Amerikanische Popkultur gilt in weiten Teilen des Nahen Ostens als

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Amerikanische Popkultur gilt in weiten Teilen des Nahen Ostens als
Die Karawane zieht weiter:
VJ Mohammed und Produzent
Wassim in der Wüste, die
gleich hinter dem Stadtrand
von Dubai beginnt
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VJ M O H A M M E D : A N Z U G , H E M D U N D K R A W A T T E V O N E T R O . S O N N E N B R I L L E : D O LC E & G A B B A N A . W A S S I M : J A C K E T T U N D F O U L A R D
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V O N Y V E S S A I N T L A U R E N T . H E M D V O N D O LC E & G A B B A N A . J E A N S V O N G I O R G I O A R M A N I . H U T : E T R O
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PIMP
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CAMEL
Amerikanische Popkultur gilt in weiten Teilen des
Nahen Ostens als Werk des Satans. Ausgerechnet
der Musiksender MTV will das jetzt ändern – mit
einem Programm von Arabern für Araber. Doch die
Eroberung der Wüste ist eine heikle Mission. Zu
Besuch bei den Rappern vom Persischen Golf
VON A N D R E A S ROS EN FEL D ER – FOTOS: DA RY L V I S S C H ER
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»WIR HABEN KEINE GANGSTER
UND KEINE GANGBANG-PARTYS,
DAS IST DAS PROBLEM«
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F R E D W R E C K : K A N D O U R A V O N C O L L E C T I O N 1 0 3 B Y U R B A N A R A B D E S I G N . C O M . S C H U H E : D O LC E & G A B B A N A . M A N S C H E T T E N K N Ö P F E : B O U C H E R O N . U H R : A S T O N R . A N H Ä N G E R M I T S C H L Ü S S E L : T H E O F E N N E L L .
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A N H Ä N G E R M I T R I T T E R M O T I V : G A R R A R D . R I N G : S E V A N . Q U S A I : K A N D O U R A V O N C O L L E C T I O N 1 0 3 B Y U R B A N A R A B D E S I G N . C O M . S C H U H E : D O LC E & G A B B A N A . K E T T E N : G A R R A R D . U H R U N D R I N G : B O U C H E R O N
Fredwreck und Qusai, die
Moderatoren der Show
„HipHopNa“, vor den
Baustellen von Dubai
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gewesen: Wenn sich zwei Stämme in der
Wüste trafen, stellten sich die Anführer
auf eine Düne und trugen den Zwist mit
Worten statt Waffen aus: „Mein Stamm
hat 40 schöne Frauen!“ – „Die Hälfte meiner Männer ist im Krieg gefallen!“
Fast scheint es, als sei der Pop zurückgekehrt zu seinen Wurzeln.
Dabei ist der Nahe Osten, was Subkulturen angeht, in weiten Teilen eine
Wüste. Das Publikum von MTV Arabia
sitzt nicht nur in den Oasen westlichen
Lebensstils, etwa Dubai und Beirut, sondern auch im vermeintlichen Schurkenstaat Syrien und im konservativen Königreich Saudi-Arabien, wo Musik in Lokalen
verboten ist, oder eben im krisengeschüttelten Irak. Amerikanisches Kulturgut ist in
diesen Gegenden nicht unbedingt populär – und die Leute lauschen weniger den
Worten von VJ Mohammed als denen des
Propheten gleichen Namens.
Und ist MTV nicht die Jukebox des großen Satans?
Am Rand des Großraumbüros von MTV
Arabia sitzt ein junger Mitarbeiter in Jeans
Schlagerfernsehen mit seinen süßlichen
Habibi-Songs gepflegt wird, entspricht sie
nicht. Dafür war Rasha die erste saudische
Rallyefahrerin – obwohl Frauen in ihrer
Heimat nicht hinters Lenkrad dürfen.
„Araber sind konservativ. Sie wollen
die Dinge nicht selbst in Bewegung bringen. Das sollen andere machen.“
MTV Arabia zum Beispiel. Das Misstrauen gegenüber dem Programm ist gering: Eine Marktforschung vor Sendebeginn ergab, dass Emirati MTV für eine
indische Erfindung halten. Inder sind die
größte Bevölkerungsgruppe in Dubai, sie
schauen MTV India. Die Wege der Globalisierung sind unergründlich.
