KI II - Entwerfen und Konstruieren - Massivbau
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KI II - Entwerfen und Konstruieren - Massivbau
Flächentragwerke I Vorlesungsunterlagen Flächentragwerke I 1. Auflage Oktober 2007 Technische Universität Berlin Fachgebiet Massivbau Sekretariat TIB 1 - B 2 Gustav-Meyer-Allee 25 13355 Berlin Prof. Dr. sc. techn. Mike Schlaich Dr.-Ing. Annette Bögle Dipl.-Ing. Achim Bleicher Tel +49 (0)30 314-721 30 Fax +49 (0)30 314-721 32 [email protected] www.massivbau.tu-berlin.de Inhaltsverzeichnis Leichtbau - wieso und wie Die Brücke im Raum - Besucherbrücke Deutsches Museum Weit und Krumm - Zum Entwurf gekrümmter, seilgestützter Fußgängerbrücken Fußgängerbrücken - Konstruktion Gestalt Geschichte Zum Tragverhalten von Kuppeln Seiltragwerke Gespannte Seilnetzfassaden Leichtbau - wieso und wie Schlaich, Jörg: „Leichtbau - wieso und wie“ in „leicht weit - Light Structures - Jörg Schlaich Rudolf Bergermann“ Hrsg.: Bögle, Annette; Schmal, Peter C.; Flagge, Ingeborg München - Berlin - London - New York: Prestel Verlag, 2. Auflage 2005 SBP 90 p2_28 22.10.2003 20:59 Uhr Seite 298 Leichtbau – wieso und wie? Light Structures—Why and How? Jede intelligent und verantwortungsbewusst entworfene Baukonstruktion will so ‚leicht wie möglich‘ sein. Ihre Aufgabe ist es, ‚Nutzlasten‘ zu tragen. Die Eigenlasten der Konstruktion selbst sind ein unvermeidliches Übel. Eine Konstruktion kann als umso ‚leichter‘ bezeichnet werden, je kleiner das Verhältnis ihres Eigengewichts zu der von ihr getragenen Nutzlast ist. Wir erkennen sofort anschaulich, dass eine aus Seilen geknotete Hängebrücke offenbar leichter ist als eine aus Stäben verschweißte Fachwerkbrücke und diese leichter als eine aus Beton gegossene Balkenbrücke. Warum werden nicht ausschließlich Hängebrücken gebaut, sondern nur wenige, und diese nur für große Spannweiten? Wir verstehen intuitiv, dass die Forderung nach Leichtigkeit nicht das einzige Kriterium beim Entwurf einer Baukonstruktion sein kann. In der Tat, leichte Konstruktionen haben zwei Erbfeinde: die ‚natürlichen Lasten‘ und die heutigen hohen Lohnkosten. Leichtbauten neigen zu großen schädlichen Verformungen unter Schnee und Temperaturwechseln, sie sind empfindlich gegen winderregte Schwingungen, die sie zerreißen können (das Tacoma-Trauma der Bauingenieure), tun sich dagegen mit Erdbeben buchstäblich leicht. Während man diesen natürlichen Angriffen mit geistreicher Formgebung und geschickter Verspannung durchaus begegnen kann, hat man gegen die hohen Lohnkosten und unseren sorglosen Umgang mit den natürlichen Ressourcen, die das ‚Klotzen‘ fördern und das Filigrane behindern, in einer materialistischen Gesellschaft kaum eine Chance. Wieso? Bevor wir besprechen, wie man Leichtbauten entwirft, wollen wir fragen, wieso es sich heute trotzdem lohnen könnte, Leichtbau zu betreiben. Die schlechten Erfahrun- Jörg Schlaich gen mit einem Zweig des Leichtbaus, den Betonschalen, die fast ganz verschwunden sind, könnten abschrecken, erneut Anstrengungen zur Förderung und Entwicklung des Leichtbaus zu unternehmen. Dennoch: Nie war Leichtbau zeitgemäßer und notwendiger als heute, und zwar aus ökologischer, sozialer und kultureller Sicht. Ökologisch gesehen: Leichtbau ist materialsparend, weil er versucht, die Werkstoff-Festigkeiten optimal auszunützen, und so keine Ressourcen vergeudet. Leichtbau ist in der Regel demontierbar und seine Bauteile sind wieder verwendbar, das heißt recycelbar. Er bremst die Entropie und erfüllt mehr als andere Bauweisen die Anforderungen an eine zukunftsfähige und nachhaltige (‚sustainable‘) Entwicklung. Sozial gesehen: Leichtbau schafft Arbeitsplätze, weil feingliedrige Konstruktionen sorgfältig durchgebildete, arbeitsintensive Details erfordern mit einem hohen Planungsund vor allem Fertigungsaufwand. Die mentale Anstrengung tritt an die Stelle der physischen, Zeit und Handwerk verdrängen die Strangpresse wieder – Freude am Konstruieren statt ‚Klotzen‘! So lange in unserem heutigen Wirtschaftssystem Arbeitszeit gleichgesetzt wird mit Kosten, wir für die Rohstoffe nur ihren Förderaufwand bezahlen und insgesamt die ‚externen Kosten‘ noch nicht einrechnen, sind Leichtbauten teurer als funktionell gleichwertige plumpe Bauten. Die Mehrkosten der Leichtbauweise schaffen Arbeit für Menschen und fließen in das soziale System zurück. Qualität hat ihren Preis, aber auch ihren Lohn. In Zeiten der Arbeitslosigkeit und des schwindenden handwerklichen Könnens erwächst den Bauherren eine hohe sozialpolitische Verantwortung. Sie machen es sich zu leicht und denken zu eng, wenn sie sich bei der SBP 90 p2_28 22.10.2003 20:59 Uhr Seite 299 Any structure designed intelligently and favors massive quantity and rejects is hard more from a mental than a physical responsibly aspires to be as “light as pos- refined quality in our materialist society. point of view, time and craftsmanship sible”. Its task is to bear “working load”. The dead load of the structure is usually an unavoidable evil in this context. A struc- replace dull extrusion once again, which Why? means the joy is in careful detailling and not in quantities! As long as we live in an ture can be classified as all the “lighter”, Before discussing how lightweight struc- economic system in which work time is the smaller the ratio of its own weight is tures are designed, we should ask why it equated with costs, raw materials have to the working load it bears. could, after all, still be worthwhile building a price tag equivalent only to the cost of such structures. The poor experiences their extraction, and in which we do not suspension bridge borne by knotted ropes with one section of lightweight construc- factor in “external costs”, light structures is clearly lighter than a truss bridge, and tion, namely concrete shells, which now will be more expensive than ungainly that this in turn is lighter than a bridge have all but vanished, could easily put some buildings of equal functional value. These made of cast-concrete girders. Which at off the idea of making the effort to pro- additional costs, however, create jobs and once prompts the question why we don’t mote and develop lightweight structures. flow back into the social system. Quality just build suspension bridges when, in And yet at no point was lightweight con- has its price, and its rewards, and in times fact, there are so few of them, and these struction more up to date and necessary of unemployment and fast disappearing are used only for large spans. This insight than today, whether viewed from an eco- crafts skills, clients thus assume a high helps us to understand that the demand logical, sociological or cultural point of view. degree of social responsibility. To justify We recognize at first glance that a for lightness cannot be the only criterion Seen ecologically: Building light choosing the cheapest bidder by pointing requires less material input since it aims to the need to cut costs would be making to make maximum use of materials’ things too easy for themselves, and too two arch-enemies: “natural loads” and strengths and thus does not waste any narrow-minded. today’s high wages. Light structures are resources. As a rule, lightweight struc- prone to major harmful deformation in tures can be dismantled and the elements not restricted to the advantageous con- snow and changes in temperature, they recycled. Lightweight structures thus struction of bridges and wide-span roofs; are sensitive to wind-induced vibration, halt entropy and, more than other types the same principles can also be used for which can lacerate them (the Tacoma of buildings, fulfill the requirements for façades, exhibition pavilions, etc. Being in trauma of civil engineers), but can cope our common future, that is, for sustainable principle more cost-intensive, lightweight easily with earthquakes. While it is indeed development. structures can easily be derided as elitist. when designing structures. As it happens, light structures have possible to counter such natural attacks Seen sociologically: lightweight struc- by developing ingenious shapes and cle- tures create jobs, since delicate struc- ver bracing, we hardly stand a chance tures involve a carefully thought-out, work- against today’s high wages and our care- intensive attention to detail, entailing high less attitude to natural resources, which planning and production costs. The work Lightweight structures are, of course, It seems as if only banks and insurance Leichtbau – wieso und wie? Light Structures — How and Why? 298 | 299 Speiche, Mineralbad, Stuttgart Bad Cannstatt, 1993 Spoke, Mineral Spa, Stuttgart Bad Cannstatt, 1993 SBP 90 p2_28 22.10.2003 21:00 Uhr Seite 300 1 | Vergleich zwischen Vogelknochen und Dinosaurierknochen nach Galileo Comparison between bone of a bird and that of a dinosaur, according to Galileo 2 | Mammutbaum, Douglasie und Goldkiefer zeigen, wie der Stammdurchmesser mit der Höhe zunimmt Redwood, Douglas pine and golden pine show how the diameter of the trunk tapers with increasing height 1| 2| M 3 L2 =± ⋅γ⋅ W 4 d d 3 γ erf. erf = ⋅ ⋅ L ≠ const! L 4 β β=± erf.rf d L Normalbeton 0,4 Baustahl 0,2 Kiefernholz d + L 1000 2000 3000 3| Auftragsvergabe an den billigsten Anbieter auf ihren Zwang zur Sparsamkeit berufen. Natürlich ist der Leichtbau nicht auf den vorteilhaften Bau von Brücken und weit gespannten Dächern beschränkt, sondern eignet sich im Hochbau auch für Fassaden, Ausstellungspavillons und dergleichen mehr. Wegen seiner prinzipiell höheren Kosten kann der Leichtbau in den Ruch des Luxuriösen geraten. Es scheint, als könnten sich ihn nur Banken und Versicherungen, gelegentlich noch Museen leisten, nicht aber der Wohnungsbau und der alltägliche Industriebau. Und die Ingenieure und Architekten genießen einen Abglanz des Elitären, der im krassen Gegensatz steht zum Geist der Pioniere des Leichtbaus: Richard Buckminster Fuller, Konrad Wachsmann, Vladimir Suchov, Max Mengeringhausen und Frei Otto. Heutige Ingenieure und Architekten dagegen treiben den konstruktiven Exhibitionismus exklusiver Projekte immer weiter und merken nicht, dass um sie herum 98 Prozent des Gebauten viel eher ihrer Zuwendung bedürfte und deshalb ihr Tun zutiefst asoziale Züge erhält – der Verfasser weiß, wovon er redet, und klagt sich auch selbst an. Gefragt ist ein vernünftiger, bescheidener, effizienter aber zugleich bezahlbarer Leichtbau. Kulturell gesehen: Leichtbau, verantwortungsbewusst und diszipliniert betrieben, kann einen wesentlichen Beitrag zur gestalterischen Bereicherung der Architektur leisten. Die Vorstellung von ‚leicht‘, ‚filigran‘ und ‚weich‘ weckt angenehmere Empfindungen als ‚schwer‘, ‚plump‘ und ‚hart‘. Typischer Leichtbau macht den Kraftfluss ablesbar, der aufgeklärte Mensch will verstehen, was er sieht. So kann der Leichtbau über seine rationale Ästhetik Sympathien für die Technik, das Bauen und die Ingenieure L [m] 4| einfordern. Er kann den Ingenieurbau aus seiner heute weit verbreiteten Monotonie und Fantasielosigkeit herausführen und ihn wieder zu einem integralen Teil der Baukultur machen. Leichtbau ist ökologisches, soziales und kulturelles Bauen! Was könnte zeitgemäßer sein? Wie? Wie geht das nun, Leichtbau? Wenn wir leichte Baukonstruktionen entwerfen wollen, müssen wir ein paar einfache und einleuchtende Regeln beachten: Naturgesetz des Maßstabs Eine Struktur wird umso plumper (das heißt dicker in Relation zu ihrer Länge), je größer sie ist. Die Stärke eines biegebeanspruchten Balkens, der sich nur selbst tragen muss, wächst nicht nur proportional zu seiner Spannweite (wie aus falscher Gewohnheit oft unterstellt wird), sondern mit ihrem Quadrat! Wenn der Balken beispielsweise bei 10 Meter Spannweite 20 Zentimeter dick sein muss, dann wird er bei 100 Meter Spannweite nicht nur 10-fach, sondern 10 x10-fach dicker, also 20 Meter dick sein und sein Gesamtgewicht wächst gar um den Faktor 1.000! Ursache dafür ist, dass die Eigenlast schneller wächst (mit der 3. Potenz = dem Volumen) als die Tragfähigkeit (mit der 2. Potenz = der Querschnittsfläche). Diese wichtige Rolle des Maßstabs war schon Galileo Galilei bekannt. Er veranschaulichte sie durch den Vergleich eines kleinen dünnen Vogelknochens mit dem entsprechenden großen plumpen eines Dinosauriers (1). Dessen Beine (Querschnitt A =Π·d2/4) konnte sein mit der Größe schnell wachsendes Gewicht (Volumen V=Π·D3/6) nicht mehr tragen: SBP 90 p2_28 22.10.2003 21:00 Uhr Seite 301 d/D = 1/16 d/D = 1/5 d/D = 1/1,6 d/D = 1/1 5| LZ ≈ 1,3 R 6 | Beispiel 1: Betonkugel (ø D [m], γ = 23 kN/m3) auf Betonstütze (ø d [m], βD = 40/mm2), Druckversagen tritt ein bei: f βZ γ H= βD f γ β⋅ LD ≈ 1,3 H Reißlänge R Breaking length R Grenzhöhe H Maximum height Naturstein-Mauerwerk | Natural stone masonry Mauerziegel | Brick Normalbeton | Regular concrete Hochfester Beton | High strength concrete Baustahl | Structural steel Stahldraht | Steel wire Kiefernholz | Pine wood Glasfaser | Glass fibre Aramidfaser | Aramid fibre Grenzspannweite L Ultimate span L γ [kN/m3] β [N/mm2] β/γ [km] β/γ 1,3 [km] 25 - 50 H ≈ 2,0 L D ≈ 2,6 15 23 23 - 20 - 40 - 120 H ≈ 1,3 H ≈ 1,7 H ≈ 5,2 LD ≈ 1,7 LD ≈ 2,3 LD ≈ 6,8 78 78 5 25 14 - 500 + 2200 - 60 + 2400 + 2700 H ≈ 6,4 R ≈ 28 H ≈ 12 R ≈ 96 R ≈ 193 LD ≈ 8,3 LZ ≈ 37 LD ≈ 16 LZ ≈ 125 LZ ≈ 250 π d2 π D3 = γ → erf. d = 4 6 7 | Beispiel 2: Kleine ‚Erdkugel‘ (D =10 m, γ = 55 kN/m3) hängt an einem Drahtseil (βZ = 2200 N/mm2), Zugversagen wenn: Example 2: Small “globe” (D =10 m, γ = 55 kN/m3) is suspended from a wire cable (βZ = 2200 N/mm2) fails to tension if: erf. d =185.687 km erf. d =14,6! D 2 γ ⋅ D3 ≈ 0,02 D 3 ⋅ 3 βD Für die ‚wirkliche Erdkugel‘ (D =12742 km, γ = 55 kN/m3) würde: For the “real globe” (D = 12,742 km, γ = 55 kN/m3) meaning: erf. D ≈ 0,0041 D D 300 | 301 companies or museums can afford them, rational aesthetics, light structures can The reason: its dead load increases more but are out of reach when it comes to foster a positive attitude towards techno- quickly (to the power of three = the volume) building housing and everyday industrial logy, construction and engineers. It can than the load-bearing capacity (by the plants and retail shops. And engineers guide engineering away from the wide- power of two = the cross-sectional area). and architects enjoy wallowing in elitism, spread monotony and lack of imagination Galileo was already aware of this impor- which is diametrically opposed to the that characterize it today and place it in a tant role of scale. He illustrated it by spirit of such pioneers of lightweight setting where it is once again an integral comparing the thin bone of a bird with the structures, as Buckminster Fuller, Konrad part of the culture of building. Ecological, correspondingly thick bone of a dinosaur (1). Wachsmann, Wladimir Suchov, Max social, cultural: what could be more up The latter’s legs (cross-section A=Π · d2/4) Mengeringhausen and Frei Otto. Today’s to date? were no longer able to support their rapid- tive exhibitionism ever further, without noticing that 98 percent of what is built ly increasing weight (volume V=Π·D3/6) How? as they gained in size: “Now we can see from this how nei- around them would benefit greatly from How to create lightweight structures any- ther art nor nature can enlarge its works their attention, and that there is, there- way? If we want to design light structures, infinitely, so that it appears impossible to fore, a deeply unsocial aspect to their we need to respect a few easy, obvious build enormous ships, palaces or temples, activities. The author knows what he is rules: (…): Just as nature, on the other hand, does not allow any oversized trees to talking about and does not exempt himself from this criticism. What is needed are sensible, modest, efficient – but also Natural Law of Scale exist, since their twigs would break off under their own weight (…) By way of A structure becomes all the more ungainly explanation I have sketched a bone for you (that is, thicker in relation to its length), that is three times the normal length and structures, if undertaken in a disciplined the bigger it is. The thickness of a beam the mass of which has been thickened, and responsible manner, can make a subject to a bending load that has to sup- so as to make it of just as much use to cor- significant contribution to enriching the port only itself increases not in proportion respondingly large animals as the small architectural spectrum. Whatever is to its span (which is often assumed in bone is to smaller animals. You will see “light“, “refined“ and “gentle“ makes a error), but to its square! If, for example, the incongruity of the large bone. So if much more pleasant impression than a 10-meter span needs a beam 0.20 meters you wanted to retain the same ratios for a what is “heavy“, “ungainly“ and “severe“. thick, then a 100-meter span would require giant you would either have to find stron- A typical light structure makes the flow of a beam not 10 times as thick, but 10 x10 ger materials, or it would have to forego its forces legible, and an enlightened observ- times, in other words, a beam 20 meters solidity, and make the giant weaker than er wants to be able to understand what thick – with the total weight increasing he or she is looking at. As such, with their by a factor of 1000! affordable – lightweight structures. Seen culturally: building lightweight = 0,13 m d 1 erf. = D 77 Wie gut, dass die Erde durch die Massenanziehung der Sonne auf ihrer Bahn gehalten wird It’s a good thing that the earth is held on its orbit by the gravitational forces of the sun d - Druck + Zug - compression + tension engineers and architects pursue construc- 3 Leichtbau – wieso und wie? Light Structures — How and Why? R= Example 1: concrete sphere (ø D [m], γ =23 kN/m3) on concrete column (ø d [m], γD = 40 N/mm2) fails to compression if: SBP 90 p2_28 22.10.2003 21:00 Uhr Seite 302 8| Die hinsichtlich der Verformungen optimale Masthöhe f ist bei Hängebrücken geringer als bei Schrägseilbrücken. Für Fußgänger kann sich die Hängebrücke höhere Maste leisten als für Autos oder Eisenbahnen, weil die Verformungen w nicht so kritisch sind, so dass Seilmengen gespart werden können. In terms of deformation, the optimal mast height f is less for suspension bridges than for cable-stayed bridges. For pedestrians, a suspension bridge can allow higher masts than for cars or railways, as deformation w is not as critical, meaning savings in cable quantities. 