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Informationen zur Raumentwicklung Heft 5/6.2010 429 Zentrale Büroimmobilienmärkte der Semi-Peripherie – zwischen globaler Integration und lokaler Verankerung André Scharmanski Das Beispiel Mexiko City und São Paulo 1 Globalisierung und lokale Verankerung der Immobilienwirtschaft Abbildung 1 Zunahme grenzüberschreitender Immobilieninvestitionen Weltweite Gewerbeimmobiliendirektinvestitionen in Mrd. US-Dollar, Anteil national1 und grenzüberschreitend2 in % Globale Immobilienwirtschaft ... 795 700 Wie auch andere Wirtschaftszweige ist die Immobilienwirtschaft heute von deutlichen Globalisierungstendenzen erfasst. Gerade institutionelle Investoren wie börsenoder nicht börsennotierte Gesellschaften (z. B. Real Estate Investment Trusts bzw. offene Immobilienfonds), Versicherungen, Pensionskassen und Projektentwickler orientieren sich verstärkt weg von ihrem angestammten nationalen Terrain und streuen ihre Anlagen über die Märkte mehrerer Länder. So haben sich im Bereich der gewerblichen Immobilien die grenzüberschreitenden Investitionen seit 2003 auf 353 Mrd. US$ im Jahr 2007 nahezu vervierfacht, womit schon fast die Hälfte aller Transaktionen nationale Grenzen überschreiten (Abb. 1). Parallel gewinnen globale Kapitalquellen an Bedeutung. Das betrifft Investmentfonds, deren Kapital aus vielen Ländern stammt und die damit nicht einem einzigen Land zuzuordnen sind. Auch wenn sich im Sog der Wirtschaftskrise das weltweite Investitionsvolumen 2008 nahezu halbiert hat, ist die Tendenz zur Internationalisierung ungebrochen. Neben dem wachsenden Volumen internationaler Transaktionen zeigt sich auch ein verändertes geographisches Muster der Ziele für Immobilienanlagen. Zwar entfallen rund zwei Drittel der weltweiten Kapitalströme noch auf die etablierten Investitionsziele USA, Großbritannien, Deutschland, Frankreich und Japan, doch zeichnen die Wachstumsraten bereits ein anderes Bild. Unter den 20 Immobilienmärkten mit den höchsten Investitionszuwächsen befinden sich zwölf aufstrebende Standorte in Asien, Mittel- und Osteuropa und Lateinamerika.1 Damit erfahren auch vormals stark lokal 393 354 378 34% 30% 25% 44% 70% 76% 2003 47% 43% 495 2004 grenzüberschreitend 66% 2005 53% 57% 2006 20037 56% 2008 national Investor stammt aus dem Land, in dem die Transaktion vollzogen wird 2 Investor stammt von außerhalb des Landes, in der die Transaktion stattfindet 1 Quelle: Jones Lang LaSalle: Real value in a changing world. – London 2008 geprägte Immobilienstandorte der SemiPeripherie2 einen signifikanten Zuwachs an ausländischem Investment. Neu sind vor allem die Intensität, geographische Ausdehnung und Beschleunigung grenzüberschreitender Aktivitäten, die engmaschige translokale Verflechtungen mit sich bringen. Der verstärkte Zufluss an ausländischen Kapitalströmen, der Markteintritt globaler Immobilienakteure und die Verbreitung globaler Standards und Normen bewirken eine Umgestaltung bzw. Rekonstruktion der lokalen Immobilienmärkte. Fallbeispiele aus Osteuropa zeigen, dass in osteuropäischen Großstädten internationale Immobilienmärkte nahezu abgekoppelt vom lokalen Marktgeschehen entstehen und darin auch nur wenige ansässige Unternehmen eingebunden sind.3 Parnreiter4 umschreibt den Prozess der zunehmenden Herauslösung bestimmter Marktsegmente aus dem nationalen Kontext mit dem Begriff Transnationalisierung. Dr. André Scharmanski Bundesinstitut für Bau-, Stadtund Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung Deichmanns Aue 31–37 53179 Bonn E-Mail: andre.scharmanski@ bbr.bund.de 430 André Scharmanski: Zentrale Büroimmobilienmärkte der Semi-Peripherie – zwischen globaler Integration und lokaler Verankerung Transnationale Märkte werden demzufolge von Investoren, Projektentwicklern, Beratern etc. produziert und genutzt, die nationalstaatlich nicht mehr eindeutig zugeordnet werden können und regelmäßig in grenzüberschreitenden Transaktionen beteiligt sind. Die Entnationalisierung bezieht sich nicht nur auf die Akteure, sondern gleichermaßen auf die Normsetzung und Standardisierung bei der Produktion und Bewertung der Immobilienmärkte, die immer stärker durch transnationale Akteure gesteuert und diktiert wird. … oder doch lokale Verankerung Einige empirische Studien artikulieren allerdings abweichende Meinungen zur globalen Immobilienwirtschaft und betonen als Gegenentwurf die lokale Verwurzelung der Immobilienwirtschaft.5 Laut Wood6 bietet der Immobiliensektor nur wenig Spielraum zur Globalisierung: „An industry that remains stubbornly local“. Denn erfolgreiche direkte Investitionen können im Prinzip nur getätigt werden, wenn sich die Immobilienakteure mit den jeweiligen Spielregeln des Immobilienmarkts vertraut gemacht haben und vor Ort engmaschig vernetzt sind. Gerade der Austausch von immobilienbezogenem Wissen, das Verstehen marktspezifischer Spielregeln und die Einbindung in lokale Netzwerkstrukturen erfordert weiterhin räumliche Nähe. Dies gilt im Besonderen für Investitionen in intransparenten Immobilienstandorten, für die keine verlässlichen und vollständigen Informationen verfügbar sind und deren rechtlichen sowie politischen Rahmenbedingungen häufigen Änderungen unterliegen.7 Die Verbreitung von Informationen – etwa über geplante Projekte der Konkurrenz, geeignete Standorte, jüngste Marktentwicklungen und Schlüsselakteure – bleibt in diesen Fällen häufig lokal fixiert und exklusiv. Gleichermaßen sind die Immobilienmärkte mit formellen und informellen Regeln der ökonomischen Praxis durchzogen, die in örtlichen Kontexten permanent verfeinert, korrigiert und reproduziert werden und für ausländische Investoren partiell undurchsichtig bleiben. Die Studie von Wood über den Projektentwicklungsmarkt einer US-amerikanischen Mittelstadt erfasst zwar nur einen begrenzten Bildausschnitt der weltweiten Immobilienlandschaft. Dennoch enthält sie Hinweise darauf, dass die Immobilienwirtschaft nicht nur wegen des Charakters der Immobilie, die naturgemäß verortet ist, sondern auch aufgrund der verorteten Informationen, Kenntnisse und Spielregeln nicht schrankenlos mobil geworden ist. Vielmehr konstituieren sich heterogene Immobilienmärkte aus dem Zusammenspiel lokaler Eigenarten und globaler Einflüsse unterschiedlicher Art und Stärke. Diese Sichtweise dockt an die gegenwärtige Diskussion in den Sozialwissenschaften an, inwieweit globale Prozesse in lokale Kontexte hineingetragen werden und in welcher Relation dabei das Globale und das Lokale zueinander stehen. Die Immobilienwirtschaft bietet hierzu mit einerseits räumlich verankerten Immobilien, Wissen, Institu tionen und soziale Netzwerken und andererseits starken Globalisierungstendenzen ein interessantes Untersuchungsfeld. Diesen Überlegungen folgend, widmet sich dieser Beitrag den Globalisierungsprozessen in der gewerblichen Immobilienwirtschaft und deren Auswirkungen auf der lokalen Ebene. 2 Immobilienmärkte aus institutioneller Perspektive Zur erweiterten theoretischen Fundierung der Thematik kann die Betrachtung der Immobilienwirtschaft aus institutioneller Perspektive8 beitragen. Im Einklang mit dem sozial konstituierten Raumverständnis, das sich in den 1990er Jahren in den Sozialwissenschaften etabliert hat9, werden Immobilienmärkte dabei nicht als gegeben und eindeutig fixierte Einheiten gesehen, sondern fortlaufend durch Entscheidungen, Strategien, Machtpositionen und Beziehungen der Immobilienakteure gemeinsam gesteuert, produziert und konstituiert. Nicht der Raum per se, sondern die beobachtbare Struktur und Dynamik ökonomischer Beziehungen und deren Akteure rücken damit in den Fokus. Wie Abbildung 2 illustriert, vollzieht sich das Handeln der Immobilienakteure nicht kontextfrei zwischen isolierten Akteuren, sondern ist eingebettet in fortlaufende Systeme sozialer Beziehungen und institutioneller Strukturen. Der Handlungskorridor der Immobilienakteure ist immer auch das Ergebnis institutioneller Bedingungen, die Informationen zur Raumentwicklung Heft 5/6.2010 sich aus der politischen Grundordnung, dem Gesellschafts-, dem Wirtschafts- und Rechtssystem eines Landes (environment) zusammenfügen und auf nationaler Ebene fixiert werden. Wie Gotham in seiner Studie zum Handel mit hypothekarisch gesicherten Wertpapieren und REITs in den USA demonstriert, ist der Staat beispielsweise mittels wirtschaftspolitischer und rechtlicher Maßnahmen in der Lage, die Liquidität auf Immobilienmärkten grundlegend zu erhöhen, aber auch einzuschränken.10 