das magazin für bio und nachhaltigkeit
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verde. Das Magazin von Coop für Bio und Nachhaltigkeit. www.coop.ch/verde DAS MAGAZIN FÜR BIO UND NACHHALTIGKEIT NO 03 bio-obst: verführerische Früchtchen Bio-Milch: vom Bauern nebenan Michael Bilharz: innovativer Konsumratgeber EDiTORiaL iMPRESSuM Herausgeberin: COOP Erscheint 3x jährlich auflage: 1 200 000 Redaktionsadresse: Verde Postfach 8032 Zürich [email protected] Rezepte und weitere informationen: www.coop.ch/verde Fragen zu Coop: 0848 888 444 www.coop.ch Projektleitung: COOP Philipp Wyss Christian Waffenschmidt Verantwortung Realisation: Oliver Suter agentur Paroli aG, Zürich Verantwortung Kreation: Daniel Krieg und uwe Schlupp KSB Werbeagentur aG, Zürich Konzept, Chefredaktion: agentur Paroli aG Lüchinger Publishing Birgitta Willmann Redaktionelle Mitarbeit: Martina Bortolani Christina Gubler Gaby Labhart Kapar Meuli Marysia Morkowska Für die Liebe zur Natur. Als Schweizer Bio-Pionierin setzt sich Coop seit 1993 aus Überzeugung und mit Innovationsgeist für die BioLandwirtschaft und das Wohl von Mensch, Tier und Natur ein. Coop macht sich stark für Bio ohne Kompromisse. Mit über 1600 Naturaplan-Produkten lassen wir das grüne Herz der Schweiz höherschlagen und setzen damit ein nachhaltiges Zeichen für mehr Natürlichkeit, Vielfalt und Genuss. In über 800 Filialen. Jeden Tag. Gestaltungskonzept, art Direction: Simone Fennel/ anita Kummer KSB Werbeagentur aG, Zürich liebe leserin, lieber leser umweltschutz, co2-reduktion, nachhaltiger le bensstil – appelle an die vernunft von uns konsumenten gibt es genug. Fast täglich werden wir mit neuen Schreckensszenarien für die Zukunft konfrontiert, falls wir nicht bereit sind, unseren lebensstil nachhaltig zu ändern. Doch wo sollen wir ansetzen? Was macht Sinn, was nicht? und sind wir wirklich bereit, auf Dinge zu verzichten, die für uns heute selbstverständlich sind? Michael Bilharz, Betriebswirt und umweltschützer, hat sich mit diesem Thema kritisch auseinandergesetzt und ist zum Schluss gekommen, dass ein nachhaltiger Lebenswandel nichts mit Verzicht zu tun haben muss – wenn man das seiner Meinung nach Richtige tut (interview Seite 36). Wir von Coop machen uns diese Gedanken schon lange, die Lancierung von naturaplan im Jahr 1993 ist ausdruck davon. Heute werden unter dieser Marke rund 1600 Bio-Produkte angeboten, und mittlerweile sind weitere den nachhaltigen Konsum fördernde Marken dazugekommen. Zum Beispiel naturaline mit Produkten aus Bio-Baumwolle oder Berg- und alp-Produkte von Pro Montagna. Der anteil an Bio-Produkten liegt bei Coop heute bei 9 Prozent. Doch das genügt uns nicht, wir wollen diesen anteil weiter ausbauen. auch auf betrieblicher Ebene setzt Coop konsequent auf die grossen CO2-senkenden Massnahmen im Sinne von Michael Bilharz: So werden alle neu- und umbauten von Verkaufsstellen nach dem Minergie-Standard ausgeführt, immer mehr Dächer werden mit Photovoltaikanlagen ausgestattet. Zudem setzen wir – wo möglich – in den Verkaufsstellen LED-Leuchten ein und verlegen viele Transporte auf die Bahn. Die verbleibenden CO2-Emissionen werden ab 2023 kompensiert, so dass Coop ab dann CO2-neutral sein wird. Wir sind sicher, dass jeder von uns seinen Beitrag zum Klima- und umweltschutz leisten kann. und dabei auf nichts verzichten muss. Einen schönen Herbst Bildredaktion: Vera Schmid Realisation: Christiane Gothuey Organisation: Fabienne Luks Deborah Rosenstein Produktion: Detail aG, Zürich wünscht ihnen philipp Wyss Leiter Marketing und Beschaffung Coop Druck: Swissprinters aG, CH-4800 Zofingen Foto: Daniel infanger 3/12 coop verde - 3 inHaLT ▶ 03 03 06 15 27 30 46 EDITORIAL IMPRESSUM A TAVOLA KOLUMNE STATISTIK LESERFORUM MEINE WELT 08 16 22 31 32 36 40 ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ BIO-OBST ZU GAST BEI ... BÜNDNERFLEISCH TATSACHEN BIO-MILCH INTERVIEW MODE Rita und Reto Weber in Luzern. Die Kunst, BioTrockenfleisch herzustellen. Zahlen und Fakten zum nachhaltigen Konsum. Vor der Haustüre produziert: Milch aus der Region. Buchautor Michael Bilharz über Key Points für die nachhaltigkeit. Die naturaline Herbstmode präsentiert sich in warmen Rot- und Brauntönen. Verde kann gratis unter www.coop.ch/verde oder per Mail unter [email protected] als abonnement bestellt werden. Eine Reise ins Wallis zu Olivier Cordey. 08 36 40 16 32 BiRnE HORTEnSia Pflückreif Ende September Verde wird in der Schweiz auf heimischem FSC-zertifiziertem Papier gedruckt. Dieses schont die umwelt durch einen hohen anteil an altpapier aus regionaler Haushaltsammelware und Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft. ▶ www.coop.ch/verde TiTELFOTO: H. R. Rohrer Das Rezept «Zwetschgen-Pie» finden Sie auf www.coop.ch/verde Rezept 3/12 coop verde - 5 Hot coop naturaplan Bio-Glace Vanille*, 460 ml 4.60 Bio-Glace Schokolade mit Schokoladenstückchen*, 460 ml 5.20 Bio-Joghurtglace mit Heidelbeersauce*, 460 ml 4.70 Bio-Banane */** Bio-Zitrone */** coop naturaplan Bio-Peperoni**, per kg Bio-Riesencrevetten an Knoblauchmarinade (aglio e olio), tiefgekühlt*, 200 g 7.80 Max Havelaar Bio-Pfeffer schwarz, ganz, 130 g 3.70 coop naturaplan Max Havelaar Bio-Curry*, mittelscharf, 32 g 1.40 6 - coop verde 3/12 a TaVOLa cold coop naturaplan Bio-Zwiebel-Sprossen, 35 g 2.95 coop naturaplan Bio-Senf grobkörnig, 200 g 5.50 * in grösseren Verkaufsstellen erhältlich. ** Zum aktuellen Tagespreis. coop naturaplan Bio-Zwiebeln**, netz à 500 g coop naturaplan Bio-Salsa all’arrabbiata, 320 g 3.30 coop naturaplan Bio-Beerenmischung, tiefgekühlt*, 300 g 5.60 coop naturaplan Bio-Holunderblütensirup, 50 cl 4.40 coop naturaplan Bio-Joghurtglace mit Mangosauce*, 460 ml 4.70 coop naturaplan Max Havelaar Bio-Datteln*, 300 g 3.30 Food stills: Martina Meier Styling: Karin Messerli coop naturaplan Bio-Schorle BirneCassis*, 50 cl 1.50 3/12 coop verde - 7 Bio-Obst CuCina von der Sonne geküsst das Wallis mit seinem milden klima ist ein garten eden. Familie cordey aus vétroz baut daher seit jeher neben den berühmten aprikosen auch Äpfel, birnen und Trauben an. 1994 hat sie komplett auf bio umgestellt und bewirtschaftet heute 100 hektaren land. Text Maria Vicente: geübtes auge beim apfelpflücken. Erntereif: Braeburn-Äpfel im Wallis. Fotos abertausende von roten apfelbäckchen leuchten in der Morgensonne. Maria Vicente mustert sie aufmerksam und nimmt dann mit sicherer Hand die reifsten vom ast. Sie ist eine von acht Pflückerinnen und Pflückern, die am heutigen augustmorgen zwischen den apfelbaumreihen im Walliser Ort Vétroz arbeiten. ihre Tätigkeit erfordert ein geübtes auge. Haben die Früchte mehr als einen Fleck, kommen sie in die untere der beiden bereitstehenden Kisten. Sie werden versaftet, denn die Konsumenten akzeptieren kosmetische Schäden nicht. Die einwandfreien Exemplare lässt die Portugiesin so sorgfältig in die obere Kiste gleiten, als handle es sich um rohe Eier. auch Chef Olivier Cordey ist vor Ort, ein dynamischer, 54-jähriger Bauer im blauen T-Shirt. Er betastet etliche Früchte und Blätter, bevor er entscheidet, welche Baumreihen wann erntereif sind. Dann geht er in die Knie und befühlt aufmerksam den Boden unter dem dichten unkraut. «Morgentau verleiht den Äpfeln rote Bäckchen. Wenn es zu trocken wird, helfen wir mit der Sprengeranlage nach», erklärt er. Sein Sohn Flavien ist etwas weiter hinten in aktion. Der 24-Jährige stemmt die vollen Obstkisten mit spielerischer Leichtigkeit auf den Traktoranhänger. Die Baumreihen, zwischen denen sich die Erntekolonnen zwei- bis dreimal pro Saison durchschieben, sind wie mit dem Lineal gezogen. Sie liegen exakt vier Meter auseinander. anfangs wirkt die anlage etwas gleichförmig, doch je länger der Blick hängen bleibt, desto mehr Vielfalt 3/12 coop verde - 9 Bio-Obst Garten Eden: fruchtbare Walliser Landschaft. Tafeltrauben: auch sie werden im august geerntet. offenbart sich. So wachsen verschiedene apfelsorten nebeneinander, Golden Delicious neben idared, Gala neben Braeburn. und am Feldrand steht eine bunt bemalte Reihe von Bienenhäuschen wie aus dem Bilderbuch. Diese insekten sorgen natürlich für die Befruchtung. morgentau verleiht den Äpfeln rote bäckchen. Olivier Cordey: Bio-Obstbauer im Wallis. 