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. DE.BUG AIR LIQUIDE | KLIMEK | DAT POLITICS | CLARO INTELECTO | CORY DOCTOROW | MÄRTINI BRÖS | MOABEAT | 279 REVIEWS MONATSZEITUNG FÜR ELEKTRONISCHE LEBENSASPEKTE JUNI 2004. EUR 2.80 / Schweiz: SFR 5,50 MUSIK MEDIEN KULTUR SELBSTBEHERRSCHUNG 11 GET PHYSICAL Mit ihrem Solo-Album "I Com" hat Miss Kittin einen großen Schritt zur Seite gemacht, weg vom DJ-Pult hinters Mikrophon. Toppt sie demnächst als Caroline Hervé mit ihrem Chanson-Futurismus die französischen Charts? In Berlin steht die Schmiede für saftigen Disco-House nach Metro Area. Sechs Freunde haben den guten Geschmack gefressen, vergessen aber das befreiende Rülpsen auf dem Dancefloor nicht. Wenn Minimalhouse aus Italien käme ... 08 MOCKY R'n'B hat seinen entspannten Sunnyboy. Der Kumpel von Peaches und Gonzales kurvt im Go-Kart durch peacige Oldschool-Beats und schlägt jeglicher Gangsta-Attitüde ein extrem Slacker-lässiges Schnippchen. Kappe ab, Puschen an. LIZENZEN OHNE GRENZEN! Filesharing ganz legal? Mit Lizenzmodellen wie Creative Commons aus dem Packeis des Lizenz-Jungles. Raus aus der Grauzone der Nutzungsrechte! Die fairen neuen Deals in unserem Special ab Seite #25 13 ABZWEIG JENA JETZT / ROBAG WRUHME Merkt euch diesen Namen! Wenn jemand die Mutter aller kommenden House-Schulen sein wird, dann er. Gabor Schablitzki aus Jena vereint als Robag Wruhme seine multiplen Persönlichkeiten, die er als Elektronika-Hero “Beefcake” und Mitglied des DeephouseExpertenteams “Wighnomy Brothers” zur Perfektion gebracht hat. Nicht Köln, nicht Berlin und nicht London wurde so in den vergangenen Jahren zum Nabel des stilsicheren Dancefloors, sondern Jena, die Stadt der Eigenbrödler, Laser-Experten und Harry-Belafonte-Fans. Hier sitzt das Label “Freude am Tanzen”, das Robag für seine musikalischen Testfahrten den Rüc- ken frei hält. Mit seiner Mischung aus gepflegter House-Tradition, wuselndem Spaß an durchgerockten HipHop-Beats und dem sichersten Händchen für Euphorie in aufsteigendem Moll ist er der Hoffnungsträger für alle, denen immer öfter immer langweiliger wird im Club zwischen KonsensMinimalismus, marktschreierischem Retro und überkandideltem Stylefaschismus. Back to the music. Robag Wruhme versöhnt die Nerds und die Feierschweine und das mit einer Musik, die sich um nichts weniger Gedanken macht, als irgendwelchen Ansprüchen zu genügen. Patentjäger aufgepasst: Sichert euch den Namen “Wuzzelbud”, das Buzz-Wort des Zukunft. Jena ist tief, Chicago war gestern. 16 DJ-BATTLE IN VIETNAM 32 LEINEN-SNEAKER 06 FREAKLÜB MUSIK KULTUR MEDIEN MÄRTINI BRÖS…................................................................................<SEITE#03> MUSIKCLIPS: ZOOT WOMAN, BRITNEY SPEARS.................... <SEITE#04> BILDERKRITIKEN............................................................................<SEITE#04> AIR LIQUIDE........................................................................................<SEITE#10> GADGETS: MOBILE PLATTENSPIELER UND AUTOS...............<SEITE#12> SLEEVEDESIGN LEX RECORDS....................................................<SEITE#08> WORKSHOP.........................................................................................<SEITE#15> MODE: LEINEN-SNEAKERS...........................................................<SEITE#32> MY FAVORITE MACHINES: MELBEATZ’ MPC4000...................<SEITE#22> CLARO INTELECTO….….....................................................................<SEITE#18> PERFORIERTES DESIGN: MARKUS DRESSEN........................... <SEITE#34> MUSIKTECHNIK: KORG LEGACY COLLECTION.......................<SEITE#23> DAEDELUS…........................................................................................<SEITE#24> KUNST VERBRÄT HOLLYWOOD: JACK GOLDSTEIN...............<SEITE#35> BÜCHER ONLINE FÜR UMME: CORY DOCTOROW......................<SEITE#26> Nein, es gibt nicht nur Karaoke in Asien, auch DJWettbewerbe. Mit Bier auf der Tanzfläche ist man als Tänzer raus, mit den populistischsten Bum-Bum-Beats als DJ drin. Und um Punkt Mitternacht ist Schluss. Unsere Reisereportage. Der Mode-Tipp des Sommers. Du machst Karriere, bist aber nicht hip? Du bist hip, machst aber keine Karriere? Leinen-Halbschuhe sind die Lösung für beides. Wir stellen die wichtigsten Modelle für die Image-Rettung vor. Streetart macht sich immer breiter im Stadtbild. Auch Freaklüb aus Barcelona sorgen mit ihrem orangehaarigen Character "Aunara" dafür, dass die Stadt zum Comic wird. Mit den berühmten Bimbos von Boris Hoppek hat sich Aunara schon angefreundet. . DE.BUG 09 MISS KITTIN 83 WHATEVER HONKY TONK IMPRESSUM DEBUG Verlags GmbH Brunnenstr. 196, 10119 Berlin Email Redaktion: [email protected] Anzeigenleitung: [email protected] Abo: [email protected] Fon: 030.28384458, Fax: 030 2838 4459 Herausgeber: Alexander Baumgardt, Mercedes Bunz, Jörg Clasen, Jan Rikus Hillmann, Sascha Kösch, Fee Magdanz, Riley Reinhold, Anton Waldt, Benjamin Weiss Redaktion: Mercedes Bunz ([email protected]), Thaddeus Herrrmann ([email protected]), Jan Joswig ([email protected]), Karen Khurana ([email protected]), Sascha Kösch ([email protected]), Sven von Thülen ([email protected]), Clara Völker ([email protected]) Reviewredaktion: Sascha Kösch ([email protected]), Jan Ole Jöhnk ([email protected]) Bildredaktion: Ole Brömme ([email protected]) Redaktion Wien: Anton Waldt ([email protected]) Redaktion Lüneburg: Heiko H. Gogolin ([email protected]), Nils Dittbrenner ([email protected]) Texte: Anton Waldt, Stefan Heidenreich, Verena Dauerer, Annett Jaensch, Karen Khurana, Sven von Thülen, Sascha Kösch, Thaddeus Herrmann, Patrick Bauer, Multipara, Sami Khatib, Paul Paulun, Mercedes Bunz, Clara Völker, Arne Linde, Benjamin Weiss, Mario Sixtus, Natascha Kutosow, Sandra Sydow, Sasha Horsley, Benjamin Weiss, John Twells, Marcus Hauer, Katja Hanke, Renko Heuer, Martin Osti, Aljoscha Weskott, Janko Roettgers, Alex Heimes, Baas Döhler, Jan Joswig, Tobias Vethake Fotos: Sibylle Fendt, Stefan Korte, Katja Kuhl, Olaf Heine, Volkmar Klemm Reviews: Nils Dittbrenner as bob, Clara Völker as caynd, Heiko H. Gogolin as bub, Jan Joswig as jeep, Karen Khurana as karen, Mercedes Bunz as mercedes, Patrick Bauer as bauer, Paul Paulun as pp, Sascha Kösch as bleed, René Josquin as m.path.iq, Sven von Thülen as sven.vt, Thaddeus Herrmann as thaddi, Mathias Mertens as mwm, Arne Linde as Arne, Anne Pascale as miu, Janko Röttgers as janko, Eric Mandel as em, Jan Simon as jan, Carsten Görig as ryd, Florian Brauer as budjonny, Florian Schreiner as xenya, Nina Scherner as nina, Baas Döhler as baas, Tamas Novak as tamas, David Weber as dvd, Sami Khatib as sk A BETTER TOMORROW / Für ein besseres Morgen TEXT BILD ANTON WALDT | [email protected] Die Rotzlöffel Etzi und Fetzi aalen sich bereits behaglich, Veteranen nesteln an der Kippfunktion ihrer Bürosessel und versuchen sich zaghaft im Knochenschütteln sowie der Hoffnung, dass alles noch schubi wird: Der Mülleimer-Charakter "Kalle Kiez" belohnt den Jägermeister-0,1-Einwurf jetzt mit einem knalligen "Knorke, Keule!" und exakt so haben wir uns "Schaltstellen in Sachen Informationen" spätestens seit dem Dosenpfand vorgestellt. "Unterweisungen in Sachen Leben" heißt jetzt ja auch "Lifing" und "Methoden in Sachen Überleben" schlicht "Trinking": "Ich nicht mehr saufen? Klar trinke ich noch", erklärte der 74-Jährige Gene Hackman unlängst allen über 30 die amtliche Abendgestaltung: "Irgendwer gab uns diese verdammt großen Drinks, die so gut schmeckten. Wir hatten einige davon." Besonders gebeutelten Gestalten wie Herrn Trittin und Doktor Motte reicht das aber schon lange nicht mehr und was man so hört, versuchen sie es jetzt mit "Licking": Dazu hockt man sich in ein Baumhaus in Berlin-Zehlendorf, leckt verschiedene Kröten ab und jammert über Weissblechstrolche, abgesagte Paraden und andere entzauberte Mythen, wie die betrunkenen Killerschimpasen aus Uganda, die im Kibale-Wald hausen, illegal gebrautes Bannanenbier süffeln und Kinder frühstücken und daher auch "Mobutu" heißen. "Lang mal die Kröte rüber" und "Wie soll das alles enden?" wechseln sich dann munter ab und am Ende so einer Leck-Session ist man schon mal überzeugt, dass der Dalai Lama und seine Mordbuben - allen voran die Beastie Boys und Richard Gere bestimmt schuldig sind und die fiesen Aborigines, Nelson Mandela und natürlich die gemeingefährlichen Regenwaldindianer auch Dreck am Stecken haben. Von "Licking" ist daher unter "Lifing"-Aspekten dringend abzuraten, das Konzept wurde schließlich auch nicht für Baumhäuser in Berlin-Zehlendorf entwickelt, sondern auf die klassische Knast- und Bibel-Tour. ErweckungsSchabernack aller Colour ist ja überhaup mächtig ange- WWWKROETEK.ORG sagt, und wenn sich sogar Arte mit Karl dem Großen ein neues Übernational-Bewusstsein erquengelt, wollen wir uns auch nicht weiter zurückhalten: "Ein Bürger Athens vernachlässigt die öffentlichen Aufgaben nie, um dem eigenen Geschäft nachzugehen. In keinem Moment widmet er sich öffentlichen Ämtern, um private Interessen zu befriedigen. Uns wurde gelehrt, die Richter zu respektieren, das Gesetz zu befolgen, auch das ungeschriebene Gesetz, das durch das Gewissen und den Verstand diktiert wird. Wir sind in Athen, das ist unsere Demokratie." Wort! für unserem Mann Perikles. Für ein besseres Morgen: Ein Sommer der Liebe 2004 mit vie ünnepseg strandon, poselství lásky, fl ewwel post, stavat, kanepju sviests, laime, pocalunek w renke und logisch erotiko tragoudi bzw. ask sarkisi. HARLEY DAVID, S.O.A.B. Ultra Beauty Operator: Jan Rikus Hillmann ([email protected]) AD, Alex Seeberg-Elverfeldt ([email protected]), Viviana Tapia ([email protected]) Vertrieb: ASV Vertriebs GmbH, Süderstraße 77, 20097 Hamburg Fon: 040/347 24042, Fax: 040/347 23549 Druck: Gerhard Druck, www.gerhard-druck.de Eigenvertrieb (Plattenläden): Fon: 030 2838 4458 Abobot eures Vertrauens: Sven von Thülen, Clara Völker Fon. 030.2838 4458 / email: [email protected] Debugtermine: [email protected] Stichtag Juli/August-Ausgabe: 10.06.2004 de-bug online: http://www.de-bug.de Geschäftsführer: Sascha Kösch Marketing und Anzeigenleitung: Email: [email protected] Mari Lippok, Alice von Schröder, André Richter Fon: 030/2838 4457 - 030/2838 8891 Es gilt die Anzeigenpreisliste Januar 2004 V.i.S.d.P.: die Redaktion UNSER MONAT / Sail away ... TEXT [email protected] Thaddeus Herrmann von Herrmann & Kleine und Mitte Karaoke legen euch den roten Musikteppich aus. Im Auftrag von Beck's haben sie nach bestem Wissen und Gewissen Joe Cockers Interpretation von "Sail Away" in moderne Samplekits zerlegt. Beim erneuten Zusammenbauen seid ihr gefordert. Traut ihr euch, das dritte Rad an dem Ehrfurcht heischenden Team von Herrmann-Mitte-Cocker zu werden? Ist eure Ethik gefestigt genug, um Joe Cocker eine renovierte Fassung anzutragen? Dann ran: Auf www.becks-on-stage.de erfahrt ihr alles über den Remix-Wettbewerb zu "Sail away". Die Anmeldefrist läuft Mitte des Monats aus, also hin, ran, runtergeladen und geremixt. Hurtig!!!! Auf Klassiker verließ sich diesen Monat nicht nur Beck's, sondern auch der Designmai in Berlin. Das Festival für junges internationales Design gab eine klare Linie vor: klassisch skandinavisches Moderne-Design in elegant leichter Funktionalität. Die notorisch Abtrünnigen fachsimpelten zwischen den schlanken Rauchglasvasen und Styropor-Iglus schon wieder im Reflex über Gelsenkirchener Barock. Aber wahrscheinlich nur, weil man das noch auf jedem Sperrmüll in Qualitätsstufe "mint" finden kann. Was Wolfgang Tilmanns mit den Fotos von Richie Hawtin im elterlichen Wohnzim- mer und die MTV-Werbekampagne mit der gleichen Idee zehn Jahre später für ihre Moderatoren vorgegeben hat, wird also nächste Saison dank automatisierter Gegenbewegung zum Designmai-Mainstream das non plus ultra der Einrichtungs-Philosophie. Esst mehr Obst, kauft mehr Furnier! Und sonst? Nach PopUp und Camp Music wünschen wir der Popkomm von ganzem Herzen viel Glück. Universal soll ja schon zugesagt haben. Label und User mit Style werden die Pappbrötchen der Messe Berlin auf jeden Fall verschmähen. Viele Kapazitäten für die nicht stattfindene Love Parade. Wink. HOUSE NASE KAPUTT DANK FLÖTE INFO Märtini Brös, Love The Machines, ist auf Pokerflat / Wordandsound erschienen www.pokerflat-recordings.com MÄRTINI BRÖS. TEXT SAMI KHATIB | [email protected] Märtini Brös. geraten ins Taumeln, denn ihr neues Album “Love the Machines“ sei ebenso wenig durchweg ernst, wie das letzte Album durchgehend spaßig. Das liege nicht unbedingt am Erwachsen-geworden-Sein, sondern vielleicht an den englischen Texten. Eine Nasenflöte ist ein Instrument, das korrekt benutzt – man spielt es nomen est omen durch die Nase – etwa so klingt wie die arabisch-indischen Fakire auf den “Tausend und eine Nacht“-Hörspielkassetten verstaubter Kinderzimmer. Der Legende nach gab es einmal vor Urzeiten einen nordafrikanischen Nomadenstamm, der mit besagter Nasenflöte das erste gebräuchliche Musikinstrument erfand. Vorher gab es ja nur Steine und Baumstämme, die zum Zwecke urzeitlicher Percussionmusik aufeinander geschlagen wurden. Aber nicht nur solch sonderbare Zutaten wie besagte Flöte, die sonst nur von Schamamen gespielt werden darf, fanden den Weg auf das neue Märtini-Album “Love the Machines“. Mit Rockinstrumenten und englischem Gesang wollen Mike Vamp und Clé der Diskursfalle des deutschen Fun-Techno beherzt ein Schnipp- chen schlagen. (Für die Hintergrundstorys “Wie alles begann“, “Was euch eure Männerfreundschaft bedeutet“, “Wer von euch ist Howie oder wer Colt Sievers“ und “Wer welches Körperteil vom jeweils anderen am tollsten findet “ verweisen wir an dieser Stelle auf Debug, Ausgabe 62.) DEBUG: Mit eurem neuen Album wird euch nicht nur soundtechnisch nachgesagt, dass ihr gerade euren “zweiten Stimmbruch“ durchmacht. Hat euch eure humoreske Seite à la “Dance Like It Is OK“ letztlich mehr zum Schaden denn zum Vorteil gereicht? Die Frage ist ja: “Raver, wollt ihr ewig flashen?“ Mit “Love The Machines“ scheint ihr euch von dieser Art von Humor endgültig verabschiedet zu haben? CLÉ: Ob wir wirklich erwachsener geworden sind, weiß ich nicht. Vielleicht ist unser Humor subtiler geworden. Uns sind die “Flash“-Zeiten nicht wirklich zugute gekommen, weil uns viele Leute irgendwann nur noch als Kasperle-Band gesehen haben und enttäuscht waren, wenn wir das live nicht erfüllt haben. Gerade das Feuilleton kam mit so Sprüchen wie “die Märtini Brös sind doch die Stefan Raabs des deutschen Techno“. So wenig aber das letzte Album durchgängig witzig war, finde ich das neue nicht durchweg ernst. DEBUG: Woran lag dieses Spaßimage, habt ihr es nicht selbst befördert? MIKE: Es lag an den deutschen Texten. Das waren kurze, klare Slogans, die gut funktioniert haben. Zu diesem Zeitpunkt gab es ja viele neue deutsche Acts im Techno, von Jeans Team bis zu Mitte Karaoke. CLÉ: Und schon waren wir in der Schublade “jung, deutsch, Berlin und humorvoll“. Wir haben uns aus diesem Image nicht bewusst herausgenommen, aber während der Touren stellte sich langsam heraus, dass wir den Kontakt zu diesem ganzen Berlin-Mitte-Ding verloren hatten. Das heißt jetzt nicht, dass wir mit dem neuen Album “auf Teufel komm raus“ seriös werden müssen. Unseriös sind wir noch immer ... DEBUG: ... aber ohne auf das Album zu schreiben: “Achtung, bitte lachen“. Deshalb dieses Mal lieber englische Texte? MIKE: Die Leute hören einfach mehr auf die Musik, wenn die Texte englisch sind. DEBUG: War der Sprachwechsel ausschließlich eine musikalische Entscheidung oder auch eine Imagefrage? MIKE: Wir wollten aus dieser Deutschlandtechno-Ecke raus. CLÉ: Die Bands, die ich früher gut fand und die Deutsch gesungen haben, waren ohnehin Bands wie der “Der Plan“, “Palais Schaumburg“ oder “Pyrolator“. Die haben eher abstrakte, dadaistische Wortspiele produziert. Wenn es mir aber wirklich um tolle Lyrics ging, um Geschichtenerzählen etc., dann waren es immer englische Lyrics, wie z.B. von “Orange Juice“ oder Elliott Smith. MIKE: Auf keinen Fall NDW. Das fand ich immer sehr schwierig. CLÉ: Und Rio Reiser erst ... MIKE: ... ja, dann lieber Rotwein als tot sein. <03> - DE:BUG.83 - 06.2004 Und schon waren wir in der Schublade “jung, deutsch, Berlin und humorvoll“ BILDERKRITIKEN BILDER AUF DIE AUGEN 01 TEXT 02 STEFAN HEIDENREICH | [email protected] FOTO: TAMI SILICIO, SEATTLE TIMES 18.APRIL 2004, DOKUMENTIERT UNTER BAYAREA.INDYMEDIA.ORG/NEWS/2004/04/1678139.PHP Die Bilder von Soldatensärgen sind seit Vietnam unerwünscht. Wegen Wehrkraftzersetzung, so der nazi-deutsche Ausdruck. Die offizielle Begründung lautet etwas anders. Man wolle mit dem Verbot, das seit 1991 ganz offiziell gilt, verhindern, dass die Gefühle der Hinterbliebenen verletzt würden. Tami Silico macht diese Aufnahme am 7. April in Kuwait an Bord eines Luftwaffentransporters. Ein Freund von ihr gab sie an die Seattle Times weiter. Sie wolle dokumentieren, wie würdevoll die Überführung der sterblichen Überreste von Soldaten vor sich gehe, sagte Silico. Der Herausgeber der Zeitung wies den Vorwurf, Stimmung gegen den Krieg zu machen, weit von sich. Das meint er ernst. "Die schwere Aufgabe, die Gefallenen zu ehren", titelt das Blatt. Und weiter: "Everyone salutes with such emotion and intensity and respect." Viel Krieg, viel Ehr'... In Reih und Glied aufgestellt, in Flaggen verpackt, kehren die Befreier des fremden Landes auf der anderen Seite des Globus nach Hause zurück. "Ihre Familien können stolz auf sie sein", meint die Fotografin. Was tun mit dem visuellen Unfall? Tami Silico wurde entlassen, weil sie gegen die Bestimmungen des Pentagon und ihres Arbeitgebers verstoßen hat. Kein Bild heißt kein Bild. Die moderne Variante des Bilderverbots arbeitet streng selektiv und dank der bereitwilligen Mithilfe der Mainstream-Medien sehr präzise. Bilder besitzen keine Negation. Sie geben nur positiv Zeugnis ab. Daher fordert das propagandistische Design eines Weltbilds den exakt kontrollierten Ausschluss unerwünschter Motive. Alles andere gibt es im Überfluss, um das Bild, das man sich von der Welt macht, in den richtigen Farben zu zeichnen. SH ••• WWW.ALBASRAH.NET/IMAGES/ IRAQ-POW/IRAQI-POW.HTM Dieses Bild stammt nicht aus dem Irak. Um das gleich vorweg zu nehmen. Es kursierte zusammen mit Bildern aus dem Gefängnis Abu Ghuraib im Internet. Aber es wurde weder in dem Gefängnis noch im Irak aufgenommen. Ein Freund hat es mir geschickt. Er hatte es von einem Freund, dessen Familie aus dem Nahen Osten stammt. Der hatte es von seinen Freunden. Die Herkunft des Bildes kennt eine andere Seite. Die Website Albasrah.net, die von Holland aus betrieben wird und nun offline ist, hatte zwei Dutzend Bilder zusammengestellt. Zum Teil jene aus dem Gefängnis, zum Teil andere. Die anderen sind von einer der beiden Porno-Webseiten sexinwar.com oder iraqbabes.com entnommen. Diese Bilder waren auch auf der Seite eines in Tunesien beheimateten Komitees zur Verteidigung Saddam Husseins zu sehen. Iraqbabes wird von dem in Pennsylvania beheimate- ten Unternehmen MacNew betrieben. Die Seite Sexinwar.com ist in Ungarn registriert, wo die Bilder offenbar auch produziert wurden. Sie wurden professionell bearbeitet, bevor sie zu den Aufnahmen aus Abu Ghuraib gestellt wurden. Man hat die Auflösung heruntergesetzt, die Genitalbereiche unscharf markiert. Die Porno-Produzenten haben die gleichen