Das Verhältnis zwischen den Akteuren und institutionellen Rahmenbedingungen ist allerdings nicht nur einseitig, sondern interdependent. So können beispielsweise (mächtige) Immobilienakteure auf die Gestaltung dieser Rahmenbedingungen einwirken.11 Zwischen den institutionellen Rahmenbedingungen und den handelnden Marktteilnehmern fungiert der Immobilienmarkt selbst als Institution (specific rules of the game) und konstituiert sich aus formellen und informellen Institutionen. Erstere manifestieren sich in festgeschriebenen Formen dauerhaft geregelter Transaktionsbeziehungen wie z. B. Planungsrichtlinien, Vorschriften, Bauordnungen. Informelle Institutionen zeichnen sich durch eine geringe Regelungsdichte und nicht formalisierte Regeln, Gewohnheiten, Praktiken, Verhaltensweisen, ungeschriebene Gesetze etc. aus, die in örtlichen Kontexten institutionalisiert und permanent korrigiert werden. Beide Kategorien reduzieren die Unsicherheit für Immobilienakteure insofern, als sie eine Grundlage für deren Erwartungen und Entscheidungen und damit eine gewisse Stabilität und Vorhersehbarkeit liefern. Die Kategorisierung lokaler Immobilienmärkte als Institutionen soll allerdings keinesfalls ein kohäsives und einheitliches Gebilde suggerieren, sondern vielmehr ein Netzwerk unterschiedlicher Regeln, Konventionen, Verbindungen etc., die zusammen einen Rahmen präsentieren, in dem beispielsweise Büroimmobilien geplant, realisiert und gehandelt werden. Diese institutionellen Charakteristika variieren zum einen stark räumlich zwischen den einzelnen lokalen Immobilienmärkten und zum anderen auch im zeitlichen Kontext. Auf der untersten Ebene stehen schließlich die Marktteilnehmer eines spezifischen Immobilienmarkts (player of the game). Das 431 Abbildung 2 Immobilienmärkte aus institutioneller Perspektive Environment Institutionelle Rahmenbedingungen Politische Grundordnung Gesellschaftssystem Wirtschaftssystem Rechtssystem Specific rules of the game Immobilienmarkt als Institution Informelle Institution (nicht formalisierte Regeln, Normen, Konventionen, Verhaltsweisen etc.) Formelle Institutionen: festgeschriebene Formen dauerhaft geregelter Transaktionsbeziehungen (Gesetze etc.) Player of the game Akteure des Immobilienmarktes Nutzer (Käufer, Mieter) Finanziers Investoren/Projektentwickler Berater/Makler Institutionen/Verbände Öffentliche und private Behörden etc. Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Keogh, G.; D’Arcy, É.: Property Market Efficiency: An institutional economics perspective. Urban Studies 36 (1999) H. 13 Handeln der Akteure wird hierbei nicht isoliert von anderen Akteuren betrachtet. Empirische Arbeiten zur Internationalisierung in der Immobilienwirtschaft zeigen u.a. auf, dass soziale Beziehungen Investitionsentscheidungen prägen, indem Immobilienakteure ihre Wettbewerber beobachten und deren Investitionsverhalten imitieren.12 Angestoßen durch bestehende Partnerschaften geraten zudem auch Investitionsdestinationen in den Fokus global ausgerichteter Investoren, die sonst eventuell aus dem Raster fallen würden. Dementsprechend gründet das Handeln der einzelnen Immobilienakteure in der gewählten Perspektive stärker in den sozialen Beziehungen zu Stakeholdern wie z. B. Konkurrenten, Kooperationspartnern, Immobilienberatern etc. sowie deren Einbettung in soziale Strukturen. Kontinuierliche Anpassung der institutionellen Architektur Das skizzierte institutionelle System offenbart sich nicht als statisches Konstrukt, vielmehr sind Wechselbeziehungen und kontinuierliche Anpassungsprozesse zwischen Institutionen und Akteuren die Normalität. So sind die Institutionen, die den Handlungsspielraum für die Immobilienakteure bilden, sozial konstruiert und reflektieren damit die marktspezifischen Interessen und Machtkonstellationen. Dem- 432 André Scharmanski: Zentrale Büroimmobilienmärkte der Semi-Peripherie – zwischen globaler Integration und lokaler Verankerung zufolge repräsentieren sie nicht immer die effizienteste Marktstruktur. Denn nicht alle Marktakteure profitieren gleichermaßen von den gegebenen institutionellen Strukturen. Gerade mächtige Akteure sind in der Lage, mittels ihrer finanziellen und persönlichen Machtressourcen (z. B. Beziehungen) Institutionen zu ihrem Vorteil zu verändern bzw. ineffiziente institutionelle Strukturen aufrechtzuerhalten, wenn diese ihren Interessen entsprechen. Wie oben dargelegt, bleibt die Gestaltung der Immobilienmärkte durch die zunehmende Internationalisierung nicht mehr allein auf kopräsente Einflüsse begrenzt, sondern wird zunehmend auch von weit entfernten Praktiken und Entscheidungen tangiert. Dabei üben der Markteintritt globaler Immobilienakteure und die weltweite Verbreitung und Etablierung globaler Standards und Normen Druck auf die Umgestaltung bzw. Rekonstruktion marktspezifischer Spielregeln aus. Die neuen Akteure und die Einführung globaler Spielregeln verändern auf vormals lokalen Immobilienmärkten nicht nur deren institutionelle Architektur, sondern schließlich auch die physisch-materielle Gestalt der Stadt, indem sich beispielsweise funktionale und architektonische Standards weltweit angleichen. Es lässt sich festhalten, dass sich die Entwicklungen von Immobilienmärkten nicht allein lokal vor Ort erschließen und deuten lassen. Vielmehr überlappen sich globale, nationale und lokale Akteure, Praktiken und Standards etc. in einer außerordentlich komplexen Art und Weise und konstituieren damit eine Vielzahl heterogener Immobilienmärkte. Immobilienmärkte und deren Spielregeln sind also keine gegebenen und eindeutig fixierten Einheiten, sondern werden fortlaufend durch Akteure verschiedener räumlicher Ebenen gemeinsam produziert und gesteuert. Daraus entwickeln sich neuartige Macht- und Konkurrenzverhältnisse, die Konflikte zwischen lokalen und internationalen Akteuren in sich bergen. Diese vielfältigen wechselseitigen Prozesse der Ausgestaltung neuer Immobilienarchitekturen im Spannungsfeld lokaler und internationaler Akteure werden im Folgenden näher analysiert. Beispiele sind die Büromärkte in Mexiko City und São Paulo. 3 Büromärkte im Wirkungsfeld der Globalisierung: die Beispiele Mexiko City und São Paulo Die lateinamerikanischen Metropolen Mexiko City und São Paulo haben sich in den letzten Jahren zu potenziellen Investi tionsstandorten auf der internationalen Immobilienlandkarte entwickelt. Mexiko City verfügt heute mit ca. 10 Mio. m2 Bürofläche (80 % des Gesamtbestands in Mexiko) über den wichtigsten und größten Büroimmobilienmarkt in Lateinamerika (siehe Abb. 3). Etwa ein Drittel davon, insgesamt 3,1 Mio. m2, wird hochwertigen Klasse AObjekten13 mit zeitgemäßen internationalen Bau- und Technikstandards zugeordnet. Diese Objekte sind sehr ungleich auf das Stadtgebiet verteilt und konzentrieren sich ausschließlich auf den Westen und Südwesten. Ein Viertel des gesamten Bestands ist in Santa Fé lokalisiert. Es folgen Lomas de Chapultepec, Perisur, Insurgentes, Bosques, Polanco und Reforma. Mit rund 8 Mio. m2 Bürofläche steht São Paulo in Lateinamerika an zweiter Stelle, wobei ein Drittel des Bestands als Klasse A klassifiziert wird. Ähnlich wie in Mexiko City liegen die modernen Immobilienteilmärkte im Südwesten der Metropole. Der größte Anteil an der kommerziellen Flächennutzung entfällt auf die Büroteilmärkte Berrini, Marginal, Faria Lima und Paulista, wo insgesamt rund 60 % der 2 Mio. m2 Büroflächen lokalisiert sind. Bei diesen Märkten handelt es sich quantitativ und qualitativ um den Kern des Büromarkts. Wie aber wirkt sich diese neue Position im internationalen Immobiliengeschäft konkret auf die Märkte und deren Spielregeln aus? Bezugnehmend auf Kapitel 2, in dem Immobilienmärkte selbst als sozial konstruiert konzipiert wurden, kann der Markteintritt globaler Akteure Druck auf die Umgestaltung bzw. Rekonstruktion marktspezifischer Spielregeln ausüben. Aus dieser Sichtweise bestimmen nicht die lokalisierten formellen und informellen Institutionen die Entwicklung eines Immobilienmarkts, sondern die Immobilienakteure gestalten die Immobilienmarktentwicklung. An diesem Punkt setzt eine vergleichende Studie an, die nach den konkreten Einflüssen globaler Akteure auf die Gestaltung der Büromärkte in Mexiko City und São Paulo fragt. Auf ihrer Basis werden im Folgen- Informationen zur Raumentwicklung Heft 5/6.2010 433 Abbildung 3 Kennzahlen der Büroimmobilienteilmärkte (Klasse A) 2008 Quellen: CB Richard Ellis: Mexico City. Marketview. Office market – second