Und doch ist die Eroberung der arabischen Welt eine heikle Mission – nicht in
erster Linie wegen der staatlichen Zensoren, die sogar im liberalen Dubai das
Programm überwachen. „In arabischen
Familien gibt es einen großen Fernseher
mit Flachbildschirm“, sagt Rasha. „Der
Vater beherrscht die Fernbedienung. Gefällt ihm ein Kanal nicht, blockiert er ihn
auf dem Decoder.“
»ALS MUSLIME MÜSSEN WIR
NACH MEKKA, ALS HIP-HOPPER
NACH NEW YORK«
und T-Shirt, der auf einem Computermonitor das Programm des Folgetags sichtet. Mit leichter Neugier schaut er zu, wie
eine blonde Frau ihren schwarzen SpitzenBH öffnet. Auf dem Papierformular zum
Video „Lovefool“ der Cardigans trägt er
links die Minutenzahl „1:45“ ein und in
der Mitte „Frau macht Oberkörper frei“.
In die rechte Spalte schreibt er eine Drei.
D
rei bedeutet: wegschneiden
und durch eine andere Stelle
desselben Clips ersetzen. Das
ist die schlechteste Lösung:
„Es ruiniert das Video!“ Aber
die Nacktszene war einfach zu lang. Beim
Po von Britney Spears im Video „Gimme
More“ genügt dagegen Pixeln. In die rechte Spalte schreibt der Zensor eine Zwei.
„Es gibt rote Linien, die man nicht überschreiten darf“, sagt Programmdirektorin
Rasha al-Emam. „Religion zum Beispiel
und Sexualität.“
Rasha ist 30, ein Kumpeltyp, kräftig
und schlagfertig. Dem ScheherazadeSchönheitsideal, das im arabischen
Ein Mitarbeiter fasst die Problematik – wir
sind immerhin in Arabien – in eine blumige Metapher: „Wenn du ein hübsches
Mädchen erobern willst, musst du auch
ihrer hässlichen Schwester gefallen.“
In den Büros von MTV Arabia sitzen
junge, gut aussehende Araber vor den
Rechnern. Sie stammen aus den Emiraten,
aus Saudi-Arabien, Jordanien oder Palästina. Auf einem Monitor flimmert ein
Lara-Croft-Bildschirmschoner, auf einem
anderen eine Facebook-Profilseite: 361
Freunde.
„Facebook ist unsere Religion“, sagt
Wassim, der Sendeformate entwickelt und
eine Baseballkappe zur traditionellen
Kandoura aus weißem Leinen trägt. Er
stammt aus dem Libanon, ist aber in London aufgewachsen. Dieses globale Nomadentum erscheint bei jungen Arabern
heute fast normaler als im alten Europa.
„Wir zielen auf smarte junge Leute“,
sagt Rasha. „Sie haben Internet, reisen
viel, kennen die neueste Mode. Das Beste,
was du tun kannst: Lass deine Zielgruppe
für dich arbeiten.“
Styling: Angela Hartwick. Frisuren & Makeup: Dennie Passion
und Claire Raison.
Producing: Arabianeye
P A T R I C K : S M O K I N G U N D H E M D V O N A R M A N I C O L L E Z I O N I . F L I E G E : G I O R G I O A R M A N I . S C H U H E : Y V E S S A I N T L A U R E N T . A K T E N T A S C H E : B O T T E G A V E N E T A . M A N S C H E T T E N K N Ö P F E : A S P R E Y.
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U
nter den Religionen
der Welt ist MTV
eine ziemlich junge
Erscheinung. Seit
1981 breitete sich der
jugendliche Glauben
übers Kabelnetz aus
– zuerst in Amerika,
dann im Rest der
Welt. Seine Kultstätte war die Fernsehcouch, sein Freitagsgebet sprach Ray Cokes, und zu seinen
Propheten gehörten die rülpsenden Spinner Beavis und Butthead.
