsen, Brillen- und Strickjackenträger. Er trägt ein Bärtchen, sie eine unprätentiöse Kurzhaarfrisur; ein bisschen wie
sich das Klischee Intellektuelle oder Existentialisten vorstellt. Beide absolvierten
Kunsthochschulen in Novi Sad und Belgrad. Seit 1997 arbeiten die 30-Jährigen an
gemeinsamen Projekten, seit drei Jahren
bilden sie zusammen mit Olivera Stosic das
Medienkunstkollektiv "Urtica", eine "Independent Media and Art Research Group".
Die Namensgebung stammt von einem
Projekt mit dem Titel "Urtica medicamentum est" - Brennessel ist die Medizin -, einer multimedialen Werbekampagne, die
das heilende und beißende Kraut als "Soci-
stellung von Kunst. Außerdem war das soziale und kulturelle Klima im Jugoslawien der
späten 90er Jahren derart frostig, dass sich
viele Leute in die eigenen vier Wände zurückzogen. So blieb uns nichts anderes übrig, als
die Massenmedien zum Kanal unserer Arbeit
zu machen.
DEBUG: Wie war es denn möglich, die
Werbung für eure – zum Teil recht absurden – Brennessel-Produkte bei den großen
Medienhäusern unterzubringen?
VIOLETA: Da wir unsere Spots als Werbung
für reale Produkte angepriesen haben, war
das kein Problem, außerdem wurde unsere
Kampagne im Rahmen von Mediensponsoring für ein Festival unterstützt.
EDUARD: Bei der unabhängigen Fernsehstation B92 konnten wir unsere Spots zudem in
historische Kontext der betreffenden
Kriegsaktion, sowie verschiedene Bedeutungen der Operationsnamen eingeblendet. Aus sämtlichen ihnen verfügbaren
Wörterbüchern haben Urtica die Begriffe
zusammengetragen. Und siehe da: Mit
Krieg hat höchst selten einer der Termini
etwas zu tun.
Operationen betreibt, ist im Prinzip nichts
anderes als ein Branding. Mit "Lapsus Memoriae" wollen wir an einem konkreten Beispiel
die Double-Standards von vermittelter und
realer Information auf spielerische Weise aufzeigen.
EDUARD: Es gibt tatsächlich einen Zusammenhang zwischen unserem Branddesign
und dem kyrillischen Alphabet. Im Gegensatz
zu den lateinischen Buchstaben, lassen sich
die kyrillischen Schriftzeichen in einen quadratischen Rahmen einpassen.
VIOLETA: …und haben dadurch eine komDEBUG: "Lapsus Memoriae" lebt stark von paktere oder massivere Erscheinungsweise.
der visuellen Komponente. Woran habt ihr
euch bei der Umsetzung orientiert?
Ob man als Medienkünstler in Jugoslawien
EDUARD: Es ist eine Mischung aus Illustra- (über)leben kann, wollte Debug von Urtica
tionen, welche die Namen der NATO-Opera- noch wissen. Doch, das sei durchaus mögtionen visualisieren, sowie Logos, die den glei- lich. Neben Stipendien – die letzten drei
chen Gesetzen gehorchen wie im kommerzi- Monate des vergangenen Jahres haben
ellen Kontext. Auch auf der grafischen Ebene Violeta und Eduard als Artists in Residence
haben wir versucht einen ironischen Touch in Wien verbracht – und eher bescheidereinzubringen.
nen Preisgeldern, finanzieren sich die beiden das Leben als Freelancer in der noch
Das Icon für die NATO-Waffeneinsammel- kleinen Werbewirtschaft Jugoslawiens.
aktion "Essential Harvest" in Mazedonien Eduard arbeitet regelmäßig bei einer Agenzum Beispiel sind drei leicht geneigte tur als Art Director und realisiert kommerÄhren, die ebenso gut als Logo für einen zielle Aufträge für beliebige Produkte, VioGetreidegroßhändler stehen könnten. Ur- leta hat erst jüngst als Freelancerin an der
sprünglich war "Lapsus Memoriae" als in- neuen Corporate Identity von Novi Sad als
teraktive Installation im öffentlichen Raum "Stadt der Künste" mitgearbeitet. Doch die
vorgesehen, scheiterte aber an fehlenden Kunst steht im Vordergrund und das näch-
Finanzen für den Kauf der erforderlichen ste Projekt ist bereits in Vorbereitung.
Hardware. Deshalb ist das Projekt nun auf Quasi als logische Fortsetzung von "Lapsus
CD-Rom und im Web zugänglich.
Memoriae" entwickelt Urtica ein interaktives Wörterbuch, das sich mit den üblichen
DEBUG: Inwiefern dient euch bei der grafi- sozial konnotierten Missverständnissen im
schen Umsetzung das urbane Umfeld in alltäglichen Sprachgebrauch befasst.
Novi Sad und anderswo als Inspirationsquelle?
EDUARD: In keiner Weise. Wir gehen sehr
DEBUG: Inwiefern ist "Lapsus Memoriae" abstrakt ans Werk und orientieren uns an der
im Kontext des NATO-Luftkriegs gegen Ju- Aussage unserer Projekte. Ich lasse mich
goslawien vor drei Jahren zu lesen?
kaum von städtischer Umgebung beeinflussen. Mir geht es einzig und alleine um die viVIOLETA: Der jugoslawische Hintergrund suelle Strategie und das Konzept.
war nicht allein der Anlass für die Entwicklung von "Lapsus Memoriae" – er hatte aber DEBUG: Welchen Einfluss hat der Umsicher einen großen Einfluss. In erster Linie stand, dass in Serbien zwei Alphabete – das
sind wir an Themen wie Werbung und Bran- lateinische und das kyrillische – verwendet
ding interessiert. Was die NATO mit ihrem werden, auf euer Schaffen?
<36> - DE:BUG.68 - 02.2003
Events
GOTO
TEXT: KAREN KHURANA | [email protected]
DEBUG PRÄSENTIERT
AUTOMATEN / Münzstr. 21, Berlin, 05.02.03, 20h mez
Die Automatenbar präsentiert eine lose Vortragsreihe namens "Autoexec.bat" zu forschenden Projekten im Kontext von Technologie und kritischem Design. Am 5. Februar ist Philip Phelan zu Gast, Graduierter vom Royal Collage of Art London, und stellt sein Forschungsprojekt co2nvert vor, von dem wir lernen können, wie Interaktionsdesign gegen globale Erwärmung angehen kann. Co2nvert
verknüpft Elektrizität mit Daten, um zu vermitteln, wieviel co2 von jeder Aktivität erzeugt wird. Damit kann sich jeder Verbraucher
über sein eigenes Emissionslevel klar werden und elektronische Produkte treffen persönliche Entscheidungen über den Verbrauch
von Elektrizität. Es lebe die Automatik!
http://www.co2nvert.com
KURZFILMTAGE / Berlin, 23.02 bis 28.02.03
Hier hat Wim Wenders seine erste Zigarette geraucht. Na gut, ob sich die Oberhausener Filmfesttage das wirklich als Begrüßungstext auf ihre Webseite schreiben müssen, - es gibt andere Gründe, sie gut zu finden. Wir freuen uns jedenfalls über ihren Besuch in
Berlin. Auf ihrer Europatournee machen sie nämlich Halt im Babylon Mitte und zeigen eine feine Auswahl von Kurzfilmen, Videos und
Musikclips (mal "Star Escalator" auf der Großleinwand sehen?). Und im Mai kann man auch wieder Neues in Oberhausen entdecken.
www.kurzfilmtage.de/ikf/pages/festival/index.php
www.fkh-babylon.de
DEAF03 - DATA KNITTING / Rotterdam, 25.02. bis 09.03.2003
Daten stricken, das ist doch mal ein hübscher Zeitvertreib für ein interdisziplinäres Festival zwischen Kunst, Technologie und Gesellschaft. Zum Festival gehört ein Symposium über lebende Information und die neue Ordnung von Archiven, abgespielte Daten,
TRANSMEDIALE - REMINDER
Musik und Performances, Workshops und die Ausstellung Data Knitting. Außerdem bestreiten Sadie Plant, Siegfried Zielinksi und Lev
Berlin, 31.01-05.02.2003
Unter dem Thema "Play Global!" lädt das internationale Medienfestival Transmediale Manovich jeweils einen Abend als Kuratoren mit Programmfreiheit. Wer genug hat, fährt mit dem Hidden Track Bus durch Rotterdam
zum zweiten Mal ins Haus der Kulturen der Welt. Das Programm im Schnelldurchlauf: und wird zum Teil der mobilen Installation.
Zwischen Screenings, Performances und Awardverleihung guckt man in die zahlreichen http://deaf.v2.nl/
Panel der Konferenz und stellt sich deren Fragen: Wie agiert Kunst global? Welches Potential steckt in kultureller Software? Wie ortsspezifisch ist elektronische Musik? Und EINGREIFEN, VIREN , MODELLE, TRICKS / BREMEN, 01.02. bis 16.03.03
warum steckt interaktive Kunst in der Krise? Wer die Frankfurter Ausstellung "I love you Das Symposium "Eingreifen, Viren Modelle, Tricks" zieht die durch die Disziplinen (etwa Info-, Bio-, Politikwissenschaften und MeComputer_viren_hacker_kultur" verpasst hat, kann sie auf der Transmediale mit thema- dientheorie) geisternden Modelle "Ansteckung" und "Virus" in den Extension Folder: Wie steht es denn um die Modellhaftigkeit von
tischem Update nochmal ins Visier nehmen. In den Workshops (Anmeldung erforder- Bakterien, Prionen, Würmern, Parasiten? Das Symposium untersucht die merkwürdige Popularisierung und das Ansteckungspotenlich!) lernt man, wie man Teil der Wireless Community wird oder was alles in Pro22es- tial bestimmter Modelle: "Wie konnte die unanschauliche Teilchenphysik unser Weltbild infizieren, wie wird ein Molekül erkennbar,
sing in Sachen "Design by Numbers" geht. Zwischendrin kann man natürlich wieder in ist es immer schon ein Modell?" Und liest die Transformations- und Übersetzungsprozesse zwischen biologischen und informatider Medialounge ausruhen, im globalen Netz herumklicken oder auch "udiovisuel in- onstechnischen Diskursen als ein Unterwandern von Grenzen, die von den Modellen selbst erschaffen wurden. Mit Vorträgen, Ausstellung und Workshop.
teractives" wie Play Parts (Ammer/Gretschmann) ausprobieren. Mitspielen?
http://www.thealit.dsn.de/lab/eingreifen/concept.html
www.transmediale.de
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V/A - AFLUENZA (BOTANICA DEL JIBARO)
Die erste Compilation des HipHop Labels des Jahrzehnts. Manuvers, Silent
Struggle, Serum, Antenna und Seth P. Brundel hoppen sich durch ihr Universum, das die Message vor allem in die Sounds legt, dabei immer die Politik im
Auge hat, gnadenlos quersampelt und einfach fantastisch ist.
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de:Bug für ein Jahr für eine ausgewählte Person („Beschenkt“-Feld beachten!)
ICH ZAHLE PER BANKEINZUG
kto-nr
FREAKS - THE MAN WHO LIVED UNDERGROUND (MFF)
Die Freaks um Justin Harris und Luke Solomon sind zur Band angewachsen. Im
Auftrag der verwinkelten Housegrooves geleiten sie uns hinab zum Man Who Lived Underground und streifen dabei durch die hörspielartige Achterbahn ihres
musikalischen Paralleluniversums. Groß!
geldinstitut deines vertrauens
ich zahle mit verrechnungsscheck
JAN JELINEK - LA NOUVELLE PAUVRETÉ (SCAPE)
Jan Jelinek ist zurück. Und dieses Mal singt er sogar. Jawoll. Ein neues, wundervolles Album des Mod unter den Knisterelektronikern, das Jazz und Soul simuliert, zerbröselt und zu feingliedrigen kleinen Houseperlen wieder zusammen
setzt. Mui bien, monsieur.
PUPPETMASTAZ - CREATURE FUNK (NEW NOISE)
Straight outta Loonieverse. Die Puppets with Attitude gehen im Creature Funk
Flow steil und zeigen den Menschen, wo der gut gesetzte HipHop-Hammer
hängt. Es quietscht, knarzt und rumpelt bis sich die Balken biegen. Boogie
down Berlin mit der ersten Toygroup der Welt. Yo!
THE SOFT PINK TRUTH - DO YOU PARTY? (SOUNDSLIKE)
Filigraner Fist Funk von Matmos B-Boy Drew Daniel, so steht es geschrieben.
Das etwas andere House-Album, das genauso skuril wie kickend ist. Kleinteilige Dancefloortracks aus dem Teilchenbeschleuniger, die nur einen Schluss
zulassen: The Soft Pink Truth is a Party!
blz
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<37> - DE:BUG.68 - 02.2003
Reviews
EINS
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FREAKS - THE MAN WHO LIVED UNDERGROUND [MUSIC FOR FREAKS]
<#37> CDs
Das Konzept Album der Freaks ist so verdammt groß, dass ich das Gefühl habe, mein Hirn passt mir nicht mehr in den Kopf, weil ich es schon so gut auswendig
kann. Das Intro erzählt uns von einem Mann, der von einem Computer interviewt wird, klar, denn es geht um Identität. Freaks haben keine, jedenfalls keine die einen Touringtest überstehen könnte, nie gehabt, denn sie sind immer zur Stelle, weshalb Freaks auch im Untergrund leben. Wir treffen den 28ig jährigen im Waschsalon wieder, wo er den martialischen Groove zwischen Arbeit, Maschinen, House und in der längst überfälligen Reinigung in Zirkeln unerklärlicher Funkyness
nach zerbröselten, ausgebleichten und ausgehauchten Zusammenhängen sucht, dann das Interlude verschlafen, ans Telefon hecheln und Kontakte pflegen, Kontakte sind alles, eine leere Batterie das Gegenteil eines zerhackten Kryptosignals, mit dem Licht aus der Bar verschwinden können, in den Fragmenten strahlen
und in ihrer Fragmentierung untertauchen. Das ist eigentlich gar kein Album, das ist eine Anleitung zum Überleben als Agent einer Macht die erst noch erfunden
werden muss, eine Anleitung ("even if it does not need fixing, we can fix it") alles richtig zu machen. Und, hey, das ist dazu auch noch der streetwiseste Entwurf
House und Funk (Freaks touren für dieses Album als komplette Band, vermutlich wirds sowas wie eine Freakshow, ein Orchester, eine Dancefloorcomedy für unsichtbare Helden) gar nicht mehr anders, als zusammen sehen zu können, den das Jahrhundert bisher gesehen hat. Und, ja, dafür sollten sie eigentlich auch noch
einen Literaturpreis hinterhergeworfen bekommen.
www.themanwholivedunderground.com
BLEED •••••
FAVORITEN
GEORG CHRISTOPH THOLEN - DIE ZÄSUR DER MEDIEN [SUHRKAMP]
Zeit für eine Zäsur: Der allgemeinen Tendenz der Medientheorie, sich weg von der Theorie hin zur Historie zu orientieren, hält Georg Christoph Tholen ganz entscheidend entgegen. "Die Zäsur der Medien - Kulturphilosophische Konturen" versammelt in diesem Sinne jüngere Aufsätze und Vorträge des Professors aus Basel, die alle eines gemeinsam haben: Sie zeigen, dass zwei Drittel der fatalen Annahmen im Umfeld der Medientheorie, die um die Verdrängung des Menschen
durch die Medien kreisen, schon sehr lange und sehr lange schon viel produktiver in der Philosophie diskutiert wurden: Eine unheimliche Unbeständigkeit des Mediums ist beispielsweise schon von Aristoteles bis Anselm Haverkamp am Begriff der Metapher thematisiert worden. Auch die immer größere Zahl der Bilder, die
sich immer schneller vor unserem Auge bewegen sollen (aber können wir wirklich mehr sehen, sehen wir nicht eher einfach anderes?), kann nicht unbedingt als
beliebter kulturpessimistischer "Verlust der Wahrnehmung" (Virilio et.al.) gedeutet werden. Tholen zeigt, dass die vermeintlich "objektive" Wahrnehmung nicht
durch die Medien unterlaufen wird, sondern von Anbeginn an von einer Porosität durchdrungen ist, einer Porosität, die in der Philosophie schon immer thematisiert wurde, weil sie die Wahrnehmung anfällig und produktiv macht. Er verweist auf Merleau-Ponty, der sich damit auseinandersetzt, wie die Unsichtbarkeit als
Rand der Sichtbarkeit selbige immer begleitet, und Lacans "Experiment mit dem umgekehrten Blumenstrauß", das zeigt, wie das Imaginäre von vornherein in das
Sehen eingebrochen ist. Auch dass Zeit und Raum nicht erst durch das Internet erschüttert wurde, sondern schon in der Philosophie etwa von Bergson über Husserl bis hin zu Heidegger der Glauben an eine gegenwärtige Gegenwart und sich davon vorbildlich sauber trennende Vergangenheit und Zukunft zugunsten eines
komplexeren Kuddelmuddels aufgegeben worden ist, ist ein Punkt. Tholen kombiniert also einschlägige Theoriefiguren mit Medienproblematiken
MERCEDES •••••
(•)-nein (•••••)-ja
Wir erinnern uns: Damalige Videospiele waren oft immer
in verschiedene Themenwelten unterteilt. Neben der
Feuerhöhle, dem Wolkenberg und dem Wüstensumpf
gab es auch immer ein eisige Schneewelt. Das besondere
and diesem Level war meist die Mischung aus zauberhaften Landschaften, verträumter Melancholie und mystischer Einsamkeit, die es von den anderen Welten abhob
und zu etwas sehr traumhaft-Eigenständigem gemacht
hat. Sogar aka Jürgen Heckel liefert jetzt endlich für alle
Nostalgiker den passenden Soundtrack dazu. Und das
klingt keinesfalls veraltet. Denn im Gegensatz zu seiner
vorherigen CD weht hier ein noch stärkerer, eisig-frischerer Wind durch die Sträucher und schüttelt den gerade
gefallenen Schnee herunter. Dieser macht satte, knarschende Geräusche unter unseren Füßen. Und immer
wieder scheint die wärmende Sonne durch die abziehenden Gewitterwolken, dessen unheilsames Grollen noch
hörbar ist. Der Schnee beginnt zu schmilzen und tropft
unaufhaltsam an funkelnden Eiszapfen herunter. Auch
der Gebirgsbach fließt wieder durch das noch vereinzelt
vereiste Flussbett, löst fragile Eisschollen los, die jedoch
bei jeglicher Berührung mit einem Klirren zerspringen. 9
wunderschöne Welten gespickt mit Dingen, deren voll-
<#45> BÜCHER
DREI
LESEN
SOGAR - APIKAL.BLEND [12K]
<#45> AMERIKA
<#48> PRÄSENTATIONEN
In der Bio auf ihrer Webseite steht: »Shawn King and Nate Flanigan left art school the day after the computers were installed. If you left art school by 1995, you missed
the computers. You lost, big time.« Und irgendwie erklärt das einiges. Nicht nur, dass sie gerne Fragen stellen (Tracknamen: »What do you say after hello?«, »How do you
feel?«, »Emotions, can cou trust them?«, die übrigens ebensoviel sagen über Soulo, wie das Artschool Leben ohne Rechner). Soulo benutzen an Instrumenten, was andere digitale Mulitinstrumentalisten, die sich einen Scheiß darum kümmern, welches Instrument mit welchem Genre konnotiert wird, auch. Und genauso ist die Methode, äh, das Fehlen davon. Klar, Banjos mit Clicks sind wir alle gewöhnt, Tracks in denen das auf verzerrte Synths trifft auch, in denen mit einem höchst psychedelischen
Kehlkopfgesang und Valiumrockschlagzeug dazu getönt wird auch, aber spätestens wenn dann dazu am Modulationsrad rumgeorgelt wird, weiß man: Soulo sucht immer irgendwo in dem Track noch eine weitere Auslassung, etwas das fehlt, weil es einfach nicht da sein darf, aber doch genau so gut passen könnte. Fragen stellen, nicht
auf Antworten warten, Bierpropagandisten mit Trichter in die elegante Szenerie eines kalifornischen Architektur-Futurismus stellen wie auf dem Cover, erst Wüste bauen, dann sich selber als Hippie reinpflanzen, das eigene Unglück mit Computer-Clicks in einen Befreiungs-Soundtrack moderner Galeeren verwandeln und vor allem immer auf dem Teppich bleiben. Versteht ihr das? Wir auch nicht. Klingt aber großartig. (Falls das ein Rockalbum sein sollte und ich hätte es nicht gemerkt, dann, hey, das
Genre hat Zukunft). www.plugresearch.com / www.soulo.net
BLEED •••••
SK ••••
<#44> DRUM AND BASS
Ein Sampler, der mühelos und voller Ruhe vor sich hinflließt und dabei auf gesamter Länge eine Freude bleibt. Stets leicht melancholisch überzeugt jedes der 15
Stücke auf dieser Werkschau von Botanica Del Jibaro, dem noch recht jungen HipHop Unterlabel der in Miami beheimateten Beta Bodega Koalition, vor allem
durch die musikalische Dichte. Weswegen sich der Rap auch in Grenzen hält und häufig nur als Ergänzung der stets in eine Art selige Schwermut hineintauchenden Instrumentals wirkt. Jeder Sound scheint sorgfältig selektiert und auf die Temparatur geprüft, demzufolge driftet man eine zwar komponiert aber nie dramatisch wirkende Wärme, die an Schwermut vorbeischleicht und dabei gleichzeitig die Illusion der Belanglosigkeit und des bevorstehenden Untergangs angesichts
des amerikanisierten Weltsystems beibehält. Hier wird das Uneinverständnis mit der Welt nicht inbrünstig ausgespuckt, sondern im Bewusstsein der Zerbrechlichkeit einfühlsam und dezent hoffnungsvoll vorgetragen, weswegen die englischen und auch spanischen Texte gleichzeitig poetisch tief, gesellschaftlich belangvoll und elegant sind. Wer meint, HipHop bedeute, rabiat und ruppig mit der Faust ins Ohr zu schlagen, wird eines Besseren belehrt, denn hier federt man
weich ab um sogleich unspektakulär weiter dem Flow zu folgen. So entspannt und rein, dass einem der Glaube an HipHop als Musikstil mal wieder als mit das Beste erscheint, was einem je eingefallen ist. Verantwortlich dafür waren Manuvers, Serum, Seth P. Guerra, Soarse Spoken, Silent Struggle u.a. Am Ende gibt es noch
einen ganz coolen Freestyle Track, u.a. auf einem Cyne und Jay Dee Beat, der zeigt, dass Botanica Del Jibaro bei aller Reflexion und Musikalität keineswegs für vorgefertigten Weichspülersound, sondern für HipHop steht. Auch gelungen. Komme was will, Botanica Del Jibaro haben einen angenehm chilligen Ruhepol eröffnet, so dass man beruhigt und grinsenden Kopfes weiterziehen kann. www.botanicadeljibaro.com
CAYND •••••
SOULO - MAN, THE MANIPULATOR [PLUG RESEARCH]
Wer bietet mehr: Noch mehr elektronische Basics auf
mittlerweile vier Samplern jubelt die Zigarettenfirma Basic unters Volk. Hier nun der dritte Part mit House des gehobenen Geschmacks von Justus Köhnke, Ricardo Villalobos, Roman Flügel über Zoot Woman und Röyksopp bis
zu alten Bekannten wie Rocko Schamoni. Lustige Mischung das, was einen glatt vergessen lässt, wieder einmal eine Zigaretten-Promo-CD in Händen zu halten. Egal,
Kapitalismus ist, wenn man trotzdem tanzt. Die DJs Chocolate Deluxe und DJ Ramin, die die Auswahl des Samplers zu verantworten haben, kommen zwar mit Mannheim und Essen aus Städten, denen man ein wenig mehr
Glamour durchaus gönnen würde, ihr Sampler aber lässt
keine Wünsche offen: Er tut seinen Dienst, ist ohne Hänger durchhörbar und glänzt mit einer genauso ungewohnten wie weisen Auswahl der Tracks.
<#44> CONTINENTAL
<#47> GAMES
V.A. - AFLUENZA [BOTANICA DEL JIBARO]
V.A. - 3, MUSIC, ELECTRONIC BASICS
<#44> UNITED KINGDOM
<#47> HIPHOP
ZWEI
CD
<#42> DEUTSCHLAND
ständige Entdeckung so lange dauern wird, wie die ge- benden Basslines (soweit das geht), abgeschnittenen Sosamte Erforschung unserer Natur. Was für eine Welt.... . unds und einfachen Strukturen moderner Tanzstile der
Kästchenprogrammierung. Auf Dauer kann einem die
Platte dann etwas dark vorkommen, eben weil sie sich in
diesem 8-Bit Zeitloch befindet (eins der Parameter der
JEAN BACH - SMUGGLERS DOWNLOADING GENOVEVA
Retrobestimmung, aber eben nur eins), manchmal auch
DMS TAPES [555]
Das Label auf dem auch die letzte Figurine erschien, weil es eben nicht dem Mitsing-Pieps-Terror fröhnt, wie
kommt mit einem neuen Album von Jean Bach, aka soviele Spielemusikanten, sondern eher in einer TraditiSascha Schierloh, die sich wie immer auf gar nichts fest- on zu stehen scheint, die irgendwo bei Cabaret Voltaire
legt. Mal skurrile Dancefloor Tracks mit zirpenden So- und ähnlichen beginnt. Zu beziehen über www.lwhite-reunds und fast analoger Ästhetik die plötzlich in Popslam- cods.de.
mer mutieren, dazwischen Bassdrum Terror veranstalten www.8bit-musik.de
und den Gameboy rocken als wäre immer 1990, Stücke BLEED ••••
die ein Retrodiscoflavour dazumischen, und sich irgendwann in Effektoverload suhlen wie eine Fangopackung VITESSE - YOU WIN AGAIN, GRAVITY! [ACUARELA]
der Erinnerung. 80er Cutupwahnsinn der merkwürdig- Eine Unverschämtheit: des erste Stück der beiden Ameristen Sorte neben Killer-DSP Spezialitäten und all das im- kaner heißt schlichtweg „Instrumental«, ist ein solches,
mer in dieser eigenwilligen Mischung aus Lofi-Losgeh- dauert anderthalb Minuten und dürfte jeden Freund von
Terror und morbid überglücklichem Zitatuniversum mit Bands wie Transient Waves, Sigur Ròs oder gutem altem
ernsten tragischen Passagen und Teilen die fast psycho- Neuseeland Pop verzücken. Erst danach klingen Vitesse
tisch wirken, mit Stammtischgabba und Kinderzimmer- wieder richtig nach Vitesse und werden keinesfalls
neurosen, Drummachine Workouts und allem, was das schlechter als auf dem Vorgänger. Sie halten ihr Level:
elektronische Heimwerkerherz so begehrt. Nur eins ist es Drummachine, Keyboards und der stets am Abrutschen
nie: langweilig und festgefahren. Bilderbuch CD.
befindliche Gesang von Hewson Chen knüpfen am ersten
Album an. Vitesse evozieren Rezeptionsphantasien, und
www.tsoft.com/~aelison/555
das ist gut so: neues Jahr, alles besser, blöde gute Vorsäthttp://www.littlebrutalravebastards.de
ze und letztlich weiß man doch, dass es einem Anfang
BLEED •••••
2004 wieder genau so gehen wird. Den herrlich resignierenden Pop zu spektakulären, nie ganz ernst gemeinten
HEIMKOMPUTER 80 - UNSERE MODERNE WELT
Untergangsszenarien bieten Vitesse. Von welchem New
[8BIT MUSIK]
Diese nur Online zu bekommende CD von Heiner Geh- Order-Stück eines der ersten Alben der Manchester-Helring aus Osnabrück hat sich vorgenommen, die Be- den Vitesse z. B. den Drum-Sound von „In Time« geklaut
schränkung der Mittel zur ästhetischen Produktivkraft zu haben, wird beim nächsten Mal aufgelöst. Diese Huldimachen, und benutzt nur, wie der Name schon sagt, gungen früher Factory-Bands seien ihnen gestattet, so
Computer aus den 80ern für seine Tracks: Atari, Commo- lange sie uns Songs wie „Not Forever« oder Coverversiodore, Spectra, Ti99, SChneider, Yamaha. Manchen dürfte nen wie Dire Straits’ „Tunnel Of Love« schenken.
klar sein, dass man damit meist nicht ganz so Retro klingt www.acuareladiscos.com
wie die übliche Computerspiele Musik, auch wenn man CJ ••••
sich in 8-Bit Welten aufhält, sondern dass es manchmal
sogar richtig derbe kratzbürstig rockend zugehen kann. TRADE & DISTRIBUTION ALMANAC - VOLUME 1
Das Album stellt sich Fragen wie: »Was geht im Inneren [ADAADAT]
des Computers wirklich vor« und liefert die Lösung gleich Ah, eine neues Londoner Label, dass mit einer Compilatimit: merkwürdig trockene elektronische Musik mit gra- on startet die soviel verspricht, dass man sich den Namen
AD •••••
(so schwer es auch ist, gebt euch halt ein wenig Mühe)
unbedingt auf die Wunschliste der möglichen Überraschungen für 2003 heften sollte. Und das Beste, man
kennt kaum einen der Acts. Cow`P beginnen mit einem
Killerfunk-Cutuprap zwischen Elektro und erster Casiostunde, Atom Truck setzen gleich noch einen drauf mit
Bleeps und noch wirreren Stakkatoeffekten auf der Stimme, so dass man schon längst in ein Ravenirvana des
Glücks abgetaucht ist, noch bevor das Album richtig angefangen hat. Romevelope nehmen das Ganze etwas ernster und zetern Oldschooltanzstile zwischen Klassik und
Ravebarock durch die jammernden Chipstüten, OT lassen
eine Highspeedpolka durch die Stereoparameter rasen,
als ginge es drum, schneller als Sonig zu sein. (Ach, und
bevor ihr das bei all dieser Kleinkinderlyrik vermutet,
nein, das hier ist definitv kein C64 Bubblegum-Retro,
sondern schön Hi-Tech und energisch digitalisiert ohne
Bitbegrenzung, auch wenn hier einige Gameboymusikanten dabei sind.) Mit Chulk wird es dann zum ersten mal
etwas elektroakustischer: digitaler Schlagrahm mit Gitarrenei. Z`OT (was für Namen die alle haben) legen eine
leichte Electronica Knabberbeatpause für unsere Seele
ein, Jean Bach stiftet uns 30 Sekunden Trashcanpausenmelodie, Milky-Chu erfinden die Vergnügungsparkbigband aus Miniautomaten als Freejazz neu, Twin Turbo
rocken galaktisch und mit blitzendem Verwirrspiel quer
durch das All der Effekte, und so geht es von Track zu
Track zu neuen Ufern. Brilliante Killerplatte eines unserer
Anwärter auf das spannendste neue Label 2003.
www.adaadat.com
BLEED •••••
PULSEPROGRAMMING - TULSA FOR ONE SECOND
[AESTHETICS / AST26CD]
<#48> DATES
1. Freaks - The man who lived underground (MFF)
2. Dntel - Season (Vynalogica)
3. V.A. - Afluenza (Botanico del Jibaro)
4. Rhythm & Sound (Burial Mix 010)
5. Humanoid - Sessions 84 -88 (Rephlex)
6. Terre Thaemlitz - Lovebomb (Mille Plateaux)
7. Funky Transport - The Bedford Files (Playhouse)
8. M.I.A. - Irgendwas ist immer (Sub Static)
9. Misc - In between (Resopal Schallware)
10. Peter Grummich - Big & Humble (Sender 023)
11. Paul Nazca - Les Musiques.. (Scandium 015)
12. Superpitcher & Quarks - Speicher 6 (Kompakt)
13. Putsch 79 - 1300 (Clone 028)
14. Westpark Unit feat. Victor Davies (Draft 030)
15. V.A. - Plastic Surgery Vol.4 (Hospital)
16. Dim Dim - Kiwi (Audio Dregs)
17. Corker/Conboy - In Light ..(Vertical Form)
18. Pulseprogramming - Tulsa .. (Aesthetics)
19. Telefon Tel Aviv - Sound In A Dark Room (Hefty)
20. John Shananigans feat. Mu (Cynosure 009)
21. V.A: - Wanna Buy A Craprak? (Carpark)
22. Murs - The End Of The Beginning (DefJux)
23. Harco Pront - Skifo EP (Music for Speakers)
24. Aoki Takamasa (Progressive Form)
25. Soulo - Man, The Manipulator (Plug Research)
26. Beans - Tomorrow Right now (Warp)
27. Brett Johnson (Icon 007)
28. V.A. - Bis neun (Areal)
29. Renegade Rollers (Renegade Recordings)
30.Ark vs. Krikor - Battle 03 (Dialect)
thpop sein wollen, aber in der Indiewelt tagtäglich auf
der Couch liegen, schütteln einen heftig durch. Und
drumherum ist alles sehr fluffig und plinkerig, wahnsinnig groß und überhaupt nicht aufdringlich, sanft und weit
und einfach einzigartig. Wieder so eine Platte, die sich
einfach niemand getraut hat zu erfinden. Alles wie aus einem Guss und mit einer ganz kleinen Soundbücherei
erdacht, dafür aber umso mehr auf den Punkt, bohrt sich
dieses Album mitten ins Herz. Wo es hingehört. »I don’t
know what it is, it just kills me« würde man in Manchester
sagen. Und genau das tut es. Wahnsinnig gefühlvoll und
total unkitschig graben sich Pulseprogramming durch alle Melodien dieser Welt. Hinhören.
www.aesthetics-usa.com/
THADDI •••••
SCHMOOF - BEDROOM DISCO [ANGELIKA KÖHLERMANN]
Holt die Orgel raus, packt den Partykeller aus Kinder, die
Disco geht los und sie kann schon »Disco Dancing« sagen, für manche das erste Wort englisch. Schmoof (wer
auch immer das ist) machen Elektropop-Klassiker mit allen Albernheiten die dazugehören, gradlinig, einfach,
cheap und mit ziemlich piepsigem Gesang, die einem
selbst bei korrekt zusammen geschnittener drei Minuten
höchstzeit schon mal ein wenig lang vorkommen können.
Das ist alles niedlich, so als wäre die Band eine Sammlung
von Pixelmännchen mit Mangaaugen, aber irgendwie ist
es auch so Easy Listening, dass man die Tracks eigentlich
schon durch und durch kennt, noch bevor sie überhaupt
gelaufen sind. Wer als Indie Kid so Sachen mochte wie El
(King of Luxembourg, Bad Dream Fancy Dress), der dürfte als Erwachsener Discogänger Schmoof toll finden. Zuweit hergeholt? Mag sein, aber irgendwie ist dieses Popverständnis beim besten Willen nicht via MTV oder Viva
zu erklären, und diese Art von 80er Pop ist auch im Retrofieber so prägnant noch nicht aufgetaucht. Love it or
hate it.
So was wie ein Quantensprung. Pulseprogramming aus
den Staaten konzentrieren und stürzen sich auf Pop und
legen eines dieser Alben vor, das eigentlch den Grammy
bekommen müsste. Obwohl es wahnsinnig cheesy losgeht. »Blooms Eventually« ist ein komisches Stück Pop, angelika.koehlermann.at
das von zuviel Autotune an die Wand gedrückt wird, so http://www.schmoof.com
gar nicht groovt und doch rundum perfekt ist. Ab da ist al- BLEED •••-••••
les vorbei. Ein Hit jagt den nächsten, die Songs fliegen
nur so vorbei, Vocalfetzen, die vielleicht eigentlich Syn-
<38> - DE:BUG.68 - 02.2003
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4810
CD
(•) - nein (•••••) - ja
V.A. - BIS NEUN [AREAL RECORDS]
Eine Mix-CD aus dem Hause Areal, da geht einem das
Herz auf. Mit schlafwandlerischer Konstanz haben
die Jungs aus Köln ganz unaufgeregt einen Hit nach
dem anderen produziert, was man hier nochmal sehr
gut nachvollziehen kann, gibt es doch einige davon
zu hören. Adas kleines Bleep-Monster »Lucky Charm« ist aber nicht mit drauf, dafür ein cool steppender Vocaltrack. Ein Gemeinschaftsprodukt von ihr
und Metope. Da zeigen die beiden mal, wo der Pophammer noch hängen kann, wenn man ihn nicht zu
sehr an die große Glocke hängt. Äh..? Jan Erik Kaiser
mixt sich auf jeden Fall primär durch die ersten neun
Release des Labels und dazu gibt es dann noch für
den Flow eine kleine Lizensierung von Senders
Weltzwei und eben Exklusives, wie der Metope feat.
Ada Track. Dass das Ganze schwer rockt braucht man
vielleicht gar nicht nochmal extra zu erwähnen, auch
wenn Areal Maxis oft diesen Geheimtippstatus ungerechterweise nicht verlassen. Das darf sich dann
jetzt bitte schön bald ändern. Der Mix konzentriert
sich mehr auf die pumpend, kratzigen Euphoriemomente, als auf die Skurilitäten, die trotzdem hier und
da mal breit grinsend winken. Und man freut sich
gleich schon auf die nächste Maxi, die kommen wird.
Wie heißt es so schön. Ganz großes Tennis.
SVEN.VT •••••
Round One: I´m Your Brother
Main Street 02 (US 12" @ ¤ 8,00)
BC house subsidary, male vocal house
b/w Chez ‘n’ Trent dub
A295
Rhythm & Sound w/ Tikiman:
Music A Fe Rule
Rhythm & Sound 01 (US 12" @ ¤ 8,00)
superb electroesque grooves w/ dub
touched sounds
18436
Round Two: New Day
Round Four / Tikiman: Find A Way
Main Street 04 (US 12" @ ¤ 8,00)
extra deep BC-sounding male vocal
house b/w ultra phat reduced dub
A894
Main Street 08 (US 12" @ ¤ 8,00)
deep & atmospheric dub flav. house w.
great male vocals
23138
Rhythm & Sound w/ Savage: Smile
Rhythm & Sound: Aground / Aerial
Rhythm & Sound 04 (US 12" @ ¤ 8,00)
deep ambient groove w/ vocals by
Savage, B-Side more rough and exp.
25713
Rhythm & Sound 07 (US 12" @ ¤ 8,00)
laid back electronic dub grooves
38334
Rhythm & Sound / C. Campbell:
King In My Empire
Rhythm & Sound w/ Shalom:
We Been Troddin
Rhythm & Sound w/ Love Joy:
Best Friend
Burial Mix 006 (D 10" @ ¤ 8,00)
usual deep slower 'dub house' grooves
w/ male vox, b/w version
33949
Burial Mix 008 (D 10" @ ¤ 8,00)
killer RS tune w/ new male vocalist
b/w dub version, TIP!
36527
Burial Mix 010 (D 10" @ ¤ 8,00)
superb deep reggae groove w/ female
vox by Love Joys member!
38973
Love Joys: Lovers Rock
Junior Delahaye: Reggae
Horace Andy meets Naggo Morris
Wackies 2383 (Reggae LP @ ¤ 14,00)
Wackies 2383 (Reggae CD @ ¤ 15,00)
re-issue of classic early 80's Wackies
album
R3388, A5855
Wackies 1382 (Reggae LP @ ¤ 14,00)
Wackies 1382 (Reggae CD @ ¤ 15,00)
re-issue of classic early 80's Wackies
album
35436, 37444
Wackies 1722 (Reggae 10" @ ¤ 12,50)
re-issue of a classic + rare minialbum,
brilliant early 80's Bullwackie prod.
35954
Wayne Jarret: Mini Showcase
The Meditations: I Love Jah
Love Joys: Reggae Vibes
Wackies 1716 (Reggae 10" @ ¤ 12,50)
re-issue of a classic + rare mini album,
brilliant early 80's Bullwackie prod.
36145
Wackies 510 (Reggae LP @ ¤ 14,00)
Wackies 510 (Reggae CD @ ¤ 14,00)
re-issue of early 80's Bullwackie productions, roots reggae w/ male vox
36614, 36632
Wackies 3239 (Reggae LP @ ¤ 14,00)
Wackies 3239 (Reggae CD @ ¤ 15,00)
re-issue of classic 80's lovers rock
roots reaggae
37616, 37617
Stranger Cole / Leroy Heptones:
The Time Is Now / Revolution
Wayne Jarret / Augustus Pablo:
Youth Man
Wackies 210 (Reggae 12" @ ¤ 8,00)
re-issue of classic 12", Bullwackie production, b/w dub version
37225
Wackies 181 (Reggae 12" @ ¤ 8,00)
re-issue of early 80's orginal release,
b/w version
37615
African Roots: Act 2
Wackies 617 (Reggae LP @ ¤ 14,00)
Wackies 617 (Reggae CD @ ¤ 15,00)
re-issue of early 80's dub album by the
Wackies Rhythm Force
37901, 37902
DIM DIM - KIWI [AUDIO DREGS]
Audio Dregs ist ein ganz schön großartiges Label.
Überzeugt euch selbst. Dim Dim, aka Jerry Dimmer
kommt überraschenderweise aus Belgien, nicht gerade die Heimat der Hawaiigitarre, mit der das Album auf »Riri« (hihi) anfängt. Es plockert und plinkert, zieht den alten Ikonen des französischen Electro-Kubismus die Socken aus, wedelt mit Vergnügungspark-Hymnen vom feinsten, lässt passenderweise dazu Kleinkinder scratchen, kennt alle Harmonielehren aus dem Efef, wenn auch nicht in der ganz
richtigen Reihenfolge, und das ganze Album könnte
getrost als Dat Politics für die ganz Kleinen unter
euch durchgehen. Also: rein in die Welt aus Technicolor, zu Spielzeuginstrumenten runtergerechneten
Blechdosen, Zuckerwatte und Himmels aus Breaks,
Beats und Honigbrot. Wer Angst hat, dass das hier
schon wieder eins dieser regressiven IDM Schnöselalben ist, sei versichtert, dass nein, das hier ist so real wie eine Überdosis Vitamin B12. Verdammt, schon
sein viertes Album, wir haben alle eine ganze Menge
nachzuholen. PS: dazu gibt’s noch eine kleine Animation von Mumbleboy, einen Remix von den dagegen
hyperseriösen Tipsy und ja, Jerry Dimmer ist hauptberuflich Comiczeichner. Und jetzt mitschnurren.
African Roots: Act 3
Sugar Minott: Wicked Ago Feel It
Wackies 1718 (Reggae LP @ ¤ 14,00)
Wackies 1718 (Reggae CD @ ¤ 15,00)
reissue of early 80's Bullwackie prod.
38241, 38242
Love Joys:
Gimme Back / It Ain't Easy
Horace Andy / Al Moodie:
Money Money / Bull Bay Jumping
Wackies 707 (Reggae 12" @ ¤ 8,00)
re-issue of classic early 80's
Bullwackie prod., smooth lover rock w/
female vox
38177
Wackies 5252 (Reggae 12" @ ¤ 8,00)
re-issue, killer extended versions
38272
Sugar Minott / Horace Andy:
Wicked Ah Go.. / Musical Episode
Wackies 589 (Reggae 12" @ ¤ 8,00)
re-issue, early 80's Bullwackie prod.
38008
Fette Doppel-CD von Tennis (Si-Cut.DB und Benge)
mit neuem Album (CD 1) und Remix des Vergängers
(CD 2). Furlines beginnt sehr verspielt und überlegt
und rauscht dann gleich über alle Berge. Britzelt dem
Dub eine weitere Falte auf die Stirn, ist kompromisslos breit im Bass, versteht es, profimäßig rumzurauschen und ist einfach mehr als angenehm und interessant. Eine ruhige Reise. Die Remixe machen da
gleich weiter. Taylor Deupree knistert sich mitten in
unsere Herzen mit einem großen Stück Weite und
Herrlichkeit und alle anderen machen ihren Job ganz
großartig. Tim Hecker sowieso. Was könnte der
falsch machen. Scanner, Frank Bretschneider, Mikael
Stavöstrand, Pimmon, Kptmichigan....hier geht einiges. Rundum gelungenes Album.