quarter. – Mexico City 2008; Jones lang LaSalle: São Paulo. Real estate profile. – São Paulo den die konkreten Implikationen globaler Prozesse auf die Immobilienmärkte näher analysiert und diskutiert. Im Fokus stehen dabei modifizierte Akteurs- und Machtkonstellationen, neue Wissenskomponenten und Standards sowie veränderte räumliche Marktstrukturen auf beiden Märkten. Neue Akteure Wenngleich die Entwicklungen auf den Büromärkten von Mexiko City und São Paulo etwas zeitversetzt verliefen, lassen sich dennoch allgemeine Prinzipien über den Internationalisierungspfad vormals lokaler Immobilienmärkte ableiten. An beiden Standorten eröffneten internationale Unternehmen mit ihrer Nachfrage nach modernen Büroflächen die Sequenz der Marktzutritte ausländischer Immobilienakteure. Mexiko City gewann im Zuge der Marktöffnung ab Mitte der 1980er Jahre an Attraktivität für ausländische Unternehmen. Mit dem NAFTA-Abkommen nahm dieser Anteil weiter zu. In São Paulo trieb erst die Privatisierung großer Staatsbetriebe Mitte der 1990er Jahre nach der sog. verlorenen Dekade16 den Markteintritt ausländischer Unternehmen entscheidend an. Zieht man als Bewertungsgrundlage die Anzahl ausländischer Unternehmen (über 5 000 in Mexiko City, rund 3 500 in São Paulo) und deren Anteil am gesamten Vermietungsvolumen im hochwertigen Segment (2007 rund 50 % in Mexiko City, ca. 60 % in São Paulo) heran, kann zweifelsohne von internationalisierten Mietsektoren gesprochen werden. Nahezu alle regionalen Headquarters transnationaler Unternehmen sind in den beiden Metropolen lokalisiert. Im Gefolge der internationalen Immobiliennutzer begannen global operierende Beratungsunternehmen vor allem Anfang und Mitte der 1990er Jahre eigene Niederlassungen in Mexiko City und São Paulo aufzubauen. Seitdem sind sie fester Bestandteil der lokalen Immobilienszene. Die lokale Einbettung wurde in beiden Untersuchungsmärkten entweder mittels Partnerschaften bzw. Übernahmen lokaler Unternehmen oder durch das Abwerben lokaler Experten von Konkurrenzfirmen erzielt. Das Beratungshaus Cushman & Wakefield baute sich beispielsweise seine Lateinamerika-Plattform über die vorübergehende Zusammenarbeit mit lokalen Beratern wie Grupo Comercial Inmobiliario in Mexiko City und 434 André Scharmanski: Zentrale Büroimmobilienmärkte der Semi-Peripherie – zwischen globaler Integration und lokaler Verankerung Methodische Aspekte der Studie Die Vergleichsstudie beruht auf insgesamt 47 Leitfadeninterviews mit lokalen, nationalen und ausländischen Investoren, Projektentwicklern, Beratern und sonstigen Immobilienakteuren, die sowohl auf dem Immobilienmarkt von Mexiko City wie auch von São Paulo bzgl. Transaktionsvolumen und Marktanteilen etc. eine gewichtige Rolle einnehmen und deren Hauptgeschäftsfeld dem Büroimmobiliensektor zugeordnet werden kann.14 Die Wahl der lateinamerikanischen Metropolen Mexiko City und São Paulo hatte drei Gründe: Erstens ist es besonders interessant, die Auswirkungen der Globalisierung auf Immobilienmärkten zu untersuchen, die lange Zeit durch nationale Regulierungen abgeschottet waren und von globalen Akteuren als zu unsicher eingestuft wurden. Zweitens haben gerade Mexiko und Brasilien in den letzten Jahren von hohen Rohstoffpreisen, steigenden Devisenreserven und wirtschaftspolitischen Reformen profitiert, was eine Nachfragespirale nach modernen Büroimmobilien in Gang gesetzt hat. Drittens konzentrieren sich jüngste Investitionsaktivitäten in Lateinamerika auf die Immobilienmärkte dieser beiden Städte, die in vielen Studien zur Position lateinamerikanischer Metropolen15 im globalen Umfeld als Global Cities angeführt werden. Semco in São Paulo aus. Nach den ausländischen Beratern, die gleichzeitig auch als Gebäudemanager aktiv sind, kam es in beiden Märkten zu ersten zaghaften Vorstößen ausländischer Projektentwickler. Investi tionsbeschränkungen, erhebliche rechtliche Hürden sowie die komplizierte Aufnahme von Fremdkapital führten dazu, dass dieser Teilmarkt erst relativ spät von ausländischen Akteuren entdeckt wurde und bis heute eher lokal ausgeprägt ist. Wenngleich nordamerikanische Unternehmen wie Tishman Speyer, Hines oder Reichmann mit spektakulären Objektentwicklungen wie z. B. dem Torre Mayor in Mexiko City oder dem Torre Norte in São Paulo auf sich aufmerksam gemacht haben, ist deren Marktanteil noch marginal. Im Investmentsegment setzte der entscheidende Durchbruch in beiden Metropolen erst in den letzten Jahren ein, wobei São Paulo laut Interviewpartner gegenüber Mexiko City zwischen vier und sechs Jahre in der Entwicklung hinterherhinkt. Ein stabiles Wirtschaftsklima bescherte den Märkten zunächst Zuflüsse von eher risikoorientierten, sehr stark fremdfinanzierten opportunistischen Investoren aus den USA. Während in Mexiko City ein Großteil dieser Akteure bereits Mitte der 1990er Jahre im Zuge der NAFTA-Vereinbarungen Investitionen tätigte, ist dieser Investortyp in São Paulo ein relativ junges Phänomen. Die zeitversetzte Internationalisierung der brasilianischen Metropole ist insbesondere auf die starke Marktstellung nationaler Investoren (v.a. Pensionskassen), den spä- ter einsetzenden Liberalisierungskurs und die bis 2002/2003 anhaltenden politischen und wirtschaftlichen Instabilitäten zurückzuführen. Märkteübergreifend nehmen schließlich institutionelle Investoren das letzte Glied in der Kette der Markteintritte ein. So drängen seit einigen Jahren in Mexiko City nun auch institutionelle eigenkapitalstarke Investoren verstärkt auf den Markt, wobei die Integration in das weltweite Immobiliengeschäft wesentlich durch das Investment-Grade-Rating Mexikos im Jahr 2002 vorangetrieben wurde. Während in Mexiko City institutionelle Investoren aus dem Ausland bereits Büroimmobilien erworben haben – ein bekanntes Beispiel ist die Union Investment Real Estate AG, die ab 2005 für den deutschen offenen Immobilienfonds DIFA-Global rund 370 Mio. US$ in Büroimmobilien investiert hat –, stand deren Markteintritt in São Paulo Mitte 2006 noch aus. Gleichwohl zeigten sich die Interviewpartner darüber einig, dass es klare Anzeichen für einen bevorstehenden Markteintritt großer institutioneller Immobilienanleger gibt. Zur positiven Stimmung trägt neben der BRICs-Story17 das jüngste „Investment Grade-Rating“18 für Brasilien bei, das den Zugang zu Krediten mit attraktiven Konditionen für die brasilianische Immobilienwirtschaft sowie den Markteintritt großer institutioneller Anleger aus dem Ausland erleichtert. Veränderte Machtkonstellationen Im Verlauf der Internationalisierung werden durch den Markteintritt ausländischer Immobilienakteure nicht nur neue Akteurskonstellationen geschaffen, sondern auch Machtpositionen vor Ort neu austariert. Die Internationalisierung trägt zunächst dazu bei, dass sich die Konkurrenz um exponierte Standorte und Gebäude verschärft. Auf beiden Mietmärkten verfügen die ausländischen Unternehmen als Mieter in der Regel über eine höhere Zahlungsfähigkeit (finanzielle Machtressourcen) als lokale Unternehmen und können diese bei der Standort- und Objektwahl überbieten. Im hochwertigen Triple-A-Segment liegt der Anteil internationaler Mieter in beiden Märkten dementsprechend über 80 %. Die Hauptsitze multinationaler Unternehmen konzentrieren sich jeweils in den neuen Zentren der global orientierten Ökonomie, wie z. B. Santa Fé in Mexiko City oder Berrini in São Paulo. Informationen zur Raumentwicklung Heft 5/6.2010 Mit der Öffnung der Büromärkte treten auch immer mehr kapitalkräftige globale Investoren als neue Wettbewerber ein. Der Zufluss ausländischer Investitionsströme trifft zunächst auf ein begrenztes Angebot an hochwertigen Büroimmobilien, womit sich die Konkurrenz intensiviert. Die institutionellen Investoren aus dem Ausland verfügen im Vergleich zu lokalen Marktakteuren in der Regel über einen höheren Anteil an liquidem Kapital und bessere Zugangsmöglichkeiten zu Fremdkapital (finanzielle Machtressourcen), zumal bis vor wenigen Jahren in Mexiko und Brasilien nur sehr begrenzt externe Finanzierungsquellen existierten. Mit ihren Investitionen sorgen die internationalen Investoren für Preissteigerungen und neue Marktstrukturen. Dies führt in einigen Fällen dazu, dass kapitalschwache lokale Unternehmen vom Markt bzw. in Marktnischen gedrängt werden und beim Wettbewerb um die attraktivsten Immobilien das Nachsehen haben. Auch bei Projektentwicklungen ergeben sich durch den Markteintritt internationaler Firmen und die Möglichkeit neuer internationaler