9| L S S V f α H H f S= „Hieraus erkennen wir nun, wie weder Kunst noch Natur ihre Werke unermesslich vergrößern können, sodass es unmöglich erscheint, immense Schiffe, Paläste oder Tempel zu erbauen, (…): wie andererseits die Natur keine Bäume von übermäßiger Größe entstehen lassen kann, denn die Zweige würden schliesslich durch das Eigengewicht zerbrechen (…) Zur Erläuterung habe ich Euch einen Knochen gezeichnet, der die gewöhnliche Länge ums Dreifache übertrifft und der in dem Maasse verdickt wurde, dass er dem entsprechend grossen Thiere ebenso nützen könnte, wie der kleinere Knochen dem kleineren Thiere. Ihr erkennt, in welchem Missverhältnis der große Knochen gerathen ist. Wer also bei einem Riesen die gewöhnlichen Verhältnisse beibehalten wollte, müsste entweder festere Materie finden, oder er müsste verzichten auf die Festigkeit, und den Riesen schwächer als Menschen von gewöhnlicher Statur werden lassen; bei übermässiger Grösse müsste er durch das Eigengewicht zerdrückt werden und fallen.“1 Fazit: Baukonstruktionen werden umso schwerer, je größer sie sind. Leicht bauen heißt unnötig große Spannweiten meiden und – wie wir bereits an einem einfachen Balken (3) erkennen – effiziente Werkstoffe (kleines γ/β) einsetzen. Nicht biegen! Dieses Naturgesetz des Maßstabs kann man aber mit einigen Tricks umgehen, und zwar wenn man zunächst biegebeanspruchte Bauteile vermeidet zugunsten rein axial auf Zug oder Druck beanspruchter Stäbe, also den Balken H f2 ≈ H 1 + 16 2 cos α L auflöst. Das ist grundsätzlich möglich, wie wir vom Fachwerkträger wissen. Bei Stäben wird die gesamte Querschnittsfläche gleichmäßig genutzt und alles Unnötige weggelassen, bei der Biegung sind nur die Randfasern voll beansprucht, während in der Mitte untätiges Material ‚mitgeschleppt‘ werden muss. Dabei sind offenbar zugbeanspruchte Stäbe effizienter als druckbeanspruchte, weil Erstere erst dann reißen, wenn ihr Werkstoff versagt, während schlanke druckbeanspruchte durch Knicken, ein plötzliches seitliches Ausweichen, versagen. Das lässt sich ganz leicht an einem langen Bambusstock ausprobieren, wir können ihn von Hand nicht zerreißen, aber wenn wir uns auf ihm abstützen wollen, knickt er schnell. Effizienz eines Werkstoffs Diese günstigen zug- aber auch die druckbeanspruchten Bauteile werden umso effizienter, je größer ihre Zugfestigkeit βz bzw. Druckfestigkeit βD und je kleiner ihre Rohdichte γ ist. Als Reißlänge R = βZ/γ bezeichnet man recht anschaulich die Länge, die ein Faden erreicht, bis er unter seiner Eigenlast reißt, entsprechend als Grenzhöhe H = βD/γ die Höhe eines Prismas, das gerade in seiner Bodenfuge zerdrückt wird (5).2 Während die Reißlänge R eines Seils ebenso wie die Grenzhöhe H einer Säule unabhängig von der Größe ihrer konstanten Querschnittsfläche sind, kommen Maßstab und Effizienz bei Kombination zweier Werkstoffe gleichermaßen ins Spiel (6,7). SBP 90 p2_28 22.10.2003 21:00 Uhr Seite 303 11 | Konstruktion der Stützlinie, Giovanni Poleni (1683 –1761) Structure of thrust line, Giovanni Poleni (1683–1761) 10 | Zusammenhang zwischen Grenzhöhe H und Durchmesser D eines Turms: | Relation between the maximum height and the diameter D of a tower: γ D = e 2 βD ⋅H 302 | 303 H=D normal-sized humans; were it oversized it long bamboo stick: we cannot break it in Factor γ/β would then only determine would be crushed by its own weight and tension by hand but if we want to support the contours of the tower, the smaller it fall down.”1 ourselves on it, it snaps very easily. is the more squat it becomes. If one (arbi- Conclusion: structures become heavier the bigger they are. Building light structures means avoiding unnecessarily wide trarily) sets that height as the maximum Material Efficiency height H, at which diameter D becomes as large, then the following applies: spans and – as already illustrated by a Such favorable structural elements sub- for normal concrete H = 37 km, for high- simple beam (3) – using efficient materials ject to tension or compression become all strength concrete H = 122 km, for struc- (small γ/β). the more efficient the greater their tensile tural steel H = 153 km and for wood strength βz or compression strength βD H = 303 km (10). No Bending! and the smaller their bulk density γ. The A hanging cable made of high-quality breaking length B=βz/γ refers to the length steel wire (or of aramide fibers) could just It is possible to get round this natural law a thread can reach before it breaks under about support itself up to a maximum span of scale with a few tricks. First of all, by its dead load, corresponding the maximum of 37 kilometers (250 kilometers) (5). If we using members acting purely in axial height H=βD/γ refers to the height of a require a safety factor of 2.0 and assume tension or compression as against those prism just being crushed in its footprint that in addition to its dead weight the acting in bending. In other words, we (5).2 cable must bear at least the same weight Whereas the breaking length R of again (for example, the stiffening girder is always possible, as we know from a cable and the maximum height H of of a suspension bridge), but can, on the trusses. In the case of struts and ties the a column are independent of the size of other hand, disregard the traffic load, then entire cross-sectional area can be used their constant cross-sectional area, in the using materials available today (steel wire) evenly, and what is not absolutely essen- combination of two materials the scale and the calculated maximum span for suspend- tial discarded. In the case of bending, only the efficiency also come into play (6,7). have to dissolve girders. In principle that the edge fibers come fully under pressure, In reality the diameter of a tower, or in whereby inactive material in the middle the case of a hollow body the thickness of has to be borne along, too. the wall, tapers upwards in line with ed structures is calc. Lmax ≈ 9 km for arches calc. Lmax ≈ 2 km is certainly more than is necessary, sensible and affordable. With regard to the minimization of the the reduction of the compressive stress. cable or arch weight, the rise-to-span ratio than compression struts, since the former If the cross-sectional area from top to f/L ≈ 0.35 based on LZ ≈1.3 R is optimum. fail only with their material, whereas slen- bottom is allowed to grow in line with the In the case of suspension bridges, how- der struts buckle by suddenly moving side- function so typical for natural phenomena ever with regard to deformation and one- ways. This can be demonstrated using a of natural logarithms or e-functions, then sided traffic load and a still acceptable the vertical stresses in each cross-section cable weight, f/L =1/8 –1/10 has proved remain constant. In this way, any material favorable (8,9). Tensile ties are evidently better value can be used to build as high as you want. Leichtbau – wieso und wie? Light Structures — How and Why? D SBP 90 p2_28 22.10.2003 12 | a | Einfeld- und Durchlaufträger mit typischen Querschnitten, die zunehmend ausgemagert sind mit dem Ziel, Gewicht zu sparen, aber die Biegesteifigkeit zu erhalten. b | Fachwerkträger sind durch die unverschiebliche Geometrie ihrer Dreiecksmaschen steif. In dieser Darstellung nimmt der Grad der Steifigkeit von oben nach unten ab, bzw. die Verformungen unter Lasten zu. c | Mit einer zunehmender Anzahl an Schrägseilen können die einzelnen Seile dünner und der Träger schlanker werden. Für die Umkehrung, d. h. für die Sprengwerke, bestimmt die erforderliche Knicksteifigkeit die Bauteilabmessungen. d | Seile können in Fachwerken dadurch als Druckstäbe wirksam werden, dass sie vorher durch die angehängten Eigenlasten vorgedehnt oder vorgespannt werden. Unter Nutzlast auftretender Druck entspricht dem Abbau von Zug. Echte Druckstäbe können knicken, vorgespannte aber nicht. 21:00 Uhr Seite 304 e | Systeme mit Vierecksmaschen sind verschieblich, wenn ihre Knoten gelenkig verbunden sind. Versteifend wirken Eigenlasten und zusätzlich Biegesteifigkeit. Während man bei Hängebrücken die Biegesteifigkeit nur sinnvoll im Träger unterbringen kann, lässt sie sich bei Bogenbrücken auf Bogen und Träger beliebig aufteilen. Die Stabbogenbrücke versteift sich überwiegend über den Träger. Vorspannung ist wirksamer als Eigenlast, denn Trag- und Spannseile bilden ein gekoppeltes System. Im Gegensatz zum Spannband braucht der Bogen stets zusätzlich Biegesteifigkeit. a | Typical cross-sections of single-span and continuous girders: they are progressively resolved in order to save weight but retain their rigidity. b | Truss girders are rigid thanks to their non-kinematic triangular meshes. In this illustration, the degree of rigidity decreases continuously from top to bottom, or the deformations increase under load. c | With an increasing number of stay cables, the individual cables can be thinner and the girders more slender. Conversely, i. e., for struts, the dimensions of the sections are determined by their buckling strength. d | Cables can be used in truss girders as struts if they have been pretensioned or prestressed owing to the dead load suspended from them. The compression that arises from using live load corresponds to reduction in tension. Real struts can bend, whereas prestressed ones cannot. e | Systems with rectangular meshes are kinematic if connected by hinged joints. Dead load and additional rigidity stiffen the structure. While in a suspension bridge rigidity can be meaningfully achieved only through the girders, in arched bridges it can be shared at will between arch and girder. A deck-stiffened arch bridge is primarily stiffened by its girders. Prestressing is more effective than dead load, for sagging and hogging cables collaborate. Unlike a stressed ribbon the arch requires additional rigidity. In Wirklichkeit wird man den Durchmesser, bzw. bei einem hohlen Körper die Wandstärke, eines Turms nach oben entsprechend der Abnahme der Druckspannungen verjüngen. Lässt man die Querschnittsfläche von der Spitze bis hin zum Boden nach der für natürliche Phänomene so typischen Funktion des natürlichen Logarithmus beziehungsweise der e-Funktion anwachsen, bleiben die vertikalen Spannungen in jedem Querschnitt konstant. So lässt sich mit jedem Werkstoff beliebig hoch bauen. Der Faktor γ/β bestimmt jetzt nur noch die Kontur des Turms, je kleiner desto gedrungener. Wenn man (willkürlich) als Grenzhöhe H die Höhe ansetzt, bei der der Durchmesser D gleich groß wird, dann wird für: Normalbeton H = 37 km, für hochfesten Beton H = 122 km, für Baustahl H = 153 km und für Holz H = 303 km (10). Ein durchhängendes Seil aus hochwertigem Stahldraht (Aramidfasern) könnte sich bis zu einer Grenzspannweite von 37 Kilometern (250 Kilometern) noch selbst tragen (5). Verlangt man einen Sicherheitsfaktor von 2,0 und unterstellt, dass das Seil neben seiner Eigenlast zumindest nochmals dieselbe Last zu tragen hat (zum Beispiel den Versteifungsträger einer Hängebrücke), dagegen aber die Verkehrslast vernachlässigen kann, beträgt die rechnerische Grenzspannweite L/4, das heißt mit heute verfügbaren Werkstoffen (Stahldraht) wird die Grenzspannweite für Hängekonstruktionen zu rechn. Lgrenz ≈ 9 km, für Bögen zu rechn. Lgrenz ≈ 2 km, auf jeden Fall mehr als nötig, sinnvoll und bezahlbar. Das dem LZ ≈1,3 R zugrunde liegende Stich/Spannweitenverhältnis f/L ≈ 0,35 ist hinsichtlich der Minimierung des Seil- bzw. Bogengewichts optimal. Für Hängebrücken hat sich aber f/L = 1/8 – 1/10 im Hinblick auf erträgliche Verformungen unter halbseitiger Verkehrslast bei dennoch vertretbarem Seilgewicht als effektiv erwiesen (8,9). a| b| Druck – Zug c| d| e| Mit f/L = 1/8 und für das Seilgewicht A · γ mit S = A · β wird für Stahldraht mit der Reißlänge R ≈ 28 km die praktische Grenzspannweite für Hängekonstruktionen geringer, nämlich zu: prakt. Lgrenz ≈ 0,89 · 28 · 1/4 ≈ 6,2 km statt 1,3 R immer noch mehr als nötig. Gelingt es, baupraktisch nutzbare Aramidfasern herzustellen, wird prakt. Lgrenz ≈ 43 km. Kleiner Exkurs Brückenbau Diese drei ersten Ansätze für den Leichtbau eröffnen uns bereits die ganze Formenvielfalt des Brückenbaus (12). Wir erkennen die Auflösung des Balkens zum Fachwerk und dann (links) die Bogentragwerke, die ihre Lasten hauptsächlich über Druckkräfte ableiten, und ihre Umkehrung (rechts), die Hängetragwerke, welche die besonders günstige Zugbeanspruchung nutzen. Ganz unten finden wir die minimalsten Tragwerke, den reinen Bogen oder das zwischen zwei Felswänden hängende Seil, die so aber als Tragwerke untauglich sind, weil sie sich unter Last zu sehr verformen würden. Dazwischen ergeben sich die verschiedensten Lösungen: Versteifungen der Bögen und Hängeseile durch Koppelungen mit der Fahrbahn und alle Arten von Verspannungen, Stabbögen, Sprengwerke sowie die Schrägseilbrücken und Hängebrücken usw. Je weiter wir fortschreiten, von den dreieckigen zu den viereckigen Maschen, desto leichter, aber auch desto weicher und kritischer gegen winderregte Schwingungen wird es, und darin spiegelt sich die ganze Herausforderung und der Reiz des Brückenbaus wider. Der aufmerksame Beobachter des heutigen Brückenbaus wird bestätigt finden, dass man auf diesem Gebiet recht pragmatisch ‚so schwer wie gerade vertretbar‘ baut. Bis ungefähr 100 Meter Spannweite wählt man Balken, SBP 90 p2_28 22.10.2003 21:00 Uhr Seite 305 17 | 13 | Fußgängerbrücke Max-Eyth-See, Stuttgart, 1989 Footbridge, Lake Max Eyth, Stuttgart, 1989 In der Tat wirkt Stabbogenbrücke B prinzipiell wie eine umgekehrte Hängebrücke Hll. Eine nähere Betrachtung zeigt aber, dass sich die Verformungen w mit zunehmender, insbesondere einseitiger Last bei der Hängebrücke verringern, während sie sich bei der Bogenbrücke aufschaukeln. Bei Hängebrücken genügt zur Stabilisierung die Eigenlast g und nützt die Biegesteifigkeit J des Trägers. Bogenbrücken hingegen sind auf die Biegesteifigkeit J unbedingt angewiesen. As