THADDI ••••
Jamaica Super Dub Session
Wackies 1720 (Reggae LP @ ¤ 14,00)
Wackies 1720 (Reggae CD @ ¤ 15,00)
re-release of sought after killer
Wackies dub album
R1005, R4110
Clive Field Marshall:
Poor House Rockers
Wackies 334 (Reggae LP @ ¤ 14,00)
Wackies 334 (Reggae CD @ ¤ 15,00)
re-release of sought after killer
Wackies DJ album
R4130, R4131
Natures Dub
Wackies 306 (Reggae LP @ ¤ 14,00)
Wackies 306 (Reggae CD @ ¤ 15,00)
rerelease of sought after Killer
Wackies Dub album
R3944, R4098
Leroy Sibbles: This World
Wackies 1050 (Reggae 12" @ ¤ 8,00)
Bullwackie prod.; B-side: Noel
Delahaye & Jah Scully - 'Pretty Looks'
R4111
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sind manche Platten vielleicht schon vergriffen und andere wieder neu reingekommen (wir setzen nur
Platten in die Liste, die wir zu dem Zeitpunkt des eintippens auch wirklich am Lager haben!). Deshalb bei
Bestellung bitte möglichst Ersatztitel angeben. Normalerweise bekommen wir jeden Tag Lieferungen mit
Neuheiten oder Nachbestellungen. Bestellung telefonisch oder schriftlich und bitte die Bestellnummern
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THADDI ••••
V/A - SUGAR HILL HIPHOP BOX SET [CASTLE MUSIC]
Vor 23 Jahren gründeten einige schwarze Musiker ein
Independent-Label, dass die Musik ähnlich revolutionieren sollte wie einige Jahre (Das Label wurde eigentlich von Sylvia Robinson, einer Doo Wop- und
Soul-Sängerin gegründet, die Labels wie All Platinum
oder Vibration betrieb. Anm. d. Red.). Zwar mussten
sie ihre Hörer anfangs noch darüber aufklären, dass
sie keinesfalls Zeuge eines Mikrofontests seien,
denn das was sie da hören würden wäre sogenanntes
„Rappen« auf einen Beat. Der Track war „Rapper’s
Delight« der Sugar Hill Gang (einer Band, die extra
für die Red.), das Label hieß Sugar Hill. Über die weitere Entwicklung dieser damals recht sonderbaren
Musik muss 2003 nicht mehr viel geschrieben werden, auch dieses Magazin hat ja das Eine oder Andere zur Dokumentation des Hip Hop getan. Angefeindet als Nachahmer rief die Gang auch bald die „real
scene« auf den Plan, so kam es zu Veröffentlichungen von Grandmaster Flash, Melle Mel, Spoonie G,
den Treacherous Three, der Crash Crew, Lady B und
anderen. Dokumentiert ist das ganze nun in Ausschnitten auf dieser 3er CD mit haufenweise Hits und
Labelstory. Und das funktioniert natürlich nicht nur
als Aufklärung für Neu-Hip Hopper sondern auch 1a
als Partyplatte.
re und analoger Verirrung. Eine CD, die einem ganz
schön auf die Seele hauen kann mit ihren spartanischen Beats, den sich überlagernden Klängen und
Hallräumen, die immer etwas Morbides aber auch eine Ernsthaftigkeit haben, der man nicht einfach aus
dem Weg gehen kann. Auf »Mobile Data Shred On
Nightshift«, dem noch heitersten Track, wird diese
Art, Klänge gegeneinander laufen zu lassen, am deutlichsten. Die Assoziationen wirken wie Dichte, hängen aber nur grade eben noch zusammen, und dazwischen liegt eine Stadt in der Nacht, in der alles
passieren kann, normalerweise aber eher als Ausnahme. Strange Platte, die genau so heraus sticht aus
ihrem Umfeld wie die erste.
Andy Cato ist nicht nur eine Hälfte von Groove Armada, sondern betreibt auch mit der Sängerin Rachel
Foster das Projekt Weekend Players. Genau wie bei
seinem Stammprojekt geht es auch hier tanzbar zur
Sache, insgesamt aber wesentlich smoother. Dafür
sorgt sicher auch die Stimme der Sängerin, die ein
wenig an Sade erinnert. Mal up- und mal downtemperiert gibt’s dazu Soul, Pop und Dancefloorbeats, so
dass die Platte für den Clubgänger sicher auch auf
dem Sofa gehört funktioniert.
BLEED •••••
DATA 80 [FORCE TRACKS]
V/A - HIVE [CBB / 002]
DIEB13 PURE SIEWERT - JUST IN CASE YOU ARE BODie zweite CD auf Centraal Breakbeat Bionomics ist RED. SO ARE WE [DOC 004]
eine Compilation mit Tracks von Chico Rockstar und
Frank Murder aus Island sowie Apparat und Modeselektor. Frank Murder beginnt mit schwebenden
Flächen und heavy komprimierten Drums, weit floatenden Melodien und lässigen Basslines. Apparat ist
direkt minimaler, lässt den klickigen Patterns erst
mal Raum um dann später mit traurigen Sounds und
geschredderten Stimmen wieder runter zu kommen.
»Tanges«, auch von Apparat, rockt straighter mit Bassdrums, zersplitterten Percussions und swingender
Bassline. Chico Rockstar, von denen die nächste CBB
CD sein wird schaffen es, den Synthie Sounds und
Vocals in ihren Tracks mit angebrannten knarzenden
Drums und coolen Edits die nötige Power zu geben.
Zum Schluss legen Modeselektor einen anfangs bröseligen dann funky Freestyle auf. Spannend!
ORSON •••••
CALEXICO - FEAST OF WIRE [CITY SLANG]
Convertino und Burns haben ihre Wurzel, die wunderbaren Giant Sand mit Howe Gelb, an Popularität
längst überwunden, ja, sie sind so etwas wie heimliche Helden des mexikanisch inspirierten Wüstenklangs. Was Calexico machen, ist kein Rock, kein Pop,
kein Jazz, keine Elektronik - und doch von allem etwas. Ihre Instrumentierung ist nicht nur im popmusikalischen Sinne folkloristisch. Doch auch dies hebeln
sie durch ambiente und ganz leicht augenzwinkernde Brüche aus. Wenn Tortoise das Flaggschiff einer
neuen Rockmusik in Richtung vermeintlich erwachsener Genres sind, dann bedeuten Calexico dies für
den irgendwann total verstummten Neo Folk. Und
genau so wie erstere kann man sich auch zweitere
wunderbar inmitten moderner Musiken vorstellen,
nicht umsonst gibt es zahlreiche Anknüpfungen wie
www.audiodregs.com
etwa Remixe von Bundy K. Brown oder auch die BeBLEED •••••
ats von „Black Heart«. Da wartet man nur noch auf
Beth Gibbons, doch die wird durch Burns Gesang fast
MICROSTORIA - INVISIBLE ARCHITECTURE #3 [AUvergessen gemacht. Auf dem neuen Album sind CaDIOSPHERE]
lexico eine kleine Spur flotter und jazziger geworden.
Auf diesem Label, das immer alles in DVD Kisten Fröhlich sind sie nicht - und wenn, dann tragischpackt, kommt hier ein Konzert aus dem dem Kaai- fröhlich. Verdammt, hol mal einer den Tequila...
Theaterstudio in Brüssel vom Jahr 2000. Da ich neu- www.casadecalexico.com
lich Microstoria gesehen habe, weiß ich, dass es ei- CJ ••••-•••••
gentlich ziemlich egal ist, wann sowas aufgenommen
wurde, denn Musik von Microstoria heißt immer LORSON, MARY AND BILLY COTÉ - PIANO CREEPS
auch eine Absage an mögliche Progression machen. [COOKING VINYL / INDIGO]
Es klingt, es klingt zusammen, es holt sich hier und da Die New Yorker Band Madder Rose spielte Anfang
vielleicht mal etwas neue Software, aber den Rah- der 90er Jahre schöne Popsongs, die von den Kritimen bestimmt das nicht so wirklich. Mutierende kern begeistert aufgenommen wurden, sie kommerKlänge, die im Laufe der Zeit allerdings viel von ihrer ziell aber nicht nach vorne brachten. Spätere, mir
ungewöhnlich sperrigen Art verloren haben, die für nicht bekannte Alben werden im Info als „Autorenmanche die ersten Microstoria Platten so (gewöhnt pop« beschrieben; über diesen Begriff mache ich mir
an Oval oder etwa Mouse On Mars) »schwer« ge- aber lieber gar keinen Gedanken. Nach Projekten wie
macht haben. Stellenweise hat man hier das Gefühl, Saint Low und Jazz Cannon kommen die beiden auf
dass ein Moment ruhig misslingen kann, denn man „Piano Creeps« nun wieder zum gemeinsamen Musikann ihn später wieder einfangen, stellenweise ist zieren zusammen. Losgelöst von Refrainzwängen
man aber auch nur einfach andächtig und lauscht und größtenteils gesangslos fließt ihre Musik enthinein. (Der Sound der CD ist tatsächlich irgendwie spannt zwischen Trip Hop, Pop und Musique d’Aso, als würde man durch etwas hineinsehen, ein we- meublement recht genrefrei dahin. Auch instrumennig eng, vielleicht um das Ganze historischer klingen tal gehen sie recht frei zu Werke. Klavier, Violine und
zu lassen, vielleicht aber auch weil es so aufgenom- Gitarre stehen gleichberechtigt neben programmiermen wurde, oder vielleicht wurde es so gespielt). An- ten Beats und digitalen Sounds. Den Musikern
genehm und durchaus amüsant mal auf einer Micro- scheint es gut zu gehen, „Piano Creeps« ist Wohlstoria CD das Wort »super« zu lesen.
klang pur, einige melancholische Momente zeigen allerdings, dass ein wenig mehr schlechte Laune der
BLEED •••••
Musik einige wichtige Ecken und Kanten gegeben
hätte.
V/A - BIP-HOP GENERATION 6 [BIPHOP / BLEEP 19]
Braucht wohl keine Einleitung mehr, diese Compila- ASB •••
tionreihe. Heute mit dabei: Alejandra & Aeron (Lucky
Kitchen), die auf ihrem Stück die reine Schönheit in un- MUTAGENE - SLEEPING POSSESSION [DATABLOEM /
sere Ohren streuen und dabei mehr als bezaubern. Zwi- DBCD 003]
schenzeitlich wird sehr auf die granulierte Flamenco- Wir begrüßen ein neues Label aus Holland und wünGitarre fokussiert, bevor schwere Drones das Rätsel schen viel Glück und viel Segen, denn bislang verauflösen. Dann kommt Scanner, der noch mehr bezau- schreibt man sich hier eher dem klassischen Ambert mit wunderbar digitalen Plinkereien und fein zer- bient, wobei Mutagene Ambient eigentlich nur noch
hackstückelten Vocalfetzen. Ein Traum in blau. Bittonic als Ausgangspunkt nimmt für seine Stücke und geist darker Blödsinn, leider. Vielleicht in einer zu kalten wisse Elemente mit hinüber rettet. Klassisch ist es
Fabrikhalle, ja, aber nicht im Ohr. Ilpo Väisänen ist laut auf jeden Fall. Angenehm unmodern in den Sounds,
und gruselig wie immer, beherrscht die Echos dieser zaubert Mutagene traditionelle Downtempotracks,
Welt wie kein Anderer und intensiviert, was das Zeug aus einer Zeit, als Downtempo noch nicht Jazz war.
hält. Battery Operated kommen mit einem Experimen- Erinnert ihr euch an diese »Em:t«-Serie? Ungefähr
talhammer, den niemand braucht und Angel machen hier würden wir Mutagene ins Rennen schicken. Da
da weiter und schließen mit einem verzerrten Noise- die Bleeps, da die Strings, viel Hall und Echo, allerContinuum ab. Top und Flop ganz nah beieinander.
hand Mysteriöses, immer wieder kleine Rhythmen eine absolut runde Sache.
THADDI ••-•••••
TENNIS - FURLINES [BIPHOP / BLEEP 20/21]
Wackies 1717 (Reggae LP @ ¤ 14,00)
Wackies 1717 (Reggae CD @ ¤ 15,00)
re-issue of classic 80's Wackies dub
album
38032, 38033
Printed Circuit, der sympathischsten 8Bit-Rockerin
Nordenglands, die hier gleich eine ganze CD einem
imaginären Arcade-Klassiker widmet und alles unheimlich wuseln lässt. Spätestens bei »Switch It On«
ist dann das Bonus-Level erreicht und es zeigt sich
mal wieder, dass die größten Elektrohits jenseits von
jeglichem Hype einfach so auftauchen. Killertune.
Ansonsten muss ich immer an eine gemütliche Nachmittagsvariante von Bugdom denken. Kleine Schnuffi-Rhythmen plöckern, der SID spritet vor sich hin
und die Leadsounds spielen sich gegenseitig ihre
Melodien vor. Sowas kann man wochenlang hören.
Und spielen. Game Over? Insert Coin!
www.databloem.com
THADDI ••••
DISCOM - AUTOMOTO [DECO]
Vorweg, das ist eine großartige Platte. Und sie ist
verdammt strange. Das Info sagt, dass Discom eine
delikate Mischung aus ihrem Interesse für pervertierte und extreme digitale Bearbeitung von Sounds
und süßen Harmonien und Popmelodien suchen. Gefunden, bestätigt, aber man muss das unglaublich
süße und poppige in diesen Tracks auch hören könne. Denn sie gehen nicht einfach mit einem Plugin
über die Sounds und nutzen das digitale als eine Art
x-ter Verzierung in der modernen Musik, sondern sie
lassen die Sounds über die Klinge springen, hinter
der plötzlich alles morpht und sich ständig verdreht,
seine eigenen Wahrscheinlichkeiten ad absurdum
führt und dennoch verdammt gut gelaunt auf den
Klängen herumkaut wie auf einem Kaugummi, den
man in den letzten Jahrzehnten einfach als eigenes
Körperteil schätzen und lieben gelernt hat. Dazwischen steckt immer mal wiedererkennbares, wie eine
Kinderstimme, oder, äh, sowas wie ein Beat, aber alles eher als vielleicht, denn als Grund. Weit vorne
diese Musik. Stellt euch vor, Microstoria würden
Tracks machen, bei denen man nicht weiß, ob man
lieber schnell auch solche Drogen kaufen will, die
ganze Zeit laut YES! (oder eben oui, soweit ich weß
sind Discom Pariser) rufen möchte, Headbangen, bis
sich der Kopf in seine molekularen Einzelteile aufgelöst hat, die man dann digital zu höchst plausiblen
akustischen Kuscheltier-Arrangements verarbeiten
kann, oder ob man eben doch daran glauben soll,
dass dies hier, ganz anders als die Plinkerpopmelodien in so vielen Elektronika-Tracks, die wirkliche echte digitale Regression ist, die dann auch kein Symptom mehr sein kann, sondern eine Hölle ständiger
Begeisterung.
www.w-deco.com
BLEED •••••
SUSANNE BROKESCH - SO EASY HARD TO PRACTICE
[DISKO B]
Ich weiß gar nicht genau wieviele Jahre die letzte Susanne Brokesch Platte her ist. Aber vergessen hat
man sie nicht. Nach einem kurzen Intro mit Schubert
ASB ••••
Musik, Verzerrung und Gesang, dass das Thema dieser CD setzt geht es hinein in die darken skurrilen
PRINTED CIRCUIT - THE ADVENTURE GAME [CATdunklen Vorhänge aus Sound, die immer neu niederMOBILE / DARLA]
Endlich mal wieder Neuigkeiten von Catmobile und schlagen, als wären sie ein Brandteppich aus Schwe-
Dass im österreichischen Nickelsdorf spannende
elektronische Konzerte im Jazzkontext stattfinden,
wurde auch schon anderswo dokumentiert. Hier lässt
sich ein 40minütiges Set von Laptopmusiker Pure, Gitarrist Martin Siewert und Turntablist Dieb13 nachvollziehen, das sich ganz gemächlich anschleicht und einen
mit seinen apathisch kreisenden Loops schnell für sich
einzunehmen vermag. Vordergründig betrachtet mag
man dem Klangbild erst einmal Düsternis konstatieren,
aber eigentlich wird da vielmehr eine Leere generiert,
welche zunehmends mit Spuren angereichert wird, die
man gerne weiter dabei betrachtet, wie sie sich im Laufe ihres Dahindriftens immer mehr Raum verschaffen
und gleichermaßen an Vertrautheit gewinnen. Die für
das Cover gewählte bildliche Analogie des gleichfalls
unwirklich wirkenden Death Valley-Panoramas spiegelt diese Stimmung und lädt gleichermaßen dazu ein,
sich aus den bleiernen Faltenwürfen auftauchenden
Details zu widmen und darüber zu einem verfeinerten
Gesamteindruck zu kommen. Angesichts der Länge
dieses Stückes erscheinen die im folgenden dokumentierten 10 Minuten eines weiteren Zusammentreffens
der drei im Wiener Rhiz schon wie ein Bonustrack, der
sich nach dem doch recht rockigen Verlauf des ersten
durch die ihm innewohnende Ruhe ganz gut dazu eignet wieder zu landen.
WEEKEND PLAYERS - PURSUIT OF HAPPINESS
[EASTWEST]
ASB ••
Data 80 ist definitiv nicht das seltsamste der vielen
Projekte von Hakan Lidbo, aber vielleicht das albernste. Das ertragen einige Leute nicht ganz so gut und
ja, die Methode ist manchmal ganz schön durchsichtig, aber wenn man schon bekennender Discoveteran
ist (ich jetzt nicht, nene), oder eben ein Faible für
Trash digitaler Art hat, der die gesamte Sippschaft
der Electroclash Dumpfgruftis aus ihren Kinderkriegsschauplätzen rausbombt hinein in die mediale
Wirklichkeit von grosser Hitmusik für eine Welt, die
nur einen kleinen Twist braucht, um das hier zu ihren
Sommerhits an den Stränden des stilvoll alternden
Europas zu erklären, ja dann, dann ist Data 80 eine
Erleuchtung. Blöde und verblödet ab und an, Melodien, die einem die Sneaker ausziehen, Sounds aus der
Grabbelkiste der Discoelektronen zusammenfusioniert mit einem Haufen unmöglicher Hitchords und
fake Trompeten, dazu diese säuselig übereffektierte
Computerstimme, sowas wie Bleeps, angeschrotet
daddelige Beats und hey, nein, keiner kann mir erzählen, dass das nicht auf den seriösesten Minimal-
www.dOc.test.at
PP ••••
LOOSE FUR - LOOSE FUR [DOMINO]
Achtung 6-Track-EP, Achtung Supergroup! »Laminated Cat« beginnt wie Can mit Jeff Tweedy von Wilco
an den Vocals. Der singt auch, aber die Feedbacks,
Rhythmen und sonstigen Sounds stammen von den
Herren O’Rourke und Kotche. Ein komisches Ding,
dieses Trio. O’Rourke, der zuletzt als neues festes
Mitglied der Alt-No-Waver Sonic Youth von sich reden machte, spielt wohl auch bei den letzten WilcoSessions mit. Da gebar man gleich die Idee auf ein eigenes Projekt. Loose Fur funktioniert: Es gibt sie
eben doch, die Summe der einzelnen Teile: repetitive
Sounds und eine leicht gelangweilte Stimme erzeugen einen Sog, der unumgänglich an die schon erwähnten Krautrocker oder Velvet Underground anno
03 erinnern. Dann wieder („Elegant Transaction«),
wenn O’Rourke auch stimmlich dominiert, tanzen
Wyatt und Drake beschwingt durch den etwas muffenden Raum. Ziemlich abwechslungsreich und sehr
faszinierend durch die offenrockige Hintertür.
www.dominorecordco.com
CJ •••-••••
PRAM - DARK ISLANDS [DOMINO / ZOMBA]
Pram mixen, wie von ihnen gewohnt, billige Orgelsounds mit warmen Bläsern, Thereminklängen, 60er
Jahre Spielfilmmusik-Reminiszenzen, gesampleten
Seltsamkeiten, dicken Basspolstern und nur vermeintlich unaufdringlichen Gesängen zu einem wohlig schaurigen und durchaus poppigen, auf jeden Fall
durch und durch englischen Albtraumsoundtrack.
Wie kann man ihre Musik nur bezeichnen? Indiepop?
Exotica? Spooky Indietronic? Egal, auf jeden Fall sollte man beim Hören die Nachttischlampe anlassen man weiß ja nie...
house Dancefloors genau so gut funktionieren würde wie in der Dorfdisco. Zwölf Tracks zu denen man
eigentlich die ganze Zeit grinsen kann. Oder man bekommt Punktabzug, weil man die Party schändlich
verlassen hat. Eine der poppigsten Platten auf ForceIrgendwas. Ich meine, wer schreibt heute schon noch
Schlager, an die man sich heute schon so erinnern
kann, als hätten sie diese gesamte Patina ihrer eigenen möglichen Retrofizierung gleich mitgeliefert.
Punktabzug dürfte es höchstens für »No More Lies«
wegen der Vocals geben.
www.force-tracks.com
BLEED •••••
V.A. - PLAYGROUND VOL. 6 [ECCO.CHAMBER /
SOUL SEDUCTION]
Nach dem Release ihres hervorragenden Albums
zieht es Nuspirit Helsinki um den ganzen Planeten.
Da lag Wien noch vergleichsweise nah. So machten
die DJs des Kollektivs Lil´ Tony und Ender Station
und übernahmen den sechsten Teil der PlaygroundReihe. Langes NuJazz-Gedadel suchen wir außer bei
Bugge Wesseltoft und Nuspirit selbst allerdings vergebens. Funky House und Broken Beats und etwas
NuSoul grooven direkter zum Floor als erwartet. Mit
Recloose, Stateless, Afronaught, Kirk Degiorgio und
Da Lata sind auch genug Winner dabei.
M.PATH.IQ ••••
ASB ••••
MOLOKO - STATUES [ECHO]
RASMUS B LUNDING & PHILIP SAMARTZIS - FLUORESCENT DR JIM’S]
Na also, der Chic im glitch ist noch da und wird nicht
langweilig werden, solange solch schöne Sachen erscheinen wie die Zusammenarbeit Lundings vom Danish Institute of Electroacoustic Music mit dem Australier, den einige noch von der Off-ICMC im Berliner
Podewil kennen dürften. Es geht hier lockerer als auf
manchem raster-noto release zu, fenneszsche Wiedererkennungsstrategien blitzen hier und da auf, kippen plötzlich in verkabelte field recordings oder
krabbeln vermact im MiniBeat. Akademische Strenge geht also keine sturen Wege und setzt sich sehr
angenehm mit Laptoppop auseinander, was bereits
das farbigbunte Cover mit Zungenlecken und verliebtem Octopus beweist.
www.drjimsrecords.com.au
ED ••••
Über Moloko muss man eigentlich wie immer die Lobeshymne schwingen. Mit »Statues« erscheint jetzt
ein (wie immer) sehr gut produziertes Album, das mit
allen möglichen musikalischen Raffinessen den Bogen von Jazz als Produktionsprinzip über das große
Orchester im Hintergrund bis hin zu den kleinen
elektronischen Leckberbissen mit konkretem Groove spannt. Über die alten Hits braucht man nicht
mehr reden, auf Statues gibt es unzählige neue, die
sich jedoch nie anbiedern, sondern einfach so sind
wie sie sind. Jedes Stück entfaltet sich dabei als glitzernde Popperle - das sind mal die positiven Seiten
der Kulturindustrie. Liebevolle Handschrift inklusive.
Vom großartigen Debut von 1996 »Do you like my
tight sweater«, über »Things to make and do« bis zu
»Statues« haben Moloko an ihrer unverwechselbaren Handschrift gefeilt. Das manchmal leicht sperri-
<39> - DE:BUG.68 - 02.2003
CD
(•)-nein (•••••)-ja
ge Arrangement der alten Platten klingt jetzt
erwachsen im Sinne von großen Themen. Da
kann Sängerin Roisin Murphy eben auch mal im
Dior-Abendkleid ganz elegant über die Tanzfläche schweben, ohne dass man Hintergedanken hat. Wunderbar epische Stücke wie »The
Only Ones« lassen einen kurz verschnaufen,
um dann anschließend wieder die Turnschuhe
steppen zu lassen. 2003 wird definitiv ein Moloko-Jahr - wie großartig, und Pop wird so wiedermal mein Lieblingsthema.
KERSTIN •••••
VITESSE - YOU WIN AGAIN GRAVITY [EDITIONES ACUARELA]
Ich mein hey, wo sind wir denn, dass sich Leute
damit rühmen, Vocals wie Joy Division zu haben. Mal im Ernst. Ich sag ja auch nicht, hey, ich
hab eine Internetverbindung wie vor 25 Jahren.
Nö. Und das würde auch ebensowenig stimmen. Das hier sind eher breitwandig schwärmerische Elektropop-Tracks mit leicht
schwächlich dunklen Vocals (früher Bernard
Sumner schon eher.., weil, von dem sagten auch
immer alle, dass er nicht singen kann) und, ja,
manchmal holen sie auch so eine früh-80er Wavegitarre raus. Meist aber bleibt die Musik nett
plinkern elektronikamäßig mit etwas viel Breitseite und Schunkelmelodie. Eine Generation
zwischen den Jahrzehnten im Wurmloch der
Besinnlichkeit gefangen. Gut, dass wir ihnen
nur zuschauen müssen.
BLEED •••-••••
ÜNN - ELECTRONIC MUSIC
[ELEKTROLUX / INTERGROOVE]
LÓPEZ, FRANCISCO/ STEVE RODEN - LE CHEMIN DU PARADIS [FARIO/DRONE]
Francisco López hält seine Konzerte oft in kompletter Dunkelheit ab, damit nichts den Hörer
von seinen Klängen ablenken kann. Seine elektroakustischen Klänge arbeiteten bisweilen
aber auch mit dermaßen geringen Lautstärken
und Variationen, dass die volle Konzentration
inklusive Benutzung eines Kopfhörers angebracht scheinen. Sein halbstündiger Beitrag
auf dieser Kollaborations-CD mit Steve Roden
ist wahrscheinlich sein stillster und lässt den
Hörer fast die Luft anhalten, um ja nichts von
den sparsam eingestreuten superleisen sonischen Ereignissen zu versäumen. Klanginstallateur Rodens Track ist voller mechanischer
Geräusche von insektenhafter Betriebsamkeit
und lebt von Verschiebungen des Stereobildes,
die den Hörer auf eine Reise durch geheimnisvolle unterirdische Produktionsstätten führt.
Der gemeinsame Titeltrack des Albums ist ein
klassisch ruhiger metallischer Drone, klanglich
irgendwo zwischen Belüftungsanlage und endlosem Tunnelsystem, der trotz dieser banalen
Beschreibung atmosphärisch dicht und spannend ist.
ASB ••••
V/A - WANNA BUY A CRAPRAK? [CARPARK /
CRPK 23 CD]
Zeit war’s. Und funktionieren tut es sowieso. Carpark kompiliert und alle kommen. Greg Davis,
hier mit einem lang erwarteten neuen Track, Kit
Clayton, Safety Scissors, Kid606, Marumari, Casino Vs. Japan, Dinky, die ganze Japanerbande, Hrvatski, Signer, Jake Mandell, Freescha ... Carpark
tion um sich dann in Wohlgefallen aufzulösen.
Richtiges Band-Ding, das da durchgezogen wird,
sehr vielschichtig, und auch wenn mir so ein abgenudeltes Wort wie ‘psychedelisch’ nur schwer
über die Lippen kommt, ist es genau das. Und
weil es einfach passiert, was da geschieht, ist das
Wort retro ebenso weit weg wie die Lobeshymnen in interessanter Musik seit jeher verpflichteten Publikation wie New York Times, I-D oder Village Voice ausnahmsweise mal gerechtfertigt
sind. Den Wahnsinn der drei hier nicht näher klassifizierten Tracks zu ergründen, möchte ich den
Ohren des geneigten Lesers überlassen.
www.fat-cat.co.uk
PP •••••
CORKER / CONBOY - IN LIGHT THAT LEARNED
LATER [VERTICAL FORM / VFORM 023CD]
Corker und Conboy waren eine der größten
Überraschungen überhaupt in letzter Zeit. Ihre
Tracks auf der Vertical Form Compilation »Pro
Bono Publico« deuteten nicht nur das großartige
Album an, sondern auch die stilistische Vielfalt,
die wir in Zukunft von Vertical Form erwarten
können. »In Light That Learnt Later« macht genau da weiter, wo die beiden auf der Compilation
aufgehört haben. Wahnsinnig entspannnte, akustische Miniaturen, die, so scheint es, alle im
Rechner nochmal gerade gerückt wurden. Zwischen verspielten Gitarren und bescheidenem
Schlagzeug entfalten sich kleine Miniuniversen,
die den bösen Wind einfach ausmachen und auf
die Terrasse einladen, wo sich die Schaukelstühle
schon eingewippt haben. Es gibt Kekse, kurze Jazzeinheiten, bunte Drinks und große Hits. Genau
solche Musik brauchen gerade alle. Ja, auch die
Frank Rückert ist eine Hälfte von Rauschfaktor,
veröffentlicht aber auch allein als üNN. Als Einflüsse nennt er Human League, Kraftwerk und
Depeche Mode; Elektro und Chill Out-Klänge
sind die Hauptbestandteile seiner Musik. „Electronic Music« macht nichts kaputt, fließt unaufgeregt aber ohne Widerhaken, Ecken und
Kanten dahin und bringt nichts, was man nicht
schon einmal irgendwo gehört hätte. Oder was
man unbedingt wiederhören müsste.
VESSEL - DREAMING IN PAIRS
[EXPANDING / ECD 10:02]
Kann man sich etwas Schöneres vorstellen, als
in Paris zu träumen? Einfach irgendwo sitzen,
gucken, immer wieder Kaffee trinken, mir gefällt das. Gavin Toomey offenbar auch und so
beginnt sein Album auch gleich mit einer wahnsinnige Träumerei, in der die leicht angenoisten
Flächen sich wie in Zeitlupe drehen und wenden und irgendwie aufblühen. Vessel, der im
richtigen Leben Special Effects für Filme wie
Harry Potter bastelt, ist ein Meister der Langsamkeit, versteht es komplett unaufregende
Strukturen als Anfangspunkt für seine kleinen
Geschichten zu nehmen, barockt die Melodien
und klingt dabei manchmal wie Plaid auf halber
Geschwindigkeit. Was ja kein Fehler ist. Überwältigend leicht sind seine Stücke, dabei deep
wie die Themse bei Nebel und manchmal auch
mindestens so mysteriös. Plinkerwettbewerbe
würde Vessel locker gewinnen. Immer wieder
fällt ihm ein kleiner Dreh ein, um alles golden
anzustreichen. ISAN sollten mal eine Tasse Tee
mit diesem Herren trinken, einfach so. Freunde
werden immer wichtiger heutzutage.
www.expandingrecords.com/
THADDI •••••
www.foehnrecords.com
THADDI •••••
PATRICK PULSINGER PRESENTS - EASY TO ASSEMBLE. HARD TO TAKE APART [FORM & FUNCTION / ZOMBA]
Die beiden vorab erschienenen 12«es deuteten
ja schon an, wo es mit Patrick Pulsingers Jazzprojekt hingehen sollte. Auch „Easy To Assemble« ist eine feine Mischung aus improvisierten
Jazzsessions und derer einfühlsamen digitalen
Bearbeitung. Beteiligt waren neben dem Bassisten Werner Dafeldecker (Zusammenarbeiten
u.a. mit Eugene Chadbourne und Christian Fennesz), dem Pianisten Josef Novotny sowie Paul
Skrepek am Schlagzeug noch sieben weitere
Musiker. Das Ganze hat aber mitnichten Ähnlichkeiten mit einer Bigband, sondern wirkt
sehr intim, warm und minimal, wobei die elektronischen Elemente sich wunderbar in die
Band einfügen. Ein sehr gelungenes Experiment.
PATRICK PULSINGER PRESENTS EASY TO ASSEMBLE. HARD TO TAKE APART - THE ALBUM.
IN THE SHADOW OF ALI BENGALI
[FORM&FUNCTION]
N.O.I.A.
[ERSATZ AUDIO]
www.ersatzaudio.com
BLEED •••-••••
Nicht mehr ganz frisch, aber so ist das mit Sachen, die man mal eben so in die Hand gedrückt
bekommt, dabei in leuchtende Augen schaut
und nicht nein sagen kann. Warum auch, Polariode-Strand sind aus Spanien und Killer. Die
beiden Freunde beherrschen einfach alles. Bauen Melodien so groß und schön wie kaum sonst
jemand in der Milchstraße, sind dabei mal klavirig bestimmt, dann wieder blubbernd verspielt, holzen ein paar Beatbäume ab und
rühren alles während der Siesta um, im Moment der Ruhe also, wenn die DSPs nur ganz
sanft wurschteln, plockern und knuffen. Spanien ist schon längst nicht mehr die große Unbekannte auf dem Elektronika-Atlas. Menschen
wie Tape oder eben Polaroide-Strand beweisen
eindrucksvoll das Gegenteil. Ganz wunderbar
und irgendwie so sonderbar eingekuschelt in
die Kabel, dass man einfach nur noch seufzt.
Seufz. Nochmal.
ASB ••••
ASB •
N.O.I.A. ist eine italienische Synth-Pop Band
deren Tracks von 1978 bis 1982 (ihre ersten eigenen Platten erschienen 1983) Ersatz Audio
hier rereleast. Sweet und einfach, sympathisch
plinkernd mit einem cleanen italienischen
Popflair und dennoch denkt man nicht einen
Moment dran, dass die Kraftwerk Fans (die
auch schon mal im Chor singen) irgendwie dem
ansonsten üblichen triefenden Sound aus dieser Zeit nachhingen, im Gegenteil, vielleicht
auch, weil der Wahre Kitsch erst nach ‘82 begann, und hier eher die Simplizität, die Elektronik und die einfachen plinkernden Sounds im
Vordergrund stehen. Lustig, wenn man sich so
anhört, wovon damals geträumt wurde, und
was heute Style ist. Stellenweise wirken sie dadurch aber auch wie eine Retrocombo vom
Land mit Alleinunterhalterqualitäten. Ach, und
als ganzes Album hat es für heutzutage dann
doch einfach zu wenig Sounds. Für Historiker.
POLAROIDE-STRAND - DOMESTICA_04
[FOEHN / 05]
macht Spaß. Herr Davis also beugt sich tief über
den Hals seiner akustische Gitarre und spielt einfach wunderbar, baut ein kleines Maxpatch dazu
und ich hoffe, die neue LP kommt wirklich bald,
mir ist schon ganz schlecht vor Aufregung. So
Takahashi spendiert einen exklusiven Track, der
voll und ganz in seiner digitalen Dronigkeit aufgeht und einem dabei eine irgendwie wohlige Bedrohlichkeit um die Ohren bläst. Ogurusu Norihide lässt einen großen akustischen Moment seines Albums Revue passieren, (Miss) Dinky droppt
ein Sample, das alle Jahre nicht mehr gehört haben und plinkert drüber, Freescha (hallo!) tanzen
ungewöhnlich discoid, Casino und Kid braucht
man nicht vorzustellen, Takagi Masakatsu
schießt den Vogel ab und landet den Hit dieser
Compilation, einfach unsagbar fröhlich und überraschend und schön und toll und liebenswert und
yippie! Verdammt noch mal ist das hier toll.
Hvratski schießt ein paar Sterne ab, ist wunderbar grummelig wie sein Bart, Signer streng und
dubbig und warm und Jake Mandell bedrohlich
stolpernd und sehr technologisch frisch und fantastisch. Bunter kann man elektronische Musik
heute eigentlich nicht mischen. Und besser auch
nicht.
Kalimbas. Neue Helden für mich, die sich mit dem
Album nur noch tiefer in meinen Kopf eingraben.
THADDI •••••
ASB •••
BLACK DICE - BEACHES & CANYONS
[FATCAT 024]
DOC - STRUCTURE [FOCUSMEDIA]
Hier wird ja ganz schön abgeräumt... Fordernde
Drums, wenn sie da sind, fließende Marimba-artige Sounds, Mundgeräusche und ein verlorenes
Vogelgezirpe bilden die Koordinaten des ersten
Tracks. Wo anders als in New York kann etwas so
Rhythmisches aus solchen Komponenten zusammengebracht werden? Auch wenn’s danach etwas süßlicher zugeht, erinnert mich das an in dieser Stadt erlebte Konzerte, über die man hier vermutlich mit dem Kopf schütteln würde, die dort
jedoch auf dem Nachhauseweg durch - gerne
winterliche - Straßen ganz schön nachhallen und
eine beschwingte Champagnerlaune mit sich
bringen. Natürlich bleibt die Musik nicht so süßlich, sondern verhaspelt sich in einem genial hängengebliebenen Loop und dann sind auch die
Drums wieder da - plötzlich ist alles erneut in Ak-
THADDI •••••
BLACK DICE - BEACHES AND CANYONS [FATCAT / INDIGO]
Bei solchen Platten ist der gemeine Musikkritiker
schwer aufgeschmissen. Die bekannten Schubladen funktionieren einfach nicht. Ich nenne trotzdem mal welche: Industrial, experimentelle Elektronik, Dub, Geräuschmusik, so etwas wie Rock,
Ambient, Plunderphonics, Noise. Die Band arbeitet mit Elektronik, Gitarre, Schlagzeug und einem
großen Anteil von bearbeiteten Stimmen und
endlos wiederholten Loops an ihrem ganz eigenen Verständnis von musikalischer Performance,
denn bei „Beaches And Canyons« handelt es sich
um ein mitgeschnittenes Livekonzert. Durch heftige Lautstärken und extreme Frequenzen fordern ihre Shows sicher einiges an Stehvermögen
seitens ihres Publikums. In früheren Zeiten hatten sie es bereits nach 15 Minuten vertrieben. Die
Band hat aber auch ruhige atmosphärische Seiten, die auf Tonträger gebannt auf jeden Fall die
reizvollsten sind. Im Konzert ist Black Dice mit Sicherheit ein Erlebnis.
In Detroit gibt es auch immer wieder Überraschungen, jenseits der sonst schon verdammt
mächtigen Electro Szene. Doc nennt seine
selbstproduzierte CD »experimental electropunk« aber es ist eben doch Detroit, man
kommt da nicht raus. Egal ob die Tracks wirklich
sphärisch bleiben oder fast albern bleepig wie
z.B. »Redpop«, verzauselt frühtechnoid wie »8
Mile Styles«, oder mit leichten Countrygitarren
wie auf »Bloody Nose« fast kitschig und sogar
an Rock and Roll nicht unbedingt vorbei wollen.
Wäre nur der Sound etwas forscher und nicht
ganz so zurückgenommen, wodurch die Platte
ein wenig blass wirkt, obwohl sie es vielleicht
gar nicht müsste, dann gäbe es keine Ausrede.
www.focusmedia.org
BLEED ••••
OK, Pulsinger, ein für einen Nicht-Jazzer
schwer zu beurteilendes Album. Aber ich versuche es, in dem ich mit bescheidener Rezeptions-Erfahrung zwischen Baker, Loussier und
Davis (was man so von seiner Mutter mitbekommen hat) und einem Haufen Idealismus
einfach mal für mich behaupte, dass dieses Album sehr, sehr, sehr groß ist (dreimal!).Warum?
Weil das Ding herausfordert wie Hölle, weil das
Ding groovt wie heiße Scheiße, weil das Ding
ein schwingender Monolith ist, der kurz „Guten
Tag« raunzt und dann wippend vor Deinem
Schreibtisch steht und dich auffordernd anschaut. Pulsinger, zuletzt hast du uns mit der
Wiederbelebung Louie Austens eine Art auch
nicht schlechte Sophistication-Simulation beschert. Aber hier gehst du endlich den direkten
Weg in den Jazz. Sehr schwarz, sehr experimentell (mit einer Menge Effekten) und immer am
Rande zum improvisatorischen Abgleiten
nimmt uns deine Wiener Jazzband an die zitternde Hand. Ein wohlerzogener Trip.
www.formandfunction.net
CJ ••••-•••••
GAGARIN - EARTHLING [GEO]
Sehr schöne dicht melodiöse Electronica Platte, die es eher auf harmonisch ruhiges angelegt
hat, als auf breakig dichte Soundgewitter, und
dabei manchmal ein wenig in Richtung Detroit
manchmal vielleicht Broken Beats Exotica,
manchmal aber auch fast in eine eher akademisch angehauchte Ambient-Ecke driftet, ohne
sich aber damit aufzuhalten, was für ein Genre
hier letztendlich den Rahmen bilden könnte.
Musik für Observatorien und Kinderzimmer,
die welche werden wollen, aber schon jetzt wissen, dass das nicht nur sicherlich irgendwie
scheitert, sondern vor allem den elektronischen Baukasten herausfordert. Angenehm.
www.gagarin.org.uk
BLEED ••••
NAD SPIRO - FIGHTCLUBBING [GEOMETRIK /
MESS/AGE 01]
Klingt trotz seines eigentümlichen Klangbildes
eigenartig vertraut und auf eine Art sehr persönlich, ganz so als würden die Tracks den Kontakt zum Hörer suchen, ohne dabei allerdings
missionarisch unterwegs zu sein. Langsame Soundteppiche, die öfters von entfernten Stim-
men angereichert werden, sich dabei entlang
der Parameter Melancholie und Unterbewusstsein bewegen und eine entrückte Stimmung
oder ein ‘Auf-sich-selbst-besinnen’ kreieren.
Sehr akzentuiert geht es zu und doch wirken
die meisten Tracks so als gäbe es eine weitere
Schicht, deren Geheimnis uns Frau Arruti nicht
preisgeben mag. Wäre interessant zu recherchieren, welcher Anteil an dieser Musik sich
daraus ergibt, dass sie in Barcelona lebt. Ihr gelassener Umgang mit Gefühl liesse sich vielleicht als abstraktes Liedgut labeln, das auf seine ideenreiche, verschrobene Art einzigartig
ist und der aus Coppola’s ‘Apocalypse Now’ elegant in den Titeltrack verwobene Slogan ‘GI Fuck you!’ ist ja auch mal wieder sehr aktuell.
www.xenoid.com/~spiro
PP •••••
MOUNT SIMS - ULTRASEX [GIGOLO]
Mount Sims, der sportlichste Kurzstreckenläufer im Stall von DJ Hells Gigolo-Imprint, liefert
mit »Ultrasex« sein Debütalbum an die lechzende Neo-80ties-Klientel ab. Hier kriegt NuWave eine satte G-Funk-Keule verpasst und
cruist zum nächsten Champagner-Sit-In auf’m
Sonnendeck. „You know how we do« hat dieses
Gangsta-Gefühl für den prolligen Extragroove
elegant in den Synthiesound reingebrezelt und
auch „Object Electronique« hat schwere
Schlagseite Richtung „wir-rollen-auf«m-Block«.
Von den Sounds her teilweise recht progressiv
das Ganze, der ein oder andere Knuspergroove
ist zwischen dem ganzen Synthigekreische auf
jeden Fall auch noch versteckt. Ein Album wie
ein korrekter Porno, hart, schön gerade aus und
immer wieder gut für ‘nen billigen Kitzel. Perfekter Service für die verlorenen Seelen der
Spießer-Gesellschaft.
Afrostyles, und warum um alles in der Welt verpatzt er den ersten Mix so, dass man hinterhier
fast schon überrascht ist, wie lässig das ganze
hier von Wüstennächten in New Yorker Discos
und hinein in die Sambabar wechselt. Immer
ziemlich ausgesucht sympathische, hochproduzierte Tracks mit vielleicht einem gelegentlichen Hang zu kitschigen Momenten. Gegen
Ende aber auch immer deeper. Auf der House
CD sind At Jazz, Catalyst, Solaris eights, Max
Fresh, Afro-mystic, Salt City Orchestra u.a. dabei. Die Eclectic Mix CD (zweiter Teil) ist leider
stellenweise unerträglich wegen Gitarrensolo,
Funkoverload und anderen Schreiereien, was
die guten Tracks etwas untergehen lässt und
vielleicht greift man dann doch eher zu einer
Downtempo Compilation, auch wenn die gegen so etwas hier meist fast flach wirken. Glätte kann Vorteile haben.
www.hoojchoons.co.uk
BLEED ••••-•••
TERRE THAEMLITZ - LOVEBOMB [MILLE PLATEAUX]
Nein, das ist nicht sein »Fragmente einer Sprache
der Liebe«, obwohl Terre Thaemlitz Platten einen
auch immer irgendwie wachrütteln und freundlich aber bestimmt auf das eigene Ghetto verweisen. »Like any other nation, the House Nation
uses a barrage of »love« samples to drown out financial rip-offs, sour deals, embezzlement, exploitation, drugs an organized crime.« Nein, das
ist nicht bitter, das ist so, und mit Musik rettet da
nix, aber man will und so will »Lovebomb« die Differenz die Stücke nicht einfach einer Bestimmung öffnet, sondern Widerspüche in sich auf-
CASPAR ••••
KG - ADIEU A L`ÉLECTRONIQUE [GOOOM DISQUES]
KG aus Straßburg soweit ich weiß, und nicht
drei Mädchen, wie das Innen-Cover vermuten
lassen könnte, machen Ernst und nennen alle
ihre Tracks S.P.E.C.T.R.E. Toll oder. Derrida-Fans
voran. Und die Stücke sind so verschroben aus
Versatzstücken aller Art von Discophantasien
in tausend Facetten einer Discokugel zerbrochen, dass sie manchmal selber Mühe haben,
die Einzelteile kongruent wieder zu Tracks zusammenzubasteln. Und gerade das macht den
Charme dieser Tracks aus. Mal zauseln die Effekte über eine geschrammelte Bassline, werfen sich in alte Blissed-Out Schalen, dann plötzlich tun sie so als könnten sie eine Konkurrenz
für die neue Discowelle der New Yorker sein,
dann hämmern sie mit etwas albern kreischigen Electro-Sequenzen und kontrapunktiert
melancholischen Orgeln Sprengsel von angezerrten Bassdrums und klassische Housebasslines aus Detroit durcheinander und landen am
Ende in einem Harddisc-Zugriffsfehler, oder,
wenn sie Lust haben, holen sie weit aus, greifen
in die 70er Jahre Synthgeschichte und braten
dazu einen Monsterbass mit 80er Snardrums,
dann shuffeln sie sich ein Intro aus der nächsten Galaxie zurecht und landen das Mothership mitten in einem Stakkato aus LooptechBrokenbeats meets Pansonic auf Latincrashcourse. Na, klingt doch irgendwie verwirrend
oder? Ist manchmal auch vielleicht etwas überzogen als Strategie, aber wenn sie nicht die
Helden wären, die sie sind, dann könnte das
vielleicht sogar ganz arg schiefgehen, so ist es
eine Vision, keine CD.
www.gooom.com
BLEED •••••
LIAISONS DANGEREUSES [HIT THING]
Passend zum 80ties-Electro-Revival kommt
hier die Wiederveröffentlichung eines legendären Meilensteins. Liaisons Dangereuses, die
nicht nur mit »Los Ninos del Parque« einen
Klassiker elektronischer Tanzmusik verbrochen
haben, sind wieder zu haben. Was Beate Bartel
und Chris Haas sonst noch in den 80ern machten, kann man bei Jürgen Teipel nachlesen.