Finanzierungsquellen veränderte Machtkonstellationen. Während börsennotierte nationale Entwickler besonders in Brasilien immer größer und mächtiger werden und mit den internationalen Akteuren konkurrieren können, sind vor allem kleinere lokale Projektentwickler diesem neuen Wettbewerb chancenlos ausgeliefert und verlagern ihr Kerngeschäft häufig in den Wohnsektor. Mittelfristig wird eine Konsolidierung im Projektentwicklersegment erwartet, indem lokale Unternehmen sich zusammenschließen oder vom Markt verschwinden. Ein weiteres Beispiel für die Verschiebung der Machtverhältnisse stellt das Beratungssegment dar. Lässt man den Klasse-B/C-Markt außer Betracht, ist die Beraterbranche weitgehend vom lokalen Marktgeschehen abgekoppelt. Insbesondere das Geschäft mit internationalen Mietern in hochwertigen Büroprojekten der neuen CBDs wird in beiden Märkten überwiegend von international agierenden Beratern abgewickelt. Lokale Berater indes wurden vom Büromarkt verdrängt oder von transnationalen Konzernen sukzessive übernommen (z. B. Semco durch Cushman & Wakefield). Andere wiederum sind als selbstständige Unternehmen weltweit agierenden part- 435 nerschaftlichen Organisationen beigetreten (z. B. Lomelín in Colliers International). Die übrigen lokalen Berater besetzen heute überwiegend Marktnischen. Die Machtposition im hochwertigen Büroimmobiliengeschäft verdanken die transnationalen Berater vor allem ihren engen weltweiten Netzwerken mit den großen und internatio nal aufgestellten Unternehmen (persönliche Machtressourcen) und dem wechselseitigen Vertrauen aus früheren Transaktionen. Als weitere Machtressource wirkt ihr weltweites Standortnetz. Es ermöglicht es ihnen, jederzeit sowohl spezifisches lokales Wissen anzuzapfen bzw. Expertisen in verschiedenen Lokalitäten zu mobilisieren als auch allgemeine internationale Entwicklungen und Trends aufzugreifen (immaterielle Machtressourcen). Auch wenn einige lokale Unternehmen durch das Auftreten mächtiger ausländischer Unternehmen an Marktanteil und Einfluss verlieren, beweisen Beispiele aus den untersuchten Märkten, dass sie nicht automatisch zu den Verlierern der Internationalisierung gestempelt werden sollten. Gerade in global-lokalen Partnerschaften kristallisieren sich die persönlichen Machtressourcen der lokalen Akteure in Form von Wissen und Netzwerken als unentbehrlich für den erfolgreichen Markteintritt globaler Akteure heraus. Gleichermaßen eröffneten sich für die lokalen Unternehmen in diesem Fall auch neue Spielräume, die beispielsweise durch einen besseren Kapitalzugang und eine engere Vernetzung in die internationale Immobilienwelt zu einer Machterweiterung genutzt werden konnten. Ein Beispiel ist das mexikanische Immobilienunternehmen G. Acción, das sich zu einem der wichtigsten privatwirtschaftlichen Akteure im mexikanischen Immobilienmarkt entwickelt hat. Entscheidend dafür war der Zugriff auf die finanziellen (Kapital) und immateriellen Machtressourcen (v. a. Finanzmarktwissen) der US-amerikanischen Partner AMB Property Corporation und Kimco und der spanischen Grupo Lar. Um ihre Machtressourcen mobilisieren und ihre Interessen durchsetzen zu können, waren auf der anderen Seite auch die Investoren aus dem Ausland auf die strategische Partnerschaft mit dem mexikanischen Unternehmen angewiesen. Dabei ging es vor allem um den Zugang zu lokalspezifischem Wissen (immaterielle Machtressourcen) und zu den 436 André Scharmanski: Zentrale Büroimmobilienmärkte der Semi-Peripherie – zwischen globaler Integration und lokaler Verankerung vielfältigen persönlichen Kontakten (persönliche Machtressourcen) von G. Acción. Schließlich werden auch zwischen privatwirtschaftlichen und öffentlichen Immobilienakteuren die Machtpositionen neu austariert. Zwar zeigt eine Analyse der Machtverhältnisse den weiterhin bestehenden Einfluss öffentlicher Regulierung auf die Immobilienmarktentwicklung (z. B. über Bauvorschriften, Subventionen). Beispiele hierfür sind Förderprogramme der öffentlichen Hand, wie etwa zur Revitalisierung des Reforma-Korridors in Mexiko City, die die Entwicklung von Bürozentren wesentlich beeinflussen. Allerdings werden zum einen wichtige Aufgaben an privatwirtschaftliche Unternehmen ausgelagert und gewinnen zum anderen Verwertungsinteressen des privaten Kapitals an Bedeutung. Gerade die im marktwirtschaftlichen Engagement geübten Investoren aus dem Ausland nutzen neue Spielräume, um ihre Interessen bzgl. Baulandausweisung, Architektur, Bauhöhe etc. durchzusetzen und nehmen damit einen immer größeren Einfluss auf die Ausgestaltung der Planung. Wissenstransfer zwischen lokalen und globalen Immobilienakteuren Immobilieninvestitionen begrenzen sich nicht nur auf den bloßen Kapitaltransfer, sondern schließen in der Regel einen intensiven Wissenstransfer zwischen lokalen und globalen Marktteilnehmern ein. Die involvierten globalen Immobilienakteure transportieren immobilienwirtschaftliches Wissen, neue Praktiken sowie Standards und stellen damit eine bedeutende Determinante für die Dynamik und Entwicklung der lokalen Immobilienmärkte dar. Insbesondere in enger Zusammenarbeit werden Lernprozesse zwischen Unternehmen in Gang gesetzt, die überwiegend zweiseitig verlaufen (learning by interacting). Auf der einen Seite beherrschen und transportieren erfahrene Immobilienakteure aus den Kernökonomien immobilien- und finanzwirtschaftliches Wissen sowie weltweit gängige Management-, Finanzierungs- und Qualitätsstandards und geben damit neuartige und effiziente Lösungswege für lokale Partnerunternehmen vor. Auf der anderen Seite profitieren die globalen Akteure vom Marktwissen und engen Kontaktnetz des lokalen Partners. Anstelle selbst mühsam und kostenaufwändig Netzwerke zu knüpfen, versuchen ausländische Immobilienakteure lokale Wissensquellen sprunghaft mittels lokaler Partner zu erschließen und sich damit stärker in den lokalen Markt einzubetten. In beiden Märkten waren sich die Gesprächspartner zwar darüber einig, dass der Markteintritt internationaler Akteure mit einem Wissenstransfer verknüpft ist, der das Qualifikationsprofil lokaler Akteure und damit auch deren Professionalität erweitert. Ob das globale Wissen allerdings von lokalen Kooperationspartnern internalisiert werden kann, hängt von deren Absorptionskapazität (z. B. Ausbildung der Mitarbeiter) und Offenheit gegenüber Neuerungen sowie der Art und der Dauer der Zusammenarbeit ab. Hierbei scheint vor allem starken, engen, dauerhaften Beziehungen wie strategischen Partnerschaften eine besondere Relevanz für den Erfolg interorganisationalen Lernens zuzukommen, wobei lokale Akteure auch in kurzfristigen und eher losen Projektpartnerschaften mit neuem Wissen in Kontakt kommen und dieses teilweise in späteren Projekten replizieren. Neben interaktionsbezogenen Lernformen belegt die Studie, dass in einigen Fällen globale Immobilienakteure ihre lokalen Partner aktiv schulen und fortbilden, um deren Methoden und Praktiken an ihre Standards heranzuführen (learning through training). Besonders ausgeprägt zeigt sich diese Art von Lernprozessen bei Beratungsunternehmen, die von transnationalen Unternehmen neu gegründet oder übernommen wurden. Systematische Fortbildungsprogramme und ein mit der Zentrale gekoppeltes organisationales Lernen sollen möglichst schnell zu einer Angleichung der Standards und Praktiken führen. Um die lokalen Mitarbeiter zu schulen, wurden in einigen Fällen zusätzlich Fachkräfte aus der Zentrale nach Mexiko City bzw. São Paulo entsandt. Dort ergaben sich durch die zeitlich befristete Integration der ausländischen Experten in lokale Arbeitsabläufe Gelegenheiten, Teile ihres Wissens dort zu binden, sei es in Form von Übernahmen unbekannter Techniken und Standards oder von Notizen und Anleitungen etc. Von diesem Wissenstransfer profitieren auf längere Sicht nicht nur die unmittelbaren Empfänger. So diffundiert das Wissen auch in deren räumliches Umfeld, indem geschulte Mitarbeiter den Arbeitsplatz wechseln oder mit lokalen Unternehmen Informationen zur Raumentwicklung Heft 5/6.2010 zusammenarbeiten, zumal Lernprozesse auch ohne enge Kooperation durch Imitation und gegenseitiges passives Beäugen ausgelöst werden können (learning by imitation). Die Vor-Ort-Präsenz und lokale Einbettung erlaubt den Marktakteuren eine aktive und passive Teilnahme am sog. lokalen Rauschen19, dem Mix aus Gerüchten, Eindrücken, Einschätzungen, Insiderwissen und gegenseitigem Beäugen, der den lokalen Markt umgibt. So kommt es in