10 - coop verde 3/12 Olivier und Flavien Cordey gehören zu den grössten Bio-Obstbauern im Wallis. Letztes Jahr betrug ihre apfelernte gut 2500 Tonnen, dies entspricht rund 15 Millionen Früchten in 24 verschiedenen Sorten. Dazu kommen 330 Tonnen Birnen, Trauben, aprikosen und Zwetschgen. Zu diesen Mengen meint der Vater lachend: «Je ne suis pas un bio baba-cool» – «ich bin kein Bio-Hippie». Das sind jene Bauern, erklärt er, die finden, die natur mache alles von selbst; man müsse sich nur zurücklehnen und warten. «Das Wallis mit seinem warmen und fruchtbaren Klima ist zwar ein Paradies», sagt Olivier Cordey, «aber kein himmlisches, sondern ein irdisches. Man muss schon etwas dafür tun.» um zu veranschaulichen, was er meint, nimmt er eine Handvoll Erde auf und wirft sie in die Höhe. Es handelt sich vorwiegend um Sand, die Partikel wirbeln einzeln durch die Luft. Diese sandigen Böden waren der ausgangspunkt der stufenweisen Entwicklung der Familie Cordey hin zum Bio-anbau. angefangen hatte Olivier 1988 zusammen mit seiner tatkräftigen Frau Véronique mit 20 konventionell angebauten Hektaren. Doch dank dem ausgeprägten Hang zur naturbeobachtung merkte der Bauernsohn bald, dass die chemischen Herbizide und Dünger durch die Erde sickerten wie durch ein Sieb. Kuhmist hingegen eignete sich ideal zur Steigerung der Fruchtbarkeit. und der Boden war perfekt, um das unkraut mechanisch zu harken. Gegen ungeziefer hatte Cordey seine eigene, ebenso simple wie wirkungsvolle Methode. Von anfang an setzte er auf zusammenhängende Landstücke. Sie sind gänzlich von den nachbargrundstücken abgegrenzt, sei es durch Strassen, Eisenbahn oder Gewässer. nachdem die Cordeys einige Jahre fast chemiefrei über die Runden gekommen waren, stellten sie 1994/95 ganz auf Bio um. «Die Leute hielten uns für complètement fou», erzählt er. Heute bewirtschaftet die Familie 100 Hektaren mit einem Team von 20 Leuten im Winter und 80 im Sommer. Die Felder reichen bis zum Horizont. Ob er die Vision einer solchen Grösse gehabt habe? «nein, nie», antwortet Cordey, «mich interessiert immer nur der nächste Schritt.» Bald nach der umstellung realisierte der Pragmatiker, was für eine riesige nachfrage für nachhaltig angebautes Obst in der Schweiz bestand. Er wollte expandieren, aber nur zusammen mit anderen. Seine wichtigste Maxime in Sachen Bio-anbau lautet: «La grandeur est la force» – «in der Grösse liegt die Kraft». Damit ist die ausdehnung der chemiefreien und darum gesunden Böden gemeint, aber auch die Kraft gebündelter Synergien. 1996 erfolgte die Gründung einer Kooperative, vorerst nur mit drei Kollegen. anfangs war der Bio-Obstanbau unpopulär, da er sehr aufwendig ist. Das mechanische unkrautjäten verschlingt viel Zeit. ausserdem müssen Früchte wie Blüten einzeln herausgeschnitten werden, um das für die Fertilität optimale Verhältnis von 15 Blättern pro Frucht zu erzielen. Spätestens nach 15 Jahren müssen sämtliche Bäume erneuert werden, weil sie ihre Widerstandskraft verlieren. im konventionellen anbau sind es immerhin 25 Jahre. Gewisse niederlagen müssen die Bauern einfach einstecken, etwa jene gegen den Maikäfer. allein bei den Cordeys frassen sie die Baumwurzeln auf zehn Hektaren weg. CuCina Dennoch ist die Rechnung aufgegangen. Heute ist Biofruits, wie sie seit 2005 heisst, die grösste BioobstKooperative der Schweiz. Die letztjährige Erntemenge betrug über 3700 Tonnen verschiedener Früchte. ihre acht Mitglieder bewirtschaften insgesamt 170 Hektaren zwischen Collonges und Salgesch. auf dem weitläufigen Gelände liegt unter anderem eine eigene Baumschule. Es beherbergt auch das Walliser archiv alter einheimischer Obstsorten, das sich als idyllischer Garten voller hochstämmiger Bäume präsentiert. Das Herzstück der Genossenschaft ist eine mit fünf Hallen ausgestattete anlage im industriegebiet von Vétroz, die seit 2007 laufend wächst. Sie enthält Sortierund Verpackungsanlagen sowie Lager- und Kühlräume. das Wallis ist ein irdisches paradies. auch hier scheint der Direktor Olivier Cordey überall gleichzeitig zu sein. Gerade noch hat er dem assistenten ein Computerprogramm erklärt, und schon erteilt er anweisungen, welche Obstkisten in welchen Kühlraum gehören: «Diese Gala sind im Januar gut, jene Braeburn im März.» Weiter geht’s zur Saftdegustation. Die grosse Mostereianlage ist die neueste gemeinschaftliche Errungenschaft. Gut gelaunt stossen die Mitarbeiter mit dem frisch gepressten Saft an, als handle es sich um eine Party. Ja, die Grösse der Kooperative erweist sich auch als Füllhorn zur Verwirklichung diverser Leidenschaften. Madame Cordey, die fürs Leben gerne kocht, dörrt und einmacht, führt hier nun einen grossen Bio-Laden. in den Gestellen stehen ihre leckeren aprikosen-Eierliköre, die Pestos, Sirups und Fruchtnektare. als der kraftvolle Sohn Flavien mit dem Gabelstapler vorbeisaust, blickt sie ihm zufrieden nach und sagt: «ist es nicht schön, wie stark dieses gute, gesunde Bio-Essen macht?» _ Bio-Obst bei Coop: Coop war mit der Einführung von Naturaplan ein Bio-Obstverkäufer der ersten Stunde. Heute beträgt der Bio-Anteil am gesamten umgesetzten Kernobst bereits 12 bis 14 Prozent. Coop arbeitet aktiv mit Bio-Bauern und dem FiBL (Forschungsinstitut für biologischen Landbau) zusammen. Etwa im sogenannten Sortenteam, das in der Schweiz den Anbau und die Markteinführung neuer, resistenter Apfelsorten initiiert und koordiniert. «Pro Specie Rara»-Früchte befinden sich zum Teil nur regional im Angebot, die Mengen steigen jedoch kontinuierlich an. 3/12 coop verde - 11 Bio-Obst CuCina Ernte: Gelegentlich muss mit der Säge Platz geschaffen werden. aprikosen: gerade eben gepflückt. 3/12 coop verde - 13 CuCina Bio-Obst Kolumne inTervieW momentan herrscht ein Trend zu Wildkräutern und proSpecieraragemüsen. Zeichnet sich ein ähnlicher boom bei den alten obstsorten ab? in meinen Kochkursen beobachte ich diesbezüglich viel neugierde. Wenn die Leute die Materie einmal kennengelernt haben, sind sie davon fasziniert. aber leider fehlt es an grundlegender aufklärung. Was sagen Sie zur vielfalt des Schweizer obstes? Wir haben ja so viele Landschaftstypen und Klimazonen. im Tessin ist das Wetter bereits spätsommerlich, während in den Bergen noch der Frühling herrscht. Daraus ergibt sich eine grosse Bandbreite. im Sommer ist die auswahl gewaltig, ein wahres Füllhorn! mein Senf. aPFEL: ELSTaR Pflückreif: ab Anfang September BiRnE: HORTEnSia Pflückreif: Ende September Wo finden Sie das obst, das ihren ansprüchen genügt ? ich kaufe grundsätzlich Bio-Obst; das meiste finde ich auf dem Luzerner Markt bei Produzenten, die ich persönlich kenne. aber wenn ich spezielle Früchte von Hochstammbäumen suche, dann reise ich eigens an den Berner Markt, weil es dort viele davon gibt. die hochstammbäume liegen ihnen besonders am herzen, warum? auf dem Hochstammbaum ziehen Vögel ihre Jungen gross. und am Schluss macht der Schreiner aus dem Holz noch einen Tisch oder ein Bett. So schliessen sich die Kreise der natur, das hat eine schöne Lebendigkeit. PFLauME: OPaL Pflückreif: August kochen Sie auch mit exotischen Früchten? Praktisch nie. Bei mir kommen im Winter und Frühling nur Äpfel, Birnen und Dörrobst auf den Tisch. und auch viel Eingemachtes, etwa ein wunderbares Weichselkirschenkompott zum Dessert. drängt die Schwemme von exoten das einheimische obst an den rand? Ja, gewisse alte Sorten gehen vergessen, etwa die Mirabellen und Reineclauden oder auch die Cornell- und Weichselkirschen. Die muss man mittlerweile richtiggehend suchen. _ Der ehemalige Spitzenkoch LUCAS ROSENBLATT ist auf Kochkurse und Caterings spezialisiert. Er hat unter anderem zwei Kochbücher über Quitten und Kirschen verfasst. Beide sind im FOna-Verlag erschienen. 