Märtyrer brachte diese Fernsehreligion
keine hervor, allenfalls Slacker. MTV war
eine der spirituellen Quellen des Goldenen
Zeitalters vor dem 11. September 2001.
Dann war die Unschuld verloren: Hedonismus stand unter Generalverdacht, die
Konsumgesellschaft knickte ein. Die alternde MTV-Gemeinde zerfiel. Nur eingefleischte Fanatiker grüßen sich noch mit
dem Hang-Loose-Zeichen, also mit abgespreiztem Daumen und kleinem Finger.
Ein müdes Zitat aus früheren Jahren.
Seltsam, genau diesem Gruß jetzt am
anderen Ende der Welt wieder zu begegnen. Da, wo die Sonne aufgeht. Wohin
Menschen und Kapital aus allen Erdteilen
strömen. Und wo in nächster Nähe die
heißeste Front im Kulturkampf unserer
Tage verläuft – im Herzen des Morgenlandes, am Persischen Golf, in Dubai.
Er wirkt frisch wie selten, der Schulhofgruß aus den 80ern. Frisch wie das Milchgesicht von VJ Mohammed, wenn er der
Zuschauergemeinde von MTV Arabia, ob
sie in Ägypten sitzt oder in den Emiraten,
einen guten Morgen wünscht – aus einem
schrammeligen Studio im Industriegebiet
Al Quoz, von wo die Betonmischer zu den
Abertausenden von Baustellen der Fantasiestadt ausschwärmen.
Ausgerechnet hier, in einem alten Lagerhaus, wird das im Abendland totgesagte
Musikfernsehen gerade neu geboren. Seit
November 2007 bestrahlt MTV Arabia
über Satellit fast den gesamten arabischen
Raum – und schickt seine Wellen buchstäblich in die Wüste. Im Orient entsteht
der wichtigste MTV-Kanal außerhalb der
Vereinigten Staaten. Denn zwischen Mittelmeer und Golfregion lebt ein Publikum
von rund 200 Millionen Zuschauern. Nirgends gibt es mehr Menschen unter 25.
„Wir geben jungen Arabern eine Stimme“,
sagt MTV-Chef Bill Roedy. Ein kühner
Anspruch.
Vielleicht aber auch nicht. Denn es gibt
eine Menge junger Araber, die behaupten,
die Beduinen seien die ersten Hip-Hopper
Abdullatif al-Sayegh,
Chef von MTV Arabia
(r.), mit Manager
Patrick Samaha auf
einem Hochhaus an der
Sheikh Zayed Road
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DIE STATIONEN DER POPMISSIONARE
Im alten Europa gilt Musikfernsehen als überlebt. Aber in aufstrebenden Regionen hat MTV
Zukunft. Der Sender bewies schon immer Gespür dafür, zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein
10
RUSSLAND
September 1998 Mio.
ARABIA
November 2007
CHINA
März 2003
14
Mio.
36
Mio.
28
INDONESIEN
Juni 2002
Mio.
Weltweit erreicht MTV
heute über 340 Millionen
Haushalte in 140 Ländern
und betreibt 31 lokalisierte
TV-Sender.
AFRIKA
Februar 2005
1,3
Mio.
4
PAKISTAN
November 2006 Mio.
6
INDIEN
Oktober 1996 Mio.
Unsere Grafik zeigt die wichtigsten MTV-Sendestarts der vergangenen Jahre – mit dem Datum und den zu Beginn erreichten
Haushalten. MTV Arabia nimmt darunter ersten Rang ein.
MTV Arabia ist keine Abspielstation für
amerikanische Massenware. Natürlich
laufen auch die klassischen MTV-Formate
mit arabischen Untertiteln – etwa
„Punk’d“ oder „Pimp My Ride“. Zur Autobastelshow plant Rasha eine arabische
Variante: „In Saudi-Arabien lassen sich
die Kids krasse Flügeltüren in ihre KiaGeländewagen bauen. Angeben liegt hier
in der Kultur.“
Aber schon jetzt sind 40 Prozent des
Programms von MTV Arabia einheimische Shows, die bekannte Formate an
den arabischen Kulturraum anpassen. Der
Platz der Märtyrer in Beirut zum Beispiel
war bislang vor allem Schauplatz großer
Demonstrationen – in „Al Hara“, einer
Straßensportsendung, rollen dort Skater.