Mexiko City und São Paulo wegen der Engmaschigkeit der lokalen Interaktionsbeziehungen zu einer raschen Verbreitung neuer Baustandards, -techniken, Management- und Finanzierungskonzepte etc. Einige Gesprächspartner sehen dieses imitierende und praxisorientierte Lernen als Schlüssel zur weiteren Professionalisierung der lokalen Immobilienwirtschaft. In beiden Untersuchungsmärkten hat schließlich nach Auskunft der Immobilienakteure der Markteintritt internationaler Akteure die Markttransparenz entscheidend verbessert. Diese wiederum stimuliert den Wissenstransfer und Lernprozesse. Ein Gesprächspartner in Mexiko City gab die einfache Formel vor: Je mehr ausländische Immobilienakteure auf einem Immobilienmarkt aktiv sind, umso höher ist dessen Markttransparenz. Bilanzierend bleibt festzuhalten, dass Lerneffekte nicht exklusiv auf direkte Interaktionen zwischen lokalen und globalen Immobilienunternehmen begrenzt bleiben, sondern sich zeitversetzt auch über Imitation, Beobachtung und transparentere Marktstrukturen indirekt auf den lokalen Markt und dessen Akteure ausbreiten. Ob nun passiv oder aktiv, im Zeitverlauf kann der gesamte Immobilienmarkt an Professionalität gewinnen. Diejenigen lokalen Immobilienakteure, die sich gegen neue Wissensimpulse sperren oder diese mangels Qualifikation nicht aufnehmen können, verlieren allerdings zusehends Marktanteile oder werden gar vom Markt verdrängt. Verbreitung globaler Standards und lokaler Anpassungsdruck Mit der stärkeren Integration in die globale Immobilien- und Kapitalwirtschaft werden die beiden Büromärkte zusehends von globalen Standards geprägt. Die Verbreitung von Standards und Praktiken ist ein Resultat des Markteintritts international ausge- 437 richteter Immobilienakteure, die sowohl in Mexiko City als auch in São Paulo beginnen, Standards und Normen durchzusetzen, die in ihren Heimatmärkten bekannt und aus ihrer Sicht erfolgversprechend sind. Auf beiden untersuchten Büroimmobilienmärkten gelingt es ihnen zunehmend, das Marktumfeld und die Spielregeln ihren Bedürfnissen anzupassen. Transnationale Buchführungs- (z. B. International Accounting System), Bewertungs- (z. B. International Valuation Standards), Transparenz- und Baustandards (z. B. BOMA, LEED) finden entsprechend zunehmend auf den lokalen Märkten Verbreitung. Global aufgestellte Investoren und Mieter erwarten beispielsweise, dass Beratungsunternehmen weltweit ihre Dienstleistungen nach den hohen Standards anbieten können, die insbesondere das angelsächsisch geprägte Immobiliengeschäft vorgibt. Um den Bedürfnissen und Wünschen ihrer internationalen Mieter und Investoren Rechnung zu tragen, wurde von den transnatio nalen Beratern in Mexiko City das Projekt ICEI zur Standardisierung der Praktiken im Beratungssegment angestoßen. Im Interesse besserer Vergleichbarkeit sollen die Differenzen in den Marktberichten bzgl. Definitionen, Erhebungsmethoden, Bewertungsstandards oder räumlichen Marktabgrenzungen kontinuierlich aufgehoben werden. Anpassungsprozesse zeigen sich auch innerhalb global-lokaler Partnerschaften, indem lokale Marktteilnehmer entweder aktiv versuchen, ihre Standards zu erhöhen oder zur Adaption der Standards (z. B. Verhaltensregeln, Praktiken) des ausländischen Akteurs mehr oder weniger gezwungen werden. Während der Angleichungsprozess im Beratungssegment der mexikanischen Hauptstadt schon weit fortgeschritten scheint, verlaufen die Anpassungen in São Paulo eher zweiseitig, indem auch transnationale Berater sich auf die lokalen Besonderheiten einstellen müssen: „They changed the markets. But they have been changed as well. So CB Richard Ellis in Madrid is not exactly the same as CB in Milan, which is not exactly the same as the one in São Paulo. Because they have to accommodate to local cultural practices, local contractual legislation, local economic rules“ (Immobilienberater in São Paulo). Obgleich die Konzernzentralen eine länderübergreifende Konvergenz der Stan- 438 André Scharmanski: Zentrale Büroimmobilienmärkte der Semi-Peripherie – zwischen globaler Integration und lokaler Verankerung dards als Ziel vorgeben, verdeutlicht das Statement, dass transnationale Berater mit ihrem Handeln die Märkte und deren Institutionen zwar beeinflussen, sie aber gleichzeitig auch durch lokale sozio-institutionelle Besonderheiten selbst verändert werden, wodurch die angebotenen Leistungen der Berater letztlich doch zwischen den Standorten differieren. Internationale Standards verbreiten sich nicht nur auf dem direkten Weg der Kooperation. Durch Praktiken des Vergleichs wie z. B. Benchmarking, Anwendung von Best-Practice-Beispielen und gegenseitiges Beäugen werden auch unabhängige lokale Unternehmen mit neuen Methoden und Standards konfrontiert. Ein Beispiel hierfür sind die Demonstrationseffekte US-amerikanischer Regel- und Standardsetzung, die sich auf die Kreation neuer Anlage- bzw. Finanzierungsmöglichkeiten in beiden Märkten auswirken. So hat Mexiko 2003 mit einer Änderung im Steuerrecht die Fundamente für einen REIT-Markt nach US-amerikanischem Vorbild gelegt. Auch für São Paulo lassen sich Belege für Anpassungsprozesse finden. Der brasilianische Markt für hypothekarisch gesicherte Wertpapiere und verbriefte Anlagen in Immobilien wurde etwa vom US-amerikanischen Modell inspiriert. Globale Standards werden darüber hinaus auch durch die Etablierung internationaler Lizenzen, Akkreditierungen, Studienabschlüsse oder geschützter Titel in die neuen Märkte transportiert20. Das gilt beispielsweise für die Chartered Surveyors, Personen mit einem Titel, den die Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS) für weltweit hoch qualifizierte Immobilienfachleute verleiht und der als Qualitätssiegel für Professionalität und Integrität fungiert. Heute ist die RICS ein weltweit tätiger Berufsverband von Immobilienfachleuten, der 140 000 Mitglieder in mehr als 120 Ländern rund um den Globus repräsentiert. Zur Diffusion internationaler Praktiken leisten letztlich auch Interessensverbände einen entscheidenden Beitrag. Seit 1991 fördert beispielsweise das US-amerikanische Urban Land Institute in Mexiko City den Austausch von Standards und Informationen innerhalb der Immobilien-Community. Über Ausbildungsprogramme, Informationsforen, Konferenzen, Publikationen und enge Kontaktnetzwerke in die USA verbreitet die Institution Ideen, Standards und Normen der US-amerikanischen Immobilienwirtschaft unter den privatwirtschaftlichen Immobilienakteuren, aber auch unter den Entscheidungsträgern der öffentlichen Hand. Auch die Spielregeln, nach denen lokale Märkte funktionieren, werden auf nationaler und lokaler Ebene immer stärker an internationale Regeln angepasst, um sich im internationalen Standortwettbewerb um Investoren vorteilhaft zu positionieren. Um internationales Kapital in die Immobilienmärkte in Mexiko City und São Paulo zu leiten, versucht die öffentliche Hand im Verbund mit privaten Immobilienakteuren, die Regeln, Praktiken und Standards, nach denen die lokalen Märkte funktionieren, an internationale Vorgaben anzugleichen. Übersichtliche und vergleichbare Regulationsmechanismen bzgl. Transaktionen, Finanzierung, Steuern etc. sollen Immobilieninvestoren anziehen bzw. werden von diesen als Investitionsbedingung eingefordert. Nach dem Vorbild der Finanzwirtschaft werden die Spielregeln unterschiedlicher und räumlich voneinander getrennter Immobilienmärkte damit immer stärker vereinheitlicht. Die Durchsetzung globaler Standards verändert nicht nur die Arbeitsweise lokaler Akteure, sondern auch die physisch-materielle Gestalt der Stadt. Aus den Kernökonomien werden Architekten, Städtebautypologien und eine Kommerzarchitektur importiert, die auch von lokalen Firmen übernommen wird und die sich durch die breite Akzeptanz auf Seiten der Mieter stetig weiter verbreitet. Ein Zeitungsartikel aus dem Jahr 196821 betont noch die ortsspezifische Hochhaussilhouette in Mexiko City, die sich aus der Verschmelzung klassisch moderner Stilelemente und lokaler Einflüsse ergibt: „Die Monolithen aus Glas und Stahl (…) kopieren, wie die Mammutbauten überall in der Welt, Manhattan. Doch hier sehen sie aus, als ob Mies van der Rohe ihr Vater ist und ihre Mutter eine Toltekin“. In beiden Büromärkten weicht die Besonderheit seitdem immer mehr der Gleichförmigkeit postmoderner Hochhaus-Architektur. Diese offenbart sich sowohl in materieller als auch immaterieller Hinsicht, d.h. durch das Zurückgreifen auf ähnliche Baustoffe wie bestimmte Steine, Stahl