ikonographischen Muster und Inszenierungen von Gewalt umgesetzt wie die Wärter in dem Gefängnis bei Bagdad. Sie haben vorauseilend längst visuell umgesetzt, was jeder Krieg an Verrohung und Gewalt stets mit sich bringt. Dazu passt, dass die Übergriffe in dem Gefängnis seit langem bekannt waren, sowohl innerhalb der Armee als auch beim Roten Kreuz. Als reales und politisches Ereignis wurden sie jedoch erst wahrgenommen, als der Sender CBS jene Bilder zeigte, in der sich eine Bande nunmehr namentlich bekannter USFolterknechte bei der Arbeit inszeniert. SH ••• CLIPS MUCKE AUF DIE AUGEN 01 TEXT 02 VERENA DAUERER, TOBIAS VETHAKE | [email protected], [email protected] 02) ZOOT WOMAN / TAKEN IT ALL, REGIE: UWE FLADE / SEBASTIAN KALTMEYER Zoot Woman bleiben mit dem Clip zu "Taken It All“ ihrem Stil treu. Denn schon ihr allererstes Video “Living In A Magazine“ machte klar, dass hier musikalisch wie visuell der frühen Waveszene, Ende 70er/Anfang 80er, gehuldigt wird. Bei ihrem neuesten Video geht dieser RetroGedanke eine interessante Verbindung mit einem noch älteren Architektur-Stil ein. Schauplatz ist der deutsche Pavillion, den Mies van der Rohe 1928/29 anlässlich der Weltausstellung in Barcelona bauen ließ. Dieses todschicke Gebäude wurde für das Video akribisch im Computer nachgebaut. Die Kombination aus real wirkendem Bauwerk und irrealer Computerumwelt lässt ihr futuristisches Moment hervorblitzen. Farblich ist das Ganze vor allem in braun, gelb und grau gehalten und wir werden zusätzlich durch sich farblich und strukturell bewe- gende Wände und Böden verwirrt. Ein interessanter Effekt, der weniger nach perfektem Hollywood-Bild-Morphing als eher wie ein analoges Überschichten von Folien aussieht. Das wirkt schick und elegant, hat aber nicht den üblichen Wir-hatten-10-Millionen-für-dieses-VideoLook. Auch Schachfiguren bewegen sich, wie schon die Farben und Formen der Wände, im Rhythmus der Musik. Ein Luxus-Boheme, überzeugend dargestellt durch den Sänger der Band, sitzt davor und beobachtet fast teilnahmslos den Auszug seiner Freundin. Das agierende Model ohne jede Angst vor Asymmetrie macht klar, dass Blusen und Röcke, die wir zuletzt in den Kleiderschränken unserer Mütter ertragen mussten, von der passenden Person in der passenden Szenerie getragen durchaus überzeugen können. Was für ein Ohrring! Im Ganzen ist dieses Video eine gelungene Mischung aus 20er Architektur, 70er Lifestyle, 80er Mode und moderner Compu- tertechnik. Alles was futuristisch war und ist. [TOBIAS] 01) BRITNEY SPEARS: EVERYTIME, REGIE: DAVID LACHAPELLE (2004) Wächsern. Und weiß. Das bleibt von ihr übrig und vom Clip. Alles um sie und sie selbst ist mit einer Wachsschicht überzogen. So als wollte David LaChapelle Britney in ein Figurenkabinett stellen. Konservieren mitsamt den Klischees, die da ausgebreitet werden von einer Popikone, ihrem Boyfriend (Stephen Dorff), der zaghaft Justin T. nachspielt, und den Paparazzi. Als wäre ihr die letzte Zeit über den Kopf gewachsen, wie die Geschichte von der besoffenen Blitzhochzeit und dergleichen. Milchig weiß ist das Badewasser, in dem nicht nur sie sich ertränkt, auch pathetisch den ganzen Kram gleich mit ersaufen will. Am Ende war es dann doch nur eine Taufe für den Neuanfang. Als wollte sie sich reinwaschen in dem Weiß, das sie im Video von allen Seiten anstrahlt. Weiß als Farbe der Auflösung bis zum Aufgehen in der gleich aufgehellten Umgebung. Modefotograf David LaChapelle ist ein Spezi für Glamouroberflächen. Nachdem er mal Kiekse Vanessa Paradis in silbrige Posen drapiert hat, kam er zu unterschiedlichen Clips für Christina Aguilera: Sie als halbnacktes Boxenluder in "Dirrty" und züchtig in der einzigen Einstellung bei "The Voice Within". Jetzt ist er bei Britney und ihrem Zickenduett mit Stephen Dorff, der als Vampir in "Blade" zugegeben besser anzusehen war. Vom Anfauchen in der Limo über den Prügelansatz mit dem Fotografen bis zum Selbstmord wird alles durchgebreit. Und auch hinterher mit der Nachricht, dass eine verschärfte Clipversion zurückgezogen wurde: Noch so ein Klischee vom Schreien nach Publicity. [VERENA] BEWEGTE BILDER <05> - DE:BUG.83 - 06.2004 DAS CLIPKOLLEKTIV SHYNOLA INFO TEXT www.shynola.com VERENA DAUERER | [email protected] Da mag die Musikindustrie noch so jammern und die Budgets für Musikvideos kürzen. Die Clipschmieden kommen trotzdem. Von dieser Ausagbe an stellen wir sie euch in lockerer Folge vor. Den Anfang machen die Londoner Shynola, die für The Rapture, Radiohead oder Blur gezaubert haben. Gerne auch mit dem Amiga ... Traktor, Pleix, StyleWar oder Shynola haben was gemeinsam. Als hochrangige Videofactories verstehen sie sich immer und grundsätzlich als Kollektiv, die keine Solo-Hampeleien dulden. Nach außen treten sie geschlossen auf, während sie innen allerliebste Werbetrailer, Musikvideos und Filme fertigen. Sie existieren seit längerem und nicht selten sind es alte Kumpels, die sich gefunden haben. Im Vergleich gibt es bei uns, die Großproduktion DoRo mal außen vor gelassen, wenig ähnliche deutsche Zusammenschlüsse wie etwa die Berliner Blow Film oder das Regieduo Klöfkorn / Husain. VIDEO IST KUNST IST VIDEO IST AUTARK Seitdem ist es ihre Mission, Videos zu zaubern, die außerhalb der Musik als Kunstwerk bestehen können. Abwechslungsreich wollen sie auch sein. Clever wie sie sind, nehmen sie sich deshalb hin und wieder Co-Regisseure wie David Shrigley und Fiona Hewitt, die die Clips mit ihrem eigenen Stil würzen. Inspiration kommt aus verschiedenen Ecken, ihre kindlichen Animationen speisen sich aus ihren Vorbildern von Terry Gilliam über Andy Warhol, John Lasseter, der Mangaserie 2000 AD bis zu den Simpsons und vor allem Comiczeichner wie Tony Millionaire und Dave Cooper. Natürlich auch von den Musikern: Bei Radioheads "Pyramid Song" war die Vorlage ein Wirrtraum von Thom Yorke. The Raptures "House Of Jealous Lovers" sollte wie lebendig ge- wordene Punk-Posterschnipsel aussehen. Zufällig hatten sie gerade ein Buch mit alten Punk-Postern gekauft. "Ihre Direktheit war für ein Video perfekt und ihre Stümperhaftigkeit wirklich charmant", sagt Jason. Roh und ein bisschen schrundig, das scheinen sie zu mögen. Auch beim PC-Equipment, das immer zusammengeschraubt wurde. Oder bei ALDI gekauft. Mac-Ästheten sind sie sicher nicht. Vielleicht sogar ein wenig verwurstelte Nerds. Als sie bei "Move Your Feet" für Junior / Senior auf das alte Amiga Programm “Deluxe Paint” zurückgriffen, mussten sie jeden Pixel mit der Maus nachzeichnen. Jason erzählt: "Wir haben es benutzt, weil Kenny es als Kind genommen hat. Da konnte er es uns schon beibringen. Sonst nehmen wir den langweiligen Kram, den jeder hat." Nämlich Maya, Photoshop, After Effects, Premiere, Final Cut, Flame, wie bei "Go with the flow" für Queens of the Stone Age. Da wurde die schwarz angemalte Band vor einem Green Screen aufgenommen und aufwendig in der Postproduction rausgeschnitten, die Kamerabewegungen nachgezeichnet und die Umgebung generiert. Sie hatten sich darum gerissen und bei einem Pitch mitgemacht, was heute immer öfter üblich ist. Denn das Geschäft ist härter geworden, das Budget für die Clips gesunken. Aber Mainstream kommt trotzdem nicht ins Haus. "Lieber kauen wir auf den Fingernägeln", sagt Gideon trotzig. Und: "Wir sollten endlich einen Film machen.” Dann los. KOMUN.CH Die Schmieden haben zwar ihre jeweilige Spezialität wie Illustration, 3D-Umgebungen oder Animation. Aber eigentlich wollen sie sich niemals bei ihren Zutaten wiederholen. Shynola zum Beispiel, das Clipkollektiv aus London. Originell sind ihre Animationen sowieso: Traumwelten mit milchigen Unterwasserrelikten für Radiohead; delikat ziselierte 3D-Objekte, dazwischen kleine einäugige Püppchen für UNKLE; japani- sche Malerei für Lambchop; ein singendes Eichhörnchen als Pixelmopsi samt einem aus dem Toaster hopsenden Grinsetoast für die LoFi-Pixelstudie bei Junior / Senior; eine Punk-Collage, die sich mit Fanzine-Haltung für The Rapture animiert und natürlich ihre berühmte Grafikerorgie für Queens of the Stone Age, bei der zwei Trucks in der Wüste aufeinander krachen. Sie machen mit Sex bunte Blümchen und tragen Totenkopfmasken. Shynolas aktuelles Video ist eine krakelige Filzstiftanimation für Blurs "Good Song" mit Grausamliebe zwischen dem pummeligen Eichhörnchen und dem haarigen Schmetterling. Toppen können sie ihr Werk auch. Als nächstes basteln sie zur Krönung an den animierten Szenen für das Remake der 80er TVSerie "Per Anhalter durch die Galaxis". So schöne Sachen machen sie, die vier Jungs, die sich nach einer amerikanischen Schuhcreme benannt haben. Chris Harding, Jason Groves, Gideon Baws und Richard "Kenny" Kenworthy haben sich beim Studieren am Kent Institute of Art and Design kennen gelernt. "Wir hängen seit zehn Jahren zusammen rum. Mit den gleichen Hochs und Tiefs wie Musiker in einer Band", erklärt Gideon. Und zum Clipmachen sind sie gekommen, indem sie es gemacht haben. Kenny sah einen Artikel über UNKLE in The Face und schickte einfach was an Mo Wax' James Lavelle. Irgendwann meldete der sich wirklich und wollte eine Animation für seine Preisverleihung bei der Fernsehshow von NME. Das war 1999, und dann kam das erste Video für DJ Shadows Projekt Quannum. Undsoweiter. Drei von ihnen sind Grafiker, die sich von einem zweidimensionalen Verständnis heraus an Filme machen. www.alprausch.ch STREETART <06> - DE:BUG.83 - 06.2004 MIT DER UMGEBUNG VERBÜNDEN / Freaklüb TEXT KAREN KHURANA | [email protected] Freaklüb aus Barcelona bemalen Wände, als wären sie Folien für Comics. Was nicht heißt, dass sie ihren Wandcharakter ignorieren. Aber ihr kleiner orangehaariger Character kriegt meist eine komplett farbig verkleisterte Umgebung zur Seite gestellt, in der sie sich austoben kann. Neben der Wand bearbeiten sie T-Shirts, pflegen ihre Website und sitzen jetzt sogar an einem Film. Streetart erobert nach den Wänden alle Formate. Freaklüb sind ein Junge und ein Mädchen aus Barcelona. Seit zwei Jahren malen G1 und Empty als Freaklüb Deebision zusammen. An ihrer ersten Wand entwarfen sie Aunara, den rothaarigen Character, der sie seitdem begleitet. Aunara ist ein Mädchen mit irre funktionalen Haarflächen, die sich mal dicht geschwungen, mal lianenförmig ausgelassen mit ihrer Umgebung verbünden. Mittlerweile arbeiten sie neben der Straße auch für Magazine, entwerfen eine Kollektion aus Trainees, T-Shirts und Jacken in Freaklüb-Farben und vernetzen sich digital auch weit über Barcelona hinaus. Für ihr Frinkluc-Project schickten sie Aunara beispielsweise an verschiedene Writer und bekamen Interpretationen und visuelle Remixe zurück. Die Ergebnisse lassen sich auf ihrer Website sehen, die wie viele andere WriterSeiten und Streetart-Logs beweist, wie gut Graffiti auch im Netz aussehen kann. Debug sprach mit G1 übers Writerleben, ihr grafisches Konzept und ihr neuestes Projekt, einen Animationsfilm für ihre MasterCharactrice. DEBUG: Was macht ihr neben Freaklüb? FREAKLÜB: Im Moment arbeitet Empty in einer DesignAgentur. An den Wochenenden oder nach der Arbeit macht er mit unseren Sachen weiter. Ich arbeite Vollzeit für Freaklüb. Wir verdienen auch Geld damit, aber das stecken wir immer gleich wieder in Material wie Farben, Leinwände und Marker, um weitermalen zu können. Unser Ziel für die Zukunft ist aber klar, davon leben zu können. AUNARISM DEBUG: In fast all euren Pieces spielt Aunara eine Hauptrolle, manchmal erscheint das orangehaarige Mädchen sogar mehrmals in einem Bild ... FREAKLÜB: Ja, Aunara ist unser Master-Character. Sie ist eine rothaarige Figur von acht Jahren, die sich ständig fragt, was um sie herum geschieht. Aber um das klarzustellen: Sie ist nicht wütend. Auch wenn viele Leute finden, dass sie so aussieht. Ihr Gesichtsausdruck ist vielmehr indifferent. Ort dafür im Kopf? FREAKLÜB: Die ersten Pieces wurden mit Layouts gemacht, aber normalerweise malen wir ohne Entwürfe, wir machen das "freestyle". Aber wir tragen immer ein Sketchbook mit uns herum, in dem wir ein paar Linien einzeichnen, damit wir das letztendliche Format des Piece besser einschätzen können. DEBUG: Durch dieses ausgefeilte Drumherum gewinnt man den Eindruck, Aunara lebt gar nicht so sehr in Barcelona, sondern in einer Art Parallelwelt. FREAKLÜB: Ja, genau. Darüber ist der Kurzfilm, an dem wir gerade arbeiten. Er ist eine Erklärung dieser parallelen Welt, in die sie eintritt. DEBUG: Wie ist denn die Storyline? FREAKLÜB: Das Drehbuch ist noch geheim. Es geht um die erste Erfahrung von Aunara in ihrer eigenen Welt. Da gibt es viele Fragen, die der Film zu lösen hat. Wir zeigen darin, wie man in unsere Graffitis hineinkommt, nämlich über eine Kamera. Mehr kann ich dazu aber nicht sagen. Noch nicht. DEBUG: War es denn schwierig, sich zu überlegen, wie Aunara sich bewegen muss? Ihr kennt sie ja eigentlich nur als Still. FREAKLÜB: Ja das stimmt, aber für uns ist das einfach: Wir vertrauen da komplett auf die Jungs vom Quert Team, die Aunara für den Film modellieren und animie- DEBUG: Zur Zusammenarbeit: Gibt’s eine Arbeitsteilung? FREAKLÜB: Nicht direkt, wir haben unseren Stil gemeinsam entwickelt. Die ursprüngliche Idee für die graphischen Umgebungen kam von Empty; das Set von Umgebungen haben wir dann aber zusammen entwickelt, also die Sterne, Vektoren, die Kombination von Farben ... DEBUG: Worum geht's euch beim Malen? FREAKLÜB: Wir machen das als Therapie. Wir mögen es einfach zu malen. Wir finden das gut, Dinge für andere zu entwerfen - die anderen mögen, was wir machen. Das ist irgendwie eine gute Sache. DEBUG: Ist Aunara ein Einzelkind? Habt ihr euch schon überlegt, ihr ein paar Freunde zu malen? FREAKLÜB: Ja, wir haben uns schon einen Haufen Charactere um sie herum ausgedacht. Sie hat keinen Vater, aber einen kleinen Bruder namens NWortbert und eine Mutter. Sie hat auch einige Freunde wie Mizunia, ein dunkelblau-haariges Mädchen und Waxee, einen Freund, der in Singapur lebt. Wir werden denen allen auch mehr Zeit widmen und sie zeigen. Jetzt ist erstmal Mizunas Moment. Sie wurde schon mit vielen anderen Freunden gezeichnet, zum Beispiel mit Kid Acnes Warriors, Miss Vans Character, den Flying Fortress Bären und den sehr bekannten Bimbos von Boris Hoppek ... Sie will mehr Freunde. Meldet euch! DEBUG: Ihr nutzt ja oft ein klassisches, nämlich rechteckiges Bildformat, in dem ihr euren Character noch mal über die äußere räumliche in eine gemalte Umgebung versetzt. Eure Pieces erzählen so oft eine Geschichte oder vermitteln eine Stimmung zum Mitnehmen. Entwickelt ihr eure Bilder schon vorab mit dem DEBUG: Graffiti und Street Art scheinen immer stärker auch Leute adressieren zu können, die nicht unbedingt aus dem HipHop-Kontext kommen. FREAKLÜB: Das stimmt. Das hat sich in den letzten Jahren noch mal verstärkt: Sehr viele Leute, die nicht vom HipHop kommen, arbeiten jetzt auf der Straße. Empty kommt zum Beispiel auch nicht aus dem Umfeld. Es gibt mittlerweile viele bekannte Writer weltweit, die nicht mit einer bestimmten Subkultur verbunden sind. Die Zeiten haben sich geändert. Es geht weniger um ein Label wie HipHop, es geht einfach darum, seine Arbeiten zu zeigen und sich auszutauschen. DEBUG: Dazu passt ja auch, dass die Netzpräsenz stetig wächst. Die dokumentarischen Photos scheinen dadurch zunehmend eigenen gestalterischen Spielraum zu entdecken, betonen Blickwinkel, setzen wahlweise INFO Freaklübs Main Character ist ein Mädchen mit irre funktionalen Haarflächen, die sich mal dicht geschwungen, mal lianenförmig ausgelassen mit ihrer Umgebung verbünden. G1: Das erste Mal, als Empty mich bat, was zu malen, dachte ich an einen Character mit einfachen Formen und flachen Farben. Nuancen und Übergänge sind ja nicht so leicht für einen Amateur-Writer. Also haben wir dieses rothaarige Mädchen für die erste Wand gemalt. Das Gesicht haben wir noch angepasst, es ähnelt jetzt stärker der Figur, die Empty früher schon um die Stadt gebombt hat. Sie ist also eine Art Mix aus zwei Charactern. geraden Linie, ihre Augenbrauen aus einer Parallelen dazu mit zwei kleinen Strichen von dort hinunter für ihre Augen, was diesen neutralen, mal minimal nuancierten Ausdruck in ihr Gesicht zaubert. Wie macht ihr das in eurem Kurzfilm? Wird Aunara anfangen zu lächeln? FREAKLÜB: Vertrau uns: Sie ist nicht wirklich traurig. Sie ist indifferent. Aber es stimmt, in manchen Arbeiten haben wir ihr Gesicht etwas verändert. Im Kurzfilm wird es einige Frames geben, in denen es tatsächlich aussieht, als würde sie lächeln, aber wir wissen es besser. Das sind nur Kamera-Effekte. www.freaklub.com LOGS MIT BILDERN, INTERVIEWS, NEWS: www.woostercollective.com ekosystem.org ren. Wir haben eine Menge Dinge von ihnen gelernt, z.B. wie schwierig es ist, unsere Umgebung dreidimensional werden zu lassen. Wir haben denen einige elektronische Strukturen aus Vektoren vorgegeben, die Quert dann aufgeblasen haben, um ihnen das richtige Volumen zu geben. DEBUG: Kennt ihr euch gut? FREAKLÜB: Wir kennen die zwei von der Straße. Ein Typ hat uns mal vorgestellt und wir waren sehr beeindruckt von ihren Arbeiten. Die zwei arbeiten viel in 3D, also auch für Architektur oder Industrie-Geschichten. Wir sind jetzt schon im 8ten Monat - solang haben wir noch nie mit jemandem an einem Projekt gearbeitet. Wir haben dabei viel Disziplin geübt - in Kreativität und Kopfschmerzen! Aber Quert sind wirklich absolute Genies. Wir mögen die sehr gern. DEBUG: Obwohl ihr mit bunten Farben arbeitet, sieht das orangehaarige Mädchen immer ein wenig traurig aus. Ihr Mund besteht ja aus einer mehr oder weniger Licht, Tools und Writer für den eigenen Bildaufbau ein. Es gibt zum Beispiel dieses Photo, auf dem Aunara scheinbar aus ihrem Piece herausschaut auf einen Eimer und Pinsel, die vor ihr und der Wand herumliegen. Wie seht ihr denn die Netz-Entwicklung? Mit den Logs und verschiedenen Künstler-Websites lassen sich doch viel mehr Arbeiten in kürzerer Zeit sehen, als wenn man reist. FREAKLÜB: Das stimmt. Dank dem Netz und Logs wie Woostercollective oder Ekosystem haben wir neue Freunde in der ganzen Welt gefunden. Was wir an der Straße genauso wie am Netz mögen, ist: Es sind Orte, an denen jeder sich mehr oder weniger verwirklichen kann, ob mit Graffiti, Mode oder Malerei, und dass die in diesem Sinne frei sind. Das ist sicher das Beste daran. Auch wenn die Straße nach wie vor unser Lieblingsort ist - für uns ist es das Gleiche, ob man nun an Graffiti, Kleidung, Photographien oder auf Leinwand arbeitet. Wir wollen einfach immer neues Zeug rausbringen. Das ist unser Deal. DAS NEUE T630 MIT BRILLANTEM FARBDISPLAY UND – the easiest way to share pictures Extra Kameraauslöser Brillantes, hochauflösendes TFT-Farbdisplay In den Farben Liquid Black oder Frosty Silver 65.536 Farben Eingebaute Kamera BluetoothTM Technik Mit vorinstalliertem Game-Klassiker V-Rally 2 www.sonyericsson.de COVERLOVER <08> - DE:BUG.83 - 06.2004 INFO MR. COVERLOVER ... / Eh? designen Lex Records www.ehquestionmark.com www.holdnohostage.co.uk In der nächsten Ausgabe: Jon Wozencroft TEXT CLARA VÖLKER | [email protected] Das Ausnahme-HipHop-Label Lex Records ist nicht nur durch seinen Sound unvergleichlich geprägt. Die von der britischen Designcrew EH? entworfenen Plattenhüllen steuern ihren Teil zum extravaganten Gesamtbild bei. Als Auftakt zur neuen Debug-Serie "CoverLover" haben wir sie nach ihren Ansichten zu Grafik und Graffiti, Design