Und „Akher Takka“ spielt, als Abwandlung von „Boiling Point“, mit der aufbrausenden Natur der Araber: Da klatscht
ein Barbier dem Kunden zur Durchblutung der Haut ständig auf die Wangen.
Schläge ins Gesicht gelten hier als schwerste Beleidigung. Gewonnen hat, wer zuletzt ausrastet. Der Rekord im Spaßverstehen liegt im Friseursalon bei 6 Minuten
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und 23 Sekunden. „Man muss das alles
schrittweise machen“, sagt Rasha. „Ganz
sachte.“
Widerstand gegen eine Lockerung der
Sitten leisten oft weniger die politischen
und religiösen Führer als die konservativen Teile der Gesellschaft. Und wohin
eine allzu schnelle Liberalisierung führen
kann, zeigte sich im sehr westlichen Iran
in den 70er-Jahren: Die islamische Revolution speiste sich aus dem Unbehagen
jener Bevölkerungsteile, die mit dem Tempo der Modernisierung nicht Schritt halten konnten.
I
n einem Werbespot für MTV Arabia
sieht man einen alten Mann, ins Tuch
der Beduinen gehüllt. Er schleudert
einem jungen, westlich gekleideten
Araber mit Bandana um die Stirn
wütende Verse entgegen: „Die alten Tage
waren voller Poesie, die neue Zeit ist voller Schund.“
Es ist genau diese Kluft zwischen den
Werten der Wüstenvölker und den Idealen der Popkultur, die MTV Arabia überbrücken will.
Als Bindeglied hat Abdullatif al-Sayegh,
Chef von MTV Arabia, ein Genre entdeckt, das in den Ghettos von New York
entstand: Hip-Hop – Randgruppenmusik,
die erst viel später in den Mainstream einfloss. „Hip-Hop wurzelt in der Poesie“,
sagt Abdullatif, selbst stets in Beduinentracht gekleidet. „Und Poesie ist etwas, an
das wir glauben.“
Das stolze Flaggschiff unter den Shows
von MTV Arabia heißt „HipHopNa“ –
ganz frei übersetzt: Arabien sucht den
Superrapper. Und zwar in allen Winkeln
des Nahen Ostens – auch dort, wo Popkultur nur im Untergrund stattfindet und
Rapper in ihren Wohnzimmern auftreten.
Es ist ein Donnerstagabend. Und in einem halbfertigen Neubau am Rande Dubais, dort, wo die Stadt in die Wüste übergeht, findet das Finale statt.
Am Jurytisch sitzt Qusai, ein saudischer
Rapper, der eine grüne Schärpe mit der
ersten Sure des Korans um seinen Arm
gewickelt hat. Und Fredwreck, ein an der
amerikanischen Westküste aufgewachsener Palästinenser, der als Produzent schon
mit Snoop Dogg gearbeitet hat.
Im Backstagebereich herrscht nervöse Unruhe. Die Baggy Jeans hängen auf Kniehöhe, letzte Reime werden gekritzelt. Anderswo auf der Welt würden jetzt Joints
kreisen. In Dubai kommt für vier Jahre ins
Gefängnis, wer nur einen Krümel Marihuana besitzt. Snoop Dogg könnte keinen
Fuß in die Stadt setzen.
B
ei Sonnenuntergang nutzen manche die von den Bauarbeitern liegen gelassenen Kartons als Gebetsteppiche. „Sie sind zwar
Rapper, aber sie sind auch sehr
religiös“, sagt Fredwreck.
Malika, ein lustiges Mädchen in glitzernder Trainingsjacke, vermeidet in ihren
Reimen alle Flüche – obwohl die Libanesin
Verbindungen in die Szene der Bronx hat:
„Als Moslems müssen wir nach Mekka
pilgern, als Hip-Hopper nach New York.“
Die 21-Jährige arbeitet im Marketing.