oder Glas und auf bewährte Gebäudestandards, aber auch auf Ideen, Pläne und uniforme Strukturelemente. Informationen zur Raumentwicklung Heft 5/6.2010 439 Architektonische Chiffren der Globalisierung Verbreitung finden die weltweit vorherrschenden Standards gerade durch die weltweit reproduzierten Kooperationen zwischen international tätigen Entwicklern und weltweit renommierten Architekten. Funktionale und architektonische Standards bei großen Immobilienprojekten gleichen sich daher weltweit zunehmend an. Ein Beispiel hierfür ist der US-amerikanische Projektentwickler Hines, der bei Entwicklungen in Mexiko City auf internationale Architekturbüros wie z. B. Cesar Pelli & Associates und Robert A.M. Stern Architects zurückgegriffen hat. Auch in São Paulo sind international renommierte Architektenbüros wie Skidmore, Owings & Merrill oder Kohn Pedersen Fox Associates im Gefolge internationaler Investoren mit ihren architektonischen Stilelementen in den Markt gekommen und seitdem nicht mehr aus dem Stadtbild wegzudenken. Die Entwürfe internationaler Architekturbüros werden zwar in der Umsetzungsphase durch Mieter, lokal eingebettete Netzwerkbeziehungen und lokale Regularien kontextualisiert, womit dem Bürogebäude laut Faulconbridge22 eine lokale DNA zugewiesen wird. Dies trifft allerdings nur in abgeschwächter Form auf die hochwertigen Klasse-A Gebäude zu. Hierbei wird der Gestaltungsspielraum der Projektentwickler und Architekten häufig durch die Nachfragewünsche der avisierten transnationalen Nutzer und Portfolioplanungen globaler Investoren vorgegeben. Design, Qualität und Funktion der Gebäude richtet sich in diesem Fall an der Nachfrage am globalen Markt aus. Die Objekte sind damit ein typisches Beispiel für die Abstraktion von Architektur von ihrem örtlichen Kontext.23 Paradebeispiel für die bauliche und architektonische Umsetzung des globalen Nachfrageprofils ist in Mexiko City der Torre Mayor, der von dem global tätigen Architekturbüro Zeidler Partnership Architects konzipiert wurde und dessen Büroeinheiten vorwiegend an namhafte internationale Finanzdienstleister, Wirtschaftsprüfer und EDV-Unternehmen vermietet sind. Seine markante Glaskurve hat die Stadtsilhouette Mexiko Citys nachhaltig verändert, neue Maßstäbe im Hochhausbau gesetzt und stellt eine besondere Bedeutung für die Au- 440 André Scharmanski: Zentrale Büroimmobilienmärkte der Semi-Peripherie – zwischen globaler Integration und lokaler Verankerung Tabelle 1 Lokale versus transnationale Immobilienteilmärkte Kriterien Lokale Immobilienmärkte Transnationale Immobilienmärkte Steuerung Netzwerke lokaler Akteure Mieter Kleine und mittlere lokale bzw. nationale Unternehmen Klasse B und C; geringere Ausstattung, kleinteilige Flächen Nachahmung internationaler Standards; aber auch lokalspezifische Stilelemente Transnationale Akteure der Immobilien- und Finanzwirtschaft Große multinationale Unternehmen; umsatzstarke nationale Unternehmen Überwiegend Bürobauten der Klasse A mit moderner Ausstattung Postmoderne Hochhausarchitektur; international gebräuchliche Design- und Stilelemente Investoren aus dem Ausland bzw. nationale Investoren mit überregionalen Aktionsradius Über transnationale Immobilienberatungskonzerne Gebäudetyp Architektur Investoren Transaktionen Zyklen Privatinvestoren; Staatsunternehmen; öffentliche Hand Überwiegend direkt zwischen Verkäufer und Käufer (Off-market-deals) Abhängig vom lokalen Marktgeschehen ßendarstellung der mexikanischen Hauptstadt dar. In São Paulo gilt das Headquarter der BankBoston, das von den internationalen Architekten Skidmore, Owings & Merrill entworfen wurde und heute im Besitz des internationalen Fonds Hines CalPERS Brazil II ist, als überregionales Markenzeichen. Ähnlich prominent ist der Torre Norte, der von Tishman Speyer bereits 1999 fertig gestellt und durch internationale Preise mehrmals gewürdigt wurde. Fragmentierung und lokale Entbettung Beide Fallstudien zeigen auf, dass das Wissen und die Standards aus der globalen Immobilienökonomie nicht gleichmäßig auf die Immobilienmärkte niedergehen, lokale Strukturen auflösen und durch weltweit homogene Immobilienlandschaften ersetzen. Zutreffend ist vielmehr das Bild eines bunten Flickenteppichs mit heterogenen Strukturen, die sich räumlich in differenzierten Teilmärkten niederschlagen. Typisch ist für beide Märkte eine zunehmende Unterteilung in einerseits transnationale Teilmärkte mit internationalen Akteuren, Praktiken sowie hochwertigen Klasse-A-Immobilien und andererseits weiterhin lokal geprägten Submärkten. Letztere sind durch engmaschige Netzwerke zwischen lokalen Akteuren (z. B. Banken, Bauträger), traditionelle Praktiken, einen hohen Anteil an privatem Eigentum, einen großen Bestand an modernisierungsbedürftigen B- und CImmobilien etc. gekennzeichnet (Tabelle 1). Die Internationalisierung der beiden Immobilienmärkte schafft eine neue Komplexität, in der weiterhin lokal geprägte Sub- Hohe Abhängigkeit von globalen Entwicklungen märkte vielfach von neuen transnationalen Märkten überlagert werden. Auch im kleinräumigen Maßstab einer Stadt ist keine generelle, räumlich übergreifende Integration der Büromärkte zu beobachten. Die globale Einbindung bleibt auf einige Submärkte begrenzt und formt damit ein neues System von urbanen Immobilienstandorten. In beiden Büromärkten manifestiert sich das differenzierte Standortmuster etwa beim Bestand neuer und hochwertiger Büroobjekte, der höchst ungleich über das Stadtgebiet verteilt ist. Konzentriert findet man die aktuelleren Projektentwicklungen in Mexiko City vor allem in den neuen Zentren der global orientierten Ökonomie am westlichen Stadtrand wie Santa Fé und Lomas de Chapultepec sowie an der prestigeträchtigen und wieder aufgewerteten Paseo de la Reforma. Der nördliche und östliche Stadtbereich werden dagegen von den jüngsten Umstrukturierungen nicht erfasst. Auch in São Paulo ist der neue Bestand überwiegend in den südlichen und südwestlichen Stadtbezirken lokalisiert. Hervorgehoben wurden hierbei vor allem die Märkte Faria Lima, Berrini und Vila Olímpia, wo sich mittlerweile ein Fünftel des Gesamtbestands an hochwertigen Büroflächen konzentriert. Auch innerhalb dieser Teilgebiete lassen sich kleinräumige Heterogenitäten feststellen. Die Flächennachfrage in den transnationalen Teilmärkten kommt in beiden Metropolen primär von multinationalen Unternehmen. Dementsprechend findet man die insgesamt 40 mexikanischen Niederlassungen der weltweit umsatzstärksten 500 Unter- Informationen zur Raumentwicklung Heft 5/6.2010 nehmen im Finanzbereich fast ausschließlich in Lomas de Chapultepec, Polanco, Reforma und Santa Fé. Nach Einschätzung eines Gesprächspartners sind rund 50 % der Büroflächen in Santa Fé an internationale Unternehmen vermietet. Auch die Analyse der lokalen Unternehmensstandorte der „Fortune 500“ in São Paulo bestätigt deren ungleiche Verteilung auf die Submärkte Paulista, Faria Lima, Vila Olímpia und Berrini. Als Reaktion auf die hohe Nachfrage ballen sich in diesen Submärkten auch die ausländischen Investitionen. Aufgrund der höheren wirtschaftlichen Risiken neigen internationale Investoren dazu, in semi-peripheren Märkten vor allem in diesen dynamischen und etablierten Lagen mit hohem Anteil an internationalen Mietern zu investieren, womit ein räumlich sehr selektives Investitionsverhalten begünstigt wird. In der Konsequenz werden einige Teilmärkte auf-, andere abgewertet. Während an den bevorzugten Standorten verglaste Bürohochhäuser mit multinationalen Mietern die Globalisierung reflektieren, haben Teilmärkte mit vorwiegend modernisierungsbedürftigen, älterem Gebäudebestand ihre Wettbewerbsfähigkeit nahezu vollständig eingebüßt (historische Zentren in beiden Märkten) bzw. eine Mieterstruktur, die sich zu einem Großteil aus lokalen bzw. nationalen Unternehmen zusammensetzt (z. B. Perinorte in Mexiko City, Jardins in São Paulo). Die räumliche Fragmentierung des Mietmarkts wird letztlich durch die Anhebung der Preise in den durch Abbildung 4 Verlagerungstendenzen der Bürostandorte 441 entsprechende Lageparameter begünstigten Standorten verschärft. Die Expertengespräche unterstützten die Vermutung, dass nahezu abgekoppelt vom lokalen Marktgeschehen neue Immobilienteilmärkte entstehen, in die nur eine geringe Anzahl lokaler Unternehmen eingebunden ist. Produziert werden letztlich transnatio nale Märkte, die nicht nur von ihrer Nutzungsstruktur her, sondern auch bezüglich ihrer Entstehung und Regulierung