und Musik und Arbeitsphilosophie gefragt. Lex-Cover sind kleine Schätze aus dicker Pappe. Ihr grüner Gestaltungsfaden ist so charismatisch wie schnörkelig schlicht. Ehquestionmark heißt die britische Crew, die für das Artwork des Warp-HipHop-Unterlabels verantwortlich zeichnet. Mit Liebe zum Detail und einem ausgeprägten Sinn für Formschönheit und materielle Abstraktion gestalten sie Cover um Cover derart liebevoll analog, dass sich so manch anderer Designer eine Ecke davon abbrechen könnte. Keine Serienprodukte, sondern auf die jeweilige Platte abgestimmte, kostbare Verpackungen. Hier werden Hüllen zu so dauerhaften wie fühlbaren Kunststücken. EINSTELLUNG : "Unser gemeinsames Arbeitsfeld und Fundament ist wohl die Typografie. Wir stecken eine Menge Leidenschaft da rein, verdienen aber kein Geld damit. Ehquestionmark haben wir als kommerzielle Organisati- on gegründet, damit wir von unseren Talenten leben können, um unser Wissen zu kapitalisieren. Daneben haben wir alle unsere eigenen, selbstzwecklerischen, in kreativer Hinsicht freien, nicht-kommerziellen Projekte am Laufen, die uns glücklich machen. Wir haben mit verschiedenen Bildschirm-Medien gearbeitet, aber Druck- und Farbe-basierte Medien sind unsere Spezialität: Publikationen, Wall Art, Werbung, Verpackungen und Kleidung. An jeder neuen Arbeit messen wir unsere Integrität. Du bist nur so gut wie dein letzter Shit, plus es muss mindestens eine Dekade lang halten. Wir versuchen, bei allem immer etwas zu lernen und wirklich unser Bestes zu geben. Dabei vergessen wir nie, dass dies zur Auszehrung der Ressourcen der Erde beiträgt." STEREOTYPE: "Meistens werden wir als Grafik-Designer oder Graffiti-Writer bezeichnet, Stereotype, die uns nicht besonders zusagen. Wir sind einfach Künstler, wir zielen auf Veränderung und streben nach vollständigem kreativen Individualismus – und nach Essen auf dem Tisch. Versteh uns nicht falsch, wir lieben die Mischung aus Anarchie und Typografie, die mit Graffiti einher geht, wir haben uns eine wirklich gesunde Obsession für fiese fette Zeichen angeeignet. Handschriften sind ein enorm wichtiger Aspekt von Graffiti und wie viele Designer zeichnen überhaupt noch? Es gibt zu viele Blender und schale profitgeile Cowboys in beiden Bereichen. Und es werden täglich mehr, die eine erstaunliche Menge grünschnabeligen, unausgegorenen, unechten und beschränkten Müll machen, der unsere Augen tagein, tagaus verschmutzt. Teilweise spornt uns das an, aber mit Sicherheit wollen wir da nicht hin. So ein grober Mangel an kreativer Integrität - aber wir vermuten eh, dass 90% aller Praktiker in jedem Feld pseudo sind - schau dir mal Klempner an. Wir wollen nicht zu selbstlobend, faschistisch oder anstößig klingen, wir sehen uns selbst nicht als Pioniere. Wir bemühen uns einfach, zugleich etwas Frisches und Liebevolles innerhalb der Zwänge dieser kapitalistischen Maschinerie zu kreieren. Es gibt nur eine Handvoll heimlicher Künstler, die den Major-Blowjobs widerstehen, und diese Künstler möchten wir durch unser Magazin ('Hold No Hostage') auf einem internationalen Level repräsentieren." FREIRAUM UND VERPACKUNG: "Lex vertraut uns genug, um uns vollen kreativen Freiraum zu geben und pumpt ein anständiges Budget in ihre Verpackungen - etwas, das in dieser Industrie mehr als fehlt. Dennoch gibt es bei jedem unserer Stücke noch immer zu viele Einschränkungen, mit denen wir kalkulieren müssen, um in das Budget zu passen und die Musiker glücklich zu machen. Wir haben eine Menge Respekt vor Musik-Verpackungen als Kunstform, und es ist einer der wenigen Wege der Musikindustrie, mit greifbaren Formaten gegen MP3 anzukommen. Zudem ist es eines der wenigen kommerziellen Medien in der Grafikwelt, das individuelle Kreativität verlangt. Es ist ein Pluspunkt, wenn der Sound exzellent ist, aber das ist nicht immer so. Es gibt einige wirklich erstaunliche Klangstücke in unfertigen, belanglosen Hüllen, ebenso gibt es eine Menge wunderschöner Hüllen mit lahmem Inhalt auf dem eigentlichen Medium. Das eigentliche Produkt muss die Zeit und den Aufwand wert sein, die man in seine Fassade gesteckt hat, sonst ist es bloß ein fäkaler Polierjob – finanzielle Umstände können das gewöhnlich beeinflussen. Die Verbindung eines schicklichen Stücks Musik mit einer geschickt ausgefeilten Hülle machen ein sorgsam handgemachtes Produkt – einen wahren Schatz." ENTERTAINER-HOP INFO MOPSFIDEL DANK R’N’B / Mocky TEXT Mocky, Are + Be, ist auf Fine/Four Music erschienen BAAS DÖHLER | [email protected] Mocky ist mit seiner angenehm Style-verliebten und dabei ureigenen Definition von Pop und dieser reizenden Prise an Bad-Boy-Attitüde so etwas wie eine glamouröse, funky Version von The Streets. An Sonnyboy-hafter Nonchalance ist seine R'n'BParaphrase "Are + Be" kaum zu toppen. DEBUG: Siehst du dich selbst eigentlich als einen "Natural Born Entertainer"? MOCKY: Ja! (lacht) Ok, vielleicht nicht so sehr natural born. Ich glaube, es ist eine Frage der Persönlichkeit, des Charakters. Man arbeitet irgendwie sein Leben lang daran und kann auf so vielfältige Art und Weise ein Entertainer sein. Die einen mögen es einfach nur lustig, die anderen eher durchgeknallt und scary. Es gibt die, die auf die Bühne kommen und das gesamte Publikum im Handumdrehen für sich gewinnen. Na ja, und dann gibt es da noch die anderen (lacht). Ich denke, ich bin da eher ein "Natural Born Musician", ein Songwriter. Auch wenn ich auf der Bühne stehe und versuche lustig zu sein, ich die Leute zum Tanzen bringe oder gar zum Lachen. Ich sehe mich zu allererst als Songwriter. DEBUG: Kannst du dir denn vorstellen, irgendwann einmal auf einer großen Bühne in einem wirklich großen Stadion zu stehen, so wie Robbie Williams vor etwa einem Jahr? MOCKY: Oh ja! Ich habe nur gerade ein Problem damit mir vorzustellen, wie wohl zehntausende Menschen drauf sind, die mich auf einer solchen Bühne sehen wollen. Aber warum eigentlich nicht. Wie gut, dass ich in diesem Sommer schon mal auf ein paar Festivals üben kann. Aber ich denke, dass es von der Aufregung und Nervosität her für mich keinen Unterschied machen würde, ob ich nun vor Einem oder vor Tausenden spielen würde. Die Leute unterhalten und ein wenig Abwechslung in den Laden bringen. Das liebe ich. DEBUG: Arbeitest du lieber allein? MOCKY: Oh, nein. Ich habe schon mit vielen Musikern zusammengearbeitet. Da wären zum Beispiel Gonzales, Peaches, Jamie Lidell oder Kevin Blechdom. Ich glaube, dass die besten Dinge entstehen, wenn man die Menschen, mit denen man etwas zusammen schafft, kennt. Wenn man weiß, wie sie ticken, ihre Stärken und Schwächen kennt, wenn es eine emotionale Basis gibt. Diese gemeinsame Liebe zu dem, woran man gerade arbeitet. Und nicht nur dieses Remixen via E-Mail. Und auf meinem nächsten Album möchte ich mit noch mehr Leuten an jedem einzelnen Track oder Song arbeiten, als ich das auf "Are + Be" schon getan habe. Ich möchte alle Register ziehen, alle verfügbaren Technologien nutzen, das Beste jeden Stils und Styles, die Superpower aller Teile zusammentragen und zu etwas ganz Großem verschmelzen. Der Schlüssel ist es zu erkennen, das jeder Einzelne eine ganz besondere Fähigkeit hat. Und all dies möchte ich versuchen zusammenzubringen. Aber für "Are + Be" wäre das alles zuviel geworden. Denn bei diesem Album stand für mich das Songwriting im Vordergrund. "Are + Be" ist für mich das Ende meiner Laptop-Pop-Phase. Dafür bin ich u.a. Menschen wie Snax sehr dankbar. DEBUG: Und nun wagst du eine Neudefinition von Pop? MOCKY: Ich versuche es zumindest. Es ist meine ganz persönliche Reise durch all die ganze, mehr oder weniger experimentelle Musik der letzten drei, vier Jahre. DEBUG: Wie hat dich Four Music eigentlich für sich gewonnen? MOCKY: Mit Michi Beck. Ja. Es waren seine Erfahrung und Inspiration, die mich beeindruckt haben. Ich kannte bis zu diesem Zeitpunkt lediglich Die Fantastischen Vier. Und fragte mich: "Meinen die das denn jetzt wirklich ernst?" Aber das Klima und das ganze Drumherum haben mich überzeugt. Die Frage ist für mich immer: "Was möchte ich mit meiner Musik machen?" Ich möchte, dass die Leute meine Songs im Radio hören. Es geht mir einfach nicht um diesen Underground-Gestus. Und da war Four Music einfach die beste Wahl, die ich treffen konnte. Welches Undergroundlabel veröffentlicht schon eine R'n'B- Platte? Oder kennst du etwa Underground R'n'B? Also ... DEBUG: Da wäre dann noch der amerikanische Billboard R'n'B. MOCKY: Genau. Der war der ausschlaggebende Punkt für mich, das Album "Are + Be" zu nennen. Vor drei Jahren, als mein erstes Album erschien, fragte mich jemand: "Und wie wird dein nächstes Album so sein?" Ich sagte einfach: "Ich werde ein R'n'B Album machen!" Nur meinte ich eben eine andere Bedeutung von R'n'B. Ich war früher ja bei Gomma. Und das war auch nett. Nur stilistisch wollte ich eben einmal etwas anderes machen. Und das geht nun. Manchmal macht es für ein Album einfach mehr Sinn, den so genannten Underground zu verlassen. DEBUG: Stell dir vor, dein Telefon klingelt. MOCKY: Oh. Sorry. Moment! DEBUG: Ähm, nein. Also angenommen, es würde klingeln. Und Madonna ist am anderen Ende der Leitung. MOCKY: Aha? DEBUG: Ja. Sie ist es wirklich. Nun, und sie bittet dich um einen Gefallen: einen Remix von "Like A Virgin". MOCKY: (fast aufspringend) Orchester! Ein riesengroßes Orchester! Mit Madonna. Tanzend. Im Video. Und ich singe. Yeah! Das wird so eine Art Jazzballade. Ich komme auf die Bühne, vielleicht tanze ich sogar. Madonna dann irgendwo im Hintergrund. Egal, es wird auf jeden Fall ungemein jazzy. TECHNO Miss Kittin, I Com, ist auf Labels / EMI erschienen. David Bowie, Heroes, RCA, ist 1977 erschienen. Sylvia Robinson, Pillow Talk, Philips, ist 1973 erschienen. Christian Kracht, 1979, Kiepenheuer & Witsch, hat’s kürzlich für 5 Euro bei "2001" gegeben. SIE TANZT, SIE SINGT, SIE FÄHRT AUTO / Miss Kittin TEXT BILD JAN JOSWIG | [email protected] SIBYLLE FENDT Erst war Caroline Hervé als DJ die Camouflage-tragende Romantikerin der Wald-und-Wiesen-Raves, dann der singende Charme-Bolzen des Electroclash-Sommers. Jetzt macht sie sich mit ihrem Album "I Com" auf den Weg, die non-traditionalistische Hoffnung des schwächelnden Neo-Chanson-Szene zu werden - unbeabsichtigt, aber toll. Miss Kittin ist David Bowie. Was für eine Travestie. Um endlich aus diesem beschämenden Spiel herauszukommen, ist Miss Kittin sogar so weit gegangen, sich ihre Oberarme tätowieren zu lassen. Mit basalen Mitteilungen wie "inhale", "exhale". In Fraktur. Das hat eine zeitlang wirkungsvoll von der Identitätsüberlagerung abgelenkt. Bowie würde seinen Alabasterkörper nie tätowieren lassen, die H-Nadeln haben gereicht. Aber mit ihrem ersten "Solo"-Album "I Com" hat Miss Kittin mit einem Hüftschwung eingerissen, was die Tätowierungen auf beiden Armen mühsam aufgebaut hatten. Warum muss sie einen Track auch "Neukölln 2" nennen? Das setzt doch noch den verschnupftesten Spürhund auf die richtige Fährte. "Neukölln", so hieß dieser legendäre Schwermutsgeräusche-Track auf Bowies "Heroes"-LP (wenn auch mit nur einem "l"). Die stupenden Parallelen drängen sich ab diesem Indiz auf die Hand: Bowie war zur "Heroes"-Phase nach Berlin übergesiedelt, Miss Kittin ist es zu "I Com" auch. Beider Lieblingsplatz: der Wochenmarkt am Neuköllner Ufer. Bowie hatte gerade nach "Young Americans" und "Station to Station" seine Dancephase abgeschlossen. Miss Kittin mit ihrem Songwriteralbum "I Com" zwischenzeitlich auch. Sie hat nur etwas länger gebraucht bis zu diesem Schritt. Aber mit Thies Mynther und Tobi Neumann als Produzenten hat sie ebenbürtige Partner zu Bowies Tony Visconti und Brian Eno gefunden. Ab geht’s in die experimentell elektronische Popphase. Experimentell heißt vor allem, ich spucke auf eure Noten, Songs schreibt man in Bildern. Das geht so, zum Beispiel beim Pianosolo von "Happy Violentine": "He, Thies, du stellst dir jetzt vor, du wärest ein Vampir. So richtig im düstersten Moment der Nacht, mit riesigem Cape und vorgerecktem Spitzzahngesicht." Und Thies zieht die Schultern hoch, fletscht die Zähne und haut in die Tasten, wie es sich kein Komponist als kongenialere Umsetzung seiner Partitur erträumen könnte. Oder ist Miss Kittin doch Sylvia Robinson? Der Track "Requiem For A Hit" auf Miss Kittins "I Com" sampelt im Interlude die Modern-Soul-Formation "Ray, Goodman & Brown", die davor als "The Moments" unter Sylvia Robinsons Regie standen. Auf dieses Sample schwört zumindest das Ohr des Journalisten. Miss Kittin hingegen legt ihre Künstlerinnenhand dafür ins Feuer, dass die Stelle Ton für Ton selbst eingespielt wurde. Egal, die Assoziation ist da. Und beweist diese unbewusste musikalische Mimikry nicht erst recht eine Seelengemeinschaft zwischen Miss Kittin und Sylvia Robinson? Sylvia Robinson war eine der toughesten Geschäftsfrauen im Musikbiz. Als Geschäftsführerin von "Sugarhill Records", dem Label, das HipHop mit der "Sugarhill Gang" auf die Schallplatten-Landkarte gebracht hat, lehrte sie jedem Konkurrenten legendär das Fürchten. Gleichzeitig hauchte sie aber als "Sylvia" die anschmiegendsten "Pillow Talks" ins Mikrofon. Ein Januskopf von einer Frau. Schillert Miss Kittin nicht auch faszinierend zwischen kalkulierender Verwalterin ihres Star-Potenzials und dem Image vom naiv unverstellten Privatmenschen? Ihre Website misskittin.com spricht einen im Stil eines persönlichen Briefes an mit lustigen Skribble-Figürchen und krakeligem Handschrift-Lettering. Ihr Album sagt "Miss Kittin" und "I". Aber die Seite ist kein Ein-Personen-Weblog und die Platte kein Ein-Personen-Bedroomfolk. Beides konnte nur im Teamwork entstehen. Ein Team mit einer Königin (“It’s Good To Be The Queen”, Sylvia Robinson). Ein Team, dessen Aufgabe darin besteht, Miss Kittin so sichtbar und sich selbst so unsichtbar wie möglich zu machen. Miss Kittin will, dass man sich mit ihr auseinander setzt, nicht mit einem Kollektiv. Selbst wenn sie in ihren Texten genau das problematisiert, so kreist sie immer noch um sich selbst. Aber das ist ihr nicht wichtig aus Egomanie, sondern aus Nostalgie: Sie kann nicht lassen vom ursprünglichen Erlebnis des direkten Händeschüttelns zwischen DJ und Publikum auf Spiral-Tribe-Parties im französischen Hinterland um ’93 – und wenn es auch nur als Teil-Simulation zu retten ist. Das nennt man wohl Einrichten in der Professionalität. Beweist nicht MOABEAT Limitiere Erstauflage als Doppel-CD mit Instrumentals - Mix www.newnoise.de www.xtaster.de www.labelsmusic.de ihr Z3 Cabrio (siehe Foto) den gleichen Geist? Eine poshe Angeberkarre, würdig eines Stars – aber dank versenkbarem Dach mit dem Höchstmaß an direktem Kontakt zu den Mitmenschen. Mitmenschen, nicht Volk. Miss Kittin biegt sich selbst Image- und MarketingKontrolle zu einem kreativen Spiel zurecht. Und Limitierungen, die ihre künstlerische Abenteuerlust hemmen könnten, ignoriert sie einfach. Wofür hat man denn schließlich diesen Akzent, mit dem selbst das Verlesen eines Todesurteils noch wie ein Frühlingsgedicht klingen würde? Und genau diese charismatische Resistenz gegen jeglichen Zynismus hat sie auch bei ihren diversen Gesangskollaborationen vom Golden Boy über Sven Väth bis zu Felix Da Housecat so faszinierend gemacht: Nie war sie Vorzeigepuppe, die weitergereicht wird und die schließlich mit verhärmten Mundwinkeln ihren Teil des Kuchens einklagt – wie Verona Feldbusch, Naddel oder Thomas Anders. Immer war sie die Gallionsfigur, ohne die jeder Kahn sang- und klanglos auf Grund laufen würde. So ausgeprägt wie auf "I Com" hat sie ihre Stellung als Gallionsfigur einer abenteuerlichen Musikodyssee entlang einer Elektronika-Chanson-Küste zwischen David Bowie und Sylvia Robinson allerdings nie ausgespielt. Und wenn sie jetzt immer noch jemand “Singender DJ” nennen sollte, dann kann das nur so verehrungsvoll gemeint sein wie bei Gene Autry, dem “Singing Cowboy”. PS: Gerade habe ich mit meinen Freunden von der Jugend-CSU gesprochen, die ich über unseren gemeinsamen Bekannten Christian Kracht kenne. Die wollten entrüstet wissen: "‘I Com‘? Was nimmt sich diese französische Katze heraus, ein bayrisches Mundartalbum herauszubringen?" PPS: Warum Miss Kittin "inhale" auf dem rechten Oberarm, "exhale" auf dem linken stehen hat? Ihr Doofies, natürlich weil bei jeder, aber wirklich jeder Yoga-Übung nach links ausgeatmet wird. Das wusstet ihr nicht? Miss Kittin verbindet mit David Bowie die Liebe zum Neuköllner Wochenmarkt in Berlin. Was sie unterscheidet, sind die Tattoos. Nach N.E.R.D. & Neptunes die nächste echte Dringlichkeit! DRINGLICHKEIT BESTEHT IMMER CD & DOLP Und wenn die Schwätzer auch behaupten mögen, der deutsche Hip Hop sei eine tote Schiene ... Moabeat ist die Zukunft. Hier & Jetzt! Tour & News auf www.moabeat.biz <09> - DE:BUG.83 - 06.2004 INFO TECHNO WENN EUPHORIE, DANN TRACK AIR LIQUIDE TEXT MARTIN OSTI/ALJOSCHA WESKOTT | [email protected] Dr. Walker und Jammin' Unit legen nach. Nach Major-Deal und Flutkatastrophen stellen sie sich mit ihrem neuen Album breitbeinig in die Disco. Zehn Jahre Business konnten den beiden nichts anhaben. Die Maschinen lieben sie immer noch. Und umgekehrt sowieso. Im Garten der Legende ... Die Architektur der Disco hat sich verändert. Sie war damals noch anders: dunkler, rougher, verrückter und meistens unter Tage. Eine Überschwemmung in Köln ruinierte Mitte der 1990er-Jahre das Equipment der krachenden Gehirnelektroniker Air Liquide. Viele Platten wurden fortgespült, zahlreiche Maschinen, d.h. selbstgebaute Synthesizer verwüstet. Walkers Sammelleidenschaft für Maschinenbauteile jeder Art tat das aber keinen Abbruch. Cem aka Jammin' Unit konnte hingegen durchatmen. Schließlich war im Kellerloch des damaligen Clubs Liquid Sky, auf einer alten Kegelbahn, die um kleinere Beträge. Im Vergleich zum Force-Inc-Chef Achim Szepanski waren es beispielsweise nur Peanuts. WAVES All das hat auf den Kultstatus von Air Liquide nicht abgefärbt. Eine gewisse Reife ist ihnen anzumerken. Das gilt nicht für ihren Sound. Air Liquide machen keinen Air-Liquide-Sound. Aus purem Begeisterungsterror für jeden skurrilen Soundschnipsel sind sie nie eingerostet. Eine fast jugendliche Unruhe und Aufgeregtheit ist geblieben. Ihre Produktionsweise entspringt spon- Eine gewisse Reife ist ihnen anzumerken. Das gilt nicht für ihren Sound. Aus purem Begeisterungsterror für jeden skurrilen Soundschnipsel sind sie nie eingerostet. Luft ziemlich dünn geworden. Aus den hirntechnoiden Soundschraubern von einst und nach Jahren verschiedener Solo-Pfade sind Air Liquide nun in ein anderes Disco-Stadium getreteten, das in dieser Konsequenz von ihnen noch nicht zu hören war. Dieses Album hätte auch schon vor zehn Jahren erscheinen können, meint Cem. Aber damals domierte sie noch andere Soundformate. Gewisse Kontinuitäten gibt es dennoch. Auch ein Jahrzehnt später begegnen Air Liquide bei ihren LiveSets noch immer Menschen, die es sich nicht nehmen lassen, pikante Fragen nach technischen Details zu stellen: "Was ist das für ein Widerstand, den ihr da zwischen Gerät A und B eingebaut habt?" Das nervt, oder nicht? TROUBLE Dann folgten Jahre bei Majors, u.a. bei Sony, EMI und zuletzt BMG. Dort, so erinnert sich Cem, ereignete sich schließlich ein mittlerer Alptraum. Kein Benz holte sie ab, als der Chef persönlich zum Essen lud - auf eine Pizza, ganz leger, ganz locker, tatsächlich aber nur zu einer. Zu dritt