14 - coop verde 3/12 Foto: Ona Pinkus illustrationen: Sonja Danowski SauERKiRSCHE: SCHaTTEnMORELLE Pflückreif: Mitte bis Ende Juli aPRiKOSE: GOLDRiCH Pflückreif: Mitte Juli bis Ende August CuCina Text Es soll ja, ausser mir, noch ein paar weitere verWer zu einer Sanktgaller Bratwurst Senf isst, wird fressene Zeitgenossen geben, die sich freuen, dass der geteert und gefedert und bekommt lebenslanges EinSommer zu Ende geht. Endlich ist die Zeit der Pouletsalate, reiseverbot. Vermutlich hat das alles ein Marketingmensch der Mozzarellatomaten und der Grilltortouren vorbei. erfunden, denn so bleiben die Sanktgaller und ihre Wurst Halali, es ist Herbst. Erleichtert können wir uns den immer im Gespräch. und nur einige unbelehrbare Dumme grossen Genüssen zuwenden. wie ich regen sich über diesen Senf auf. Beispielsweise den Schweinen. auch sie haben den Doch wie fast alle Regeln kann man auch die SanktSommer hinter sich gebracht, galler Wurstregel bestens hoffentlich glücklich, biobrechen. und apropos Dummlogisch, auf der Weide, vielheit: Senf macht dumm. leicht auf einer alp. GelegentDas hat man uns Kindern lich schlägt ihre Stunde und gesagt. Vermutlich nur dardie der Feinschmecker: Es um, weil wir es liebten, giwird gemetzget. und im gantische Senfraupen auf Welschland feiert man die unseren Tellerrand zu pressen Fête de St-Martin. und anschliessend damit alOb hier oder dort: penfaltung zu spielen. Die Blut- und die Leberwurst Wurst und Senf sind aber nicht nur ein kulinarisches gehören dazu. und wo Würste Traumpaar wie Tomaten und sind, muss auch Senf sein. Es Basilikum oder Kalbsleberli gibt Leute, die nehmen sogar und Majoran, sie gehören zur Blutwurst Senf. Manche noch aus einem ganz anderen mögen das scheusslich finden, Grund zusammen: Senf hilft aber von Regeln beim Essen verdauen. Denn Senfkörner halte ich wenig. Essen, übrienthalten Senföl. und dort gens auch Kochen, hat mehr hat es ein paar tüchtige Stoffe mit lustvoller neugier zu tun drin, die unsere Produktion als mit Vorschriften. Das gilt BRaTWuRST unD SEnF von Speichel, Magensäure auch für die flüssigen Begleiter der Metzgete. Bier? Weisswein? Rotwein? alles und Gallensaft anregen. und damit verbessert sich die ist möglich. Wir befinden uns ja nicht am nachmittagstee Stärke- und Fettverdauung unseres innenlebens. ausserdem bei der Queen, sondern an einem Fest der Sinne. Vor- wird die Darmbewegung angekurbelt. Mit anderen Worten: schriften aber, wie man etwa ein Cucumbersandwich an- Fette und schwere Gerichte lassen sich besser verdauen, ständig isst, gehören zur Grundausrüstung. Diesbezüglich wenn man seinen Senf dazugibt. Mal ganz abgesehen davon, dass Senf an sich kaum bin ich sehr für Regeln. Zurück zum Senf. Wenn wir Mama beim Weih- Kalorien hat. Sagt meine schöne, schlanke Freundin nachtsguetzlibacken helfen mussten, gabs als Zwischen- begeistert: «Super, auf zur Senfdiät! Ob es ohne Wurst noch gang Senfbrötchen. Frisches Brot, hauchdünn mit Butter besser funktioniert?» Keine ahnung, liebe B., aber versuchs und dann etwas weniger dünn mit Senf bestrichen. Das doch mal mit Senfbutter. Da hast du gleich beides dabei: beste Gegenprogramm zu der ganzen süssen Backerei, die das Fett und den abbau. und vor allem den Genuss! _ man absolvieren musste. noch heute packt mich, kaum habe ich etwas Süsses gegessen, die unbezähmbare Lust auf Das Rezept für Senfbutter unter www.coop.ch/verde. Fragen an unsere Kolumnistin: [email protected] ein Senfbrötchen. illustration: Romy Blüemel 3/12 coop verde - 15 Cucina Hobbyköchin Zu Gast bei Rita Weber Sie kochen nicht nur leidenschaftlich vegetarisch, sondern leben auch in einer JeremiasGotthelf-Idylle: Rita und Reto Weber pflegen einen nachhaltigen Lebensstil. Text Obwohl mit einem gelben «Wanderweg»-Schild angeschrieben, ist der Aufstieg sehr kurz: Nach neun knarrenden Treppenstufen steht man vor der Wohnungstür von Rita und Reto Weber. Hier beginnt eine andere Zeitrechnung. Das idyllische Mini-Landhaus in Luzern, das ehemalige Gärtnerhäuschen der nebenan stehenden Villa, hat vier Zimmer und mutet an wie in einem Jeremias-Gotthelf-Film: Im Park stehen alte Bäume, die Tomatenstauden verströmen einen würzigen Duft, die Katze schnurrt auf einem Gartenstuhl und blinzelt ab und zu in die Sonne. Rita Weber empfängt uns in einer bunt gemusterten Kochschürze und strahlt. Die 34-Jährige ist Primarlehrerin an der Unterstufe in Horw, und sie sieht mit ihrer charmanten Zahnlücke und dem einnehmenden, herzhaften Lachen nicht nur so aus, als hätte sie sehr oft gute Laune, sie hat sie meist auch. Vor allem, wenn sie in der Küche hantieren kann, denn Kochen ist ihre Leidenschaft. Fotos Am Küchentisch, über dem eine alte Grauwiler-Uhr aus der Basler Manufaktur unüberhörbar tickt, erzählt sie, wie ihre Kochleidenschaft begann. Nicht nur in ihrem Elternhaus in der Nähe von Zürich war gutes Essen ein zentrales Thema, nach dem Lehrerseminar besuchte sie auch die Bäuerinnenschule im Kloster Fahr. «Schon damals kochten wir fortschrittlich», sagt sie, «also nicht einfach währschaft und kalorienreich, sondern ausgewogen, vollwertig und mitunter raffiniert.» Und bis heute befolgt sie intuitiv immer noch jene dort gelernte Rohkost-Regel: Rohe Gemüse immer am Schluss! So kippt sie den Natur-Yoghurt für ihre Gur kensuppe, die sie als Vorspeise ge wählt hat, zuerst in das Gefäss, würzt ihn und lässt, erst kurz bevor sie den Stabmixer zum Surren bringt, die grob geschnittenen Gurkenstücke darüber purzeln. Zwischen anregenden Gesprächen in der Küche führt uns Rita Weber in ihre Garage – hier stehen tat- sächlich zwölf Fahrräder! Für zwei Personen? «Wir bewegen uns in einem engen Radius», sagt sie und grinst, «da brauchen wir etwas Abwechslung bei den Transportmitteln.» Das ökologisch lebende Paar wandert viel, besitzt kein Auto und fliegt aus Prinzip nicht. Wenn immer möglich bereisen sie mit den öffentlichen Verkehrsmitteln die Schweiz. «Wir haben so viele schöne Flecken, das reicht uns doch wunderbar», sagt sie und kehrt in die Küche zurück mit ein paar Zwetschgen in der Hand. Vor ein paar Tagen habe sie zugesagt, erzählt Rita Weber, mit einer Freundin eine Woche lang in einer SAC-Hütte oberhalb des Maggiatals im Tessin zu kochen. Ihr Mann müsse dann unbedingt mitkommen, «weil ich doch nie abschmecke!» Im Ernst? «Ja, ich koche ganz aus dem Bauch heraus», sagt sie, lacht und drückt ihren Finger kurz in die Schüssel mit den Kichererbsen, die sie über Nacht im Wasser eingelegt hat. So spontan die Hausherrin auch ist, die vielen alternativen Rita Weber: Kochen aus Leidenschaft. 