Welche Bedeutung ihr 1981er Album unter dem
Namen Liaisons Dangereuses für die elektronische Nachwelt hatte, lässt sich nur erahnen.
Sprechgesang, der nichts mit NDW am Hut hat,
trifft auf Synthie-Electro-Sounds für die Ewigkeit. Selbst hören.
nehmen kann die nicht vereinbar sind. »Loving
you« wird mit den harmonisierten Vocals einer
ANC Ansprache gespielt, was vielleicht das sichtbarste dieser Themen auf der Platte ist, und wenn
man »We must learn to make homemade bombs
wich are lethal« in dieser Melodie hört, versteht
man vielleicht Dinge, die man auf manchen anderen Tracks nur ahnt. Musikalisch eine Platte die
diese Art von Verarbeitung existierenden Materials mit digitalen Filtern und Effekten weiter treibt
denn je, und dennoch irgendwie dabei leichter
hörbar ist als einiges andere von Terre, egal wie
krass es auf den Tracks werden kann und wie sehr
einem z.B. die Szene die »Lovebomb« beschreibt,
den Magen umdreht. Eine der herausforderndsten Platten des Jahres, das kann man jetzt schon
so sagen, die dennoch irgendwie das Gegenteil
einer Konfrontation ist.
www.mille-plateaux.net
BLEED •••••
MOCKY - IN MESOPOTAMIA [GOMMA]
Eine gleichzeitig grandios alberne und dabei
doch gar nicht scherzhafte CD, denn Mocky ist
völlig freistilmäßig zwischen verschiedenen
Formaten wie Rap oder sowas wie Chanson unterwegs und blödelt seriös durch recht zackige
bis schmalzige Beats mit teilweise sehr gewieften Sätzen und ist dabei divers, zusammengepuzzlet, unterhaltsam und eine multiple Ironiekrone wert.
www.gomma.de
CAYND •••••
ALEXANDER ROBOTNIK - OH NO...ROBOTNICK [HOT ELEPHANT MUSIC]
Ja, der Alexander Robotnik. Er meldet sich
zurück, frisch aus der Asche der 80er wiederauferstanden mit zehn neuen Tracks, die zumeist
so klingen, als wären wir gerade immer noch irgendwie in den Italo House-Anfängen und hätten unsere ersten schüchternen Schritte RichSK ••••-•••••
tung Techno gelernt. Wenn man sich zuerst mal
die Ohren zuhält, weil man denkt, oh nein,
BILL BREWSTER - PRAXIS [HOOJ CHOONS]
Was will er wohl von uns, Mr. Brewster, mit sei- schon wieder ein Held der den Bach runter
nen beiden Mix-CDs hier irgendwo zwischen geht, muss man, lässt man sich erst mal auf die
Broken Beats, Sambahouse und klassischeren Tracks ein, zugeben, dass hier all das ist, was
<40> - DE:BUG.68 - 02.2003
CD
(•)-nein (•••••)-ja
man an Italo Disco so liebt. Unverschämte Sounds aus definitv nicht keimfreien Bereichen,
kitschig eintönig leicht morbide Stimmungen
zwischen einem gewissen Macho gehabe und
der die Seele komplett aufweichenden Drogenstimmung. Und da Maurizio Dani es irgendwie
(finde jedenfalls ich) immer noch drauf hat, den
stellenweise dreisten Elementen genau den
Raum einzuräumen, den sie brauchen, ohne
überladen und einfach platt zu wirken, mag ich
diese CD durch und durch, auch wenn es
manchmal schwer fällt, sie auf der Basis einer
fehlenden Erinnerung an frühe Technozeiten zu
hören. Ich finde, die Zeit für genau diese Robotnick Platte ist reif. Und da er eh schon weiß
(siehe Titel), dass sich selber wieder zu beleben
eine durchaus alberne Sache ist, gibt es z.B. auf
Supermarket eine Aufzählung skurriler Lebensmittel aus einem deutschen Supermarkt mit einer französischen Stimme, die allein schon reichen dürfte, um einem zu sagen, wie albern das
meiste dieser Platte hier gemeint ist, und warum man sie genau deshalb ernst nehmen muss.
www.robotnik.it
BLEED •••••
V.A. - PLAYLIST [JCR 036-2]
Hol den 77er Chevi aus der Garage, groove-geiler Anzughosen-Arschjazzrock mit viel Gitarre
und echtem Musikerschweiß steht wieder an
vorderster Rampe. Erstaunlich, wie sehr dieser
JCR-Labelsampler wie eine Retrosammlung von
70er Pretiosen klingt. Einst scharfe Katzen werden im digitalen Zeitalter aber ganz schön grau.
Den nostalgiegerührten Virtuosen-Jazzgroovern wie Victor Davies, Nuspirit Helsinki, Underwolves, Classen Collective oder Jerzy Milian
stehen lediglich Jazzanova und Rima mit ihrem
Koop-Remix digitalgeschüttelt entgegen. Wohl
elegant, aber ganz schön bieder elegant.
JEEP •••-••••
V.A. - PLAYLIST [JCR/ 37-1]
Eine Compilation auf JCR zeigt den bisherigen
Werdegang, des sich sehr gut entwickelnden Labels. Auf dieser 12« sind bisher noch nicht veröffentlichte Nummern, darunter das Bassmonster
„Forward« von Rima (Domu und Volcov), das mit
verspielten harten Drums und einer Drum’n’Bassartigen Bassline glänzt. Deren im März kommendes Album wird wohl für noch größere Aufregung
sorgen. Sehr verspielt und in gewohnter Qualität
legen Intega erneut Hand an Underwolves’ „In
the Picture«. Broken Boogie, der dem Namen
wirklich alle Ehre macht. Unnötig allerdings der
banale Face Action-Remix für Victor Davies: Die
im Original schon enervierenden Streicher werden durch einen seichten House-Beat begleitet
und verirren sich im Nichts einer Broker Lounge.
LUM •••••-•
men, von den kleinen Lichtern, die auf den Dingen tanzen und in den Klängen arbeiten damit
sie zu Maschinen werden, die zu einem reden
können, wofür man sie stellenweise nur einfach
aus dem Leben reißen muss und ihnen im Rechner ein neues geben. Und wer diese gewisse
Nostalgie anderer Komplott Platten liebt, der
wird auch hier auf einigen Tracks nicht enttäuscht. Musik die man am besten mit offenen
Fenstern in den ersten warmen Frühlingstagen
hören muss, wenn einem wieder einfällt, dass
Siesta eine der besten Erfindungen der
Menschheit ist. (Nach dem Computer selbstverständlich).
www.komplott.com
BLEED •••••
ASIAN DUB FOUNDATION - ENEMY OF THE
ENEMY [LABELS]
Sowohl mit ihren polarisierenden und radikalen Aussagen als auch mit ihrem eigenen Sound
konnten ADF bis dato nur gespaltene Reaktionen auslösen. Und so wird es wohl auch immer
bleiben. Man nehme die Energie der Rebellion
von Atari Teenage Riot oder Rage Against The
Machine, gebe Raps und diverse asiatische Stilmomente hinzu und man hat noch immer nicht
das, was sie einzig und nicht artig macht. Primal
Scream und die Beastie Boys nahmen sie mit
auf Tour. Der Vibe hat längst auch Japan erreicht. Mir allerdings ist das offen gestanden
noch zu spätadoleszent. Daran ändert auch Adrian Sherwood (On-U-Sound) als Produzent
wenig.
M.PATH.IQ •••-••
www.kanzleramt.com
BLEED •••••
SON OF CLAY - FACE TAKES SHAPE [KOMPLOTT]
Wie wir ja alle wissen, wohnen Schweden bevorzugt in Berlin. Dieser hier, Andreas Bertilsson, auch. Und scheinbar gibt es ebensoviele
die clickernde ruhige Musik machen. Son Of
Clay beginnt wie ein klassisches Clicks & Cuts
Projekt, klar, daran kommt man hier nicht vorbei, benutzt viele Sounds, die aus Außenaufnahmen bestehen, lassen diese in einer konnotativ-generativen Suppe schmoren und brutzeln bis einem das Herz übergeht vor lauter
Dichte und Komplexität, greifen aber dann immer öfter auf leichte Melodien zurück, die sie
eher in Richtung von Sonig oder Tomlab rücken
würden, natürlich auch das mit diesem
Overhead der ständig aufgemachten Türen aus
Klangräumen, digitalen Experimentierfreude
und dem Willen, jeden Track ganz eigen wirken
zu lassen. Es geht weniger um die Konstellationen in einer bestimmten Rhythmik, auch nicht
der einer Logik des Projekts, als vielmehr um
das Entdecken der Nicht-Linearität von Räu-
MEDUSA [MOLOKO+]
www.musicforfreaks.com
BLEED •••••
Hinter Medusa stecken Andreas Brüning (hallo) und Gerald Lindhorst (Don Q Producer) und
manchmal hat man den Eindruck, sie wollen
den Grossen der Downtempo-Raver mit ihren
Tracks Konkurrenz machen, dabei aber dennoch neben satten Beats, Trompeten und breiten Basslines irgendwie die Feinheiten der Soundbearbeitung immer im Blick behalten und
dieser großen Philliesoundgeste mit einer weiteren Lage Effekt-Dimension Einhalt gebieten,
sie aber gleichzeitig auch steigern. Das kann
funktionieren, hängt aber gerne auch mal zwischen den Stühlen von lässiger Downtempoträumerei eines besseren eigenen Funkuniversums und den Welten hinter einer Musik als Referenz auf Stile, entwickelt aber irgendwie doch
meist eine ganz eigene Ernsthaftigkeit, die Medusa schon wieder attraktiv machen dürfte für
kommende Jazzfestival.
TERENCE FIXMER - AKTION MEKANIK [MUSIC
MAN RECORDS]
An alle Spätgeborenen, die weder Zeit hatten, ihre Jugend zu verschwenden, noch über den Zugriff auf Plattensammlungen älterer Geschwister
verfügten: Der Teilzeit-Gigolo Terence Fixmer beglückt uns dieser Tage mit einer edlen Kompilation voller Frühachtziger Elektro, Punk und New
Wave: Von Daniel Millers (aka The Normal) Überklassiker »Warm Leatherette« über No More’s
»Suicide Commando« bis zum Titelsong des Teipel-Buchs (DAF »Verschwende deine Jugend«)
findet sich einiges von Rang und Namen: Nitzer
Ebb, Fad Gadget, Front 242, Skinny Puppy, Liaisons Dangereuses etc. Wer sich vor lauter Electroclash-Verschnitten eine kleine Pause gönnen
möchte, ist hier in guten Händen.
SK ••••
BLEED ••••
HECKER - SUN PANDÖMONIUM [MEGO 044]
Beginnt recht sakral und auch Titelnamen wie
‘bsf°tyk 5’ oder ‘lulliski sim con’ lassen einen mehr
an eine Ufosekte als an Computermusik denken.
Zunächst dräut der Verdacht, Hecker wolle Bereiche der sogenannten ‘Neuen Musik’ für sich erschließen - es geht recht kompositorisch zu und
eher schwer als leicht. Der verspielte Umgang
mit Raum schafft allerdings schnell Zugang zu einem Erlebnis, bei dem Klänge aus Winkeln auftauchen, von denen man nicht erwartet hätte,
dass die Lautsprecherboxen sie zu erreichen vermögen. Hat man sich erst einmal auf das Klangbild eingegroovt, mag man nur ungern davon lassen, was durch die 18minütige Spielzeit der von
der Leine gelassenen Sounds des zweiten Tracks
auch gewährleistet wird. Vielleicht klingt so der
Abwehrkampf angegriffener Mikroben. Die folgenden, kürzeren sketchartigen Tracks mit ihren
dezent organisierten Tönen würde ich mir auch
als frühe Arbeiten aus dem Studio für elektronische Musik des WDR verkaufen lassen, was sie
nicht unattraktiv macht.
www.mego.at
PP ••••
DIEGO - INSTANT REALITY [KANZLERAMT]
Diego ist ja mittlerweile zu einem Musiker geworden, der, so wie das Album hier ansetzt
auch glatt in West-London aufgenommen würde. Gut durchdachte breitwandig melodiöse
Tracks mit bleepigen Detroitsynths, weiten
Flächen in hymnischer Größe, natürlich schon
Techno, irgendwie, aber so durchsetzt von Harmonien selbst in den Effekten und vielseitigen
Beats, dass man es selbst, wenn es mal schneller und härter werden sollte, kaum in einer anderen Tradition sehen kann als eben Detroit,
und die ist ja nach wie vor wie ein Virus dabei
immer weitere Bereich von Musik zu infizieren
und mit ihrer Geschichte zu tränken. Wenn es
soetwas geben würde wie ein neues Underground Resistance Album, vielleicht wäre das ja
von Diego? Die Pianos sind da, die Hallräume,
die schnelle immer für Modulationen bereite
Intensität und vor allem die lässige wie nebenher geschaffene Dichte. Perfekt als Ergänzung
zum cleaneren Soul Designer Album eine CD
die man ins Regal neuer Detroit Helden von
Heute stellen kann.
BLEED •••••
Das ist eigentlich gar kein Album, das ist eine Anleitung zum Überleben als Agent einer Macht die
erst noch erfunden werden muss, eine Anleitung
(»even if it does not need fixing, we can fix it«) alles richtig zu machen. Und, hey, das ist dazu auch
noch der streetwiseste Entwurf House und Funk
(Freaks touren für dieses Album als komplette
Band, vermutlich wirds sowas wie eine Freakshow, ein Orchester, eine Dancefloorcomedy für
unsichtbare Helden) gar nicht mehr anders, als
zusammen sehen zu können, den das Jahrhundert bisher gesehen hat. Und, ja, dafür sollten sie
eigentlich auch noch einen Literaturpreis hinterhergeworfen bekommen.
anstatt sich auf eine eher monotheistische Klangvision zu beschränken und kommt so extrem
weit. Musik die sich in ihren besten Momenten
durchaus mit den schönsten 12K Platten messen
kann, gelegentlich richtig abstrakt funky wird
und trotz mancher dunkler Passagen eher mit einer gewissen Komik jeglicher Art von Heiligsprechung der DSP-Reduktionismen ad absurdum
führt und sich so einen Spaß am Knistern bewahrt, der nicht unbedingt so häufig ist. Dazu
noch das brilliante Tauben in Alpen Covergemälde und fertig ist ein neues Highlight der Berliner
Click Szene.
PRE-SET - NEW ELECTRONIC MUSIC [MUTE]
CONTRIVA - IF YOU HAD STAYED [MONIKA]
Da könnte man gleich vom ersten Takt anfangen
zu heulen vor Freude, weil Contriva so wunderbar
zärtlich-schöne Musik machen. Ohne jeglichen
Kitsch auskommend, zeigen Contriva mit ihrem
zweiten Album „If you had stayed« wie man das
Wort »Nachdenklichkeit« neu definiert. Lange lebe die gutgelaunte Melancholie! Contriva machen Musik die sofort das Herz berührt, entspannt und es doch immer wieder schafft den
Hörer auf eine wunderbare Reise mitzunehmen.
Das Contrivaland muss irgendwo zwischen Ostseewellen, Telecafe im Nebel und Paris liegen.
Und doch klingen Contriva nie nach Superperfektion, sondern schiffen immer noch auf der Indiewelle im grossen Ozean der Gitarren, ab und zu
scheppert mal die Bassline dazwischen mit Distortion dazwischen, gibt Richtung, aber nur um
den Klang anschließend mit der Windrichtung
mitziehen zu lassen. Melodiös wie eh und je
schreiben Contriva auf »If you had stayed« die eigene Geschichte weiter, jedoch ohne sich auch
nur einmal im Hafen der Langeweile zu verirren.
Ganz große Platte - war ja auch zu erwarten. Dankeschön.
V.A. - BRAZILUTION - LATIN FLAVOURED CLUB KERSTIN •••••
TUNES 5 [MINISTRY OF SOUND]
Wem der Zusatz ´Latin Flavoured Club Tunes´ CONTRIVA - IF YOU HAD STAYED [MONIKA
bekannt erscheint, der denkt wahrscheinlich an ENTERPRISE/ MONIKA30/ LOK 18]
die stilprägende Brazilectro-Reihe. Zurecht.
Die Macher Jens-Uwe Welge und Arndt Kielstropp wechselten zu Ministry Of Sound und
nahmen ihre Reihe mit. In der Winter Edition
gibt es auf 2 CDs wieder das, was drauf steht,
nur eben deutlich kuscheliger. UFO, Karin Krog,
Arto Lindsay, Gilberto Gil und Da Lata kontrastieren zum Teil mit gezogenen Steckern zu DJ
Patife, Aquanote, Osunlade und Atjazz. Vor
dem Kamin darf auch etwas Soul Marke Vikter
Duplaix, Donnie & Uschi Classen nicht fehlen.
Ansonsten bleiben die Zutaten aus NuJazz und
Bossa prägend. Dazu exklusive Tracks von Hacienda, Justin, Janice und den Sound Surgeons.
Eine sichere Bank.
M.PATH.IQ ••••
RAMONE - DON´T GET HIGH ON YOUR OWN
SUPPLY [MODUL8 / PUT DA NEEDLE TO DA RECORDS]
Ein Albumdebüt, ein neues Label. Nur zu schade, dass wir vom Debütanten Andi Horvath aka
RamOne keine weiteren Werke mehr hören
werden. Nach dessen plötzlichem Tod veröffentlichen nämlich seine Aachener Freunde für
ihn die Quintessenz seiner Festplatte, die er zu
einem Endlos-Mix aus abstrakten HipHop, Downbeats und Garage zusammengefügt hatte.
Ein eindeutiges aber doch vielseitiges Statement aus Zitaten, Scratches, Breaks und darken
Soundscapes, das ein intensives Bild von RamOnes musikalischer Welt zeichnet und in der
Form in jede gute instrumental HipHop-HomeStereo-Sammlung gehört.
M.PATH.IQ •••••-••••
COLUMN ONE - THE AUDIENCE IS SLEEPING
[MOLOKO+]
Höchst eigenwillige Platte die erst mal clickende
elektronische Sounds miteinander kämpfen lässt
und langsam erst mit Kirchenglocken und Streichern ihren Weg findet in einen Groove, der einem richtig ans Herz will. Mal erinnt das ein wenig an SND, dann wieder andere der Clicks & Cuts
Helden, bleibt aber gerne brüchig und zerrissen,
Here it comes - lange herbeigesehnt und nun
endlich fertig. Drei Jahre haben sie sich für das
neue Album Zeit genommen. Contriva sind erkennbar die alten geblieben, eine solide Sache
eben. Bei einigen Stücken merkt man auch
ganz genau, welches der einzelnen Bandmitglieder da am stärksten den eigenen Flavour
reinbringt. Alles in allem schmusen die Gitarren wie eh und je mit den Drums, manchmal
auch ein wenig aufmüpfig und authentisch unsauber per Gitarrenslides. Und die Melodieführung gibt sich elegisch und stellt auch immer wieder klar, auf welcher Seite sie steht,
nämlich den Harmonien sehr nahe und mit den
Melancholien und Sehnsüchten im Spalier. Ab
und zu überfällt die Band der Rockkoller, aber
hey, das muss sein. So lassen die Remixe sicherlich auch nicht lange auf sich warten. Contriva geht immer, ich erinnere nur an die Club
Hit EP.
ANETTF •••••
FREAKS - THE MAN WHO LIVED UNDERGROUND [MUSIC FOR FREAKS]
Das Konzept Album der Freaks ist so verdammt
groß, dass ich das Gefühl habe, mein Hirn passt
mir nicht mehr in den Kopf, weil ich es schon so
gut auswendig kann. Das Intro erzählt uns von einem Mann, der von einem Computer interviewt
wird, klar, denn es geht um Identität. Freaks haben keine, jedenfalls keine die einen Touringtest
überstehen könnte, nie gehabt, denn sie sind immer zur Stelle, weshalb Freaks auch im Untergrund leben. Wir treffen den 28ig jährigen im
Waschsalon wieder, wo er den martialischen
Groove zwischen Arbeit, Maschinen, House und
in der längst überfälligen Reinigung in Zirkeln unerklärlicher Funkyness nach zerbröselten, ausgebleichten und ausgehauchten Zusammenhängen
sucht, dann das Interlude verschlafen, ans Telefon hecheln und Kontakte pflegen, Kontakte sind
alles, eine leere Batterie das Gegenteil eines zerhackten Kryptosignals, mit dem Licht aus der Bar
verschwinden können, in den Fragmenten strahlen und in ihrer Fragmentierung untertauchen.
Ich muss sagen, es ist schon eine ziemlich sympathische Idee von Mute, mit dieser Compilation eine Serie von Sammlungen aus ihren Demozusendungen zu beginnen, vor allem wenn jemand die
Tracks aussucht, wie hier offensichtlich geschehen, der sich gar nicht darum kümmert, so etwas
wie einen Sound zu propagieren, sondern einfach
auf außergewöhnliche und stellenweise sehr mutige abseitige Tracks aus ist. The Permanent Now
beginnt die CD mit No.7, einem harmonischen
Switchen zwischen diversen Effektlagen und LFO
Einstellungen, das dennoch sehr organisch und
smooth wirkt, so als würde SND auf Pansonic
treffen um ein Geburtsagsstück für Red Planet zu
erfinden. Displacer stürzen sich dann gleich in die
darkeste IDM Variante, die sowohl Depeche Mode Fans wie Morr Musikanten gefallen könnte,
Evil Mousepad rocken wie der Name schon sagt
eher mit Lederjacken EBM Spinett los, X*S Club
spielen mit Vocalsamples eine Gabbadekonstruktion nach, Bunnyhug erzählen von Dating
mit normalen Jungs in einem der sympathischsten Electropophits des Jahres, mit Buoy`s
»Twenty Two« kehrt wieder technologische Intelligenz in einfacher Harmonik und guten Tricks
ein, Munit (demnächst mehr auf Shitkatapult)
wirbelt sich in ein darkes Elektronica Gewirr aus
offen gerissenen Kabeln die blitzen, Andrew Steel
darf ein einsames Housestück mit tiefer Detroit
Verwurzelung und skurrilen Effektobertönen machen, Jody K Jenkins und Cursor Miner die
schwarzlederne Elektrosau rauslassen, T.E.M.P.
kann mit minimalanalogem Equipment das Gitter der elektronischen Einsamkeit als strukturalistisches Netz auswerfen und zum Abschluss gibt
es noch einen charmanten Rauswerfer Nimp.
Fast alle unbekannt, und die meisten davon wirklich sehr lässig. Ach, und wer selber gerne was
hinschicken möchte, es ist erwünscht: Pre-Set,
Mute, 429 Harrow Road, London W10 4RE, UK.
www.mute.de
BLEED •••-•••••
VISIONARY VS. DIVISION ONE - GLOBAL
CLASH [NICE & SMOOTH]
Nice & Smooth will mit dieser Mixcompilation
von Tracks von Visionary und Division One nicht
nur zeigen, dass es gute Produktionen in Toronto
gibt, sondern auch sehr lässige Partys, denn hier
ist natürlich gleich ein MC dabei. Und auch wenn
die Produktion der Tracks manchmal ein wenig
dünn wirkt (was genauso am Mischpult liegen
kann) und das ganze ein sehr starkes, hierzulande
fast vergessenes Jungleflavour hat, macht es
durchaus Spaß und man grooved gerne bis zum
Ende mit. Slammend und vor allem vermutlich für
Freunde einer guten Portion Ragga eine echte Erfrischung, in den besten Passagen einfach mitreißend.
www.nicesmooth.com
BLEED ••••
HEXSTATIC - SOLID STEEL - LISTEN & LEARN
[NINJA TUNE / ZOMBA]
Hexstatic sind nicht nur die Visualisten im Hause
Ninja Tune, wie ihre Video-Arbeit für Coldcut und
andere vermuten lassen. Ihr multimediales
„Rewind«-Album aus dem Jahr 2000 zeigte sie
auch von ihrer musikalischen Seite, ziemlich
großartig synchronisiert wiederum von Videoarbeiten. Als Drittes arbeiten sie schließlich als DJs,
wie „Listen & Learn« zeigt. Das Album ist ein stilistisch breit angelegtes Set mit Titeln von DJ Food
über Toots and The Maytals und Boards of Cana-
da bis Shirley Bassey, von Reggae über Breakbeats und Funk bis Hip Hop, Electro und Downbeat
mit Einsprengseln von Queen bis Isaac Hayes.
Funktioniert als Partyplatte bestens, schön wäre
gewesen, den für die Tour angekündigten visuellen Teil gleich mit auf die CD zu packen.
ASB •••
MIES IN BERLIN REVISTED BY MEMBERS OF
NO.NINE [NO.NINE 007]
ne Vision von Drum and Bass haben muss, sondern eben eine Vision: Drum and Bass.
www.nicesmooth.com
BLEED ••••
SKELETY PISTOLETY - ZVOOKIE-MOOKIE
[PLANKTONE 06]
Elektronik aus Russland, klingt erstmal cool, vor
allem wenn’s aus Izhevsk, aus dem Herzen Udmurtias kommt (also aus dem Geburtsort der
überall so beliebten Kalashnikov). Adel Barhanov
und Alexey Koroliov heißen die beiden, die sich
im Dunstkreis des wohl bekanntesten ElektronikUnderground Projektes Species of Fishes rumtreiben und den frischen und doch alt-analog
klingenden Soundtrack für groovige SciFi-Filme
über die Verödung der goldenen Hauptstadt generiert. Allesamt sind’s funkige Tracks mit zwirbligen, fast Italo-mäßige Synthloops und oft
dicken Basslines, wie wir sie von Electronicat kennen. Die unbeschreibliche russische Andersartigkeit (in elektronischer Musik) ist natürlich auch
unfassbar da und gibt Skelety Pistolety den gut
motivierten Flair, um uns alle mit Nachwirkung
zu erfreuen. Verdammt nettes Ding!
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich
mit dem Label zunächst mehr anfangen konnte
als mit dem Protagonisten. Offenbart sich doch
bei Ludwig Mies van der Rohe, dem Erschaffer etwa der Nationalgalerie in Berlin, dass Architektur,
insbesondere das Bauhaus, nicht eben zu meinen
Fachgebieten gehört. Mies´ Worte zählen aber
heute noch mehr als 1966, wo die erste Aufnahme
erschien, die unter gleichem Namen gesammelte
Interviews des seinerzeit als revolutionär empfundenen Schöpfers enthielt. Me Raabenstein
und Freunde (z.B. Beate Bartel von Liaisons Dangereuses und Stephan Steigleder von Crippled
Dick) ließen sich von zentralen Aussagen zu ganz
eigenen akustischen Entwürfen inspirieren. Vier
maschinelle Entwürfe von Bauhaus-Elektronika, www.liblf.ru/specifish/planktone
die auch noch ohne kommerziellen Anspruch ED •••••
entstanden sind (die Suche nach dem eigenen Exemplar beginnt auf www.nonine.com), türmen
sich transparent und in Beton gegossen vor uns
auf. Eine einfache Idee, keine simple.
M.PATH.IQ
SUPER NUMERI - GREAT AVIARIES [NINJA TUNES / ZOMBA]
FLATIC - NANO YOUTH [PLOP/006]
Während wir hier auf die Plop 005 noch warten
müssen bis sie auf Tomlab erscheint, gibt es
schon mal das sechste Releases dieses japanischen Lieblingslabels aller Clickerfreunde. Nano /
Youth besteht zum größten Teil aus Samples von
Schallplatten und ist mit einfachem Equipment
entstanden, klingt aber so, als wäre so lange dran
rum generiert worden, bis davon nur noch ein
Hauch eines Knisterns übriggeblieben ist. Sehr
ruhige elegante Tracks mit leichten Beats, in denen man vielleicht noch die Einflüsse von Jazz, HipHop und Detroit hören kann, vermutlich aber ist
man auf den einfach extrem schönen Sequenzen
längst hängen geblieben und betrachtet die
Tracks mehr als eine perfekte Landschaft in weiten weichen Strichen und tupfenden Gesten.
Deep sind solche ruhigen elektronischen Alben ja
oft, aber hier wuchert die Dichte so opak zusammen, dass am liebsten eine japanische Jeff Noon
Manga Verfilmung dazu hören möchte. Pastellfarben psychedelisch trifft es vielleicht, wenn
man es schafft ,die beiden Worte soweit aus
ihrem Kontext zu lösen, dass sie nicht ganz bedeutungslos werden. Lässige Platte.
Ninja Tune verlegt sich scheinbar immer mehr auf
»handgespielte« Musik: Nach Jag Jazzist, Homelife und Chris Bowden erscheint jetzt das Album
einer Band aus Liverpool, die mit Jazz allerdings
nur die Arbeit mit improvisierten Klängen gemein hat. Ansonsten geht es auf „Great Aviaries«
komplett unakademisch und genrefrei zur Sache.
Klar kommt einem Can in den Sinn, Postrock und
ambiente Elektronik spielen eine Rolle Ansonsten spielen die dreizehn (!) Musiker, was ihnen
Spaß macht und sind so höchstens mit dem Walkabouts-Seitenprojekt »i« vergleichbar. Nur nicht
daddeln, bloß keinen Ton zuviel spielen, scheint
die Devise zu sein. Das bekommt der Musik wunderbar, wirkt sie dadurch trotz aller Entspanntheit doch sehr kompakt, groovend und trotz ihrer
Unaufdringlichkeit immer spannend. Doch, da
geht was bei den „neuen« Ninjas.
www.inpartmaint.com/plop/
ASB ••••
BLEED •••••
ROTOSKOP - REVOLUTION:LOST [NOIS-O-LUTION]
PEI - IPATTI [POST-CONCETE / 003]
Wie man doch in einer Schleife hängen kann, den
Deibel auch ... Hier heißt die Schleife Düsterwave/Industrial. In der Ruhrgebietshochburg Essen
mit romantischer Krupp-Villa hat Rotoskop Instrumentaltracks zwischen Tiefschwarz und Tieftiefschwarz eingespielt, so wie es in den Jahren
von Industrial bis EBM verstanden wurde, mit düsterer Verzweiflung, selbstgedrehten Teerzigaretten, giftigen Nebeln aus Gullys, wo immer
man auch steht, und der Gewissheit, dass sich
seit Robokop 1 nichts Entscheidendes mehr getan
hat. Alte Helden wie Foetus oder Philipp Boa, die
Personifikation der beleidigten Leberwurst, haben zu Tode gerührt ihre Vocals draufgepackt.
Bekommt Kunst-Gothic jetzt seine Renaissance?
Hier wird das Themenspektrum zumindest mit
beeindruckender Besessenheit und Historizität
durchgezogen, against all odds und unrasiert.
(Nur, wo bleibt Mark Stewart?)
www.rotoskop.de
JEEP •••-••••
ALEJANDRA AND AERON - BOUSHA BLUE BLAZES [ORTHLORNG MUSORK/015]
Die beiden Lucky Kitchen Macher machen ein Album über die Großmutter von Aeron, die SoloChorsängerin ist, und hier auf den Tracks immer
wieder auftaucht zwischen flirrender Hitze aus
Sinustönen, alten Schallplatten, Geräuschen aus
Räumen, in denen wie Geister akustische Instrumente herumschwirren, Querschnitte und Blenden in immer andere Umgebungen, und natürlich
ein sehr charmantes tuschelndes Aufnahmeflair
nebst Kaffetassen und digitaler Modifizierung. Eine CD wie ein altes Buch aus einer fremden aber
für eine Stunde übernommenen Welt.
Mp3.com.au/ei verweist auf eine Site in Taiwan,
was ich glaube als Herkunft PEI’s ausmachen zu
können. Jetzt lebt er anscheinend in Australien,
schreibt aber, wie das Booklet beweist, auch
mal seine Mails in Chinesisch. Die Musik ist
heiß, richtig heiß. 23 Tracks erbritzeln subtilste,
unverständliche Soundscapes, minimalste
Clickcuts mit verzogenen Field Recordings,
pervers zuckenden Analog-Ripoff Gabba und
sowieso unglaublich viel so noch nie Gehörtes.
Es verwischen sich Spuren von Ikedas Sinusmonotonie mit groovenden Club-Gewächsen, Raster-mäßige Strukturen werden nie lange gehalten, sprunghaft aufgelöst und verdrehen
sich in ruhende musique concrète Sequenzen
oder bestialisch marschierende Hochfrequenzorgien. Wo sich genau »therein457out [white
matter]« oder »nic.ing« abspielen, bleibt total
rätselhaft und kickt deshalb umso mehr. Jaja, alles oft gelesene Worte, aber ‘»Ipatti« ist in der
Tat ein Kaleidoskop vielfältiger Innovation. So
was hört die Welt nicht oft.
www.post-conrete.com
ED •••••
HELMUT SCHÄFER - ISOLATED IRRITATION
[POST-CONCRETE / 002]
Zwei Kompositionen, die erste live im Mills College in Californien, die zweite ist der Remix der
ersten und beide stehen wie dicke Knüppel, die
jeder freiwilligen isolierten Verwirrung gerne
den nötigen Nährboden bereitstellen. Es sind
langezogene Knüppel, ein einizger über Zeitalter hin auftreffender Schlag, der gleichzeitig
auch brennende Hiebe in Sekundenschnelle
verteilen kann. Schäfer ist unermüdlich, seine
Stücke reißen sich schwerorganisch vorwärts,
www.musork.com
deren wabernde, metallische Ingredenzien
BLEED •••••
attackieren einander zwischen voluminösen
Schattenzonen und spielen sich auf IntensitätOSCILLATE - THE BEST IN DRUM AND BASS
sebenen ab, die wir höchstens von Zbigniew
[OSCILLATE]
Das Canadische Drum and Bass Label gibt in ei- Karkowski kennen. Hut ab, Knüppel drauf. Und
nem digitalen Mix einen Überblick über die hier- wir sind sogar noch dankbar.
zulande nicht grade leicht zu bekommenden www.post-concrete.com/
12«es des letzten Jahres, von denen nicht nur Vi- ED •••••
sionary immer wieder überzeugen, sondern auch
die meisten anderen Tracks. Neben Congarave- AOKI TAKAMASA - INDIGO ROSE [PROGRESSImonstern mit Schrubberbassline und korrekten VE FORM]
Oldschoolhousevocals, gibt es zerbrechlichen Muss erst mal in digitalen Schwung kommen dieKleinmädchen Oldschool Breakbeats von Dyna- se Platte. So als würden sich die Sounds irgendsty feat. Sunya, der fast auf Lucky Spin hätte er- wie selbst dazu anstacheln, zu Tracks zu werden.
scheinen können, damals, gelegentliche andere Es knistert und clickt, klar, und kein aber. Egal ob
Gesangsversuche und manchmal eben auch Tras- Takamasa abstrakte Tracks macht oder eine Comhiges. Eine Szene in der man auf jedenfall nicht ei- puterstimme dazu singen lässt, oder auch Noriko
<41> - DE:BUG.68 - 02.2003
CD
(•)-nein (•••••)-ja
einflusst wie von Funk und Techno. Es ging also
ein ganzes Stück ruppiger und heftiger zur Sache. Und vor allen Dingen dunkler, von wegen
fröhliche Party und so. Außerdem waren auch
noch diverse undigitale Instrumente wie Gitarre und Bass am Start. Es handelt sich also weniger um eine reine Tanzplatte, die Zusammenstellung funktioniert auch daheim beileibe
nicht nur als musikalisches Geschichtsbuch.
ASB ••-••••
VRIOON - R-N 50 [RASTER NOTON]
Ok, wer den Klang von Flügeln nicht mag, der
wird diese Platte nicht verstehen können. Die
Tracks bestehen nämlich aus Pianotracks von
Ryuichi Sakamoto und Carsten Nicolai Sounds,
die die beiden in mehreren Jahren zu diesen 6
Stücken verarbeitet haben. Es ist ruhig, ein
Spiel zwischen den wenigen melodischen Tönen des Pianos, und dem analytischen Funk des
Hörens von Zwischenräumen, die Nicolai mit
sehr klaren Sounds, langsamen unscheinbaren
Wellenbewegungen der visionären Klänge und
Ideen die sich um diese Tasten drehen, als würden sie eine gewissen Wärme ausstrahlen, die
sich in der elektronisch aufgeheizten Luft dann
zu Arrangements aus verwirbelten Unwahr-
bauen. Aber so funktioniert ein Greatest Hits Album dann wenigsten wie eine Art Felsgestein, an
dessen Schichten man Effekte einer Zeit schnellebiger Genres und Brüche ablesen kann.
www.23skidoo.cc
BLEED ••••
ROCKFORD KABINE - HOTEL HOMOSEX [SALON ELEGANCE]
Tja, schon skurril, was diese Bochumer da machen. Zunächst könnte man denken »Thailand bei
Nacht« wird so eine Art ambient Trip durch die
Drogeriemarkt-CD Zweitverwertungswelt, dann
wird dunkel gemunkelt und schließlich ist es ein
Downtempo-Säuseln. »Time to Pay The Bill«
knuspert hingegen mit längs einer Glöckchenmelodie eine Art Tonwahl-Xylophon und auch hier
lassen sie es sich nicht nehmen, den Track noch
mal zu was anderem zu machen: Einer HippySchrammelgitarren-Sternenanbeterfistelorgie.
Und diese Methode behalten sie bei, so dass die
Tracks eigentlich eher wie Fragmente eines Hörspiels zwischen Electrorockallerlei, 60er Punkheimsuchungen und elektronischen Verwirrspielen klingen. Manchmal unterträglich vor allem
bei zuviel Bandsurrogatsound, manchmal unerwartet deep.
Strike Boys, Emo, Mo´Horizons, Razoof, Buelent,
Soul´n´Soda und Robbyn Rhodes sind fast alle
Labelartists vertreten. Zusammen mit Gästen
wie Dorfmeister vs Uptight Prod., Fellman & Louise, Megablast und Butti 49 ergibt sich genau die
verspielte Mellow-Melange aus NuJazz, Downbeats, Dub und NuFunk, die dieses Label bislang
auszeichnete. Was wohl zu Ostern kommt?
ge zurück. Jetzt aus spirituell umflortem Himmel
ein ganzes Album von NY Houselegende Jovonn.
Und das unspackige Pumpen, schwer gerade,
aber immer mit einem augenaufschlagenden
Twist, das auch Romanthony so brillant hinkriegt,
setzt er hier in seiner ganzen niederschmetternden Simplizität ein. Deep mit Eiern. Aber auch Jovonn krankt am paranoiden New Yorker Housewww.stereodeluxe.com
spiritualismus, der als Beweis seiner Metaphysik
M.PATH.IQ ••••
immer softsoulige oder softjazzige Solisten durch
die Tracks voltigieren muss. Braucht ihr ausgeleiANDRE GALLUZZI - IM GARTEN [TAKSI]
erte Hosenträger? Fragt mal Jovonn, der hat ne
Und, tja, so war das damals in diesem schönsten Menge übrig auf »Spirit«. Also längst nicht so toll,
Sommergarten Berlins, dem Ostgut. André Gal- wie »Back from the dark« versprach. Aber da hing
luzzi spielt sich durch die Lieblingstracks aller de- ja auch der Franzose DJ Deep mit drin.
rer, die auch nachmittags noch zu der brillianten JEEP •••-••••
Perlon induzierten Funkyness raven müssen, weil
die Sonne scheint, der Körper irgendwie brodelt TUTTO MATTO - HOT SPOT [TUMMY TOUCH]
und gar nicht mehr aufhören will und eh alles nur Nun ja, wie Tummy Touch Alben nun mal so sind
noch mit einem breiten Grinsen hinter der Son- (heiter bis albern, kitschig bis dämlich, nett bis
nenbrille richtig ist. Klar, »Make Up Your Mind« nervig) kommt auch diese hier in etwas zu weiten
ist dabei, ein Popshop Track, Ricardos unerbitt- Schlaghosen daher, flötet sich um Kopf und Kralich pumpendes »Halma« und vieles mehr, und gen, singt bis sich selbst der letzte im Club noch
egal ob es nun mal raviger wird, mal fast kitschig, fühlt wie bei einer Miss Sleaze 2003 Veranstalmal elektroider, irgendwie gilt für diesen Sound tung, und will einfach, trotz heftigem Zerren, die
nur ein Wort, denn genau das war dieser Sommer 70er Jahre nicht verlassen. Nie, um keinen Preis.
im Ostgut Garten auch: die Widerauferstehung Irgendwann lässt einen dann der Türsteher nicht
MARKUS GUENTNER - AUDIO ISLAND [WARE]
Markus Guentner, der mit einer (Pop-) Ambient
Hymne auf Kompakt seine Heimatstadt Regensburg auch nördlich des Weißwurstäquators bekannt machte und mit einer Felix-«Don’t
you want me«-Adaption bereits einen kleinen
Klassiker produzierte, legt nun ein neues Album auf Ware vor. Da hier an gleicher Stelle die
»Forget Sandra EP« wegen des Sakrilegs an Talk
Talks »Such a shame« gescholten wurde, wollen
wir auf Audio Island davon schweigen. Die anderen Tracks schwanken zwischen süßen,
glockenartigen Ambient-Einflüssen à la Regensburg und souveränem Schaffhäuser-House. Keine Frage, der Mann lässt sich Zeit für seine Tracks, schichtet Fläche auf Fläche und
schickt den Popambient in die Disko: euphorischer Neotrance-House. Sehr gut mit kleinen
Vocal-Einschränkungen.
SK ••••-•••••
MIRA CALIX - SKIMSKITTA [WARP]
So. Der Titel legt einem das nah. Aber doch: Mira Calix ist ruff. Klar, Pianos, Melodien, sweet,
beep und Plinker, aber irgendwie sind es nicht
nur die Beats, die so gecrusht wirken. Mira
mit »Drop Out« könnten sie glatt zu einer Oberschulenhymne aller FM4 Hörer werden. Mit »Beatster« im Chillout Raum eines Alec Empire-Konzerts spielen, mit » I Sec.« beim Big Black Lookalike Contest gewinnen, usw. Wenn der singende
Herr nur nicht so eine knödelige Stimme hätte,
ach, tja, was dann...
www.wrkzg.net
BLEED ••-•••••
BARBARA MORGENSTERN - NICHTS
MUSS(MONIKA 33)
Ich und meine Vermona hat sich endgültig ausgequäkt. Barbara Morgenstern will sich immer
weniger hinter Lofi-Charmanterien verstecken.
Auf "Nichts muss" geht es mit so luftig professioneller State of the Art-Produktion in ein
nachhaltiges Leinenhemdsongwriting, das
natürliche Aura, ehrliche Direktheit und deren
kunstvolle Inszenierung auf ausggefuchstester
Ebene zusammenbringt. Verhalten, aber keinesfalls schüchtern, betont, aber nicht affektiert, kombiniert Barbara Morgenstern mit Stefan Betkes Unterstützung den Kaminfeuerplatz
im Wohnzimmer mit dem Panoramablick über
den Alexanderplatz. "Nichts muss" findet das
Private im Urbanen und das Urbane im Priva-
Karaoke Kalk
Roman
5 Minutes To Match
kk26 | cd17
Thaemlitz, Porter Ricks, Sakamoto, Lucier,
Paulun, Henry, Lidell, Bouchez, cvb,
Panasonic RV-3800.