a matter of fact, deck-stiffened arch bridge B functions essentially like the inverted suspension bridge Hll. However, we soon see that the deformations w are reduced with increasing, specifically one-sided load on the suspension bridge, while in an arch bridge it increases. In the case of suspension bridges, load weight g suffices as stabilization, using the girder’s rigidity J. By contrast, arch bridges cannot dispense with rigidity J. 14 | Fußgängerbrücke Pragsattel I, Stuttgart, 1992 Footbridge, Pragsattel I, Stuttgart, 1992 15 | Ganterbrücke, Simplonpass, Schweiz, 1980, Christian Menn Ganter Bridge, Simplon Pass, Switzerland, 1980, Christian Menn At f/L =1/8 and for a cable weight A · γ with rectangular meshes, it becomes all the of the compression boom that determines S = A · β the practical maximum span for lighter but also non-flexible and more the possible length of the span. As a result, suspended structures for steel wire with critical with regard to wind-induced vibra- should both have the same f/L, a self- a breaking length R ≈ 28 kilometer is less, tion – and herein lies the challenge and anchored suspension bridge is inferior to the attraction of bridge-building. a back-anchored one, whereas with a non- namely: pract Llimit ≈ 0,89·28 ·1/4 · 6,2 km instead of 1,3 R is still more than necessa- Astute observers of bridge-building ry. If usable aramide fibers can be success- today will soon see that bridges are true rigid than a suspension bridge (as the dia- fully produced for building purposes, then to the pragmatic motto of “as heavy as gram (8) illustrates), and therefore with pract. Llimit ≈ 43 km. can be justified”. For a span of up to f/L ≈1/5 still has a trump-card to play – its around 100 meters girders are used, up maximum span thus comes close to that to around 250 meters arches and trusses. of a back-anchored suspension bridge. Slight Excursus: Bridge-Building uniform load a cable-stayed bridge is more For spans of this length, the dead load of At the moment the longest cable- These first three examples of lightweight the bridge can be at least five times the stayed bridges are the Pont de Normandie structures already reveal to us the wide useful traffic load it can bear. Above 300 in France with a span of 856 meters and variety of forms in bridge-building (12). We meters, however, the dead load of the the Tatara Bridge in Japan at 890 meters, can see the beam resolving to form a truss structure is so great that only “lightweight the largest suspension bridges are the and then (on the left) the arched structures, constructions” working predominantly Størebelt Bridge in Denmark at 1,624 me- which predominantly bear load in com- in tension, cable-stayed bridges and self- ters and the Akashi Bridge in Japan at pression, and their reversion (right), the anchored suspension bridges of lengths 1,990 meters. The projected suspension suspended structures, which make use of up to about 1,000 meters come into bridge over the Straights of Messina with of the particularly favorable tensile forces. question. Only back-anchored suspension a 3,500-meter span would feature four At the bottom we see the most reduced bridges are used for lengths exceeding cables, each 1.70 meters in diameter. structures, the pure arch or the cable this value. Their load-bearing capacity is halved by suspended between two cliff walls, which For the sake of good order it ought to the fact that they have to support them- as such cannot be used as load-bearing be noted at this point that the aforemen- selves, with only 50 percent remaining structures as they would deform too quickly tioned maximum spans apply only to pure for the relatively small live load set against under non-uniform load. back-anchored suspension bridges. With the intrinsic dead load of the cables and In this way, you arrive at all the various their girder compression boom beneath, bridge deck. in-between solutions, bracing arches and cable-stayed bridges have the load-bear- suspension cables by joining them to the ing behavior of cantilevering trusses. hardly be termed a lightweight structure, roadway, and all forms of stiffening, deck In the case of self-anchored suspension but using the materials available today stiffened arches, raked frames as well as bridges the stiffening girder also acts as such a wide span cannot be any lighter – cable-stayed and suspension bridges, etc. a compression boom. For this reason, in here we are at the limits of meaningful The lower we descend, from triangular to both cases it is the compression strength structures unless it becomes possible to Strictly speaking, such a bridge can Leichtbau – wieso und wie? Light Structures — How and Why? 304 | 305 16 | Thurbrücke, bei Felsegg, Schweiz, 1933, Robert Maillart Thur Bridge, near Felsegg, Switzerland, 1933, Robert Maillart SBP 90 p2_28 22.10.2003 Prinzip der Vorspannung: a | Ein schlaffes Seil kann nicht stützen. b | Ein Seil kann zum Aufhängen einer Last verwendet werden. c | Das an Decke und Boden befestigte, noch unbelastete Seil wird mit einem Spannschloss auf die Kraft V vorgespannt. 21:00 Uhr Seite 306 d | Die mittig an das vorgespannte Seil angehängte Last hängt sich je zur Hälfte an die Decke und stützt sich über das untere Seil auf den Boden ab. e | Wenn die Last auf das Doppelte gesteigert wird, hat der Druck die Vorspannung im unteren Seil aufgezehrt und es wird schlaff. Ab da hängt die Last wieder allein im oberen Seil. Principle of prestressing: a | A slack rope cannot provide support b | A cable can be used to suspend a load c | The cable, fastened to ceiling and floor and not yet under load is prestressed up to force V using a turnbuckle d | The load, suspended from the middle of the prestressed cable, is suspended half from the ceiling and the other half supported from the floor. e | If the load is doubled, the compression consumes the prestressing in the lower cable and it becomes slack. From then on the load is solely suspended from the upper cable. a | Nicht ausgekreuzt: nicht stabil b | Diagonale Seile nicht vorgespannt: Druckdiagonale wird schlaff, nur Zugdiagonale wirkt c | Diagonale Seile vorgespannt: Vorspannzustand ohne Last d | Diagonale Seile vorgespannt: Zustand mit Last, Verschiebung f/2 im Vergleich zu f ohne Vorspannung a | No cross-over = no stability b | Diagonal cables not prestressed: the compression diagonal becomes slack, only the tensile diagonal functions c | Diagonal cables prestressed: prestressing without a load d | Diagonal cables prestressed: under load, shift f/2 compared to f without prestressing f =∞ a| b| c| d| e| Last P Load P a| P Last P Load P Vorspannung Prestressing 1 V= P V+ P 2 1/2 V+ P 2 f Vorspannung aufgezehrt | Prestressing used up 2P 1/2 V–P=0 2P P mit with f/2 Das Seil „erinnert“ sich daran, dass es vorgespannt war | The cable remembers that it was prestressed D >Z Z ohne Vorspannung without prestressing c| 1/2 1 Verformung Deformation 18 | Z D <K d| Z = Zug | Tension 19 | bis ungefähr 250 Meter Bögen beziehungsweise Fachwerke. Man erlaubt sich bis zu dieser Weite Eigenlasten, die mindestens dem Fünffachen der Nutzlasten entsprechen. Oberhalb von ungefähr 300 Metern ist das Eigengewicht so groß, dass nur noch zugbeanspruchter ‚Leichtbau‘, Schrägseilbrücken und selbstverankerte Hängebrücken bis ungefähr 1.000 Meter, und über diese Weite hinaus rückverankerte Hängebrücken in Frage kommen. Hier muss der Vollständigkeit halber angemerkt werden, dass die oben genannten Grenzspannweiten nur für reine, rückverankerte Hängebrücken zutreffen. Schrägseilbrücken wirken wie Fachwerk- oder Kragträger mit einem unten liegenden Druckgurt. Bei den selbstverankerten Hängebrücken wirkt der Versteifungsträger als Druckgurt. Deshalb bestimmt bei beiden die Druckfestigkeit des Druckgurts die mögliche Spannweite. Folglich ist die selbstverankerte Hängebrücke der rückverankerten – wenn beide das gleiche f/L haben – diesbezüglich unterlegen, während die Schrägseilbrücke bei einseitiger Last (wie das Diagramm (8) zeigt) steifer ist als die Hängebrücke und deshalb mit f/L ≈1/5 noch einen Trumpf ausspielen kann und ihre Grenzspannweite dadurch nahe an die der rückverankerten Hängebrücke herankommt. Die derzeit größten Schrägseilbrücken sind der Pont de Normandie in Frankreich mit 856 Meter Spannweite und die Tatarabrücke in Japan mit 890 Metern, die größten Hängebrücken sind die Størebeltbrücke in Dänemark mit 1.624 Metern und die Akashibrücke in Japan mit 1.990 Metern. Die projektierte 3.500 Meter weit gespannte Hängebrücke über die Straße von Messina soll von vier Kabeln mit je 1,70 Meter Durchmesser getragen werden. Deren Tragfähigkeit ist bereits zur Hälfte dadurch aufgezehrt, dass sie sich selbst tragen müssen, nur die andere b| D = Druck | Compression Hälfte bleibt für die gegen die Eigenlast der Kabel und des Brückendecks verschwindend geringe Nutzlast. Definitionsgemäß handelt es sich hierbei absolut um keinen Leichtbau mehr, aber leichter geht es bei so großen Spannweiten mit den heutigen Werkstoffen nicht – die Grenze des sinnvoll Baubaren ist erreicht –, es sei denn, es gelingt, die Stahlkabel durch Glas- oder Kunststofffasern mit einem wesentlich größeren β/γ zu ersetzen (5). Eine weitere Frage lautet, warum man diesem Leichtbau, um der Ressourcenersparnis und der Baukultur willen, nicht auch die Brücken kleiner Spannweiten eröffnet. Viele schöne Fußgängerbrücken, bei denen es besonders auf einen menschlichen Maßstab ankommt, und abgespannte oder aufgehängte leichte Dächer zeigen, dass Leichtbau funktioniert und sich lohnt! In der Typologie der Brücken sind übrigens auf der linken (Druck-) und rechten (Zug-) Seite die jeweiligen Umkehrungen einander zugeordnet, eine für den Entwurf von Brücken (insbesondere von Fußgängerbrücken) sehr anregende Überlegung. Christian Menns Ganterbrücke am Simplonpass in der Schweiz (15, eine der schönsten Brücken unserer Zeit) lässt sich als umgekehrtes Sprengwerk interpretieren (siehe 12, 13–17). Dabei stimmt nachdenklich, dass es ausgerechnet für die heute am weitesten verbreitete Seilbrücke, die Schrägseilbrücke, keine vernünftige überwiegend druckbeanspruchte Umkehrung gibt. Natürlich muss in diesem Zusammenhang an Robert Hookes Auseinandersetzung mit der Gewölbestatik mit dem Titel Wie die biegeschlaffe Linie hängt, so wird umgekehrt das stabile Gewölbe stehen aus dem Jahr 1676 erinnert werden, ebenso wie an David Gregorys (1659 –1708) erste mathematisch formulierte Kettenlinie von 1697, die er als „sehr dünnes Gewölbe“ begreift, und an Giovanni Polenis Untersuchung der Kuppel von St. Peter SBP 90 p2_28 22.10.2003 21:00 Uhr Seite 307 20 | Vorgespanntes Seiltragwerk Prestressed cable structure 21 | Vorgespannte Flächentragwerke Prestressed membrane structures Mechanische Vorspannung gegensinnige Krümmung | Mechanical prestressing anticlastic curvature V V1 f S=V+∆S P l Gleichgewicht: P = f ( V + ∆S) 2 l Equilibrium: l L V+∆S Seilnetz Cable net 22 | Seil unter Einzellast Cable subjected to individual load Verträglichkeit: ∆ l = Compatibility: P V+∆S ∆l Werkstoffgesetz: ∆S = ⋅ EA l Material properties: P V2 l2 + f 2 − l 40 <V1 V= 4 Pneumatische Vorspannung gleichsinnige Krümmung | Pneumatical prestressing synclastic curvature >V1 f l2 + f2 − l P = 2⋅ V + ⋅ EA l l V= 1 V= 0 30 20 Membran Membrane 1 3 5 f replace the steel cables with glass or pla- ted catenary curve (1697), which he per- In the example of the square of rods with stic fibers with a significantly larger β/γ (5). ceives as “a very thin vault”, as well crossed cables (19), the diagonal cable At the same time, we could ask why, for as to Poleni’s examination of St. Peter’s subject to compression stress helps to the sake of saving on resources and of Dome in Rome (1748) (11).3 In later times, bear the load because it is prestressed. building culture, we do not start focusing Antoni Gaudí, Frei Otto and Heinz Isler all It was initially subjected to tensile stress on lightweight structures for small-span used suspension models when develop- so that when it comes under compression bridges. Many attractive pedestrian ing vaults and shells.4 (cf.also p. 246, 249). it senses not pressure but a reduction in bridges, where human dimensions really do play a part, not to mention guyed and suspended light roofs, illustrate that it can be done and is worthwhile! Incidentally, in the typology of bridges tension, which is the same in terms of the Prestressing load-bearing (see p. 114). Cable nets would be unusable without Prestressing is a particularly ingenious prestressing: a sagging set of cables is way of achieving lightness as it enables tensioned against an opposing curved set on the left-hand (compression) and right- undesirable compression stress to be con- of cables in such a manner that reverse hand (tension) side the relevant reversals verted into tensile stress and vice versa. forces maintain a state of equilibrium. are allocated accordingly, which in the In the case of a cable that runs between design of bridges (in particular pedestrian the roof and the ground (18), which, thanks “upper” set of cables increase and in the bridges) is a very stimulating proposition. to the prestressing, transfers the load as “lower” decrease, until the latter become As such, Christian Menn’s Ganter Bridge tension to the roof and at the same time (15, one of the most beautiful bridges of to the ground as compression, the pre- our time) can quite easily be interpreted stressing enables all building elements straight cable just tautened (and corres- as a reversed double strut frame (12, to continuously play a part, that is, even pondingly a plane prestressed net/mem- 13–17). It makes us ponder the fact that for cables subject to compression do not brane) can bear transverse loads with the most widespread form of cable bridge slacken. Furthermore, the deformation deformations, which are controlled by the today, the cable-stayed bridge there is no “remembers” prestressing even when the Under outer load the tensile forces in the slack (20). Thanks to the prestressing, even a amount of prestressing, that is, the great- sensible primarily compressed stress lower section of cable has become slack. er V is, the smaller f is (22). reversal. In this way very light, efficient cable gir- Above and beyond the application of pre- ders and cable nets can be built, which stressing on cable nets and membranes make reference to Robert Hooke’s work have the ideal load-bearing behavior of illustrated here, and so important in light- on the structure of vaults: “Just as the membranes from structures of struts and weight construction, there is another slack flexural line hangs, conversely the ties or of shells. wide range of possibilities for applying In this context we must, of course, stable vault line will stand …” (1676), and this principle, from prestressed bolts and D. Gregory’s first mathematically formula- ground anchors through to prestressed concrete—among civil engineers Leichtbau – wieso und wie? Light Structures — How and Why? <V2 >V2 306 | 307 10 SBP 90 p2_28 22.10.2003 21:00 Uhr Prinzip des Spannbetons 23 a | zentrisch vorgespannter Stab Principle of prestressed concrete a slab | centrically prestressed Seite 308 Acn Ap P = F1/ 2 R < 1/2 1 23 b | Vorgespannter Träger | Prestressed girder V R u 1 F1 F1 24 | Kraft-DehnungsDiagramm Force-Strain-Diagramme u= 2F1 nicht vorgespannt non-prestressed vorgespannt prestressed 23 a | 23 b | 25 | Ein zentrisch vorgespannter Stab knickt nicht A centrically prestressed column does not bend auch nach der „Dekompression“ „erinnert“ sich der Stab noch, daß er vorgespannt war even after the “decompression” the slab “remembers” that it was prestressed F α F = P·Ai /Acn F P=0 P α >2α εc 24 | in Rom (1748) (11).3 In neuerer Zeit haben Antoni Gaudí, Frei Otto und Heinz Isler Hängemodelle zur Formfindung von Gewölben und Schalen verwendet.4 (siehe S. 246, 249). Die geistreiche Vorspannung Ein besonders geistreicher Trick, Leichtigkeit zu erreichen, ist die Vorspannung, die es erlaubt, eine ungünstige Druckbeanspruchung in eine Zugbeanspruchung zu verwandeln oder umgekehrt Zug in Druck. Im Falle des zwischen Decke und Boden gespannten Seils (18), das eine Last dank der Vorspannung zur Decke auf Zug und zugleich zum Boden auf Druck abträgt, wird durch die Vorspannung erreicht, dass alle Bauteile immer mitwirken, also selbst druckbeanspruchte Seile nicht schlaff werden. Darüber hinaus ‚erinnert‘ sich das Verformungsbild selbst dann noch an die Vorspannung, wenn der untere Seilabschnitt schlaff geworden ist. So lassen sich sehr leichte effiziente Seilbinder oder Seilnetze bauen, die wie ideale Strukturen aus zug- und druckfesten Stäben oder wie Schalen wirken. Am Beispiel des mit Seilen ausgekreuzten Stabvierecks (19) trägt die druckbeanspruchte Seildiagonale mit, weil sie vorgespannt ist. Ihr wurde zunächst eine Zugbeanspruchung eingeprägt, sodass sie, wenn sie Druck erhält, nicht diesen, sondern einen Abbau von Zug spürt, was statisch gleichwertig ist (siehe S. 114). Seilnetze wären ohne Vorspannung nicht brauchbar: Eine durchhängende Seilschar wird gegen eine entgegengesetzt gekrümmte Seilschar so verspannt, dass sich Umlenkkräfte das Gleichgewicht halten. Unter Last nehmen die Zugkräfte der ‚oberen‘ Seilschar zu, die der ‚unteren‘ ab, bis Letztere schlaff wird (20). 