16 - coop verde 3/12 Cucina Hobbyköchin Hobbyköchin Cucina Bio-Rezepte für 4 Personen Kalte Gurkensuppe Ratatouille mit Vollkornreis 2 Salatgurken, geschält 500 g Joghurt nature 1 Knoblauchzehe, geschält 1/2 Zitrone Salz* Pfeffer 2–3 Dillzweiglein*, Spitzen abgezupft Garnitur: Borretschblüten** Handtuchhalter: aus Grossmutters Zeiten. Gurkensuppe Die Gurken in grobe Stücke schneiden. Einige Stücke für die Garnitur beiseitestellen. Gurkenstücke mit Joghurt pürieren. Knoblauch dazupressen. Zitronenschale fein dazureiben, Saft auspressen. Mit Zitronensaft, Salz, Pfeffer und 2/3 der Dillspitzen abschmecken. Zugedeckt 2 Std. kühlstellen. Zum Servieren Suppe in einem grossen Einmachglas anrichten, mit Borretschblüten und restlichen Dillspitzen garnieren. Dazu passt Knäckebrot oder Toast. Vor- und zubereiten ca. 10 Min. + ca. 2 Std. kühlstellen Gewürze: frisch aus dem eigenen Garten. Selbstverständlich Bio: Gemüse fürs Ratatouille. Bullerbü-Details im ganzen Haus – das gepunktete Tässchen, der patinierte Flussstein auf dem Küchentisch, die selbst gepflückten Blumen – verraten ihre Liebe zum Detail. Und die fliesst auch beim Kochen ein. Nachhaltigkeit ist ihr wichtig. Erste Priorität bei der Auswahl der Produkte hat die Regionalität. Auf dem Wochenmarkt an der Reuss in Luzern kauft sie Gemüse, Käse, Brot und Eier von den Bauern aus der Umgebung. «Die paar netten Worte, die man da wechselt, sind für 18 - coop verde 3/12 mich sehr wichtig beim Einkauf.» Das junge Paar lebt seit Jahren teilweise fleischlos. Und darum gehört das Ratatouille mit Vollkornreis, das als Hauptgang serviert wird, regelmässig auf den Speiseplan. Dann stellt Rita Weber einen Krug Sirup aus selbst gepflückten Holunderblüten auf den Blechtisch im Garten und serviert dazu ihren selbst gemachten, noch warmen Zwetschgenkuchen als Dessert. Mit Rahm und einem Schuss Zimt. Ganz genau so wie zu Grossmutters Zeiten. _ Peperoni: gewaschen und gerüstet. 150 g Kichererbsen, über Nacht in kaltem Wasser eingelegt 2 Zwiebeln, geschält 2 Knoblauchzehen, geschält Je 1 rote und gelbe Peperoni 1 Zucchini 1 grosse Aubergine 3 grosse Tomaten 1 EL Olivenöl 1 dl Weisswein oder leichter Rotwein 3 dl Gemüsebouillon Salz*, Pfeffer, Zimt, Paprika, wenig Chili* Frische Kräuter, z. B. Basilikum, Thymian, Petersilie 200 g Vollkornreis, ca. 1 Std. in kaltem Wasser eingeweicht Wenig Öl Ratatouille Kichererbsen abgiessen. Gemüse grob schneiden. Zwiebeln und Knoblauch in Olivenöl andünsten. Kichererbsen, Peperoni, Zucchini und Aubergine beifügen, mit dünsten. Tomaten dazugeben, mit Wein ab löschen und mit Bouillon aufgiessen. Bei kleiner Hitze zugedeckt 40 bis 50 Min. köcheln lassen. Ab und zu rühren. Mit Salz, Pfeffer und Gewürzen abschmecken. Chili darunter mischen, Kräuterblättchen dazugeben. Vollkornreis Reis abgiessen, im Dampfkoch topf mit wenig Wasser nach Anweisung auf der Packung zubereiten. Reis in geölte Tassen verteilen, als Köpfli auf den Teller stürzen, Ratatouille daneben anrichten. Dazu passen geröstete Pinienkerne und/oder frischer Ziegenkäse. Vor- und zubereiten ca. 1 Std. + über Nacht quellen lassen * Nicht im Bio-Angebot bei Coop erhältlich. ** Nur saisonal erhältlich. 3/12 coop verde - 19 Cucina Hobbyköchin Black Plum* Mamas Zwetschgenkuchen mit Zimtschnee Geza Zwetschgenkuchen Butter zum Einfetten * Baselb ieter Rötel i Cœur de Bœuf Zimtrahm Black Cherry 2 dl Rahm 1/2 TL gemahlener Zimt Für ein Blech von 24 cm ø Blech einfetten und Backofen auf 180 Grad vorheizen. Zwetschgenkuchen: süsse Versuchung. Orang e à gros Fruits Zwetschgenkuchen Butter gut verrühren, bis sich Spitzen bilden. Zucker, Salz und Eier beifügen, kräftig rühren, bis die Masse hell und luftig wird. Zitronenschale fein dazu reiben. 2 TL Zitronensaft dazugeben, umrühren. Mehl und Backpulver mischen, dazusieben und rasch darunterheben. Teig ins vorbereitete Blech geben. Zwetschgenhälften senkrecht in den Teig setzen, mit Mandelblättchen be streuen. In der unteren Hälfte des vorgeheizten Ofens ca. 40 Min. backen. Herausnehmen, auskühlen lassen. Zimtrahm Kurz vor dem Servieren Rahm mit Zimt steif schlagen. Vor- und zubereiten ca. 20 Min. + ca. 40 Min. backen Green Zebra* Coop belegte 2011 den 1. Platz im oekom Corporate Rating der Einzelhändler. Für Generationen, die uns erhalten bleiben. ProSpecieRara fördert den Anbau traditioneller Kulturpflanzen in der Schweiz. Entdecken Sie den ursprünglichen Geschmack einheimischer Obst- und Gemüsesorten. Saisonal in zahlreichen Coop-Verkaufsstellen oder auf www.coop.ch/prospecierara Kater Milosch: immer auf dem Sprung. 20 - coop verde 3/12 * Nicht im Bio-Angebot bei Coop erhältlich. ** Nur saisonal erhältlich. Nur als Saatgut oder Setzling erhältlich. Cherry gelb* * 100 g Butter, weich 100 g Zucker 1 Prise Salz* 2 grosse Eier 1 Zitrone 130 g Mehl 1/2 TL Backpulver* 500 g Zwetschgen**, halbiert, entsteint 2 EL Mandelblättchen* hnte Tomate Für alte Sorten, neu entdeckt. Bio-Trockenfleisch VITA die Trockenfleisch-gang die Firma albert Spiess in Schiers stellt exklusiv für coop traditionelle bündner Trockenfleisch- und rohwurstspezialitäten in bio-Qualität her – mit jahrzehntelangem know-how und nach wie vor mit viel handarbeit. Text Fotos 3/12 coop verde - 23 vita Bio-Trockenfleisch Der Tradition der Zubereitung hält man die Treue. Rohschinken: saftiges Muskelfleisch vom Schwein. 24 - coop verde 3/12 Der Bündner Bergluft werden besondere Eigenschaften zugeschrieben. Marcel Proust war «hingerissen von ihrer Kraft», Richard Strauss kam sie vor «wie französischer Champagner», dank ihr haben nebst dem Dichter und dem Komponisten ab Mitte des 19. Jahrhunderts Heerscharen von Kurgästen Erholung gefunden. Speziell gut bekommt das erfrischende Sauerstoffelixier jedoch rohem Tierfleisch: Es macht es haltbar – für Bauern einst eine überlebensnotwendige Konservierungsmethode – und verleiht ihm eine unnachahmliche Note. Der würzige Duft getrockneten Fleisches ist das erste, was Besucher wahrnehmen, noch bevor sie die Fabrikationsräume bei Albert Spiess in Schiers im vorderen Prättigau betreten. Die ehemalige Dorfmetzgerei, 1906 gegründet und nach und nach zu einem Betrieb mit 200 Mitarbeitenden angewachsen, stellt heute Bündner Trockenfleisch und Dauerwürste für die ganze Schweiz und den Export her. Der Tradition der Zubereitung hält man dabei die Treue. Eigens für das Coop Naturaplan-Sortiment setzt die Firma sogar auf biologisch erzeugte Rohstoffe. Die Produktionsbesichtigung an der Seite von Willi Schoch, dem Chef der Qualitätssicherung, beginnt in den Kühlkammern. Kalt ist es hier, auch der Mantel, die Haube und die Schuhüberzieher, mit denen Gäste aus hygienischen Gründen ausgestattet werden, verhindern nicht, dass sie hier frösteln. Die tiefen Temperaturen sind nötig, damit die ansehnlichen Fleischbrocken nach der Anlieferung bis zu ihrer Verarbeitung frisch bleiben. Schinken und Speckseiten warten in grossen Bottichen auf ihr Pökelbad in einem geheimen Salz-Gewürz-Mix. Mengenmässig wird ihnen jedoch der Rang von den Fischen abgelaufen. Fische? So werden im Fachjargon die mageren, dunkelroten Mus kelstücke vom Rind genannt, die in der Küche etwa für «suure Mocke» verwendet werden, klärt Willi Schoch auf. Sie geben das schönste Bündnerfleisch ab. Und Bündnerfleisch, das heute Markenschutz geniesst, wird von allen Bündner Fleischspezialitäten am meisten nachgefragt. Auch bei Albert Spiess. 