Le Rok
Hausarbeiten
kk27 | cd18
Produced by Christian von Borries.
Im Vertrieb von Indigo, Hausmusik, Kompakt & A-Musik.
Karaoke Kalk | Roonstrasse 61 | 50674 Köln | Fax. +49(0)221.2053782
scheinlichkeiten einer Harmonie zusammensetzen. Da Carsten Nicolai immer sehr konzentriert an die Tracks rangeht, wirken die Stücke
fast kahl dabei, ausgehölt, glitzernd und mit einer Oberfläche bearbeitet, die schon nicht so
weit weg ist von High-End Handarbeit. Sehr
klare Platte die einem die Ohren öffenen kann
für sehr viele Feinheiten in digitalen kleinstteilig strömenden Klängen.
www.raster-noton.de
BLEED •••••
REAL AMBIENT VOL 3 - ESSEN.MOMENTE [REAL AMBIENT]
Drei Ambienttracks aus Geräuschen über und
aus Essen (Stadt, nicht der Kuchen). Stellenweise
mit Sounds unterlegt, die einen Hauch von melodischem Aspekt der Ruhe vermitteln, oft aber
einfach straight digital bearbeitete Geräusche
(mal selbst aufgenommen, mal aus Archivmaterial), die auf Reihe gebracht werden und ab und an
mit etwas albernen Sprachsamples oder Geräuschen wie »ich klopf jetzt mal wo drauf« versehen
werden. Was man halt so in deindustrialisierte
Ruhrpott-Städten so tut, um sich an etwas zu erinnern, dass es längst nicht mehr gibt. Stellenweise ein wenig dröge (industriell) wie Geräusche so zu sein pflegen, wenn man sich nicht genug um sie kümmert, stellenweise aber auch
ganz lässig.
www.salon-elegance.de
BLEED ••-••••
V/A - INDIETRONICA: POP + ELECTRONICA
[SONARMUSIC]
www.taksiplanet.com
OK, Indietronics ist kein schlechter Name, hier BLEED •••••
nun also die dazu gehörige, hochoffizielle Compilation, vielleicht eine gute Möglichkeit, international noch mehr Freunde zu finden. Im Grunde
scheinen die versammelten Musiker irgendwie
alles melancholische Schugucker zu sein. Die Sounds und auch Vocals (durchgehend übrigens) erinnern frappierend an die sphärisch-traurigen Gitarrenmusiken der Achtziger vor allem des englischen Labels 4AD. Allerdings wirken die heutigen
Acts etwas entspannter und selbstdistanzierter.
Wer sich für diese (offene) Schublade interessiert, dürfte die Tracks wohl eh schon besitzen
und das Teil höchstens als fremdzusammengestellte Zugfahrmusik nutzen. Für Neuankömmlinge beherbergt „Indietronica« einige wunderbare Songs (nicht alle sind m. E. Indietronics) von
u. a. Lali Puna, Notwist, Mouse On Mars, Dntel
und den ‚Hit’ „The Light 3000« von Schneider TM
Vs. Kpt. Michi.Gan.
www.sonar.es
CJ •••
MAPSTATION FEAT. RAS DONOVAN - VERSION
TRAIN [STAUBGOLD / 38]
Irgendwie war »Ich tanz dazu« einer meiner Lieblingssommerhits, und wie immer, wenn man diese Meinung nicht mit der besseren Hälfte der Bevölkerung teilt, so dass man quasi in einem permanenten Retrozustand ist, ist man verdammt
froh, wenn so ein Stück dann, wie auf dieser CD,
wieder auftaucht. Sofort geht die Sonne auf. (Fall
nicht roll ich halt eine Apfelsine durch die Wohnung.) Aber auch der Rest der Platte hat dieses
sommerliche leichte Houseflair, das sich weit
weg bewegt von den spartanisch abstrakten Mustern ihrer Niederflur Releases und auch den meisten ihrer früheren Misc Tracks. Sehr sweet, sehr
ausgelassen, immer auf den Punkt und natürlich
wie gewohnt perfekt produziert. Eigentlich ist
das hier ihre endgültige House-Erwachung in der
die Funkyness früher Drum and Bass-Tracks immer noch lebt. Eine der lockersten Minimalhouse-Alben dieses Jahres.
Neu Tracks von Mapstation sind immer eine
Freude, vor allem, wenn verstärkt Freunde mit an
Bord sind, die das ohnehin unendlich deepe Universum von Stefan Schneider fluffig verfeinern.
Auf »Version Train« leiht Vocalist Ras Donovan
seine Stimme und Drummer Martin Brandlymayr
(Radian) beschert den Stücken mit seinen minimalen Sounds eine lebendige, schiebende Note.
Wer das mal live erlebt hat, weiss was wir hier
meinen. Auf »Version Train« fängt das minimale
SetUp an, unglaublich dicht zu swingen, alles
klingt noch weicher, irgendwie nach einer Band
und der Reggae und der Dub shuffeln Mapstation
auf eine neue, tolle Ebene. Und plötzlich kommt
die Gitarre dazu und alles fließt. Sound und Stimme clashen in ihren Alt/Neu Gegensätzen noch
mehr als bei Rhythm & Sound und das ist spannender als ein Krimi. Man zeige uns den Dubtrack, der mit Duet Emmo-mäßgem Synthbass
kokettiert und sich derart repetetiv vorwärts
gräbt. Es rauscht und fusselt, dreht sich seitwärts,
immer weiter. Unglaublich gut.
www.resopal-schallware.com
BLEED •••••
www.staubgold.com/
THADDI •••••
23 SKIDOO THE GOSPEL COMES TO NEW GUINEA [RONIN]
ERLEND OYE - UNREST [SOURCE]
BLEED ••-••••
MISC - IN BETWEEN [RESOPAL SCHALLWARE]
Die Serie von Wiederveröffentlichungen und
Greatest Hits aus der englishen Früh80er Funkphase der Collegestudenten reißt nicht ab. 23 Skidoo (sehen wir mal vom Titeltrack von 81 ab, der
noch ziemlich viel von Can hat) bewegten sich aber
damals doch sehr sehr schnell von einer Band, die
A Certain Ratio recht ähnlich war in ihrem losen
Funkapproach hin zu immer dubbigeren Effekttracks, zu langen langsamen Exporationen in das
Reich des Rauchs und der Beats mit Kanten bis hin
zu einer fast Zen-artigen Industrialität, und in eine
eigentümliche Vorstellung von Ambient-Musik,
die auch jetzt noch recht aktuell klingt, und mit
ihren Tapeexperimenten und der zwischen den
Stimmen zirkulierenden Gesellschaftskritik vermutlich diesen Effekt auch nie verlieren wird. Klar
dass »Coup« von 84 dann diese Entwicklung zugunsten eines breitangelegten Discofunkentwurfs
völlig verwarf und mit »Assassin« von 86 befindet
man sich schon mitten in den Electro-HiEnergy
Welten während man sie auf einem unreleasten
87er Track schon als Technocombo hören kann. Alles immer mitmachen, was tanzen lassen könnte,
war schon immer eine Methode, deren Radikalität
sich ständig mit den Zweiflern messen musste, die
lieber auf Authentizität einer eigenen Entwicklung
der Balearic Beats. (Das konnte ja nicht auf ir- mehr rein, ihr kennt die Geschichte. Etwas zuviel
gendwelchen Inseln passieren). Fein, manchmal Funk auf dem Peanutbuttersandwich gehabt.
in den Mixen ein wenig hart am Wind der Verwir- BLEED •••
rung, aber selbst das wirkt hier.
Das schlaksige Gesicht mit Butterstimme der
Kings of Convenience kann sich bis auf Akustikgitarrenbegleitung abspecken - oder sich zu Kuscheldanceelektronik aufspecken. Auf seinem
Soloalbum bittet er zehn Produzenten aus dem
Dance-/Elektronika-/ Indietronicsumfeld von
Metro Area, Prefuse 73, Mr. Velcro Fastener bis
Schneider TM, ihn mit seiner einschmeichelnden
Stimme satt zu umschmeicheln. Zur Einstimmung mussten sie acht Livebootlegs von a-ha
hören. Das hat sich bezahlt gemacht. Ein WGTraum wird wahr, endlich ein Sitzpisser mit Format, der seine poetische Ader nicht unattraktiv
durch Hängeschultern demonstrieren muss, sondern sie in geschmeidigster Um-die-Ecke-Schleicher-Hittigkeit aus dem Küchenkassettendeck
sähmen lässt. Danach erübrigt sich die FlokatiAbdeckung für die Klobrille von selbst.
JEEP ••••
V.A. - STEREO DELUXE ONE
[STEREO DELUXE 099]
Bei den Feinschmeckern von Stereo Deluxe kam
schon so manche Edelcompilation auf den Gabentisch. Nun wollen sie uns aber auch gleich
noch das neue Jahr versüßen. Mit Boozoo Bajou,
Bobby Hughes Combination, Funky Lowlives,
THE CARIBBEAN - HISTORY`S FIRST KNOW-ITALL [TOMLAB/024]
Das erste Album von Chad Clark, aka The Caribbean, erschien auf einem kanadischen Label Namens Endearing. Für Tomlab bleibt The Caribbean schon ein Singersongwriter-Folk... ach, vergesst das schnell wieder, das ist Musik, die sich anhört als würde Mr. Clark in einem Zimmer voller
Kissen den ganzen Tag herumflattern ab und an
die Instrumente aus dem Proberaum unter einem
finden, daneben immer ein paar Freunde, die damit rumspielen, als wäre nachmittags, und der
Eismann kommt bestimmt noch vorbei geklingelt, lässig an seine liebsten Liebeslieder denken,
durch die Fenster sehen die Beach Boys herein,
Felt, neidisch Sam Prekop und dazu wird alles
noch mit skurrilen Einfällen aus der elektronischen Welt verziert, als könnte er sich diese Seele verwundert immer wieder noch mal ansehen
wie ein altes Photoalbum und würde die Bilder
immer wieder neu auf den Seiten zusammenkleben und zu Collagen der Erinnerungen verarbeiten, die so süß schmecken wie ein Teller voller
Weingummis mit einer heißen Milch mit Honig
(nein, nicht irgendeiner). Warum das Cover (Supermarktparkplatz aus den 70ern) so verregnet
aussieht? Vielleicht damit wir wissen, dass es
früher mal anders war und dass es jetzt immer
noch so sein darf.
CUICA - CITY TO CITY [UBIQUITY 116]
Neben den beiden Maxis (Trommel Monster &
Cuidado / Why Not Samba?) zu ihrem Album-Debüt haben Simone Serritella aka Big Bang und
Quango-A&R Pete Herbert noch sechs weitere
catchy Tracks mit brasilianischem Einfluss gebastelt. Der kommt sicherlich nicht nur vom namensgebenden und hierzulande kaum bekannten Trommelinstrument, sondern gleich aus fast
allen percussiven Rohren. Ob Batucada oder
Samba, alles wird genau so geschickt housekompatibel verpackt, dass es zur besten Stunde die
Schuhsohlen-Halbwertzeit testet, ohne dabei
durch zu plakative Einfalt zu langweilen. Angereichert mit Sound- und Beatspielereien arbeitetet
sich der Groove ins zentrale Nervensystem. Zero
dB meets Trüby meets MAW.
M.PATH.IQ •••••
UP, BUSTLE & OUT - URBAN EVACUATION
[UNIQUE / PP SALES]
Locker zwei Schritte zurück sind sie gegangen - bis
in die jamaikanischen 70er. Stehen geblieben sind
sie und haben sich neu orientiert - nicht nur, um sich
mit ihrer Musik neu zu platzieren. Jetzt erleben wir
die Flucht nach vorn. UB&O schaffen es wieder auf
eine neue Weise, glaubwürdig ihren Idealismus und
ihr Können in die Musik zu transponieren. Authentisch durch hausgemachtes Equipment die Roots,
Dubs und Street Grooves der Generation eines
King Tubby zu reanimieren und obendrein mit der
eigenen Note zu würzen, ohne je als bloßes Plagiat
oder Parodie zu erscheinen, ist sicher ein Wagnis.
www.tomlab.com
UB&O gelingt dieser Spagat aber sowohl in den
http://www.endearing.com
Disziplinen Protest, Spiritualität als auch Hoffnung
BLEED •••••
auf spielerische Art. Rough, deep, groovy und immer doch multikulturell. Ein weiteres Jamaika-SpeTHE DIGITARIAT [TRICKED/001]
Diese CD sieht aus wie eine typische Amipunk- cial ist bereits in der Warteschleife über Düsseldorf.
Comicplatte. Aber ihr werdet sie eh nicht im Plat- M.PATH.IQ •••••-••••
tenladen sehen, weil es wohl nur einige davon unter www.tochnit-aleph.com gibt. Es ist jedenfalls V.A. - NORWAY NIGHTS [UNIVERSAL JAZZ]
digital vertrashte Musik, sofern die Punk-Allüre Im Dunstkreis von Jazz und Elektronika waren die
ganz passend, selten länger als zwei Minuten, sie- Norweger aufgrund ihrer Offenheit für stilüberben Tracks und alles ist gesagt. Es brutzelt und greifende und unkonventionelle Ideen ganz vorbratzt agressiv, es wird dazu laut »Terror« geru- ne dabei. Das bestätigen nun auch DJ Salut und
fen, als wäre Paul D. Knowles ein Drum and Bass- Jondal mit dieser Sammlung. Neben Nils Petter
MC auf zuviel Adrenalin und dazu zerreißt es, Molvaer und Bugge Wesseltoft findet sich auch
kreischt es, verbrät es sich die eigenen Ohren und hier die halbe Jazzland-Familie wieder. Kein Wunalles, was sich dem in den Weg stellt. Aber ir- der bei Universal. Dazu u.a. Herberts Mix von Kagendwie hat die CD dabei diese lässige alberne rin Krog und Bobby Hughes Combination. Bezauverschrobene Art, wie sie eigentlich nur Platten bernd auch die beiden Jazzballaden von Silje Neraus England haben können. Kann man auch als gaard und das ´Fotihouse´ von Folk Og Rovere.
Refreshener zwischen dagegen zahmen Kid606 Sehr spannend und noch nicht zu spät.
und Donna Summer Platten hören. Lieblingsdigi- M.PATH.IQ •••••-••••
punkchaos: »Reinforce The Generation Gap«. Ein
Mann mit Visionen (kurzen aber heftigen).
MASSIVE ATTACK - 100TH WINDOW [VIRGIN]
BLEED ••••-•••••
Ein Massive Attack Album. So so. Vielleicht eher
der Solojoint von 3D!? Denn Mushroom und DadNOBUKAZU TAKEMURA - 10TH
dy G sind nicht mehr dabei. Dafür ein Neuer namens Neil (glaube ich). Die Zeiten von Soul, Post[THRILL JOCKEY]
Ist mir irgendwie einer der liebsten Acts auf Thrill Summer of Love Ecstasy-Bewegtheit und Wild
Jockey und sein zehntes Album ist eigentlich eher Bunch Blockparties, für die sie die Welt geliebt
nur noch besser geworden. Die Sounds kommen hat, ist jetzt definitiv vorbei. 100th Window ist so
aus der Tiefe der Festplatte ohne sich von der etwas wie die konsequente Weiterführung des
Leichtigkeit der Melodien und Grooves zu tren- Vorgängeralbums »Mezzanine«. Dark, psychednen, flattern mit Brüchen, die dem dahinfloaten- lisch und mit einer Menge Links zu Dub-induzierden Sound nur noch mehr Intensität geben und tem Postpunk. Sehr schwermütig das Ganze. Die
lassen sich den Wahnsinn skurril eingeschobener Welt taumelt am Abgrund und der Krieg naht.
Effekte auf Vocals und anderen Sounds richtig Doch dieses Mal werden sie sich nicht wieder in
sympathisch auf der Zunge zergehen. Backgro- Massive umbennen, wie damals vor 12 Jahren,
unds sind immer breakige Beats, Stimmen immer sondern mobilisieren lieber gegen den drohenComputer, aber die Sounds wirren durch alle Uni- den Irak-Feldzug von W. und seinen Schergen. Ein
Blick auf die zum Album gehörige Webpage inversen. Sehr leicht. Perfekt zu Keksen.
formiert einen dann auch gleich über Anzahl wewww.thrilljockey.com
gen Drogendelikten einsitzender Amerikaner,
BLEED •••••
weltweite Aidsinfektionen und die Kosten für ein
britisches Atomkraftwerk.
JOVONN - SPIRIT [TRACK MODE CD 1003]
Jovonn, back from the dark, das gab einem vor, äh, www.massiveattack.com
fünf (?) Jahren den Glauben an New Yorker Gara- SVEN.VT ••••
Calix ist irgendwie mutig. Und kehrt das nicht
raus, sondern lungert in ihren eigenen Tracks
an den Ecken herum und flüstert einem etwas
ins Ohr, das einem kalte Schauer den Rücken
runterlaufen lässt. Das neue Album wirkt ebenso zerbrochen wie die meisten ihrer Tracks, so
leicht schräg, ohne »schräge« Musik machen zu
wollen, do düster ohne irgendwie dick auftragen zu wollen, und vor allem technisch immer
begeisterter und mit einem Instrumentarium,
das klingt, als hätte Mira Calix es wie Quarz
vom letzten Strandurlaub aus den Schuhen geklopft und mit Silicon überzogen. Es kann auch
mal Stücke geben, in denen eher nur Effekte,
Geräusche und vielleicht noch ein Bass die Szene bestimmen, denn Mira Calix ist Clubmusik
für Clubs, in denen das Licht sich nicht bewegt,
sondern aus den Lampen fließt wie in Zeitlupe
aus Adern Blut, was nicht sonderlich zeitgemäß
ist, stellenweise vielleicht etwas erstickend
wirkt, aber eben tapfer. Wenn es mal eine Neuauflage von Twin Peaks für die Clubgeneration
dieses Jahrtausends gibt, dann muss Mira Calix
den Soundtrack dafür schreiben.
ten. Die Frage nach der Großstadt als Heimat
wurde selten so zwiespältig schön aufgeworfen
wie auf diesen 11 Songs.
www.warprecords.com
BLEED •••••
BLEED•••••
JEEP••••-•••••
HUMANOID - SESSIONS 84-88 [REPHLEX]
Die bösen Jungs von Rephlex bescheren uns eine CD voller Tracks des "Stakker" Humanoid
Manns, der damals diesen einen Riesenhit hatte und danach (obwohl ein ganzes Album mit
dem skurrilen Titel "Euro Techno" von ihm erschien, das Rephlex als nächstes nachschieben)
nicht etwa verschwand, sondern als Future Sound Of London sein Unwesen trieb. Hier aber
Frühwerke einer Maschinenkultur rings um die
gute alte 303 die noch längst nicht so codifiziert
klingt wie später auf vielen Acid Revival Tracks,
sondern ein richtiges Feuerwerk an wahnsinnigen Basslines und Gezirpe verursacht, dass
durch die Art die Track ineinander überzuwuseln um so energischer wird. Killerplatte für alle die an Retro einfach nicht glauben können,
weil sich Energie nicht einfach mit ein paar Sound- oder Plug-In-Schnippseln erzeugen lässt.
KAITO - SPECIAL LOVE [KOMPAKT]
SHY FX & T. POWER - SET IT OFF [WEA]
Was einige vielleicht nicht wissen ist, dass T. Power und Shy FX nicht erst seit gestern zusammen
arbeiten. Die hab ich schon in einem Studio gesehen, als Original Nuttah grade erst draußen war.
Egal. Nein gut. »Drum and Bass war beim ersten
Mal noch nicht bereit. Jetzt ist er es«, meint T. Power (horrender Studiofrickler übrigens) zu dem
Album dass die beiden hier gemacht haben, und
das mit einem klassischen TV-HipHop Track anfängt und die ganze Zeit über, vor allem wegen
der Sängerin Di (die auf drei Tracks dabei ist, der
Rest sind andere Sängerinnen), wie die Londoner
Antwort auf Destinys Child (incl. queenartig barocker Gesangspassagen) meets Latino-Flausen
meets Popmusik mit einer Prise Ragga, die es wissen will und dabei nie so klingt, als wäre es nur
einfach ein Versuch, Popmusik aus Drum and
Bass zu machen, sondern eben nach Musik, die
mit einer Szene nichts mehr zu tun haben will,
sondern eher in Medien denkt. Ab und an kommen noch Erinnerungen an alte Zeiten hoch (ein
Interlude heißt »Fabio«, der auf dem Anrufbeantworter um eine neue Plate von Shy bettelt, ein
Track »Rising High«, einer der zwei klassischen
Drum and Bass Tracks) aber irgendwie will diese
Platte vor allem in jedem Schlitten der durch die
Londoner Innenstadt cruist laufen, und mit denen kommt man ja bekanntlich schneller nach
Amerika als mit dem Flugzeug. Bin mal gespannt
ob jemand dieses Jahr eine bessere Idee hat, komplett unpeinlich den Mainstream zu entern. Würde mich wundern.
www.shyfxandtpower.com
BLEED ••••-•••••
SATELLITE FOOTPRINTSHOP - LIAM [WERKZEUG]
Tja, wie ihr sicher schon ahnt, täuscht das Superpop-Cover ein wenig. »Beyond« öffnet die Szene
mit einer astreinen Cabaret Voltaire Neuinterpretation nebst digitalem Geknuffel, und vielleicht eher lakonischen Texten, ja, vielleicht,
wenn die Zeit nicht von Anfang bis Ende läuft,
steckt das genau zwischen Suicide und CV. Aber
nein, damit ihr nicht glaubt, Satellite Footprintshop wäre eine Retrocombo, verwischen sie auf
»Girl« gleich jeden Eindruck zugunsten von skurril zerbreakter Ravemusik für advancte Listener,
die das Besondere an österreichischem Englisch
zu schätzen wissen. Diese Nuancen von Herkünften, die sich zu etwas zusammenschmelzen, das
nur als Spur noch Vernunft hat. Die Pathos-Stellen sind durchaus erträglich, die Kunst-Punk Referenzen (hierzulande nennt man das vielleicht
Electroclash) durchaus in richtigen Dosen, und
Kaito, der japanische Großmeister der Fläche,
meldet sich nach der grandiosen ”Special Life”
Platte (ebenfalls Kompakt) mit ”Special Love”
zurück. Diesmal also mehr Love und weniger Life, dafür aber auf jeden Fall sehr special. Seine
zuckersüßen Klänge auf autobahngroßen
Flächenteppichen jedenfalls dürften selbst den
späteren Klaus Schulze ins Nirvana gleiten lassen. ”Release your body”, der großartige neo-...
(ja was eigentlich, Trance?)-Hit der letzten Platte, findet sich hier in zwei ruhigeren, getrageneren Versionen für zuhause. Auch andere
bekannte Tracks der EPs "Awakening” und
”Everlasting” (auch auf Kompakt) sind um ihre
Bassdrum entschärft, was allerdings ihrer
Deepness keinen Abbruch tut. Mittlerweile
müsste man eigentlich eine eigene Kategorie
für Kaito erfinden, denn weder Neo-Trance
noch Ambient will hier wirklich passen. ”Special Love” klingt schon eher wie eine subtile Reformulierung epischer Elektronik-Sinfonien.
Großartig bis euphorisch.
SK•••••-••••
<42> - DE:BUG.68 - 02.2003
DEUTSCHLAND
DEMIAN
Vier Tracks aus dem Kellermusik Umfeld, soweit ich
weiss, die spartanisch und trocken blubbern und irgendwo zwischen einer Elektroästhetik in grader abstrakter Bassdrum mit Effekten und Claps funktionieren. Besonders »Thies« mit seinem Sound als
würde Wasser von der Kanalisation perlen aber dennoch alles aufgeräumt sein wie nach einem Neustart,
hat dieses skurrile aber überzeugende Etwas, das
sich in unwahrscheinliche afrogalaktische Samples
stürzen kann, ohne auch nur einen Hauch seiner
Trockenheit zu verlieren. Aber auch der Rest der Platte lässt einen immer konzentrierter Hinhören, wobei
ich mir nicht sicher bin ob das auf dem Dancefloor
genausogut funktioniert, aber dafür ist es ein Hörspiel für alle, die einen Sound lieben, der soetwas wie
ein Querschnitt aus frühem Elektro Sound, Electro
und moderner Disco bietet und genauso ein Hörspiel
sein könnte. Abstrakt aber verspielt.
(•)-nein (•••••)-ja
ment ausgehend begibt sich Kouhei in sonische Untiefen, die einem zunächst nicht ganz geheuer erscheinen
mögen und so ungewiss sind wie Wasser, das ja bekanntlich auch keine Balken kennt. Mit der Zeit braut
sich da ganz schön was zusammen und man ist gut beraten darauf zu vertauen, dass Kouhei das Steuer fest
im Griff hat. Krasser Trip in eine Welt aus Sound, den er
da vollzieht, intensiv und nichts für weiche Eier. Je lauter, je besser. Verspielt und albern stolpernd beginnt
Merzbow, aber mit dem Namen geht bekanntlich die
Gewissheit einher, dass es dabei nicht bleiben kann.
Bald übernimmt ein gemütlich schummerndes Wummern die Regie, das an eine modulierte Endlosrille erinnert, zu der sich noch eine weitere dazugesellt, über die
es immer weiter drüberbratzt, bis es schließlich nur
noch bratzt. Recht kontrolliert und solide. Eine Platte
der zwei Seiten - ein Spiel mit verschiedenen Anteilen
und zwei Gewinnern.
BLEED •••••
www.cfet.com
PP ••••
PAN/TONE - FUNKY MARTINI EP
[BACKGROUND RECORDS/030]
VINCENCO - WE WAIT (RIGHT HERE)
[DESSOUS RECORDINGS/032]
Nach seiner Killer EP auf Revolver kommt hier nun eine straightere aber mindestens ebenso dichte auf
Background. Vier am Rand von Clicktechno sprudelnde Tracks voller verspielter kleinstteiliger Rhyhtmen und mit sehr sanft gesetzten Effekten. Der längere Track der A-Seite hat mit seiner etwas darken
Haupt-Sequenz allerdings leider doch etwas Mühe,
wirklich den Titel der EP zu erreichen. Musik für neblige Zeiten.
Webster, Donaldson und Vincenzo zusammen mit Simon Grey remixen diesen Track des Album von Vincenco und heraus kommen leider tückische, wenn
auch erstmal deepe schöne feingliedrig swingende
Tracks. Websters Dub ist voller nächtlicher Zirpsounds und leicht federnder Grooves, scheitert aber
am Saxophonsolo (nein, das ist nicht die Königsdisziplin von House), Donaldson hat ein ähnliches Problem, nur Vincenzo selbst hat das einigermaßen im
Griff, wirkt aber mit seinen Jazzorginalitäten auch etwas kitschig. Nur für konventionellere Liebhaber
kitschiger Housemusik.
background-records.de
BLEED ••••-•••••
DJ EMERSON [BASH/006]
Zwei Ravehits von Emerson mit »Just be good to me«
Vocals, die an Happy Hardcore Zeiten erinnern, mich
jedenfalls, aber mit ihren stapfend stumpfen Bassdrums Looptechno-orientierten Beats doch bis zum
Break brauchen um wirklich das Ravemonster zu
werden das sie sein wollen. Die Rückseite versumpft
dagegen ein wenig, weil ihr genau dieses Moment
unverschämter Breitseite fehlt auch, wenns ansonsten solider deeper Looptechnowhirlpool ist.
BLEED ••••
BEROSHIMA - DANCE THE MACHINE
[BEROSHIMA MUSIC]
BLEED •••-••••
DUB TAYLOR - SECOND SIDE [FORCE TRACKS/051]
Sehr deepe, ruhig bretternde Tracks von Dub Taylor
diesmal, der sich aus fein geschnittenen Grooves mit
viel Freiheit für spleenige Percussionsounds langsam
in immer deepere Harmonien hineinsteigert und
dennoch den Druck nie loslässt, selbst wenn die
Stücke sich gerne in kleine unwahrscheinliche Popperlen mit leicht hippieartigem Soulbonusgesang
verwandeln. Eine Platte, die voller heimlicher Lieblings Sommerhits steckt. Vielleicht ein wenig früh,
aber warum nicht jetzt schon mal bunkern für die Tage in denen der Boden dampft.
www.force-tracks.net
BLEED •••••
DAMON WILD - DOWNTOWN WORLD
[KANZLERAMT/086]
Nach verdammt vielen sehr coolen Kanzleramt Releases ist dieses New Yorker 909 Gezimmer irgendwie fast
ein wenig langweilig. Zwar rockt nach und nach alles
ganz ordentlich mit soliden Technostabs, aber mehr als
4 Clubtools kommen dabei nicht rum, auch wenn er es
manchmal mit ruhigeren Nuancen versucht. Und
manchmal wird einem sogar langweilig.
www.kanzleramt.com
BLEED •••-••••
KLANGBILD - KREISSTADT GRIMMA EP
[KELLERMUSIK]
Wie immer auf diesem Label geht es recht dark zur Sache. Brodelnde aber dennoch irgendwie swingende
analoge Tracks, die klingen als wäre ständig Gewitter in
Matthew Boone ist einer der Halbverlässlichen zwi- Grimma, was bei dem Namen wohl auch stimmen
schen lässlichen Doofdiscosünden und dem Willen zu kann. Monomanisch bis hin zum obligaten Acidtrack,
beweisen, dass House das einzige Genre ist, das einen eine Platte die dem Namen des Labels alle Ehre macht.
beim Tanzen zum Heulen bringen kann (und nicht nur, BLEED ••••
weil jemand auf die nagelneuen weißen »Base«-Slipper
gestapft ist). Mit diesem Track zieht er in kleinsten SUPERPITCHER / QUARKS - I WALK / FIEBER
Schritten um den gedämpften Gesang von Gabriele [KOMPAKT EXTRA 6]
Wienand das große Deepsentiments-Panorama auf. Wenn’s nicht arscht, isses für’n Rock, will man uns erEpisch gedehnt mit temperierten Blonks und Rhodes in zählen. Klarer Fall, diese Platte rockt. Superpitcher, das
Moll rutschen ihm aber doch nie die Socken von den trojanische Pferd für Indie- und Rockeinflüsse bei Komstrammen Waden. Selbst dann nicht, wenn er eine pakt, packt mit dem »I walk«-Remix für die Quarks einWahwah-Gitarre einsetzt. Die Wighnomy Bros. pres- mal mehr die Luftgitarre aus: Krächtzige Vocals über’m
sen den Track in ihren 2 Remixen bassknarzig zusam- Rock mit echtem Schweiß. Alte Feindbilder elektronimen, möbeln ihm ordentlich Dynamik unter und ste- scher Musik werden völlig unmotiviert reanimiert. Als
hen vertrackt bestgelaunt da, bis der Gesang eigentlich Beweis, dass es auch anders geht, reicht die vortreffli- alles, was recht ist - schon etwas überflüssig wird. Viel- che B-Seite »Fieber« aus, auf der routiniert bis oldleicht hätte man insgesamt doch einmal mehr auf die schoolig der Floor umgeschaufelt wird. Ohne elecSlipper stapfen sollen?
troclashiges Schmieröl geht’s halt besser. Denn wenn’s
www.freude-am-tanzen.com
rockt, isses für’n Arsch.
MATTHEW BOONE - WHO INSTRUCTED THE STARS
TO SHINE [FREUDE AM TANZEN 012]
JEEP ••••
SK •••••-•
SASCHA ZASTIRAL - MIDNIGHT FUNK [FRISBEE/052]
THE ORB - KOMPASSION [KOMPAKT/073]
Rollende 909 hat man ja eigentlich schon eine ganze
Weile nicht mehr gehabt. Und klar braucht man dazu
eine dieser streetwisen Stimmen, die so bedeutungsvolle Einzeiler wie »The Midnight Funk« sagen können.
Das ist kein Automatismus, das ist die volle Chicago
Wahrheit. Aber dann wird’s natürlich erst interessant
und Zastiral lässt die breite Basselinewand ausschwärmen und die Pianos lässig schmettern. Dazu noch eine
leicht angeschrägte Streicherorgie in Angetrunken und
fertig ist der Hit. Zwei der anderen Tracks funktionieren
in einem ähnlichen Stil, immer einmal quer über den
großen See zwischen House und Techno und immer
mit dieser bezaubernden Einfachheit, die jeden Floor in
ein lässiges Rave verwandelt. Und dazu dann noch ein
Stück hackender Chicagoneurose. Eine meiner Lieblings Frisbee Platten.
Wer hätte das jemals gedacht? Eine Orb Platte auf
Kompakt. Thomas Fehlmann machts möglich, denn
er macht diese Tracks hier zusammen mit Alex Peterson und es rockt in diesem für Kompakt typischen
abgehackt stoisch graden Groove um die Ecke, der
mit sehr schwärmerischen Strings und Shuffledubs
aufgeheizt einfach ausgelassen und gut gelaunt vor
sich hin dreht. Heitere Platte mit viel Sampledichte,
die für Kompakt fast schon barock wirken könnte,
aber irgendwie sehr angenehm weich dennoch kickt.
Für The Orb Ambient Freunde gibt es am Ende noch
einen Track aus runtergetuneten Stringloops, die von
einer Popikone gesampled sein könnten, aber wir
wissen einfach nicht welche. Überraschend.
CAULFIELD - OVERTIME EP [DIÄT/001]
Auf einem neuen Label aus Bremen kommt diese 4Track EP des gradiosen Charmeurs Caulfield. »Bloß
Weg« beschreibt dieses knuffig deep Angeorgelte einer Sehnsucht nach der Weite in die einen nur ein imaginärer minimaler Hafen führen kann und lässt nach
und nach alle Hemmungen fallen, um die letzten Reste
der solide schunkelnden Exstase vom Dancefloor zu
lecken. Und wie es so kommt, wenn man verschwindet,
tauchen nach und nach immer deepere Überaschungen auf. Eine Hymne für den Norden. »Catch« brodelt
mehr in den Basslines und will mit säuseligem Zirpen
lange Zeit davon ablenken, dass es auch hier eigentlich
im Postdetroit-Minimalflavour in Trockeneis geht. Der
Hit der Platte »Glam« schlägt alles, was man noch in
der Kiste an Oldschool House Orgien hatte lässig und
mit einem Augenzwinkern gesampelter WildpitchStrings und auf dem Slowmotion-Bassmonster »Mademoiselle Ricard« schleppt sich der kränkelnde Groove
wie seit einigen Parrish Platten schon nicht mehr in die
Arme eines Kleinkinderpianos.
Entwickelt sich mehr und mehr zu einer Hitmaschine, dieser Beroshima. Und klar, dann muss es auch
gleich drei Mixe von jedem Track geben. Auf der ASeite Extended und in bester Breitwanddiscotradition ein Synthpopmonster mit Vocals und herumlungernd cool aufgeblasenen Soundeffekten, die selbst
einen Ghettoblaster für 12 Euro zu einer Ravemaschine machen könnten. Auf der Rückseite ein aus welchen Gründen auch immer »Minimal Mix« genannter
Remix und eine Donna Summer Disco Glorifizierung. BLEED •••••
www.beroshima.com
BLEED ••••
RHYTHM & SOUND W/ LOVE JOYS - BEST FRIEND
[BURIAL MIX / BM10]
Die Love Joys haben die für mich beste Wackies Platte ever gemacht. »Gimme Back« und »It Ain’t Easy«
sind Komplettklassiker. Und nun das. Hier. Mit Rhythm & Sound und natürlich ist »Best Friend« schlicht
und einfach perfekt, unwiderstehlich und großartig.
Der Bass reißt alle Wände ein, dahinter drängen sich
weiche Akkorde brav geordnet nach vorne und Love
Joys erzähent diese Geschichte. Gebannt hofft man
auf mehr Details, eine Lösung, aber alles versinkt im
Dub. Alles passt, beide Welten mögen sich gerne,
funktionieren, sind auf einander angewiesen, können gar nicht mehr ohne den anderen existieren.
Und dann kommt das »Yeah« und man fliegt 20 Jahre
rückwärts durch die Zeit. Wie jeder Release auf Burial Mix sitzt auch »Best Friend« schon jetzt im Olymp.
Kneel down and worship.
THADDI •••••
OLIVER BONDZIO - PORTRAIT OF A MASTERPIECE
[COCOON RECORDS]
Ein darker Electrotrack, der auszog einem das Gruseln beizubringen und mit gebrochenen Beats und
Kettenrasseln zu Phutureghostbusterstimme alle
Vorlieben Bondzios auf einen neuen Punkt bringt.
Tiefe. Der straightere Track hat ein gewisses Chicagoflair, bleibt aber auch etwas dunkler und begibt
sich nach einem Testtonzirpen in eine Atmosphäre
ständiger Alarmbereitschaft.
BLEED ••••
MATT FLORES - DIGITAL SELF
[COMBINATION 015 / PP SALES]
Ex-Gush Collective-Member 2Smart aka Matt Flores
findet sich bei Combination wieder. Dort ist er mit
seinem derzeitigen Hybriden, der Breakstrukturen
aus Drum´n´Bass mit 2Step-Appeal und düstere Detroit-Soundscapes aus Minimaltechno auf Housetempo verbindet, genau richtig. Drei sachliche und
dennoch nicht kühle Tracks, die ihre räumliche Tiefe
erst auf einer amtlichen Clubanlage offenbaren. Insbesondere der Titeltrack dürfte so manchen fortgeschrittenen Floor checken.
M.PATH.IQ •••••-••••
VOOM:VOOM - BABY [COMPOST/ 128-1]
Fauna Flash und Peter Kruder stecken erneut ihre Köpfe zusammen, um ihrer Liebe für Detroit und weniger
verdaddelte Dancefloor Tracks zu frönen. Dem Ergebnis „Baby« hört man eine eindeutige Note des „neuen«
Kruder an: eine Überschneidung von warmen, tiefen
Flächen und etwas checky, verdächtig 303 klingende
Bässen - am Besten in seinem Gotan Project Remix
nachzuhören. Ein leiser Beginn trifft auf Hi Hat Clicks,
entfaltet sich zu einem wunderschönen, technoiden
House-Track, um dann in bodenlose Daft Punk und
Cher Referenzen zu stürzen. Eine schreckliche Vocoder
Stimme robotert etwas von „Shake it Baby!« und
nimmt dem eigentlich guten Track die ganze Luft raus.
Erhältlich in zwei Versionen: eine mit mehr, die andere
mit weniger Baby. Schade drum: für den Anfang fünf,
den weiteren Verlauf einen Stern.
LUM •••••-•
ALESSANDRONI & SLOPE - NEONATO [CRIPPLED
DICK 48 / EFA]
Alessandro Alessandroni. Eine Name wie aus einem
Film. Und tatsächlich kennt ihn eigentlich jeder aus italienischen Spaghetti-Western wie ´A Fistful Of
Dollars´, ´For A Few Dollars More´ oder ´Once Upon
In The West´. Allerdings steuerte der Multiinstrumentalist dazu kein schauspielerisches Talent sondern die
Musik und sein legendäres Pfeifen bei. Bei ´Neonato´
handelt es sich um eine kurze Episode für Gesang, Gitarre und Mandoline. An letzterer lebt sich Allesandroni selbst aus. Nur einen Schluck länger ist der Espresso
Remix der Sonar Kollektivler Slope. Polyrhythmik erhöht den subtilen Abfahrfaktor noch durch ein LatinIntro, welches durch einen kurzen Junglepart mit akustischem Basslauf zum Klimax gebracht und alsbald auf
halbem Tempo zum Ende geführt wird. Weird! Andere
machen aus solchen Ideen locker 10 Tracks. Neugierige
sollten sich beeilen. Nur 500 der kleinen 7«s sollen das
Berliner Label verlassen. Wer zu spät kommt, freut sich
einfach auf ein ganzes Album dieser ungewöhnlichen
Begegnung.
M.PATH.IQ •••••
KOUHEI/MERZBOW - INTO 1111115&111521849/MODE
FOR VALUE AND INTENTION
[CROSS FADE ENTERTAINMENT 011]
DICODESAFINADO 1 - ATOMIUM EVOLUON
[DISCODESAFINADO]
Sehr eigenwillige Tracks digitaler Nuancen und
Clicks mit ständig gebrochenen Stakkatosequenzen
und fast tuschelnden Padsounds, die immer nur am
Rande etwas von Dub haben, und fast völlig auf so etwas wie Rhythmuselemente verzichten können, weil
die Sequenzen das alles übernehmen. Klare ungewöhliche Musik, die vor sich hinperlt, unbekümmert
von allem drumherum und ihren ganz eigenen Charme in der hin und her gerissenen Art entwickelt, in
der die Effekte die eigentlich recht statischen Tracks
zum fließen bringen. Sehr schön und irgendwie gewagt.
www.discodesafinado.com
BLEED •••••
WESTPARK UNIT FEAT. VICTOR DAVIES - FADE AWAY
[DRAFT 030]
Während Victor Davies immer wegdriftender »Fade
away« haucht, wird die Musik immer präsenter in der
extended Version dieses Album-Tracks von Westpark
Unit aka Herb LF und Ingo Sänger. Ein fernweh-diesiges Glockenthema wird von griffigen Beats flankiert,
die sich knapp zum Synkopieren aufschwingen, aber
vor allem durch die paradoxe Kombination aus Wärme und Schnittigkeit brillieren, der Spezialität der
Draft-Posse. Marcus Worgull, der mit seinem Sohnemann-Track auf Spectrum Works schon fett beruhigte, lockert in seinem Mix das Thema mit Kongas auf,
nimmt die Schärfen in der Produktion zurück, erhöht
aber die sonore Souveränität von »Fade Away«. Es
bleibt dennoch die »Extended Version«, die den erneuten Beleg für die unangefochtene Zwischenstellung zwischen Broken Beats und Deephouse der Produzentengruppe um Herb LF/ Draft belegt.
JEEP •••••-••••
LION’S DEN DUBSHOWER - JUST ANOTHER
MOMENT REMIXES [ECHOKAMMER/ 19]
Der erste Track von Lion’s Den Dubshowers (Albert
Pöschl und Noe Noack) Album »2001: A Space Odyssey« aus München im Remix-Röckchen, bevor im
Frühjahr ein neues Album erscheint. Dankbare Streicher und stimmungsvoller Reggae Gesang laden
großzügig zum Wiederverwerten ein. Peabird (Sellwell) macht seine Arbeit wieder einmal großartig,
nimmt die etwas melancholische Grundstimmung
mit und unterlegt diese mit einem leicht humpelnden, aber doch sehr lässigen Beat. Die Lions selbst
verwandeln ihr eigenes Stück in eine atmosphärische stripped down Dancehall Version, die sich trotz
allem sehr nah am Ausgangsmaterial orientiert. Bei
Soulrunnaz Remix aus Wien fragt man sich allerdings, wer heutzutage noch 2 Step, zumindest in einem an Schlüsselreizen orientierten Kontext,
braucht. Doofer Beat, langweilige Bassline, Schade
drum.
LUM ••••
www.frisbee-tracks.de
BLEED •••••
TELEVISION SET - TELEGEN E.P.
[GENETIC MUSIC / GEN009]
Ein Monat ohne Skanfrom ist für mich eigentlich kein
Monat, aber zum Glück kann ich auch im Februar jubeln und bouncen. Als Television Set auf dem befreundeten Label Genetic Music rockt Skanfrom groß wie
immer, vielleicht stellenweise ein bisschen minimaler
oder waviger, hat irgendwo diese Drumbox aufgetrieben, mit der damals Depeche Mode ihre ersten Tracks
aufgenommen haben und plumpst in diese Zeit von damals, killt wie üblich alle Arcade-Sounds, mit anderen
Worten: ist gut und unvergleichlich wie immer, und das
fühlt sich extrem gut an. Und baut sich wie damals Daniel Miller mit den Silicon Teens seine eigene virtuelle
Popband. Und wenn dann plötzlich eine Stimmt sagt,
»wir sind hier nicht bei Schikowski, Dirk«, kann man nur
»Word!« brüllen. »Programm« ist irgendwie noch ein
bisschen detailverliebter, spielt noch mehr mit absoluten Trademark-Sounds von damals, natürlich wird auch
gesungen und ach! Alles super. Zumal alles im TVOD
Rhythmus endet, und man sich erstmal zurücklehnt.
Killer.
www.geneticmusic.de
THADDI •••••
SMITH & SELWAY - MOVE [INTEC]
Das Orignal rockt ganz lässig in diesem typischen
Amitechnosound, der einfach nicht in diesem Jahrhundert ankommen will und sich lieber den ganzen
Tag die gleichen Sequenzen um die Ohren schlägt,
während der Adam Bayer & Link Remix schon etwas
straighter zur Sache geht. Letztentlich aber nicht viel
mehr als der typische Technotool Track in zwei Varianten.