25 | Dank der Vorspannung kann selbst ein gerade gespanntes Seil (und entsprechend ein vorgespanntes Netz bzw. eine Membran) Querlasten mit kontrollierten Verformungen tragen, die über die Größe der Vorspannung gesteuert werden können, also je größer V, desto kleiner f (22). Über die hier gezeigte und für den Leichtbau besonders wichtige Anwendung der Vorspannung auf ‚zugbeanspruchte Flächentragwerke‘ (Seilnetze, Membranen) hinaus, kennen wir vielfältige Anwendungsmöglichkeiten dieses Prinzips, von den vorgespannten Schrauben und Erdankern bis zum Spannbeton, unter Bauingenieuren häufig Synonym für Vorspannung, weshalb er hier noch kurz erwähnt sei (23–25). Zur doppelten Krümmung Die Leichtbauprinzipien des Brückenbaus lassen sich auch auf den Hochbau übertragen, zur Überdachung von großen Sport-, Messe- oder Industriehallen. Das verleiht diesen Bauten einen eigenen Charakter und einen menschlichen Maßstab. Da die Flächen zwischen diesen Seilbindern immer noch durch Träger überspannt werden müssen, was zu halbschweren oder halbleichten Dächern führt (26), drängt sich der Gedanke auf, selbsttragende leichte Flächentragwerke aus doppelt gekrümmten Flächen zu bauen. Im Gegensatz zu Bögen, die nach der ihrer Belastung zugeordneten Stützlinie geformt sein müssen, damit sie rein axial ohne Biegung tragen, und auch im Gegensatz zu einem durchhängenden Seil, das sich mit großen dehnungslosen Verformungen seiner Belastung anpasst, können doppelt gekrümmte Flächen stetige Lasten (Punktlasten und Nadelstiche ausgenommen) stets mit reiner Axialbean- SBP 90 p2_28 22.10.2003 21:00 Uhr Seite 309 26 | 27 | 26 | Europahalle, Karlsruhe, 1984 Europe Hall, Karlsruhe, 1984 - Nr (Druck | compression) 27 | Tragverhalten einer Kugelschale Load-bearing behavior of a spherical shell + Nr (Zug | tension) frequently a synonym for prestressing, world for architecture, providing an unsur- and membranes are highly labor intensive which is why it is only mentioned briefly passable variety of designs that has by and demand extremely high precision in here (23–25). no means been exhausted. Like bridges, their production (29). they also transfer their loads via compres- Conclusion: There are no easy answers sion (the shells or grid domes) or via ten- to complicated problems; at best, there sion (the cable nets and the membrane can be the most suitable compromise. The principles of lightweight structures structures). In between these there are the Fortunately, that affords much leeway developed in bridge building can be ap- plane structures, slabs and 3D trusses (28). for subjective design. Double curvature plied to building construction, to roof over Despite the extremely thin wall thik- It is encouraging that in recent times large sport, fair and industrial halls. This kness of shells and grid domes, their cur- structures using cables and textile mem- gives the buildings their very own charac- ved shape succeeds in stabilizing them branes in particular have made great in- ter and human dimensions. against the feared buckling and, likewise, roads, and the fact that they can be folded in protecting the extremely light cable means they are used for versatile buildings. cable girders still have to be spanned by nets and membranes from wind-induced This marks the beginning of a new era in girders, which results in a semi-heavy or vibration through prestressing. For this, building, one that will fundamentally alter semi-light roof (26) , it would seem obvi- the two principal directions of the nets life in our changeable climate. The future ous to build self-supporting light membra- and membranes (once again using the is only just beginning! ne structures featuring double curvature principal of prestressing) are stressed surfaces. As opposed to arches, which against each other, whereby they adopt weight construction probes the theoret- must be shaped so as to correspond to the typical saddle shape, with anticlastic ical boundaries of structural engineering, the thrust line designed for their load if curvature. If they are pneumatically pre- the technological boundaries using high- they are to bear the load in a purely axial stressed, they adopt a dome shape with performance materials and production manner, and also as opposed to a sagging synclastic curvature. Thanks to computers, boundaries with complicated three- cable, which adapts to its load with large today it is quite possible to determine their dimensional structures. non-extensionable deformations, double exact cutting pattern and to perform the curvature surfaces can transfer distrib- relevant structural and dynamic analysis. light structures as a challenge because, These light planar double-curved as is typical of the profession, it appeals Since the surfaces between these uted loads (excepting point loads) at all Lightness is difficult, since light- True engineers see the building of times solely by means of axial stress, also membrane structures are much more like- equally to their knowledge, ability and known as membrane stress. What is not ly to be stretched to their limits for reasons experience as well as to their imagination achieved in the one direction (for example, of manufacturing technology and, as a con- and intuition. With lightweight structures, in the case of a dome, the parallels), is cor- sequence, costs. These curved surfaces engineers can give adequate visual rected by the other (the meridians, 27). are difficult to manufacture and require expression to an intelligent and efficient expensive formwork and complicated pre- structure, thus making a contribution to fabrication. The details in the cable nets the culture of building. These structures are not only extremely light, they also open up a whole new 308 | 309 „Federn“ in Ringrichtung “spring” in ring direction Leichtbau – wieso und wie? Light Structures — How and Why? Nϕ SBP 90 p2_28 22.10.2003 21:00 Uhr Seite 310 Herstellung Manufacture Geometrie Geometry Vierecksnetz Quadrangular mesh 28 | Entwicklung der Flächentragwerke Development of membrane structures frei 29 | Herstellung und Geometrie zugbeanspruchter Flächentragwerke Manufacture and geometry of membrane structures subject to tension Dreiecksnetz Triangular mesh begrenzt Textile Membran Textile membrane frei gleichsinnig gekrümmt synclastic curved eben | plane gegensinnig gekrümmt anticlastic curved Kuppeln | domes Platten | slabs Sättel | saddles Dünne Metall-Membran Thin metal membrane begrenzt 28 | 29 | spruchung, Membranspannungen genannt, abtragen. Was die eine Richtung (zum Beispiel bei einer Kuppel die Breitenkreise) nicht schafft, korrigiert die andere (die Meridiane) (27). Diese Tragwerke sind nicht nur extrem leicht, sondern sie eröffnen der architektonischen Gestaltung eine völlig neue Welt, deren unüberbietbare Formenvielfalt bis heute keineswegs ausgeschöpft ist. Wie Brücken tragen sie ihre Lasten hauptsächlich über Druckkräfte ab – Schalen oder Stabkuppeln – oder über Zugkräfte – Seilnetze und Membranbauten. Dazwischen verbleiben Flächentragwerke, Platten und Raumfachwerke (28). Trotz der extrem dünnen Wandstärken der Schalen und Gitterkuppeln gelingt es, sie durch ihre gekrümmte Form gegen das gefürchtete Beulen zu stabilisieren und ebenso die extrem leichten Seilnetze und Membranen durch Vorspannung vor Windschwingungen zu bewahren. Dazu werden die zwei Hauptrichtungen der Netze und Membranen (wieder nach dem Prinzip der Vorspannung) gegeneinander verspannt, wodurch sie die typische Sattelform mit gegensinniger Krümmung annehmen. Werden sie pneumatisch mit innerem Luftüber- oder -unterdruck vorgespannt, nehmen sie eine Kuppelform mit gleichsinniger Krümmung an. Die Formfindung und die statische und dynamische Berechnung ist mit den heutigen computergestützten Berechnungsverfahren durchaus beherrschbar. An ihre Grenzen stoßen diese leichten Flächentragwerke viel eher aus fertigungstechnischen Gründen bzw., in Folge davon, Kostengründen. Die gekrümmten Flächen sind schwierig herzustellen und benötigen teure Schalungen oder komplizierte Zuschnitte. Details der zugbeanspruchten Netze und Membranen sind aufwändig und verlangen eine extreme Fertigungsgenauigkeit (29). Fazit: Für anspruchsvolle Probleme gibt es nie eine triviale Lösung, sondern höchstens den optimalen Kompromiss. Das lässt zum Glück viel Spielraum für eine subjektive Gestaltung. In letzter Zeit haben sich insbesondere die Bauten aus Seilen und textilen Membranen erfreulicherweise durchgesetzt, wobei ihre Faltbarkeit sogar für wandelbare Bauten genutzt wird. Das kennzeichnet den Beginn einer ganz neuen Ära des Bauens, die das Leben in unserem wechselhaften Klima grundlegend verändern wird. Die Zukunft hat gerade erst begonnen! Das Leichte ist schwer, weil der Leichtbau Grenzen auslotet, die theoretischen der Statik und Dynamik, die technologischen mit hoch leistungsfähigen Werkstoffen und die fertigungstechnischen mit komplizierten dreidimensionalen Strukturen. Den engagierten Ingenieur reizt der Leichtbau, weil dieser sein Wissen, Können und seine Erfahrung auf der einen und seine Fantasie und Intuition auf der anderen Seite gleichermaßen anspricht. Im Leichtbau kann er einer intelligenten und effizienten Konstruktion den adäquaten gestalterischen Ausdruck verleihen und auf diese Weise einen wesentlichen Beitrag zur Baukultur leisten. 1 | Galileo Galilei, Unterredungen und mathematische Demonstrationen über zwei neue Wissenszweige, die Mechanik und die Fallgesetze betreffend, 1638, Neuausgabe hrsg. von Arthur von Oettingen, Darmstadt 1973. 2 | Vgl. Friedrich-Karl Schleyer, Berechnung von Seilen, Seilnetzen und Seilwerken, in: Zugbeanspruchte Konstruktionen, Bd. 2, hrsg. von Frei Otto, Berlin 1966. 3 | Karl-Eugen Kurrer, Zur Entwicklungsgeschichte der Gewölbetheorien von Leonardo da Vinci bis ins 20. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Geschichte der Baukunst, Jg. 1997, München und Berlin. 4 | Erwin Heinle und Jörg Schlaich, Kuppeln aller Zeiten – aller Kulturen, Stuttgart 1996. Die Brücke im Raum - Besucherbrücke Deutsches Museum Stahl - Informations - Zentrum: Die Brücke im Raum - Besucherbrücke Deutsches Museum - Dokumentation 539, Düsseldorf: Stahl - Informations - Zentrum, 1. Auflage 1999 Weit und Krumm Zum Entwurf gekrümmter, seilgestützter Fußgängerbrücken Keil, Andreas: „Weit und Krumm - Zum Entwurf gekrümmter, seilgestützter Fußgängerbrücken“ aus Stahlbau Berlin: Ernst & Sohn Verlag, Heft 12/2004, Seiten 982-989 Fachthemen Andreas Keil Weit und krumm Zum Entwurf gekrümmter, seilgestützter Fußgängerbrücken Fußgängerbrücken sind besondere Strukturen. An sie werden weniger restriktive Anforderungen als an die großen Brücken für Straße und Eisenbahn gestellt. Dies ermöglicht gekrümmte Grundrißverläufe, die sich aus der geometrischen Forderung nach einer harmonischeren Anbindung an bestehende Wegenetze und nach flüssigeren Verkehrsführungen ergeben. Insbesondere bei größeren, für Seiltragwerke prädestinierten Spannweiten ist es möglich, diese Krümmung für effiziente Tragstrukturen zu nutzen, ohne auf die Leichtigkeit und Transparenz von Seilbrücken verzichten zu müssen. Interessante und spannende Tragwerke sind möglich, und mit der dritten Dimension erhalten diese Brücken eine eigene, räumliche Dynamik. The design of curved cable-supported footbridges. Footbridges are special structures. They have less restrictions than highway/or railway bridges. This allows curved-shaped plans, an appropriate response to the demand for better links to an existing network of footpaths and more runny courses in plan. Especially for cable-supported bridges, predestinated for larger spans, curvature enables bridge designer to develop efficient structures, without reducing the lightness and transparency of cable-supported bridges. Interesting and exciting structures are possible and having stretched out into the third dimension these bridges obtain a certain, spatial dynamic. 1 Allgemeines Vor dem Entwurf einer Fußgängerbrücke muß die genaue Auseinandersetzung mit den Randbedingungen stehen. Neben den funktionellen Anforderungen an das Bauwerk selbst, wie Lasten, Breite und Steigungen, sind es die städtebaulichen Vorgaben und die Integration in eine bestehende Infrastruktur, die den Entwurf beeinflussen. Es macht einen entscheidenden Unterschied, in welchem Umfeld die Brücke gebaut wird. Innerstädtische oder urbane Brücken sind in ihren Anforderungen an die Gebrauchsfähigkeit anders zu behandeln als Brücken, die in Parklandschaften oder gar in einsamen Gegenden gebaut werden. Ein oft vernachlässigter Punkt ist die visuelle Wahrnehmung einer Brückenkonstruktion mit der damit verbundenen Erwartungshaltung der Fußgänger. Eine Studie hat belegt, daß es von Benutzern viel unangenehmer empfunden wird, wenn sich eine schwer wirkende Konstruktion bewegt, als wenn dies eine leichte Konstruktion tut. Das zeigt, daß man viel weniger beunruhigt oder gestört ist, wenn man das spürt und fühlt, was man erwartet. Selbstverständlich ist, daß jede Brücke standsicher sein muß. Extreme, in den Normen vorgeschriebene Belastungen müssen abgetragen werden können. Dies gilt nicht nur für die Statik, sondern auch für die Dynamik. Wie bei der statischen Betrachtung ist auch bei der dynamischen Untersuchung darauf zu achten, daß bei extremen (eventuell auch mutwilligen) Belastungen oder Anregungen die Standsicherheit der Brücke nicht gefährdet ist, unabhängig von den auftretenden Amplituden und Beschleunigungen. Anders als bei die- sem Bruchzustand, für den die Frage beantwortet werden muß, welche extremsten Einwirkungen gibt es und welche Querschnitte braucht man, um die Lasten sicher abzutragen, geht es beim Gebrauchszustand um die Frage, was sind die häufigen und realistischen Einwirkungen und sind die daraus resultierenden Auswirkungen für die Nutzung und für die Benutzer erträglich. Insbesondere was die dynamischen Fragen angeht – und die spielen bei seilgestützten Brücken fast immer eine Rolle – scheint hier die Findung einer pauschalen Regelung schwierig zu sein, da die Frage nach den Einwirkungen durch den Standort und die Nutzung bestimmt wird. Ähnlich verhält es sich mit der Frage nach der Akzeptanz der Auswirkungen – sie ist subjektiv, wird aber auch, wie schon erwähnt von der Assoziation „schwersteif“ und „leicht-weich“ und der damit verbundenen Erwartungshaltung des einzelnen beeinflußt. Abhängig vom Standort und vom Entwurf selbst sollte hier eine sensible und differenzierte Betrachtung stattfinden. Zu pauschale Betrachtungen können zu übertriebenen, aufwendigen und oft plump wirkenden Dämpfungsmaßnahmen führen. Diese sind teuer und passen nur selten in das gestalterische Gesamtkonzept. 