schrittweise entbettet werden. Diese Büromärkte werden vor allem durch transnationale Immobilien- und Finanzmarktakteure gesteuert, von transnationalen Mietern als Standort gewählt und weisen damit eine höhere Abhängigkeit von globalen Wirtschafts- und Kapitalmarktentwicklungen auf. Transnationale Teilmärkte entstehen sowohl als inselartige Fragmente in der Nähe traditioneller innerstädtischer Bürozentren (z. B. Faria Lima in São Paulo) als auch in innenstadtferneren Gebieten bzw. in exterritorialen Enklaven (Santa Fé in Mexiko City). Generell kann für beide Märkte eine kontinuierliche Schwerpunktverschiebung der stärker transnational ausgerichteten Bürostandorte an den Stadtrand beobachtet werden, die allerdings in jüngster Zeit durch die Fertigstellung hochwertiger Bürohochhäuser und die Sanierung älterer Gebäude in zentralen Lagen unterbrochen wird (Abb. 4). In Mexiko City zeichnet sich gegenwärtig beispielsweise eine Renaissance 442 André Scharmanski: Zentrale Büroimmobilienmärkte der Semi-Peripherie – zwischen globaler Integration und lokaler Verankerung des geschichtsträchtigen zentralen Boulevards Paseo de la Reforma ab. Besonders der Torre Mayor verhalf dem Submarkt zu neuer Popularität und setzte einen Aufwertungsprozess rund um den Wolkenkratzer in Gang. In São Paulo wiederum boomten in den letzten Jahren vor allem die innenstadtnahen Teilmärkte Faria Lima und Vila Olímpia, zu deren Aufwertung neben der Nähe zum Finanzzentrum Paulista insbesondere städtische Interventionsprogramme zur Verbesserungen der Infrastruktur, der Müllentsorgung und öffentlichen Sicherheit beitrugen. In den transnationalen Teilmärkten finden sich im Vergleich zu den traditionellen Standorten hochwertigere Büroimmobilien und -flächen, moderne Kommunikationsinfrastruktur und höhere Sicherheitsstandards. Prototyp transnationaler Immobilienräume ist Santa Fé, das als ein Stück Global City innerhalb der mexikanischen Metropole fungiert. Kennzeichen sind hochwertige Büroimmobilien mit einer postmodernen Architektur und zahlreiche Niederlassungen transnationaler Finanzdienstleister (u.a. GE, Citigroup), produzierender Unternehmen (u.a. Kraft, Daimler) und Computerunternehmen (u.a. IBM, Microsoft). Die Abkoppelung vom lokalen Immobilienmarkt kann auch für einzelne Immobilien diagnostiziert werden. Transnationale Immobilien sind zwar an einem bestimmten Standort physisch verankert, deren Flächennachfrage, Leerstandsraten und Mietpreise reagieren aber vor allem auf Entwicklungen der Weltwirtschaft. Beispiel für diese Implantate der Kernökonomien ist der Torre Mayor, auf den jene transnationalen Charakteristika zutreffen, die für Sassen24 typisch für Global Cities sind: „Obwohl sie in den physischen Raum des nationalen Territoriums integriert sind, dürften sie nur wenig mit dem sie umgebenden Kontext zu tun haben.“ Die Investoren und Projektentwickler stammen aus Europa und Nordamerika, Kapitalgeber war eine kanadische Bank, die Vermarktung übernimmt ein transnationales Beratungshaus und die Büroeinheiten sind vorwiegend an namhafte internationale Unternehmen vermietet. Ähnliches trifft auf den Torre Norte in São Paulo zu, der von Tishman Speyer entwickelt wurde und heute vielen US-amerikanischen und europäischen Unternehmen als Unternehmenssitz dient. Auch wenn solche transnationalen Immobilien vom lokalen Marktgeschehen in vielerlei Hinsicht abgekoppelt erscheinen, strahlt deren Realisierung dennoch auf die umliegenden Standorte und Immobilien aus – wie ein Gesprächspartner, ein Immobilienunternehmer in São Paulo anmerkte: „These world-class developments increase the property values in the immediate vicinity and throughout the submarkets”. Es soll schließlich nicht vergessen werden, dass sich trotz zunehmender Internationalisierung in beiden Städten auch stark lokal organisierte Teilmärkte wie z. B. Polanco in Mexiko City oder Jardins in São Paulo identifizieren lassen. Diese werden von lokal ansässigen Privatinvestoren dominiert, während externe Akteure aus dem Ausland nur schwer Zutritt in diese Marktsegmente erhalten. Die räumliche Segmentierung in lokal und global ausgerichtete Teilmärkte ist gleichwohl nicht persistent, sondern dynamisch aufzufassen. Das Gesicht beider Städte und ihrer Submärkte ändert sich laufend. Entsprechend zeigen beide Fallbeispiele, dass auch im Stadtzentrum prestigeträchtige Inseln durch bauliche Aufwertungsstrategien und aktives Management wieder revitalisiert bzw. neu geschaffen werden können. Nicht zuletzt ist die Entwicklung auf die Bedeutungszunahme privatwirtschaftlicher Initiativen zurückzuführen, die in beiden Städten das stadtpolitische Vakuum verstärkt ausfüllen. Ein Beispiel ist die Renaissance der Paseo de la Reforma als bedeutender Immobilienteilmarkt. Ähnlich wie Mitte des 19. Jahrhunderts, als Maximilian von Habsburg mit der Erweiterung des Schlosses Chapultepec und der Erstellung der späteren Paseo de la Reforma diesen Stadtraum grundsätzlich umgestaltete, sind heute mit u.a. Reichmann International (Projektentwickler des Torre Mayors), HSBC (regionaler Hauptsitz) und Hines (Modernisierung des Torre del Angel) wieder ausländische Immobilienakteure wesentlich in den räumlichen Wandel involviert. 4 Schlussfolgerungen Die zentralen Fragen des Beitrags lauteten, inwiefern die Globalisierungsprozesse in der Immobilienwirtschaft die Umgestaltung vormals lokal organisierter Immobilienmärkte bewirken und inwieweit man eine Transnationalisierung der Märkte feststellen kann.25 Informationen zur Raumentwicklung Heft 5/6.2010 Zunächst zur Frage des Einflusses globaler Immobilienakteure auf lokale Immobilienmärkte und deren Spielregeln: Deutlich wurde, dass mit der Zunahme internationaler Investitionsströme die Gestaltung der Immobilienmärkte nicht mehr allein auf kopräsente Einflüsse begrenzt ist. Globale Investoren, Berater, Projektentwickler und Mieter transportieren neues Wissen in die neuen Märkte und beginnen dort Standards durchzusetzen, die aus ihren Heimatmärkten bekannt sind und aus ihrer Sicht erfolgversprechend sind. Dies löst Druck auf die Anpassung bzw. Umgestaltung der marktspezifischen Spielregeln aus. Gerade globale institutionelle Investoren und Beratungsunternehmen treiben mit ihren Forderungen bzw. Bewertungen die Schaffung uniformer globaler Standards und deren Integration in das jeweilige nationale und lokale Recht voran. Die neuen Akteursund Machtkonstellationen sowie die Durchsetzung globaler Spielregeln verändert auf vormals lokalen Immobilienmärkten nicht nur deren institutionelle Architektur, sondern schließlich auch die physisch-materielle Gestalt der Stadt. Es konnte allerdings der generelle Eindruck widerlegt werden, dass sich Homogenität in Form gleicher Akteure und Standards auf den Immobilienmärkten der Metropolen ausbreitet. Vielmehr zeigen sich heterogene Strukturen, die sich räumlich dispers und fragmentiert in differenzierten Teilmärkten äußern. Die Internationalisierung von Immobilienmärkten schafft dabei eine neue Komplexität, in der weiterhin lokal geprägte Submärkte vielfach von neuen transnationalen Märkten überlagert werden. Die globale Einbindung der Immobilienmärkte bleibt auf einige Submärkte begrenzt und formt damit ein neues System von urbanen Immobilienstandorten, die kleinteilig differenziert, polyzentral und untereinander unverbunden erscheinen. Dies führt zum zweiten Aspekt, der Transnationalisierung. Die Fallbeispiele belegen, dass bestimmte Marktsegmente zunehmend aus dem lokalen bzw. nationalen Kontext herausgelöst werden. Diese Teilmärkte werden vor allem von multinatio nalen Unternehmen als Standort gewählt und durch transnationale Immobilien- und Finanzmarktakteure gesteuert. Damit weisen sie eine höhere Abhängigkeit von globalen Wirtschafts- und Kapitalmarktentwicklungen auf. Produziert werden letztlich 443 transnationale Märkte oder transnationale Immobilien, die einerseits bezüglich ihrer Nutzung, Entstehung und Regulierung schrittweise entbettet und andererseits über die sie bestimmenden Akteure, Kapital- und Wissensströme mit strukturell ähnlichen Immobilienteilmärkten in entfernten Wirtschaftsmetropolen verbunden werden. Die Kehrseite globaler Eingliederung und Vernetzung betrifft die stärkere Abhängigkeit von mobilem, stets abziehbarem Kapital. Wenn die Renditen in anderen Anlagebereichen bzw. an anderen Standorten aussichtsreicher sind, kann abrupt ein Abzug der Finanzmittel erfolgen, was lokal mit dem Ausbleiben von Investitionen oder gar