kauerte man an besagtem Stück, bis der BMG-Boss einen Segelflieger-New-Age-Chill-OutSound in seinen CD-Player einlegte und davon sprach, dass er ja ihre Platten kennen würde. Das kratzte am Nervenkostüm, schürte ein schon vorher tief ausgeprägtes Unbehagen gegen die Musikindustrie, das sich bis heute fortzusetzen wusste. Also weg von den Majors, hin zu Multicolor, dem kleinen exquisiten Weltmusik-Label mit elektronischem Anstrich. Denn im Laufe der Zeit sind für Air Liquide solch schlechte Wiederholungen lästig geworden. Das gilt auch für die mafiöse EFA-Bande, die sie abzuziehen wusste, wenngleich nur INFO Air Liquide, Let your Ears be the Receiver, ist auf Multicolor / Intergroove erschienen. tanen Euphorieschüben. So erreicht zwischendurch den in Berlin lebenden Cem eine SMS aus Köln, dass alte HipHouse-Platten wieder geil klingen, das damit etwas gemacht werden müsste. So werden Ideen entwickelt. Das neue Album wurde live produziert. Drei Tage waren sie in einem leeren Club in Köln und haben mit den vorher programmierten Soundpattern improvisiert oder besser: gespielt. Das war die Basis der LP. Erst einen Fundus von Beats basteln, der alle momentanen Einflüsse streift und dann im Club das Geschehen schon vorwegnehmen. Aber was begeistert sie? Wie wählen sie etwas aus, wenn nie ein Konzept aufblitzt? "Mich begeistert eine leidenschaftliche Intensität, etwas, das Eindruck hinterlässt. Der Krach von Alan Vega. Er schwitzt und es passiert etwas. Dieser bestimmte Vibe ist das Auswahlkriterium auch für unsere Musik." Es geht nicht zuletzt darum, sich selber zu programmieren, sich mit Stimmungen zu manipulieren, um einen Sound zu finden. Nicht mehr Klangforschung, sondern programmierte Vielfalt ist dem Album zu entnehmen. Mal tümmeln sich schwere Bassläufe in einer etwas angestaubten amerikanischen Big Beat Boutique, mal werden Soulstimmen zu Husarenritten ausgebaut, bis im Feuersturm der Gefühle ein kleiner Riss dazu genutzt wird, um alles zu einem Medley auszubauen, das den Saturday-Night-Fever-Soundtrack in die Gegenwart zu holen scheint. Das ist irgendwie entrückt und soll auch so wirken. Von einem "Beschleunigt-Werden" redet daher Cem. Im gleichen Atemzug auch von einer Sexyness, die nicht ironisch rüberkommen soll, obwohl zwischendurch ein sprachbasiertes Sample "Danke auch" auf den Dancefloor ruft. "Danke auch?", das bezieht sich auf den Sumpf, auf die 90 Prozent Hass im Medien-Alltag und die zehn Prozent Regeneration in der eigenen Musik. Air Liquide setzen in ihrer besonderen Liebe zu den Maschinen auf Klarheit. HOUSE <11> - DE:BUG.83 - 06.2004 INFO Die Labelcompilation von Get Physical ist auf Get Physical / Intergroove erschienen. KRACHER MIT HERZBLUT / Get Physical www.physical-music.de TEXT BILD PATRICK BAUER | [email protected] Wissen, was gut ist. Das Houselabel Get Physical und die sechs Köpfe, die dahinter stecken, wissen wo der Bartel den Most holt und kreuzen Erfahrung und Einflüsse zu tanzaktiven 12"s zwischen Disco, Electro und Chicago-House. Jetzt ist die erste Compilation erschienen. Am Abend des 28. Januar 2002 konnte keiner der Anwesenden ahnen, dass man soeben dem Dancefloor eine vereinte Konsequenz beschert hatte, die ihm bis dato fehlte. Es war am Berliner Helmholtzplatz, das Essen war gut und Miss Kittin saß am Nebentisch: Get Physical war geboren. Vor zwei Jahren war es einfach an der Zeit, Kräfte zu komprimieren, Fähigkeiten zusammenzulöten und Vergangenheit zu bewältigen. Denn davon war reichlich vorhanden. Sechs Leute, sechs Backgrounds, ein Team: Patrick Bodmer und Philipp Jung, die im Doppel seit 1992 House-Volleys und TechnoDrops an die Netzkante kleben. Die Produzenten Walter Merzinger, Arno Kammermeier und Peter Hayo, besser bekannt als Booka Shade. Und Thomas Koch. Das T unter den DJs, Begründer der "Groove“, der Clubsockel Frankfurts. Schnitt: wieder Berlin, wieder beim Essen. Der Duft von Tiefkühlpizza und Sommerbeginn liegt über der Runde. Walter und Arno als Vertreter des Studios, Thomas als DJ T. und Patrick als Hälfte des zweiten Get-PhysicalAushängeschilds M.A.N.D.Y. referieren bei einem Sixpack über Zwischenfazits, Teamarbeit und die bald erscheinende erste Compilation. Noch schwelgt man in der Erinnerung an den magischen Startmoment der Labelbrüderschaft. "... in dem Augenblick hab’ ich gewusst, dass ich das noch mal machen kann und will, obwohl ich das aktive Musikmachen schon abgehakt hatte“, erinnert sich Thomas. Seine ersten Studioversuche 1987 verliefen weniger befriedigend, weshalb er sich in der Folgezeit äußerst erfolgreich auf das Auflegen konzentrierte. "Bei mir ist quasi alles aus dem DJ-Sein heraus gekommen, auch das Magazin zu machen. Die Groove habe ich aus der Konsumenten-Sicht des DJs begonnen, wollte Kontakte knüpfen und so auf Umwegen wieder zum Soundmachen kommen. Aber diese Umwege sollten vielleicht zwei Jahre dauern, nicht fast fünfzehn.“ Aus dem Frankfurter Monza-Club kannte Thomas bereits die M.A.N.D.Y.-Jungs und die wiederum hatten schon im Sandkasten Kontakt mit der Booka-Shade-Riege. Dass auf die richtige Mischung gesetzt wurde, war schon nach dem ersten Get-Physical-Release klar. "Put Put Put“ von M.A.N.D.Y. schwenkte mit Funkdub um sich und verzichtete auf Exkurse. Was zählte, war der Tanz um die Discokugel. Das schlug ein. Die Anfangseuphorie wurde zum Selbstläufer und da sie bis heute nicht abgeklungen ist, sollte man vielleicht eher von einem permanenten Rauschzustand sprechen. Klar ist: Get Physical steht für sich und seinen Sound. Die 19 Tracks der im DJ-Mix entstandenen Geburtstags-Compilation sind allesamt Ausrufezeichen, die bei keinem Club- Ringelpietz der letzten Monate fehlen durften. Ohne plump zu sein, schreit hier jede Faser nach rhythmischer Bewegung, ohne verbissen zu wirken, ist jeder Klang auf den Punkt genau produziert. Nie musste man sich weniger für Direktheit schämen, selten war die Klarheit so farbenfroh. WALTER: Wir konnten ja nicht mit so einer Welle rechnen, das musste ja erst mal zusammenwachsen. Natürlich hat man auch immer wieder Auseinandersetzungen. Das ist es auch, das bringt einen immer weiter. Wir sind sechs Kontrollinstanzen, wenn die sagen: Der Track ist ein Kracher, dann kannst du so falsch einfach nicht liegen. ARNO: Allen ist das Projekt extrem wichtig. Bei großen Labels passiert einfach so viel Quatsch, weil es dort nicht so ist. Bei uns steckt Herzblut drin, sowohl in der Produktion als auch in der restlichen basisdemokratischen Labelarbeit. Das sagen die Leute auch immer wieder: 'Wenn ich das höre, da passiert wahnsinnig viel.' Das liegt daran, dass enorme Energie und Detailliebe drinsteckt. PATRICK: Man muss auch betonen, dass alle wahnsinnig lange dabei sind, jeder hat so seine Kontakte, seine Herkunft und seine Fähigkeiten. Das wird alles zusammengeschmissen. WALTER: Wir verstehen uns halt auch privat sehr gut. Das ist so, wie wenn man als Kind Holzhäuschen gebaut hat: Man muss klarkommen, sonst gibt’s Stress. STEFAN KORTE PATRICK: Walter und Arno haben einfach ihre fast 20jährige Vergangenheit als aktive Musiker und Produzenten und da haben sie eigentlich von A bis Z so ziemlich alles gemacht. Synthie-Pop, 80er-Sound, Rock, mittlerweile auch Film- und Werbemusik, das geht echt von Klassik bis Big Band. Die sind für uns einfach die beste Spielwiese, die man sich vorstellen kann. Wir müssen eigentlich nur sagen, in welche Richtung es gehen soll, dann machen sie das schon. Perfekt. WALTER: Das macht Spaß: dieses Lebensgefühl, das jemand hat – ob jetzt T. oder Patrick oder Philipp - zu transportieren. Das ist aber auch schwierig, eine Leidensgeschichte. Du musst dich wirklich in das Hirn eines anderen reindenken. ARNO: Ich erinnere mich immer wieder an den Spruch: Ich möchte jetzt den Sound einer über Marmor rollenden Glaskugel haben. THOMAS: Die Sounds, die man im Kopf hat, werden von den beiden extrem schnell sehr präzise gebastelt. Genau so, wie ich sie haben will. Wo ich dann am Anfang konkret Hilfe brauchte, das war beim Arrangement und da kam dann sehr viel Input, z.B. vom Walter. Da bin ich im Laufe der Zeit auch gewachsen. WALTER: Du hörst den Platten stets an: Das ist wirklich T. Das ist einfach in Musik umgesetzte Vergangenheit. Jede Platte erkennst du schon nach den ersten paar Tönen. THOMAS: Jedenfalls glaube ich, man kann ohne mit der Wimper zu zucken sagen, dass Booka Shade die vielfältigsten uns bekannten Produzenten sind. PATRICK: Absolut. Der Anfang ist zwar immer ein bisschen schwer: dieses gemeinsame Gefühl zu finden, das ist genau wie beim Auflegen oder beim Ping-Pong-Spielen. Aber wenn das Verständnis da ist, dann kann das to- Aber wie gelingt der Wiedererkennungseffekt? Ob nun der flippige Lieblingsglamstar Chelonis R. Jones die House-Gefühlsimplosion zelebriert, die Beats von DJ T. in hinreißender Monotonie Geschichtsstunden geben oder M.A.N.D.Y. Techhouse zum Sinn allen Lebens machen – die Verwandschaft ist nie zu leugnen. THOMAS: Ich denke mal, da sind zwei Sachen: Du hörst immer schnell den M.A.N.D.Y.- oder T.-Sound heraus, aber du hörst auch immer diese arrangementmäßige Klammer. Alle Kniffe, die Herangehensweise unserer Produzenten. Der Versuch, moderne Houseansätze mit Zitaten aus den Stilen, mit denen wir großgeworden sind und die wir so lieben, zu verbinden. Italo-House, Disco, Chicago – das findet sich alles drin wieder. Und ich denke, das merkt man ja auch an den Resonanzen, dass das Label seinen eigenen Sound gefunden hat. ARNO: Eine Grundästhetik! WALTER: Wir befruchten uns zum einen gegenseitig, zum anderen kommen externe Einflüsse. Wir hören natürlich so ziemlich alle wichtigen Platten. Die Crème de la Crème. Und dann messen wir uns wirklich nur am Besten. Deephouse herum und scheuen weder ehrlichen Retro noch spritzigen Pop. Die Spannweite der Releases wird erweitert, vielleicht bevor die Schubladisierung droht? PATRICK: Wir freuen uns über jeden neuen Künstler und sind heilfroh, dass da ein paar Leute waren, die uns musikalisch und persönlich gefallen haben. Am Anfang gab’s einfach keine Demos, die in unsere Richtung gingen. WALTER: Bei vielen Demotapes merkt man: Die geben sich zu früh zufrieden. Bei uns aber wird jeder einzelne Ton hinterfragt. PATRICK: ... ohne ihn totzudiskutieren. Wir sitzen jetzt nicht da und grübeln ohne Ende! WALTER: Klar, aber bei vielen Sachen merkst du, dass die Leute irgendwas machen, denken, das sei schon okay, und es dann rausschicken. Das reicht für uns halt nicht. ARNO: Es ist jetzt interessant, Leute zu haben, die den Style von Get Physical repräsentieren und ihn gleichzeitig fortführen. M.A.N.D.Y und T. sind feste Koordinaten, aber es ist super, auch frisches, eigen klingendes Blut dabei zu haben. THOMAS: So offen wollten wir das aber auch immer fassen. Durch die Bestätigung haben sich Freiräume ergeben, man weiß jetzt, dass es richtig war, abseits deprimierender Fremdsteuerung auf intime Cliquenbildung zu setzen. Auf das bisher verschmähte CD-Format sollen bald auch Alben gepresst werden. Von DJ T. bis Chelonis R. Jones stehen diese in den Startlöchern und werden versuchen, die hohe Begeisterungs-Dichte der bisherigen Maxis mit Tempo- und Stimmungsvariierungen zu paaren. Ohne dabei die Herkunft zu leugnen: Wir hören natürlich alle wichtigen Platten. Die Crème de la Crème. Und dann messen wir uns am Besten. taler Electro, fast schon Punk oder New-York-Retro-House werden wie bei Chelonis oder eben solche Disco-Tracks wie bei T. Da ist alles möglich, sobald dieser spezielle Punkt erreicht ist. WALTER: Dann flutscht es. Aber wenn das nicht klappt, dann ist das für mich ein Weltuntergang. Da kann mir die Frau weglaufen oder so, aber das tut echt am meisten weh. Auf der gerade fertig gestellten Compilation tasten sich drei neue Artists entlang der Get-Physical-Linie. Lopazz, Thomas Barfod und Voltique klempnern an die Mitte der Party. THOMAS: Wir produzieren einfach hundertprozentig auf die Tanzfläche zu. PATRICK: Und können’s vielleicht auch gar nicht anders! THOMAS: Allein der Labelname bekennt sich ja auch dazu, ich bin schon immer leidenschaftlicher Tänzer gewesen. An dem Tag, wo ich gar nicht mehr das Verlangen habe, auf die Dancefläche zu gehen, würde ich aufhören, aufzulegen oder zu produzieren. FINDER PASCAL SCHÄFER 14 KLIMEK 14 DAT POLITICS 15 WORKSHOP Jazz-Liebhaber mit MPC Ambient-Liebeserklärung an Israel Die Insekten im Laptop Mit Bob Marley und H.P. Lovecraft für die Kunst 15 MITTE KARAOKE 16 DJ-BATTLE IN VIETNAM 18 CLARO INTELECTO 18 !!! Ein Fan-Club macht mobil Unsere Reisereportage Elektro für alle! Mit Guiliani auf dem Schulhof 19 AEOX Techno-Noise, casted by Inga Humpe 19 PAN/TONE Kanada nach Microhouse 20 OOIOO 21 MOABEAT Japan-Noise auf Psychedelic-Abwegen HipHop: knorke statt Knarre 22 MUSIKTECHNIK I 22 MY FAVORITE MACHINES 23 MUSIKTECHNIK II + III 24 DAEDELUS NI’s Elektrik Piano Melbeatz und ihre MPC4000 Korg Legacy Collection / C74’s “Mode” Hoptronics, das nächste Ding HOUSE ROBAG WRUHME ... HAT FREUDE AM TANZEN INFO TEXT THADDEUS HERRMANN | [email protected] Warum Jena nicht Hauptkulturstadt Europas ist, weiß niemand, der sich für House interessiert. Das "Freude am Tanzen"-Kollektiv planscht dort seit Jahren in einem musikalischen Jungbrunnen, der einfach nicht versiegen will. Genauso weit vorne wie draußen sind sie mit ihrem Nebenlabel "Musik Krause". Dort veröffentlicht jetzt der musikalische Chefdenker des Kollektivs, Gabor Schablitzki aka Robag Wruhme, sein erstes Album - Harry Belafonte sei Dank. Das ist die Geschichte von Gabor Schablitzki, der als Robag Wruhme mit seinem Album "Wuzzlebud 'KK'" dieses Jahr alles klar machen wird. Für so eine Erfolgsgeschichte braucht es ein paar Zutaten, die an dieser Stelle kurz erwähnt werden sollen, bevor Robag selber zu Wort kommen wird und die Mutmaßungen eines Westberliner Journalisten über das Produzieren im Sozialismus vielleicht bestätigen wird. Vielleicht aber auch nicht. Wir schieben sozusagen eine Maus ein, die mit dem Elefanten die Koordinaten für uns checkt. Um Robag Wruhme zu werden, braucht es: Papa mit Plattensammlung, Tapedeck aus dem Westen, Kino, Harry Belafonte, ICQ, Die Ärzte, abstürzende Soundkarten, Berliner Plattenläden und einen Kopf, der sich ständig neue Dinge ausdenkt. So viele, dass man mitunter nach gewisser Zeit über seine eigenen Pseudonyme stolpert oder sie als DJ in einem Backroom erst ins Bett bringt und dann vergisst. Danke, Maus ... Gabor Schablitzki kommt aus Jena, ist von kleiner Statur und wir sitzen in Leipzig in der Sonne unter einem Baum-ähnlichen Gewächs. Dreizehn Jahre auflegen liegen hinter ihm. Als Teil von "Beefcake" hat er Elektronika in Deutschland groß gemacht, als einer von zwei "Wighnomy Brothers" hat er am Rechner und als DJ Deephouse geknackt und "Freude am Tanzen" und "Musik Krause", die beiden Labels, um die er sich kümmert, kaufen gerade eh alle. Und Robag Wruhme bildet diese Facetten alle ab, vermischt und verwischt sie zu einem persönlichen Megamix von Gabor Schablitzki. Rückwärts, ist ja klar. Warum? Weil "Wruhme" in der Gegend von Jena eben "warum" heißt und man Robag und Gabor spiegeln kann ... MEIN FREUND HARRY Potter? Ich bitte euch. Belafonte! Der hatte bei den Mitgliedern des Politbüros einen Stein im Brett und weil er den legendären HipHop-Film "Beatstreet" initiiert hatte, lief der landauf, landab und die Kids drüben fingen an zu breaken. Gabor auch. Und der andere Wighnomy Brother sowieso. "Ich glaube, es war einfach Glück, das alles so kam", sagt Gabor und erzählt von der umfangreichen Plattensammlung des Vaters: "Es waren fünf LPs. Jean-Michel Jarre, Tomita spielt Musorski und Vangelis. Irgendwann lief dann 'Beatstreet' und es kursierten HipHop-Tapes, oder man hat es eben im Radio aufgenommen. '87 gab es auch eine HipHop-Band in der DDR, das ließ sich damals schon alles nicht mehr so kontrollieren." Als man dann in Jena einfach in den Zug ein- und in Köln wieder aussteigen konnte, holte Gabor wie ein Wuzzelbud alles im Sauseschritt nach. Darkwave, Punk, The Doors, die Ärzte, Depeche Mode auf Vinyl, Kraftwerk. Und langsam wurde klar, dass es die Elektronik eben doch war. Vangelis sei Dank. Und Hardwax. Aus Aphex Twin und Techno wurde dann Beefcake. Das war er und Volker Kahl. Aber eigentlich eher ein DOS-Programm, das sich nicht besonders gut mit der Soundkar- Robag Wruhme, Wuzzelbud KK, erscheint auf Musik Krause / Kompakt www.musikkrause.de, www.wighnomy-brothers.de, www.freude-am-tanzen.com te verstand. Details würden hier zu weit führen. Wichtiger sind die Plattenspieler, auf denen zu dieser Zeit schon lange Deephouse aufgelegt wurde. Bei Leuten wie Jeff Mills lernte er, wie die Kommunikation zwischen DJ und Crowd funktioniert und Deephouse passte einfach. "Produzieren konnte ich das aber nicht. Klar, der Aufbau war ganz einfach: Bassdrum, HiHat, Snare, Bass, Rhodes, Gesang und wieder raus. Es kribbelte aber nie im Studio. Irgendwann gab es diesen einen Track, eigentlich Beefcake. Je mehr Samples dazu kamen, desto mehr verschob sich das Tempo, ummixbar. Den haben wir auf der Freude am Tanzen 09 releast, einer Wighnomy-BrothersMaxi. Eindeutiges Rotwein-Arrangement. Da platzte irgendwie ein Knoten. Vielleicht wollen die Leute jetzt auch eher dieses Zeug hören, man kommt damit schneller an. sen. Wenn clickernder Techno, dann am Ende mit Flächen und Melodien, die man eigentlich in einem anderen Regal kaufen würde. Wenn Vocals, dann so, wie es Nicolette nie schaffen würde, vom Text-To-SpeechWindows-Derivat ganz abgesehen. Wenn Acid, dann gefaked und mit gecuttetem Jack-Rotz. "Doch, da war auch viel Glück dabei. Und ich frage mich, wie das weitergeht. Ob es nicht irgendwann umkippt und sich niemand mehr für mich oder für unsere Labels interessiert." Gabor schaut auf das Diktiergerät und räsupert sich. Gleich muss er in den Zug steigen, fast bis an die Küste fahren. Da werden die Wighnomy Brothers morgens von sechs bis zehn Uhr auf einer Kompakt-Party auflegen. Vodka hilft in der Regel. Bald muss er nach Detroit und Kanada. Er sollte sich an Fernreisen gewöhnen, denke ich, Wer Robag Wruhme verstehen verstehen will, kommt an Harry Bellafonte und Vangelis nicht vorbei. Uns war auf jeden Fall klar: Das ist das, was wir machen wollen. Mischen, experimentieren. Robag Wruhme ist für mich die Schnittmenge aus klassischen Dancetracks und Experiment." Musik für Wuzzelbuds eben, klare Sache. VOM SCHILLERGÄSSCHEN IN DIE WELT Was ein Wuzzelbud genau ist, habe ich bis zum Ende des Interviews nicht rausgefunden. Das Album von Robag Wruhme jedenfalls, "Wuzzelbud 'KK'", das im Juni auf Musik Krause erscheinen wird, lässt all die unterschiedlichen Persönlichkeiten, die Gabor über die Jahre, allein oder in Begleitung aufgebaut und ausprobiert hat, ineinander fließen. Wenn House, dann aber mit stotternden Beats und Hall-Presets, die schon auf Beefcake-Platten die Münder haben offenstehen las- und bin immer noch dabei, das Album in seiner ganzen Größe zu erfassen, und grübele nach, wie man es schafft, in einer knappen Stunde alle wichtigen Kapitel der elektronischen Musik zu einem Ganzen zu verschmelzen, dabei aber doch immer auf dem Dancefloor verhandelt wird und mit einem Gitarrentrack am Ende der Platte das Schillergässchen aus Jena, das Hauptquartier der Bande, um die ganze Welt tragen wird. Doch dann sehe ich ihn, wie er bei seinen Großeltern in den Sommerferien Radio hört, Tapes aufnimmt, das Puzzle zusammensetzt. Stück für Stück. Wuzzlebud. PS: Lieber Gabor, wenn du mir erklären willst, was ein Wuzzlebud ist, ruf doch an. Gruß, Thaddi. <13> - DE:BUG.83 - 06.2004 14 ELEKTRONIKA <14> - DE:BUG.83 - 06.2004 INFO Nach "Harmony Express" erscheint in Kürze das Album "Dawn" von Pascal Schäfer auf Karaoke Kalk / Hausmusik www.karaokekalk.de Das mit den Bildern und Filmen beim Hören meiner Musik spielt schon eine wichtige Rolle ... Doch zunächst mal der Reihe nach. Ich hab als Kind Geige gespielt, dann Gitarre, dann Saxofon und Querflöte. Mit letzterem von '93-'97 ein Musikstudium in Holland absolviert. Bin seit dem 11. Lebensjahr ein großer Jazzliebhaber, vor allem aus der Zeit der Bigbands und ersten Modern-Ensembles, 30er- bis 50er-Jahre, du weißt. (Mit dem Wort "Jazz" wird ja seit Jahren viel Mist betrieben.) Hab dann als Teen in den 80s viele Jazzkonzerte besucht, die alten Meister noch gesehen und original Vinyl gesammelt, war ein absoluter Purist, bin nur in Anzügen rumgelaufen, tried to be a Hipster ... Ein Solo von Charlie Parker oder Bud Powell ist nach wie vor das Tiefste und Bewegendste und gleichzeitig Genialste im Jazz. Da gibt es natürlich noch viele mehr aufzuzählen: Duke Ellington, Thelonius Monk, Sonny Rollins, Miles .... Gerade Jazz hat meine Ohren ab den späten 80ern schließlich für viele neue Musiken geöffnet, eben auch elektronisch erzeugte Musik. PASCAL SCHÄFER ERZÄHLT ... TEXT SASCHA KÖSCH | [email protected] Pascal Schäfer lebt in Köln und bastelt sich als Multiinstrumentalist und Jazzliebhaber die bewegendsten Soundtracks, die die Domstadt gehört hat. Und auch wenn ein Solo von Charlie Parker noch immer der Maßstab aller Dinge, die sich deep und genial schimpfen, ist, wühlt er sich auf seinem Album für Karaoke Kalk in schwebende Flächensounds. Seit Beginn der 90er lege ich Platten auf, und das regelmäßig in Köln, da kann man alles von Morricone bis Moodyman hören, (aber ich hasse diesen pseudo-jazzy Mist ...) Ich habe in den verschiedensten Bands als Musiker gearbeitet. Um davon zu leben, musste man viel Bullshit spielen. HORROR. Hab alles geschmissen und mir eine MPC, später noch Logic gekauft, dazu ein alten VFX-Synthesizer und ein Hohner Pianet usw. Mein Ziel war, endlich mal auf ein komplettes Arrangement Einfluss zu haben und meine ganz eigene Musik zu komponieren, das war ca. 2000!