2 Entwurfskriterien 2.1 Detaillierung Die Wahrnehmung einer Brücke geschieht zum einen über das Gesamtbild der Konstruktion (Bild 1), dem Eindruck von weitem, zum anderen sind es die Details, die der Benutzer beim langsamen Begehen der Brücke erfahren und erleben kann. Diese De- 982 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 73 (2004), Heft 12 A. Keil · Weit und krumm Bild 1. Max-Eyth-See-Brücke, Gesamtansicht Fig. 1. Max-Eyth-See-Brücke, total view tails müssen die richtigen Proportionen haben, und sie müssen die „gestalterische“ Sprache der gesamten Konstruktion sprechen (Bild 2). Leichte, offene und transparente Konstruktionen mit ansehnlichen Details laden die Benutzer viel eher zum Verweilen und Ausruhen ein, als dies schwere und bedrohlich wirkende Konstruktionen tun. Und wer sich auf der Brücke wohlfühlt, wird sich mehr Zeit für sie nehmen, sich mit ihr auseinandersetzen und versuchen, sie zu begreifen und zu verstehen. Steigungen sehr lange Rampen erforderlich werden, um die notwendige Höhe zur Überquerung zu erreichen (Bild 3). Für die Überquerung selbst ist der zum Hindernis rechtwinklige Weg der kürzeste und damit der kostengünstigste. Deshalb wird verständlicherweise beim Entwurf von Fußgängerstegen versucht, diesen Weg zu nehmen. Sofern die anbindenden Wege in Verlängerung der Brückenachse angeordnet sind, ist diese Linienführung logisch, klar und einfach (Bild 4a). Wenn die Anbindungen in Richtung und Lage jedoch nicht zum geraden Verlauf der Brücke passen und auch nicht angepaßt werden können (Bilder 4b, 4c und 4d), muß die Trassierung der Brücke darauf reagieren. Eine Lösung des Problems ist die entkoppelte Betrachtung Brücke und Rampe. Rampen bringen den Benutzer auf die nötige Höhe, und die Brücke überquert dann geradlinig und möglichst rechtwinklig das Hindernis. Abhängig vom möglichen Platzangebot und der Topographie müssen solche Rampen sehr unterschiedlich ausgebildet werden, entweder als einfache Rampe oder in Zick-Zack- bzw. Spiralform. Hierbei sind die flüssigen, stetig gekrümmten Formen (Bilder 4b2, 4c2 und 4d2) denen mit abruptem Rich- 2.2 Trassierung Brücken für das Straßen- und Eisenbahnnetz werden in übergeordnete Verkehrsplanungen integriert, sie werden in ihrem Verlauf unter Einhaltung aller verkehrsrelevanten Parameter frühzeitig festgelegt und der Brückenplanung vorgegeben. Bei Fußgängerbrücken ist dies anders. An sie werden nicht die hohen Anforderungen wie an Großbrücken gestellt. Sie können im Grundriß fast beliebig geformt und trassiert werden, können sich bestehenden Wegenetzen anpassen, können sich verzweigen, aufweiten oder verengen und ermöglichen dadurch eine ganz andere Vielfalt. Oft haben Fußgängerbrücken aber das Problem, daß bei Einhaltung behinderten- und fahrradgerechter Bild 2. Max-Eyth-See-Brücke, Details Fig. 2. Max-Eyth-See-Brücke, details Bild 3. Rampen Fig. 3. Ramps Stahlbau 73 (2004), Heft 12 983 A. Keil · Weit und krumm Mit dieser Konsequenz stellt sich zuerst die Frage, auf welcher Seite die Aufhängung angeordnet wird. Innen oder außen? Beides ist möglich, jedoch hat dies neben den städtebaulichen Aspekten wie Maststandort und „visuelle“ Orientierung auch Auswirkungen auf das primäre Seiltragwerk. Während es bei der inneren Anordnung möglich ist, den Mast/die Maste in der Nähe des Schwerpunkts bzw. in den Schwerpunkten des Kreisringträgers anzuordnen und damit auf Abspannungen verzichten zu können, muß bei einer Anordnung außen das Gleichgewicht über Rückhalteseile des Masts hergestellt werden (Bild 7). Lage, Neigung und Höhe des Masts/der Maste können hierbei frei gewählt werden, beeinflussen aber zusammen mit der gewählten und formgefundenen Geometrie des Seiltragwerks die Schnittkräfte in der gesamten Konstruktion. Dies betrifft auch die Hängerneigungen, die die horizontalen Kräfte auf das Brückendeck bestimmen. Mit einer geschickten Wahl des Hängerangriffspunktes am Brückenquerschnitt können diese Horizontalkomponenten positiv zur Verringerung der auftretenden Momente eingesetzt werden (s. Bild 18). Bild 4. Grundrißverläufe Fig. 4. Ground plans tungswechsel (Bilder 4b1, 4c1 und 4d1) vorzuziehen. Mit einem durchlaufenden Stegquerschnitt und einer einheitlichen konstruktiven Sprache gelingt es, trotz der „entkoppelten“ Betrachtung durchgängige und ansprechende Lösungen zu finden, jedoch immer mit dem Nachteil, daß sich die Tragstruktur in einen Rampen- und einen Brückenteil trennt. Ein anderer Weg ist die gekoppelte Betrachtung. Wenn man sich von dem Entwurfsziel, Brücke und Rampe geometrisch und konstruktiv zu trennen, löst, ergeben sich direktere und flüssigere Möglichkeiten der Linienführung. Dies hat aber grundsätzliche Auswirkungen auf die Wahl des Seiltragwerks. Während die geraden Überbauten ohne Beeinträchtigung mit außenliegenden Hängeroder Schrägseilen gestützt werden können (Bild 5), ragen bei gekrümmten Brücken die Seile in das Lichtraumprofil hinein (Bild 6). Wird dies kritisch, kann durch seitliches Verschieben der Seilverankerungspunkte am Mast oder durch das Nachaußenschieben der Verankerungspunkte am Überbau dieses Pro- 984 Stahlbau 73 (2004), Heft 12 blem zwar entschärft oder gelöst werden, dies hat aber geometrisch Grenzen, und bei größeren Krümmungen kann nur noch einseitig aufgehängt werden. Bild 5. Brücke Pforzheim Fig. 5. Bridge at Pforzheim 2.3 Querschnitt Betrachtet man zuerst eine rein vertikale Aufhängung des Querschnitts, so Bild 6. Brücke Minden Fig. 6. Bridge at Minden A. Keil · Weit und krumm Bild 10. Kräftezerlegung am Querschnitt Fig. 10. Forces at cross-section Bild 7. Anordnung des Seiltragwerks Fig. 7. Arrangement of cable structure entsteht mit der einseitigen Aufhängung ein Krempelmoment (Bild 8). Betrachtet man einen kontinuierlich gestützten Ausschnitt des gekrümmten Überbaus (Bild 9), so zeigt sich aber, daß man dieses auftretende Krempelmoment nicht nur über Torsion, sondern auch über zusätzliche Längsbiegung abtragen kann. Bei einer meist vorhandenen engen und steifen Stützung des Überbaus durch das Seiltragwerk bleiben die „normalen“ Biegemomente gering und beeinflussen die gesamte Längsbiegebeanspruchung nur wenig, so daß die Längsbiegung aus dem Krempelmoment dominiert und die Auslegung des Querschnitts im wesentlichen nach diesen Beanspruchungen erfolgen kann. Die Umwandlung der Torsion in Biegung kann anschaulich über eine Bild 8. Auflagerreaktionen Fig. 8. Support reactions Bild 11. Ringseil Fig. 11. Ring cable gekoppelte Betrachtung Querschnitt – Grundriß gezeigt werden (Bilder 10 und 11). Am Querschnitt ergibt sich H1 = I H2 I = P · e/h Unter Berücksichtigung der Grundrißkrümmung können die Horizontalkräfte Z und D mit einem „liegenden“ Ringseil oder Druckbogen, der rein axial mit der Normalkraft S bzw. D belastet wird, „eingefangen“ werden. S = H1 · R (Zug); D = H2 · R (Druck) Auf den ersten Blick scheint es hierbei für den Querschnitt unwesent- lich, ob die Brücke innen oder außen gestützt wird. Theoretisch betrachtet, ist dies nur ein Vorzeichenwechsel bei den Kräften, praktisch jedoch ein entscheidendes Kriterium für die Ausbildung des Überbaus. Gleiches gilt für die Frage, in welcher Höhe bei einem aufgelösten Querschnitt die beiden Gurte angeordnet werden. Davon ausgehend, daß ein Gurt immer in Höhe der steifen Gehplatte zum Liegen kommt, ergeben sich bei einem zweiten Gurt unter der Brücke (Deckbrücke) die umgekehrten Verhältnisse wie bei einem Gurt über in Brücke (Trogbücke) (Bild 12). Bild 9. Torsion und Biegung Fig. 9. Torsion and bending moments Stahlbau 73 (2004), Heft 12 985 A. Keil · Weit und krumm Bild 12. Deckbrücke und Trogbrücke Fig. 12. Deck bridge and open bridge Wie ersichtlich, wird die Kraft in den horizontalen Traggliedern durch die Krümmung bestimmt. Sofern konstante Krümmungen (R = const.) vorliegen, ergeben sich gleichbleibende Kräfte. Ändern sich die Krümmungen, ergeben sich auch unterschiedliche Seilkräfte. Reagiert man darauf nicht mit einer Veränderung der Bauhöhe, bedeutet dies eine tangentiale Differenzkraft, die mit dem korrespondierenden Gurt ausgeglichen werden muß. Konstruktiv kann dies über eine „schubfeste“ Auskreuzung der beiden Gurte erfolgen. Die Krümmung muß so gewählt werden, daß die Kräfte nicht zu groß werden und mit vertretbaren Querschnitten aufgenommen werden können. Wenn ausreichend, ist eine im Grundriß parallele Lage der beiden Gurte die konstruktiv einfachste Lösung. Während die steife Brückenplatte bei größeren Krümmungen noch gut funktioniert, kann es bei zugbeanspruchten Untergurten sinnvoll sein, die Kräfte durch eine Reduktion der Krümmung zu verringern. Entwürfe für die Stege Roth und Kehl (s. Bilder 17 und 18) zeigen dieses Prinzip. Maste – um Störungen im Bereich des Schiffahrtskanals zu verhindern – „außerhalb“ des Kreisringträgers aufgestellt und abgespannt werden (Bild 13). Während bei Kelheim alles noch im Betonquerschnitt „versteckt“ ist, zeigt die Brücke im Deutschen Museum den Besuchern deutlich, wie sie funktioniert. Mit einem Mast, der exakt im Schwerpunkt steht, damit keine Abspannung braucht, einer inneren Aufhängung, mit einem aufgelösten Querschnitt aus Zugseilen und einem Druckrohr wird das Spiel mit dem Kräftegleichgewicht demonstriert. Der transparente Glasbelag erlaubt auch dem Besucher auf der Brücke, Zug- und Druckgurt des Brückendecks zu sehen und die Funktionsweise nachzuvollziehen (Bild 14). Fügt man zwei solcher Systeme entgegengesetzt zusammen, erhält man einen S-förmigen Brückenverlauf, der sich für die Verbindung zweier Parkbereiche in Bochum anbot. Der Untergurt wurde ebenfalls als (markant 3 Projekte und Entwürfe Unter Berücksichtigung dieser Entwurfsprinzipien entstanden im Büro Schlaich Bergermann und Partner eine große Zahl gekrümmter seilgestützter Brücken, die nicht nur die Vielfalt, sondern auch die Entwicklung aufzeigen können. Die erste einseitig gestützte, die im Jahre 1988 realisierte Brücke in Kelheim über den Rhein-Main-Donau-Kanal hat einen massiven Querschnitt, bei dem „nur“ die Lage der im Beton versteckten Spannglieder etwas über ihre Funktionsweise verraten könnte. Da die Verankerungspunkte des Seiltragwerks im Schwerpunkt der Konstruktion liegen, mußten die 986 Stahlbau 73 (2004), Heft 12 Bild 13. Brücke Kelheim Fig. 13. Bridge Kelheim rot gestrichenes) Druckrohr ausgebildet. Auf einen separaten Obergurt in Form von Zugseilen wurde verzichtet und die Zugkraft mit Bewehrung in der 10 cm dicken Betonplatte aufgenommen. Diagonale zwischen Untergurt und Betonplatte erhöhen die Biegesteifigkeit und verbessern das dynamische Verhalten bei vertikalen Anregungen (Bild 15). Während es sich bei den gezeigten Brücken um Deckbrücken handelt, mußte beim Entwurf für den Cité Steg Baden-Baden eine Trogbrücke gewählt werden, da der Lichtraum und die anbindenden Rampen keine größeren Bauhöhen zulassen. Aufgrund der starken Krümmung bleiben die Kräfte klein, und die Integration des Obergurts in der Geländerkonstruktion ist möglich, ohne daß der einhüftige Rahmen mit seinem obenliegenden Zugglied die Transparenz der Brücke stark beeinträchtigt (Bild 16). Während bei dem Brückenentwurf in Baden-Baden der günstige Effekt einer Druckkraft in der Gehplatte, die als Betonplatte sehr drucksteif ist, dadurch erreicht wird, daß die beiden Gurtebenen verschoben werden und dadurch eine einhüftige Trogbrücke entsteht, kann dies bei Deckbrücken durch eine veränderte Lagerung erreicht werden. Bei dem Entwurf für die Stieberbrücke Roth wird die Brückenplatte außen gestützt und erhält dadurch eine günstige Druckkraft. Der Unter- A. Keil · Weit und krumm Bild 14. Museumbrücke München Fig. 14. Museum bridge Munich die Asymmetrie und die gewünschte Ausrichtung der Brücke flußabwärts (Bild 18). Die erste realisierte Brücke mit einer außenliegenden Aufhängung und einem parallel zur Brücke verlaufenden unteren Zuggurt wurde für die Überquerung eines Wasserfalls in South-Carolina, USA entworfen. Das Tragseil wird über zwei nach hinten abgespannte Maste geführt und in den Widerlagern verankert. Drei vollverschlossene Ringseile bilden den Zuggurt und sind ebenfalls an den Widerlagern verankert, wo sie sich mit den Druckkräften des Überbaus kurzschließen. Die Versteifung des Überbaus wurde, wie bei der Brücke gurt besteht aus drei vollverschlossenen Seilen. Zur Reduzierung der Kräfte wird die Krümmung der Ringseile vergrößert, und sie schwingen vom inneren Rand der Widerlager zum äußeren Rand in Brückenmitte. Mit einer in Druck- und Zugstäben aufgelösten Verankerung des Zuggurts am Überbau wird der Schwung des Ringseils unterstrichen und die Transparenz der Brücke zusätzlich erhöht (Bild 17). Einer noch kleineren Krümung kann nur mit einem selbständigen horizontalen Aussteifungssytem begegnet werden, wie es beim Entwurf der Rheinbrücke in Kehl vorgesehen war. Das zur Stabilisierung des Über- baus angeordnete Unterspannsystem wird in analoger Weise zum Hauptragsystem über der Brücke detailliert. Die Unterspannseile werden, wie die Hauptragseile, über Sättel zu den Widerlagern geführt. Zur Verringerung der Krempelmomente und der damit verbundenen Seilkraft im horizontalen Ringseil wurde der Verankerungspunkt des Hängerseils am Querschnitt hochgesetzt. Damit wandert der Schnittpunkt zwischen horizontaler Kraft und Hängerkraft in Richtung Schwerpunkt des Stegs, und der Hebelarm zwischen einwirkender und stützender Kraft wird verringert. Der einhüftige Rahmen unterstützt hierbei Bild 15. Brücke Bochum Fig. 15. Bridge Bochum Bild 16. Entwurf Cité Brücke Baden-Baden Fig. 16. Design Cité bridge Baden-Baden Stahlbau 73 (2004), Heft 12 987 A. Keil · Weit und krumm Bild 17. Entwurf Brücke Roth Fig. 17. Design Bridge Roth Bild 18. Entwurf Rheinbrücke Kehl Fig. 18. Design Rhine bridge Kehl in Bochum, mit dem Einbau von Diagonalen zwischen den Gurten erreicht (Bild 19). Für einen Brückenwettbewerb in Kassel wurde ähnlich wie bei dem Cité Steg in Baden-Baden eine einseitige Schrägkabelaufhängung gewählt. Aufgrund der sich ändernden Krümmungsverhältnisse und der zusätzli- chen Effekte aus den Schrägaufhängungen mußte dort der Überbau als räumlicher, torsionssteifer Fachwerkträger ausgeführt werden (Bild 20). 4 Zusammenfassung Wie die Projekte und Entwürfe zeigen, steckt auch in den gekrümmten Bild 19. Brücke Greenville, South Carolina Fig. 19. Bridge Greenville, South Carolina 988 Stahlbau 73 (2004), Heft 12 Brücken ein hohes Potential an möglichen Tragstrukturen. Durch die Krümmung verbessern sich nicht nur der Verkehrsfluß und die Anbindungsmöglichkeiten, sondern sie ermöglicht auch interessante räumliche und auch logische Tragkonstruktionen. Während hier im wesentlichen nur „überspannte“ Systeme behandelt A. Keil · Weit und krumm wurden, gibt es eine Vielzahl anderer Tragsysteme. Ob zusammengesetzt (Bild 21) oder in Kombination mit anderen Tragwerksformen (Bild 22), das Entwicklungspotential ist vielfältig und sicher noch nicht ausgeschöpft. Die Entwurfsarbeit an solchen räumlichen Tragsystemen setzt aber ein profundes Verständnis des Tragverhaltens voraus. Denn ohne dieses Verständnis und das permanente sowie systematische Hinterfragen der Funktionsweise kann der entwerfende Ingenieur nur schwer zu logischen Tragwerksformen finden. Schlußendlich ist dies auch die Basis für die Ingenieur-Kreativität, mit der wir uns von anderen Brückendesignern unterscheiden und die es uns erlaubt, rational nach klaren, nachvollziehbaren und technisch sauberen Strukturen zu suchen. Autor dieses Beitrages: Bild 20. Entwurf Fulda Brücke Kassel Fig. 20. Design Bridge Kassel Bild 21. Entwurf Brücke Usedom Fig. 21. Design Bridge Usedom Dipl.