Desinvestition einhergehen kann. Institutionelle Investoren folgen dabei immer häufiger dem Takt der globalen Finanzwirtschaft und nicht den lokalen Nachfragebedingungen. Durch zunehmende Aktivitäten überregionaler, finanzmarktbasierter Investoren und Projektentwickler droht eine stärkere Abhängigkeit von mobilen Investitionen in der Stadtentwicklung. Vor dem Hintergrund der weltweiten Finanzmarkt- und Konjunkturkrise sind generell zwei Szenarien denkbar, die beide zu einer weiteren Segmentierung lokaler Immobilienmärkte beitragen würden: Entweder werden transnationale Submärkte mit hochwertigen Immobilien und solventen Mietern am wenigsten von der Finanzkrise tangiert, weil internationale Investoren in der Krisenzeit besonders hochwertige und risikoarme Immobilien mit bonitätsstarken transnationalen Mietern bevorzugen. Oder aber sie brechen wegen der engen Verflechtung mit den Kernökonomien und der stark von Banken und Finanzdienstleistern bestimmten Mieterstruktur am stärksten ein. In den lokal geprägten Submärkten ist die Nutzerstruktur hingegen diversifizierter. Der Wegfall der Nachfrage aus dem Finanzsektor könnte in diesem Fall von anderen Branchen kompensiert werden. Zuletzt könnten die transnationalen Marktsegmente auch besonders betroffen sein, da diese Teilmärkte hoch fremdfinanziert und damit deutlich abhängiger von den globalen Kapitalmärkten sind. Gerade stark fremdfinanzierte Investoren bleiben aufgrund der aktuellen Kreditklemme von den lateinamerikanischen Märkten wie Mexiko City und São Paulo weitgehend fern, während institutionelle Investoren mit genügend Ei- 444 André Scharmanski: Zentrale Büroimmobilienmärkte der Semi-Peripherie – zwischen globaler Integration und lokaler Verankerung genkapital an Gewicht gewinnen. Schließlich zeichnet sich auch ein Wiedererstarken lokaler Investoren ab, die nicht auf externe Finanzierungsquellen angewiesen sind. Dementsprechend sind 2009 die grenzüberschreitenden Transaktionen in lateinameri- kanischen Märkten gegenüber dem Vorjahr von 62 % auf 27 % eingebrochen.26 Die weltweite Finanzkrise könnte damit eine wiederholte Neuausrichtung der Machtkonstellationen und des institutionellen Gefüges auf den beiden Büromärkten einleiten. Anmerkungen (1) Cushman & Wakefield: International Investment Atlas. – London 2008 (2) Im Beitrag werden Schwellen-, Anker- und Transformationsländer als semi-periphere Standorte zusammengefasst. Unter Schwellenländern versteht man Staaten, die aufgrund des erreichten sozioökonomischen Entwicklungsstands und ihrer wirtschaftlichen Dynamik nicht mehr als Entwicklungsländer, jedoch auch noch nicht als (neue) Industrieländer gelten können (z. B. Mexiko, Brasilien). In Abgrenzung dazu werden Länder als Ankerländer bezeichnet, denen im jeweiligen regionalen Kontext eine herausragende ökonomische und politische Bedeutung zukommt (z. B. China, Saudi Arabien). Zu den Transformationsländern zählen Länder in Mittel- und Osteuropa sowie Asien, die sich im Übergang von einer zentralistischen Planwirtschaft in eine marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung befinden. (3) U.a. Pütz, R.: „Money talks“ – Die Internationalisierung des Marktes für Büroimmobilien in Ostmitteleuropa. Das Beispiel Warschau. Erdkunde 55 (2001) H. 3, S. 211–227; Adair, A.; Berry, J.; McGreal, S.; Sýkora, L; Ghanbari Parsa, A.; Redding, B.: Globalisation of real estate markets in Central Europe. European Planning Studies 7 (1999) H. 3, S. 295–305 (4) Parnreiter, C.: Global-City-Formation, Immobilienwirtschaft und Transnationalisierung. Das Beispiel Mexico City. Zeitschrift f. Wirtschaftsgeographie 53 (2009) H. 3, S. 138–155 (5) U.a. Wood, A.: The Scalar Transformation of the U.S. Commercial Property-Development Industry: A Cautionary Note on the Limits of Globalization. Economic Geography 80 (2004) H. 2, S. 119–140; Logan, J.: Cycles and trends in the globalization of real estate. In: The restless urban landscape. Hrsg.: Knox, P. – Englewood Cliffs 1993, S. 33–54 (6) Wood, A.: The Scalar Transformation, a.a.O., S. 121 (7) Scharmanski, A.: Globalisierung der Immobilienwirtschaft. Grenzüberschreitende Investitionen und lokale Marktintransparenzen. Mit den Beispielen Mexiko City und Sao Paulo. – Bielefeld 2009 (8) Keogh, G.; D’Arcy, É.: Property Market Efficiency: An institutional economics perspective. Urban Studies 36 (1999) H. 13, S. 2401–2414 (2407); Seabrooke, W.; Hong How, H.: Real estate Transactions: An Institutional Perspective. In: International Real Estate. An institutional approach. Hrsg.: Seabrooke, W., Kent, P., Hong How, H. – Oxford 2004, S. 3–34 (8) (9) siehe u.a. Allen, J.; Massey, D.; Cochrane, A. (Hrsg.): Rethinking the region. – London 1998; Massey, D.: Imagining globalization: Power-geometries of time space. In: Global futures: Migration, Environment and Globalization. Hrsg.: Brah, A.; Hickman, M.; Mac an Ghail, M. – Basingstoke 1999, S. 27–44 (17) Die häufig rezipierte Studie „Dreaming with the BRICs: The Path to 2050“ der Investmentbank Goldman Sachs zeichnet für die Länder Brasilien, Russland, Indien und China einen linearen Wachstumspfad auf. (10) Gotham, K.F.: The Secondary Circuit of Capital Reconsidered: Globalization and the U.S. Real Estate Sector. American Journal of Sociology 112 (2006) H. 1, S. 231–275 (18) Mittels Bewertungen von Finanzmarktprodukten und deren Anbieter setzen Rating-Agenturen wie Moody‘s und Standard & Poor‘s Standards bzw. Gütesiegel und beeinflussen damit das Investitionsverhalten von Privat- und institutionellen Anlegern. (11) Hebb, T.; Wójcik, D.: Global standards and emerging markets: the institutional-investment value chain and the CalPERS investment strategy. Environment and Planning A, 37 (2005) H. 11, S. 1955–1974 (19) Bathelt, H.; Malmberg, A; Maskell, P.: Cluster and Knowledge: Local Buzz, Global Pipelines and the Process of Knowledge Creation. Progress in Human Geography 28 (2004) H. 1, S. 31–56 (12) Fuchs, M.; Scharmanski, A.: Counteracting path dependencies: ‘Rational’ investment decisions in the globalizing commercial property market. Environment and Planning A, 41 (2009) H. 11, S. 2724–2740; French, N.: Decision theory and real estate investment: an analysis of the decisionmaking processes of real estate investment fund managers. Managerial and Decision Economics 22 (2001) H. 7, S. 399–410 (20) Dörry, S.; Heeg S.: Intermediäre und Standards in der Immobilienwirtschaft. Zum Problem der Transparenz in Büromärkten von Finanzzentren. Zeitschrift für Wirtschaftsgeographie 53 (2009) H. 3, S. 172–190 (13) Die Gebäudequalität klassifizieren Beratungsunternehmen mit geringfügig variierenden Zuordnungskriterien in A, B und C, die hinsichtlich Zuschnitt, Zustand, Ausstattung von absteigender Qualität sind. (22) Faulconbridge, J.: The Regulation of Design in Global Architecture Firms: Embedding and Emplacing Buildings. Urban Studies 46 (2009) H. 12, S. 2537–2554 (14) Bei der Auswahl der Interviewpartner wurden mehrere Quellen herangezogen: wissenschaftliche und graue Literatur, Internet-, Zeitungs- und Zeitschriftenrecherche, Teilnehmerlisten lokaler Immobilienkonferenzen sowie persönliche Verweise und Empfehlungen von Marktakteuren. Die ein- bis zweistündigen Gespräche fanden August und September 2006 in Mexiko City und in São Paulo statt. (15) u.a. Taylor, P.; Aranya, R.: A Global ‚Urban Roller Coaster‘? Connectivity Changes in the World City Network, 2000–2004. Regional Studies 42 (2008) H. 1, S. 1–16 (16) Die 1980er Jahre zeigten die Grenzen des binnenorientierten Entwicklungsmodells in Brasilien und gingen als die verlorene Dekade in die Geschichtsbücher ein. Extreme Außenverschuldung infolge der hohen Importquoten an Kapital- und Vorleistungsgütern und exorbitante Inflationsraten erschütterten die ökonomische Basis. (21) Die Zeit: Paseo de la Reforma. 23.08.1968 Nr. 34 (23) Siehe hierzu auch Knox/Pain i.d.H. (24) Sassen, S.: Das Paradox des Nationalen. Territorium, Autorität und Rechte im globalen Zeitalter. – Frankfurt am Main 2008, S. 634 (25) Zwar ist die Verallgemeinerung der empirischen Ergebnisse aufgrund der qualitativen Vorgehensweise und der Standort- bzw. Kontextgebundenheit der Immobilienmärkte nur begrenzt möglich. Allerdings ist zu erwarten, dass auf Immobilienmärkten mit vergleichbarer globaler Integration der Stadtökonomie und entsprechender Größe des Büroimmobilienbestands ähnliche Umstrukturierungsprozesse ablaufen. (26) Cushman & Wakefield: International Investment Atlas 2010. – London 2010