(... spät ...) Aus der Hochschulzeit ist viel an Wissen aus Harmonielehre und Arrangementtechnik geblieben, was ich nutze. Natürlich benutze ich auch Samples, für Farbe, als kleine Zitate. Meine Blasinstrumente benutze ich nur, um deren Klang zu verändern. Ich liebe Soundtracks, gerade die deepen des Film Noir, die schönen und minimalistischen des Neorealismus, die obskuren Sounds irgendwelcher Spacefilme der 50er und 60er Jahre, oder die Konzeption rarer Libraryproduktionen (mein neuer Sammeltick). Irgendwie höre ich das alles, wenn ich Musik mache, meine Bilder dabei sind aber sehr persönliche: Trauer, Glück, Benommenheit, meine Familie, meine Liebste ... Mein Ziel ist irgendwie schon ein kompletter eigener Soundtrack. Mal schauen. Karaoke Kalk ist ein Label mit viel Farbe und Möglichkeiten. Das habe ich schon länger beobachtet und meine Sachen auch direkt dem Thorsten geschickt. Das ganze Labelkonzept war entscheidend: Tradition und Experiment, alles nebeneinander. Meine nächsten Releases sind "gerade" Tracks auf Karaoke, die ich seit längerem produziere und sammle, so zwischen Parrish und Klang. Näheres von Thorsten. Übrigens bin 35 und lebe seit fünf Jahren in Köln. AMBIENT TRAGISCH, NAUTISCH, UNWIDERSTEHLICH / Klimek TEXT JOHN TWELLS | [email protected] Sebastian Meissners Projekt Klimek ist Teil der Kompakt’schen Pop-AmbientReihe, orientiert sich dabei aber lieber an den Cocteau Twins und Joy Division als an Brian Eno und Alex Patterson. Sein Debütalbum schmiert einem weiterhin großzügig und unwiderstehlich Honig um den Bart. Ein Fan berichtet. Mein erstes Zusammentreffen mit Klimek war unerwartet. Ein Freund drückte mir die “Milk & Honey” 12” auf Kompakt in die Hand. “Hör dir das an, du magst das.” Er hatte Recht. Geld und Vinyl wechselten den Besitzer und ich machte mich auf dem Heimweg, mit Klimek unter dem Arm. Ungefähr ein Jahr später steckte mir jemand das Album zu. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich die Maxi bereits in Grund und Boden gespielt. Das Album mit seinen tragischen, tiefen, nautischen Tracks war die größte Gnade, die meinem CD-Player seit langer Zeit widerfahren war. Unfassbar leichte Gitarrenriffs akzentuieren die Tracks, die sich langsam aufbauen und wie ein Bach inmitten von Bäumen auf- und abschwellen. Die Stimmung ist mehr als zurückhaltend, Klimek hat es nicht nötig, seine Musik mit vielen Sounds zu füllen. Er lässt die Delays laufen und die Tracks blenden ganz langsam aus. Stell dir vor, du liegst im tiefen Wald zwischen verwelkten Blättern und kaputten Ästen. Du schaust in den Himmel. Die Sonne brennt auf dich hinunter und auf dem Waldboden ist ordentlich Betrieb. Klar und ruhig ist Klimeks Musik, sehr visuell. Viele würden Klimeks Album sicher als eine Art Soundtrack einordnen, aber das lenkt eigentlich von den visuellen Qualitäten von Klimek ab. “Milk & Honey” hört man am besten, wenn die Augen fast ganz geschlossen sind. Wenn man so das Hier und Jetzt mehr und mehr verlässt, kommt man ganz automatisch ins Klimek-Land. Die Fakten: Klimek ist Sebastian Meissner, der auch schon als “Random Inc” veröffentlicht hat. Seine Klimek-Platten sind Teil von Kompakts “Pop Ambient”Reihe. Meissners Tracks haben aber eine besondere Qualität. Spielen sich die meisten anderen Produktionen in der Reihe eher in der Dub-Ecke und im klassischen Ambient ab, lässt sich Klimek von Gedanken der klassischen Popmusik leiten. Die merkwürdig gestimmten 80er-Bassgitarren-Töne und die federleicht gespielten Gitarrenmelodien sind inspiriert von Human League, Cocteau Twins, Joy Division, New Order und The Smiths. Meissner tut das, was diese Bands versuchten. Und er macht es richtig. Es ist keine Überraschung, dass “Milk & Honey” eine Liebeserklärung an Israel ist. Kein profanes politisches Statement, sondern ein Tribut an ein Land, in dem Gegensätze regieren. INFO Klimek, Milk & Honey, ist auf Kompakt erschienen. www.kompakt-net.de ELEKTRONIKA ALS DIE TIERE DEN WALD VERLIESSEN / Dat Politics TEXT NATASCHA KUTUSOW | [email protected] Das französische Trio Dat Politics kann auch auf seinem fünften Album nicht verhindern, dass ihre Laptops nur so überfließen vor bunten Hunden aus dem Streichelzoo. So komplex wie jetzt ist ihnen ihre anti-minimale Quietsche-Operette aber noch nie gelungen. tics verabschiedete sich schon relativ früh von jeglicher minimaler elektronischer Tick-Tack-Musik, die nur anfangs ganz lustig war für die Tüftler und Dreher der Notebook-Volksmusik, um in jedem Album ein Stückchen mehr an frechen Elementen dazuzugeben. Ihr mittlerweile schon fünftes Album ”Go Pets Go“ wurde durch unzählige digitale Details komplexer und lässt den inneren Popmutanten mehr denn je raushängen. Wichtig dabei blieb immer der Spaßfaktor und der Blick in unbekannte Welten. Wer hat eigentlich noch Bock auf dieses ultracoole "Champagne-Cocaine-Limousine"-Elektro-Klischee? Alternativen dazu wären doch Limo, Plüschfliegenpilze und Matchbox-Autos aus unseren Kinderzimmern. Wir wollen doch alle wieder unsere verspielten Tageskrippenzeiten aufleben lassen und dazu stehen können. Dat Politics rupfen gut gelaunt mit ihrer Synthese aus ”quality Entertainment” und ”Gesünder Leben”–Programm das Spaßbremsenunkraut aus. VON DIVERT AROUSE TROUBLE ZU DISGUISE APES’ TABOO Man geht doch oft davon aus, dass die Menschen, die ihr Leben vor dem Computer verbringen, nicht unbedingt tierlieb sind - außer zu ihren Mäusen. Anders bei Dat Politics. Schon als Kind erfreute sich Claude am Aufnehmen von Entengeschnattere und Gaetan hatte das selbe Faible, nur mit Insektensurren und Froschgequake. Für das Micro Music Festival in Genua involvierten sie Insektengeräusche in ihr Soundsystem. Das machte ihnen so viel Spaß, dass sie ihr Album zu einem Tribut an die von Menschen regierte Tierwelt machen wollten. So finden sich zwischen Chip-Monks-Gesang, Nintendo-Techno und Commodore64-Geblubber tatzi- VON DUMB ANAL TRIO ZU DESIGN APPROPRIATE TRACKS Das französische Laptop-Musikanten-Trio Claude Paillot, Gaetan Collet und Vincent Thierion alias Dat Poli- ge Katzenmiauer, knurrendes Hundegekläffe und blökende Schafe. Das also passiert, wenn man auf einem Bauernhof aufgewachsen ist. VON DEVIANT ANTICS TRADEMARKS ZU DANDY ANARCHIST TROOPERS Es gibt einen Haufen von Interpretationen zur Bedeutung von DAT. Die nächstgelegene wäre wahrscheinlich ”Digital Audio Tape“. Nur diese gelten zu lassen, wäre jedoch zu einfach, denn die Politik von den Dat Politics möchte das bunte Comicunbekannte möglichst dunkel färben. Viel mehr ist es die Aufgabe von DAT, unsere Phantasie und unseren Einfallsreichtum zu stimulieren, so wie auch der eigenwillige Stil ihrer Soundstrukturen selbst. Wovon aber lassen sich DAT Politics, abgesehen von Tierlauten, selbst inspirieren? Nun, zum Beispiel von Jean-Luc Godard; der Regisseur hat, wie auch Pier Paolo Pasolini, die ”vocal credits“ in die Filmwelt eingeführt, also statt geschriebenem Vor- und Abspann gesprochene und gesungene Info. So kriegt man zum Abschluss des Albums nach den ganzen Tierlauten wenigstens noch ein bisschen menschliche Stimme serviert: DAT Poltics would like to thank Chicks on Speed Munich, Chicks on Speed Berlin, and all the people who support DAT Politics all over the world. Tusch. INFO Dat Politics, Go pets Go, ist auf Chicks On Speed Records / Hausmusik erschienen. www.chicksonspeed.com DEBUG UNTERWEGS <16> - DE:BUG.83 - 06.2004 HÜPFEN, TANZEN, TRANCE / DJ-Wettbewerb mal anders. Heute: Vietnam TEXT KATJA HANKE | [email protected] Nun heißt es DJ-Contest anstatt Karaoke. In Vietnam wird gebattled. Da hält sich der Nachwuchs erstmal an CDs und an das, was man kennt. "Bum-bum" ist die Formel, zu der auch die in die Jahre gekommene Jury mit dem Kopf wippt. Die kommt aus dem Kulturministerium und versteht viel von Musik. Kein Wunder nach 70 Jahren im Business. Eine Biermarke sucht den DJ-Nachwuchs-Superstar! House, progressive House oder progressive Trance sollte der spielen und einen fünfzehnminütigen Mix auf CD brennen können. Nach der ersten Auswahl wird er gegen andere Bewerber antreten. Beurteilt wird er vom Publikum und von einer so genannten "Fachjury". Als Gewinner darf er auf der Abschlussparty das Opening-Set für einen Schon-Star spielen. So oder ähnlich wiederholen sich die Ankündigungen für DJ-Wettbewerbe in Deutschland. Völlig uninteressant, werden die Leser dieser Zeitschrift sagen. Stimmt. Aber ganz anders ist das, wenn so ein DJ-Nachwuchs in Vietnam gesucht wird. Nach drei Vorrunden findet das vietnamesische Finale im Saigoner Club Rainforest statt, einem Ort mit zuviel bunten Lichtern, die dorfdiskomäßig herumwirbeln. Dazu donnert übersteuerter Eurotrash-Sound aus einem riesigen Soundsystem durch den kleinen Raum. Das Publikum ist extrem schick und Anfang zwanzig. Die meisten sind mit den japanischen 8000-Dollar-Mopeds gekommen, die reihenweise vor der Tür geparkt stehen. Die Frauen sind dick geschminkt und tragen Abendkleider oder andere eng anliegende Dinge. Dazu hohe Absatzschuhe. Einige haben braun gefärbte Haare, die in Saigon besonders hip sind. Die Männer sehen dagegen langweilig aus. Sie fallen durch helle Sonnenbrillen und viel Gel in den Haaren auf. Promotion-Mädchen drängeln sich durch die Menge. Bei einem Rubbelspiel kann man ein T-Shirt oder eine CD mit Musik von Pete Tong, Tiesto und Paul Oakenfold gewinnen. Letzterer war im Vorjahr der ausländische Star-DJ. Dieses Jahr ist es der “DJ No.1 of the world” Tiesto, eine Art niederländischer Paul von Dyk. In den Zeiten des Niedergangs der “Superclubs” scheinen die Mega-DJs jetzt ihre Millionengagen von Biermarken zu bekommen. Mit denen machen sie dann Welttourneen, suchen Super-DJ-Nachwuchs und vermutlich neue, potentielle Superclub-Märkte. Auch in Vietnam. Die Musik wird leiser und ein Mann in weißem Anzug tritt auf die leere Tanzfläche. Er begrüßt das Publikum und stellt die drei DJs der Endrunde vor. Sie sind aus Hanoi, Saigon und Cantho, einer kleinen Stadt im Mekong-Delta. Alle drei Kandidaten bekommen einen Blumenkorb überreicht. Der gehört in Vietnam zu jeder Art von Veranstaltung. Dann verbeugen sie sich lieb. AUF DIE BÜHNE, JUNGER FREUND! Der erste DJ ist ein Junge im Skater-Look mit nach hin- ten gedrehter Baseballkappe. Ohne Umwege steigt er in sein Set ein und geht aufs Volle. Bum-bum-bum. Von der Decke rieseln Glitzerschnipsel. Und die Leute, die eben noch am Rand standen und gelangweilt mit ihren Handys spielten, brüllen und tanzen auf einmal, als ob sie das schon Stunden täten. Zeit zum Aufwärmen gibt es hier nicht. Jeder DJ darf eine halbe Stunde spielen. Um Mitternacht ist Schluss. Dann müssen in Saigon alle Clubs schließen. “Do you like techno”, brüllt der kleine DJ in sein Mikro, “clap your hands in the air.” An den Seiten über der Tanzfläche hängen große Videoschirme, auf denen er zu sehen ist. Er blättert durch seine CD-Sammlung. Platten hat er keine, die gibt es in Vietnam nicht. Höchstens in Bangkok oder Singapore. Das ist teuer. Also arbeiten die meisten DJs mit CDs – keine Originale, sondern vermutlich kostenlose MP3s aus dem Netz. Die vietnamesischen DJs spielen alles, was sie bekommen können. Wählerisch ist das Publikum sowieso nicht. Wichtig ist, dass die Musik laut ist, Bum-Bum macht und in ihr nichts Unerwartetes passiert. “Party people, are you happy”, schreit der DJ und wird dabei von Scooter unterbrochen, die “come on, here we go” im laufenden Track grölen. Der DJ rockt hinter seinem Pult und ab und zu zieht er den Lautstärkeregler nach unten und bricht die Rave-Signale. Sonst bestehen seine Mix-Künste lediglich darin, den Anfang und das Ende der Stücke ineinander gleiten zu lassen. Für Herrn Son, den Manager des Clubs, ist das ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl der DJs für seinen Club. Das Zweite ist, ob der DJ auch die Musik spielt, die das Publikum hören will. “Die Leute in Vietnam möchten nur Bekanntes hören, nichts Neues”, sagt Michael Bricker aus Chicago. Seit über zehn Jahren legt er in den Staaten Chicago-House auf. Ein Jahr lang tat er das auch in verschiedenen Clubs in Saigon. Dann gab er auf. “Diese Musik funktioniert hier einfach nicht”, sagt er. “Es macht keinen Spaß, für Leute zu spielen, die meine Musik nicht mögen und lieber Kylie Minogue hören wollen.” Irgendwie sei das auch verständlich. Hier geht man nur für zwei oder drei Stunden in einen Club, da wollen die Leute die Lieder hören, die sie kennen und die sie glücklich machen. DER MINISTER IN DER JURY In einer abgesperrten Sofaecke neben dem DJ-Pult sitzt die Jury. In Vietnam besteht sie nicht wie in anderen Ländern aus dem Publikum und einer “Fachjury”. Hier kommt eine dritte Kraft dazu: Vertreter des staatlichen Musikerverbandes und des Kulturministeriums. Alle Stücke wurden vorher von ihnen angehört. Jedes Wort, das gesagt oder gesungen wird, musste vorgelegt und falls nötig übersetzt werden. Nur so bekommt man die nötige Lizenz für eine Veranstaltung. “Großes Interesse an unserer Tour”, nennt die Heineken-PromoFrau das. Und nun sitzen sie in der Sofaecke: vier alte Männer, abgeschirmt von finster aussehenden Bodyguards in schwarzen Anzügen. Echte Musikkenner seien diese Herren, “Leute, die wissen, wie Musik gemixt wird”, sagt Herr Son. Zwei von ihnen haben weißes Haar und müssen über siebzig sein. Einer guckt grimmig, nickt zu dem Gewummer aber trotzdem leicht mit dem Kopf. Der andere raucht eine Zigarette mit Mundstück. Neben ihm steht ein kleiner Fernseher, auf dem der DJ aus der Nähe zu sehen ist. Die anderen beiden Männer sind etwas jünger. Typische asiatische Regierungsbeamte in mausgrauen Anzügen und mit dicken Funktionärsbrillen. Sie könnten auch aus China oder Nordkorea sein. Fossilien aus einer anderen Zeit – mitten im globalisierten Saigon. Einer von ihnen ist tief ins Sofa gesunken und blättert gelangweilt in einer Mappe. Darin befinden sich die Beurteilungsbögen. Die habe jedes Jurymitglied, sagt die Promo-Frau. Darauf seien die einzelnen Fähigkeiten, die beurteilt werden, aufgeführt. Welche das genau sind, weiß sie auch nicht. Nach dem Blättern schließt der Mann die Mappe. Alle drei Bögen sind noch unbeschrieben. vom dumpfen Einheits-Bum-Bum abweicht. “Ich habe da mit der Zeit eine Theorie entwickelt”, sagt Michael aus Chicago. Vietnamesen hätten ihren ganz eigenen Standard für Qualität, findet er. Nur bekannte Sachen seien für sie Qualität. “Mit neuen Dingen können sie nichts anfangen, da es nichts gibt, womit sie die vergleichen können. Also sind sie wertlos und uninteressant.” Das habe vielleicht damit zu tun, dass das Land so lange abgeschieden war, sagt er noch und winkt dabei ab. Egal. “Emoi”, ruft der DJ den Leuten zu. “Hey, ihr alle.” Das Publikum tobt. Aber zu verrückt darf es in einem vietnamesischen Club nicht werden. Dafür sorgt das Sicherheitspersonal, das sogar über die Tanzfläche läuft und diesen oder jenen ermahnt. Rauchen darf man beim Tanzen nicht, ein Glas in der Hand ist auch verboten. In jedem Club der Stadt gibt es viel Sicherheitspersonal. Zuviel. Schon am Eingang steht normalerweise eine Gruppe bulliger Typen. Und im Rainforest sind es mehr als ohnehin üblich. “Unser Club ist der sicherste der Stadt”, sagt Herr Son. Es gäbe keine Drogen, keine Raufereien, keine Probleme. Darum habe er die Lizenz für diese Veranstaltung bekommen. Und das zum zweiten Mal. Pünktlich um viertel vor zwölf ist der dritte DJ fertig. Sicherheitsmänner räumen die Tanzfläche und machen Platz für die Jury. Der ausländische Gast Tiesto gibt den Mit neuen Dingen können sie in Vietnam nichts anfangen, da es nichts gibt, womit sie die vergleichen können. Der DJ aus Saigon legt sogar Platten auf. Jubelnd wird er vom Publikum begrüßt. Und auch er lässt die Stücke von vorn bis hinten durchlaufen. Aber eben von Platte und nicht von CD. Treibendes Full-on-Bassgedonner ohne Nuancen. “Oh, das erinnert mich an unsere Schulfeten”, ruft meine achtzehnjährige Begleitung begeistert. Jetzt müsse sie doch auch tanzen. Und ich muss mit. Auf der Tanzfläche hüpft eine kleine Frau pausenlos um mich herum und fuchtelt mit einem kleinen Leuchtstab unter meiner Nase. Die Leute jubeln und tanzen ausgelassen. In einem Land wie Vietnam, in dem Tanzen als anrüchig gilt und in dem die meisten Jugendlichen abends höchstens zum Karaoke gehen und sonst brav zu Hause sitzen, könnte man diese Edel-Raver fast alternativ nennen, auch wenn ihr Musikgeschmack nichts zulässt, das Gewinner bekannt. Es ist der DJ aus Saigon, Hoang Anh. Keine Überraschung, denn er ist Resident im Rainforest und das gehört übrigens SaigonTourist, dem staatlichen Tourismusunternehmen. Alle drei Finalisten bekommen Blumen. Dann werden Fotos gemacht: mit Tiesto und mit einem der Herren von der Partei. Tiesto nennt den Gewinner “den besten DJ”, den er bisher in Asien gehört habe. Das Publikum ist entzückt. Danach lässt er als Vorgeschmack noch kurz ein paar trancige Flächen durch die Disko schwirren. Fünf vor zwölf ist Schluss. Und am nächsten Abend wird Vietnam also nach dem Set von Gewinner Hoang Anh zum zweiten Mal einen von einer Biermarke gesponserten Mega-DJ erleben. Und das ist dann wirklich völlig uninteressant. 