-Ing. Andreas Keil, Schlaich Bergermann und Partner, Hohenzollernstraße 1, 70178 Stuttgart Bild 22. Entwurf Brücke Gelsenkirchen Fig. 22. Design Bridge Gelsenkirchen Stahlbau 73 (2004), Heft 12 989 Fußgängerbrücken - Konstruktion Gestalt Geschichte Baus, Ursula; Schlaich, Mike: Fußgängerbrücken - Konstruktion Gestalt Geschichte Basel - Boston - Berlin: Birkhäuser Verlag, 2007, Auszug Seiten 104-122 Ursula Baus, Mike Schlaich Mit Fotografien von Wilfried Dechau 003.indd 3 02.09.2007 0:34:55 Uhr In der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts jagte im Großbrückenbau mal wieder ein Rekord den anderen, freie Spannweiten von etwa zwei Kilometern und mehr wurden am Storebelt und in Japan mit klassischer Hängebrückenerfahrung souverän bewältigt. Von Standardkonstruktionen weichen nur wenige Konstrukteure ab, denn wird das Unübliche gewagt, fürchten die Bauherren zum einen höhere Entstehungskosten, zum andern eine teure Bauwerkspflege. Aber der Erfindungsgeist von Ingenieuren und Architekten lässt sich nicht bändigen – zum Glück, denn gerade im kleinen, überschaubaren Fußgängerbrückenbau reizt das Besondere. Müssen Brückenwege zum Beispiel schnurgerade verlaufen? Können nicht neu entwickelte (Bau-) Kunststoffe eine Bereicherung im Brückenbau mit sich bringen? Lassen sich nicht verschiedene Konstruktionstypen mit verschiedenen Baustoffen sinnvoll kombinieren? Schließlich zeigt sich in den Entwürfen, die immer häufiger am Computer generiert werden, ein hohes Maß an spielerischem Umgang mit der Geometrie, wie auch immer sie in ein begehbares Bauwerk umgesetzt werden mag. Die Chancen, die computergestützte Rechenverfahren eröffnen, werden durchaus genutzt. Aber es zeigt sich überdeutlich, dass nur erfahrene, ambitionierte Architekten und Ingenieure, die das Entwerfen und Konstruieren von Tragwerken von Grund auf erlernt haben, Experimente eingehen können, die dann mit Hilfe des Computers auf den Weg gebracht werden. Mehr als ein Werkzeug kann und darf der Computer beim Experiment kaum sein. Buch_BRUECKEN.indb 105 Zu allen erwähnten Themen des Experimentes fanden wir gelungene Beispiele. Ein Schwerpunkt liegt auf gekrümmten Gehwegplatten und der Kombination oder Abwandlung verschiedener Tragwerkstypen, aber auch die Entwicklung neuer Baustoffe gehört zum konstruktiven Experiment. Dem Erfindungsreichtum sind auch beim Entwerfen von Tragwerken kaum Grenzen gesetzt. 01.09.2007 18:55:03 Uhr 106 Konstruktive Experimente | 16 m | 43,5 m | 54 m | Pasarela Las Glorias in Barcelona, E, 1972-74 Die Brücke von Leonardo Fernández Troyano, 1974 an der Plaza glorias catalana gebaut, ist ein weiteres Beispiel für die Anpassungsfähigkeit der Fußgängerbrücken an das jeweilige Wegenetz und schwieriges Terrain wie hier in Barcelona. Zwei Rampen, im Grundriss kreisförmig gekrümmt und nur einseitig von Seilen gestützt, treffen sich am stählernen Mast der Schrägseilbrücke, verschmelzen dort zu einem schlanken Stahlkasten, der 68 m weit bis zur anderen Seite einer Schnellstraße spannt. Die ursprünglich rote Brücke musste 1992 Bauten für die Olympiade in Barcelona weichen und steht heute weiter nördlich in der Nähe des Forums, eines neu konzipierten Kulturbereichs der Stadt. Weil die Seile nicht ausgebaut werden konnten, musste für das Umsetzen die gesamte Brücke mit Pressen angehoben werden, damit die Seile abgetrennt werden konnten. Zum Wiederaufbau wurde der Stahlkasten, wie schon 1974, auf einem Gerüst zusammengesetzt. Erst danach wurden die Seile eingebaut und gespannt. Üblicherweise werden Schrägseilbrücken im Freivorbau, das heißt vorteilhaft ohne Gerüst erstellt, was hier wegen der einseitigen Seilanordnung an den gekrümmten Rampen aber sehr schwer geworden wäre. Zur Anpassung des geraden Brückenteils an den neuen Standort entwarf Leonardo Fernández Troyano symmetrische Zugangsrampen aus Stahlbeton. 106-107_Barcelonaglorias.indd 106 Ein Besuch zeigt, dass die Brücke – obwohl einwandfrei unterhalten und nun grau gestrichen – wohl seit Jahren nicht benutzt wird, weil die städtebauliche Umgebung die Wegeführung noch nicht rechtfertigt. Trotz dieses traurigen Zustandes und ihres Alters von über dreißig Jahren beeindruckt diese elegante Brücke auch heute noch, und es bleibt zu wünschen, dass sie bald wieder zu einem Teil eines gern genutzten Fußweges wird. Troyano, Leonardo Fernández, Tierra sobre el agua, in: Collegio de Ingenieros de caminos, canales y puertos, Madrid, 1999 01.09.2007 20:49:05 Uhr 107 | Transloziert: Am neuen Standort erhielt die Brücke auch eine neue Farbe | 0,7 m | Buch_BRUECKEN.indb 107 3,7 m | 01.09.2007 18:55:06 Uhr 108 Konstruktive Experimente Brücke in Kelheim, D, 1987 Leicht, weit, 2004, S. 246 Oster, 1992, S. 38-39 Buch_BRUECKEN.indb 108 Mit Fug und Recht darf die Fußgängerbrücke in Kelheim als konstruktives Experiment bezeichnet werden. Die Erkenntnis, dass ein Ringträger, der auf ganzer Länge nur auf einer Seite gestützt wird, stabil und ohne Torsionsmomente tragen kann, wurde hier zum ersten Mal und in aller Konsequenz umgesetzt. Eine der idyllischsten Flusslandschaften in Deutschland büßte, als die Altmühl über weite Strecken zum Main-Donau-Kanal ausgebaut wurde, ihre Ursprünglichkeit erheblich ein. Die Schifffahrt wollte es so. Kelheim ist ein Ort mit reicher Geschichte, gut erhaltenem Stadtbild und hoch auf dem Berg gelegenen Wahrzeichen: der Befreiungshalle, die König Ludwig I. von Bayern als Erinnerung an die Befreiungskriege gegen Napoleon von Leo von Klenze 1842-63 bauen ließ. In landschafts- und stadtbildrelevanter Umgebung am Torhausplatz planten die Ingenieure Schlaich Bergermann und Partner mit dem Architekten Kurt Ackermann eine gemischt rück- und selbstverankerte Hängebrücke mit bogenförmigem Gehweg und langen Rampen. Rund 60 m mussten überbrückt werden, die Brücke ist wegen ihrer Bogenform entsprechend länger. Der Kreisringträger erwies sich als statisch günstig. Zwei Maste an den gegenüberliegenden Uferseiten tragen das Hauptseil, von dem aus die Hängeseile zur Innenkante des Ringträgers verlaufen. Weil die Maste nicht höher als ein Turm in der Altstadt Kelheims werden durften, fielen die Dimensionen der Mastköpfe und der Abspannungen vielleicht etwas zu gedrungen aus, doch der Schwung der hoch über dem Wasser aufgehängten Gesamtfigur beeindruckt dennoch. | 4,18 m | 01.09.2007 18:55:06 Uhr Mastkopf mit Hauptseil und Abspannseilanschluss | | Buch_BRUECKEN.indb 109 47 m 61,84 m 109 | | 01.09.2007 18:55:08 Uhr 110 Konstruktive Experimente Brücke in Swansea, GB, 2003 Sanders, P., Firth I.: Design and Construction of the Sail Bridge, Swansea, UK, Bridge Engineering 158, Issue BE4, 2005 Wilkinson Eyre arbeiteten hier mit den Ingenieuren Flint & Neill zusammen. In der Hafensituation sollte ein Brückenmast als Motiv zwischen vielen anderen (Segelboot-) Masten passend, aber auch eindrucksvoll in Erscheinung treten. Der Steg, der an einem Mast aufgehängt ist, führt vom Hafengebiet elegant in ein neues Quartier am andern Ufer. Der rund 140 m lange Überbau ist im Grundriss am Mast geknickt. Die beiden geraden Abschnitte sind nur einseitig gestützt, weswegen große Torsionsmonente entstehen. Das statisch günstige Verhalten eines Kreisringträgers konnte hier nicht genutzt werden, statt dessen ist der Überbau voll in die Widerlager eingespannt und auch am Mast torsionssteif gelagert. Ein Lager an dieser Stelle und zwei steife, exzentrisch dazu angeordnete Seile können ein Kräftepaar, das heißt Torsion aufnehmen. Der Stahlkasten ist so aus guten Gründen mit auskragendem, leichtem Aluminiumgehweg bestückt, um die Torsionsmomente zu minimieren. Der am Fuß eingespannte Mast ist, ebenfalls um Biegeeffekte zu minimieren, geneigt und zum Überbau versetzt angeordnet. | Buch_BRUECKEN.indb 110 4,5 - 5,5 m | 01.09.2007 18:55:09 Uhr Das außergewöhnliche Tragwerk ist effektvoll beleuchtet 111 Pasarela del Malecón in Murcia, E, 1996 | Buch_BRUECKEN.indb 111 5,05 m | Javier Manterola aus dem Ingenieurbüro Carlos Fernandez-Casado ist zur Zeit wohl der erfahrenste Brückenbauer Spaniens, seine Barrios de Luna-Brücke – eine Autobahnbrücke über einen Stausee von 1983 – war mit 440 m einige Zeit die längste Schrägseilbrücke der Welt. Manterola spielt mit den Räumen, die sich aus den aufgefächerten Seilen von Schrägseilbrücken bilden. Nach der berühmten Brücke Sancho El Mayor über den Ebro bei Castejón von 1978 und der Lerez-Brücke in Pontevedra von 1995 hier ein neueres Beispiel aus Murcia. Die Pasarela del Malecón ist eine 59 m weit spannende Schrägseilbrücke mit gekrümmtem Überbau und exzentrisch stehenden Mast. So entsteht eine sehr schöne Fächerform, was aber dazu führt, dass – im Gegensatz zur klassischen Schrägseilbrücke – die Horizontalkomponenten der Überbauseile nicht über das Tragwerk selbst mit den Rückhalteseilen ins Gleichgewicht gebracht werden können. Sie müssen, über die Fundamente eingeleitet, im Baugrund kurzgeschlossen werden. Um die zu verankernden Kräfte nicht zu groß werden zu lassen, hat man als Überbauquerschnitt einen leichten Stahlkasten gewählt. Zum Bau wurden drei vorgefertigte Überbausegmente auf zwei temporären Hilfsstützen im Flussbett verschweißt. Der einseitig aufgehängte Überbau kann die auftretenden Krempelmomente ohne Torsion rein über Druck- und Zugkräfte abtragen – siehe dazu den Exkurs Gekrümmte Brücken ab Seite 116. 01.09.2007 18:55:10 Uhr 112 Konstruktive Experimente Erzbahnschwinge in Bochum, D, 2003 Das Ruhrgebiet galt ein Jahrhundert lang als wirtschaftlich florierendes Zentrum der deutschen Kohle- und Stahlindustrie. Doch zum einen litt die Umwelt darunter, zum anderen wuchs die Konkurrenz in der Energiegewinnung und der Stahlindustrie weltweit. Der Wandel des Ruhrgebiets zur Dienstleistungesellschaft begann mit der IBA Emscher Park, wird sich aber noch Jahrzehnte hinziehen. Bochum liegt mittendrin: Industriebrachen werden umgenutzt, renaturiert, irgendwie zu neuem Leben erweckt. Gute Verbindungen für die Bewohner alter Wohnquartiere und neuer Freizeitgebiete sind notwendig, und in diesem Zusammenhang entwarfen die Ingenieure Schlaich Bergermann und Partner für die straßenräumlich sehr schwierigen Bedingungen eine zweifach geschwungene Brücke, die Erzbahnschwinge. Der 3 m breite Geh- und Radfahrweg führt S-förmig in zwei jeweils 66 m langen Kreissegmenten über die Gahlensche Straße und Bahngleise hinweg, aufgehängt an zwei geneigten Masten. Von jeweils einem Hauptseil ist die Brückenplatte am jeweils inneren Rande abgehängt. Der Querschnitt des Kreisringträger ändert sich entsprechend der wechselnden Seilaufhängung. Im Unterschied zum geraden Träger, der zwei Linienlager benötigt oder eingespannt werden muss, braucht der Kreisringträger nur entlang einer Linie gelagert werden. Während der Ringträger der Kelheimer Brücke – siehe Seite 108 – ein massiver Spannbetonträger ist, wurden spätere Kreisringträger dieser Art der Zug- und Druckbelastung ent- 112-113_Bochum.indd 112 sprechend in Seil- und Rohrkonstruktionen aufgelöst. In Bochum bedurften außerdem die beiden Maste keiner Abspannung. Da die Fußpunkte der Maste tiefer liegen als die Verankerungen der Hauptseile, stabilisieren die Hauptseile die Maste – die Gleichgewichtsfigur verändert sich allerdings mehr als in anderen Konstellationen unter verschiedenen Lastfällen. Die Stabilität ist also an Verformung gekoppelt, und so muss der Mastfuß gelenkig gelagert werden, damit im Mast keine Biegung auftritt. In der umgeformten Stadtlandschaft verbessert die Brücke nicht nur die komfortable Wegeführung; sie dient außerdem als Zeichen der städtebaulichen Erneuerung. Göppert, Klaus, A. Kratz und P. Pfoser, Entwurf und Konstruktion einer S-förmigen Fußgängerbrücke in Bochum, in: Stahlbau, 2, 2005, S. 126-133 01.09.2007 20:53:11 Uhr 113 | 120 m | Buch_BRUECKEN.indb 113 3m | | 01.09.2007 18:55:13 Uhr 114 Konstruktive Experimente Ein ungewöhnlich transparentes Geländer drückt die Funktion der Brücke als Balkon aus Brücke zur Ostsee in Sassnitz, D, 2007 Von Sassnitz aus, ganz im Norden der Insel Rügen gelegen, fuhren einmal große Schiffe gen Ost und West. Von der Bedeutung des Anlegers zeugen heute allerdings nur noch der gläserne Bahnhof, eine schöne alte Halle, die als Meeres-Museum genutzt wird, und Teile der Altstadt, die hoch über dem Ostseestrand liegt. Die Insel Rügen ist derweil zu einem beliebten Feriengebiet geworden, und um den besonderen Reiz von Sassnitz leichter erschließen zu können, wurde 2006 mit dem Bau einer Fußgänger- und Radfahrerbrücke zur Verbindung von Altstadt und Hafen begonnen. Dazu hat die Brücke rund 25 m Höhenunterschied zu überwinden und ein denkmalgeschütztes Bahngebäude sowie Hafenstraßen zu respektieren. Krümmen der Brücke im Grundriss erlaubte es, sich diesen Randbedingungen anzupassen und im Vergleich zur geraden Brücke noch einige Meter zusätzliche Brückenlänge zu gewinnen – und damit das Gefälle zu verringern. Trotzdem wäre, um ein erträgliches Gefälle einzuhalten, eine noch viel längere Rampe nötig geworden, hätte man nicht über dem Hafenniveau ansetzen können. Beim gläsernen Bahnhof ragt nämlich in rund 7 m Höhe der Rampenstummel einer Brücke auf, die nach der Wiedervereinigung für den Transitverkehr entfernt worden war. Dort anzuschließen, die Stadt mit dem alten Transitbahnhof zu verbinden ist nicht nur versöhnliche Geste sondern ermöglicht es, die vorhandenen Bahnhofsrampen zum Hafen zu nutzen und mit nur 240 m neuer Brücke und rund 7 Prozent Längsneigung auszukommen. In wei- Buch_BRUECKEN.indb 114 tem Bogen schwingt sich der 3 m breite Überbau über den Hafen und bildet einen Balkon zum Meer, der neue Blicke bietet. Diese werden nicht verstellt, weil die kreisförmige Ausbildung des Bogens einen einseitig aufgehängten Überbau ermöglicht. So entstand eine 130 m weit spannende Hängebrücke, die dort wo die Krümmung des Überbaus geringer wird und das Gelände schon näher gekommen ist in eine konventionell gestützte Konstruktion übergeht. Die Besonderheit der Brücke in Sassnitz ist ohne Zweifel, dass die stadtseitig angeordneten Hängerseile an über dem Gehweg angeordneten Kragarmen befestigt sind. Die Höhe dieser Kragarme ist jeweils so gewählt, dass die Resultierende des anschließenden Hängerseiles genau durch den Schwerpunkt des Überbaus führt. So entstehen unter Eigengewicht und verteilten Lasten keine Krempelmomente, was zu einer deutlich geringeren Belastung des Brückenquerschnittes führt – siehe Exkurs Gekrümmte Brücken, Seite 116. Grundsätzlich wäre es auch möglich gewesen, wie bei der Erzbahnschwinge in Bochum – Seite 112 –, auf Rückhalteseile für den 40 m hohen Mast zu verzichten. Um die Überbauverformungen infolge Verkehr zu minimieren, wurden dann aber doch vier Rückhalteseile eingebaut, die wie die Tragseile galfanbeschichtete vollverschlossene Seile mit einem Durchmesser von 95 mm sind. Für Eilige steht am Übergang vom gestützten zum aufgehängten Brückenteil eine Treppe zur Verfügung, die gleichzeitig auch Widerlager für die Horizontalkräfte der Brücke ist. Dechau, Wilfried, Seebrücke. Fotografisches Tagebuch, Berlin/ Tübingen, 2007 01.09.2007 18:55:14 Uhr Was in dieser Perspektive aussieht wie ein Seilkarrussel, ist ein sicherer Weg ans Wasser 115 3m | | | | 1,2 m | Buch_BRUECKEN.indb 115 35,3 m | 118,2 m | 10 x 12,37 m | 01.09.2007 18:55:16 Uhr 116 Konstruktive Experimente Seebrücke in Sassnitz, 2007 Brücke im Deutschen Museum, München Hänger Glasbelag ______________________________ Ringseile Druckstab Exkurs: Gekrümmte Brücken Im Gegensatz zu Straßen- und Bahnbrücken mit ihren schnellen Fahrzeugen erlauben es die Kreisringträger Besonders interessant sind aus der Sicht des Fußgängerbrücken dem Planer im wahrsten Sinne Bauingenieurs die Kreisringträger – Brücken, bei des Wortes, krumme Dinger zu drehen. Die gerin- denen der Überbau im Grundriss kreisförmig aus- ge Geschwindigkeit der Fußgänger eröffnet dem geführt wird. Einseitig aufgehängt als Schrägseil- Brückenbau die dritte Dimension, die Vielfalt freier oder Hängebrücke sind sie eine technische Heraus- Formen. Der Überbau kann geschickt der Wege- forderung und ein Beispiel dafür, wie notwendig führung und jeweiligen Geländeform angepasst ganzheitliche Ingenieurarbeit ist. Hier sind Entwurf werden, und die Brücken können mehrarmig aus- und Konstruktion, Trag- und Verformungsverhal- gebildet werden, um an ein vorhandenes Wege- ten sowie Fertigung und Montage so eng ver- netz anzuschließen. Wenn Rampen parallel zum zu knüpft, dass man von Anfang an alle diese Felder überbrückenden Hindernis sinnvoll sind, bietet sich im Auge haben muss, um effizient zum Ziel kom- dazwischen eine nahtlose Verbindung mit einer men zu können. gekrümmten Brücke an. Gelegentlich kann mit Bei Kreisringträgern kann man sich den Um- dem Kunstgriff der Krümmung im Grundriss, wie stand zu Nutze machen, dass eine im Grundriss ge- bei der Wendeltreppe, zusätzliche Länge gewon- krümmte Platte allein mit Einzelstützen stabil ge- nen werden, um damit Höhenunterschiede mit halten werden kann, während der gerade Träger geringerer Steigung überwinden zu können. Der immer zwei Stützenreihen benötigt. Man kann sich entwerferische Spielraum ist groß, weil nicht nur gut vorstellen, dass bei der geraden Brücke