150 Tonnen Fleisch insgesamt werden in der Firma pro Woche verarbeitet, 4 Tonnen davon stammen von auf Schweizer Bio-Bauernhöfen aufgezogenen Tieren und sind exklusiv für die Bio-Produkte von Coop reserviert. Das ist vergleichsweise wenig, «aber ein Erfolg, wenn man bedenkt, wie viel bescheidener wir mit Bio angefangen haben», erklärt Willi Schoch. ViTa Bio-Trockenfleisch Statistik bündner Fleischspezialitäten herzustellen, ist nicht nur handwerk, sondern auch kunst. als Coop im Jahr 2000 mit dem Wunsch nach Trockenfleisch und Dauerwürsten in Bio-Qualität an die Firma albert Spiess herangetreten sei, habe sich diese nämlich zuerst ein netz mit entsprechenden Lieferanten aufbauen müssen, erzählt er auf dem Weg in die Produktion. in einem riesigen Mixer lässt dort ein Mitarbeiter das Brät für Trockenwurst rotieren. Früh am Morgen kommt das Gerät mitunter auch für die Bio-Salsiccette zum Einsatz – eine für Coop entwickelte Variante des Bündner Salsiz in zeigfingergrossem Snack-Format. Sie wird leicht geräuchert und dann ein, zwei Wochen luftgetrocknet. Der Zeitpunkt für ihre Grundherstellung wird bewusst auf den Tagesbeginn gesetzt: Dann ist alles absolut sauber gereinigt, auch die Wurstabfüllanlage. Keine Rückstände von konventionell hergestellten Rohstoffen können in die biologischen Produkte geraten. Für diese Trennung gibt es strenge Regeln; sie umzusetzen, ist mit beträchtlicher Logistik verbunden. Was den Laien mehr beeindruckt: Trotz Maschinen erfolgen bei albert Spiess viele arbeitsschritte noch von Hand. insbesondere bei Bündnerfleisch und Rohschinken. Die anfänglich bis zu 5 Kilo schweren Stücke werden nach dem Einsalzen in einer Chromstahltrommel und drei- wöchigem «Schmoren» in der Eigenlauge für ein paar Tage in die warme Schwitzkammer gehängt, dann in den Transporter gehievt und in die Trocknerei nach Churwalden chauffiert, wo sie während zwei Monaten knapp die Hälfte ihres Gewichts verlieren und zum Endprodukt reifen. Ein Vorgang, der zusätzlich tatkräftige unterstützung erfordert, wie die letzte Station auf der Besichtigungstour zeigt. in Willi Schochs auto dauert die Fahrt von Schiers nach Churwalden vierzig Minuten. Das Walserdorf liegt auf 1200 Metern, 400 Meter höher als die Minimalgrenze, die für die Trocknung von Bündnerfleisch auf Bündner Kantonsgebiet nördlich des alpenkamms gilt. Die Luftfeuchtigkeit ist hier oben gering, durchs Tal weht gerne ein kühler Wind. Das sind ideale Bedingungen – auch für die Energieeffizienz. Denn sie verhindern, dass die aussenluft ständig technisch getrocknet und auf 14 bis 16 Grad klimatisiert werden muss, bevor sie in die Reifekammern geleitet wird. Handarbeit: Einlegen von Rohschinken in Schale. VITA 80 kg gras pro Tag = 20 l bio-milch* Die sieben Mitarbeiter, die dort zum Rechten schauen, brauchen dagegen viel Power: Jedes der unzähligen Prachtstücke, die mit dem Edelschimmel auf ihrer Oberfläche einen herrlichen Duft entwickeln, muss viermal von seinem Hängeplatz an einer langen Holzstange heruntergenommen und in eine schwere Plattenpresse gesteckt werden. Durch das Quetschen verteilt sich das noch im Fleischkern enthaltene Wasser Richtung Rand – als nebeneffekt gewinnt das Bündnerfleisch seine typisch rechteckige Form. Wer, begeistert von so viel insiderinformation, nun auch noch wissen will, in welchen Zeitabständen dem Trocknungsprozess mit Druck nachgeholfen werden muss, geht leider leer aus. «Je nach aussenklima früher oder später», sagt Willi Schoch und schmunzelt. «Das muss man im Gespür haben.» Bündner Fleischspezialitäten herzustellen, ist eben nicht nur Handwerk, sondern auch Kunst. _ Bio-trockenfleisch unD -Dauerwurst bei coop: Die Albert Spiess AG im bündnerischen Schiers begann vor 12 Jahren, exklusiv für Coop Trockenfleisch und Dauerwurst in Bio-Qualität herzustellen. Zum Sortiment, das sie heute für die Coop Bio-Marke NATURAPLAN liefert, zählen Spezialitäten wie Bündnerfleisch, Rohschinken, Rohess-Speck, Hobelfleisch im Heublumenmantel, die Eigenkreation Salsiccette, aber auch Salami und Swiss Beef Jerky. Mit Ausnahme von Salsiccette und Beef Jerky, die Snack-Grösse haben, sind alle Produkte für den Verzehr aufgeschnitten. * Quelle: bio Suisse 26 - coop verde 3/12 Foto: Christian Grund 3/12 coop verde - 27 FÜR DIE LIEBE ZUR NATUR Für ü übe über 1600 600 Bio-Produkte. o odu te. Coop Naturaplan Bio-Mini-Haselnussrollen, 240 g, 3.40 *Coop Naturaplan Bio-Wienerschnitzel, paniert, 2 Stk., per 100 g, 5.60 *Coop Naturaplan Bio-Rauchlachs mit Honig, 100 g, 9.80 Coop Naturaplan Bio-Tortelloni Appenzeller®, 250 g, 4.95 *Coop Naturaplan Bio-Quinoa Tricolore, 400 g, 4.50 *Coop Naturaplan Max Havelaar Bio-Cashews, 100 g, 3.20 *Coop Naturaplan Bio-Knäcke-Sticks Lauch/Karotte, 180 g, 4.40 *Coop Naturaplan Bio-Erdbeer-Joghurt, 240 g, 1.70 * Nur in grösseren Verkaufsstellen erhältlich. *Coop Naturaplan Bio-Blütenhonig, cremig, 500 g, 6.60 Coop Naturaplan Bio-Tomaten, getrocknet, 100 g, 4.00 *Coop Naturaplan Bio-Kokosnussmilch, 200 ml, 3.20 Coop Naturaplan Bio-Quinoa-Reisgetränk, natur, 1 l, 3.30 ViTa Leserforum ge Fun de n Tat-Sachen ➜ liebe leserin, lieber leser Haben Sie Fragen rund um das Thema Bio und Nachhaltigkeit? Dann schreiben Sie uns, und unsere Experten werden Ihnen antworten: [email protected] Mir fällt auf, dass bei Früchten und Gemüse viele Bio-Produkte verpackt sind, während konventionelle Produkte zum Teil offen erhältlich sind. Das erscheint mir widersprüchlich, weil ja Verpackungsmaterial nicht besonders ökologisch ist. Wieso verzichtet man nicht darauf? othmar Signer – Lugano EINES DER LIEBLINGSBIO-RESTAURANTS UNSERER LESER: DAS «RUBINO» IN BASEL Wir sind überwältigt von der Flut der Zuschriften auf unseren Wettbewerb im Verde 1/12. Gewonnen hat das Restaurant Rubino in Basel. Das Team um Quereinsteiger Beat Rubitschung und Küchenchefin Manuela Buser hat es in vier Jahren geschafft, das «Rubino» zu einem Highlight der Basler Gastronomie zu machen. Dass die Gerichte regional, saisonal und wenn immer möglich Bio sind, ist umso erfreulicher. auch der klare, schlichte Einrichtungsstil gefällt der Jury. Wir gratulieren den Gewinnern Dunja Fistarol, Hildegard Lang und Thomas Maurer. in der nächsten ausgabe stellen wir das «Rubino» detailliert vor. 30 - coop verde 3/12 Foto: Christian Grund Sie haben recht, Bio-Früchte und -Gemüse sind häufiger verpackt als konventionelle. Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen ist Coop gesetzlich verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Bio-Produkte nicht mit konventionellen verwechselt werden können. auch dann, wenn ein konventionelles Produkt aus Versehen in den Korb mit den Bio-Produkten gelegt wird. Oftmals hilft es schon, bestimmte Waren mit einem aufkleber der Knospe von Bio Suisse zu kennzeichnen. Es gibt aber Produkte, wo das nicht funktioniert. Diese sind dann verpackt. Verpackungen haben auch den Vorteil, dass sie den inhalt besser schützen, zum Beispiel vor dem austrocknen. Solche Produkte sind länger frisch und müssen weniger weggeworfen werden, was letztlich nachhaltiger ist. Dennoch überprüft Coop regelmässig die Verpackungspraxis und optimiert sie, wo es möglich ist. Beispielsweise durch den Einsatz von ökologischen Materialien. Freundliche Grüsse: ihr Verde-Team TaT-SaCHE 01 – ÖKO-HOTEL ViTa TaT-SaCHE 02 – ÖKO-ROBOTER hochflieger Wer selbst auf dem Berg nicht auf eine nachhaltige Lebensweise verzichten möchte, wird im Oberengadin fündig. Dort, auf 2456 Metern über Meer, wurde das Hotel Muottas Muragl so renoviert, dass es nach dem umbau zum ersten Plusenergie-Hotel des alpenraums avancierte. Das Gebäude ist Minergie-zertifiziert und speist seine Energie aus diversen regenerativen Quellen: Warmwasser wird über Röhrenkollektoren in den Fenstern erzeugt, 16 Erdsonden sorgen für die Beheizung, und Photovoltaikanlagen liefern den elektrischen Strom. Zudem nutzen die technischen Geräte neben der normalen abwärme auch die Wärmerückgewinnung aus der abluft. alle Massnahmen gemeinsam sorgen dafür, dass mehr Energie erzeugt als verbraucht wird. | www.muottasmuragl.ch | biobrennstoffzelle Wissenschaftliche Erkenntnisse führen zu immer mehr Lösungen, bei denen organische Substanzen technisch eingesetzt werden können. neuester Coup: Mikroorganismen als Stromspeicher. Die Kleinstlebewesen der Gattung «geobacter sulfurreducens» haben nämlich gegenüber Lithium-ionen-akkus zwei entscheidende Vorteile: Sie verfügen über eine höhere Energiedichte und sie können sich selbst reproduzieren. Diese Erkenntnisse nutzen amerikanische Wissenschaftler des naval Research Laboratory der uS-Marine, um in einer neuartigen Bio-Brennstoffzelle Wasserstoff zu produzieren. Eingesetzt werden soll der Bio-antrieb in einem Roboter für die Weltraumforschung. | www.nrl.navy.mil | (Website in Englisch) illustrationen: Kate Slater, Svenja Plaas Text: Birgitta Willmann 3/12 coop verde - 31 Bio-Milch ViTa Warum in die Ferne schweifen? SIE SCHMECKT GUT, UND SIE KOMMT GUT AN: BIO-MILCH AUS REGIONALER PRODUKTION IST EIN RENNER. WIR HABEN UNS DORT UMGESCHAUT, WO DIE SCHWEIZ AM SCHÖNSTEN IST. Milchtanse: bereit zum abholen. appenzeller Kuh: Lieferantin von Bio-Milch. Text Bei appenzell: sanft geschwungene Landschaft. Fotos Es ist zehn nach sieben, und soeben hat sich der vorbeikommen. «Es ist den Leuten immer wichtiger zu Milchtransporter wieder talabwärts auf den Weg ge- wissen, woher die Dinge kommen, die sie essen, und wie macht. Der Hof von Patrick Philipona liegt auf einem sie hergestellt werden.» Hügelrücken, hoch über dem Dorf Marsens im GreyDer glänzende Zisternenlastwagen mit der Milch erzerland. atemberaubend, dieses Stück Postkarten- von Philiponas Kühen hat mittlerweile auch bei Gabriel Schweiz in der Morgensonne! Wenn der Bauer von der Tercier und Patrick Privet in Sorens Station gemacht. arbeit im Melkstand aufWenn er gegen zehn uhr vor WAS ZÄHLT, IST DIE EMOTIONALE blickt, sieht er auf eine Reihe den Toren des MilchverarVERBUNDENHEIT MIT DEN PRODUKTEN. von Eschen am nahen Bachbeiters Milco vorfährt, wird lauf und dahinter auf die Freier auf seiner Tour die Tagesburger Voralpen. in ihrer Mitte leuchtet der schneebe- produktion von 14 Bio-Höfen eingesammelt haben. Dem deckte Vanil noir, der höchste Gipfel des Kantons. gesichtslosen Gewerbebau in Vuisternens-en-Ogoz ist Patrick Philipona und sein Vater Charles bewirt- nicht anzusehen, was hier produziert wird. Doch die schaften einen stattlichen Hof: 53 Hektaren, 60 Kühe, Greyerzer Firma Milco ist eine eigentliche Pionierin in viel Grasland, etwas Mais und Weizen als zusätzliches der Herstellung von regionalen Spezialitäten und BioFutter für die Tiere. auf dem Pras de Barras wird Milch Produkten. «Wir waren 1989 der erste abnehmer von produziert, und zwar seit neuestem biologisch. «ich hätte Bio-Milch in der ganzen Romandie», erzählt Jacques eigentlich schon viel früher umstellen sollen», meint Ropraz, der Patron des Betriebs mit 25 Mitarbeitern. Patrick Philipona, «denn die Zukunft liegt eindeutig bei Zusammen mit seinem Bruder Eric führt er das Bio-Lebensmitteln.» Zu dieser Überzeugung gelangt ist unternehmen in dritter Generation. Philipona nicht zuletzt durch Gespräche mit den vielen Mit Erfolg, denn Milco weiss seine Standortvor3/12 coop - 33 Spaziergängern, die am Wochenende an seinem Hof teile geschickt zu nutzen. «Die Milchprodukte ausverde unserer naturidylle: bei Häfelfingen im Baselbiet. 3/12 coop verde - 33 Bio-Milch Kühe auf der Weide: bei urnäsch im appenzellerland. Wiesenlandschaft: bei Broc im Greyerzerland. Schönes Baselbiet: bei Häfelfingen. Fleckvieh: bei Schönengrund im appenzellerland. ViTa Region verfügen über ein ausgezeichnetes image», sagt Laden fehlt, weil es in der Region keinen Hersteller gibt. Jacques Ropraz, «und die Herkunft der Produkte zählt noch gibt es Lücken. Zum Beispiel fehlt in den Regionen für die Konsumenten immer mehr.» Mit gutem Grund Zürich und Bern die regionale Bio-Butter. in der Region also zeigen die Labels auf den Milchflaschen, die in der Tessin gibt es leider noch gar keine regionale Bio-Milch. Lagerhalle zum abtransport ins Coop-Verteilzentrum von Fest verankert in ihrer Region, dem Seeland, ist aclens bereitstehen, eine stilisierte Schweizer Karte. «Je auch die Molkerei Zaugg. Weil es dem Bieler Traditionsviens d’ici» steht darauf, und ein Pfeil betrieb mitten in der Stadt zu eng zeigt auf das Greyerzerland. aus der wurde, zog er 2005 in eine Käserei aufs Bio-Milch, die Milco von den Bauern Land. Mit grossen gotischen Lettern rund um den Mont Gibloux bezieht, ist das eindrucksvolle Gebäude am entstehen übrigens auch Rahm, Käse – Käsereiplatz 1 in Diessbach bei Büren und Butter. Zwei ganze Tage dauert angeschrieben. Gekäst wird hier zwar es, bis aus dem Rahm die gold farnicht mehr, aber köstliche Milch bene, crèmige Masse entstanden ist, aufbereitet und daraus leckere Joghurts die uns Jacques Ropraz stolz zeigt. hergestellt. Die Milch stammt von noch liegt sie in einem drehbaren Bio-Höfen vom Buechibärg zwischen Stahltank – einer art überdimensioSolothurn und Lyss – einer der letzten nertem Butterfass, wie wir es aus dem naturnahen Kulturlandschaften im Heimatmuseum kennen. Schweizer Mittelland. Regionale Milchverarbeiter wie Hanspeter Zaugg und seine Milco – eine art Mittelding zwischen vier Mitarbeiter gehen mit der Milch der klassischen Dorfkäserei und der Weitblick: bewusst schonend um. «Wir standarindustriellen Herstellung – gibt es in bei Corbières im Greyerzerland. disieren sie nicht», erklärt Zaugg, «je der ganzen Schweiz. und auf sie baut nach dem Futter der Kühe unterCoop beim angebot «Regionale Bio-Milch». Das Konzept: scheidet sich der Fettgehalt der Milch und damit ihr Die Kundschaft soll die Milch möglichst aus der nähe Geschmack.» und das merken die Kunden. «ich werde beziehen können. «So können wir die Transportwege immer wieder gefragt, weshalb unsere Milch so unvererheblich reduzieren», sagt Daniel Giger, Milch-Einkäufer wechselbar schmecke», freut sich Hanspeter Zaugg. nur bei Coop. «Vor allem aber kommen wir einem Kunden- eine Sorge treibt den Molkereibesitzer mit seinen Biobedürfnis entgegen: Die Konsumenten schätzen Produkte Regio-Produkten um: Woher genügend Früchte für seine aus ihrer Region, weil sie einen näheren Bezug dazu haben.» Joghurts auftreiben? Denn selbstverständlich müssen auch Zu diesem Befund kommt auch eine Studie des die Früchte aus der umgebung stammen. Kernobst- und Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) in Erdbeerlieferanten hat Zaugg mittlerweile gefunden, und Frick. Sie zeigt, welche Kriterien beim Kaufentscheid von im Herbst wird neu auch ein Seeländer Bio-KirschenBio-Milch ausschlaggebend sind. an erster Stelle steht Joghurt eingeführt. _ die umweltverträgliche Herstellung, dann aber folgt bereits die geografische Herkunft. Wichtig ist den Konsumenten Bio aus der region bei Coop: auch, dass sie beim Einkaufen Bauern und Produzenten