11th Barcelona International Festival of Advanced Music and Multimedia Art www.sonar.es 17.18.19 June 17.06.2004 Thursday Sónar by Day balago, einar örn, sesam-o, carl michael von hasswolff, concierto esmuc: barbara held + david berhman, durán vázquez, special kid, julio, dj ridoo, patchinko, vj ubergeek, santofile, girlswholikeporno... Showcases by: botánica del jíbaro & rice and beans: manuvers, v8, stres, soarse spoken, boom & birds, force.fed & la mano fria; número: micro audio waves, dj expander, bullet; spa.rk: fibla, expa.rk dj’s: dj tench, rec overflow; jenka music: sofus forsberg, dj niz & dj ilz, je m’appelle mads; ideal recordings: henrik rylander, the idealist; avatar & romaeuropa: martux_m + ddg visuals, mass + bianco/valente visuals... SonarLab sets: go mag, (k-raa-k)3, nuevos ricos, house café music/ funky soul rebels... Sónar by Night orquestra simfònica de barcelona i nacional de catalunya + ryuichi sakamoto, pan sonic, fennesz. visuals by lia, jon wozencroft, videogeist. 18.06.2004 Friday Sónar by Day françois k. deep space an initiative of technological associates with mutabaruka, la excepción, pan sonic, roty 340, dedo, zuell, agua dj, f-on, antonio batidora dj, dj kebra, delire + pix, telcosystems + dk, actop... Showcases by: shitkatapult: das bierbeben, apparat + transforma visuals, phon.o + transforma visuals; lex: prince po, boom bip; electrix: billy nasty, transparent sound; ghostly international: geoff white/ aeroc, dabrye; broklyn beats: drop the lime, criterion, doily; eastern developments: nobody, prefuse 73; rune grammofon: susanna & the magical orchestra, deathprod, maja ratkje... SonarLab sets: masse und macht, dielectric records, tigersushi, blue room/bbc radio 1... SonarForum Night sketch show + ryuichi sakamoto = human audio sponge (visual: ryoichi kurokawa), richie hawtin vs. ricardo villalobos (turntables, efx & machines), gang starr, roots manuva, matthew dear, so solid crew, matthew herbert, 2 many dj’s, tim wright, agoria, dj patife with cleveland watkiss, magda, buddy in collaboration with associated media media collaborators sponsored by also sponsored by peace, zero... Showcases by: eletronika brazil: instituto, dj marlboro, nego moçambique... 19.06.2004 Saturday Sónar by Day dani siciliano, client dj’s, carsten nicolai (alva noto), .tape., the drama, wakanda, tres & delise, el pinche, dj gvs, dj deza, the gift, sss, thomas köner, svumn-ka... Showcases by: accidental: max de wardener, mara carlyle, mugison; domino with eat your own ears: juana molina, max tundra, to rococo rot, four tet; jazz fudge: the reptiles, roger robinson, dark circle; gomma: headman, whomadewho, munk–leroy hanghofer; outward music co.: strategy, nudge; komplott: hans appelqvist, son of clay... SonarLab sets: pornojazz rec., red star budapest, scandium, primeros pasitos... Sónar by Night massive attack, jeff mills, dave clarke, carl cox, dj hell, tiga, jaylib feat madlib + j-rocc + peanut butter wolf, richard x, adam freeland, tremendo, buck 65, kid koala, tote king, beans, dj 2d2, fatkut, undo & vicknoise... supported by tickets on sale now L’Auditori 17th June. L’Auditori. On-line: www.telentrada.com By Phone: 902 10 12 12 (from Spain) & +34 93 326 29 46 (from outside Spain) The general pass (3 Days + 2 Nights ticket) and the Sónar 2004 accreditation do not grant access to this concert CD Sónar2004 Available in June ELEKTRO <18> - DE:BUG.83 - 06.2004 INFO Claro Intelecto, Neurofibro, ist auf Ai Records / Kompakt erschienen. www.claro-intelecto.co.uk www.airecords.com DARK & ZART CLARO INTELECTO TEXT SVEN VON THÜLEN | [email protected] Auf Claro Intelecto können sich zur Zeit alle einigen. Die elektroiden Tracks von Mark Stewart klingen wir eine Liebeserklärung an ein Aufwachsen auf englischen Raves aus der guten alten Zeit. Dabei brachten ihn die Buzzcocks zur Elektronik. Wohnen die Punks nebenan, ist eben Techno dran ... "Bis jetzt habe ich keinen Anruf von Juan bekommen", schreibt Mark Stewart und schiebt ganz zuversichtlich und mit typisch britischem Humor ein "aber ich bin mir sicher, dass wir uns bald auf ein Bier treffen werden" hinterher. Mit Juan meint er natürlich Atkins, Detroits Technogodfather, zu dessen Tracks von Cybotron und Model 500 er noch heute einen flotten Electroboogie auf sein Studioparkett legt, und die, neben LFO, Mr. Fingers und den wohl unausweichlichen Depeche Mode, ein nicht unwesentlicher Einfluss auf seine eigene musikalische Sozialisation und Vision waren und sind. Der Grund, warum Mark und Juan sich auf ein Pint, wie die Engländer ein Glas Bier nennen, treffen sollten, am besten in einem von Pete Hooks unzähligen Pubs (die Dry-Bar ist ja gerade renoviert worden) in Marks Heimatstadt Manchester (nur um noch eine Legende mit in dieses fiktive Treffen zu schmeißen. War Juan Atkins wohl je in der Hacienda? Wer weiß.), ist natürlich Musik. Marks Musik, um genau zu sein, die im besten Sinne von einer Zeit erzählt, in der House, Techno und Electro noch eine ähnliche Sprache sprachen und nicht komplett auseinander dividiert in Parallelwelten ihre Bahnen zogen. MIT BASSDRUM GEGEN DIE NACHBARN Seinen ersten Synthesizer bekam er mit acht Jahren zum Geburtstag. Die neu entdeckten musikalischen Möglichkeiten und sein Nachbar, Steve Diggle von der englischen Punklegende The Buzzcocks, der ihn auf der Suche nach neuen Drei-Akkord-Hymnen an den Rande des Wahnsinns trieb, beflügelten ihn, sich intensiver mit elektronischer Musik auseinander zu setzen. Dann kam Acid-House, und alles war plötzlich anders. Vor allem, wenn man in Manchester aufwuchs, dem Epizentrum. Der typische Summer-of-Love-Wahnsinn eben. Ein Designstudium und einige Jobs als Grafikdesigner später schickte er, angezogen von der Website und den musikalischen Samples, die er dort fand, einige Demotracks an das frisch gestartete Manchesteraner Label Ai Records. Zum richtigen Zeitpunkt, wie sich zeigen sollte. Seine erste EP "Peace Of Mind" verschlug allen komplett die Sprache. So zarte Rhodes-Akkorde, so endlos dunkel schwelgende Streicher hatte man lange nicht mehr über einen bouncenden Electrobeat gehört und auch die anderen drei Tracks brachten House, Techno und Electro auf eine sympathisch oldschoolige Weise zusammen, die alles andere als nostalgisch oder angestaubt klang. Vor zwei Monaten kam dann, nach einigen nicht weniger starken Compilationtracks, die zweite EP von Claro Intelecto, auf der er sich von seiner dunkleren, verzerrten Seite, mit viel 808-Geschubber, aber nicht weniger schwelgend, zeigte. Sein Debütalbum "Neurofibro", das sich jetzt, frisch veröffentlicht, anschickt, eines der Konsensalben des Frühjahres zu werden, vereint alle Facetten der beiden EPs von dark dern und Platzhirschen wie Warp und Rephlex abzusetzen, hat er sich genau das richtige Label ausgesucht, um im Dschungel der Veröffentlichungen Zeichen zu setzen. Seinen Projektnamen verdankt er seiner Liebe zur spanischen Sprache und seiner Ex-Freundin, die durch ihren Studienaufenthalt im spanischen Murcia ein Übriges dafür tat, dass Mark anfing, spanische Wörter nach Aussehen zusammenzupuzzeln. "'Claro Intelecto' heißt 'klarer Intellekt', aber wenn es nach mir ginge, hätte es auch 'Bratkartoffeln' heißen können, ich hätte es trotzdem benutzt. Die Wörter sehen einfach so gut zusammen Claro Intelecto hätte auch Bratkartoffel heißen können. Das ist Mark Stewart egal. bis zart, bringt deren Hits nochmal mit unter und belehrt alle, die bei Electro von der Insel sofort an Breakin', Ed DMX und ironisches Zitatspektakel denken, eines Besseren. Mit Ai, die es in kürzester Zeit geschafft haben, die einzelnen Fäden von IDM, Elektronika und Elektro zu einer ebenso heterogenen wie kohärenten Labelidentität zusamenzuknoten und sich gleichzeitig auf erfrischende Art und Weise von den großen Vorbil- aus." Da spricht wohl der Grafikdesigner, der es sich auch nicht hat nehmen lassen, das Artwork seines Albums selber zu gestalten. Und bis er Juan Atkins tatsächlich gegenübersitzt, träumt er davon, mit Mark Bell zusammen Knöpfe und Regler zu drehen. Die Chancen, dass sein Wunsch in Erfüllung geht, stehen nicht schlecht. Im Gegensatz zu Detroit ist es nach London ja nur ein Katzensprung. NO WAVE INFO !!!, Louden Up Now, erscheint auf Warp / Roughtrade. www.warprecords.com DIE HÄNGER AUS SACRAMENTO / !!! TEXT SASHA HORSLEY | [email protected] Waverock ist im Augenblick der todsicherste Garant, um seiner Provinzlangeweile zu entkommen. Also gründen sieben Freizeithänger aus Sacramento die Band "!!!", damit schon im Namen der New-Wave-Bezug klar ist. Und dann spielen sie entsprechende Musik, um auch ganz sicher zu gehen, dass sie jemand aus ihrem Kaff wegholt. Das hat weitestgehend geklappt, wir gratulieren. Mütter mit Kind, Hund und Laden brauchen gerne mal etwas länger, um Interviews fertig zu stellen. Wenn es in ihrer Weltanschauung dann auch noch eher ein zähes Gespräch mit leichtem Kaugummicharakter war, dann passiert es schon mal, dass sie die Namen der interviewten vergessen. Die Band hat den so gar nicht bescheuerten Namen "!!!". Vorneweg sei bemerkt, von den "???" haben sie noch nie was gehört, und leider wollte mein Sohn seine einzige "???"-Kassette ("Das Todesmoor") nicht rausrücken. Den beiden irgendwas zwischen 26- und 40jährigen verschlafenen Mitgliedern der eigentlich siebenköpfigen Funkrockfamilie kann also leider nicht die herausragendste Hymne meiner gottlosen Kindheit, nämlich die Anfangsmelodie jener Kassetten, vorgespielt und somit ein klein wenig deutsches Liedgut mit auf den Weg gegeben werden. Wie traurig manches Leben verläuft ... Wie gesagt, sind sie eigentlich zu siebt. Haben jahrelang rumgehangen, die gleiche Musik gehört, Mädchen mehr oder minder erfolgreich aufgerissen, wurden verlassen, sind daraufhin auf Konzerte anderer Bands, ha- ben bestimmt stapelweise James Brown oder Gang Of Four gehört und 1996 beschlossen, einfach selber eine Band zu machen, die die Welt braucht. Sacramento war der Ort des Geschehens. Mittlerweile sind fünf der Jungs nach Brooklyn gezogen und nur noch zwei leben in Sacramento. Diese beiden haben nämlich Kinder und Jobs. Der freundliche Promoter ruft mir die Namen in Erinnerung ... Nic singt und John spielt super Schlagzeug. DEBUG: Sacramento also, ja? NIC: Ach ... da ist es schon okay ... eine Kleinstadt eben. Wenn man sie als Fremder besucht, wirkt sie eher schlimm und langweilig, ein riesiger Vorort eben. Aber es ist einer der Orte, wo die Kids noch tatsächlich coole Sachen machen. Dort herrscht kein HussleBussle, wie es in großen Metropolen oft der Fall ist. Du hast viel Spaß und machst im besten Fall Musik, die nicht unbedingt von den aktuellen Trends beeinflusst wird. Du musst immer dein eigenes Ding machen, die Hälfte säuft sinnlos Bier, die anderen sind kreativ. Entweder gibst du auf und wirst verrückt, oder du gibst auf, wirst verrückt und nutzt diese Verrücktheit und machst damit was Gutes. (Augenbrauenhochziehen bedeutet in dem Fall wohl, dass sie gemeint sind.) DEBUG: Ganz ursprünglich wart ihr doch mal acht, oder irre ich mich? (kopfnicken) Fünf von euch sind dann aber nach Brooklyn und die drei anderen haben Kinder gemacht ... oder... Jobs gekriegt. Einer ist ausgestiegen. Wieso? Hat seine Frau ihn nicht mehr zu den Proben gelassen? NIC: Wir wollen mal nicht immer den Frauen die Schuld in die Pumps schieben. Nein, das war schon seine eigene Entscheidung. Nee Nee, der wollte das so. Ich hab ja zu ihm gesagt: "Hey Duuude, you wanna have a babee .... okaaay" (John prustet nach diesem Alter-weiser-Mann-spricht-mitseinem-Sohn-Vortrag.) DEBUG: Und ist er jetzt sauer und neidisch auf euren Erfolg? NIC: Nein, äh ja, natürlich ist er neidisch (grinst). Im Ernst, wahrscheinlich würden alle gerne auch nach NY ziehen, wenn ihr Leben ein klein wenig einfacher zu handeln wäre. Weißt du, wir alle hatten unsere Kleinigkeiten nebenher laufen außerhalb der Musik, wussten aber auch, dass wir diese mindestens genauso gut in NY bekommen oder leben könnten. Von daher war es ziemlich leicht wegzugehen. Aber für sie mit den Kids wäre es doch eine wesentlich größere Umstellung. DEBUG: Aber wie nehmt ihr dann gemeinsam ein Album auf? Gibt es da schon ein eigenes Studio in NY? NIC: Nein, um dieses Album aufzunehmen, sind wir fünf für einen Monat heim nach Kalifornien und haben dann täglich in einer Art Proberaum an den Songs gearbeitet und am Ende des Monats sind wir in ein anständiges Studio und haben die Basic Tracks aufgenommen. Dann haben wir uns wieder getrennt und einzeln an den Tracks gearbeitet. Dann sind wir für ein paar der Stücke nochmal alle zusammen in NY in ein Studio. Wir haben einige Stücke nach und nach aufgebaut, statt sie immer und immer wieder zu spielen, bis sie cool klingen. DEBUG: Gab es eine Phase als Band, die ihr besser fandet, als jetzt mit großer Promotour in Europa? Zwei von sieben sitzen hier und beantworten langweilige Fragen, ein anderer Teil putzt dem Nachwuchs den Hintern ab und grummelt vor sich hin. NIC: Es gibt Bekannte, die mal meinten: "Ätsch, das habt ihr jetzt davon, schön im stinkigen Kleinbus rumgurken, schwitzen, stinken, die Stinke des Nachbarn einatmen ...", aber hey, das lieben wir doch. Da wollten wir doch hin. Für mich ist jede einzelne Tour total super und spannend. Mann, da oben zu stehen, Musik zu machen und ein bis hundert Leute gehen ab, wow. DEBUG: Wie alt warste denn beim ersten Mal da oben? NIC: Ach, soooo ööhm zwölf (prust). DEBUG: und mein erstes Groupie war so ... zehn ... (prust) (.... jetzt wird nur noch gealbert.) DEBUG: Dankeschön, ich wünsch euch alles Gute und dass die Groupies nie über die dreißig kommen ... TECHNO-NOISE AEOX TEXT www.null-zero-nada.de www.possiblemusic.de BILD MULTIPARA | [email protected] Die Technomaxis des Berliner Labels Null sind mit dem Klammerbeutel gepudert. AeoX, die Band, für die das Label gegründet wurde, bringen das Konzept jetzt mit einem Album auf den Punkt. Musik für Musiker, die keine Musik mögen. Schuld ist Inga Humpe. Neugierig? Schon bei den Texten auf dem Cover bleibt kein Stein auf dem anderen. "Rich and famous" steht da als Albumtitel. Abgekürzt R.A.F., das kennen wir. Und sitzen in der Falle. Denn schon im ersten Textschnipsel auf dem Cover verschwimmt der Unterschied zwischen der Roten Armee Fraktion und der Royal Air Force, um die es da tatsächlich geht. Der Text daneben lässt zum Thema "reich und berühmt" Bands und Banden ineinanderfallen. Geht hier alles durcheinander? Kurz: Werden hier der Mussolini, der Jesus Christus und der Kommunismus getanzt? Im Unterschied zum 1981er Stück der D.A.F. (auch so eine Abkürzung) schleifen AeoX nicht nur im Text die Ikonen am Kragen übers Parkett, sondern auch in der Musik. Hinter dem Albumintrohöllenhund öffnet sich mit "American Rock'n'Roll" ein Rummsfeld aus Industrial-Elektro-Beats, Rockgitarre, DetroitBassline-Tupfen und, um alles platt zu machen, Heavy Glamrock Vocals aus den abgrundtiefsten Siebzigern. Diese Musik liegt im Argen. Die Rettung: Das Stück ist ein Hit. Und es kommen noch mehr. Das Album von Alex und Hanno, zusammen AeoX, lebt von ständigen Positionswechseln, die nicht nur die verwendeten Stilbezüge, sondern auch den strukturellen Aufbau betreffen. Immer wieder geben etwa kickende, aber verschiedenartige Grooves sich die Klinke in die AeoX, Rich And Famous. erscheint auf Null Records / Possible Music. Hand und sorgen für unberechenbare Energiesprünge. "Extrem funkige Müllhaufen" ist folglich der treffende Tenor, der sich durch alle Reviews ihrer Platten zieht. Die Fragmentarisierung erinnert an komplexe Arbeiten im Breakcore-Umfeld, ist aber immer im Kontext eines eher klassischen Techno/Electro-Dancefloors festgemacht. Dazu kommt ein raffiniertes Soundkonzept: Statt der Dub-typischen Illusion offener Weite schachteln AeoX ihre Elemente im Vordergrund ineinander, hinter dem sich nichts als die Betonhärte der Studiowände auftut. Dennoch bleibt auch das ein Illusionsraum - so fett und transparent klingt nichts, was im Proberaum zusammengekloppt wird. So trashig der Gestus der Musik, so zielsicher ist sie doch konstruiert. Mit den durcheinander wirbelnden Bezügen in Text und Musik, immer den Finger am Abzug, machen AeoX eine Identitätskrise explizit, die sie als maßgeblich für die aktuelle Stimmung sehen: "Es herrscht viel Druck, sich Fronten zuzuordnen, die jedoch nicht mehr klar sind, und irgendwie wollen alle, dass es kracht." "Rich and famous" als antiidealistische, anti-dogmatische Katharsis? Eine ernste Sache, aber die beiden Trinker auf dem Cover lachen. AeoX werden sympathisch dadurch, dass es mit ihnen eben nicht nur am Kragen übers Parkett, sondern auch mit dem Patronengurt durch den Kakao geht. "Ohne albern geht nicht", so Hanno. Angesichts der Fun-Punk-Falle stellt sich aber die Frage, für was für ein Publikum AeoX eigentlich spielen. Können sie sich vorstellen, Vorgruppe für eine Band wie Knorkator zu sein? "Nachgruppe! ...zum Tanzen!" sagen beide sofort. Trotz Zweifeln, ob deren Publikum das auch so sehen würde, ist man sich einig, dass die Band durchaus in Ordnung gehe. Obwohl sie Alex mit "Ich hasse Musik" zuvorgekommen sei, der sich das auch schon als Slogan ausgesucht hatte. Warum? "Weil man nicht davon leben kann!" Denn während Hanno hauptberuflich ein in Labelkreisen wohlbekanntes Berliner Büro besetzt, ist Alex ausschließlich Musiker, hat Klarinette und Klavier studiert und als Produzent, Arrangeur, Key- VOLKMAR KLEMM sich gefunden? Beide lachen: "Wir wurden gecastet!" Alex hatte Ende der 90er eine Band namens Goldmund - "romantischer Gothic-Techno mit Gitarre". Für ein Liveprojekt suchte er einen DJ, der die Pausen zwischen den Stücken füllen sollte. Hanno wurde ihm vorgeschlagen von niemand anderem als Inga Humpe, die beide unabhängig voneinander kannte. Ein Glücksgriff, denn in der Tat harmonierten Alex und Hanno so gut, dass Humpe beide als Liveband (zusammen mit Maximillian Hecker an der Gitarre) für ihr eigenes Projekt 2raumwohnung einsetzte. Mit Hanno als neuem Mitglied wurde aus Goldmund AeoX. Hanno gründete das Label Null vor allem, um AeoX eine Heimat zu bieten: Bevor man sich AeoX werden sympathisch dadurch, dass es mit ihnen eben nicht nur am Kragen übers Parkett, sondern auch mit dem Patronengurt durch den Kakao geht. boarder in zahlreichen Projekten gearbeitet. Da sammelt sich neben dem Frust über die Finanzen auch solcher über die Zunft an. "Eigentlich mach ich Musik nur noch für Musiker. Um die zu provozieren." So abweisend sich das anhört: Verstopft wird der Äther schließlich von Unsinn, der für ein von der Industrie imaginiertes Laienpublikum produziert wird. Anders sein Partner Hanno, der von Heavy Metal und Industrial zu nach wie vor anhaltender Begeisterung für Techno kam über häufige Berlinbesuche, wo er 1997 schließlich von Nürnberg hinzog. Wie haben die beiden mit Material, das so zwischen den Stühlen sitzt, von Label zu Label die Sohlen abläuft, bringt man es lieber selber raus. Jetzt, nach diversen EPs und vielen Liveauftritten, sind AeoX mit dem Weggang ihres Gitarristen Jörg zum Duo geschrumpft. Mit Gästen arbeitet man trotzdem gerne. Dass diese hier durchweg Gesang beisteuern, ist Zufall, aber ein angenehmer - unter anderem