mit Überbauten gekrümmt, sondern auch Maste ge- Doppelstütze – siehe die Grafik auf der rechten neigt, Bögen schräggestellt und Seile räumlich ge- Seite – eine Reihe von Einzelstützen zum Umkip- führt werden können. Das komplexe Tragverhalten pen des Überbaus führen würden, während der von gekrümmten Brücken wird hier beleuchtet. rechts gezeigte gekrümmte Träger durchaus mit Einzelstützen sicher stehen bleibt. Während eine Buch_BRUECKEN.indb 116 01.09.2007 18:55:16 Uhr Grundrisse gekrümmter Brücken Gerader Träger und Kreisringträger zentrisch und exzentrisch gestützt 117 Druckring, Zugring und Kreisringträger Z P Z r P D r Z D Z D D mittige Stützung des Kreisringträgers von unten Druckringe paarweise übereinander angeordnet, gut möglich ist, wäre eine mittige Aufhängung sind sie in der Lage, in jedem vertikalen Radial- von oben, womöglich noch mit geneigten Seilen, schnitt ein Kräftepaar entgegengesetzter Kräfte p störend. Beim Kreisringträger kann man nun sogar aufzunehmen. Bei einem vertikalen Ringabstand h die Seilaufhängung auf eine Seite des Überbaus kann so ein Moment m = p · h aufgenommen schieben, ohne dass er umkippt. werden. Warum eine solche exzentrische Lagerung Buch_BRUECKEN.indb 117 Wird nun ein Kreisringträger exzentrisch, möglich ist, erschließt sich nicht auf den ersten das heißt, im Abstand e von seiner Schwerachse Blick, weil man gewöhnt ist, in zwei Dimensionen entfernt, gestützt, entsteht infolge seines Eigen- zu denken, hier aber die Lasten dreidimensional gewichtes g ein Krempelmoment m = g · e. abgetragen werden. Um diesen Lastabtrag ver– Dieses Moment kann man sich nun von den oben stehen zu können, soll zuerst die sogenannte beschriebenen Zug- und Druckbögen aufgenom- Kesselformel, mit der die Zugkraft in einem radial men vorstellen. Das Krempelmoment ist damit im belasteten Seil berechnet werden kann, betrachtet Gleichgewicht mit den Bogenkräften, womit man werden. Wirkt auf ein Seil, das mit dem Radius r die beiden gerade beschriebenen Momente ausgelegt ist, die radiale Linienlast p, so stellt sich gleichsetzen kann und erkennt, dass die Bögen eine Seilzugkraft Z = p · r ein. Die Formel wird Kes- mit p = g · e / h belastet werden. Nach Einsetzen selformel genannt, weil mit ihr früher die Zugkraft in die Kesselformel erhält man die absolut gleich im unter Dampfdruck stehenden Kessel von Loko- großen Werte D = Z = g · e · r / h. In einem ge- motiven berechnet wurde. Umgekehrt geht es krümmten Träger entstehen also infolge des 1 Es gibt, auch wenn der Träger ebenso: Wird ein kreisförmiger Bogen – wieder Krempelmomentes aus exzentrischer Lagerung als Hohlkasten ausgebildet wür- mit dem Radius r – einer von außen wirkenden infolge verteilter Last gar keine Torsions-1, son- Torsion, wobei das Auftreten radialen Linienlast p ausgesetzt, so entsteht in ihm dern nur Druck- und Zugkräfte, die als Momente dieser Druck- und Zugkräfte eine Druckkraft D = p · r. Werden die Zug- und M = D · h = Z · h um die horizontale Achse wirken. interpretiert werden kann. de, hier keine St. Venaintsche aber als Wölbkrafttorsion 01.09.2007 18:55:18 Uhr 118 Buch_BRUECKEN.indb 118 Konstruktive Experimente Greenville, South Carolina, USA, 2004 01.09.2007 18:55:20 Uhr Anordnungen von Masten, Seilen, Überbauten Tragverhalten eines Mastes 119 stabil instabil abgespannter Mast frei stehender Mast Der Zugring wird dort wirklich von Seilen gebildet, als Überbau – siehe Seite 106. Alle die hier be- Überbaumomente um die vertikale Achse und gewicht des Überbaus, sondern auch gleichmäßig und die Aufgabe des Druckbogens übernimmt ein nannten Brücken werden von geneigten Hänger- horizontale Reaktionen am Überbauende berück- verteilte Verkehrslasten, sogenannte geometrie- zylindrischer Vollquerschnitt. Auch bei der Brücke seilen getragen, die aufgrund dieser Neigung sichtigt werden. Bei Verankerung der Hänger auf affine Lasten, abgetragen werden. Einzellasten in Bochum – siehe Seite 112 –, wo ein Stahlrohr auch Horizontallasten in den Überbau einleiten. der Außenseite des Überbaus entsteht Zug im und einseitige Verkehrlasten, das heißt nichtaffine den untenliegenden Druckring bildet, zeigt sich Dabei entstehen im Überbau weitere Ringdruck- Überbau und eine Selbstverankerung ist nicht Lasten, führen aber zu Biegung in den Zug- und das oben beschriebene Verhalten deutlich. Dort kräfte, falls die Hängerseile innen angeordnet möglich. Wer eine größere Lebendigkeit der Brü- Druckringen, weswegen der Überbau auch eine sind, anders als in München, zur Versteifung des sind, und Zug bei von außen angreifenden Hän- cke in Kauf nimmt und den Mastfuß im Schwer- entsprechende Biegesteifigkeit um die horizon- Überbaus die Ringe mit Diagonalenstreben ver- gern. Die im Bild oben links dargestellten Seilan- punkt des Überbaus positionieren kann, kann – tale, radiale Achse aufweisen muss. Allzu schlank bunden. Natürlich stellt sich das Ringträgerverhal- ordnungen im Grundriss geben nur einen kleinen wie in München und Bochum geschehen – den dürfen sie auch deshalb nicht ausgebildet werden, ten auch ein, ohne dass die Zug- und Druckringe Teil der Möglichkeiten wieder, aber verdeutlichen innen stehenden Mast sogar ohne Rückhalteseile weil sich der Überbau infolge des Krempelmo- so deutlich herausgearbeitet werden. Bei der auf einmal mehr die Vielzahl der Möglichkeiten, die ausbilden, denn das Tragwerk bleibt immer stabil, mentes verdrehen möchte und diese Verdrehung Seite 114 gezeigten Brücke in Sassnitz ist der sich dem Planer allein bei dieser einzigen Grund- wenn der Mastfuß, wie üblich, tiefer als der Über- von der Steifigkeit der Ringe abhängig ist. Wird Überbau als Stahlhohlkasten ausgebildet, in des- rissform eröffnet. bau liegt. der Ringträger innen gestützt, baut sich also sen unterem Teil sich eben Druck einstellt und des- unten Druck und oben Zug auf, und mit dem nun sen Deckel auf Zug beansprucht ist. Bei der ersten vorhandenen Wissen kann man sich auch schnell Hängebrücke mit Kreisringträger, der 1988 fertig- selbstverankerten Hängebrücke mit Mast auf der klar machen, dass es bei einer Lagerung am gestellten Fußgängerbrücke über Rhein-Main- Innenseite, weil sich hier bei geeigneter Wahl der Außenrand zu einer Umkehrung mit Zug unten Donaukanal in Kelheim, ist ein Betonquerschnitt Hänger- und Tragseilneigung der Überbaudruck und Druck oben kommt. gewählt worden – siehe Seite 108. Dort über- aus Hängerkräften mit der Kraft der im Überbau nehmen oben im Querschnitt verlaufende Spann- verankerten Tragseile ins Gleichgewicht setzen der 27 m weit spannenden Brücke mit Kreisring- glieder aus Stahl die Rolle des Zugringes. Auch lässt. Dies gilt wieder nur für geometrieaffine Las- träger, die den Anziehungspunkt der Ausstellung die 1974 fertiggestellte Schrägseilbrücke Glorias ten und bei Einleitung der Tragseilkräfte tangential Brückenbau im Deutschen Museum in München Catalana in Madrid, die erste Ansätze eines sol- zum Kreisringträger. Allein weil nichtaffine Lasten bildet, siehe Bild und Querschnitt Seite 116. chen Lastabtrags zeigt, hat einen Stahlhohlkasten nicht zu vermeiden sind, müssen immer auch Auf diese Art können nicht nur das Eigen- Besonders anschaulich ist das Tragverhalten Buch_BRUECKEN.indb 119 Als vorteilhaft erweist sich die Lösung der 01.09.2007 18:55:22 Uhr 120 Konstruktive Experimente Bild 8 Buch_BRUECKEN.indb 120 Neckarbrücke in Mettingen bei Esslingen, 2006 Oberhausen-Ripshorst, Brücke über den Rhein-Herne-Kanal,1997 Neckarbrücke (Mettingen -> Deizisau) 01.09.2007 18:55:24 Uhr Entwurf für eine Brücke in Deizisau Räumliche Bögen So wie sich die gerade von einem zentri- 121 Man kann weiter gehen und beide Konzepte kombinieren – und den einseitig gestützten schen Tragseil getragene Hängebrücke als Umkeh- Kreisringträger an einem 3D-Bogen aufhängen. rung des rein druckbeanspruchten Bogens inter- Hier sollte dann der Überbau am besten an der pretieren lässt, kann man auch Hängebrücken mit Außenseite gehalten werden, um den Bogen- gekrümmtem Überbau umkehren. Dieses Tragseil schub mit dem Überbauzug aus Hängerkräften bildet eine interessante räumliche Gleichgewichts- zumindest teilweise zu kompensieren; dieses figur, eine zugbeanspruchte 3D-Kettenlinie, die in Prinzip verfolgten Schlaich Bergermann und Part- der Umkehrung zu einem räumlichen Druckbogen ner beim Entwurf der Brücke in Deizisau. führen muss. Bei der im Bild Seite 120 rechts gezeigten, 77 m weit spannenden Brücke über den Rhein-Herne-Kanal bei Oberhausen wurde diese Literatur Keil, Andreas, The design of curved cable-supported footbridges, in: Second International Footbridge Conference, Venedig, 2005 Überlegung in die Realität, einen Stahlbogen, der für das Gewicht des auf ihm liegenden, gekrümmten Überbaus druckbeansprucht ist, umgesetzt. Nun soll nicht behauptet werden, dass eine solche Lösung den Gesetzen der Wirtschaftlichkeit Priorität einräumt. Es wurde aber gezeigt, dass sich mit solch ingenieurmäßigem Herangehen ohne exorbitante Kosten Interessantes erreichen lässt – Schlaich, Jörg, und Jürgen Seidel, Die Fußgängerbrücke in Kelheim, in: Bauingenieur, April 1988 Schlaich, Jörg, Der kontinuierlich gelagerte Kreisring unter antimetrischer Belastung, in: Beton- und Stahlbetonbau, Januar 1967 Schlaich, Mike et al., Guidelines for the design of footbridges, fib, fédération internationale du béton, bulletin 32, Lausanne, November 2005 Strasky, Jiri, Stress ribbon and cable-supported pedestrian bridges, London, 2005 siehe die Brücke in Oberhausen-Ripshorst. Buch_BRUECKEN.indb 121 01.09.2007 18:55:24 Uhr Autoren: Ursula Baus, Mike Schaich Fotografie: Wilfried Dechau u.a. Grafische Konzeption: Moniteurs, Sibylle Schlaich; frei04 publizistik, Ursula Baus Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Buch ist auch in englischer Sprache erschienen (isbn 978-3-7643-8139-4). Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. © 2007 Birkhäuser Verlag ag Basel · Boston · Berlin Postfach 133, ch-4010 Basel, Schweiz www.birkhauser.ch Ein Unternehmen der Fachverlagsgruppe Springer Science + Business Media Gedruckt auf säurefreiem Papier, hergestellt aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff. tcp ∞ Reproduktion und Satz: Florian Höch, Stuttgart Printed in Italy isbn 978-3-7643-8138-7 987654321 Mit freundlicher Unterstützung von Max Bögl Stahl- & Anlagenbau, Neumarkt Pfeifer Seil- und Hebetechnik GmbH, Memmingen Vallourec & Mannesmann Tubes, Düsseldorf Brucken_248-256.indb 256 04.09.2007 13:00:12 Uhr Zum Tragverhalten von Kuppeln Heinle, Erwin; Schlaich, Jörg: Kuppeln aller Zeiten, aller Kulturen Deutsche Verlags-Anstalt DVA, 1996, Auszug Seiten 196-222 Seiltragwerke Schlaich, Jörg; Gabriel, Knut: „Seiltragwerke“ in „Baukonstruktion“, Hrsg.: Dierks, Klaus; Schneider, Klaus-Jürgen; Wormuth, Rüdiger Düsseldorf: Werner Verlag, 5. Auflage 2002, Auszug Seiten 150-181 '[ooe]'Ios's] r u e O a 0 ] u lar o ) re qp u a M r o ^ - l e p a r Mp u n l r a l r e q i a r l u o L U o c L r e ' s q s n e r q r a ^ l e u a l esl a p L i a i o r u - r u r luAr e ' u a D e r l u a q J S - r 6 o 1 o 1 tol t so s s a r a l u a l Drlnaq s e p q o n r ?l L L r L U ou)r a t u a 6 l l e a s r a M n e q l L l 3 r aJla p p u n o ) t a M - 6 e : 1 1 a 5r a p 6 u n ; l c r n n l u lJ a C 0Et . 1 zal s - r . l o , l nlpq a u r a L U L U t u o s a M n e g L U t L l J t s t a p , s n e c l l q c r a lu a 6 r 1 n a L 1 sap u t a p u t s a l t a n n 6 e r l ; r o s. l g g . g ] u u e ) u a p l a n n] a u q c a l a q s n p l l a f - : o n n e u a 6l q a s u a 6 u n l l o l s l s e l u a u o p a t q f , s r auna p t a l u n p u n a 0 e 1 - u o l 4 i a p p u a r L l e nune l g e l ; t a n s 6 u l t L U r o Jul oeA 0 l 6 u e q q e l r a pz u n u a t e - e u r l l q c r ut u a i q t u t u a l u a u l a l l u o ^ u a p u e s n e l a r u e i s Ä t g a g o t 6 ] t r l l 'llalct^^lua u a l l e q l a As e p a l n a q s s e p o s u a p l n ^ ^ u a j q e ] l a ^ u o q 3 a u alzlnlslalunlalnduo3'ItO'g] u o p J a M u a 6 u a 6 1 u a g o t D ] a ] t a q J e J a ^ ur alnaq jalsalqcoq a t p ' u r a s e l l a u j o l s e l f p u n e l q e t p l q e l s 6 u n1 -)orMlul arp ual6runelqosoq u o t l t l x e l r a l e q z l a s L l t a q J s t u q o a l u o t l ) np -ord alp ,)tutlJaljaplo1 U a l t p L l tJ a l e d sp u n n e q u o l a q u u e d gJ a p atC 'uaplaM 1 6 r l q c r s > l c n l as qa z l n q o s - s u o t s o - u o )s a p 6 u n p l t q s n vr a p p u n u a p e s s e 1J a p s s n l q c s u v L U a p' l n e q q J e 6 l a p 6 u n p l q s n y l a p l a q q c n e L l a s s n u ul o t l ) n r l s u o ) : a p u a 6 u n 6 a M a Bu a g o r 6 e r 6 ' u a p l a M u e p a t L U l a A u o s s n u lo q 3 n l q ' a 6 u e a n 7a q o t l p e q J s -s6unpnutSpun lstnarua6u; , , a n 6 l 1 ea,;tc Ä cm o ; " s a p u a 6 a r l u y u a 6 l l q c l n nL U o u t an z s l t e l a p s 8 u n p u t q l o 1p u n - s s n l L l c s - u V r a p 6 u n p ; r q q c r n qa ^ t l l n l l s u o ) o l p q c n e q c t l l n l e u u a q c e u uu a 6 - u n u l r o l l a 4 u a g o t 6 q c r l uq o n n a 6 u n , u a ] Jl lS U n M J as n e q o l np , u a u a p . u a l l e qn z u a z u o l C u a 6 l 4 u n u - u n q r a nu a l n e q l q J t a l u a s a t p a t C l l t ! 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Diese Innovation prägte die Glasarchitektur danach ganz wesentlich und führte zur weltweiten Anwendung und infolge versäumten Patentschutzes auch zur weltweiten Kopie. Die tragende Konstruktion besteht aus einem ebenen einlagigen gespannten Seilnetz, an dessen Knoten die quadratischen oder rechteckigen Glasscheiben punktförmig befestigt sind, ohne das Glas zu durchbohren. Dadurch verlaufen die Seile genau hinter den vertikalen und horizontalen Glasfugen und werden als Konstruktion fast nicht mehr wahrgenommen. Die Konstruktion benötigt einem Tennisschläger gleich tragfähige Ränder, welche die Vorspannkräfte aufnehmen, besser noch, kurzschließen. Prestessed cable net facades. The invention of prestressed cable net facade for the Hotel Kempinski in Munich in 1989/1990 by Prof. Jörg Schlaich represents a milestone on the way to an optimum transparency of glass walls. This innovation influenced the glass architecture afterwards very significantly which have led to many applications all around the world. Due to a missed patent protection this idea has been duplicated worldwide as well. The load-bearing structure consists of a planar single-layer cable net which is prestressed. At the intersection points of the cable net the quadratic or rectangular glass panes are fastened in the corners without drilling through the glass. Thus the cables are situated directly behind the glass joints which leads to the advantage that they are nearly non-visible as a structural element. Like a tennis racket this structure needs load-bearing edges, which are able either to absorb or even better to directly compensate the prestressing forces. 1 Die Entwicklung der Seilnetzfassade im Jahre 1989/1990 für das Hotel Kempinski in München Der Architekt Helmut Jahn aus Chicago stellte sich eine möglichst transparente „Screenwall“ als beidseitigen Abschluß der Hotelhalle vor. Als Jörg Schlaich die Idee eines gespannten Seilnetzes als tragende Konstruktion einbrachte, war meine anfängliche Skepsis von der Vorstellung von Glasscheiben als sprödes, kaum flexibles und wenig belastbares Material geprägt, das den unvermeidlichen Verformungen des Seilnetzes kaum folgen könnte. Versuche mit belasteten Glasscheiben unter aufgezwungenen Ver- windungen belehrten uns eines Besseren. Bis zu 15 cm Verwindung und mehr ließen die 1,5 × 1,5 m großen vorgespannten Verbundglasscheiben bis zum Bruch zu! Das war zu einer Zeit, als die Glasscheiben noch nach den Richtlinien des Glaserhandwerkes mit Tabellen und ohne Nachweis des Ingenieurs festgelegt wurden und Behörden und Prüfingenieure sich kaum ums Glas gekümmert haben. 