RAUMAGENT ALPHA - PLUGGER EP
[FESTPLATTEN/015]
BLEED •••
Auf der A-Seite erst mal schwer schwelend aufgezogenes Berliner Breitwand Raveflair ohne Eile mit langsam
hochkochender Bassline in den klöppelnden Grooves,
das sich in einem richig klassischen Break abziehender
Stringsounds Platz macht, um sich als harmonisches
Feuerwerk neu zu erfinden. Auf der Rückseite mit
»Plugger/Vier« fast eine Hommage an die vielen Downtempo Discotracks die aber dennoch diesen Raumagent Alpha Sound beibehält, das Tempo sowieso, und
vielleicht ein wenig an Modernist erinnern könnte, wäre Alpha nicht verspielter. Einfach dabeibleiben wenn
es erst mal so schön ist. Als Bonus gibt’s den Hit der ASeite noch mal in einer rabiateren Liveversion. Glücklich selbstverliebte Platte.
CROSSOVER - THE JOURNEY TO GRÖH
[INTERNATIONAL GIGOLO 101]
www.fest-platten.de
BLEED •••••
MATTHIAS SCHAFFHÄUSER - MUSIK OHNE BASS
[FORCE INC/234]
Wer hätte eine Schaffhäuser EP auf Force Inc erwartet?
Ich nicht. Jedenfalls rockt es hier alberner als gewöhnlich für Schaffhäuser mit dem im Titel schon genannten
Vocal und sagt uns, dass das doof ist, ganz banal, wo er
Recht hat. Also gibt es einen funky knorkigen Bass zu
dem effektgeladenen Track, der ganz schön schroff losrollt sich aber in weitgefächerten Effektdubs fängt und
eigentlich irgendwie auch zu Force Tracks gepasst hätte. Auf der Rückseite natürlich Remixe mit noch mehr
Bass, zunächst ausufernd und brummig und dann mit
diesem ansonsten für Steve Bug typischen Retroflair
früher Housesequenzen. Rockt.
www.force-inc.com
Osaka versus Tokyo. Von einem kurzen Gesangsfrag- BLEED •••••
Mehr Rock von Hells zweitliebster New Yorker Electroclash-Formation. Tiga darf Crossovers »Photstograht« remixen und schickt dazu Run DMC, Aerosmith und unserern guten alten Freund Roland 303 in
den retroaktiven Genpool, und heraus kommt ein
kleiner rockend, zwitschernder Bastard mit Hitpotenzial. Die Zeichen der Zeit sind erkannt und schon
wird’s spaßig stulle. Crossovers Versuche, es Tiga
gleichzutun sind aber leider weniger von Erfolg geprägt. Stulle ja, aber nicht so unterhaltsam.
www.kompakt-net.de
BLEED •••••
MANITOBA - IF ASSHOLES COULD FLY THIS PLACE
WOULD BE AN AIRPORT [LEAF]
Eh schon mal der beste Titel für eine 12« seit langem.
Aber abgesehen davon lässt sich Manitoba für den
Track auch mal eben als 2Step Houserocker reformatieren und shuffelt sich um Kopf und Kragen und mitten in unser Herz. Wer hätte das erwartet? Auf der
Rückseite mit »Air Doom« ein ebenso grade angetäuschtes Stück, das sich langsam in eine dieser
Hymnen verwandelt, die ihn in die Nähe von Dntel
rücken und ein weiterer komplett vershuffelter Housetrack mit dem grandiosen Titel »Ach Who« der an
Jazzyness irgendwo in der Nähe von Akufen meets
Sun Ra wildert.
www.posteverything.com/leaf
BLEED •••••
ZEITKRATZER PERFORMING TERRE THAEMLITZ - SUPER-SUPERBONUS
[LP KIRSCHBIER/COMATONSE]
Eine LP im 3D-Cover mit dazugehöriger Brille und einem Poster, in Kindermanier gepinselt, das die enge
Verbindung des irgendwie Berliner 9-Mann Orchesters zum in Tokio ansässigen Thaemlitz unterstreicht. Aufgenommen unter Leitung Thaemlitz’,
Reinhold Friedls und Ulrich Kriegers, liefert das wohl
ungewöhnlichste zeitgenössische Ensemble einen
unglaublichen Höhepunkt ab. Track 1 startet verdammt groovy im Double Bass-Lauf, der eine sich
ständig auf’s Neue durchboltzende empathische Ladung an drums und Bläser beisammenhält. Die gewaltigen oder subtil sich durchfräßenden Wechselspiele von minimal und voluminös, zwischen
gemächlich oder hektisch anmutenden Rhythmen
mit thaemlitzscher Idee klarer Schönheit ziehen sich
innerhalb und zwischen den Tracks über das ganze
Album und sorgen durchweg für Spannung. Thaemlitz kitzelt viel aus dem Orchester, er polt sie verfremdend und schärft glamourös den Herren Musikern eine gehörige Brise seines einzigartigen Charmes ein. Außerdem gibt’s auf fast jedem Track big
Hautzinger-Alarm an der trumpet, der Mann frißt
Bäume!
www.comatonse.com
ED •••••
COOBRA KILLER - HEAVY ROTATION
[MONIKA/029]
Irgendwie ganz sympathisch dieser »Heavy Rotation« 60s Grungerock DSP Gruseltrack der beiden
Cobra Killer, die die einzig würdigen Nachfolger von
Suckdog sind. (Ach so.). Auf der Rückseite Like A Tim
Mixe und Acapella für diesen neuen Klassiker der
HRK - BREAK MY CODE (THOMAS BRINKMANN
Sleaze Disco. Ein Ohrwurm ist es auch noch. Gut dass
RMX) [JOINTRECORDS/003]
Skurriler Track mit einem albern bearbeiteten japani- sich das nicht als Electroclash wegreden lässt.
schem Schulmädchen-Vocal der hier (nach ersten BLEED •••••
Platten von Thomas Fehlmann und Ulrich Schnauss)
in zwei Remixen des Tracks »Break My Code« von JEFF BENNETT - DIRECTION CHANGES EP [MORRIS
Thomas Brinkmann kommt, der es auf der A-Seite zu AUDIO/019]
lieben scheint, diese Stimme durch alle möglichen Tja, nur wohin geht er? Wir würden sagen, er wird
Effekte so klingen zu lassen, als wäre irgendwas ganz einfach immer housiger. Sehr swingend produzierte
Dringendes los oder als hätte sich jemand im Karao- Tracks, in denen die Dubeffekte wirklich nur noch eike Saal für den ganzen Abend die Cher Vocoder Pre- ner unter vielen sind und nicht mehr sein Markenzeisets geladen. Auf der Rückseite dann nur noch Reste chen, und sogar erste leicht latinangehauchte Samvon Vocals, wodurch der Track erstmal voll zu seiner baversatzstücke zu Basslinegezwitscher auftauchen
krude rockenden Geltung kommt und die Registrier- können. 4 funkige, leichte, ausgelassen treibende
kassen klingeln in einem zerrissen funkigen Gewusel Tracks, die immer funktionieren.
aus minimalen Bearbeitungen und Schnittwahn. Kil- www.morrisaudio.com
ler aus dem Parkdeck.
BLEED •••••
SVEN.VT ••••-•••
www.jointrecords.com
BLEED •••••
<43> - DE:BUG.68 - 02.2003
DEUTSCHLAND
(•)-nein (•••••)-ja
schwer groovenden Untertönen einer staksig
deutschen Gradlinigkeit. 4 Tracks die perfekt
Zwei Remixe von Matthias Schaffhäuser von ei- funktionieren wenn es auf die Details annem kommenden Album von Remixen. Auf der kommt.
A-Seite J.C.A.`s »I Beginn To Wonder«, mit sei- www.normoton.de
nen süsslichen Vocals, leicht verkleisterten BLEED •••••
Strings und einfach grabendem Dubminimalgroove, der sich voll auf die Vocals und das Zu- GUSTAVO LAMAS - PRESENTE [ONI.TOR]
sammenspiel von Effektsounds und Strings 4 Tracks von dem durch Traumschallplatten beverlässt, wenn das nicht zieht aber auch irgend- kannt gewordenen Argentinier, der hier seinen
wie etwas blass wirkt. Die Rückseite mit dem dichten polyrhythmischen Sound auf eine geRez Oharas »It`s a beautiful day« Track ist dann wisse Art Stück für Stück in Pop umarbeitet,
schon wesentlich konkreter und trägt einen was irgendwie überraschend wirkt, aber trotzpfeifend in die warme Jahreszeit. Musik, zu der dem nichts von der Tiefe seiner Produktionen
man alles, was man so zu tun hatte schnell ver- verliert. Sehr viele aufgeschichtet Dichte Segisst und lieber Tagträume pflegt.
quenzen und Sounds lassen das stromlinienförwww.multicolor-recordings.de
mig wirken obwohl im Detail dann doch alles
BLEED ••••
eine Rauhe Oberfläche aus Rhythmen bleibt. 4
sehr schöne Tracks mit viel Ruhe und Triolen,
HARCO PRONT - SKIFO EP
die irgendwie von innen heraus Glühen und
[MUSIC FOR SPEAKERS]
mehr denn je auch auf dem Dancefloor funktioKillerplatte mit glatt 12 Tracks auf nur einem nieren, vorausgesetzt man hat ihn in einen
Vinyl, die die besten Zeiten von Dance Mania Traum verwandelt.
und Tracks wieder aufleben lassen, nur eben in www.onitor.de
einem Sound, der absolut zur Zeit passt. Strikte BLEED •••••
Grooves und Gesang zur Beatbox, verdrehte
Vocoder zu swingend heimlichen Soundscapes MONACO JAM - 50/50 [PASTAMUSIK/002]
des Unheimlichen, Funkminiaturen, die einem Das neue Münchner Label Pastamusik will sich
Paisleymuster auf die Augenlider tätowieren nicht festlegen auf einen Sound sondern eher
und ab und an auch mal einfach ein Housetrack auf eine Geste, und die heißt rocken bis die Semit soviel Soul, dass man es gar nicht glauben quenzen nur noch Groove sind. zumindest auf
will oder eben skurrile Lofitrashbluesemulatio- dieser ziemlich charmant ravenden Platte. Auf
nen. Eine Platte die von Track zu Track unglaub- der A-Seite einer dieser Modulationstracks, die
licher wird.
sich gerne mal in klirrend verraschelten Percuswww.musicforspeakers.com
sioneffekten ausruhen, mit Bassdrums Solos
BLEED •••••
tanzen und danach erschöpft die Hände in die
Höhe reißen zum Sägezahn. Auf der Rückseite
MATTHIAS SCHAFFHÄUSER - RE: VINYL SELECTION [MULTICOLOR RECORDINGS]
AARDVARK - DONKEY BOY [MUSIC FOR SPEAKERS/019]
Killerremix von Harco Point, der gerade seine erste EP auf dem Label releast hat und definitv einer der Funkhelden dieses Jahres werden wird.
Deep und mit soviel Soul, dass einem schwarz vor
Augen wird. Natürlich sind aber auch die Aardvarck Tracks selbst unglaublich gut, vor allem weil
man hier seine ruhigere Seite kennenlernt
(während er sich drüben auf seiner Delsin EP eher
in Beats austobt). Schwingende, aber dennoch
vertrackt breakende weichgezeichnete Tracks
mit breitgelegenen Melodien und ständigen
Wechseln die einen immer überraschen. Auf der
Rückseite noch ein Mix von Sonar Lodge, der sich
mit seinem überklaren Sound von dem Rest der
Platte ein wenig abhebt, aber gespenstische weiche Jazzwelten aufleben lässt, die durchaus den
Standard des Releases halten können. Music For
Speakers ist jedenfalls grade in Höchstform.
www.musicforspeakers.com
BLEED •••••
BILL YOUNGMAN - SLOPPY STOMP EP
[NEUE HEIMAT/017]
Durchaus passender Titel für diese nervös herumgrätschenden Technoballerjazzeskapaden
von Youngman. Wir lieben so was schon immer,
wenn die Basslines einen Anspringen als wären
sie ein Monstertruck auf Opfersuche und die Sequenzen dabei stellenweise die Arme in die Lüfte
recken zum Raven und irgendwie dabei abgeschnitten werden. Musik für Körper, die kein Problem damit haben, sich nach einer Dancefloorsause in Einzelteilen wiederzufinden, und ihr Hirn
verteilt zwischen Klo und Bar. Rockt wie immer visionär und mit Biss.
www.neueheimat.de
BLEED •••••
FRANK YENTNER - BROT UND SPIELE
[NEUE HEIMAT/018]
Die A-Seite cruist zwar mit schweren Bremsspuren durch das Hihatgewitter aber irgendwie
kommt sie nicht so ganz richtig in Schwung und
diese Art von Trägheit trägt sich auch durch die
Tracks auf der anderen Seite. Bratzende Technotracks, denen selbst eine Muppetmelodie
nicht aus der Valiumschlaufe helfen kann. Da
krank sein aber so schön sein kann ein Bonuspunkt für heimliche Annäherung des Neue Heimat Sounds an Housemusik.
www.neueheimat.de
BLEED •••-••••
STRASSMANN [NORMOTON/007]
Nach der EP von Landesvatter kommt jetzt auf
Normoton eine weitere Minimale EP von Berlinern. Sehr trockene Tracks mit genau platzierten Samples in Grooves, die einen ein wenig an
Cabanne erinnern können, aber dennoch gerne
in Richtung Dub wandern. Microhouse mit
ein smootherer deeper Track mit Dubs und
flink flirrenden Sounds zwischen den dichten
Harmonien, die sich gerne ab und an mal aufbrechen lassen, und ein percussives, trancig
dunkles Experiment in Konzentration auf Effekte. Schöne wuchtige, aber sehr subtile Platte.
bietet sich zum verdrogten Mitklatschen an
und bündelt alle Kräfte des Dancefloors in seiner leicht gespenstischen Atmosphäre des
Durchhaltens mit Stil, während »Vice« sich
durch Bleepregen, Jazzakkorde und Funklicks in
Herz rockt. Eine unglaublich lässige und dichte
Platte, die auf so vielschichtige Art immer wieder überrascht und dabei doch extrem easy
klingt.
ww.mad-net.de/playhouse
BLEED •••••
GLOWING GLISSES - SILVER SURFER [POKER
FLAT RECORDINGS]
Irgendwie gehen Glowing Glisses gerade eine
ganze Menge Schritte auf einmal. Guido Schneider und Florian Schirmacher rocken für Steve Bug’s Label ein ganzes Album voller unglaublich präziser Housetracks der außergewöhnlichen Art.
Schon mit »Sunshine« ist klar, wohin es mit House in Berlin gehen kann. Minimal aber sehr soulig,
verdammt klar in allen Sounds und mit perfekter
Produktion, aber dabei immer noch so voller neuer Ideen, dass man glaubt das alles zum ersten
Mal zu hören. Egal ob es nun um jazzige Sounds
geht oder um die Beats, alles ist genau diese dezent verschobene Weise frisch, dass man sie auf
»Just Apologise« für die Metro Area Berlins halten könnte oder auf »Fragrance« für diejenigen,
die immer noch wissen, was an Chicago eigentlich so verdammt deep war und warum es nur so
bleibt, wenn man alles noch mal neu macht. Und
dabei haben die Tracks nie etwas Verfusseltes
oder Beliebiges, sondern sind alle auch noch
Clubhits.
etwas harsch produziert, aber wenn man sich
erst mal an den Sound gewöhnt hat, dann wirkt
diese eigenwillige Mischung durch und durch
kickend.
BLEED ••••-•••••
COLLECTIVE PLAY VOL1
[SCANDIUM RECORDS]
Eine Labelcompilation mit Tracks von Nazca,
Ultracolor, Offman, Bastien Grine, Southsonics, Danc & Fred C. und Tom Pooks, die zwischen rabiaten Technomonstern mit überraschenden Wendungen, lässigen Detroitpoptracks und breit angelegten Ravehymnen liegen, die zuweilen schon mal ins kitschige
rücken können, aber Technasia an Groove und
Verspieltheit immer noch an die Wand brettern
und genau soviel Hymnen Appeal haben wie
Underworld. Eigentlich durchweg recht schöne
Platte mit viel Melodien und noch mehr glücklich herumplinkernden Sounds und Strings. Eine meiner Lieblingsraveplatten.
www.scandiumrecords.com
BLEED ••••-•••••
PAUL NAZCA - EMOTION REMIXE
[SCANDIUM/014]
www.pokerflat-recordings.com
BLEED •••••
Michael Mayer stürzt sich auf der A-Seite in einen schwärmerisch trockenen Track hinein, der
mit einfachen Strings und rockendem kölschen
Groove jeden Raver zum Schreien bringen dürfte, David Caretta versucht es etwas zauseliger
mit Elektrofundamentalismus zu grader Oldschoolknallerbassdrum und der Ultracolor Remix erinnert einen fast an rockendere Modernist Tracks mit leichter Detroit Nuance. Feine,
kickende Platte durch und durch, die mehr als
[POM POM/007]
einmal komplett abhebt.
Unser Lieblingstrashlabel aus Berlin schlägt die
Bassdrum noch ein wenig tiefer in den Graben
und warum sich aus diesem hyperverzerrten Terror doch sowas wie ein Discofieber entwickelt,
glaubt einem ja eh keiner, der es nicht richtig
stumpf mag, das Subtile. Hit! Auf der Rückseite
www.pastamusik.de
eine Art Sylvestertrack mit dagegen fast dezent
BLEED •••••
angerissenen Hihats und ähnlichen Stakkatoeffekten auf den Sounds, die die Welt geklaut haPASTAMUSIK - CHARMIN/VELVET
ben. Slammer, wie immer eigentlich, aber irgend[PASTAMUSIK/003]
Sehr lässige deepe Housetracks von dem Mün- wie jedesmal noch einen Dreh cooler.
chner Label mit shuffelnden Beats, weichen BLEED •••••
Basslines, smoothen Harmoniewechseln und
immer hittiger werdenden angerissenen DUPLEX 100 [POPULAR TOOLS]
Strings. Schöne Frühlingsplatte durch und Jetzt also die erste eigene EP auf Jörg Burgers
durch, die sich auf der A-Seite in einen dieser wieder aktiviertem Label für das deutsch-franHollywoodreifen Breaks hineinsteigert und auf zösische DJ und Produzentengespann Duplex
der B-Seite mit dunklerem Groove zeitlos in die 100. Und mit ihrem feingliedrigen MinimalhouBreite geht. Sehr lässig.
semovern passen sie auch sehr gut zum Modernist. Sehr funky die drei Tracks, die sich nicht
www.pastamusik.de
aus der Ruhe bringen lassen und sehr elegant
BLEED •••••
über den Dancefloor tänzeln. Ein schönes DeMAX MOHR - TIME TRAVEL [PLAYHOUSE/068] but. Mal sehen, was da in Zukunft noch kommt.
Ganz schön rotzig, dieses »Pop Roger«. Breit- SVEN.VT ••••-•••••
bratzende Bassline mit skurril zurückgenommenem Popappeal in den Harmonien, die fast POPULAR INTERNATIONALISTS - PT.1 [POPUschleichend wirken und dazu dieser Vocoder- LAR TOOLS/004]
sound, der fast gar nichts mehr zu sagen 3er Minicompilation mit Tracks im Sound von Poscheint. Vielleicht irgendwie ein Abgesang an pular. Modernista 90 auf der A-Seite klingt einRetro, wie schön es war, aber ein wenig fröhli- fach nach Burger. Sehr fette Beats und dazu diese
cher könnte man das schon tun, so schön war’s knallig blinkenden Sounds in minimalen Arrangeja nun auch nicht. Besser dann auf der smoo- ments, aber mit den extrem schreiende Strings
ther zerkleinerten B-Seite die mit »Time Travel« geht es hier weniger in die Länge als in eine Euhart an dem shuffelnden Swing arbeitet und da- phorie, die sich selber nur schwer zügeln kann.
zu Sounds und Effekte in einem Gelage aus Detroit brüllt einem dieser Track entgegen, und
»hoffentlich überstehen wir den Abend auf bei- mit Sicherheit wären sowohl UR als auch Rob
den Füßen«-Gefühlen einen nach dem anderen Hood froh so einen Track zu releasen. D. Klein
sauber erledigt und dabei trotzdem im Takt macht auf der Rückseite mit »Discolonization« in
bleibt. Als Abschluss noch »Can We Get This einem ähnlichen Sound weiter, brummige Bassli(Keep The Curtain)« mit Dubvocals und nes, transparente Akkorde, hebt aber eher in ein
Gelächter zu Discobleeps auf Downtempodis- melancholisches Dub-Ufer ab, und lässt die Effekcotapsen. Trockene, vielleicht sogar (siehe Co- te Soli tanzen. Zum Abschluss noch der deepe
ver) eisige Platte.
Track der Platte von Duplex 100, der sich zum ersten Mal soetwas wie einen Groove erlaubt der
ww.mad-net.de/playhouse
Platz hat für Zwischenräume und Spielereien in
BLEED ••••-•••••
der ansonsten eher stromlinienförmigen Modernität der Platte, ohne aber mit seinen gebesten
FUNKY TRANSPORT - THE BEDFORD FILES EP
Hihats und den skurrilen Vocals zu sehr heraus[PLAYHOUSE/069]
Killer. Slowmotion Detroit Disco mit so sympa- zufallen. Extrem lässige gradlinige Platte mit drei
thisch vielseitigen Sounds und Effekten, dass Hits.
man sofort noch mal seine (Iain MacPherson) BLEED •••••
20/20 Vision Releases raussuchen muss. »Is It
4:20 Jet?« versteckt tief in den Eingeweiden der SEIDEMANN - IN>OUT [REFLECTOR]
Disco eine Gitarre und schichtet die Beats so Neues Label des feinen Potsdamer Clubabends,
tief, dass den Füßen schwindelig wird vor lauter das mit 4 Tracks des schon auf Aspekte überherumshuffeln, »Cancel It« bleept mit brütend zeugenden Seidemann. Eine lässige eigene Vidichten Basslines und hineingeworfenen Kuh- sion von Broken Beats mit harscheren Effekten
glocken einen Track zusammen, der so über- von brennenden Basslines, die man sonst eher
glücklich rockt ohne etwas von einem zu for- bei Elektrotracks oder 2Step findet und diverdern, dass man die Platte gerne bis weit über sen die Intensität noch steigernden Raggasamden Sommer mit sich rumträgt. »Hot Water« ples und Dubs. Stellenweise wirken die Track
RECORD STORE
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www.scandiumrecords.com
BLEED •••••-••••
PAUL NAZCA - LES MUSIQUES DE MON MOULIN [SCANDIUM/015]
Scandium ist definiv gerade in Bestform. Das
Album von Paul Nazca macht da bestimmt keine Ausnahme. Lockere Killertracks mit einer
ganz eigenen Art, irgendwo zwischen Popmusik und Detroit zu hängen und es sich gut gehen zu lassen. Die Tracks wachsen einfach von
Umdrehung zu Umdrehung immer mehr und
bohren sich ins Ohr bis man sie nicht mehr vergisst und alles, was man in den letzten Jahren
an Minimalsound gehört hat für einen schrecklichen Umweg hält. Mal electroider und etwas
Darkness antäuschend, aber letztendlich alles
Tracks, die Euphorie bis ins Letzte ausleben. Killerplatte.
www.scandiumrecords.com
BLEED •••••
PETER GRUMMICH - BIG & HUMBLE
[SENDER/023]
Fast hätten wir den Gott des großen allgewaltigen Knarzsounds schon vergessen, aber glücklicherweise erinnert uns Grummich auf der ASeite dieser EP nochmal dran. Alles brät hier
gewaltig vor sich hin und holt zu minimalsten
Hihats aus zum langsam vereinnehmenden
Stringmonster. Ein Stück wie ein kratziger Pelz
aus dem man nie wieder rausmöchte, weil
draußen das Eis bricht. Auf der Rückseite dann
in ähnlichem Sound aber mit viel mehr Popcharme und Kicks ein Track, der sich fast in Richtung Deep-House dreht mit seinen angerissenen Samples und knacksenden Rhythmuseffekten, und ein knorkig trockenes Stück grooven
abstrakten Dubs mit komprimierten harsch ins
Ohr geflüsterten Vocals für extra Sexyness.
Perfekt.
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BLEED •••••
ANDERS ILAR - EVERDOM [SHITKATAPULT/037]
Doch, klar denke ich bei dem ersten Track der
EP an Twinpeaks. Eisig, kühl, schwermütig bis
ins letzte Detail hat er alles, was auf seiner letzten EP für Shitkatapult unterkühlt klang hier in
die fliessende Breite einer inneren Morbidität
brodelnder Hitze umgewandelt, die sich in Weiten hinausreckt, in denen man nur scheitern
kann. Irgendwie tragisch manische Platte, auf
der die Echos klingen wie Fetzen von Haut, die
von der Seele abgesprengt werden, und jede
Melodie erst mal soviele Erdumrundungen mitgemacht hat, dass sie ganz erschöpft ist und jedesmal wie durch ein zufälliges Glück doch den
Bogen findet. Vier Tracks, die, wenn man genau
hinhört, diesen speziellen, klirrend deepen Sound von Anders Ilar haben, aber dennoch völlig
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überraschend orchestral klingen. Wir vermuten stampfe für die Dorfdisco und gebündelte
mal, er hat die ein oder andere Arvo Pärth Plat- Zweizeiler à la »Alle müssen mal kapieren / Wer
te zuviel gehört.
der Sheriff ist« kommen schlichtweg lächerlich
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und beknackt posenhaft. Das momentan so esBLEED •••••
sentielle Wörtchen ‘Anti’ in ‘Anti-Amerikanisch’
wird total unnötigerweise schamlos ausTONETRAEGER - WELCOME BACK.KOTTER REgehöhlt und ins Lächerliche getrieben. Und das
MIX [SPINNER ACE]
kann doch gerade jetzt wirklich niemandes
Die beiden Düsseldorfer Volker Bertelmann und Ernst sein, oder? Na ja, es riecht eh verfault.
Torsten Mauss haben sich da eine illustre Runde ED •-••
gewiefter Remixhände zusammen gesucht. Der
Kompakt Party Squad Tobias Thomas und Micha- THOMAS SCHUMACHER - THE FORTUNATE
el Mayer zaubern einen epischen Überwälti- ONES REMIXES [SUPERSTITION]
gungs-Ravetrack mit schön gesetzten Chords, et- Johannes Heil kann alles. Er remixt den Thomas
was noisigen Soundbrei, viel Platz für Melodiebö- Schumacher Track mit einem Back To 95 Sound,
gen und einem satten Breakdown zur kollektiven der einfach und mit totaler Selbstvergessenheit
Empathiemaximierung. Detlev Weinrich von an die grossen Zeiten der bundesdeutschen RaKreidler beschwingt swingenden Minimalhouse- ves glaubt, und natürlich die Geschichte im
track (super auf +8) und To Roccoco Rots Stefan Nachhinein etwas sweeter darstellt als gewesen,
Schneider holt die Wandergitarre raus und zupft und schwelgt in großen Stringtönen von einer
uns einen malerisch schönen musikalischen heiligen Nation, an die ja keiner mehr glaubt, aber
Frühlingstag auf Alpha Zentauri.
bei so einem Stück gerne mal für ein paar MinuSVEN.VT •••••
ten eine Ausnahme hervorruft. Das Orginal brettert eher 909-lastig gradeaus, und der Humate
TONTRÄGER - WELCOME BACK KOTTER REMIX Remix klingt schon fast wie ein schwelgerischer
[SPINNER ACE RECORDS]
TechHouse-Track mit breitwandig ravender BassDa gönnen sie sich aber was. Für Remixe ihres line und wird erst nach dem trancetypischen
Spieleabendalbumtracks engagieren sie Tobias Kitschbreak zu einem langweiligen DurchThomas und Michael Mayer, die sich gleich mal schnitts-Trancestück. Sympathische Platte sonst.
ein 5 Minuten Intro mit verdrehten Ravese- www.superstition.de
quenzen und Breitwandpiano gönnen, bis wir BLEED ••••
endlich die Bassdrum bekommen. Eine Idee
und fertig ist der Track, aber es funktioniert um KITBUILDERS - IN THE YEAR 2525 [TELEVISION
so besser. Einer der Ravehits des Monats wür- RECORDS]
den wir sagen. Auf der Rückseite ein Remix von Hab komplett vergessen, von wem dieses Stück
Detlef Weinrich (Kreidler, Binford) unter dem im Orginal eigentlich war, kein Wunder, bin ja
Namen Toulouse Low Track, der etwas schluffig auch kein Hippie, aber Kitbuilders machen das
in Düsseldorfer Reggea herumplätschert, dazu
passend ein Mapstation Remix von Stefan
Schneider, der tief rauschend die Natur zum zirpen bringt und ein Bonustrack flirrender Klimperei von Tonträger selbst. Sympathisches Release.
www.tontraeger.de
BLEED •••••
GEORGE LISTER - ...RIDES AGAIN [SPYMANIA/MOSQUITO]
J. Lidell verkleidet sich für dieses Release der
beiden Label extra noch mehr und heraus kommen skurrile scheppernde Tracks voller Seele
und digitaler Inbrunst. Bratzend aber irgendwie
auch mit einer gewissen Stille beginnt er mit
Pomp auf »Glist.n.Go« als Paukenoperette mit
Stepeinlagen über die logischerweise nach einiger Zeit immer mehr digitale Käfer krabbeln,
lässt das Breakdancer Herz kurz vor dem Infarkt auf »Go.Glie.Go.Lee« höher schlagen als
weit
und
wendet
sich
auf
»Maritime.Under.Me.Glist« kurz seinem Lieblingsfach Drumandbassdekonstruktion zu, was
irgendwie brachial wirkt, aber auch genau so
still, vielleicht deshalb die Anspielung auf Wasser. Zuletzt dann noch ein rockender HipHop
Halsüberkopf als leicht gefährlicher Scan quer
durch die Beatbox.
www.spymania.com
http://www.no-future.com
BLEED ••••-•••••
M.I.A. - IRGENDWAS IST IMMER
[SUB STATIC/026]
Die neue M.I.A. EP hat nicht nur einen guten Titel, sonder lässt von den ersten Tönen von
»Milchreiter« klar werden, dass sie innerhalb
ihres eigenen Stils minimaler Tracks, sehr
schnell so sicher klingt, dass die Tracks in all ihrer Ruhe sofort wissen, wie man aus einer
schnarrenden Bassline nach und nach die glitzernden Sounds herausholt, die einen solchen
Groove extrem tief machen können. Einer der
schwersten aber glücklichsten Tracks von ihr.
Auf »Rauschzart« wird es dann housiger denn
je mit den knalligen Claps, dem Offbeatgroove
und den sehr auf ihre Restgeräusche bedachten
perlenden Melodien, die dem schnarrenden Sound seine eigenwillig geschlossene Stimmung
geben. Zwei ruhige aber immer wirkende Hits.
mitsamt dieser nöligen Stimme ganz gut, daraus
einen neuen Hit für drogensüchtige Liebhaber
der galaktisch modifizierten graden Bassdrum zu
machen. Klar klebt das in den Ohren und wenn
man es einfach nicht hören kann wie Hits verbraten werden kommt man damit nicht klar, aber
sonst könnte es in manchen Momenten, wo alle
eh schon völlig durch sind, sehr gut wirken, denn
es ist einer ihrer verspieltest groovenden Tracks,
von dem man gerne noch ein Instrumental hätte.
Als Bonus gibt es einen elektroideren Track von
ihnen, der ähnlich melodisch dicht bleibt, aber irgendwie lässiger in die Tiefe rockt und auf der
Rückseite einen Ural 13 Diktator Remix (Angst),
der natürlich locker losbratzender Ledernacken
Stompertechno ist, wie immer. Muss man drauf
stehen.
www.television-records.com
BLEED ••••
GEOFF WHITE - NOW SHOWING [TRAUM
SCHALLPLATTEN/034]
Sehr groovig, dieses »Now Showing«. Fast trällernd in den feingeschnipselten Sounds und Restgeräuschen, die es hinter sich her zieht. Dabei immer dieser warme Groove voller lässigen Funkuntertönen und nichts, was Geoff White, der ja
schon mit seinen Schaffhäuser Remixen neulich
bewiesen hat, wie tief er sich in die rollende Kantigkeit produzieren kann, aus der Ruhe bringen
könnte, in Sicht. Perfektes Tool für Momente, in
denen auch der letzte kleinste Sound zählt. Die
Rückseite beginnt mit einer Ode an Detroit nebst
Harfenschwüngen und immer heiter werdenderer Melodie und endet mit einem kratzbürstigen
Dubtrack für alle, die es lieben wenn die Hallräume wie Präzisionsinstrumente rings um die
wuchtigen Dubbasslines generiert werden. Lässig.
www.traumschallplatten.net
BLEED •••••
RENÉ BREIBARTH - SCI FI [TREIBSTOFF/028]
Der Track vom Album kommt mit einem Remix
von Steve Bug, für dessen Label Breibarth vor
kurzem einen Glowing Glisses Remix gemacht
hatte. Der Track selber ist eine Hypnose seiner
selbst vor der Weite der weichen galaktischen
Harmonien in visionären Bildern voller Retrospektiven und zieht seine Kreise an einem Himmel voller Kondensstreifen, die damals noch die
Zukunft bebildern konnten. Der Steve Bug Mix ist
www.sub-static.de
natürlich um längen trockener und konzentriert
BLEED •••••
sich erst mal auf den Aufbau eines seiner knalliger Grooves, lässt die leicht Oldschooligen BassDAF - DER SHERIFF [SUPERSTAR]
Veröffentlicht ein Projekt namens Deutsch lines durch die Effektwege schnarren und dreht
Amerikanische Freundschaft heutzutage ein sich mehr in Richtung Retrodisco denn ever. Auch
‘Anti-Amerikanisches Lied’, kommt man erst- ein Hit.
mal natürlich nicht umhin Beifall zu klatschen. www.treibstoff.org
Verfolgt man allerdings die heroischen DAF BLEED •••••
seit Ende der 70er, kommt man heutzutage fast
nicht umhin, direkt abzukotzen. Altlastge-
<44> - DE:BUG.68 - 02.2003
UNITED KINGDOM
COW`P VS. KEMA KEUR [ADAADAT/002]
Eine Split EP mit dem Japaner Cow`P aka Furuzu
Nakano, der die 5 Tracks dieser EP angeblich mit einem Gameboy macht, obwohl sie wirklich extrem
clickrig und verdammt nochmal selten nach Gameboy Musik klingen. Und genau darin liegt vermutlich auch der Reiz. Strange trockene Electrotracks
mit zerheizten Samples und knarzigen Beats, verdrehten Arrangements die sich selber ständig in
den Schwanz beißen und dazwischen ein wenig
Geplinker und zerrissene Entertainment-Explosionen. Funky und sehr frisch. Auf der Rückseite dann
CONTINENTAL
BARIS BIKAKCI - BELIEVE IN ME
[BRIQUE ROUGE TRAX 003]
Neue Gesichter auf dem Schwesterlabel von
Brique Rouge, das musikalisch kaum vom
großen Bruder zu unterscheiden ist. Die A-Seite wühlt sich hypnotisch brutzelnd durch einen
Traum von einem resoluteren Deep House
Dancefloor. Ein Track, der die ganzen knapp
acht Minuten in ruhiger Nachdrücklichkeit darauf verwendet, einen ordentlich sitzenden
Groove mit diversen Spannungsbögen zu entwickeln. Sehr cool. Da kommt der erste Track
der B-Seite mit seinen leicht angetrancten Sonnenuntergangsmelodien nicht so ganz mit,
wird dann aber von einem sehr lockeren mit
smarter Bassline bouncenden zweiten Track
wieder herausgeholt.
www.briquerouge.com
SVEN.VT ••••-•••••
XAVIER MATHIAS - THE GRAPHIC NATURE EP
[BRIQUE ROUGE TRAX 005]
Und die nächsten Brique Rouge Trax (wo ist eigentlich die vier geblieben?). Auch hier bewegt
sich David Duriez veröffentlichungstechnisch
in Siebenmeilenstiefeln. Sehr moody die drei
Tracks vom mir bisher unbekannten Xavier Mathias, die dadurch in einer endlos erscheinenden Grooveschleife eine ungemeine Intensität
erzeugen. Perfekte Tracks für die späten Stunden auf der Afterhour ihres Vertrauens.
www.briquerouge.com
SVEN.VT •••••
SWIRL PEEPZ - REALITY CHECK
[BRIQUR ROUGE 024]
David Duriez hält sein Label auf Trapp. Als
nächstes sind die belgischen Swirl Peepz dran,
ihren Teil zu Brique Rouges Dancefloor-Offensive beizutragen. Und, was soll man sagen, sie
überzeugen auf ganzer Linie. Vier sehr luftige,
aber kickende Housetracks, die, vor allem im
Falle vom Maze sampelnden »One«, das mit einer dezenten Acidline und eben jenem cool
gestzten Maze Sample (welches Stück war das
noch mal) der herausstechende Track ist, allesamt Hit verdächtig sind und als Geheimwaffe
für lange Zeit in vielen Plattenkisten landen
dürften.
(•)-nein (•••••)-ja
4 Stücke von dem Labelmacher Bjorn Hatleskog
der das Tempo aufdreht und wild durch die Effekte
heizt mit einem Sammelsorium an verdrehten Melodien, Effekten, die nach Beute suchen und Showdownsequenzen eines tragischen Game Over
Spiels. Spleenig und ständig mit neuen Melodien
herumblitzend, als wäre das Leben ein einziger
Speedshutter aus wildgewordenen Automaten.
Sehr sympathische Platte.
www.adaadat.com
BLEED •••••
REVERBAPHON - THE MEDIUM THRU WHICH
SOUND....
[BENBECULA / BEN20]
Hier kommt jemand, der sollte nie im Leben wieder
in die Nähe eines Mikros kommen, denn nicht nur
liegt er immer locker so ein paar Halbtöne jenseits
von Gut und Böse, auch rhythmisch plumpst er leider irgendwie nicht auf die Hinterbeine. Toller
Start für eine E.P. Und es bleibt nebelig. Ich weiß
nicht, ob diese Stücke, die irgendwo zwischen mittelmäßigen Flächen, schnarchigen Rhythmen und
komplett überflüssigen Daddeleien liegen, jetzt
Teil eines Selbsterfahrungskurses sind und vielleicht für Herrn Reverbaphon ein extrem wichtiger
Schritt auf dem Weg heraus aus dem Dunkel sind,
hören will und muss man das aber nicht. Bestimmt
nicht. Das ist nicht eigenbrödlerisch, keine Avantgarde, sondern einfach Quatsch. Diese Platte zieht
mir alle Schuhe aus, die ich jemals anhatte!
THADDI •
macht er als Taster für sein Album hier 4 Tracks
die zwischen Blues und Electro funktionieren
könnten. »Don´t Go Away« harzt sich in eine
Vollbarstimme ein, legt quer drüber ein
schmalziges Piano und toppt das Ganze mit immer breiterem Akkordrinsen und Gospelchor
zu marschierendem Housetempo. Shrink ist ein
verspielt verrauchter Downtemposlammer für
Menschen mit ständigen Depressionen, die nur
durch Tiefe schwerer Strings vorm Erstickungstod in Eiseskälte geheilt werden können. Mit
»Visionaire« kommt auf der Rückseite noch ein
Ravewalzer und zum Abschluss ein durch die
verregneten Gassen ziehender Hauch von vergiftetem Nebel der um Hilfe ruft. Höchst strange Platte das.
statt üblicherweise auf mobilen Festplatten haben, hätten wohl die wenigsten vermutet,
wenn auch mal dahingestellt sei, welchen Ursprungs die auf den Magnetbändern gespeicherte Information ist. Jedenfalls poltert es bei
diesem Mitschnitt eines Konzerts im Centre
Culturel in Nancy recht ordentlich. Die Vielschichtigkeit und der kontrollierte Umgang mit
Sound verdichten das Ganze jedoch zu einer
angenehmen Melange, deren atonaler Charakter durch gelegentlich eingeworfenes Rufen
oder Stimmenwirrwarr angereichert wird. Dabei bleibt immer wieder genug Raum für ruhige
Passagen, so dass man nicht verloren geht. Eine
Art der Improvisation, die man wirklich mögen
kann und die auch klanglich viele Überraschungen anzubieten hat. Die durch das Umdrehen
der Platte entstehende Pause wirkt wie eine
Zäsur, nach der es zunächst leiser beginnt, aber
schon bald lassen sich absurde Sounds wieder
auf ihrem Weg durch den Raum verfolgen,
heißt es Verbindungen nachzuspüren, sich dem
Durcheinander überlassen und einfach mit den
Klängen mittreiben. Ein Erlebnis, das die EasyListening-artige Gestaltung des Covers übrigens als schöne Mogelpackung entlarvt.
die digitale DSP-Version mancher früher Like A
Tim Stücke sein könnten, vor allem, weil sie einen ziemlich ungewöhnlichen Rückblick auf eine Art von Acid wagen, die fast vergessen ist.
Manchmal fast ein wenig akademisch, kein
Wunder dass die Titel alle chemische Namen
von Säuren tragen.
BLEED ••••-•••••
TONI RIOS - PLOMITAS
[DANZA ELECTRONICA]
Sehr lustige Platte für Toni Rios, klar, ist ja auch
auf Danza Electronica. Bleepiges zu slammenden Houserhyhtmen an der Grenze zu Retrodisco und eine frisch gebrutzelte Bassline. Ein
wenig stumpf vielleicht, aber grade das passt
hier hervorragend, denn irgendwie gibt der
Rhythmus das einfach hier. Bonus 70er Synths
und auf der Rückseite noch ein Filterhousetrack mit charmant elegantem leicht verwaschenem Sound und viel Percussion.
BLEED ••••
ARK VS. KRIKOR - BATTLE 03
[DIALECT RECORDINGS]
Zwei Monster der französichen Houseszene
kommen aus dem Dunkeln, um sich gegenseitig mit den Waffen einer Frau zu schlagen, auch
wenn es im Info aussieht, als würden sie sich
würgen. Ark remixt »1986« von Krikor und Krikor tut ebensolches mit »Wagon« von Ark, man
hat sich lieb, tänzelt umeinander herum mit
kruden Splittern aus House und Funk, versetzt
den Gegner in Atemlosigkeit, täuscht Breaks
im Unterholz an, lässt Fallen ins Bodenlose des
satten Grooves ein, und während Ark immer in
den Park locken will, verführt ihn Krikor in die
Disco. Vier perfekte Tracks, die die Bandbreite
französischer Minimalfunk-Housemusique bis
in alle Details ausloten.
www.dialectrecordings.com
BLEED •••••
LODEN - A BETTER LANDING
[EAT THIS RECORDS]
DRUM AND BASS
Ich weiss jetzt leider nicht, wie die Tracks heißen,
aber Blame ist zur Zeit unschlagbar. Seit dem 720°
Label-Relaunch hat er ein extrem sicheres Händchen bewiesen, wenn es darum geht, den eigenen Trademark-Sound um den ein oder anderen
Dancefloor-Kniff zu erweitern. Also weniger
Plüsch, mehr Detroit und mehr Biss. So auch hier.
Vier episch verträumte Tracks, die trotzdem
kicken. Sehr elegant.
SVEN.VT •••••
MATHEMATICS - BOOTY CONSPIRACY/ MAKE
U MINE [C.I.A. 014]
Dewbury. Zu hören, ihre mehr oder weniger eigenen Interpretationen von Jazz für gebrochenen
Tanzflächen: auf einem Basslick entlanglaufende
Groover, „Piano für Fortgeschrittene« Soloeskapaden mit sonst oft vermisster Deepness und cineastische Streicherarrangements, die auf knatternde
Acid Bässe treffen. Besonders beachtlich das sehr
minimalistische „Yesterday’s beginning«, das sich
nur um einen einzigen Groove entwickelt und mit
Spoken Word und verhallten Bleeps eine sehr angenehme Intensität entfaltet.
LUM ••••-••
(•)-nein (•••••)-ja
www.fcom.fr
BLEED •••••
CABANNE
[KARAT/008]
Leider nicht ganz einfach zu bekommen die Karat Platten. Aber man sollte allein wegen dem
unglaublich spartanischen Funk der Cabanne
Produktionen dran bleiben, denn hier gibt es 5
Tracks von ihm, die noch sicherer in der Präzision der Sample-Konstruktionen sind und mit einer fast schlafwandlerischen Sicherheit eine
erstickt reduziert minimale Vision von Funkhouse erfinden, die ihm so leicht keiner nachmacht. Immer bereit, in jedem einzelnen Sound
zu explodieren sind das Tracks, die sehr still
wirken können, wenn sie aber erst mal greifen,
alles mitreißen. Killerplatte.
BLEED •••••
SEELENLUFT AND THE SILVERCITY-BOB ORCHESTRA - L.A. WOMAN & MANILA RMX.