darf man sich auf eine unbekannte Seite von Bill Youngman freuen. Das Album erscheint zunächst im Doppelvinylformat. Aber auch eine CD-Version ist fertig, mit einer Trackzusammenstellung für zu Hause. Für die findet sich hoffentlich schnell ein passender Vertrieb. MINIMALTECHNO KANADA NACH MICROHOUSE / Pan/Tone TEXT SASCHA KÖSCH | [email protected] Ob die Indianer in den USA deswegen so schlechte Karten hatten, weil sie nie über die adäquaten Passwörter informiert worden waren, ist nicht überliefert. Der Rave-Tourismus von Kanadiern an den Rhein geht aber auch dieses Jahr munter weiter. Pan/Tone (hier mit Löwe zu sehen) hat so eine schöne Wohnung, dass er gleich 24 Alben raushaut diesen Sommer. Fast jedenfalls. Rache für die Eisbären! Verlier niemals dein Passwort für deine Webseite. Sonst denken hinterher Leute, du wärst ein Matador aus Kanada, und rufen den WWF, um dich aus Köln, deiner geliebten Exilstadt mit all deinen Freunden von Areal, Substatic und Onitor zu vertreiben, weil du den letzten lebenden Bullen des Grüngürtels der Domstadt killen könntest. Mr. Shelbono Del Monte, Sheldon Thompson, Pan/Tone, Sid Le Rock oder Gringo Grinder, wie er unter anderem für das erste seiner drei Alben heißt, die diesen Sommer erscheinen, ruft sogar Björn von Textone in einer Whiskey-Seance an, um nicht eines Tages als Roadkill auf den eisigen Straßen von Kanada neben einem schnurrenden Elch zu landen. Ja, aus dem Matador wurde sogar ein Gringo Grinder. Offiziell, um als Rache das schlechte Gewissen heimzusu- chen. Dabei lieben die Kanadier ihre verlorenen Söhne wie Fairley, Caulfield usw., auch wenn sie ihnen mit Rockno drohen. Aber ein Job in einer Finanzfirma oder an der Bar ("Das Einzige, was du da tun kannst, um zu überleben.") lockt einen einfach vom Rhein weg. Shelbonos Lebensgeschichte vor der großen Bassdrum? "Ich bin ein stolzer Indianer mit einem Schuss französischer Güte. Mein Vater zog immer quer durch Northern Ontario und meine Mutter war eine Salontänzerin. Bis sie ihr linkes Bein im Krieg gegen Amerika verlor. Sie haben all unsere Eisbären gestohlen, Bastarde! Also gingen wir runter und brachten ihnen Hockey bei, um sie abzulenken, und holten unsere armen kleinen Polarbärenbabys wieder zurück. Nahezu alle. Aber die Eskimos hatten kaum eine Chance bei all dem heißen Wetter." Verwirrt? Ich auch. Sheldon jedenfalls landete zufällig in Köln und liebt den sexuellen Subtext, den Charme, die Verführung an Rock, Post Rock und Pop. "Ich würde gerne Musik für Frauen machen. Techno braucht mehr weibliche Überredungskunst, damit man sich dafür interessieren kann. Wir brauchen mehr Produzentinnen, es gibt einfach zu viele Würste." Microhouse und Kanada, das ist längst vorbei. Als Sheldon allerdings mit dem halb fertigen "Breakfast Included"-Album, eine Aphotheose erster Begegnungen morgens auf den Kissen im Hotelzimmerbett, in Kanada landete, kam das Eis zurück, und aus einem Rockprojekt wurde mithilfe der Vocals von Ada, Amy Fletcher und Sid LeRock (der übrigens bald ein Album für Mute macht) doch wieder ein kanadisch feinteiliges Glitzerparadies daraus. Glam-Techno voller Facetten. Und das liebt er, wie das verlorene Kind, das sein vor über einem Jahr entstandenes Pan/Tone-Album für BipHop sein wird, wenn es mit all seinen Remixen dann eines Tages erscheint. Das Jahr des Gringo Grinders kann kommen, die Arena ist ja längst eröffnet. Fehlt eigentlich nur noch der Sommer und ein Kübel Eiswürfel für die Whiskeyflasche, damit den Eskimos Köln nicht zu heiß wird. INFO Coming: - pan/tone, Newfound Urban Calm 2xCD, BiPHOp (August 2004) Remixes from (Losoul, Jeff Milligan, Rene Breithwart, Falko Brocksieper, Duplex 100, Frank Martiniq, Repair, Adam Marshall, Andy Vaz) - Pan/tone - Newfound Urban Calm e.p. BiPHop/240 Volts- JULY.2004 - Pan/tone -Dogtime remix for Hans Gruber, Killer records (cat:07)- JULY.2004 - Pan/tone -Mere distance from vous on Regular records- MAY.2004 - Gringo grinder - „Breakfast Included“ CD + 2 e.p. on Onitor/Kompakt- JUNE 15th e.p. titled „Stiletto Rock“ on Onitor features remixes of Ada and Jake Fairley. - Sid LeRock - „Written in Lipstick“ CD + 2 e.p. on Ladomat/Mute. SEPT/OCT.2004 <19> - DE:BUG.83 - 06.2004 GECASTETE TECHNO-BRECHSTANGE INFO INDIETRONICS <20> - DE:BUG.83 - 06.2004 INFO HIGH AUF O2 / ooioo TEXT ooioo, KilaKilaKila, ist auf Thrill Jockey erschienen. www.thrilljockey.com PAUL PAULUN | [email protected] Japan-Noise ist eigentlich nur was für Leute, die von kindischem Anarchohumor und einer moralischen Verpflichtung gegenüber Kakophonien getrieben werden. Aber mit ihrem Projekt ooioo geht Boredoms- und Psychobaba-Musikerin Yoshimi in psychedelische Improv-Verpeilungen, die sogar Testosteron-selbstbewusste Proletarierbühnen in England zum Schmelzen bringen - und unseren Autor an die Pforte des magischen Unterbewussten. In den wenigen Stunden Schlaf vor dem frühmorgendlichen Abflug zum ATP-Festival in Sussex, wo das Interview mit der japanischen Band ooioo stattfinden sollte, sah ich mich mit der merkwürdigen Erkenntnis konfrontiert, dass Yoshimi, die Bandleaderin, Sängerin und Multiinstrumentalistin, ansonsten ja nicht nur bei den Boredoms trommelt, sondern auch noch bei Melt Banana singt. Heh? Als ich den vier Damen von ooioo später von diesem Traum erzähle, müssen sie erst einmal herzlich lachen, denn außer, dass beide Bands aus Japan kommen, gibt es natürlich kaum Gemeinsamkeiten zwischen ihnen. Im Gegensatz zu Melt Bananas Hochgeschwindigkeitsorgien geht es ooioo eher um einen besonderen Umgang mit Melodien und Strangeness und spezielle Ausweitungen davon. Allein die Präzision, mit der beide mittlerweile an ihre Musik herangehen, verbindet sie. MEMBERS & GUESTS ooioo ist ein Projekt von Yoshimi P-we, die neben den Boredoms, oder besser V!rdoms (... die Geschichte mit dem Stylus und den beiden Platten, die eine andere ist als diese hier ...) eben nicht bei Melt Banana, sondern bei Psychobaba spielt. Dort gilt es, indischen traditionellen Wurzeln nachzuspüren und Sitar- und Tablaspiel mit der eigenen Geschichte zu verknüpfen. ooioo ist dagegen komplexer und diverser, was nicht zuletzt daran liegt, dass Yoshimi das einzige ständige Mitglied ist. Was 1996 zunächst als Fakeband für ein Fotoshooting begann, fand seinen musikalischen Anfang, als sie in dieser Konstellation auf einmal begannen, Instrumente zu spielen, die zumindest Yoshimis Freundinnen bis dahin nur vom Hören und Sehen kannten. Das Ergebnis erinnerte manchen eigenartigerweise - oder folgerichtig - an eine frühe Scheibe von "The Fall". Yoshimi mag allerdings keine Wiederholungen und daher findet sich für jeden Release auch ein neues soziales Gefüge zusammen. Eine Maßnahme, mit der sie ihren eigenen persönlichen Veränderungen adäquat begegnen möchte und die zudem ständig für neue Herausforderungen sorgt. Kriterium für eine befristete Mitgliedschaft ist neben der Grundvoraussetzung "Frau", dass etwas "klick" macht bei Yoshimi. Manchmal kann das schon allein das Outfit sein oder die Art, wie eine ihr Instrument spielt. Im Gegensatz zur hiesigen Musiklandschaft ist es in Japan nicht ungewöhnlich, wenn Frauen Musik machen. Kayan, die Gitarristin der aktuellen CD "kilakilakila" spielte beispielsweise schon in fünf anderen Bands und legt nebenbei auch noch auf. Außer der temporären Mitgliedschaft gibt es noch eine flüchtigere Form der Teilnahme am Projekt ooioo - und zwar als Gast. Gäste werden eingeladen, wenn man sich bei einem Stück von einer bestimmten Person eine zusätzliche Komponente verspricht - bei Konzerten spielen sie allerdings nicht mit. 1-2-3-4 Obwohl ihnen das Zusammenspielen wichtig ist, sind Auftritte von ooioo ein rares Gut. Neben dem obersten Gebot der Routinevermeidung und den vielen anderen Aktivitäten von Yoshimi und ihren Gespielinnen liegt das auch daran, dass ihnen intensives Touren zu anstrengend ist. Jeder Gig soll etwas Besonderes haben, den Kontakt zum Publikum eingeschlossen. Die große Bühne der 2000-Leute-Halle dieses in den 60er Jahren für die englische Arbeiterklasse konzipierten Ferienressorts an der Küste von Sussex ist dafür sicherlich nicht der ideale Ort, dennoch macht die spielerische Art, mit der sie sich aufeinander einlassen und miteinander umgehen, allen Beteiligten großen Spaß. Ayas Bassspiel erinnert an das hingebungsvolle Zupfen einer Harfe und auch Yuka Yoshimuras Trommeln und das, was Kayan an der Gitarre macht, sind weit entfernt vom üblicherweise testosterongeschwängerten Umgang mit diesen Instrumenten. Was nicht heißt, dass hier Kuschelrock produziert würde. Vielmehr entwickelt sich eine eigenartige Mischung aus gelegentlich improvisiert wirkenden, leicht psychedelischen Klängen mit vereinzelten jazzigen Anleihen, die immer wieder von Melodien aufgefangen und getragen werden. Das Nebeneinander dieser Elemente lässt genau den Grad an Reibung entstehen, der Schönheit erst möglich macht. Über das Kitschlevel dieser Konstrukte lässt sich sicherlich genauso streiten wie über die These, dass ooioo wie Bongwater ohne Bong klingen. Ihre Musik ist jedenfalls frisch wie ein Bach in den Bergen, wo man ohnehin high auf Sauerstoff und Höhenmetern ist. Auf die besondere Qualität einer Band nur aus Frauen angesprochen, hält Yoshimi den Ball flach. In all ihre Projekte fließt ein anderer Teil ihrer Persönlichkeit ein. Das sei bei ooioo nicht anders als etwa bei einer Zusammenarbeit mit Jim O'Rourke oder Kim Gordon, bei der für sie auch nicht das Aufeinandertreffen östlicher und westlicher Kultur im Zentrum stehe, sondern das Miteinander unterschiedlicher Persönlichkeiten. Präzisieren mag sie das nicht weiter. Wozu auch? Wir haben ja schließlich Ohren. EARTH, WIND & FIRE Im Gegensatz zu den rougheren Liveversionen der Stücke des aktuellen Albums "kilakilakila" wirken die Aufnahmen der CD ziemlich reif und fast schon komponiert - ganz so entspannt, als wäre da jemand in einem neuen Lebensabschnitt angekommen, der sich zum Herzen finden. Musik, die einem das Gefühl gibt, zum Medium werden zu können und den toten Augen der Umgebung quasi reikimäßig mit einer entgegengesetzten Energie zu begegnen. Ein Gemisch aus Hawaiianisch und Japanisch, Trompete, Kaosspad und Tablas. - Wo kommt das eigentlich alles her? Yellow Magic Orchestra? Ryuichi Sakamoto? Zu selbstverständlich, wenn man in Japan aufwächst. Hanatarashi? Auch schon viel zu lange her ... Nein, "Earth, Wind and Fire" müssen als Inspirationsquelle herhalten. Und nicht nur diese Elemente, auch Getiersgetue wie das Blöken von Schafen oder Froschquaken werden von den Damen Musikerinnen als Erklärungsmodell herbeizitiert. Hm, unweigerlich fühlt man sich an Wolfgang Müllers Versuch erinnert, einem anderen, großen Psychedeliker nachzuspüren, als er in Norwegen die Gesänge von Staren aufnahm, die ihn an Kurt Schwitters Ursonate erinnerten. SPACE IS THE PLACE Die erste Begegnung mit der Musik von "kilakilakila" hatte ich eigenartigerweise auf einem großen Flughafen und plötzlich machte sich ein richtig kleines Reisefieber breit. Solide Endorphinausschüttung sorgte für eine positive Grundstimmung kurz vor diesem In-eineneue-Situation-Katapultiertwerden: "I'm so fly!" Daran ooioo's Musik ist frisch wie ein Bach in den Bergen, wo man ohnehin high auf Sauerstoff und Höhenmetern ist. richtig gut anfühlt. Beim Hören habe ich mich einmal bei dem Gedanken ertappt, dass ein Familienleben mit Kindern schön wäre und nichts, wovor man sich fürchten müsse. Bislang befremdliche Gedanken aus einem Paralleluniversum. Umso überraschender, dass Yoshimi während der Aufnahmen und dem Mixen des Albums tatsächlich schwanger war und einem Familienleben nunmehr freudig entgegensieht. ooioo ermöglichen Begegnungen unter einem extrem weiten Horizont: Stücke, deren stellenweise sehr private Passagen sich mit expressiven Eskapaden abwechseln, die einem förmlich ins Gesicht springen und schaudern lassen, aber vielleicht erst in der Zukunft ihren Weg gekoppelt die unvermeidliche Frage, wie es wohl wäre, wenn das jetzt alle hören würden und was für Musik an bestimmten Orten eigentlich eine okaye Grundstimmung erzeugen könnte. An welchen Orten empfinden ooioo selbst ihre Musik wohl als gut aufgehoben? Yoshimi sieht die Musik ihrer Band nicht unbedingt als eine für private Orte, sondern glaubt sie in der Öffentlichkeit ganz gut aufgehoben. Bei ihrer Rückkehr nach Japan steht denn auch als nächstes Projekt die Gestaltung von Fahrstuhlmusik für ein französisches Regierungsbüro an. Da ist wohl jemand tatsächlich angekommen. KIEZHOP <21> - DE:BUG.83 - 06.2004 INFO Moabeat, Dringlichkeit besteht immer, ist auf New Noise / Labels erschienen. DICK UND SCHWOFIG / Moabeat TEXT BILD RENKO HEUER | [email protected] Trägt man in Moabit keine Kappe, gibt’s was auf die Mütze. So ist das im Berliner Kiez zwischen JVA und der kürzesten Allee Deutschlands. Doch die Jungs von Moabeat bauen mittlerweile lieber dicke Beats, als sich dicke Lippen zu kloppen. Moabit ist ein hartes Pflaster. Schon vor zweihundert Jahren ging es hier ab, als sich die Bevölkerung des berüchtigten Berliner Bezirks innerhalb von nur vier Jahren (1801-1805) nahezu verdoppelte – von guten 100 auf 200 Einwohner. Schenkt man den offiziellen Quellen Glauben, gab es damals noch keine Pimps, keine Player, keinen Jugendknast und weiß Gott keinen Deutschrap. Nicht hier, und auch nicht in Mitte. Es gab nur eines – den Kiez Moabit. Heute, zwei Jahrhunderte später, sieht das alles anders aus. Denn nachdem die DeutschHop-Pest durch alle Himmelsrichtungen des Landes gefegt ist und nach der anhaltenden Battle-itis der späten Neunziger eigentlich etwas Ruhe einge- kehrt war, kommen zum zweihundertsten Jahrestag der mittelschweren Bevölkerungsexplosion wieder neue Projekte zum Vorschein. Eines davon ist Moabit, Verzeihung, Moabeat – so will es wohl die neue deutsche Rechtschreibung. Unter diesem Namen haben sich nämlich vier im Berliner Norden ansässige Herren versammelt: Rapper Malo, die Conen-Brüder David (aka Monk, der produziert und rappt) und Yasha und DJ Illvibe, der sonst mit Seeed Echos abgreift oder mit Lychee Lassi “Insekten-Funk” aus den Turntables zaubert. Ihr dieser Tage erscheinendes Debut “Dringlichkeit Besteht Immer” beweist nicht nur, dass es immer wieder eine Freude ist, die Gravediggaz oder Freestyle Fellow- OLAF HEINE ship zu samplen, sondern zeigt auch, dass sich das gute alte Modernisten-Motto (“less is more”) sogar noch besser auf Beats anwenden lässt als auf Hemingways Bücher: “Wir haben uns stark bei den Beats reingehängt. Der Unterschied zu den alten Sachen ist der, dass wir damals erst einmal zeigen wollten, was wir alles können: Ich habe viel gescratcht, die Jungs haben superschnell gerappt, tausend Sachen gemacht, so dass das Ergebnis nachher manchmal anstrengend war.” Während besagtes Resultat früher noch wie ein etwas übereifriger “Bär auf Speed” (so der Titel einer älteren EP) klang, kommen die Tracks ihres Albums furztrocken wie Detroits J Dilla, tief wie die monströsen Pop-Bouncer eines (immer besser werdenden) Timbaland und teilweise sogar dreckig-triefend wie die neusten Grime-Sounds aus UK daher. So erfrischend all das ist, gibt es natürlich eine Sache, die den Deutschrap erst zu dem macht, was er ist: die deutsche Sprache. Früher haben sie die drei rappenden Protagonisten der Stadtteil-Posse gerne zum Kämpfen be- nutzt, sind verbal in die Schlacht gezogen. Doch dieses Mal haben sie ihre Zungen in die Innenseite der Wange gebohrt und versuchen, sich mittels dieser Ironie von einem selbst auferlegten Härtegebot zu befreien: “Bei anderen Rappern ist es ok, wenn sie ernst sind, aber wir sind das einfach nicht. Früher haben wir uns zum Beispiel eine Attitude ausgedacht, haben uns immer mit Baggern fotografieren lassen. Wir haben uns selber etwas Hartes auferlegt, und alles war voll auf die Fresse, bis wir dann bemerkt haben, dass wir nicht wirklich so sind. Jetzt ist es anders, es gibt kaum noch Battle-Zeug.” Trotz dieses erfreulichen Wandels irritieren die manchmal doch noch “ernst” klingenden “Macker”-Ansichten, die zwischen den verbalen weißen Flaggen hervorsprießen: “egal wie du aussiehst / ich will, dass du dich ausziehst” oder “...hab dickere Klöten”. Solche Sprüche schallten nämlich schon damals durch die Straßen des Bezirks. Was auch die Bevölkerungsexplosion erklären würde. MUSIKTECHNIK MY FAVORITE MACHINES <22> - DE:BUG.83 - 06.2004 TEXT BENJAMIN WEISS | [email protected] NI ELEKTRIK PIANO Nach Emagic und Applied Acoustics geht nun auch Native Instruments mit einer E-Piano-Emulation an den Start. Was drinsteckt und ob es zeckt, weiss Benjamin Weiss. ÜBERSICHT Das NI Elektrik Piano kommt mit einer formschön gestalteten Oberfläche, die die Draufsicht auf ein "typisches" elektromagnetisches Piano mit Tastatur repräsentiert. An Drehreglern gibt’s neben Volume, Panning und Tuning noch vier weitere, die nach dem jeweils geladenen Patch und Instrument ihre Funktion ändern. Insgesamt stehen pro Instanz acht Slots zur Verfügung, in die die jeweiligen Patches eingeladen werden können. Den Slots lassen sich verschiedene MIDI-Kanäle zuweisen, ausserdem kann die Polyphonie (maximal bis 256 Stimmen pro Slot) hier eingestellt werden. Für Live-Keyboarder ist ausserdem noch interessant, dass sich die Velocitykurve auf das jeweils benutzte Keyboard hin einstellen lässt. PERFORMANCE, BEDIENUNG UND SOUND Die Performance hängt zunächst extrem von der Größe des Arbeitsspeichers ab, da einzelne Patches bis zu 800 MB (!) gross sein können. Um trotzdem vernünftig mit grossen Samplepatches arbeiten zu können, gibt es die sogenannte DFD-Erweiterung, mit der immer nur ein Teil des Patches in den Arbeitsspeichers geladen und der Rest von der Platte gestreamt wird. Ohne diese Erweiterung macht es also kaum Sinn, das Elektrik Piano zu benutzen. Die Bedienung ist denkbar einfach, der Sound extrem detailgetreu (siehe Patchgrößen!) und angenehm warm und voll. Da das Elektrik Piano auf Kontakt basiert, lassen sich die Patches auch in Kontakt einladen, wo man sie noch weiter editieren kann. MELBEATZ AKAI MPC4000 TEXT CLARA VÖLKER | [email protected] DEBUG: Wie lange hast du denn jetzt schon die 4000er? MELBEATZ: Ich war glaube ich die erste in Berlin, die sich die gekauft hat, da hat die auch noch 5000 Euro gekostet. Müssten jetzt plus minus zwei Jahre sein. Davor hatte ich eine ganze Weile die 2000er, so '98 haben wir die gekriegt. Mit dem S900 habe ich angefangen, den hatten wir auch so ein, zwei Jahre ... Preis: 199,- Euro Info: www.nativeinstruments.de Systemvoraussetzungen: Mac: Mac OS 10.2.6 oder höher, G4 867 MHz, 512 MB RAM PC: Windows XP, Pentium III/ Athlon 800 MHz, 512 MB RAM 2 GB freier Festplattenspeicher erforderlich KATJA KUHL Melbeatz ist nicht nur die Beatbauerin und Gefährtin von Kool Savas, sondern hat soeben ein eigenes Produzentenalbum bei dem Berliner HipHop-Label Optik Records rausgebracht. Ihre Beats macht sie inzwischen mit der MPC4000. DEBUG: Was ist deine Favorite Machine und weshalb? MELBEATZ: Also ich arbeite mit dem MPC4000, ich hab zwar noch die 2000er, aber damit bearbeite ich nur noch meine alten Beats. Die 4000er hat all das, was ich bei der 2000er vermisst hab. Bei der 4000er kann ich während des Samplens den Beat laufen lassen, ich kann direkt einspielen oder dazu laufen lassen und dann sofort aufnehmen. Und ich kann jetzt mehr Sachen damit machen, ich kann jetzt