Coop bietet Milchprodukte,Früchte und Gemüse direkt aus der Region unterstützen. Kurz: Was zählt, ist die aus der Region der jeweiligen Filialen an. Das ausnahmslos emotionale Verbundenheit mit den Produkten. Bio Suisse zertifizierte Sortiment ist auf über 130 Milchprodukte angewachsen. Bei Früchten und Gemüse werden je nach Coop hat die Schweiz in 13 Milch-Regionen Region zwischen 20 und 40 Produkte angeboten. Mit diesem Engaaufgeteilt – von Graubünden über das Züribiet, Rigi und gement trägt Coop dazu bei, dass auch Kleinproduzenten napf bis zum Greyerzerland. und dabei ist klar: «Regional einen Absatzkanal finden und die Wertschöpfung in der bedeutet für uns, wo immer es geht, auch Bio», wie Daniel jeweiligen Region bleibt. Dadurch sind die Transportwege Giger unterstreicht, «und zwar konsequent!» Das kann dann kurz, was ökologisch sinnvoll ist. schon mal bedeuten, dass ein Bio-Regio-Milchprodukt im 3/12 coop verde - 35 vita Interview «Durch den Kauf von alltäglichen Bio-Produkten erreicht man enorm viel.» Nicht kleckern, sondern klotzen: Michael Bilharz, Sozialwissenschaftler und Autor, schlägt einen nachhaltigen Konsum vor, bei dem nicht Verzicht an oberster Stelle steht. Text Herr Bilharz, Ihrer Meinung nach ist es schon heute realistisch, dass wir unseren Prokopf-CO2-Verbrauch von über 11 Tonnen auf 1 Tonne pro Jahr reduzieren. Das geht doch nicht, oder ? Ja und nein. Ein Lebensstil mit 1 Tonne CO2 funktioniert heute in der Schweiz nicht. Das wäre ein radikaler Ausstieg aus der Gesellschaft. Allein unsere Infrastruktur frisst ja bereits rund 1 Tonne im Jahr, die Ernährung noch einmal 1,5 bis 2 Tonnen. Selbst Vorzeige-Ökos liegen «noch» bei rund 6 Tonnen CO2-Ver brauch im Jahr. Ja und nein? Was heisst das, geht es doch? Da ist natürlich ein Trick dahinter. Klimapolitisch ist es egal, wo das CO2 eingespart wird, wichtig ist, dass die Gesamtemission zurückgeht. Als einzelner Mensch kann ich zwar Massnahmen ergreifen, indem ich mein Auto bewusster einsetze oder mein Haus wärmedämme. Was aber oft vergessen wird und meist viel mehr bringt, sind CO2-Einsparungen bei anderen Dingen. Ich rede da von 36 - coop verde 3/12 Foto Kompensationszahlungen, von Inves titionen in erneuerbare Energien, ich rede über politisches Engagement, und dazu gehört auch die CO2-Einsparung in grossen industriellen Be trieben. Da sind CO2-Einsparungen von 10 Tonnen und mehr schon heute relativ einfach möglich. Sie sind also dafür, dass man nicht kleckert, sondern klotzt? Genau. Ich unterscheide zwischen Peanuts, also kleinen Massnahmen, die sich theoretisch leicht im Alltag umsetzen lassen, und Big Points. Zu den Peanuts gehören etwa Licht ausschalten, weniger Auto fahren oder die Heizung nicht zu hoch drehen. Gute Sachen, die aber in der Realität nur wenig CO2-Reduktion bringen. Dagegen stehen die Big Points, also Massnahmen, die wirklich greifen und um ein Vielfaches CO2-Reduktionen herbeiführen. Hier reden wir über Flugreisen, Automobilität, die Grösse der Automobilität, die Grösse der Wohnung, aber auch über Dämmstandard oder Ernährungsverhalten. Wenn Sie diese Big Points anschauen, dann hat das in einigen Punkten mit Verzicht zu tun. Und ich glaube nicht daran, dass die Leute verzichten wollen. Was schlagen Sie vor ? Mein Ansatz setzt nicht auf Verzicht. Im Winter keine Erdbeeren zu kaufen, kein Auto zu fahren und nicht mehr mit dem Flugzeug zu verreisen, ist sicher sinnvoll – aber in unserer heutigen Gesellschaft als Massstab für alle nicht durchsetzbar. Wer das fordert, bleibt ein Prediger in der Wüste. Ich setze auf etwas anderes, nämlich auf die Massnahmen, die sofort und schmerzfrei greifbar und realisierbar sind. Ich nenne das die Key Points des nachhaltigen Konsums. Also die Massnahmen, die wirklich greifen. Und wo finden wir die? Die finden wir unter den Big Points. Es sind aber solche, die nicht mit Verzicht assoziiert werden. Solche, die Trendcharakter haben und auf breite Akzeptanz stossen. Dann reden wir von erneuerbaren Energien, wir reden über Wärme dämmung, über Bio-Lebensmittel, Carsharing oder über energie effiziente Autos. Spezialist für nachhaltigen Konsum: Michael Bilharz. ViTa Interview ihr ansatz ist ausserordentlich pragmatisch. im Prinzip ist das betriebswirtschaftliches, strategisches Denken. ich habe an der Hochschule St. Gallen Betriebswirtschaft studiert. Wenn ich etwas erreichen möchte, muss ich die Kräfte nutzen, die ich habe. und ich muss schauen, wo ich Bar rieren aufbrechen kann. Der Bereich erneuerbare Energien zum Beispiel ist deswegen interessant, weil ich als Kleinanleger in Wind- und Solaranlagen investieren kann. Eine boomende, finanziell attraktive Branche. und plötzlich finden sich ganz neue, kreative Wettbewerber in dieser verkrusteten Branche mit den fossilatomaren Dinosauriertechnologien. das klingt fast, als wollten Sie die leute mit profit ködern. Warum nicht? auch der Windanlagenhersteller will Geld verdienen, auch die Solarindustrie will Geld verdienen, das ist inzwischen Big Business. indem ich nun als Konsument mein Geld in diese Branche investiere, mache ich zugleich etwas für den Klimaschutz und bin – ohne es zu merken – Teil des gesellschaftlichen Wandels. Für diesen 38 - coop verde 3/12 schleichenden, politischen Prozess braucht es erst einmal gar nicht die breite, sondern nur eine kleine, aber kritische Masse. Sie rennen offene Türen ein? Ja – ich suche die offenen Türen, ich benenne sie. Wir können versuchen, mit dem Kopf durch die Wand zu gehen und die Leute zu etwas zwingen zu wollen wie die Grünen damals in Deutschland mit ihrem Vorschlag, 5 Mark pro Liter Benzin zu verlangen. Mit solchen Sachen scheitert man grandios. Was wir aber machen können, ist die offenen Türen suchen. Die Leute sollen uns nachfolgen und neugierig werden. gibt es auch einen bereich, in dem dieser Weg nicht möglich ist ? Ja, wo man sich etwas überlegen muss, ist zum Beispiel beim Fleischkonsum; dort müssen wir auch über eine Reduktion nachdenken. und wie steht es mit dem konsum von bio-lebensmitteln generell? Das ist doch ein sehr positives, leicht umzusetzendes Beispiel. Mit dem Kauf von Bio-Produkten erreichen Sie nur schon mit dem, was Sie ohnehin kaufen müssen, enorm viel. Sie stärken zum Beispiel eine neue agrarlobby. Die agrarpolitik ist ja in jedem Land das Verfilzteste, was es gibt. Durch den Bio-Konsum kommen plötzlich neue akteure auf den Plan. und es hat ganz direkte auswirkungen auf die umwelt: weniger Kunstdünger, weniger verschmutztes Wasser durch weniger Pestizide und eine bessere Tierhaltung. und es ist so einfach – man muss beim Kauf nur auf ein kleines Label achten, das ist alles. ist die gesellschaft reif für diese Form der eigenverantwortung? Das Tolle an meinem ansatz ist, dass ich gelassen bleiben kann. ich muss mich nicht verausgaben, wenn manche Leute immer noch ihre Wäsche bei 95 Grad waschen und mit dem auto zum Briefkasten fahren. Das sind Peanuts, über die ich nicht streiten muss. Wenn wir Veränderungen erreichen wollen, müssen wir bei den grossen Dingen mit Herzblut an die Sache gehen. Leuten mit einem hohen Einkommen sage ich: «Mensch, du hast dein Geld immer noch bei den Grossunternehmen und -banken liegen, warum investierst du nicht einmal in einen nachhaltigkeitsfond? Warum keine Direktinvestition in Windenergie? Das ist eine vernünftige Rendite und zugleich eine gute Sache für den Klimaschutz.» Da lohnt es sich zu diskutieren. _ Michael Bilharz, geboren 1972, hat mit