[KLEIN RECORDS 39]
www.mego.at
PP ••••
V/A - TOLERANZ UND MENSCHLICHKEIT
[MUSICPARK]
Hoffentlich nimmt es uns niemand übel, wenn
wir das hier obskur nennen, einfach, weil man
sowas nicht unbedingt erwartet hätte und das
wiederum, obwohl es überfällig war. Martinek,
Hey und Tonmeister Guggi sampeln Jörg Haider, cutten das absurd up, drehen ihm das Wort
im Munde um und koppeln das an ihre eigene
Musik. Tonmeister Guggi klingt dabei wie ein
stoischer Organist, der sich in in einem Loop zu
verhakeln scheint, was auch Haider ordentlich
ins Stolpern bringt. Respekt. Martinek ist nicht
so offensichtlich, dafür straigter und verfilterter, benutzt Haider mehr als Sound. Hey lädt
sich gleich ein ganzes afrikanisches TrommelEnsemble ins Studio ein und gründet so etwas
wie ein Exilantenorchester, ist natürlich lauter
als Haider, besser sowieso und Meister an Orgel und Hall und so wird Herr Haider platt gemacht in einem sonischen Massaker, was nicht
besser schmecken könnte. Am Ende dann noch
mal eine Art Version von Tonmeister Guggi.
Gut und wichtig.
Na, was haben wir denn da? Die Mixe von den
heimlichen Reißern der letzten VÖ »Out Of
The Woods«? Oh, neben dem Delay-Bad von
Tipsy ist da aber einer besonders in sich gekehrt (Seelenluft himself), nimmt sich alle Zeit
der Welt, sagt’s mit Erik Satie, um in Gedanken
an diese Schönheit (L.A. Woman) von der Westküste zu schwelgen. Ganz im Gegensatz zum
Ewan Pearson-Mix auf der Flipsite, der danct
sich verspielt eins ins Fäustchen. Und auch
Headman fängt etwas trockener an sich einzugrooven. Ist ja auch nicht so schwer, die Orginalvorlage noch ein bisschen in Schmus einzupacken. Dem Manila-Stück wurde übrigens
u.a. schon von Manitoba ein remixender www.musicpark.at/
Repekt gezollt.
THADDI ••••
Eine neue Single auf dem Utrechter Label von
dem Hilversumer, der hier mit 70er Synthtragik
dennoch nicht zu klebrig wirkt, und sich um die
Untiefen der klassichen Tastenmusik herumschifft mit knusprig zurückhaltenen Beats und
SVEN.VT •••••
einer irgendwie hintertückischen Lässigkeit in
all dem Kitsch. Mir persönlich gefällt die PianoTHOMAS JIRKU - WE CALL THEM ACIDS [AUseite »Mis« besser, auch wenn die Beats hier
DIO.NL/023]
Thomas Jirku gehört zu den merkwürdigsten, fast schon ans Depressive gehen. Jazzige Hivon Label zu Label herumgereichten Minimali- hats, die klingen wie Regen auf dem Dach wasten, und seine anderen Projekte machen ihn ren einfach schon immer mein Ding.
ANETTF ••••
nur noch stranger. Hier jedenfalls 4 Tracks für www.eatthisrecords.com
das holländische Label Audio.Nl, die ihn in sehr http://www.loden.nl
QUINTETAVANT - FLOPPY NAILS
abstraktem Modus zeigen. Eine Untersuchung BLEED ••••
[MEGO 059]
der kleinsten Detailsounds, die er finden konnWow! Das eine mit drei Tonbandgeräten und eite. Spartanische, fast erstickte Grooves, wenig JAY ALANSKI - LES YEUX CREVÉS
nem analogen Synthesizer durchgeführte Liveharmonisch auflösendes, und immer diese Art, [F COM]
Performance sich solchermaßen an Sounds andie Tracks als Tools zu begreifen, die irgendwo Jay hieß früher mal A Reminiscent Drive. Jetzt lehnt, die heutzutage ihre temporäre Heim-
BLAME [720°]
auch immer wurde schon des öfteren gesprochen
und gehuldigt. Deren Artgenossen tummeln sich
nun auch vermehrt im Broken Beat und sich-nichtetiketierenden Genres herum, wie zuletzt auf Labels wie Compost (Moonstarr), Fluid Ounce (John
Kong) und dem Montreal eigenen Public Transit zu
sichten. Eine neuere Erscheinung ist das von John
Kong betriebene Do Right! Label, das mit dem
zweiten Release gleich eine eigene Compilation
DO RIGHT! MUSIC - ON THE RIGHT TRACK LP
auf den Markt schickt. Zu finden sind die üblichen
SAMPLER [DR002LP]
John Kong, Moonstarr und Vogado Projects, neben
Über die Kanadier in Minimal aus Montreal und wo den unbekannteren Hand Polished und Mitchell &
FRANCISCO - SALVATION
[PIGNA/002]
Irgendwie kommen die Italiener in letzter Zeit
immer wieder mit überraschenden Platten. Hier
eine Discokiller EP, die mit »Salvation« Oldschool
und slammende Discoeffekte miteinander vereint und mit Chorgesang zwischen den rattern-
den Basslines auch den letzten auf den Dancefloor zwingt. »I Like To Smile« arbeitet mit StakkatoVocals von ähnlichen Disco-Hits und stellt selbst
Anandas letzte Platte auf Trapez an Funk in den
Schatten. Nur das etwas zu bratzige »Memory`s«
fällt gegen die beiden Hits ein wenig ab, findet
aber mit tragischen Strings auch seinen Platz.
Lang lebe die Wiederbelebung von früh 90er
Housemethoden mit einer Prise Disco.
zu einem komplett unkickend groovenden Liebesliedmonster. Herrlich und komplett fesselnd. »Seasonal« dann qietscht und fiept vor
sich hin, wird von der Gitarre abgefedert und
funkelt nachdenklich in die Badewanne hinein.
Nein, Jimmy kann nicht wirklich gut singen,
aber die Flucht nach vorn hat noch niemandem
geschadet und so passiert es dann. Man kann
gar nicht beschreiben, wie einen das hier mitnimmt. »4 a.m.« beschließt diese wunderbare
BLEED •••••
Maxi mit gerader Bassdrum, die sich in allen
Clubs unwohl fühlen würde und lieber mit der
VESNA / NOVEL 23 - A RED AGENTS ACTION
Gitarre, die stolz in diesem kompaktigen GrooSPLIT [SOUND SILENT / 01]
Dieses neue Label aus Frankreich beginnt das ve mitswingt, um die Häuser zieht. Dann ist es
aufregende Tagwerk in der Plattenindustrie mit vorbei. Gute Nacht, Jimmy.
einer Split-10« mit Russen. Vesna aus St. Pe- THADDI •••••
tersburg arbeiten eher klassisch, klingen
manchmal ein bisschen presettig, sind aber
überzeugend dark und verfiltert. Ganz klarer
Soundtrack für einen Agentenfilm. Augen auf- AARDVARCK - GENSIN EP [DELSIN]
halten, hier könnte jemand noch ganz groß Sehr verspielte Beattracks wie man sie von
werden. Novel 23 kennt man schon und doch Aardvark Releases ja schon kennt. Vertrackt
überrascht er hier mit erfrischend verspielten und mit einer schwer in Detroit verliebten EleMelodien, knippst die Sonne an, rettet Wolgog- ganz in den Strings und Sequenzen, aber irrad vor dem Kältetod und gewinnt den ersten gendwie so losgelöst von dem Rest der Relearussischen Oscar für Musik. Echt wahr. Endlich ses dieser Art, dass man ihn weder als Broken
hat ein Stück Musik, das man nach dieser Gim- Beats verstehen kann (es sei denn als dessen
mick-Maxi in der Papiertüte auflegen kann. Der Avantgarde) noch als Postdetroit. Er ist und
zweite Track dann schliebend schleifig mit C64- bleibt einfach ein Ausnahmephänomen, dass
Spinett, Digitalwecker und dichten Streichern. sich hier in 4 Visionen Platz schafft für seine ExRundum gelungen, diese Seite.
perimentierfreude mit abstrakten Beats, die eiwww.inkorporation.com/indestructible
ne Tradition weiterführen, die so konsequent
THADDI •••-••••
von sonst keinem weiter und zu neuen Höhen
geführt wird. Unglaublich komplexe aber denSEPTEMBERIST - THE SOUND OF YOUNG
noch sehr soulige Platte.
HELMSHORE
[SPLENDID SOUND RECORDINGS / 001]
www.delsin.org
BLEED •••••
Septemberist, das sind The Remote Viewer, hier
auf einem neuen, griechischen Label zu Gast, mit
drei wundervoll langsamen, herrlich loopigen
Tracks, die einfach genauso klingen, wie sie ihr
kleines, schüchternes Pseudonym genannt haben. Der September kann kommen. Sowas wie
die definitve Abschiedsmelodie auf Bahnhöfen.
Wahnsinnig wuschelig und doch beruhigend.
Und am Ende kommt der Zug mit lautem Zisch.
Einmal eingestiegen, setzt der Beat ein und die
Tränen kullern. Wie man so leise so aufwühlend
sein kann ist mir ein Rätsel. Wird man die liebe
Person, die man soeben hinter sich gelassen hat,
je wiedersehen? Ja. Ganz bald. Solang halte das
Bild ganz fest und zeig es niemandem. Wer diese
Single hat, muss nie wieder in einen Plattenladen.
THADDI •••••
DNTEL - SEASON
[VYNALOGICA / 1]
Jaaaaaaaaaaa, Jimmy kommt zurück und ist
noch mehr Indie als früher, bringt Gitarre und
Mikro gleich mit und singt mit »Season« mal
eben die die Hymne des ersten Quartals ein.
Was als Mischung aus Restgeräusch und Gitarrenplinkerei beginnt, entwickelt sich langsam
(•)-nein (•••••)-ja
gibt es jetzt zwei Tracks für das Label der Total
Science Boys. Die A-Seite lässt den Vibe alter
Creative Source Tunes wieder aufleben. Inklusive
pulsierender, purzelnder Bassline und viel Platz
zum entfalten. Danach wird es etwas resoluter
mit mehr Druck in der Hüfte und der Nase im
Wind.
soviel Platz lassen, dass jeder einzelne Sound federleicht wirkt. »Make U Mine« zieht die Beats
dann etwas fester an, bleibt aber in seinen Sound
sehr spannend und lebt mit einem lässigen Strasseneckenjazzsound vor allem von der perfekt
transparenten Produktion dieser Crew aus Brooklyn.
SVEN.VT ••••
BLEED •••••
Strings, die dem ganzen eine extrem intensive
Spannung geben so dass die Pianos dazwischen
immer mehr aufbrechen können und man trotz
aller Raver-Attitude immer sehr cool bleibten
kann. Auf der Rückseite dann der Amenmosher
mit Kungfu-Vocal und Gunshots zu einer monströsen Sägezahnbassline, die jeden Dancefloor
in einen Tempel zwischen jamaikanischem Western und Italoeastern Workout verwandelt.
MATHEMATICS - BOOTY CONSPIRACY / MAKE
YOU MINE [CIA/014]
TANGO & RATTY - STEEL FINGERS / SNAKE STY- BLEED •••••
LE [FUNCTION RECORDS/9612]
In ziemlich kurzer Zeit haben Mathematics ja Ja, da heisst doch tatsächlich ein Track Snake Sty- DEEP INC. - ALL NIGHT/NICE VIEW
ganz schön von sich reden gemacht, und zurecht. le. Tango und Ratty, die alten Helden, lassen auf [CODEX RECORDINGS/002]
Bassline und zarten Gitarren, lässigen Congabreaks und einfachen Vocals die dem ganzen Track
dieses Flair aus Oldschool-House verleiht, das so
viele Drum and Bass Tracks zur Zeit wieder pflegen, als sollte es nach dem ganzen Basslineterror
jetzt doch endlich wieder darum gehen, einfach
und mit viel Leichtigkeit den Abend durchzutanzen. Das schimmernde »Nice View« dürfte von
den MCs auch mit »For the Ladies« begrüsst werden. Leicht bukemesk mit Saxophon und wehenden Synths, steigert es sich langsam in eine Rhodes-Galaxie in der vor allem der zeitlose Swing
zählt.
»Booty Conspiracy« findet genau den Mittelweg »Steel Fingers« aber erst mal die Electronenge- Die zweite EP von dem Essener Label kommt mit www.codex-recordings.com
Den Funk gefressen die Jungs aus Brooklyn. Nach zwischen kurz angerissenen Hitsamples und witter los und die Basslines über den Himmel zie- mehr Tracks von Mike Bass und Codex. »All BLEED •••••
Releasen auf Renegade, Frontline und Hospital smooth deepen Basslinegrooves die den Beats hen als wäre Weltuntergang und dazu zitternde Nights« ein sweeter Samba-Groover mit weicher
V.A. - DYLAN PRESENTS FREAK RECORDINGS
[FREAK 001]
Neues Label von Pitbull Dylan. Nichts ist mehr
mit Outbreak. Zumindest nicht von Dylans Seite aus. D.Kay & Rawfull scheuchen auf »B there
4 U« die Trancegeister auf einer Reesebassline
vor sich her. Zentimeterdick Pathos dank Arpeggios, schmachtender Vocals und offensiver
Gänsehautbreakdowns. Und jetzt schließt die
Augen und treibt dahin. Die Neuseeländer und
selbsternannten Metal-Fans Concord Dawn
lassen sowohl Slayer-Riffs als auch TranceBombast in Mordor und klatschen mit »Bad Bones« einen rockenden Hardcore-Track aufs
Vinyl. Sehr guter Start.
SVEN.VT ••••-•••••
TRAUM V34
GEOFF WHITE now showing
TRAPEZ 22 - Pleite
TRAPEZ 23 - Gabriel Ananda
wegeschwindel EP
WWW.TRAUMSCHALLPLATTEN.DE
FON 0049 (0)221 23 32 97
[email protected] E
TRAUM V33
ELEKTRONISCHE MUSIK Interkontinental 2
TRAUM CD11
ELEKTRONISCHE MUSIK Interkontinental 2
WWW.TRAUMSCHALLPLATTEN.DE
FON 0049 (0)221 23 32 97
[email protected]
<45> - DE:BUG.68 - 02.2003
DRUM AND BASS
(•)-nein (•••••)-ja
rer Track mit ebensoviel Echoeffekten auf allem
und dem Willen, aus dem Dancefloor soetwas
Smooth, diese neue Platte von Decoder, doch wie einen Whirlpool zu machen. Sehr elegante
doch, auch wenn sie mit subtil geschnittenen breite Platte.
Ravemonstersounds drohen, bleibt Run erst BLEED •••••
mal mit seinen Strings und dem Break, der
klingt wie die Explosion einer Rushhour, auf SILVER - 1991 / SOUL SEARCHER [L PLATES/2116]
dem Teppich und zerreisst den Dancefloor ganz Auch Silver hat auf L Plates eine Überdosis Oldgenüsslich, anstatt nervös rumzuzetern. Ver- school abbekommen. Belgische Basslines, Ragdammt dubbig auch für die Crew. »Sidekick« gashouter, Killerbeats und von Anfang bis Ende
splittert die Vocalsamples noch mehr auf und ein Ravemonster, dieser »1991«-Track, klar, und
wird ziemlich oldschoolig glücklich rockend in die Latte an Erinnerungen wird immer höher geden Breaks. Irgendwie ist Drum and Bass zur legt. Track, zu dem man schon mitsamt Bleeps
Zeit wie ein ständiges Wiedertreffen alter wieder ganze Fußballstadien zu Drum and Bass
Freunde, die sich alle gar nicht verändert ha- rocken sieht. Die Rückseite rockt mit gefilterten
ben.
Discoanklängen und hat auch genau die richtigen
BLEED •••••
Vocals dazu, die einem die Haare im Nacken aufrollen. Ist eigentlich grade wirklich soviel Extasy
V.A. - PLASTIC SURGERY 4 [HOSPITAL]
unterwegs in diesem Land oder warum sind auf
Der vierte Teil der Plastic Surgery Compilation- einmal alle so glücklich und gelöst? Lässiger ConReihe kündigt sich an. Und es geht wieder hoch gabreak zu rhythmischen Vocalstakkatos und
her im Hospital. Cyantific mit einem mitreißen- endlosen Snarerolls. Platte, die einen ganzen
den, melodischen Roller, der in seiner Euphorie Abend verwandeln kann.
ein wenig an High Contrast erinnert, D.Kay und BLEED •••••
Lee in deepster House-Tradition, Tomahawk
mit einem jazzigen Amentrack und, das ist die NATTY TED - FIREBURN/ U WANT MORE?
Überraschung, UK-Garage Headhoncho Zed [LOONEY TOONZ/BLT004]
Bias mit seiner sehr entspannten Vision eines Und hier perlt es vor lauter Oldschool-Euphorie.
Garage-lastigen Drum and Bass-Tracks, bilden Die Breaks erinnern an die ersten Bristol Vibes
hier die Vorhut. Wie fast immer auf Hospital ei- auf Full Cycle und die klingelnden Samples, die
ne Runde Sache.
den Raggatune einläuten, tun ein weiteres, um
SVEN.VT •••••
die Stimmung perfekt zu machen. Mittendrin ein
leicht darker Break, der kurz in eine andere Athmosphäre taucht, und dann wieder purer, dichter,
SPIRIT - SUBURBAN DECAY / LOST & FOUND
spleenig cooler Groove. Auf der Rückseite noch
[INNERACTIVE MUSIC/003]
Sehr gespenstisch beginnt »Suburban Decay« mehr in diesen Raggasound verliebte Samples
mit diesem Sound zwischen Präzision und mit bleepigen heiligen Kriegern, angerissenen,
Rauchzeichen einer drohenden Verwüstung leicht floatenden Amenbreaks in verdammt gutvon allem. Pulsierende Samples, die immer wie- en Filterstunts, Raggahitgitarrengrooves und soder an der engen Leine gehalten werden und viel Euphorie, dass man sie nur noch in Echos hinmorbide dazwischen paranoid herumstechen- bekommen kann. Platte, die droppt wie eine Zeitde Basslines die dem Ganzen ein Fundament maschine. Tja, wer ist Natty Ted?
geben an dem nicht mehr gerüttelt werden www.bassbin.com
kann. Ähnlich dark und verschroben die Rück- BLEED •••••
seite die mit drohenderen Basslines und morbide rockenden Flächenhintergründen langsam DIGITAL & SPIRIT - PHANTOM AUDIO EP
eine Deepness verbreitet, aus der die Augen [PHANTOM AUDIO/003]
nicht mehr erwachen. Düster aber sehr ge- Und endlich mal wieder eine Kollaboration auf eirecht.
ner Doppel 12« von den beiden, die ja so unbeirrBLEED •••••
bar wie ein Fels in der Drum and Bass Szene an ihrer eigenen Vision arbeiten. Dark und verschroben zwischen ihrer eigenen Vorstellung von Soul
DUSK TILL DAWN - DISKO BISKIT / MOVING
mitten im dichten brodelnden Universum der geON [L PLATES/2115]
Killermischung, diese Dubeffekte zum har- zerrt-gedehnten Streckbank Sounds und der zerschen Funk der Samples, die sich treibend und rissen dunklen Basslines. »My Love« lässt durch
immer resoluter in ein Feuerwerk aus Vo- diesen Raum eine unwahrscheinliche Erinnerung
calantäuschungen und Basslinemonstern hin- in Form eines Vocals seine schwarzen Kreise zieeingräbt, das bis zum Ende alle Hände in der hen, Digitals »Frontline« rockt mit knarzig unLuft sehen will. Auf der Rückseite ein smoothe- heimlichem Gespensterschlossfunk, Spirits
DECODER - RUN / SIDEKICK
[HARD LEADERS/061]
»Fortress« schneidet die Samples so rasant an,
dass man sich vorkommt wie in einer Galerie voller Spiegel, aus dessen Geschlossenheit sich langsam ein ganz eigener Groove der Selbstvergessenheit entwickelt. Und zum Abschluss der Doppel-EP kommen sie nochmal zusammen mit einem Ausblick auf die heiterere Seite ihrer Deepness. Killercomeback.
BLEED •••••
ACCIDENT & EMERGENCY - BLUE RINSE/OPERATION [LOONEY TOONZ/BLT003]
Neues Label von der Bassbin Crew, das mit »Blue
Rinse« einen echten Suspensetrack macht, der
mit Killerstrings und verspielten Breaks, albernen
Junglebasslines und Effekten für die Ladies rockt.
Charmant und sweet durch und durch, dieser
Track, der das gute alte Rollenlassen bis zum Ende auskostet. Auf der Rückseite mit »Bad Sister«Break und anderen alten Bekannten, Vocals
durch Dubeffekte hauchend und dazu einfach extrem charmant losgroovend. Perfekte Frühlingstracks, die eine Zeit wieder auftauchen lassen, in
der alles nur um den Groove ging, und dabei
trotzdem nicht nach Oldschool klingen.
www.bassbin.com
BLEED •••••
CALYX - LEVIATHAN/MINDFOLD
[METALHEADZ 048]
Calyx ist das Stigma des ewigen Talents auch nie
los geworden. Früher wäre eine Maxi auf Metalheadz so etwas wie ein Ritterschlag gewesen.
Ob Calyx in Zukunft tatsächlich zu den Rittern
der Tafelrunde zählen wird, wage ich allerdings zu
bezweifeln. Seine Tracks bleiben irgendwie immer ein wenig verschroben. Auch wenn er sich,
wie hier, an einem Ravetrack versucht. Die B-Seite gefällt mir da um einiges besser mit ihren
leicht aggressiven Hardcore-Chords und ziemlich
treibenden Beats. Mehr davon. Insgesamt aber
etwas durchwachsen diese EP.
Geheimtipp. Etwas aufgeräumter sind ihre Tracks
geworden. Ein, zwei Wendungen weniger dafür
Eine neue Hidden Agenda, wie schön. Immer ei- aber insgesamt homogener und ungemein slick.
ne sichere Sache. »Shutdown« ist ein selbstbe- Extrem cooles Lebenszeichen von Precision.
wusst bouncender Lowrider Track mit lustigem SVEN.VT •••••
»Work it« Vocalsample. Sehr trocken aber funky
wie James Browns Hüfte. Auf der Flipside verrät X-PLORER & DEEPULSE - NOBODY
schon der Titel, wo es in etwa hingehen wird. [PRECISION 024]
Freudige Engelschöre säuseln lautmalerisch vor Die beiden Kölner arbeiten weiter unbeirrt an ihsich hin, während der Tag in seiner ganzen opti- rer Version von High End-Funk. Der Titeltrack
mistischen Pracht näher rückt. Schön und morpht sich leichtfüßig brutzelnd und mit dezent
kitschig. Wie schon gesagt, Hidden Agenda eingesetzten Vocals ins Herz einer VerschmelTracks sind immer eine Bank.
zung von so etwas wie Neurofunk und housiger
SVEN.VT •••••
Leichtigkeit. Die B-Seite ist dann ein klassischer
perkussiver X-plorer und Deepulse Offbeat-RolALASKA/PARADOX - RARE EARTH/I GET A
ler mit schön gesetzten Chords und bouncender
KICKBACK [OFFSHORE 004]
Bassline. Kompromisslos gut.
Super! Wieder eine extrem gute 12« auf Offshore SVEN.VT •••••
Recordings. Diesmal mit zwei Tracks von Dev
Pandya als Alaska und Paradox. Wie wir Dev ken- ZEN - FLIPMODE [REFORMED/002]
nen sind das zwei irre funkige Tracks. „Rare Korrekt wie schon auf der ersten, rockt diese PlatEarth« ist mit seinen unglaublich schönen, brea- te auf dem Formation Sublabel mit ausgehölt
kigen Drums und Sounds ein deepes, zeitlos gut- bratziger Bassline und lässigen Stabs. Die Rückes Stück. Die Drums beindrucken mich hier jedes seite mit ihrem bongogefütterten Beat kommt
mal aufs neue. „I Get a Kickback« auf der anderen mit noch mehr Oldschool Gebratze und lässt die
Seite ist eine ganze Ecke vertrackter und erinnert Filterbassline glücklicherweise eher im Hintermit seinen kleinen klickernden Sounds, angeris- grund der Subzonen brummen, was viel Raum
senen Flächen und wilden Breaks an gute alte gibt um mit stechend klaren Sequenzen und
Source Direct Tracks. Sehr Cool. Paradox hat hier heimlichen Discountertönen den Floor abwechseinen ungezähmt hüpfenden Off Beat aus der lungsreicher zu rocken.
Box gelassen, der jeden Club zum überkochen www.formationrecords.com
bringen müsste.
BLEED ••••
HIDDEN AGENDA - DAYLIGHT/SHUTDOWN
[NOS 010]
ORSON •••••
DEEP BLUE - SOHO CODE/CORAL/AMTRAK
[OFFSHORE 006]
Deep Blue auf Offshore, das kann ja nur cool werden. Gecrushte Breaks, flirrend fipsige Hihats
und Samples. „Soho Code« ist immer dann am intensivsten und spannendsten, wenn es all die tragenden, flächenartigen Hintergrund-Sounds hinter sich zurücklässt. Irgendwie produktionsmäßig total unkonventionell und knirschend digiSVEN.VT •••-••••
tal. »Coral« und »Amtrak« sind langsamer, mit geraden Beats bzw. breakigen Fake-Percussions
DJ ABSTRACT - MORENA
und Strings. Im Moment sehr hybrid. Super Re[NEW IDENTITY RECORDS]
Sehr skurrile Platte von dem Mann aus San Fran- lease! Demnächst kommt eine EP mit Tracks von
cisco, der es schafft, einen Latintrack als Filterdi- Pieter K, Justice, Deep Blue und Graphic, sowie eisco zu verkaufen und mit Bassdrums in wuchern- ne 12« von Nucleus + Paradox. Viel Spaß.
den Kaskaden Wände einzureißen. Das erste mal ORSON •••••
auch, dass man auf einem Formation Infosheet
den Namen Jeff Mills lesen darf, der einer der Ein- PENTAGON - LADY BIRD [PRECISION 023]
flüsse von Abstract sein soll. Auf der Rückseite Komisch, dass die Jungs aus Tokyo nicht schon
mit Bleeps und Spinett Sounds. Jedenfalls deepe längst auf den A&R-Zetteln der großen Label von
Scheiße mit extrem lockerem Partyflair auf bei- der Insel stehen. Extrem smoothe EP, die sie hier
den Seiten, die so schnell und rasant sind, wie hei- auf Precision abgeliefert haben. Könnte so geter und ausgelassen. Unbedingt merken Ab- nauso auch auf Renegade, Soul:R oder Hospital
stract.
erscheinen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Bis dahin bleiben sie eben ein gut gehüteter
www.formationrecords.com
pendes Filterdisco-Energiebündel »Disco Biscuit« entwickeln die meiste Sogwirkung. Auch
wenn Friction und Lynx & Flow der allgemeinen
Euphorie in nichts nachstehen. Sehr cool.
SVEN.VT •••••
SEBA + LENK - PIECES/BANETT [SECOPS 001]
Die erste 12« auf Seba’s Label überzeugt mit zwei
pushenden Tracks von Seba und Lenk (Jesper
Dahlbäck?). »Pieces« ist mit seinen Electro-Breaks, vibrierenden Sounds und Vocals ein Hit!
»Bannet« dagegen marschiert mit fetten runden
Bassdrums, warmer Bassline und langgezogen
Sounds geradeaus. Einen bewegenden Break gibt
es gegen Ende auch noch, mitreißend. Gut das es
mal wieder ein Vocal-Stück gibt, das nicht totaler
Kitsch ist. Ach ja, »Pieces« gibt es bald auch im Paradox-Remix! Ich bin froh, dass neben Labels wie
Offshore, Paradox Music, Outsider, Covert Operations, Inperspective etc. noch ein weiteres Label so viel versprechend an der ständigen Neuformulierung von Jungle und Zukunft interessiert
ist.
ORSON •••••
STE.LUCE - DIMENSION / DEEPWATER
[SOUL SURFIN MUSIC/002]
Die zweite EP auf dem Label der Schweizer ist
noch sweeter geworden mit ihrem Overload an
Soul und weichen Chords. Nicht ein Hauch von
Agression sondern einfach nur dieses Open Air
Party Gefühl verbreitend, mit dem man schon
mal wieder einen ganzen Abend rocken lassen
UNIVERSAL PROJECT - DANGER
kann, nachdem der Druck sich in Nichts aufgelöst
CHAMBER/KRAFT REMIX
hat. Die etwas darkere deepe Rückseite lässt die
[RENEGADE HARDWARE 044]
Breaks etwas breiter floaten, erwischt den GrooMayhem Zeit. Universal Project haben den Zei- ve aber nicht so ganz und hat seine Subbassline
gefinger am Ravetrigger. Und wenn sie ab- etwas außerhalb des Tracks erwischt.
drücken, wird es Dark und die Basswalze wird BLEED •••••-••••
ausgerollt. Endlos. Zwei Trademark Tracks, die es
sich einfach nicht verkneifen können, in den fünf- SIMON BASSLINE SMITH - FREESTYLE MAMBO
ten Gang zu schalten. Dabei sind es gerade die [V RECORDINGS 039]
druckvollen, spooky Parts, die den Tracks mehr Bryan Gee und Jumpin Jack Frost scheinen immer
Eigenständigkeit geben (könnten), bevor kollek- noch Probleme zu haben, die qualitative Kontiv die Fäustchen zum Bassgottesdienst in die stanz alter Zeiten wieder zu erreichen. Der alte
Luft geschmissen werden. So bleiben zwei ex- Recke Simon Bassline Smith lädt mit zwei soliden
trem funktionale Tunes, die ihre Pflicht locker er- Tracks zum Freestyle Mambo. Viel mehr als anfüllen werden.
derthalb rockendeTools (die B-Seite ist der sicheSVEN.VT ••••
re Sieger nach Punkten) fällt dabei aber dann
auch nicht ab.
V.A. - RENEGADE ROLLERS EP
[RENEGADE RECORDINGS 038]
SVEN.VT •••-••••
Noch ein Doppelpack aus der Trouble on Vinyl
Schmiede. Und wie es sich für das Funk-und Soulaffine Sublabel Renegade gehört, hat sich
Clayton vier schmucke zuckersüß-housige Sahnehäubchen rausgepickt. Artificial Intelligences
leicht säuselnder, aber resolut kickender Vocaltrack »There 4 U« und Simon Bassline Smiths loo-
BLEED •••••
AMERIKA (•)-nein (•••••)-ja
HOME & GARDEN - FINDING THE BALANCE IN
LIFE [AESOTERIC 012]
Brett Johnsons Label existiert also auch noch. Home & Garden machen sich mit vier Tracks im
Gepäck auf die Suche nach der Spacedisco der Zukunft, in der sie die euphorisierenden musikalischen Stichworte geben. Ganz programmatisch
heißen die Tracks dann auch »Saturdays« oder
»Roller Disco Theme«. Und es hört sich so an, als
ob sie dabei lustigerweise »Blackwater« von Octave One samplen. Für Home & Garden fast schon
als Ravetracks zu bezeichnen, was die beiden hier
abgeliefert haben. Auch wenn das leicht schwelgerische, dem Pianosolo nicht abgeneigte Moment
auch hier zu finden ist. Sehr schön.
SVEN.VT ••••-•••••
JOHN SHANANIGANS FEAT. MU - MAMAJUANA EP [CYNOSURE/009]
Killer diese neue Cynosure. Definitv. »Electric Marmalade« ist einer der lässigst rockenden Minimalfunktracks des Monats, in dem nach und nach präziseste Dubeffekte die Szene bestimmen und der
Groove einfach immer drängender und präsenter
wird. »Charlies On The Dancefloor« kickt mit seinen völlig skurrilen Vocals aus einer New Orleans
Stimmung früher Jazzkeller mindestens ebenso,
auch wenn es sich eher zurückhalten will, und mit
»Syndicator« beschliesst die EP noch mal ganz
swingend minimale Lässigkeit zu propagieren.
Brillant.
www.techno.ca/cynosure
BLEED •••••
LAND SHARK - TIE ME UP
[COCO MACHETE 003]
Lance DeSardi verbirgt sich hinter diesem Pseudonym und »Tie Me up« klingt ein wenig wie die xrated Version von »Temptation & Lies«, dem Vocalhit, den sein Buddy Brett Johnson gerade auf Icon
veröffentlicht hat. Sehr beschwingt und melodisch
das Ganze. Mit lustigen Sirenen, kurzen Gitarrenlicks und einer säuselnden Orgel. Dazu dann eine
angezerrte männliche Stimme, die darum bitet,
gefesselt zu werden. Sehr spaßig. Warum es neben
dem Instrumental dann noch einen Subtle Dub
gibt, der sich kaum vom Instrumental unterscheiden lässt, erschließt sich einem nicht wirklich.
SVEN.VT ••••-•••••
TELEFON TEL AVIV - SOUND IN A DARK ROOM
[HEFTY 41 / IMMEDIATE ACTION 8]
Auch Telefon Tel Aviv kommen gleich zu Beginn
des Jahres wieder und das Titelstück dieses Viertrackers lässt einem das Herz aufgehen. Bei fusseligem Beat, der sich nicht entscheiden kann ob er
nun 2-Step ist oder doch lieber in seine Einzelteile
zerbröselt, immer wieder reinkickt, fliegen Gimmicks à la Gimmick durch die Luft, Lindsay Anderson singt in einer unbekannten Sprache, ein paar
Tupfen Gitarre kommen näher und alles fühlt sich
wunderbar weich und vertraut an. Dann remixt
Slicker (war das nicht Herr Hefty selbst?) und
drückt Pizzicato-Pianos durch die Downtempobeat-Schreddertruhe und lässt es sich dabei einfach
BÜCHER
gut gehen. Warum auch nicht. »8 Track Project
Cut« ist vor allem eine Beatstudie in fast schon
Drill’n’Bassigen Dimensionen, wenn nicht zwischendurch immer wieder von irgendwo her ein
wohliges Gefühl alles zudecken würde. Schließlich
jazzt Prefuse73 noch einen Remix hin, der ihn jetzt
nicht sonderlich gefordert haben dürfte, aber total
ok geht. Schöne Maxi.
THADDI •••••-•••
tere hier mit der dritten Folge seiner 7«-Serie. Über
einem sehr sehr aufgeräumten Dancehall-Gerüst
bläst einem der Federhallkrach um die Ohren, laut
und dick und man weiß nicht recht, ob das hier Kettensäge oder Filterbank oder beides ist. Die Version tut ihr übriges. Killer.
THADDI •••••
BRETT JOHNSON - ME TALK PRETTY ONE DAY
[ICON 007]
Jede neue Brett Johnson Maxi ist ein Fest. Unschlagbar. Und »Temptation & Lies«, der leicht alberne, aber sehr cool vor sich hin schraubende Vocaltrack dieser Maxi ( sozusagen die Dallas Version
einer angedeuteten 80s Bassline), ist sein neuester Hit. Auf der B-Seite geht es weit resoluter und
teilweise richtig noisy zu. Brett Johnson steigert
hier seine Vorliebe für verdrehte Chicagotracks zu
einem metallischen Percussiontrack mit oldschooligen »Come On« und »Wow Yeah« Samples einerseits und einem spooky electroiden Monster andererseits. Wie gesagt, ein Fest. Die nächste Icon
kommt übrigens von JT Donaldson.
SVEN.VT •••••
TAMION - ALL BLACK, EYES CLOSED TO THE
EXCESS OF DESASTER [ERSATZ AUDIO/024]
Tamion sind eine Dreimann Band aus Detroit die
mit Bass, Vocals (Sängerin, oder sollte man Shouter sagen) und diversen elektronischen Instrumenten einen ziemlich kargen Sound machen, der definitv nichts von so manchen Funpunk Electroclash
Bands hat, sondern eher eine konzentrierte kühle
Agression verbreitet. Aber was man anzieht, ist
auch hier noch eine Frage, nur nicht die nach dem
Label das draufsteht, sondern die, ob man sich
überhaupt drum kümmern soll, weil’s ja sowieso
keinen interessiert. Typische Platte, zu der man
liebsten mit einem Auto gegen die Wand fahren
würde, vorausgesetzt alle Bestandteile dieses DraFRIES AND BRIDGES - INSIDE OUT/IT’S YOUR
mas gäbe es in Plastik und Schwarz. Punk eben.
BLEED ••••-•••••
SPACE MASTER [NIGHTSHIFT RECORDS 010]
Neben Icon, Coco Machete, Bluem und Shvamuzik
I-SOUND - EACH ONE TEACH ONE
ein weiteres Amihouse Label, das man im Auge be[FULL WATTS / 03]
halten sollte. Frankreichs Robsoul-Chef Phil Weeks
Niemand auf der Welt weiß soviel über hochfre- und sein Partner Hector Morales steuern für den
quente Verzerrungen wie Scud und I-Sound, letz- zehnten Release zwei frische Fries & Bridges-
Tracks bei. Und die beiden sind so entspannt bouncend wie lange nicht mehr. Sehr verspielt, fast
schon ein wenig versponnen, voller kleinteiliger
Ideen sind diese beiden Tracks wieder ein gutes
Beispiel dafür, wie sich minimale Soundästhetik
und klassische Deep House Kniffe gut miteinander
verschränken lassen. Schön.
SVEN.VT ••••-•••••
DAVID DURIEZ - THE MULTI ROBOT WAR CONTROLLING EVERYWHERE EP [SHVAMUZIK 001]
David Duriez all over. Seine Tracks haben so etwas
Unaufgeregtes aber sehr Nachdrückliches, das weniger auf den Effekt beim ersten Hören zielt, sondern langsam aber eben nachdrücklich einen ungemein groovenden Intensitätsgrad erreicht. Und
wieder überzeugt der vielbeschäftigte Franzose
auf ganzer Linie mit vier Tracks, die in typischer
DD-Manier klassische US-House-Weisheiten mit
minimaler europäischer Verspieltheit verweben.
Dabei hört er sich teilweise an, als wenn er seine
Chez Damier-Platten mit allerlei Soundkleinkram
von dezenten Bleeps bis zu säuselndem Geschnarre beworfen hätte. Sehr gut.
SVEN.VT ••••-•••••
CPEN - ELECTRIC WICKETS EP
[SHVAMUZIK 002]
Neues House-Label von der Immigrant-Posse in
Südkalifornien. Die A-Seite rollt gut gelaunt minimal vor sich hin klöppelnd los, nimmt noch ein
paar elegische Flächen und ein bisschen Spacedis-
co auf dem Weg mit und hört sich damit (vor allem
die Beats) sehr europäisch an. Ähnlich die B-Seite,
die ebenfalls mit Strings und Discoelementen arbeitet, aber ganz von ihrer »walking Bassline« und
deutlicheren Discoaffinität lebt.
SVEN.VT ••••
DJ FREAK & RON ISOHN - PLAYA DREAMS
[WIGGLEMUSIC PRODUCTIONS/002]
Ein Label aus San Francisco, dass sich mit sehr knalliger Produktion irgendwie zwischen die Stühle
aus funkigem Elektrosound und moderner Retrodisco setzt und in lässigen Scratches und Samples
auf »Fog City Breakdown« immer unwahrscheinlichere Hitmelodien aus dem Nichts zaubert, die
grade wegen ihrem knalligen cheapoepiano Sound
richtig abräumen. »Square Roots« ist eine ganze
Ecke jazziger in seinem Sound und den Echos, versteckt Raggasamples und eine skurrile zerbröselte
Bassline, percussive Überraschungen in seinen
Grooves, wirkt aber irgendwie nicht so ganz geschlossen, sondern eher gejammt. Der Titeltrack
rockt dann mit perkussiver Dichte und erst mal
spartanisch gesetzten Bassdrum, die sich langsam
in einen immer verdrehteren in der Luft hängenden Zwischenraum aus Funk hineinsteigert und so
für einen ganz frischen Wind der Erwartung auf
dem Dancefloor sorgt. Stellenweise fast mutige
Platte, die so klassisch dabei klingt, dass man wirklich sehr überrascht ist.
www.wigglemusic.com
BLEED •••••-••••
(•)-nein (•••••)-ja
FRIEDA GRAFE - SCHRIFTEN 1. BAND [BRINKMANN & BOSE]
turindustrie’ können einem den Spaß an Mickymaus schon vermiesen; dagegen hilft dann S. M. Eisenstein, der seinen Schülern am Beispiel von
Disneys »melodischem Rhythmus« die unabdingbare Notwendigkeit von Rhythmus für jede
Darstellung im Kino erklärte.« Brinkmann und
Bose gibt nun den ersten Band ihrer Schriften
heraus, die sich mit einem missachteten und abgewerteten Thema befassen, das in den neunziger Jahren zu ihren zentralen Projekte gehörte,
mit der Farbe im Film. Ihre Problematik wird an
Sirk, Cocteau, Renoir, Hitchcock, Sternberg, Ma-
kiewicz durchgearbeitet. Grafe operierte immer
sehr interventionistisch als Journalistin, sie verfasste nie ein Buch. Ihre Texte bilden keine narzistisch gesicherte Ganzheit, entwickeln zunächst
kaum einen Rhythmus, produzieren Leerstellen.
Diese erweisen sich dann später genau als der
Raum, in den sich die Beschreibungen und Begriffe verfangen können. Grafe legt aus dem Wissen um Produktionssituationen, um künstlerische Strategien, aus Analysen der Bilder um jeden Film, jeden Regisseur ein unvergleichlich
dichtes Netz an. Grafe: „Man stellt nichts dar und
stellt sich nicht etwas vor, sondern man erzeugt rollt, konzentriert sich der zweite Teil auf eine
und durchläuft etwas.«
ästhetische Annäherung in Wahrnehmung und
Kunst. Tatsächlich hat die Kunstgeschichte so ein
AW •••••
Buch gebraucht, es ist eine gut verständliche Zusammenfassung. Allerdings folgt sie etwas zu unDIETER DANIELS - KUNST ALS SENDUNG C.H.
gebrochen den klassischen Ansätzen, betont hiBECK
»Kunst als Sendung« trägt zwar den Untertitel storische Kontinuitäten und überrascht einen
»Von der Telegrafie zum Internet«, ist allerdings nicht mit neuen Thesen. Überrascht, bei aller Einweniger Internet, sondern vor allem eine kunsthi- leitung, das wollen wir aber doch werden.
storische Annäherung an die Wechselwirkungen www.beck.de/
zwischen Kunst und Medien. Während der erste MERCEDES •••-••••
Teil chronologisch die Medienentwicklung auf-
MELLE,PUFE,
Frieda Grafe machte die Filmkritik im deutschsprachigen Feuilleton-Journalismus der Sechziger Jahre (nach WWII wieder) zu einem relevanten Textformat. Was Kritik, Theorie, Empathie,
Politik anging, entwickelte sie eine gültige Position, an die viele engagierte Projekte der Zeit anknüpfen konnten. Theoretisch gab sie den Adornismus der damaligen Filmkritik zu Gunsten von
Psychoanalyse und Semiologie auf. Mit ihrem
Partner Enno Patalas gab sie die Zeitschrift Film-
kritik heraus, die das klassische Kino aufarbeitete,
die Konzepte der Nouvelle Vague und des Independent Cinema in Deutschland vermittelte - Wo
es ja fast überhaupt keine filmischen und diskursiven Kontinuitäten mehr gab, wo das Projekt der
Re-Education über Documenta und AvantgardeKunst konstruiert wurde. Grafe schrieb zahllose
Kritiken, Essays, Vorträge, ihre Filmtips aus der
SZ sind, oft nicht länger als ein Satz, ein unbewusster Vorgänger des Textformats De:bug-Review. Etwa in Bezug auf Disney schreibt sie:
»Adornos pertinente Inhaltsanalysen in der ‘Kul-
Terranova
sublime
!K7
Good Groove
form - precious baby rmx
Leaded
Terra (J. Bering)
hinterwäldler ep
Defrag
Robert Natus
virus ep
Holz
Quarks
i walk
Home
The Orb
kompassion
Kompakt
Underworld
dinosaur adventure 3d
JBO
P.W.O.G.
the key
Terminal Antwerp
Ready Made
f.me
F-Comm
Miss Kittin & The Hacker
stock exchange
Gigolo
Paul Nazca
rumeur ep
XYRYS
Metro Area
dance reaction
Source
die welt ist eine scheibe
<46> - DE:BUG.68 - 02.2003
BÜCHER
(•)-nein (•••••)-ja
+ROSEBUD - NO.4 ACTION DIE-GESTALTEN
VERLAG
Was soll eigentlich Design? Dazu gibt es jetzt
wohl viel zu viele unterschiedliche Ansätze, heissgeredete Köpfe, etc.. Gelungenes Design richtet
sich in der Regel ganz nach dem Wunsch der jeweiligen Gegebenheit. In öffentlichen Räumen
versucht sich oft glattes Design. Die oftmals
über-ästhetisierten Passagen und Boutiquen geben dem Menschen keinen Halt. Er/Sie soll konsumieren, nicht verweilen. Einen ganz anderen
und gelungenen Weg geht die aufwändig gestaltete Designer-«Zeitschrift« +rosebud no.4 mit
dem Untertitel » Action!«. Gleichfalls Anregung
an Leser und Gestalter, soll man verweilen,
schauen und interagieren. Damit dies mit jeder
neuen limitierten Publikation geschieht, besteht
die Redaktion aus einer mobilen Einheit mit einem dezentralen Forum. Zwar wurde +rosebud
von Ralf Herms 1998 ins Leben gerufen und besitzt somit einen fixen Punkt, wandert aber stetig
weiter in die unterschiedlichsten Richtungen.