1.1 Trickreiche Vorspannung Die Durchbiegung des Seilnetzes für die 40 × 25 m große Kempinski-Fassade aus 22 mm dicken Edelstahlseilen im Abstand von 1,5 × 1,5 m unter Windbelastung und damit auch die Verwindung der einzelnen Glasscheiben, kann durch Wahl entsprechender Vorspannkräfte auf das zulässige oder gewünschte Maß begrenzt werden. Die beidseits der Fassade vorhandenen massiven Baukörper und der stählerne Dachträger bilden den steifen Rahmen zur Aufnahme der Vorspannkräfte. Die Horizontalseile wurden daher mit 75 kN und die Vertikalseile mit 25 kN vorgespannt. Die Vorspannung ist insbesondere hinsichtlich einer Nachgiebigkeit der Verankerungen sehr hilfreich, weil sie die kritischen Verformungen in Scheibenebene auf sämtliche Glasfugen gleichmäßig verteilt und so Konzentrationen auf eine Fuge und möglichen Glasbruch verhindert (Bild 1). 1.2 Verformungen als Entwurfskriterium Damit die Glasscheiben den Verformungen in und aus der Fassadenebene schadlos folgen können, müssen nicht nur die Vorspannung auf die Scheibenverwindung abgestimmt, sondern auch die Auflagermaterialien im Glashalter ausreichend nachgiebig ausgebildet werden. Darüber hinaus ist sicherzustellen, daß im Halter unter Beachtung von Toleranzen und möglichen Verformungen die Glasscheiben nicht übermäßig gezwängt werden. Die unter Windlast auftretenden beachtlichen Drehwinkel an den Seilverankerungen können sich dank spezieller Radialgelenklager schadlos für das Seil einstellen, und nachspannbare Seilverankerungen erlauben es, Spannkraftverluste aus bleibenden Gebäudeverschiebungen später auszugleichen. Im Fußboden eingespannte Türrahmen hätten bei der KempinskiFassade zu Überbeanspruchungen in © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 73 (2004), Heft 12 973 H. Schober · Gespannte Seilnetzfassaden w · L2 ––––––– 8·f αT · ∆T· E · A u/L · E · A u/L · li Bild 1. Tragverhalten eines Seils bei Windbelastung, Temperaturbelastung und Verankerungsnachgiebigkeit Fig. 1. Structural behaviour of a cable subjected to wind loads, temperature loads and flexibility of anchorage den an der Türrahmenecke liegenden Glasscheiben geführt. Daher wurde ein Pendelrahmen zur Abfangung der Seilkräfte vorgesehen, der sich mit dem Seilnetz verformt und in den dann steife in den Fußboden eingespannte Türrahmen eingestellt wurden. 1.3 Glashalter ohne Scheibendurchbohrung Die von Peter Rice im Jahre 1986 für die Glasfassade La Vilette in Paris entwickelten Punkthalter mit durchbohrten Gläsern stellten zu jener Zeit den Standardfall für punktgehaltene Glasfassaden dar. Glasbohrungen in der Ecke sind eine erhebliche Schwächung genau dort, wo die Last eingeleitet werden muß und sie sind zudem teuer. Die bei gespannten Fassaden zusätzlich beanspruchte Ecke aus aufgezwungenen Scheibenverwindungen führte dann zur Entwicklung eines neuartigen Glashalters ohne Glasdurchbohrung mit schwimmender Lagerung der Glasscheiben (Bild 2). Neben der Seilnetzfassade wurden im Foyer des Kempinski Hotels noch 6 m breite und 7 m hohe tragende Glasregale (Bild 3) und eine Glastreppe mit 2,40 m weitspannenden tragenden Glasstufen entwickelt. Beide Glastragwerke wurden ingenieurmäßig geplant und das Glas als tragender Werkstoff eingesetzt, ein neuartiger Weg, damals noch unbelastet von Vorschriften. 974 Stahlbau 73 (2004), Heft 12 2 Tragverhalten gespannter Seilnetzfassaden Ohne den Trick der Vorspannung würden Seilnetzfassaden nicht funktionieren. Wie geistreich und wirksam hier die Vorspannung ist, soll nachfolgend am Beispiel eines einfachen vorgespannten Seiles gezeigt werden. Ein Seil kann Querlasten wie beispielsweise Wind nur tragen, wenn es durchhängt. Dabei ist die Seilkraft S umgekehrt proportional zum Durchhang f (Bild 4). Mit einer Seilvorspannung läßt sich somit der Durchhang f unter Last direkt steuern. Je höher die Vorspannung, desto geringer die Verformung des Netzes. Erfahrungsgemäß können Glasscheiben aus VSG den kissenförmigen Fassadenverformungen senkrecht zur Fassadenebene bis ca. Lx/50 schadlos folgen. Die viel schwerer zu beherrschenden Verformungen in der Fassadenebene werden dank der Seilvorspannung auf alle Glasflächen gleichmäßig verteilt. Temperaturänderungen führen nicht zu einer Lageänderung der Glashalteknoten, sondern nur zu einer moderaten Veränderung der Vorspannkraft im Seil, unabhängig von dessen Länge (Bild 1). Dadurch ist es möglich, auch sehr lange Fassaden ohne aufwendige Dehnungsfugen zu bauen, ein unschätzbarer Vorteil. Verschiebungen aus Auflagernachgiebigkeiten werden auf die gesamte Seillänge gleichmäßig verteilt, und es erübrigen sich Dehnungsfugen zum Rand. An der Bauwerksfuge senkrecht zum Verschiebungsrand müssen natürlich Gleitungen möglich sein. Auch hier gilt, lange Seile sind günstiger als kurze. Die Kräfte und Verformungen von Seilnetzfassaden lassen sich einfach überschlagen (s. Bild 4). Die maximalen Verformungen sollten auf ca. Lx/50 begrenzt werden, was natürlich durch analytische und experimentelle Nachweise zu belegen ist. Die Elastizität von Neopreneinlagen muß auf den Einzelfall abgestimmt werden. Unsicherheiten im Werkstoffkennwert wie auch Zeiteinflüsse müssen durch Grenzbetrachtungen, üblich sind Grenzwerte für den ideellen EModul von 10 und 100 N/mm2, berücksichtigt werden. 2.1 Die einachsig gespannte Seilnetzfassade als Sonderfall Ab einem Seitenverhältnis Ly : Lx ≥ 2 trägt die Seilnetzfassade die Lasten einachsig ab (s. Bild 4), und die Seilkräfte wachsen bei gleicherVerformung gegenüber einer zweiachsig gespannten Fassade(Ly : Lx = 1) um ca. 60 % an. Zur Beherrschung der Glasverwindungen an den Gebäudeecken ist es ratsam, trotz weitgehend einachsiger Tragweise der Fassade auch gespannte Horizontalseile vorzusehen, welche die Verformungen zum steifen Querrand ausgleichen. Macht man das nicht, müssen die großen Fassadenverformungen (ca. L/50) gegenüber der starren Querwand ermöglicht werden. Es wurde schon behauptet, daß einachsig gespannte Fassaden „einen wesentlichen Meilenstein auf dem Weg zu einer nahezu entmaterialisierten Glasstruktur darstellen“, wo doch klar ist, daß einachsig gespannte Platten einfache Sonderfälle der zweiachsig gespannten Platte sind. 2.2 Zum Sinn von Federkörpern Für die Seilbinderfassade La Vilette in Paris hat Peter Rice bereits 1986 Federkörper zur Aufhängung des Glasvorhanges eingeführt, weil die nur mit Spidern verbundenen Glasscheiben in Scheibenebene ein recht steifes Gebilde darstellen. Für gespannte Seilnetzfassaden sind Federkörper bei ausreichender Seillänge nur „high tech“-Beiwerk, da H. Schober · Gespannte Seilnetzfassaden a) b) c) e) d) f) Bild 2. Die gespannte Seilnetzfassade für das Hotel Kempinski in München; a), b) Ansicht, c), d) Bild Knoten, e)Zeichnung Ansicht, f) Zeichnung Knoten Fig. 2. The prestressed cable net facade for the Hotel Kempinski in Munich; a), b) view, c), d) photo node, e) drawing view, f) drawing node Bild 3. Detail zum 6 × 7 m großen Regal aus tragendem Glas Fig. 3. Detail of a 6 × 7 m big shelf consisting of structural glass Bild 4. Überschlägige Ermittlung der Seilkräfte unter Windbelastung Fig. 4. Rough estimation of the cable forces due to wind loads Stahlbau 73 (2004), Heft 12 975 H. Schober · Gespannte Seilnetzfassaden das gespannte Seil selbst die beste Feder ist, welche auftretende Verschiebungen in Fassadenebene auf alle Glasfugen gleichmäßig verteilt. Mit Federkörpern verschenkt man den ca. 40%igen Kraftzuwachs bei Windbelastung im Seil, nimmt also größere Verformungen in Kauf und konzentriert zudem Verschiebungen in Fassadenebene auf die Fuge am Federkörper. Die Seile sollten daher immer so hoch wie möglich vorgedehnt (vorgespannt) und nur bei nicht ausreichen- der Länge und außergewöhnlichen Auflagernachgiebigkeiten mit Federkörpern versehen werden. 3 Weitere gebaute Beispiele Es würde den Umfang dieses Beitrages sprengen, wollte man alle ausgeführten Beispiele aus unserem Hause näher beschreiben. Nachfolgend werden daher nur die der Kempinski-Fassade folgenden Besonderheiten einiger Fassaden hervorgehoben. 3.1 WTC Dresden (1995) Hier bildet der Fassadenbinder zusammen mit den Riegelbauten einen steifen Rahmen, in dem sich sämtliche Vorspannkräfte kurzschließen, ohne die Gründung zu belasten. Sämtliche Türrahmen sind als Pendelrahmen ausgebildet (Bild 5). Abmessung: 24 × 26 m Seile: ∅ 20 mm Edelstahl, V = 65 kN Bild 5. Die gespannte Seilnetzfassade für das WTC in Dresden. Ansicht und Verankerungsdetail am Dachbinder Fig. 5. The prestressed cable net facade for the WTC in Dresden 976 Stahlbau 73 (2004), Heft 12 H. Schober · Gespannte Seilnetzfassaden Verglasung: 1,35 bis 1,56 × 1,72 bis 2,07 m, VSG aus 2 × 6 mm ESG Architekt: Nietz Prasch Sigl, Hamburg 3.2 Holzhafen Hamburg, (2000) Drei Innenhöfe werden von einer gespannten Seilnetzfassade abgeschirmt. Bei zwei Fassaden bilden rundum vorhandene Massivbauten den „Aufspannrahmen“ (Bild 6), bei einer Fassade sammelt ein Hängeseil am oberen Rand die vertikalen Netzseilkräfte ein. Abmessung: 15 × 13 m, 15 × 10 m, 15 × 8 m, Seile: horizontal: ∅ 18 mm, V = 90 kN, vertikal: ∅ 10 mm, V = 10 kN Edelstahl Verglasung: 1,35 × 1,10 m, VSG aus 2 × 8 mm ESG Architekt: Astoc, Köln,Hamburg 3.3 Römische Badruine Badenweiler, (2001) Eine besonders hohe Transparenz konnte dank des hier möglichen Verzichts auf das Schließen der Glasfugen mit Silicon in der Seilnetzfassade erreicht werden, da lediglich Wetterschutz für die Römischen Ruine gefordert war (Bild 7). Abmessung: 34 × 8 m Seile: ∅ 16 mm galfanverzinkt Verglasung: 1,27 bis 0,96 × 1,87 m, VSG aus 2 × 8 mm TVG Architekt: Staatliches Vermögens- und Hochbauamt Freiburg 3.4 Time Warner Center, New York, (2003) Am Schnittpunkt des Broadways mit der Südwestecke des Central Parks entstand am Columbus Circle ein 250 m hoher Twin Tower mit einer 26 × 45 m großen Seilnetzfassade am Eingangsfoyer. Innerhalb des Foyers ist die „Jazz Performance Hall“ von der Eingangslobby durch eine 4° geneigte und 16 × 26 m hohe Glashaut, der sog. Jazz Wall, akustisch abgeschirmt. Die beiden äußerst transparenten Glashäute geben vom Eingangsfoyer aus, ganz besonders aber von der „Jazz Performance Hall“ aus einen spektakulären Blick auf den Central Park und die Silhouette von New York frei (Bild 8). Die vertikalen Seilkräfte werden von einem in Richtung der inneren Glashaut geneigten Stahlfachwerkträger getragen, so daß er von außen kaum in Erscheinung tritt. Die 2,14 × 2,44 m großen Schallschutzgläser der inneren Glaswand werden nur von vertikalen geneigten Seilen getragen, die um einen sichtbaren Durchhang der Glaswand infolge Temperatur und sonstigen Einwirkungen zu vermeiden, mit Federkörpern am Fuß versehen wurden. Diese sorgen für eine nahezu konstante Vor- Bild 6. Die gespannte Seilnetzfassade im Holzhafen Hamburg Fig. 6. The prestressed cable net facade for the ‘Holzhafen’ in Hamburg spannung in den Seilen und damit zu einem gleichbleibenden Durchhang aus Eigenlast der um 4° geneigten inneren Glaswand. Bekanntlich wirken sich Auflagerverschiebungen um so mehr auf den Stich aus, je flacher er ist. Abmessung: äußere Glaswand 26 × 45 m, geneigte Jazz Wall 26 × 16 m Seile: äußere Glaswand ∅ 28 mm, Jazz Wall ∅ 22 mm, Edelstahlseile Verglasung: äußere Glaswand 2,14 × 1,22 m, VSG, Jazz Wall 2,14 × 2,44 m, VSG Architekt: Skidmore Owings Merrill, New York, James Carpenter, New York 3.5 Jakob-Burckhardt-Haus, Basel Sämtliche 12 Innenhöfe dieses Büroneubaus werden zum Schutz vor Verkehrslärm von außen mit gespannten Seilnetzfassaden versehen. Es ist beeindruckend wie stark der Lärm bei völliger Transparenz gedämpft wird. Abmessung: 12 Fassaden 15 × 18 m Seile: vertikal ∅ 18 mm, horizontal ∅ 22 mm galfanverzinkt Verglasung: 2,15 × 1,46 m, VSG aus 2 × 8 mm TVG Tragwerksplanung in Zusammenarbeit mit Walter Mory Maier, Basel Architekt: Zwimpfer Partner, Basel 3.6 Auswärtiges Amt Berlin (1999) Dieses Zusammenspiel von Kunst und Konstruktion wurde mit dem amerikanischen Glaskünstler James Carpenter und den Berliner Architekten Müller Reimann entwickelt. Die horizontalen und vertikalen Seilscharen sind auf 45 cm Abstand gehalten. An der vorderen vertikalen Seilschar sind Glasscheiben, an der hinteren horizontalen dichroitische Glasstreifen befestigt. Bei Sonne werfen diese schöne sich ständig wandelnde Lichtstrukturen in den Innenhof. Von Innen geben die bläulich schimmernden Glasstreifen der Glaswand eine Struktur, so daß hier das Glas durch seine Reflektionseigenschaften das Erscheinungsbild bestimmt und das sowieso minimierte Tragwerk fast nicht mehr wahrgenommen wird (Bild 9). Abmessung: 32,4 × 24 m Seile: ∅ 26 mm Edelstahlseile Verglasung: 2,7 × 1,8 m, VSG aus 2 × 10 mm TVG Architekt: Müller Reimann, Berlin, James Carpenter, New York Stahlbau 73 (2004), Heft 12 977 H. Schober · Gespannte Seilnetzfassaden Bild 7. Die gespannte Seilnetzfassade für das Schutzdach der Römischen Badruine Badenweiler. Ansicht und Details Fig. 7. The prestressed cable net facade for the canopy of the Roman Spa Ruin in Badenweiler. View and detailing 978 Stahlbau 73 (2004), Heft 12 H. Schober · Gespannte Seilnetzfassaden Bild 8. Die gespannte Seilnetzfassade für das Time Warner Center in New York. Ansicht und Glashaltedetails für die Eingangsfassade und die geneigte ‚Jazz Wall‘ Fig. 8. The prestressed cable net facade for the Time Warner Center in New York. View and detailing for the entrance hall and the inclined ’Jazz Wall‘ Stahlbau 73 (2004), Heft 12 979 H. Schober · Gespannte Seilnetzfassaden Bild 9. Die gespannte Seilnetzfassade für das Auswärtige Amt in Berlin. Ansicht mit Glashalter- und Verankerungsdetails Fig. 9. The prestressed cable net facade for the Foreign Office in Berlin. View and detailing 3.7 UBS-Tower (One North Wacker), Chicago, (2001) 3.8 Seven World Trade Center, New York Die gesamte Lobby des 200 m hohen UBS-Tower wurde im Erdgeschoß mit einer 13 m hohen Seilnetzfassade versehen, die zwischen den Hochhausstützen spannt und eine einladende und offene Atmosphäre für die vielen Fußgänger und Kunden schafft (Bild 10). Es war die erste Seilnetzfassade, die in den USA gebaut wurde. Abmessung: 7 Fassaden, jeweils 10 × 13 m, und zwei Fassaden, jeweils 10 × 14 m Seile: ∅ 22 mm, Edelstahlseile Verglasung: 1,53 × 1,53 m, VSG, entspiegelt (Amiran) Architekt: Steve Nilles, Lohan Associates, Chicago Dem Terrorangriff auf die beiden Türme des World Trade Centers fiel auch das WTC 7 zum Opfer. Die Lobby des 230 m hohen Gebäudes erhält eine 32 × 13 m große transparente Seilnetzfassade mit 2,4 × 1,5 m großen Glasscheiben, die Wind- und insbesondere auch Explosionslasten abtragen müssen. Analytische Untersuchungen wie auch Explosionstests in Schottland mit TNT gefüllten Fässern zeigten, daß sich das Seilnetz wegen seiner großen Nachgiebigkeit auch diesbezüglich sehr günstig verhält. So war es möglich, daß die 2,4 × 1,5 m großen, nur in den vier Ecken punktgehaltenen Glasscheiben aus 2 × 10 mm ESG mit 2 × 980 Stahlbau 73 (2004), Heft 12 2,28 mm starker PVB Verbundfolie schadlos die Explosionstests überstanden. Abmessung: 32 × 13 m Seile: horizontal ∅ 22 mm, vertical ∅ 26 mm, Edelstahlseile Verglasung: 2,4 × 1,5 m, VSG aus 2 × 10 mm ESG Architekt: Skidmore Owings Merrill, New York, James Carpenter New York 4 Ausblick Die Erfindung der gespannten Seilnetzfassade stellt einen Meilenstein auf dem Weg zu optimaler Transparenz von Glasfassaden dar. Diese Innovation hat die Glasarchitektur wesentlich geprägt und führte zu einer weltweiten Verbreitung dieser Bauart. Sie H. Schober · Gespannte Seilnetzfassaden Bild 10. Die gespannte Seilnetzfassade für den UBS Tower (One North Wacker) in Chicago. Gesamtansicht und Glashalterdetail Fig. 10. The prestressed cable net facade for the UBS Tower (One North Wacker) in Chicago. General view and detailing ermöglicht nicht nur äußerst transparente und wirtschaftliche Glaswände als Raumabschluß, sondern eignet sich auch für transparente Schallschutzwände und wegen ihrer Nachgiebigkeit als energieverzehrende Konstruktion bei Explosionseinwirkungen. Die in der Planung und im Bau befindlichen Seilnetzfassaden vor allem in China und den USA zeigen, daß diese Innovation die Architektur auch weiterhin prägen wird. Literatur [1] Schlaich, J.: Glaskonstruktion Hotel Kempinski, München. Glas 2/95, S. 30–37. [2] Schober, H., Moschner, T.: World Trade Center Dresden, Shopping Mall mit Glasdach und gespannter Fassade. Glas 1/97, S. 34–40. [3] Schober, H., Gugeler, J.: Glasdach über der römischen Badruine in Badenweiler. Glas 1/2002, S. 29–35. [4] Auswärtiges Amt. 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