seinem Buch «Key Points nachhaltigen Konsums» Aufsehen erregt. Sein Motto lautet: «Von Peanuts über Big Points hin zu Key Points nachhaltigen Konsums.» Der promovierte Wissenschaftler hat Pädagogik, Soziologie und Sozialwissenschaft unter anderem an der Technischen Universität München und der HSG St. Gallen studiert und war für diverse Forschungsprojekte zu nach- haltigkeitsKommunikation und nachhalTIgem Konsum verantwortlich. Seit 2008 arbeitet er für das deutsche Bundesumweltamt in Dessau, mit Schwerpunkt auf Verbraucher- aktivierung und Förderung nachhaltigen Konsums. Coop Verde American Express®, issued by Credit Suisse AG, processing services provided by Swisscard AECS AG. Sie glauben wirklich, dass die leute weniger auto fahren wollen? nein, die Leute wollen nicht weniger auto fahren. aber deshalb sage ich ja Carsharing. Denn wer einmal die Vorteile des Carsharings erfahren hat, wird sehr schnell merken, wie angenehm das ist. Man hat immer ein auto zur Verfügung, muss sich aber nicht selbst darum kümmern. und plötzlich fährt man tatsächlich weniger auto, weil Carsharing zu einer ver nünftigeren Verkehrsmittelwahl führt. Verdecard: nachhaltige Kreditkarte und Supercard in einem. – Mit der Verdecard weltweit bargeldlos bezahlen. – Bei Coop und den Supercard Partnerfirmen Superpunkte sammeln. – 0,5% des Kartenumsatzes* fliessen direkt in zwei nachhaltige Projekte des WWF – ohne zusätzliche Kosten für den Karteninhaber. – Die Jahresgebühr von Fr. 69.– ist mit Superpunkten bezahlbar. Kartenanträge und weitere Informationen erhalten Sie bei Coop und unter www.coop.ch/verdecard * Ausgenommen Gebühren, Zinsen, Bargeldbezüge, Rückbelastungen und Ausstände. Naturaline linke Seite: er: naTuraline cordhoSe dunkelgrau 98% bio-baumwolle und 2% elasthan 89.90 naTuraline ShirT langarm zimt 100% bio-baumwolle 49.90 naTuraline karohemd 100% bio-baumwolle 69.90 MODE Sie: naTuraline STrickpullover dunkelrot meliert 100% bio-baumwolle 99.00 naTuraline cordhoSe dunkelrot 98% bio-baumwolle und 2% elasthan 89.90 naTuraline ShirT langarm hellrosé 100% bio-baumwolle 39.90 naTuraline ShirT langarm dunkelrosé 100% bio-baumwolle 39.90 naTuraline STrickpullover weinrot 100% bio-baumwolle 99.00 unzertrennlich cord, STrick- und karoS in Warmen roT- und braunTÖnen bilden in dieSem naTuraline modeherbST eine innige verbindung. Fotos Styling 3/12 coop verde - 41 MODE Naturaline er: naTuraline ShirT langarm beige 100% bio-baumwolle 49.90 naTuraline JeanShoSe denim 100% bio-baumwolle 89.90 naTuraline STrickJacke braun 100% bio-baumwolle 89.90 Naturaline MODE Sie: naTuraline herrenhemd kariert 100% bio-baumwolle 69.90 naTuraline long-pullover dunkelrot 100% bio-baumwolle 119.00 Sie: naTuraline cordhoSe hellbraun 98% bio-baumwolle und 2% elasthan 89.90 naTuraline ShirT langarm sand 100% bio-baumwolle 39.90 naTuraline bluSe kariert 100% bio-baumwolle 79.90 naTuraline STrickJacke dunkelrot 100% bio-baumwolle 99.00 naTuraline STrickJacke grau 100% bio-baumwolle 99.00 er: naTuraline karohemd 100% bio-baumwolle 69.90 naTuraline T-ShirT zimt 100% bio-baumwolle 39.90 naTuraline SWeaTJacke grau 100% bio-baumwolle 89.90 naTuraline chinohoSe beige 98% bio-baumwolle und 2% elasthan 79.90 naTuraline Schal kariert 100% bio-baumwolle 59.90 3/12 coop verde - 43 naTuraline ShirT langarm beige 100% bio-baumwolle 49.90 naTuraline karohemd 100% bio-baumwolle 69.90 naTuraline chinohoSe navy 98% bio-baumwolle und 2% elasthan 79.90 naTuraline Schalkragen-pullover dunkelrot 100% bio-baumwolle 119.00 44 - coop verde 3/12 Model: Tas/Modelwerk Hamburg und Helge Vonderau/Place Models Hamburg Hair & Make-up: Tanya Koch Foto-assistant: Cyrill Matter Produktion: Vera Schmid alle beschriebenen Textilien gibt es bei Coop City. MODE Naturaline Coop belegte 2011 den 1. Platz im oekom Corporate Rating der Einzelhändler. Für den Nachwuchs. Coop präsentiert die erste FSC-zertifizierte rte Windel der Schweiz. Ihr Zellstoff stammt aus us garantiert vorbildlicher Waldwirtschaft. t. Sie ist chlorfrei gebleicht und belastet die e Umwelt 30% weniger als herkömmliche Windeln. Doch nicht nur die Umwelt, sondern auch Ihr Kind freut sich darüber: Die Windel bietet höchsten Tragekomfort, ist atmungsaktiv und besitzt einen f weichen, leistungsfähigen Saugkern. Die w neue Coop Oecoplan Windel ist jetzt in ne Coop City Warenhäusern und grösseren Co Coop Supermärkten erhältlich. Weitere Co Infos: www.coop.ch/oecoplan Info Meine Welt Noppa Helbling (36) CEO, Noppa AG, Rüti Cardigan 79.90 Text «Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich einmal eine so erfolgreiche Tofu-Fabrikantin würde. Mein Leben ist alles andere als geradlinig verlaufen und eine Folge der chinesischen Kulturrevolution. Als drittes Kind war ich unerwünscht, und so kam ich mit acht Jahren zu meiner thailändischen Oma nach Bangkok. Also spreche ich neben Chinesisch auch Thai. Später habe ich in der Werbung gearbeitet, frühmorgens Sojamilch verkauft und auch meine Grossmutter gepflegt. In Indien habe ich dann meinen Mann Jörg kennengelernt. Ich glaube, er hat sich im ersten Moment in mich verliebt. So kam ich in die Schweiz. Nach drei Monaten haben wir geheiratet. Ich fand einen Job in der Küche der Roten Fabrik in Zürich. So habe ich Jens Biering kennengelernt, der damals die Tofurei am Pfannenstiel besass und die Rote Fabrik belieferte. Irgendwann hatte er genug und suchte einen Käufer für sein kleines Unternehmen. Aber er fand niemanden. ‹Frag doch einen Chinesen›, sagten seine Freunde, ‹der versteht mehr davon.› Ich besuchte ihn in der Tofurei, und sofort erinnerte ich mich an meine Zeit als Sojamilchverkäuferin. Wieso eigentlich nicht, dachte ich. Das Geld hatte ich, ich bin ein sparsamer Mensch, deswegen konnte ich die Tofurei kaufen. Am Anfang war es die reine Selbstausbeutung: Ich stand um Mitternacht auf und ging um 22 Uhr ins Bett. Ich machte alles selbst, vom Tofu bis zum Putzen danach. Es ist erstaunlich, was der Mensch aushält, wenn er ein Ziel hat. Jörg half beim Ausfahren und später beim Vakuumieren. Und langsam ging es aufwärts! Ich holte alte Kunden zurück und gewann neue durch meine Kundenanlässe, bei denen ich demonstrierte, was man mit Tofu alles machen kann. Die Leute waren begeistert! Inzwischen sind wir schon zweimal umgezogen, von den anfänglichen 100 Kilo Tofu haben wir uns auf 3 Tonnen pro Woche gesteigert. Wir beschäftigen heute 13 Mitarbeiter, und unsere Anlage ist topmodern. Natürlich kann auch Jörg nichts anderes mehr machen, er kümmert sich vorwiegend um die Buchhaltung. Das Tollste finde ich aber, dass wir ausnahmslos Schweizer Bio-Sojabohnen verarbeiten. Das ist einfach ökologischer, und so können wir sicher sein, dass unsere Produkte wirklich 100 Prozent Bio sind. Aus Tofu kann man fast alles machen: süss, sauer oder scharf. Experimentieren ist meine Leidenschaft, und so habe ich eine ganze Reihe von leckeren neuen Produkten kreiert: Tofu-Biosnacks oder Tofu-Wurst zum Beispiel. Einige unserer Produkte finden sich inzwischen sogar unter der Coop Marke Délicorn. Und ich stehe auch erst um 4 Uhr morgens auf. Trotzdem: Ich bin noch immer die Erste, die kommt, und die Letzte, die geht. Meine Philosophie heisst: Egal was du tust, tu es mit Herz. Und ich habe noch viel vor: Am liebsten würde ich der ganzen Welt meinen Tofu verkaufen.» _ Coop belegte 2011 den 1. Platz im oekom Corporate Rating der Einzelhändler. FÜR FASHION 46 - coop verde 3/12 Illustration: Isabelle Bühler, skizzenbuch.ch &FAIRNESS