Denn die Gestalter, Autoren, Literaten und Wissenschaftler, die sich am Buch beteiligen wechseln beständig. Mit Absicht ignoriert man die
Flüchtigkeit der digitalen Gesellschaft und stellt
sich dem Anspruch noch unerforschte Potentiale
grafischer 2D-Gestalung auf dem Trägermedium
Papier auszuloten. Öffnet man den dicken PappDeckel, der das eigentliche Buch umschließt, entdeckt man in der unteren linken Ecke sofort ein
Mini-Buch im Buch. Gestaltet von Kojo Griffin
entpuppt es sich als ein herausnehmbares niedliches kleines Daumenkino. Ein weiteres amüsantes Gadget ist auch das herausnehmbare Poster
mit dem Titel »Seeing Red«. Es fordert den Leser
auf bei der nächsten Ausgabe teilzunehmen. Dazu braucht man nur das Poster an einen sonnigen
Platz zu hängen, es ein Jahr später an +rosebud
schicken, die es dann in der kommenden Ausgabe abdrucken. Neben illustrierten Kurzgeschichten, poetischen Fotografien verstört vor allem
die Bildgeschichte »Understanding Joshua«. Mit
Perfektion wurde hier eine 3D-Gestalt, die ein
wenig an Gollum aus Herr der Ringe erinnert, in
verwirrende Fotografien eingearbeitet. Das Buch
verschmilzt Humor, Kunst, Texte, Bilder, Design
und Ideen und hinterlässt einen tiefen Eindruck.
Probiert es selbst!
www.diegestalten.de/
MO ••••
PIERRE KLOSSOWSKI - DIE GESETZE DER GASTFREUNDSCHAFT [KADMOS]
ren ethische Konsequenzen. Welche Positionen
werden den Fremden in der Ehe eingeräumt, welches Begehren ist auf das Außen gerichtet? Der
Text ist absolut kein Liebes-, Familien-, Beziehungsroman, obwohl er die absoluten Phantasmen in Szene setzt, ist er total unromantisch, erinnert an die Filme Cathrine Breillats. Der Klappentext kommentiert, Klosslowski lade „letztlich
den Leser zur Teilhabe an einem Mysterium« ein,
trifft die Sache nicht, es ist sehr schwer zu beschreiben, was hier passiert. Für uns, wo das heterosexuelle Paar einerseits immer noch und wieder bestens als (post-)bürgerliche (Re-)Produktionszone funktioniert, andererseits das ständig
unauflösbare Irritationsmoment Geschlechterdifferenz alle möglichen unwahrscheinlichen
Dialoge, Filme, Körperlichen Verhältnisse herstellt. In diesem Zusammenhang bringt Klossowskis Text, der zunächst wie eine Alt-MännerFantasie wirkt, doch eine ganz andere Perspektive, in der es diese Normalitätspole überhaupt
nicht gibt, die so schwer fassbar ist wie seine Existenzweise als Ex-Philosoph, Privatier, Liebender,
Künstler.
AW •••••
WEBER, NAGENBORG, SPINNER - WISSENSARTEN, WISSENSORDNUNGEN, WISSENSREGIME
[LESKE + BUDRICH]
Die Universität Karlsruhe hat einen Forschungsbereich, der sich der integrierten Wissensforschung verschrieben hat. Anlässlich eines Kolloquiums wurden nun in einem optisch spröden
Band Beiträge dieses spezifischen Ansatzes zusammengestellt. Der Brocken »Wissen« wird in
einem Prisma von Disziplinen (Informatik, Soziologie, Rechts-, Medien-, Wirtschafts- und Informationswissenschaften) mehrfach gebrochen
und die unterschiedlichen Wissensarten, ihre
Fundamente und Grundlagen beschrieben. Auch
Medien als Träger von Information und die ökonomischen Aspekte des Umgangs mit Information wurden nicht vergessen. Wer sich gern mal
umschaut und Begriffskonstellationen anderer
Wissenschaftszweige aneignet, dem wird dieses
Buch viel Spaß machen. 29,50 Eur
www.geist.de/leske/verlag-D.html
MIU ••••
SANFORD KWINTER - ARCHITECTURES OF TIME [MIT PRESS]
Toward a Theory of the Event in Modernist Culture: Wer sich gern mit den gegenwärtigen Ökonomien der Zeit beschäftigt, der wird sich beim Lesen dieser Essays nicht langweilen. Sanford Kwinter, der derzeit Design an der Rice University in
Texas lehrt, verfolgt das »Problem der Zeit« im 19.
Jahrhundert gebunden an die damaligen wissenschaftlichen Entwicklungen der Physik und Mechanik, aber nicht nur dort. Denn die Untersuchung von (thermodynamischen) Systemen, Verhaltens- und Transformationsmuster waren nur
die Vorboten für einen weiteren Wechsel der
Denk- und Sichtweisen in der »Moderne«. Die
Zeit der Mechanik wurde abgelöst durch die Zeit
des Organismus bzw. der Biologie. Wie stark naturwissenschaftliche (Einstein) und philosophische (Bergson, Whitehead) Modelle, aber auch literarische (Kafka) und architektonische (Boccioni) Entwürfe den Bezug zur und die Wahrnehmung der (vitalen) Zeit in den jeweiligen Bereichen geprägt haben, wird in diesem Buch genau
und flott erzählt. Es finden sich darin unzählige
Strickleitern für passendere Beschreibungen des
»Event«- Irgendwie oder der »Aufmerksamkeits«- Irgendwas von heute. 18,35 Eur
Klossowski gehörte wie Deleuze, Derrida, Lyotard, Foucault zur Szene posthumanistischer,
postexistenzialistischer französischer Philosophen, entwickelte von Nietzsche, de Sade und
der Psychoanalyse ausgehend eine mit Bataille
verwandte Theorie und Kritik der Ökonomie,
übersetzte u. a. Hegel, Benjamin, Heidegger, Kafka, Augustinus. Dann gab er die Philosophie auf,
studierte Theologie und versuchte DominikanerMönch zu werden. Von den Machtspielen und Intrigen in der katholischen Kirche abgestoßen zog
er sich schließlich zurück um zu Zeichnen (!) und
Romane (!!) zu verfassen. Die Zeichnungen, die
sich in ihrem bewussten Dilletantismus von der
Malerei des Bruders Balthus abgrenzten, zeigen
Gestalten, oft die seiner Frau Roberte und die eigene. Chillida-haft wird die Beziehung thematisiert: etwa er auf ihrer Handfläche stehend. Auch
die Romane handeln von seiner Ehe, ihre Begehrenstrukturen, Grenzen und Entgrenzungen. Die
in den späten fünfziger Jahren geschriebene Roman-Trilogie „Die Gesetze der Gastfreundschaft«
entwickelt die geschlechtermetaphysische Psy- www-mitpress.mit.edu
chologie der heterosexuellen Beziehung und de- MIU •••••
SCOTT OAKS, BERNARD TRAVERSAT & LI
GONG - JXTA IN A NUTSHELL [O’REILLY]
Filesharing wird wohl noch eine Weile unser liebster Begleiter in Sachen Netz bleiben, und damit
es auch noch Zukunft gibt, hatte man vor längerer Zeit schon bei Sun damit begonnen, einen
Baukasten zu entwerfen, mit dem ihr eure eigenen lustigen Peer-to-peer (P2P) Applikationen
bauen könnt. Und weil P2P als Netzwerkstandard
immer noch unterschätzt wird, dürfen wir alle mit
ein wenig Java und JXTA Gnutella zum Anfassen
haben. Na bitte! 34 Eur
www.oreilly.com
YUKO •••••
DAVID SAWYER MCFARLAND - DREAMWEAVER
MX - THE MISSING MANUAL [O’REILLY]
Webdesigner reden gerne über HTML wie über
eine
Programmiersprache,
um
damit
Neuankömmlingen den Spaß gleich von vornherein zu nehmen - obwohl HTML ungefähr soviel
mit Programmieren zu tun hat, wie euer Videorekorder. Deshalb muss es immer wieder Bücher
geben, die einem alles - aber auch alles - von Anfang an erklären, und so lustige Dinge wie Tables,
Frames, Templates, Stylesheets oder Datenbanken. Den wichtigsten Grund, nämlich das fehlende Handbuch zu Dreamweaver MX zu liefern, erfüllt es natürlich auch. Sehr ok. 35 €
www.oreilly.com
YUKO ••••
STEVE LOHR - GO TO - SOFTWARE SUPERHEROES [PROFILE BOOKS]
Mal abgesehen von so merkwürdigen Gestalten
wie Bill Gates, Steve Jobs oder Linus Torvalds ist
doch das Computerbusiness ein ziemlich anonymes. Gerade bei Software bemüht sich kaum jemand, auf den About-Button zu klicken, um zu
wissen, wessen schlechtes Produkt er da gerade
wieder benutzt. Und genau an dieser Stelle setzt
dieses Buch ein. Es erzählt uns kleine feine Geschichten von amerikanischen Garagenkids und
ungarischen Hackerkommunisten, die alle eines
gemeinsam haben - als Köpfe diverser Applikationen für unser digitales Wohlergehen zuständig gewesen zu sein. Irgendwie ein wichtiges
Buch, mit Einblicken in das Nerdtum wie es nur
im vorigen Jahrhundert stattfinden konnte. 25 €
www.profilebooks.co.uk
YUKO •••••
SLAVOJ ZIZEK - DIE REVOLUTION STEHT BEVOR SUHRKAMP
Wozu Theorie, wozu Kritik? Um unsere Leben
ganz anders zu denken, um Alltagsideologie und
gesunden Menschenverstand auszuschalten.
Wie anders sollten gerichtete Veränderungen
möglich sein. Mit seinen Fixpunkten Karl Marx
und Jacques Lacan arbeitet der slowenische Psychoanalytiker und Filmkritiker Slavoj Zizek in
pausenloser Spannung daran dem Denken eine
andere Richtung zu geben. Das funktioniert
zunächst über Beschleunigung. Jenes schon legendäre Gedankentempo, das besonders in den
poppigeren Texten angewandt wird, wo das Argument zur vorangegangen Idee immer schon eine neue Idee ist, bringt den Text an die Grenzen
des Verständlichen, macht aber einen hervorragenden Denkraum auf: Es gibt wenige avancierte
theoretische Bücher, in denen wesentliche
Aspekte unseres gegenwärtigen Lebens hinreichend beschrieben werden und zugleich die
theoretisch-analytische Reflexion dieses Lebens
produziert wird. Wie sie vielleicht einmal eine
Spex oder I-D-Ausgabe, Bücher von Barthes oder
Texte der Agentur Bilwet lieferten. Das gelingt Zizek auf seiner hyperaktiven Plattform, wo die
USA und West-Europa zentraler aber nicht einzige Bezugspunkte sind. Auf einem Erfahrungs-Plateau werden Lacans Psychoanalyse, Fight Club,
unser Spätkapitalismus, Cindy Crawford und jener Albanische Soldat, den man in der Militärzeit
kannte, verhandelt. Weil er auf der Ebene unmittelbarer politischer Einschätzungen wesentlich
öfter richtig liegt als die meisten anderen Feuilleton-Theoretiker, bis heute nicht die Beziehung
zur Phänomen-Basis auf Uni-Instituts-Fluren verloren hat, an die reale Bedeutung der Theoretischen Begriffe glaubt, diese nicht zu Spielmarken
im bereits idealistischen Diskurs wurden, lieben
wir ihn so sehr. In »Die Revolution steht bevor - 13
Versuche über Lenin« entwickelt er seine Politische Theorie weiter, die schon in seinen ersten
auf deutsch erschienen Bänden »Mehr Genießen« und „Liebe Dein Syntom wie dich Selbst«
Anfang der Neunziger entstand. Diese wird hier
noch einmal hyperprägnant formuliert und nahezu gleichwertig mit Lacan erscheint nun Lenin,
der die Marxschen Analysen auf die Politischen
Ereignisse bezieht, dessen Thema die Realisierung, die Zeit der Theorie ist. Lenin erscheint hier
weniger mit seinen großen Thesen, etwa der Revolution-Teleologie, für die er bekannt und kritisiert ist, sondern webt sich in die lacanisch-marxistische Theorie ein. 9 Eur
strauen sollte: die Wahrheit, das Gute, das Gerechte - das Normative. Kann die Dekonstruktion
es nun mit diesen Löwen aufnehmen, kann man
diese Begriffe mit einem dekonstruktiven Misstrauen füllen (ist die Dekonstruktion also Teil
der Philosophie, brüllt sie wie ein Löwe)? Andrea
Kern und Christoph Menkes Band, erschienen im
Anschluss an eine gleichnamige Konferenz der
Universität Potsdam, stellt diese Frage, die Frage,
ob die Dekonstruktion Philosophie sei und verortet die Dekonstruktion damit am Rand der Philosophie, einem Rand, der die Philosophie jedoch
befragt und damit - machen wir es noch komplexer - wieder selber Philosophie ist. Der Band versammelt dazu 15 Aufsätze internationaler Theoretiker - darunter Bernhard Waldenfels, Alexander Garcia Düttmann, Martin Stone von der Cardozo Law School New York (zu der Derrida im
übrigen ein enges Verhältnis hat), Karin de Boer
von der Universität Groningen oder Albrecht
Wellmer. Die Theorie schaut also, das ist hierzulande selten genug, über den deutschen Tellerrand. Doch trotz der Internationalität finden sich
- was den Stil angeht - Gemeinsamkeiten. Man
hat es mit pointiert und sauber argumentierenden, doch tendenziell reflexiven Texten zu tun,
gegenüber denen Deleuze in "Was ist Philosophie?" zu Recht Bedenken geäußert hat. Es ist also eine eher klassische Philosophie der Reflexion,
www.suhrkmap.de
die sich Derridas Dekonstruktion von verschiedeAW •••••
nen Seiten, etwa der Schrift, dem Wissen, dem
Zweck, dem Wahren, dem Guten usw., nähert
FAßLER/HENTSCHLÄGER/WIENER - WEBFICund - ehrlich gesagt - man hat das Gefühl, sie, die
TIONS [SPRINGER]
»Webfictions - Zerstreute Anwesenheiten in Dekonstruktion, ist vielleicht an dieser reflexiven
elektronischen Netzen« enthält im wesentlichen Lesart selbst nicht ganz unschuldig, überlebt daInterviews mit »EntwicklerInnen und Betreibe- bei aber, nun, zumindest nicht immer.13 Eur
rInnen von Netzräumen«. Die Befragung wurde www.suhrkamp.de
im Rahmen des Forschungsprojektes »Cyber- MERCEDES •••
poiesis, Theorie und Empirie der Netzmedialität«
an der Universität für angewandte Kunst in Wien RUDOLF MARESCH, NIELS WERBER (HG.) gemacht, ihr Ziel war, die »Kulturvorstellung« RAUM - WISSEN - MACHT SUHRKAMP
deutlicher herauszustellen, den Status Quo der Die 14 Aufsätze des Bandes »Raum, Wissen,
aktuellen Entwicklungen aufzuzeigen. Man mag Macht« kreisen um die drei Themenschwerpunksich die Interviews mit u.a. Tina LaPorta, Mark Tri- te Raum und Netz, politisch-theoretische Räume
be, Josephine Bosma, Verena Kuni, Geert Lovink und Raum und Krieg - und gerade vor dem Hinund Gerfried Stocker leicht durchlesen, leider tergrund des drohenden Irakkriegs hat diese Thekommt es einem am Ende so vor, als seien die matik, die des Raumes, eine eindringliche und unAussagen für diesen spezifischen Ansatz ge- heimliche Aktualität. Gleichzeitig mutet vor alstrickt. Das Dilemma der Empirie: Auswahl der lem der erste Themenschwerpunkt, die VerschiePersonen, Fragestellung, Formatierung der Ant- bungen von Räumen durch Medien wie Internet,
worten. Alles ist fertig verpackt und liegt als Videogames etc. seltsam gediegen an - zumal,
handliches Paket vor einem. Dieses Unterneh- muss man leider sagen, eher die üblichen kulturmen bestätigt die vorformulierten Annahmen. theoretischen Annäherungen wiederholt werDer medienwissenschaftliche Teil der Publikation den, sich dem Netz wieder Mal als ein Ort von
(Faßler: Hybride Gegenwarten, cybride Räume) MUDs und MOOs angenähert wird - ein Format,
bietet da schon weit mehr Reibungsflächen. Alles dass auch nur aus dem Elfenbeinturm der Wisin allem graben wir das Unentdeckte lieber wo senschaft als ein bezeichnender Ort des Internet
angesehen werden kann. Pointiert dagegen lesen
anders aus. 35 Eur
sich die Auseinandersetzungen mit politischer
www.springer.at
Theorie - u.a. Friedrich Balkes Annäherung an
MIU •••
Raum zwischen Foucault und Luhmann, Joseph
Vogls eindringliche Theorie des Asyls, Eva Horns
ANDREA KERN, CHRISTOPH MENKE (HG.) PHILOSOPHIE DER DEKONSTRUKTION [SUHR- spielerische Verschaltung von nachrichtendienstlicher und theoretischer Aufklärung. GeoKAMP]
Auch wenn die rot unterkringelnde Rechtschreib- politische Annäherungen an die Macht schließen
hilfe meines Microsoft Word Programms immer den Band und setzen sich mit der Politik der USA
noch nicht weiß, was es da vor sich hat: Die De- (Maresch), Russlands (Kretzschmar) und der Inkonstruktion, Jacques Derridas Dekonstruktion, differenz von Krieg und Nicht-Krieg (Werber) ausist mittlerweile, lange hat es gedauert, auch in einander. Ein interessanter Band, der - leider kann
Deutschland in der Höhle der Löwen angekom- man sagen - in Zeiten wie diesen aktueller denn je
men. In der Höhle der Löwen, in der Philosophie ist. 13 Eur
also, d.h. in einer spezifischen Art der Philoso- www.suhrkamp.de
phie, derjenigen, die sich als "Ursprung" der MERCEDES ••••
Theorie vielleicht, als "Zentrum" begreift und sich
in einer bestimmten Tradition stehend mit uni- DAVID CHOQUET (HG.) - 1000 GAME HEROES
versalistisch anmutenden Begriffen auseinander- TASCHEN VERLAG
setzt; Begriffe, durch deren Mähne ein patheti- Bildbände aus dem Taschen Verlag haben zuminscher Wind zieht, dem man von Anfang an mis- dest den Vorteil, dass viel Kunst für wenig Geld
geboten wird. So lautet auch hier die Devise:
Klotzen und nicht kleckern. Um den aktuellen
Stand an Spielehelden und -heldinnen abzubilden, stehen wuchtige 600 Vollfarbseiten zu Verfügung. Unterteilt in Kategorien wie Legends of
Video Games, Funny Heroes oder Sexy Heroes
findet sich leider mehr Masse als Klasse. Gleich in
zig-facher Ausführung stereotype Action-Bratzen abzubilden, spiegelt zwar exzellent den Status Quo wieder, aber eigentlich will ich mir die
außerhalb von Spielumgebungen nicht auch
noch anschauen müssen. Zudem beschränkt sich
die Auswahl ausschließlich auf weitgehend aktuelle Titel: Klassische Helden im verdienten Ruhestand oder spannende Gestern-Heute-MorgenGegenüberstellungen fehlen komplett, ebenso
wie den Begleittexten mit ihren reinen trilingualen Story-Inhaltsangaben jegliche weiterführende Reflektion, historische Einordnung oder kritische Gewichtung abgeht. Obwohl es noch viel
besser hätte werden können, lohnt »1000 Game
Heroes« natürlich trotzdem ein Blättern, gerade
aufgrund der exzellenten Photoqualität und des
Value-For-Money-Aspekts. 29,99 Eur
BUB •••-••••
FRIEDRICH KITTLER - SHORT CUTS 6 ZWEITAUSENDEINS
Schon wieder: ein nächstes Kittler-Buch - und
wie man es von der Reihe »Short Cuts« gewohnt ist, finden sich von Peter Gente und
Martin Weinrich ausgezeichnet zusammen gestellte Texte, begleitet von Gesprächen mit
Alexander Kluge, mit Virillio, mit Peter Weibel.
Die Texte sind vor allem um medientheoretische Überlegungen Kittlers konzentriert, die
aus einer historischen Perspektive zeitgenössisches durchkreuzen. Es findet sich der Klassiker
»Rockmusik als Missbrauch von Heeresgerät«
darunter, Kittlers Überlegungen zur Chiparchitektur, zu Spielkonsolen, zur Schrift und zum
Bild etc.pp. Ein schönes Buch, eine gelungene
Zusammenstellung, eine gute Einleitung zu
Kittlers Texten. 13 Eur
www.zweitausendeins.de/
MERCEDES •••••
WALTER SEITTER - PHYSIK DER MEDIEN [VDG
WEIMAR]
Walter Seitter, ein nicht gerade unumstrittener
Foucault-Übersetzer, hat mit seiner »Physik der
Medien« einen weiteren Beitrag zur wuchernden Medientheorie auf den Markt geworfen.
Blickt inzwischen schon keiner mehr recht
durch, was unter Medium und seiner Mehrzahl
zu verstehen ist, so ist eins nach der Lektüre
dieses Buches klar: Walter Seitter auch nicht.
Der Ansatz ist noch versuchsweise originell.
Medien weder auf Trägerstoffe zu reduzieren,
noch ein Kommunikationsmodell unterzulegen, sondern die Materialität - Physik - stark zu
machen, um so zu einer anderen Klassifizierung
der Medien zu gelangen, könnte neue Sichtweisen herstellen. Könnte. Referenzpunkte von
Seitter für eine Medienphysik sind Aristoteles
und Fritz Heider. Bei Aristoteles kommt man
bereits ins Staunen und so beschleicht einen irgendwann die Frage, ob alles, was Materialität
besitzt damit auch schon ein Medium ist? Bei
Seitter wimmelt es nur so vor Submedien - die
Türschwelle als ein Submedium der Straße. Das
ist, Entschuldigung, banal. Die Straße hatte bereits bei McLuhan ihre Rolle, aber Seitter fährt
alle technologischen Überlegungen zurück, um
über die Baubranche und ihr Material zu plaudern. Was einem das Lesen zudem verleidet, ist
die katastrophale Redigierung des Buches.
Kommata und Orthografie - mangelhaft. Ei-
<47> - DE:BUG.68 - 02.2003
BÜCHER
(•)-nein (•••••)-ja
gentlich ist auch nicht klar, an wen sich das
Buch wendet. Als Einführung taugt es nichts,
weil es zuviel Vorkenntnisse verlangt, wirkliche
Erkenntnisse enthält es aber auch nicht. 34 Eur
www.vdg-weimar.de
JUTTA VOORHOEVE ••
JOCHEN BONZ (HG.) - POPKULTURTHEORIE
[VENTIL VERLAG]
Hier geht`s um Pop(kultur) - einer der schwammigsten und inflationär verbrauchtesten Begriffe des letzten Jahrhunderts. Ist die Masse
dabei, kann Pop fast alles aufsaugen. So meint
Pop eben auch Punk in der slowenischen Provinz, die 501 zu DDR-Zeiten auf’m Arsch zu tragen, oder eben die Subjektposition King Girl als
Verhältnis zu Pop einzunehmen, oder Sprachmissverständnisse als Unterhaltung und Form
der Dissenz zu begreifen. Die ganze Pluralität
der unterschiedlichen Beobachterperspektiven
und die schillernd verschiedene Darstellungskraft ganz ähnlicher Gegenstände lassen die
hier vorgetragenen anthologischen Theoriegestalten von Pop nicht zur Deckung bringen.
Ganz im Gegenteil: Pop ist immer plural und
obwohl kollektiv, so auch individuell. Die Beitrage sind Vorträge der Tagung „Popkulturtheorie zwischen Kontextualität und Subjektivität«, die im November 2001 am ethnologischen Institut Bremen gehalten wurden. Neben
Jochen Bonz als Herausgeber dieses Sammelbandes geben Autoren wie Katharina Tietze
„Zur Bedeutung des Stückes ‘Die neuen Leiden
des jungen W.’ für die Popularität der Jeans in
der DDR«, Eckhard Schumacher »‘In Case of
Misunderstanding, read on!’ Pop, Literatur,
Übersetzung« oder Susanne Binas »soundshifts. Kulturelle Durchdringung als Vorraus-
setzung und Resultat der Schaffung von bedeutungsvollen Unterschieden und Differenz«
ihren Blick auf das Phänomen Pop von den selten eingenommenen ethnographischen Randpositionen her frei. Es gibt sie also doch, die
Pop-Theorie-Reflexion aus dem deutschsprachigen Raum. 13,90 Eur
til-verlag.de
ANETTF •••••
DYLAN EVANS - WÖRTERBUCH DER LACANSCHEN PSYCHOANALYSE [TURIA+KANT]
Jacques Lacan, Psychoanalytiker. Seine Theorie
war eine Anleitung zur Kur und in diesem konkreten Verhältnis von Analytiker und Analysant wird
eine Wahrheit konstruiert, die es nie gegeben
hat. Lacansche Begriffe konnten in ihrer Verwendung in den Medienwissenschaften, der feministischen Filmtheorie, den Zizekschen Popkultur-
analysen, dem alltags/beziehungssprachlichen
Gebrauch (deine Projektionen) etc. nie Grund zu
hermeneutischen Betrachtungen geben. Boy
don´t cry: es gibt keinen verborgenen Sinn. Im
medientheoretischen Gebrauch wird die sciencefiction der Kur im Verhältnis Mensch-Maschine
fortgesetzt. Wie lassen sich Mensch-Maschine
nur in ihrem Verhältnis und auseinander dechiffrieren, wie lässt sich ein lesbarer/brauchbarer
Code konstruieren? Und das mit Hilfe einer Theorie, die gern als kryptisch, häufig als psychotisch
beschrieben wird. Dylan Evans unternimmt mit
diesem nun ins Deutsche übersetzte Wörterbuch
den Versuch Lacans Werk zu systematisieren und
verlässt sich dabei auf die Kur-bezogene Ausarbeitung seiner Theorie. Mit einem dezidierten
Wissen, um die Lesarten und die Bedeutung der
PA im kulturwissenschaftlichen Kontext, widersteht Evans der Versuchung sich in den vielfälti-
gen, oft spannenden Interpretationen zu profilieren oder zu verlieren. Stattdessen präsentiert
Evans einen Lacan in Reinform, ermöglicht Anschlüsse/Zugänge zu Lacan, gerade in dem er sie
nicht ausführt. Die Idee Lacans Werk als offenes
Buch zu begreifen, findet sich auch im Aufbau des
Wörterbuchs: Aus ca. 200 Begriffen baut Evans
einen Hypertext, kein Terminus lässt sich nur für
sich klären. Der Eintrag „Frau« z.B. verweist auf
Geschlechterdifferenz, Mutter, Hysterie, Genießen, Barre, Kastration. Der Begriff Mann
taucht nicht auf. La femme n’éxiste pas eben.
Zentrale Begriffe, wie „imaginär«, lassen sich nur
mit 19 Verweisen bestimmen, dennoch bleibt der
Text verständlich und setzt die Frustrationsschwelle für Einsteiger höchstmöglich. Evans
zeichnet sorgfältig die historischen Linien der Lacanschen Begriffe nach, konturiert die werkinternen Resonanzen, ohne voreilig von Brüchen im
Lacanschen Werk zu schließen. Die Lacansche Algebra findet sich in einer Tabelle, außerdem viele
Abbildungen und eine Auflistung aller (teils noch
nicht publizierter) Seminare. Praktisch, genau, intelligent - wie man sich ein Wörterbuch wünscht.
40 Eur
BEANS - TOMORROW RIGHT NOW [WARP]
vor sich hin und geben famosen MCs wie Apani,
die sich statt um eine Menge brillanter Features
auch endlich mal um eine eigene LP kümmern
könnte, oder The Pharcyde und Rappern wie
Krumb Snatcha, Mad Skillz etc. genügend Luft
sich zu entfalten, auch wenn die Stücke etwas
planlos aneinander gereiht wirken. Zwar nicht
erstklassig, aber nett.
www.turia.at/
KK •••••
HIPHOP(•)-nein (•••••)-ja
SOLE - SELLING LIVE WATER [ANTICON]
Sole ist etwas wütend, wozu er auch allen Grund
haben kann, und teilt seine Reflexion schnell und
hackig auf ebensolchen, aber auch abgedrifteten
und nie eingängigen Beats mit. Weltschmerz wegen verwirrenden Widersprüchen und aus der regierenden Unlogik resultierende Stimmungsschwankungen sind auf jeden Fall sehr menschlich, und das hier ist eine Vertonung dieses aufgebrachten Gefühls, ziemlich leidend, was aber
passt, zumal die singsangige Redeweise und die
fast einlullende mehrschichtige Produktion das
Paradoxe an sich ganz gut darstellen.
THE MAJESTICONS - BEAUTY PARTY
[BIG DADA]
Majesticons ist bekanntlich die böse Kraft, konträr dazu gibt es die Infesticons und einen bereits
auf Platte gepressten Kampf zwischen den beiden, dahinter steckt Mike Ladd, Poet und avantgardistischer punkbeeinflusster Beatmacher aus
New York. Das hier ist ein ziemlich eigenwilliges
Konzept Party-Album, wobei man das Party nicht
wörtlich nehmen sollte, sondern die Ironie für
wahr nehmen und sich auf ein unterhaltsames
und unanstrengendes, im Vergleich zu den vorherigen sehr helles wenn auch irgendwie abstrus
www.anticon.com
und relativ dezent Jiggyness etc. auf die Schippe
CAYND ••••
nehmendes Album mit tadellosen Beats gefasst
machen sollte. Nette und humorvolle Idee und
DJ SPINNA - HERE TO THERE [BBE]
In der Tat und zu Recht ist DJ Spinna kein unbe- auch eine gelungene Realisierung.
schriebenes Blatt, und hat mit seinen smooth flo- www.bigdada.com
wenden HipHop Produktionen der letzten Jahre CAYND ••••-•••••—
nicht nur seine Gruppe Jigmastas und das Label
Beyond Real etabliert, sondern neben mehreren PYRANJA - WURZELN UND FLÜGEL [DACKEL]
HipHop Underground Klassikern auch einige mit Pyranjas Stärke liegt neben ihrem Raptalent in
anderen musikalischen Stilen angefärbte House ihrer kämpferischen Einstellung. Dieses Album
Produktionen veröffentlicht, weshalb es eigent- sollte im Sommer bei Def Jam Germany rauslich nicht verwunderlich ist, dass die Vorab Maxi kommen, wurde aber im letzten Moment mit der
zu dieser LP eine im Vergleich zu dem umseitigen Einstellung des Labels gedroppt und nun hat sie
HipHop Stück »Drive« sehr überflüssige, mit eine neue Heimat bei Dackel, einem recht neuen
Band eingespielte Version des bereits vor ein Berliner Label gefunden. Das ist natürlich sehr
paar Jahren erschienen Uptempo Stücks »Rock« gut, denn ihre Platte ist zugleich sehr persönlich,
ist, schließlich richtet Spinna seinen Blick seit je- konfrontierend und abwechslungsreich.
her über den Rand, was zwar prinzipiell gut, aber CAYND ••••
nicht immer nötig ist. Abgesehen von solchen instrumentierten Ausrutschern ist das hier eine MURS - THE END OF THE BEGINNING [DEFJUX]
nicht unerwartete Rundumschlagplatte, die nur Murs bringt schon seit ungefähr zehn Jahren
wenige Rapstücke, unter anderem mit MCs wie Qualitätsplatten raus. Er ist Teil der an der WestApani B Fly und Jean Grae, Shadowman, Krimi- küste beheimateten Rapcrew Living Legends und
nul, alle sehr cool, dafür aber eine Menge ange- rappt sehr cool weil deutlich, schnörkellos und
soulte Stücke mit Gesang und dezent plät- ehrlich. Besonders gelungen ist diese Platte, weil
schernder Wärme beinhaltet. Vielleicht etwas zu Murs Lyrics einen Aufbau haben und eine Gegereift schnulzig, aber ansonsten ganz ok, wenn schichte erzählen und dabei persönlich und
einem ein uneinseitiges Spektrum an sauberen hörenswert bleiben. Eingeladen hat er sich hier
Grooves als Ideal vorschwebt.
für den Rap seinen Labelkollegen bei Def Jux, Aesop Rock, und für die Produktion u.a. El-P, Shock
CAYND ••••
GAMES
G, Ant von Atmosphere, Oh No und Sunspot Jonz mentalhimmel par excellence. So diese ganz eiengagiert. Definitv eine flowige und zeitlos coo- gene Dimension eben aus verschrobener Oldschool-Träumerei und einer Bibliothek, die offenle Rapplatte, die man sich zulegen sollte.
bar Gold wert ist. Vier Tracks zwischen psychowww.definitivejux.net
akustischer Käsereibe und liebenswerter KopfCAYND •••••
nickerei. Ein Klassiker von einem, der es verdient
hat.
OFFWHYTE - THE FIFTH SUN
[GALAPAGOS4]
Zugrunde liegen dieser CD etwas ältere Weisheiten, unter anderem die Prophezeiung, dass der
letzte Zyklus der Menschheitsgeschichte, die
fünfte Sonne, sich gerade seinem Ende zuneigt,
daher der Albumtitel. In diesem Bewusstsein hat
Offwhyte dem Booklet zufolge seine zweite Platte gemacht, man kann also schon raten, dass es
hier inhaltsvoll zugeht, in der reichhaltigen Ausdrucksweise erinnert es etwas an Anticon Releases, bleibt dabei aber trotz Wortflut weitgehend
frei von unnötiger Schwere oder esoterischem
Schwachsinn, was auch an seinem vergleichsweise unbelasteten Wohnort Chicago liegen könnnte. Immer wieder erfreulich Musik von Leuten zu
hören, die was zu sagen haben, auch wenn Offwhytes Sprechweise eher gewöhnungsbedürftig
ist und die Beats ziemlich sorglos musiziert klingen.
www.galapagos4.com
CAYND •••••-••••
KAMAN LUNG [LACERATED RECORDINGS /
KSL001]
Vielleicht etwas zu sehr dem anspruchsvollen
Genresprengen verpflichtet wirkt Beans, ehemals Teil des legendären und genauso großartigen AntiPopConsortiums, und überfrachtet seine erste Soloplatte mit Anspruch, was nicht
heißt, dass es keine guten oder einprägsamen
THADDI •••••
Stücke gibt, die gibt es sehr wohl, sondern dass er
in seinem Ausdruck manchmal etwas unlocker
PUPPETMASTAZ - CREATURE FUNK
wirkt und das Album deswegen auf Dauer zu ver[NEW NOISE/ LABELS]
kopft kunstschuleninspiriert und insofern im
Es ist gut geworden, das erste Album der chaoti- Vergleich zu den vorherigen Sachen eher mäßig,
schen Berliner Puppenbande, vor allem weil sie dafür aber gewiss sehr hip ist.
einen zugleich lustigen und bombastischen So- www.warprecords.com
und hinbekommen, der zu den ungängigsten und CAYND ••••-•••••
fortschrittlichsten Produktionen der hiesigen HipHopLandkarte gehört, wenn man die Puppet- DAEDELUS - THE QUIET PARTY
mastaz denn dort einsortieren mag, und weil die [PLUG RESEARCH]
verschiedenen Charaktere der Puppetmastaz ob- Eine Remix-EP von Stücken von Daedelus letztwohl einer lispelt nie Gefahr laufen, zu putzig zu jährigem Album, die sich insbesondere in Yesterwerden, sondern amüsant und cool über ihr fikti- days New Quintets bzw. Madlibs Fall auf die Feinves Leben als Puppets im menschlich geprägten gliedrigkeit der Musik konzentieren und diese
Rapkosmos und ihre puppetinternen Obsessio- ummodellieren, High Priest, der mal zum Anti
nen erzählen. Somit eine der erfrischendsten hei- Pop Consortium gehörte, rappt über einen präzimischen Veröffentlichungen seit langem.
se wackelnden Beat, Abstract Rude und Busdriver geben den notwendigen HipHop Flavour dawww.puppetmastaz.com
zu und cheesen ein wenig über Mädchen und
CAYND •••••
Sommer. Ist alles ziemlich soft und sorglos.
NIGHTHAWKS
[ON THE CORNER/ NOCTURNE]
In die Rolle von Undercover Cops sind Camu Tao
und Cage für dieses Album geschlüpft, und man
weiß ja, dass gerade amerikanische Rechtsschützer korrupt und neben Doughnuts auf Kohle und
Frauen fixiert sind, nicht anders diese beiden fiktiven Ordnungshüter. Camu Tao, auch bekannt
von MHZ, und Cage machen gerne mal einen auf
Großstadtaction und böse, und werden dabei
von High and Mighty’s Mighty Mi und Mr. Eon
und Tame One von Artifacts unterstützt. Die Beats sind korrekt finster und ziemlich 80er und das
Konzept geht in Ordnung.
Willkommen zuhause, Kaman. Endlich. Du. Wo
zur Hölle warst du? Die Maxis auf PMS Plan von
vor ein paar Jahren wurden sofort zu Offcentre
HipHop Klassikern und dann....verschwunden.
Willkommen zuhause. Mit eigenem Label und
mindestens drei Maxis in der Pipeline und gleich
zu Beginn lupenreinem MentasmHop und
waschechtem KnightRider Feel und knochentrockener, undurchsichtiger Deepness. Das Sounddesign dieses Viertrackers ist gnadenlos,
spielt mit einer Vorstellung von Digitalität, wie
sie mal in den 80ern aktuell war, lässt die Hawai- CAYND •••-••••
igitarre sprechen und samplet sich einen Instru-
www.daedelusdarling.com
CAYND •••••
PACHECOS BEAT - 20 FRESHLY ROLLED JOINTS
[RICO]
CAYND •••-••••
JAY DEE - THE OFFICIAL INSTRUMENTAL SERIES VOL. 1 [THE BLING 47 GROUP]
Eine Instrumentalserie aus Amerika, zu erwerben
entweder im limitierten Vinylformat mit acht,
oder auf CD mit zusätzlich vier Bonustracks. Die
Beats sind bisher unveröffentlicht und stammen
aus der Zeit, als Jay Dee noch Teil des Produzentenverbunds The Ummah war, sie sind wie immer
erhaben und massiv in ihrem Groove und besitzen die richtige Prise lässigen Funk um auch ohne MC nicht zu langweilen.
www.bling47.com
CAYND ••••-•••••
SENSATIONAL - NATURAL SHINE [WORDSOUND]
Sensational, leicht angefreakter Rapper aus Brooklyn in New York, ist nicht bloß rohen und rumpeligen Katakombenbeats verfallen, sondern
auch dem »natural shine« des Kiffens und des
MCens. Die Beats hören sich inzwischen fast
nach Produktion an, sind dabei aber wie gewohnt
zwar dunkel aber nie zu finster, sondern immer
dezent fett ohne dabei den paranoiden Anklang
zu verlieren, gemacht hat sie neben Sensational
sein Kumpane DJ Karlos. Wie die vorherigen Alben auf jeden Fall sehr empfehlenswert da sich
Sensational unterhaltsam vertrackt durch sein
Freakorbit textet.
Nicht umsonst heißen die Lieder auf dieser CD
Joints, übersetzt man »Pachecos« doch mit Marijuana-User. Die amüsanteren Namen auf dieser
mit spanischem und hauptsächlich amerikanischem Rap bestückten CD haben definitiv die
Spanier, die heißen z.B. The Bad Payo, Deep Juan
oder auch Amor, was aber auch eine Sängerin www.wordsound.com
sein könnte. Ansonsten ist die CD trotz ihres Ti- CAYND •••••
tels nicht verkifft dröge und trotz mangelndem
inhaltlichen Ballast auch nicht dumpf, denn die
Beats bouncen freudig und hispanisch inspiriert
(•)-nein (•••••)-ja
HERR DER RINGE: DIE ZWEI TÜRME
(PS 2 / ELECTRONIC ARTS)
HERR DER RINGE: DIE GEFÄHRTEN
(GBA / PS 2 / UNIVERSAL)
Damit keine Verwirrung aufkommt erst einmal
die Bestandsaufnahme: E.A. ist im Besitz der Lizenz zur Versoftung des zweiten Teils der Peter
Jackson Adaption, integriert dabei aber auch
Passagen aus dem ersten Film (z.B. das Abschlagen des Rings von Saurons Hand durch
Isildur oder die Ruinen von Moria). Die aktuelle
Nummer Eins der Merch-Verwurster, Vivendi
Universal, lässt sich da nicht zweimal bitten
und legt parallel seinen Auftakt zur Umsetzung
des Jahrhundertwerkes auf Basis der Buchlizenz vor. Capiche ? "Die zwei Türme" versucht
einen frischen Ansatz im Segment der Games,
die gerne filmisch sein wollen, dabei aber oft
das Spiel als Spiel vergessen: Längere OriginalFilmszenen in DVD-Qualität, die den diachronen Part der Erzählung abarbeiten, blenden
über in engine-eigene Cut-Scenes und ab geht’s
in medias res. Atmosphärisch geschlossen und
aufregend ist’s, aber wie so oft nur bei den ersten Durchläufen. Danach steigt durch halbherzige Intro-Skip-Möglichkeiten der Nerv-Faktor.
Das eigentliche Geschehen bietet fulminante,
wenn auch manchmal leicht konfuse Massenschlachten ohne Gimmicks, ein bisserl wie Golden Axe, wenn das noch jemand kennt. Man
kloppt sich entweder mit Legolas, Aragorn oder
Gimli entlang unnötig überdeterminierter Wege, sammelt Erfahrungspunkte, für die zwischen den Episoden brav neue Moves gekauft
werden. En passant schaltet man Making-Of
Filmchen frei, die leider genauso redundant
sind wie viele ihrer Pendants auf Video-DVDs.
Vivendi wickelt dagegen die Zusammenkunft
der Gefährten auf GBA in Form eines Rollenspiels, auf PS 2 als äußerst hausbackenes Action Abenteuer ab. Dabei wird die Handlung in
den einzelnen geographischen Regionen Mittelerdes wie dem Auenland oder dem Alten
Wald durch Seitenquests nach dem Motto "Der
will dies, dafür kriegste das, was wiederum der
und der gerne hätte" gestreckt. Gerade auf
dem GameBoy machts schon aufgrund der
schwammigen Steuerung, bei der die Gefährten wie mit drei Brandys zu viel unter der Kappe herum torkeln, nur wenig Spaß. Schon den,
RPG-technisch wohl am einfachsten umzusetzenden, ersten Teil mit seiner klassischen Party-Zentrierung so zu Versemmeln, lässt für die
nächsten Episoden leider nichts Gutes hoffen.
Da hat mal wieder der Filmstart und nicht das
gelungene Produkt die Deadline bestimmt. Der
Sieg nach Punkten geht also eindeutig an E.A.,
weil die Umsetzung erfrischend einfach und
auf den Punkt gebracht gelöst wurde. Bis nächsten Dezember dann.
BUB E.A.: ••••
UNIVERSAL:••
CASTLEWEEN (PS 2 / WANADOO)
Wie Alicia und Greg an Halloween auf die aberwitzige Idee kommen konnten, ein einzelnes
Haus im Wald zu suchen, um dort mit "Trick or
Treat"-Rufen Süßigkeiten zu schnorren, statt
das Überangebot an Türen in der Stadt wahrzunehmen, bleibt ihr Geheimnis, beziehungsweise das ihrer Schöpfer. Oder nein, wir verraten es
hier einfach: Damit sie von bösen Geistern ins
Totenreich befördert werden können, wo sie in
einem Jump-and-Run-Parcours zwischen Skeletten, Teufeln, Hexen und dem Schwarzen
Mann nach den Seelen ihrer zu Stein verwandelten Freunde suchen können und das Ganze
so seine erzählerische Motivierung sowie seine
gestalterische Legitimierung bekommt. Das erinnert dann an Tim Burton-Filme wie Beetlejuice oder Edward Scissorhands, ganz besonders
aber an Nightmare before Christmas mit seinen Plastillin-Animationen im HalloweenLand. Und wie bei Burton ist es schwierig zu sagen, für wen es eigentlich gemacht ist. Die Erwachsenen finden die Story zu kindisch, die
Kinder können mit dem schwarzen Humor und
dem schrägen Design nicht so viel anfangen. Irgendwo dazwischen müssen sich also die Zuschauer von Burton befinden, und genau diese
Menschen dürften auch ihre Freude an Castleween haben. Die Hardcore-Jump-and-Runner
könnten am linearen Aufbau der Parcours herummäkeln und auf avanciertere 3D-Konzepte
verweisen, die Liebhaber von Old-School-Plattform-Gaming und aktuellen 2 _-D-Spielen kommen aber auf ihre Kosten, zumal das Hüpfen
auf sich öffnenden und schließenden Sargdeckeln und herumwackelnden Flößen sehr
schnell ziemlich viel Geschick erfordert. Wenn
"Super Mario World" ein LSD-Trip war, dann ist
"Castleween" ein bisschen so wie der erste jugendliche Absinth-Rausch.