Sie rappt übers Ausgehen – aber auch darüber, dass Frauen, die ausgehen, schief
angesehen werden. „Amerikanischer HipHop, französischer Hip-Hop, deutscher
Hip-Hop: Alles hatte seine Zeit. Jetzt sind
eben wir Araber dran, denn wir leiden am
meisten.“
Ein Stück weiter stehen zwei Jungs, die
sich Dark2Men nennen. Einer arbeitet im
Krankenhaus, einer als Informatiker. Sie
stammen aus Dschidda und Medina, haben dort West-Coast-Rapper wie Tupac
oder NWA gehört und wollten ihre Stars
imitieren. „Aber hier haben wir keine
Gangster und keine Gangbang-Partys.
Das ist das Problem!“ Verbrechern wird
in Saudi-Arabien noch immer die Hand
abgehackt.
Also wollten die „Dunkelmänner“ über
ihr Leben rappen: „Über die dunklen Seiten der Gesellschaft.“ Etwa? „Man findet
nach der Highschool keine Universität.“
Das klingt nach einem Luxusproblem:
Aber wenn in der islamischen Welt die
Aufklärung noch aussteht, ist nichts wichtiger als Bildung. „Außerdem fragen wir
danach, warum man für eine Heirat 80 000
Dollar braucht. Man verliert die besten
Jahre damit, die Kredite zurückzuzahlen.“
Dann folgt eine beruhigende Wüstenweisheit: „Auch die Reise von tausend Meilen
beginnt mit einem Schritt!“
Auf der Bühne versammeln sich die aufgeregten Rapper aus allen Teilen der arabischen Welt zu einem gemeinsamen
Song. Ibby, der aus dem Sudan stammt
und mit feinen Lederslippern und Sonnenbrille aussieht wie der arabische P. Diddy,
singt: „Ich spucke einen Flow aus Petroleum!“ Hip-Hop könnte zu den neuen
kulturellen Rohstoffen zählen, die Arabien nach dem Ende des Ölzeitalters exportieren will.
Den Hauptpreis von „HipHopNa“ gewinnt ein Außenseiter: Omar Boflot aus
Alexandria, der in Nigeria geboren wurde
und mit seiner Leibesfülle und dem bösen
Blick auch als Mitglied des Wu-Tang
Clans durchginge. Als sein Sieg verkündet
wird, weint er. „Ich hätte nie geglaubt,
dass es einmal so etwas geben könnte wie
eine arabische Hip-Hop-Szene.“
Als Gewinn bekommt er keinen Plattenvertrag, sondern ein fettes Auto. BlingBling. Der Dodge Charger mit 5,7-LiterMotor steht neben der Bühne. Als Omar
Boflot sich unter dem Jubel der Kollegen
hinters Lenkrad quetscht, schrillt die
Diebstahlsicherung los. Die Meute fängt
an, zum Alarm zu hüpfen wie im Musikvideo „Jump Jump“ von Kris Kross. Auch
das ist 15 Jahre her. Aber hier wirkt der
Hüpfaufstand wie eine große Befreiung.
In der Nacht gibt es noch einen zweiten,
nicht ganz so fröhlichen Aufstand. Vor
dem angesagten Nachtclub „Boudoir“,
am Strand von Jumeirah, stehen die Finalisten von „HipHopNa“ auf der Straße.
Drinnen feiern die Leute von MTV. Die
Kandidaten schimpfen: „Die haben uns
ausgenutzt!“ Fredwreck kommt raus,
schlichtet.
Was wie ein Drama aussieht, ist die typische Mischung aus Planungschaos und
Beleidigtsein: Ein Tisch ist reserviert, aber
einige Kandidaten sind unter 21 Jahren.
MTV will nicht verantworten, dass sie in
der Öffentlichkeit trinken. Es könnte den
fragilen Ruf des Senders ruinieren.
Fredwreck schlägt einen Ersatzplan vor:
„Wir gehen alle zum Libanesen, essen Kebab und rauchen Wasserpfeife bis zum
Herzinfarkt.“ Es ist alles wieder okay, die
Wut verfliegt. Das ist vielleicht das Beste
an der Popkultur: Es lohnt nicht, für diese
Religion zu kämpfen.
»WIR GEHEN ZUM LIBANESEN
UND RAUCHEN WASSERPFEIFE
BIS ZUM HERZINFARKT«
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