MWM •••
ACE GOLF
(GAMECUBE / FRESH GAMES, EIDOS)
In der letzten Zeit kommen Fun-Golf-Spiele immer mehr in Mode. Warum auch nicht das an
sich langsame Gameplay, durch Power-Schläge,
Special-Items und ähnlichen Klimmbimm anreichern !? Das Konzept geht bei Ace Golf leider
nur bedingt auf, und sorgt nicht sonderlich für
Laune. Auch sind die Charaktere nicht wirklich
brillant designt. Items wie Superbälle und
Sprüche gegen Bunker oder für ein sauberes
Landen auf dem Green winken als Preise bei
den zahlreichen Turnieren, auf ganzer Linie
überzeugend ist dieser Mario Golf-Abklatsch
jedoch nicht. Dafür ist die Steuerung zu unausgereift und die Gesamtpräsentation ein wenig
zu lieblos, Spielmodi wie Minigolf, Ringgolfen
oder ähnliche Boni fehlen. Ständig belasten eine stets dudelige Musik und die dauernd Kommentare abgebenden Caddys unser Ohr und
den Geduldfaden. Wer auf das neue Mario Golf
nicht warten kann, gibt sich mit diesem ComicGolf-Ausflug zufrieden, da das Spiel an sich gerade zu mehreren - durchaus Laune machen
kann. Allen, den das Setting zu bunt ist, mögen
auch getrost mit Tiger Woods den digitalen
Schläger schwingen.
BOB •••
SPYRO – ENTER THE DRAGONFLY
(GAMECUBE / UNIVERSAL)
Nach einer erfolgreichen PS-One-Karriere löste
der kleine lila Drache seine Verträge mit Insomniac (die als Ausgleich einen Newcomer
namens Ratchet anstellten) und unterzeichnete einen neuen Megadeal mit Universal Interactive. Nun rennt, hüpft und segelt er wieder,
kann neben Feuer nun auch Eis, Blitze und Seifenblasen spucken, letztere, um Libellen einzufangen, die englischen Dragonflies, die, wie ihr
Name ja sagt, dazu bestimmt sind, um Drachen
herumzufliegen. Die Spyro-Serie hatte bisher
einen gewissen Charme, war ein Jump-and-Run
für Kinder, mit dem erstaunlich viele Nichtmehr-Kinder etwas anfangen konnten. Aber
wie das mit Stars eben so ist, wenn sie nach einem erfolgreichen Frühwerk zu einem Major
wechseln: es wird häufig nur noch der bereits
vorhandene Erfolg inszeniert, die Größe wird
zur Produktionsmaxime und begräbt das Originelle unter sich. So auch bei Spyro. Durch endlos lange, eigentlich ziemlich leere Landschaften muss er rennen, sonst nichts. Eigentlich ist
es nur ein Run-Spiel, ohne Jump, aber für ein
Rennen bräuchte es dann doch einen Konkurrenten. Manchmal gibt es das zwar, in Form von
kleinen Zeit-Herausforderungen, bei denen es
eine bestimmte Zahl von Vogelscheuchen umzustoßen gilt, aber die sind dann im Vergleich
zum öden Dauerlauf des Restes so schwer, das
ein richtiger Ehrgeiz gar nicht aufkommen mag.
MWM ••
S.O.S. THE FINAL ESCAPE (PS 2 / BIG BEN)
Droht im Fortsetzungswahn der Survival Horror-Serien mit ihren unzähligen verlassenen
Gebieten und fehlgeschlagenen Experimenten
schon leicht der Überdruss, denken die ehemaligen "R-Type"-Macher von Irem unser Überleben-Müssen mal anders. Beim Film schon ein
alter Hut und selten tauglich, bei Games noch
ein unverbrauchtes Setting: Katastrophenalarm durch Erdbeben. Unser Protagonist,
ein Zeitungsreporter, kommt nach einem
Knock-Out wieder zu Sinnen und findet die halbe Stadt um sich im Trümmerzustand vor. Die
Rettungsmaßnahmen per Hubschrauber sind
scheinbar schon passé, und so müssen wir
(fast) allein durch die Stadt gen Freiheit kraxeln. Die Straßen von Capitol City sind verwinkelt, zudem zerbröseln ab und an ganze Gebäude, legen dabei neue Wege frei und machen andere unpassierbar. Liegengebliebenes darf aufgesammelt, auseinander genommen und sogar
rekombiniert werden. So weit, so nett. Leider
bleibt die Präsentation unterirdisch: Weder
Optik noch Sound geben den zusätzlichen dramaturgischen Kick, über die Steuerung gehört
der Mantel des Schweigens. Summa Summarum eine vertane Chance, die sich aber garantiert jemand anders krallt.
hin, da diese uns eigentlich zuverlässig unsere
Richtung vorblinken. Die Missionen sind angesichts der GTA-Konkurrenz eher eintönig: hinfahren, erschießen, wegfahren. So bleiben vor
allem Schnitzer im Gameplay, die aus einem an
sich spannenden und vor allem atmosphärischen Titel ein spielerisches Ärgernis machen.
PS2-Zocker mit Gangster-Ambitionen werden
mit Vice City einfach besser bedient. Hätte
Sony die Kohle in die Filmproduktion gesteckt
und die realen Schauspieler nicht einfach nur
zum Motion Capture für die Zwischensequenzen genutzt, dann wäre es wenigstens ein respektabler B-Movie geworden.
BOB ••-••••
STAR WARS - CLONE WARS
(GAMECUBE / LUCAS ARTS, EA)
jener selbstironische Metazustand, in den man
sich zum Zwecke der Entspannung von seiner
sonstigen hochintellektuellen und gesellschaftlich äußerst verantwortlichen Daseinsweise begibt. Also schön zur Tanke gegangen und Bier geholt, die Manowar-CD eingelegt, das alte EddieT-Shirt übergestreift und ab in nordafrikanische
Wüstenstädte und Tempelanlagen, um auf Männer in Kleidern, Megacobras und sonstige niedrige Lebensformen zu dreschen. Zwischendrin
verrutschen dann mal die mythologischen Bezüge, wenn man in Ägypten unmittelbar hintereinander die Medusa und den Minotaurus bekämpfen muss, but who cares. Man stemmt ja auch
riesige Vasen hoch, die man gegen seine Gegner
schleudern kann, und wirbelt mit Schwertern um
sich, die gemäß der Hebelgesetze gar nicht mehr
bewegbar sein dürften. Die Klassenstreber mit
Geschichtsfimmel können ja weiter Tomb Raider
spielen. Kriegen ja sonst auch keine Frauen zu
sehen. Die richtigen Machos spielen Hack and
Slay: immer längere Laufstrecken, immer schön
den eigenen Fähigkeiten angepasste Gegnerhorden, immer die passende neue Ultrawaffe in
einer Kiste nahebei, immer ein nützlicher
Health-Bonus in einem der besiegten Gegner
versteckt. Das Ganze kombiniert mit einigen
Streetfighter-Combos zum Auswendiglernen
oder Wild-Herum-Probieren und vor allem einer
passenden Lizenz: der Scorpion-King, der als Nebenfigur in Die Mumie schon eine bestimmte
Zielgruppe so begeistert hatte, dass sie ihn in ihrer eigenen Filmversion bekamen. Er hatte einfach einen zu schönen Brustkorb und Hackfresse, als dass man ihn für noch weitere kommerzielle Verwertung hätte ignorieren können. Nichts
für Über-Ich-Spieler.
Endlich dürfen wir an die Rahmenhandlung der
2. Episode selbst Hand anlegen. Obwohl, so
wirklich filmgetreu spielt sich das Ganze nicht,
eher eine Ballerorgie für Zwischendurch, der
wir in wechselnden Heldengewändern frönen
dürfen. So macht das stumpfe Gameplay an
sich zwar Spaß, aber die Gesamtpräsentation
lässt -wie andere Star Wars-Teile zuvor auchnicht wirklich Stimmung aufkommen. Zu extrahiert stehen unsere Missionen im Raum und
manchmal macht sich Ratlosigkeit ob der Missions- und Bonusziele breit. Also wummen wir
zu Lande und in der Luft auf der guten Seite der
Macht durch die Heerscharen von Klonkriegern, freuen uns dabei über so manchen toll
aussehenden Gegner und riesige Explosionen,
BUB •••
das war's dann aber auch schon. Für Nachwuchs-Jedis vielleicht das lang erwartete AcTHE GETAWAY (PS 2 / SONY)
tionspiel, selbst einige Goodies zum FreispieSchon seit 2 Jahren geistern Ankündigungen len retten Clone Wars jedoch nicht aus dem MWM •••-••••
und Screens eines neuen "Meistergames" um- Mittelfeld.
EARTHWORM JIM 2
her, dass die Grenzen von Film und Spiel auf ein BOB •••-••••
(GBA / UNIVERSAL)
letztes Mal herausfordern sollte. Ein neues,
realitätsnahes Erleben einer filmreifen und at- BMX XXX (GAMECUBE / ACCLAIM)
Und wieder ein 16-Bit-Titel, der portiert den
mosphärischen Story an ebenso ausgefuchsten Ohne jetzt böse sein zu wollen, aber rück- Weg in unsere Hände findet. Auch der zweite
Schauplätzen wurde versprochen, aber leider blickend bleiben von Acclaim in 2002 doch eher Teil von Jimmis Abenteuer hält sich an den etnicht gehalten. The Getaway, dieser interaktive unkonventionelle Marketingevents statt Dad- was kruden Humor, der sich in vielen merkwürGangsterfilm, als lifestyliges Pop-Produkt desi- delknüller im Gedächtnis: Werbung auf Grab- digen Bitmap-Gegnern und eigenartigen Levegnt und beworben, ist durch die zugegeben steinen ("Shadowman 2"), Strafzetteltilgung für laufgaben manifestiert. Als Gameboy-Jump'n
brillante Präsentation in den Zwischensequen- Verkehrsrowdies ("Burnout 2") oder die unver- Run kann der Regenwurm jedoch nicht mit der
zen auch atmosphärisch ein Hit, versagt jedoch gessene "Ich bin so bescheuert und ändere für hochkarätigen Konkurrenz mithalten. Zu linear
- sobald wir in der 1:1 nachgebauten Londoner nur 500 £ und ‘ner XBox meinen Namen in Tu- der Spielverlauf, außerdem sind Steuerung wie
Innenstadt per Auto den jeweiligen Playground rok"-Aktion. Dabei gab es im Line-Up durchaus auch Kollisionsabfrage nicht tight genug. Trotzerreicht haben - spielerisch auf breiter Linie.
Perlen zu fischen wie den Trendsport-Smasher dem behält der Wurm im Supersuit seinen eiHaben die Entwickler -der Realität wegen- "Aggressive Inline", der die wenigen Design- genen Charme und wenn wir nur ein wenig
doch auf jegliche Art informativer Einblendun- Neuerungen von "Tony Hawk 4" bereits vor- Hopsen und mit verschiedenen Laser, Plasma
gen wie Gesundheitszustand, Waffenvorrat wegnahm. Gerade dieser Titel ging ungerecht- sowie anderen Superguns hantieren, zwietc. selbst im Pausescreen verzichtet und ver- fertigter Weise in der Flut vergleichbarer Spie- schendurch mal hier und da unsere Stirn ob der
trauen statt dessen auf unsere Adleraugen. Im le unter, was jedoch keine Legitimation für die- Eigenartigkeiten runzeln wollen, hält sich auch
hektischen Gewusel gezielt zu schießen (und ses Biker-Machwerk ist. Einen nicht schlechten, der zweite Teil ganz wacker. Der Vorgänger wie
schießen müssen wir häufig) ist so gut wie un- aber doch ziemlich egalen Titel mit Sex und Cri- auch die Nintendo-Konkurrenz haben aber
möglich, da wohl selbst ein Fadenkreuz der Illu- me für Sofakartoffeln aufzupeppen, kommt mehr zu bieten.
sion des Dabeiseins geschadet hätte. Am jewei- doch sehr kalkuliert. Dabei geht man unver- BOB •••
ligen Tatort anwesende Zivilisten nehmen brav hohlen gleich soweit, nackte Girls als Spielchadie Arme hoch und stellen sich bevorzugt in un- raktere auf die Räder zu setzen - Scheinbar mit
sere Schusslinie. Dafür wird unser Gesund- Erfolg wie die Diskussionen in USA oder die Ti- BOMBERMAN GENERATION
heitszustand durch simples Lehnen an der telstory in der Bravo Screenfun zeigen. Einfach (GAMECUBE / HUDSON, UNIVERSAL)
nächstbesten Wand regeneriert, so ist das also nur arm.
Hudsons Evergreen geht in eine neue Runde.
mit der Realität. Beim Autofahren wurde auf ei- BUB••
Im neuesten Aufguss wird endlich wieder ein
ne Karte verzichtet, was an sich okay geht. Soanspruchsvoller Single-Player-Modus gebobald aber unsere Rück-Blinker durch Kollision THE SCORPION KING
ten, der mit bonbonbunter Cell-Optik und
mit dem Feierabendverkehr oder Gegenstän- (GAMECUBE / UNIVERSAL)
unterhaltsamen Kniffeleien daherkommt.
den gesmasht sind wissen wir nicht mehr wo- Was für ein Proll-Spiel! "Proll" hier verstanden als Der eigentliche Knüller bleibt aber weiterhin
die implementierte Multiplayer-Version,
vom Spielprinzip her das Ur-Bomberman mit
massig Optionen aber ohne wirkliche Innovationen. Der Spielspass ist wie beim Original immer noch top, gerade zu viert vor'm
Cube kommt richtig Laune auf. Das gerade
mal ein Stück Hintergrundmusik ins Game
gefunden hat, geht jedoch fix allen Vieren
auf die Nerven, außerdem dürfen Bomberman-Besitzer sich aufgrund der mangelnden
Innovation an die jeweils schon vorhandene
Version halten. Vorzugsweise natürlich auf
dem Sega Saturn, wo sich bis zu acht Bombenleger bekämpfen konnten. Unter'm
Strich also ein lohnendes aber nicht zwingendes Update eines großen Klassikers, der
gegeneinander einfach Spass macht.
BOB ••••
007 NIGHTFIRE
(GAMECUBE / ELECTRONIC ARTS)
Vielleicht sind die Bond-Filme ja schon von jeher Computerspiele gewesen? Mit einzelnen
Leveln, die an verschiedenen Schauplätzen
spielen, mit einer Figur, die in ihren Fähigkeiten
perfekt an den Engine der Umgebung angepasst ist, die ständig Health- und Ammo-Packs zu
finden scheint, mit zu vernachlässigender
Backgroundstory, mit mehr oder weniger ansehnlichen Cutscenes zwischen den Actionsequenzen und, vor allem, mit einem beinahe
übermächtigen Endgegner im Boss-Level. Und
wenn die Filme das schon waren, dann erklärt
sich auch, warum die Computerspiele mit Lizenz zum Bonden so ansprechend sind, zumindest seit dem legendären Goldeneye auf dem
N64. Pünktlich zum Kinostart des 20. Jubiläumsfilms kann man den Agenten auch wieder über den heimischen Bildschirm steuern.
Dass er diesmal tatsächlich wie der aktuelle
Smokingträger Brosnan aussieht, erhöht den
Reiz, dass es eine eigenständige Geschichte
und keine Adaption des Films ist, macht noch
mehr Spaß. Herausgekommen ist ein sehr erzählungslastiger Ego-Shooter, der mit abwechslungsreichen Missionen und Aufgaben
aufwartet, sehr stimmungsvoll gestaltet ist und
perfekt für einen freien Sonntag geeignet ist.
Dann ist man allerdings auch schon durch, man
stelle sich also auf einen schönen Film mit
Überlänge ein, bei dem man sich ein bisschen
anstrengen muss, um ihn am Laufen zu halten.
Manchmal wird es sogar unfreiwillig komisch,
etwa bei einer Party, wo man sich durch Horden von gleich aussehenden Polygonenweibchen in Cocktailkleidern und Stilettos schieben
muss, die einen mit demselben unschuldigen
Augenaufschlag anstarren und "Hall-oh!" hauchen, immer eine nach der anderen, ad infinitum. Man fühlt sich unweigerlich an Being John
Malkovich erinnert, als Malkovich in seinen eigenen Kopf einfährt.
MWM ••••
DE:BUG PRESENTS
TERMINE IM FEBRUAR
MITEK TOUR
ON THE FLOOR.
Minimal und repetitiv aus Schweden: Mitek,
das Label von Mikael Stavöstrand, groovt im
Februar auf Deutschlandtour mit einem Superstar-Line-Up, das so ziemlich alle Artists
des Labels zu einer großen Click-Orgie zusammenbringt. Mit von der Partie:
Håkan Lidbo, Andreas Tilliander, Mikael Stavöstrand, Folie, Johan Fotmeijer aka Claudia
Bonarelli
04.02. Hamburg, Astrastube (Folie) / 26.02
Köln, Kulturbunker Mühlheim / 27.02. Karlsruhe, ZKM / 28.02. Berlin, Zentral (+ DJ
Bleed, Debug) / 31.02 Scheune Dresden (Mikael Stavöstrand, Vita)
BASEL - PRESSWERK
01.02. - Pliq, Anton Kubikov, Frank Finger
BERLIN - AUSLAND
02.02. - DJ Attaché, The beige Oscillator / 04.02. - Perlonex / 21.02. - Deerhoof. Gorge Trio / 22.02. - Reynolds,
Sigtryggur Sigmarsson / 23.02. - DJ Christof Kurzmann
BERLIN - BASTARD
16.02. - Wechsel Garland / 22.02. - Vela, T-Ina, Janoshi,
MC Charlyn / 28.02. - Daniel Meteo, Fenin (live), Phon.O
(live)
Jörg Follert geht endlich mal wieder als Wechsel Garland auf Tour und alle, vom Indiekid
bis zum Elektronikafrickler reiben sich voller
Vorfreude die Hände. Denn sein introvertierter Waldlichtungs-Pop wird Land auf Land ab
alle zu extrovertierten Begeisterungsstürmen
hinreißen. Da sind wir sicher und legen euch
deshalb folgende Dates ans Herz.
01.02.Frankfurt/Main, Mousonturm (+ Donna Regina, März, DJ Strobocop) / 10.02. Dortmund, Cosmotopia / 11.02. Stuttgart, Travellers / 12.02. Augsburg, Pavian / 13.02. freiburg, Jos Fritz / 14.02. Dresden, Scheune /
15.02. Hamburg, Astrastube / 16.02. Berlin,
Bastard
SOFUS FORSBERG, KRILL.MINIMA TOUR
Sofus Forsberg verlässt für eine Weile Arhus,
Dänemarks weltoffene Mittelstadt mit anarcholiberalem Holzbottenflair, und kommt
uns besuchen. Im Gepäck seine neue deepcharmante Platte auf jenkamusic, Electronica vom Feinsten. Also, don’t miss:
Sa. 22.02 Berlin, NBI / 26.02 Münster, Luna Bar / 27.02. Dortmund, Cosmotopia /
01.03. Hamburg, Astrastube / 02.03 Wuppertal, Chillys / 08.03 Köln, Liquid Sky
REPLAY DEBUSSY & ALL
Mit Replay ist nicht der gleichnamige Button eures CD-Players gemeint. Mit Debussy
aber schon der Komponist. Die brutalst verlässlichen Größen elektronischer Musik werden sich an der Reinterpretation eines
Stückes vom Aquarelltöne-Meister versuchen. Wenn das glückt, hat man sich hinterher fürwahr eine Party mit u. a. Lawrence
und Jamie Lidell verdient. Luft anhalten und
hingehen.
7.2.2003, 20-24 Uhr, Tanzcafé⁄ im Café⁄ Moskau, Schillingstr./Ecke Karl-Marx-Allee
Visuals: Lillevän (Rechenzentrum)
DJs: Lawrence (Dial), Elodie Bouchez, Jamie
Lidell (Super_Collider), Paul Paulun, Christian von Borries und Martin Hossbach.
ZUSAMMENSTELLUNG: THADDEUS HERRMANN
ON TOUR / ON AIR.
15.02. - Vanguard (live), Asem Shama vs. Axel Bartsch /
22.02. - Chris Liebing, Marco Remus, TP Heckmann,
Miss Yeti, Adny Düx
DARMSTADT - CENTRALSTATION
HEIDELBERG - ZIEGLERS IM BILLY BLUES
21.02. - Tiefschwarz, See-Base
KARLSRUHE - MOOD LOUNGE
14.02. - Tiefschwarz
22.02. - Vienna Scientists
DORTMUND - CLUB TRINIDAD
01.02. - Bassbin Drivers, Carsten Helmich / 08.02. - Hans
Nieswandt / 15.02. - Carsten Helmich / 22.02. - Oliver
Korthals, Dash
DRESDEN - AZ CONNI
ANTICON
18.02. - Nürnberg, K4 / 19.02. - München, Ultraschall / 20.02. Linz, Kapu / 25.02. - Genf, L'Usine / 26.02. - Zürich, Bosch Bar
KARLSRUHE - ZKM
27.02. - Hakan Lidbo (live), Andreas Tilliander (live), Mikael Stavöstrand (live), Folie (live), Claudia Bonarelli (live)
KÖLN - BLUE NOTE
CONSOLE & TURNER
11.02. - Heidelberg, Karlstorbahnhof / 12.02. - Düsseldorf, Zakk
/ 13.02. - Essen, KKC / 14.02. - Bielefeld, Forum / 15.02. - Hannover, Gig / 16.02. - Potsdam, Waschhaus / 18.02. - Leipzig,
Conne Island / 19.02. - Dresden, Scheune / 20.02. - Erlangen,
E-Werk
CONTRIVA
21.02. - Siegen, Badstrasse / 22.02. - Bielefeld, JZ Kamp / 25.02.
- Essen, Werkstatt Grend / 27.02. - Hamburg, Hafenklang /
28.02. - Hannover, Glockensee
15.02. - Micatone (live)
01.02. - Megashira (live) / 15.02. - Alpha Omega, Dandruff, jeff Smart, MC Amon
03.02. - Trash: Jörg Waschat / 06.02. - DJ Kingz, Mission
Control, Kolt Siewers, J-Cut / 10.02. - Trash: Jörg Waschat
/ 13.02. - Matizz, Modernmellow, Kolt Siewers, J-Cut /
17.02. - Trash: Jörg Waschat / 20.02. - E-Z Rollers (live) /
24.02. - Trash: Jörg Waschat / 27.02. - Cypher, Kolt Siewers, J-Cut
BERLIN - ICON
DRESDEN - SCHEUNE
KÖLN - CAMOUFLAGE
01.02. - Kid Akabon, N'Dee, Flower / 08.02. - Alley Cat,
Metro, Obiwan / 15.02. - Souther Session feat.: Ryan & J.
MC, Appollo, Emisz, MC Mace / 22.02. - EZ-Rollers, Appollo, N'Dee, White MC
14.02. - Wechsel Garland / 19.02. - Console, Turner /
22.02. - Jimi Tenor & His Bigband / 26.02. - Pram / 28.02.
- Sofus Forsberg, Krill.Minima
01.02. - Frank Müller, Catya / 07.02. - Bleed / 14.02. - Johannes Giesemann (live), Bob Humid, Uh-Young Kim
FEHLFARBEN
01.02. - Kassel, Musiktheater / 05.02. - Darmstadt, Centralstation / 06.02. - München, Muffathalle / 07.02. - Stuttgart, H2O
/ 08.02. - Bad Salzungen, Pressenwerk / 09.02. - Düsseldorf,
3001 / 12.02. - Wien, Flex / 13.02. - Graz, Orpheum / 14.02. - Erlangen, E-Werk / 15.02. - Dresden, Alter Schlachthof
KÖLN - KULTURBUNKER
MOONBUGGY
BERLIN - GEBURTSTAGSCLUB
07.02. - Tronic, Mojoe, Dandruff
14.02. - Djoker Daan, Strassmann (live), Electric Balance
BERLIN - HOPPETOSSE
BERLIN - MARIA
WECHSEL GARLAND-TOUR
DEADLINE FÜR ALLE TERMINE DER MÄRZ AUSGABE: 10.02.2003.
MAILTO: [email protected]
01.02. - Pole (live), Jan Jelinek (live), Rechenzentrum (live), Daniel Meteo / 02.02. - Ultra Red, Ramdon Inc., Boris Hegenbart, Signal Territories, / 03.02. - Radian, Mapstation, M. Brandlmayr, Ras Donovan, F.S. Blumm, Ekkehard Ehlers / 04.02. - Coh, Pan Sonic, Kotra, Lazyfish,
Telcoh, Akuvido, Antoine , Robert Lippok / 05.02. - Scanner, Tonne, David Toop, Menu:Exit, Transforma / 06.02.
- Mark Hosler, Hood, Kein Babel, People Like Us, 2/5 BZ,
Safy Sniper / 07.02. - Miss Kittin, Luciano, Sieg über die
OSnne, Bangkok Impact, Macho Cat Garage, Dj TLR, Arno Coenen, Fancois Chalet / 08.02. - Monolake, Continuous Mode, Are Dee, Jacek Sienkiewicz, Ben Neville,
Akufen, Elout De Kok, Alexej Paryla, Richard Chartier,
Ralph Steinbruechel, Bureau Destruct, Are Dee, Luciano
/ 15.02. - Extra Produktionen, Pliq, Scsi-9, Anton Kubikov,
Frank Finger
BERLIN - NBI
01.02. - Holger Friedrich und Stargast / 02.02. - Maxime,
Pat / 03.02. - Oliver, Steffen / 04.02. - Bonzai Beats / 05.02.
- Andreas Stobernack / 06.02. - T.Raumschmiere, Apparat
& Gäste / 07.02. - Steinbrüchel (live), Andrew Peckler (live),
Kiwi, Onlab, Camp Cogito / 08.02. - Bojan Mandic, Belgradeyard Soundsystem / 09.02. - Maxine, Pat / 10.02. - Zora
Lanson (live) / 11.02. - M.Path.Iq, Daniel Paul, Honesty /
12.02. - Richard Cartier, Frank Brettschneider / 13.02. - Banco Do Brasil, Lambent / 14.02. - Daniel Paul, Honesty /
15.02. - Joto Inc. vs. Externe Speichereinheit (live), Mono
Kid / 16.02. - Maxime, Pat / 17.02. - Annibale Picicci, Leonhard Lorek / 18.02. - Allures Laszives (live) / 20.02. - Popshop (live), Daniel Delane, Sam Reflex, Dan Piu / 22.02. - Sofus Forstberg, Krill.Minima, Das schwarze Quadrat / 23.02.
- Colorsync / 25.02. - M.Path.Iq, Daniel Paul, Honesty /
27.02. - DJ Attachee vs. Beige Oscillator
BERLIN - POLARTV
01.02. - Woody, Martin Landsky, Phonique / 07.02. - Djane Roxy, Maringo / 14.02. - Motte, Disko, Jonzon / 15.02.
- Superpitcher, Kiki, Damien Lazarus, Tanith, Savas, Pascalidis / 22.02. - Westbam, Hell, Chris Korda (live)
BERLIN - STERNRADIO
01.02. - Sammy Dee, Tom Clark, Guido Schneider / 07.02. Savas Pascalidis, Gunjah / 08.02. - Gebrüder Teichmann,
Raumagent Alpha (live) / 14.02. - Daniel Sunn, Mohan, Dole & Kom (live) / 15.02. - Tilt feat. Mick Wilson, Namito /
21.02. - Sascha Funke, Diringer / 22.02. - Mike Vamp, Lodown / 28.02. - Sammy Dee, Tom Clark
BERLIN - TRESOR
01.02. - Heiko Laux, Diego, Alexander Kowalski, Vertigo /
05.02. - Djoker Daan, Sascha Funke, Wimpy, Liquid Sky /
07.02. - Dork, Prell, Baeks, Ste7 (live), Kriek, Mack / 08.02.
- Carola Stoiber, Barbara Preisinger, Daniel Bell, Hoshi,
Marc Snow, Sender Berlin (live), Luke, Pure, Mad Max, Dimitri Hegemann / 12.02. - Alexander Kowalski, Heiko Laux,
Frank Mutze, Tobbias Witzel, Troy McClure / 14.02. - Dafyr,
Trias, Sascha, Cut-X, Beagle, Glurff, Der Müller / 15.02. - David Duriez, Leo Krafczyk, James Flavour,, The Hacker, Lamonde / 19.02. - Tama Sumo, Daffy, Lako / 21.02. - S-Man,
Marc Raum, Björn Nitz, Ronny Pelenus, Tobias Boon, Tommaz / 26.02. - Phonique, Dash, Subtronic / 28.02. - Alan
Sommervville, Rüge Hagelstein, Nico Fränzel, Warren Suicide (live), Kristin, Tosh, Micha Stahl
DRESDEN - KING BEATZ CLUB
DRESDEN - WUMS
10.02. - Tronic, Chricki, Miami
DÜDINGEN - BAD BONN
08.02. - Console / 14.02. - Waldorf
KÖLN - SENSOR
DÜSSELDORF - JOHANNESKIRCHE
08.02. - Louie Austen (live), Break 3000, Justina, Maxime, Su-Art, Neo
06.02. - Jan Jelinek
DÜSSELDORF - UNIQUE CLUB
05.02. - Kommander Keen, Captain G.I.D., Admiral M.Pire / 12.02. - Matt Flores / 19.02. - E-Z Rollers / 26.02. Peshay
ERFURT - CLUB CENTRUM
01.02. - Mellokat, Rambun, Double L, Suzzlic Soundsystem / 14.02. - Telly Lee Quin, Plastique, Sebastian Fischer, Dreiton (live) / 21.02. - Tok Tok (live)
KÖLN - SUBWAY
STUTTGART - HI
14.02. - Rework, Thomas Lux, Jan Dietz
28.02. - Cativo
01.02. - FM Alexander, Caro De La Reuber, Till Heinzemann
/ 05.02. - Drakestar, DC / 06.02. - CEM / 07.02. - Kristian
Beyer, Marcus Worgull / 08.02. - Boris Bontempi, Christian
S. / 12.02. - Walter B38, Henree / 13.02. - CEM, Frank Popp
/ 15.02. - Chloé / 19.02. - Miss Dee, DC / 20.02. - CEM, Tom
Strauch / 22.02. - FM ALexander, Caro De La RFeuber, Till
Heinzelmann / 26.02. - Walter B38, Miss Dee / 27.02. - CEM
/ 28.02. - Rok, Tina 303, Laudert, RGB
HAMBURG - ASTRASTUBE
LAUSANNE - LOFT
01.02. - Amp / 04.02. - Folie, Ram_Löser / 05.02. - Silly
Walks / 07.02. - Depressive Beats with Romantic Flavor:
Raf Le Spoink / 08.02. - Sunday Service / 10.02. - Accept
Anthrax Gala / 14.02. - Stefan Strüver, Inchspektor
Drop-Out / 15.02. - Wechsel Garland / 17.02. - Christian
Smukal / 22.02. - Electric Indigo / 23.02. - Shwaan /
25.02. - The Low Frequency In Stereo / 26.02. - Silly
Walks / 27.02. - Ebbe und Flut: Elektronisches Strandgut
/ 28.02. - Pussa & Neil
22.02. - Matthias Schaffäuser, Ricardo Villalobos, Good
Groove
22.02. - Clone: Serge, Vladimir Ivkovic, Philipp Otterbach
FRANKFURT / MAIN - UNITY
07.02. - Ingo Sänger, Jazzman / 14.02. - Korben Dallas,
Johnny Casino / 21.02. - Yannick, Lars Bartkuhn / 28.02. Russ Gabriel, Dennis Smith
FRANKFURT/MAIN - MOUSONTURM
FREIBERG - ERDALCHIMISTENCLUB
28.02. - MOSPhat, Chenz, Jim Trone, MC JingisJan
FRISON - FRIBOURG
08.02. - Rob Hall, Team Doyobi (live), Person (live), Cio
GERA - FORELLENKELLER
HAMBURG - LOUNGE
06.02. - Baze Djunkiii, Wolfgang Koch / 20.02. - Baze
Djunkiii, Sublime
HAMBURG - MOJO
28.02. - Vienna Scientists
STUTTGART - CLUB LEFONQUE
14.02. - Legowelt (live), Orgue Electronique (live), DJ
TLR, DJ Mick Wills
LEIPZIG - DISTILLERY
01.02. - Ron Stewart, Ben-Zai Alex Dyvall Artist 2000,
Tiefenrausch, E Rikkk / 07.02. - Max Fresh aka Hidden
Agenda / 22.02. - Matthias Tanzmann, Marlow, Thomas
Madvig
LEIPZIG - DISTLILLERY
08.02. - Karotte, Kay Paul, Mentell, Tinnio, Pacou (live),
Hanson & Schrempf, Drack / 09.02. - Killer, Tours 10, Manian, Oliber Berner, Der Kalte / 21.02. - Freesteppa, Kid Caipirinha, Dubberick, MC Phowa / 28.02. - Peanut Vendor, DJ
Raffneck, Lucky Sultan, Soca Twins, DJ Shad
STUTTGART - NEUE HEIMAT
01.02. - Surgeon, Attuk & Shon / 08.02. - Daniel Früh, Benavente & Yentner / 15.02. - Bill Youngman, Benavente,
Früh / 22.02. - DJ Pierre, Attuk, Yentner, Alexej
STUTTGART - SUITE 212
01.02. - Bob Bobsen, Phanta / 07.02. - Dutch Rhythm
Combo, Dublex Inc. / 08.02. - DJ Lightwood, Telmo A /
14.02. - Dublex Inc. / 15.02. - Kabuki, MC Glacious / 21.02.
- Dublex Inc. / 22.02. - The Greenman, MC Ronin / 28.02.
- Dj Trax, Dublex Inc.
TÜBINGEN - ORANGERIE
01.02. - M. Drysch / 08.02. - Benny Grauer / 15.02. - Olaf
Peisker
TÜBINGEN - TANGENTE
05.02. - F. Machine, Olaf Peisker, Muk / 12.02. - Muk,
benny Grauer, Olaf Peisker / 19.02. - MB, Chris Tough, M.
Drysch / 26.02. - Chris Tough, Muk, Benny Grauer
ULM - JAZZKELLER SAUSCHDALL
27.02. - Entartet
07.02. - Freestylers DJ's, MC Sir Real / 07.02. - Freestylers
/ 14.02. - United Future Organization / 14.02. - United
Future Origanization / 21.02. - E-Z Rollers
LEIPZIG - ILSE'S ERIKA
ULM - MAHATMA
01.02. - Mina, Le Hammond Inferno, Chip
08.02. - Cativo
HAMBURG - PHONODROME
MANNHEIM - CLUB PRIVAT
WIEN - FLEX
01.02. - Darren Christian, Axel Wirtz, Sven Dohse /
07.02. - Christian Morgenstern (live), Codec, Flexor (live), Maral Salmassi / 08.02. - Trancefeld (live), Alegria,
Space Safari, Chrisma, Peter Hollerbach / 14.02. - Looptroop / 15.02. - Pauk Cooper, Marc Vision, Loco Dice, Phly / 21.02. - Afru-Ra (live), Ben Kenobi, Mixwell, Johi,
Awid / 28.02. - Paul van Dyk
01.02. - Marc Bean, Dominick Baier / 06.02. - Nanopop-Labelnight: Namnambulu / 08.02. - Jan Sirup, Smood, Nse /
14.02. - S.L.A.M. aka Grille, Yana Heinstein / 15.02. - Neville Attree, Eloy Moreno / 20.02. - Feromon, Phonodrive /
21.02. - C/Rock, Shoe Bee
18.02. - Jeremy Caulfield / 20.02. - Markus Kienzl,
Schoen, Cpt. Joghurt / 27.02. - Smash, Plak, Cpt. Joghurt
MANNHEIM - DIE LOUNGE
WINTERTHUR - SALZHAUS
06.02. - Leila Abu-Er-Rub, Farbrauschen (live) / 13.02. - Tobi, CMB, Dragon / 20.02. - Raf Le Spoink, Superdefekt, Kanisquer (live) / 27.02. - Mixmaster Morris, Munit (live), Dominick Baier
01.02. - Vienna Scientists
MANNHEIM - MS CONNEXION
WÜRZBURG - AIRPORT
14.02. - Grooverider, Mickey Finn, Bryan G, L.D. Double,
MC GQ, MC Soul Train
01.02. - Good Groove, Paul Brtschitsch
HAMBURG - ROTE FLORA
01.02. - Hype, Mesia, Kju, Phage, Norman Webber /
08.02. - Freestylers DJ's, MC Sir Real / 15.02. - United Future Organization / 22.02. - Richard Bartz
14.02. - FU, Lowpro, Iaka, Sport, Con.Struct, Lxc (live),
Tantrum
01.02. - DJ Pierre, Stefan Kuechenmeister, Chi, Black /
08.02. - Marky, Eric Sneo / 14.02. - Hardcoremania /
SAARBRÜCKEN - CLUB NO. 1
01.02. - Donna Regina, Wechsel Garland, März
BERLIN - XMF
BINGEN - PALAZZO
08.02. - Lowtec (live), Paul David / 14.02. - Polyester,
Mischfühler / 18.02. - Taylor Savvy / 21.02. - Titonton Duvanté / 22.02. - Meat, Miriam Schulte, Patrick Raddatz
RAVENSBURG - CLUB DOUALA
01.02. - Carsten Jost, Lawrence / 02.02. - Superdefekt,
Raf Le Spoink / 05.02. - Mixwell & Friends / 07.02. - Marc
Schneider, Zoran Zupanic / 08.02. - Bonnie, Lawrence /
09.02. - Superdefekt, Raf Le Spoink, Bulboes / 12.02. Mr. Son & Twizzard / 14.02. - Marc Schneider, Zoran Zupanic / 15.02. - Bonnie, Carsten Jost / 16.02. - Moonbuggy (live), Superdefekt, Raf Le Spoink / 19.02. - Mixwell &
Friends / 21.02. - Marc Schneider, Zoran Zupanic / 22.02.
- Everlast Soundsystem / 23.02. - Handbag/Abba, Istari
Lasterfahrer / 25.02. - Alan Mc Gee, BP Fallon / 26.02. Mr. Son & Twizzard / 28.02. - Carsten Jost, Lawrence
07.02. - Concorde, Ten Fold Loadstar, Spillsbury / 08.02.
- Feedom (Peaches, Gonzales, Taylor Savvy), The Blood
Boys (Kissogram) / 14.02. - D.A.M., Das Tribe, M-Trick,
Switch / 28.02. - Hakan Lidbo (live), Andreas Tilliander
(live), Mikael Stavöstrand (live), Folie (live), Claudia Bonarelli (live), Bleed
OFFENBACH - ROTARI
01.02. - Kingstone Sound feat.: MC Rodney, Lazy Youth /
05.02. - Tonträger (live), Detlev Weinrich / 06.02. - Karsten John / 07.02. - Michael Mayer, Tobias Thomas, Superpitcher / 12.02. - Mars / 13.02. - Karsten John, Bernd
Maruo / 14.02. - Michael Mayer, Superpitcher, Tobias
Thomas / 19.02. - Darius James, Christoph Linder /
20.02. - Karsten John, Senor 45 / 21.02. - Michael Mayer,
Tobias Thomas / 22.02. - Kingstone Sound feat.: MC Rodney, Lazy South / 27.02. - Karsten John, Agape / 28.02. Superpitcher, Sascha Funke
07.02. - MIA, The Aim Of Design Is To Define Space, Flexevil, Bomsh
BERLIN - ZENTRAL
01.02. - Sebastian Wolf, Golden Red / 05.02. - Sebastian
Wolf, Golden Red / 15.02. - Sebastian Wolf, Golden Red /
21.02. - Napoli is Not Nepal (live), T.Raumschmiere, Thomas Venker, Arno Raffeiner / 22.02. - Sebastian Wolf,
Golden Red / 26.02. - Catya / 27.02. - Uh-Young Kim /
28.02. - Henree, DC, Walter B38, Miss Dee, Bob Humid
KÖLN - STUDIO 672
ESSEN - FINK CLUB
HAMBURG - PUDEL
01.02. - Jeremy Caulfield, Raumagent Alpha (live), Diringer
/ 08.02. - JACKMATE (LIVE), HIGHFISH, SVEN VT / 13.02. Nick Höppner, Henrik Deroux / 15.02. - Pure Science (live),
Mitja Prinz / 20.02. - John Tejada (live/DJ), Bleed / 21.02. Jazzanova / 22.02. - Rework (live), Andreas Sachwitz, Daniel Wetzel / 27.02. - Mo, El Puma / 27.02. - John Tejada, Bleed
/ 06.02. - Surprise, Andreas Sachwitz, Noshe
KÖLN - SICHTBAR
Heiko MSO / 08.02. - Yannick, Marek, lars Bartkuhn /
13.02. - Alex Koch, Heiko MSO, Johnny Love, Weller /
14.02. - Andrew Weatherall, Heiko MSO / 15.02. - Rework
(live), Losoul / 21.02. - Maurice Fulton, Joakim, Paul David / 22.02. - Ata's Aerobic Plus / 28.02. - Ricardo Villalobos, Zip
14.02. - Hype, Til / 21.02. - Westbam
BERLIN - VOLKSBÜHNE
BERLIN - WMF
06.02. - Richard Chartier, Marc Behrens, Bernhard Gün- 16.02. - Hamburg, Pudel / 25.02. - Marburg, Cafe Trauma /
ter / 20.02. - Stilluppsteypa / 26.02. - Andreas Tilliander, 26.02. - Ulm, Hansen / 27.02. - Basel, Areal / 28.02. - Konstanz,
Mikael Stavöstrand, Folie, Claudia Bonarelli
Kulturladen
HAMBURG - TANZHALLE
07.02. - Pfeil, M. Max / 08.02. - C. Hausmann, Poke / 13.02.
- Spillsbury (live), HH-DL, C. Hausmann / 14.02. - Deine Villa, Ronik / 15.02. - Ralf 10/100, Stanley Ipkiss (Parfüm) /
20.02. - Beige GT (live), Gebrüder Teichmann / 21.02. M.I.A., Jennifer / 27.02. - Puppetmastaz / 28.02. - Salz (live),
Poke, Turner, Jan-Eric Kaiser
HEIDELBERG - KARLSTORBAHNHOF
MATTSEE - DPM
WIESBADEN - SCHLACHTHOF
15.02. - Jonathan, Franksen, Sterofreund, Sonick
WUPPERTAL - 45RPM
13.02. - United Future Organization
WÜRZBURG - SOUNDBAR
22.02. - Cativo
15.02. - Jeremy Caulfield
MÜNCHEN - ORANGIER / CAFE REITSCHULE
ZÜRICH - BOGEN 13
15.02. - Chirs Korda (live), DJ Mooner
28.02. - Wevie Stonder (live), Monoblock B (live), Fizzerpop (live), John Player, Cio
MÜNCHEN - PATHOS
ZÜRICH - BOSCHBAR
07.02. - Jee, Rho / 14.02. - Pole, Barbara Presinger, Daniel Meteo / 21.02. - Baze.Djunkiii, Nemo, Rocker
07.02. - Rob Hall, Team Doyobi, Person, Cio, Metastar
MÜNSTER - LUNA BAR
07.02. - Extra Produktionen, Anton Kubikov
NÜRNBERG - DESI
07.02. - ASC, Matizz, Probe One, Modernmellow
NÜRNBERG - K4
25.02. - Pram, Radio Megenta
21.02. - Vienna Scientists
OFFENBACH - ROBERT JOHNSON
01.02. - Matthias Tanzmann, Sasse / 07.02. - Dan Bell,
ZÜRICH - SUBSTRAT
01.02. - DJ Mooner, DJ Vostok, John Player / 04.02. - Roger M, Aron G. / 06.02. Bon Bobsen, Phanta, Mewa /
07.02. - Kugelfisch, Nader (live) / 08.02. - Savas Pascalidis, The Addiction (live), O-Gee / 15.02. - 2Raum DJ
Team, Immer / 20.02. - Annelise Coste / 21.02. - Goon,
Mini Matic / 22.02. - Miss Kittin & The Hacker DJ Team /
27.02. - Alex Gustafson, Alex Dallas / 28.02. - Nokia 3210,
Metastar /