sozusagen Programme damit erstellen. INFO BILD DEBUG: Warum bist du umgestiegen? Die neuen Funktionen? MELBEATZ: Naja klar, wenn der Nachfolger kommt, dann müssen da ja schon paar Erneuerungen dabei sein. Die sieht auch voll geil aus (lacht) und ist auch viel größer, also man sieht schon, dass sie auf jeden Fall mehr drauf hat. Die 2000er hat ja so ein Krankenhaus-Beige oder Grau (lacht), ist halt so ein Kasten. Und die 4000er hat ein paar mehr Ecken und so und ist weiß-lila, sie sieht sogar noch besser aus. Und genau, sie hat einen Cinch-Eingang, man kann direkt den Plattenspieler anschließen, das ist auch voll geil. Oh Gott – das sind echt voll viele Sachen, die fallen mir gerade alle gar nicht ein, ich hab bestimmt auch noch nicht alle entdeckt. Es gibt zwanzig verschiedene Voreinstellun- gen, die Effekte sind glaube ich auch schon drinnen. Die Scheiße ist, dass sie auch nur acht Einzelausgänge hat. Ich dachte: Jetzt kommen die mit 16, und ich glaub, da wär auch noch Platz, ich versteh das nicht und eigentlich wär das das Logischste der Welt, dass die da 16 rein gehauen hätten – aber irgendwie nicht ... Ausgänge sind schon das Wichtigste. Das nervt nämlich dann schon immer, das in zwei Durchgängen in den Rechner rüberzuziehen. Die Belegungen gehen bei der 4000er viel einfacher. Früher musste ich nach ein paar Schritten immer wieder zurückgehen und gucken, wie und wo was liegt, wenn ich jetzt nicht genau wusste, dass das der Sound ist. Hier ist das Display auch viel größer, da ist alles drauf, ein Track sozusagen, da steht gleich drauf, was für ein Filter - äh ne, was für einen Effekt du drinne hast, also welche Bank sozusagen, oder dein Level, und dann sind da auch gleich die Belegungen. Also ich hab die ganzen Sounds untereinander und kann die sofort einfach nur mit zwei Clicks einstellen und umstellen. DEBUG: Hast du schon mal versucht, mit etwas anderem als einer MPC zu produzieren, nur mit einem Programm? MELBEATZ: Das hab ich früher gemacht, als ich meinen PC noch hatte, da gibt’s ja auch tausend Programme, Fruity Loops, Rebirth - da hab ich ein paar Beats gemacht, aber es macht mir keinen Spaß, mit der Maus so zu arbeiten, das ist mir irgendwie zu .... ich brauch Hardware. DEBUG: Wie hat diese MPC deinen Sound verändert im Vergleich zu der davor? MELBEATZ: Also auf jeden Fall hört die sich richtig dick an. Die Bassdrums pumpen schon gut, und die Filter sind INFO Melbeatz, Rapper’s Delight, ist auf Optik Records erschienen. www.optikrecords.de, www.melbeatz.de www.nose.ag auch besser. Auf der 2000er konntest du echt nur hoch- und runterfiltern. Vom Sound her ist die auf jeden Fall dicker und dadurch, dass du noch mehr Möglichkeiten hast, halt die ganzen Programme, die ganzen Filter – ich mein’, ich hab nicht alles benutzt oder so (lacht), aber hat sich schon ein bisschen was verändert, ich könnt jetzt nicht sagen, was, aber ich hab mich ja auch entwickelt und sowieso, seitdem ich aus New York wieder da bin, arbeite ich ein bisschen simpler und so, aber das Krasseste daran ist der Sound. Die sieht auch voll geil aus und ist auch viel größer, also man sieht schon, dass sie auf jeden Fall mehr drauf hat. DEBUG: Wie würdest du sagen, dass du dich vom Klang her entwickelt hast? MELBEATZ: Naja. Ich benutz jetzt den Proteus von EMU, weißt du, dieses Wrack, und meine Sounds sind ein bisschen sauberer geworden, weil früher habe ich darauf gar keinen Wert gelegt, "einfach" hat sich gut angehört, da hat man die Sachen ja auch noch nicht in einem großen Studio abgemischt. Jetzt hör ich das, das Rauschen und alles (lacht). MUSIKTECHNIK Preis : 666,- Euro Info: www.korg.de Systemvoraussetzungen: Mac: OS X 10.2.6, G4 ab 800 MHz, 512 MB RAM, VST / AU Host PC: Windows XP, P4/1,5 GHz, 512 MB RAM, VST Host TISCHHUPE, WELLENFORMEN UND WUNDERWELT EMULATION KORG LEGACY COLLECTION TEXT BENJAMIN WEISS | [email protected] Mit der Softwareversion des Korg MS-20 wird auf den Festplatten dieser Welt eine wichtige Emulations-Lücke geschlossen. Korgs "Legacy Collection" verbindet die legendäre halbmodulare Tischhupe mit einem dem Original nachempfundenen Hardware-Controller und den Softwareversionen des Polysix und der Wavestation. Drei Klassiker, jetzt gebundelt. ÜBERSICHT Fangen wir mit dem MS-20 Controller an, der irgendwie das eigentümlichste Element dieses Sets ist. Wie schon gesagt, ist er etwa 20 % kleiner als das Original und mit Minitastatur bestückt. So bietet er tatsächlich alle Patchmöglichkeitendes Originals. Dafür werden statt großer Klinken kleine verwendet. Über USB mit dem Rechner und dem PlugIn verbunden, reagiert dieses tatsächlich fast wie das Original, fühlt sich aber irgendwie, weil kleiner, doch wie eine Fälschung an. MS-20 Die Oberfläche des PlugIns entspricht der des Originals. Wer die Patchkabel in echt ziehen will, kann dazu den Controller anschließen und Monoklinken reinstecken. Ansonsten lässt sich das auch am Bildschirm erledigen. Um genauer editieren zu können, gibt es eine vergrößerte Version der Knöpfe und Drehregler ohne Keyboard im Edit-Fenster. Dazu kommt noch der "Analog"-Drehregler, der die Stimmungsstabilitäten des Originals simuliert. Der virtuelle MS-20 kann auch, wie das analoge Vorbild, externe Audioquellen mit seinem Filter bearbeiten. In einigen Bereichen übertrifft er sogar das Original Bis zu 32 gleichzeitige Stimmen sowie ein bis zu 16stimmiger Unison-Modus sind für einen eigentlich mo- nophonen Synthesizer nicht schlecht. Der Grad des Detunings und die Stereobreite bekommen dazu noch je einen Drehregler. Außerdem versteht er jetzt auch MIDI-Clock und kann per definierbarem Controller extern moduliert werden. POLYSIX Nicht ganz so begehrt, aber einer der meistverkauften Synthesizer von Korg war der sechsstimmige Polysix, der 1981 auf den Markt kam. Bekannt vor allem für seine satten Stringsounds und Flächen hatte er dazu noch einen Arpeggiator und ein paar einfache, aber gut klingende Effekte. Auch hier ist das Original ein wenig aufgebohrt worden: Wie beim MS-20 kann der virtuelle Polysix bei 32 Stimmen bis zu 16-stimmigen Unison fahren und besitzt einen Spreadregler für die Breite des Stereobildes im Unison-Modus. LEGACY CELL Unter dem Namen Legacy Cell gibt es fünf verschiedene Kombinationen aus dem MS-20 und dem Polysix, außerdem zwei Insert Effekte und einen Mastereffekt, die sowohl als PlugIns als auch als Stand Alone wie ein Instrument behandelt werden können. Leider ist es nicht möglich, auch die Wavestation einzubauen. Es gibt zwei Plätze, in die je ein MS-20 oder Polysix einge- setzt werden können. Zweimal der gleiche Synth ist auch möglich. Beide sind parallel geschaltet und haben je einen Insert-Effekt. Danach kommt ein kleiner Mixer und schließlich noch zwei Mastereffekte. EFFEKTE Die 19 Effektalgorithmen der Legacy Cell sind auch als einzelnes PlugIn unter dem Namen MDE-X nutzbar. So ist mir die wirklich gute Klangqualität der Effekte erst richtig aufgefallen. Neben ziemlich guten Hallräumen sind es vor allem kräftig zupackende Distortion- und Amp-Effekte, aber sogar als EQ macht das PlugIn eine unerwartet gute Figur. Natürlich kann auch der MS-20 als Insert-PlugIn benutzt werden. WAVESTATION Die Wavestation ist der "jüngste" und einzige digitale Synthesizer im Legacy-Package: 1990 auf den Markt ge- morpht, sie mischt oder hintereinander setzt. Ähnlich mühsam wie die Programmierung von Sounds beim DX-7 ist auch die der Wavestation. Hier hat die Software auf jeden Fall die Nase vorn, denn die grafische Benutzeroberfläche vereinfacht die Programmierung extrem. PERFORMANCE, BEDIENUNG UND SOUND Der Sound aller PlugIns ist auf jeden Fall ein wichtiges Argument für die Korg Legacy Collection, denn nicht nur die Synthemulationen MS-20, Polysix und Wavestation klingen überzeugend, sogar die mehr als Gimmick mitgelieferten Effekte sind ziemlich gut. Die Legacy Cell konnte mich dagegen nicht so überzeugen, da die meisten Verschaltungen, die hier möglich sind, auch in einer VST-Umgebung erstellt werden können Vielleicht aber ist das ja was für Leute, die es live ansteuern. Schade nur dass bei der liebevollen Rekon- Einen Korg MS-20 mit bis zu 32 Stimmen ... da fällt einem nicht mehr viel ein. bracht, basierte sie auf dem Prophet VS und benutzte die so genannte Advanced Vector Synthese mit Wave Sequencing, eine Variation der Wavetable Synthese. Sie hat einen sehr eigenständigen Charakter und erlaubt sehr effektive sich bewegende Flächen ebenso wie äußerst merkwürdige rhythmische Sequenzen, indem man sich per Joystick durch verschiedene Wellenformen des 2 MB fassenden Wellenformspeichers struktion des MS-20 niemand daran gedacht hat, auch den SQ-10 (Analogsequenzer für den MS-20) nachzubauen. Stattdessen gibt es den meiner Meinung nach eher kuriosen als sinnvollen Plastik-MS-20 als Controller dazu. Insgesamt kann die Legacy Collection aber durchaus überzeugen. Man braucht zwar einen aktuellen Rechner, der wird aber von der Performance her auch nicht überbeansprucht. MUSIKTECHNIK INFO System: Mac OS X.2.8, G4 800 Mhz, VST-, AU- oder RTAS-Host Mode kostet momentan 199 USD als Download bei www.cycling74.com In Deutschland wird der Straßenpreis für die CD-Version bei 177 Euro liegen. Der deutsche Vertrieb bietet rund 15% Rabatt für Pluggo-Besitzer. www.klangkonzepte.de FÜNF GLORREICHE HALUNKEN / Cycling74s "Mode" TEXT THADDEUS HERRMANN | [email protected] Klassische Synthese im Verbund mit erstklassiger Perfomance-Kontrolle: Das verspricht Cycling 74 für ihr neues Baby "Mode". Drei Soft-Synths und zwei Effekt-Einheiten bilden den Kern des neuen Pakets, das durch zahlreiche Extra-Plugs einen ziemlich dicken Eindruck macht. Made with Pluggo, womit auch sonst!? Die Entwicklung von Mode haben Cycling74, die Hüter des heiligen MAX/MSP-Grals, sehr galant outgesourced: CreativeSynth.com haben das Paket, komplett auf MAX/MSP und Pluggo basierend, erdacht und nutzen nun die etablierten Vertriebswege für dieses Joint Venture. Mode teilt sich in fünf große und einen ganzen Haufen kleinerer PlugIns. WAS DRIN IST ... "Poly" ist, wie der Name schon vermnuten lässt, ein polyphoner Synth. Zwei Oszillatoren mit insgesamt 24 Wellenformen stehen zur Verfügung bei maximal zwölf Stimmen. Im sehr übersichtlichen Design findet man sich schnell zurecht und wünscht sich einfach nur einen schnelleren Rechner. Hier muss nachgebessert werden. Auf meinem Powerbook G4/1 GH unter Logic Audio 6.3.3 ist bei vier Stimmen eigentlich schon Schicht. Aber nicht den Mut verlieren und Audio einfrieren, was das Zeug hält. Die Presets machen Spaß und der umfangreiche Arpeggiator ist der Killer. "Mono" ist die monophone FM-Erweiterung für "Poly" mit reichlich Distortion und Stereo-Delay. Wie man es aus dem Randomizer von Pluggo kennt, kann die Distortion-Kurve hier per Maus eingezeichnet werden. "Mono" ist die definitive Bleep-Maschine. Auch hier sorgt der integrierte Arpeggiator für Bewegung, High-, Band- und Tiefpass tun ihr Übriges. Die CPU wird deutlich weniger gefordert und ich habe diese Dreckschleuder schon in mein Herz geschlossen. "Bang" ist eine Teufelskiste, die aus jedem PercussionSound ein Monster baut. Mit Hilfe eines FM-Operators, einer analogen Einheit und einer dreifachen DADSRHüllkurve kann selbst der langweiligste Snare-Schlag in ein heulendes Ungetüm verwandelt werden. Hat man seine Edits fertig, könnte "Spin" ins Spiel kommen. Dieses Synchronisations-Multitalent bietet 32telAuflösung und kann den Effekt in jeglicher Länge loopen, d.h. ein Effekt-Durchlauf ist nicht an die Patternlänge geknüpft, sondern frei wählbar. So kann der Filter zum Beispiel 13 von den 32 Steps betreffen, der StereoPanner aber 19 von 32. So entstehen wunderbar lebendige Bewegungen. Das Filter bietet Tief-, Band- und Hochpass und zusätzlich einen Notch. Einzigartig auch das Volume-Gate, mit dem sehr schöne LautstärkenKurven erzeugt werden können. überzeugend. Einzig bei der Performance hoffe ich auf Optimierung und Nachbesserung. Zum Absturz kann es kommen, wenn im laufenden Betrieb innerhalb der Presets umgeschaltet wird. Man kennt das von Pluggo. Es macht KNACK und dann ist Stille auf dem Bus. Da MAX/MSP für mich ein Buch mit sieben Siegeln ist, kann ich nur schwerlich nachvollziehen, woran das liegt. "Wash" bildet den Abschluss der "großen 5" von "Mode". Hier wurden sechs Delays, eine 8x8-Patchbay und ein Mixer zusammengefasst. Das Delay kann entweder per Tap manuell eingegeben werden oder pro Kanal einzeln gesteuert werden. Über die "Lock"-Funktion können Loops erzeugt werden und sogar Overdub-Aufnahmen sind möglich. WIR SIND NOCH NICHT FERTIG ... Eine äußerst praktische Idee von CreativeSynth war, einzelne Module aus den großen Plugs auszukoppeln und als Einzelteile dem Paket beizulegen. So finden sich nach der Installation neben den bereits beschriebenen PlugIns noch 18 weitere Einzelteile: Drumcomputer, Sampler, Delays, Monosynths, Distortionfilter, eine kleine Version des Poly-Synths, Chorsu, die einzelnen Module von Spin und eine kleine Version von Wash. Gute und praktische Idee, gerade wenn man viele PlugIns in der Kette hat und der Rechner schlapp zu machen droht. Prima. WIE ES SICH BETRÄGT ... Alle fünf Plugs machen einen sehr guten Eindruck und laufen ziemlich stabil, für eine 1.0-Version auf jeden Fall 200 Dollar ist nicht wenig Geld, dennoch denke ich, dass der Preis für diese Sammlung an unkonventionellen PlugIns angemessen ist. Unbedingt Demo checken! <23> - DE:BUG.83 - 06.2004 INFO ELEKTRONIKA <24> - DE:BUG.83 - 06.2004 INFO bald: A Gent Agent (Laboratory Instinct) jetzt: Meanwhile (Laboratory Instinct) Of Snowdonia (Plug Research) Adventure Time - Dreams Of Water Themes (Plug Research) www.daedelusdarling.com hot sein? Oder das Tryptichon auf "Quiet Party": Tonbandgerät, Gasherd, Zahnbürste. Das würde sogar nach Eigenbrödler riechen, wenn es nicht in Kohle gezeichnet wäre. Perfektioniert als Bedroomnerd-Comic dann auf "The Household EP". Und schließlich, Kür in Wales, "Snowdonia", bebrillte Schalträger unter Kindermonstern. Daedelus erfindet gerne, dass er aus Wales kommt. Drachen, Könige, Romantik. Wir sind sicher, sein neues Album, "A Gent Agent" auf Laboratory In- DAS ECHO IM TEEKESSEL DAEDELUS echtes Abenteuer also. Jedenfalls im Vergleich mit der Geschichte, die Los Angeles vor der Haustür, gefangen im Jetzt, einem vorgaukeln will. Fragt man ihn nach dem Einfluss von LA auf seine Musik, dann taucht Jazz auf und die 60er. Und natürlich der Meltingpot, in dem HipHop und Elektronik verschmelzen kann, weil beide so Underground sind. Und dann? Alfred WeisbergRoberts, so sein bürgerlicher Name, war Elektroakustikfan in dem Alter, in dem andere Kaugummibla- Daedelus ist jemand, der vor einem Sample steht und es bewundert wie einen Schatz. Und wie in jedem guten Videospiel lauern überall Schätze. stinct, übertrifft das visuell nochmal. Wie konnte es nur dazu kommen? TEXT SASCHA KÖSCH | [email protected] Das Wunderkind Daedelus hat in Los Angeles schon früh verlernt, zwischen Teekessel und Computer zu unterscheiden. Kein Wunder, wenn das erste Instrument der Fernseher als Loop-Player war. Sympath durch und durch, Blümchen inklusive. Daedelus macht einfach zuviel. Man würde es ihm vorwerfen, wenn nicht jedes einzelne Release von ihm so ein Zuckerbäckermeisterwerk wäre. Daedelus schwingt die Gitarre und liefert solide Freestyle-Basis auf Busdriver und Radioinactive, wuselt sich mit dem Dublab-Owner Frosty durch die Wogen der Kindertraum-Piraterie aus dem Füllhorn mit Adventure Time, leiht Madvillain ein Akkordeon, gibt weitere Gitarrestunden bei Ammoncontact oder Hu Vibrational und fühlt sich auf Laboratory Instinct, Plug Research, Eastern Development, Mush oder Phtalo ebenso zu Hause wie auf endlosen Kollaborationen und Remixen. Ganz abgesehen von den Sachen, die wir trotzdem noch beiseite gelassen haben. Daedelus ist einfach überall dabei, wo man Hip groß schreibt, notfalls auf die eigene Mütze, aber dennoch ist der Mann mit dem eigenwilligsten Backenbart in Los Angeles immer wieder auch einen Schritt zu weit draußen, um sich gut als das neue Ding verkaufen zu lassen. Außerdem meist mützenlos. Daedelus ist mit Sicherheit selber schuld. Allein die Cover! Ich meine, wie könnte der einsame Erfinder aus dem vorletzen Jahrhundert auf dem Cover von "Invention" mit der Schamesröte im Gesicht beim Gedanken an einen überdimensionalen Wasserkessel irgendwie Daedelus, wir brauchen da nicht mal raten, war Drumand-Bass-Konvertit. Breaks sind die Zukunft, dachte er sich vermutlich, als er seinen ersten Sampler bekam. Aber nicht diese HiFi-Cyber-Matrix-Scifi-Zukunft, sondern das Kaleidoskop, das Frankenstein-Ethos, das Sammler-Jäger-Krieger-Erbe von Drum and Bass lebt in den Tracks von Daedelus. Der Sampler ist ein Piratenschiff und kennt folglich keine lineare Geschichte, sondern nur Beute. Das hat er mit vielen der ehemaligen Glitch-Suppe gemein, aber deren Glaube an die Technologie trennt sie vom "völlig untalentierten" Erfinder Daedelus, für den ein Ballen Samt, ein verrosteter Teekessel und ein G5 irgendwie gleichwertige Teile des einen Raubzuges sind. Daedelus kann Dinge auseinander nehmen, aber zusammen bekommt er sie nicht mehr. Selbst Jungleechos wehen auch jetzt noch von Jamaica über England zurück an die Westküste quer durch seine Platten. Aber der Sampler war nicht sein erstes Instrument. Dafür spielt er einfach zu viele. Wie bei jedem guten Amerikaner war sein erstes Instrument der Fernseher. Und wie jeder aus seiner Generation war der Fernseher auch für ihn ein Loop. Ein Instrument der Re-Runs. Ein Blick in die Historie der Filmgeschichte, der Serien. Ein sen platzen lassen (nicht, dass er gleichzeitig nicht auch Wave gehört hätte oder Funkadelic), und ein Jazzstudent. Würdet ihr das glauben? Und natürlich ist Daedelus ein Viktorianer. Wenn er Bücher schreiben würde, er wäre Neal Stephenson und Jeff Noon auf einmal. Kein Wunder, dass Daedelus das erste Kid vom Block war, das Ravemusik hörte. Aber gib mir einen Break. Jeder einzelne Track von Daedelus schillert wie eine Öllache anstelle einer Perle in einer Auster. Und trotz breit gefächertem Wissen über Musikgeschichte ist Daedelus immer noch naiv. Daedelus ist jemand, der vor einem Sample steht und es bewundert wie einen Schatz. Und wie in jedem guten Videospiel lauern überall Schätze. Jeder Track ist eine Stage, und wenn man den geheimen Stern findet, umso besser. Er ist auf der Suche nach Abenteuern. Er würde gerne von einem Music-Executive verklagt werden, weil er immer Samples klaut. Abenteuer und Style schließen sich aus. Weshalb Daedelus eben auch nicht der neue Electronic-HipHop-Star werden kann, wie z.B. Prefuse. Wer Style hat, der lebt eine Geschichte, einen Thriller vielleicht, aber der Plot ist klar, das Ende vorgezeichnet. Bei Daedelus kann man nicht wissen, was einen erwartet, man erkennt ihn nur wieder, weil er ein Character ist, der viele Gesichter hat. Eine Geschichte, die immer endet, nur um neu anzufangen. Eine Chronik ohne Überschrift und Timeline. FINDER SCIFI UNTER CREATIVE COMMONS 27 AM RANDE DER LIZENZIERUNG 28 WIE SCHLÄGT SICH DIE GEMA? 29 GEMA LIZENZEN Cory Doctorow verschenkt Bücher übers Netz Filesharing zwischen DRM und Pauschalabgabe Mit neuer Technologie und dem Phono-Verband IFPI 29 DIGITAL RIGHTS MANAGEMENT 30 DAS POTATO SYSTEM 30 WIE FUNKTIONIERT MUSIK? Nutzungsrechte technologisch lizenzieren Filesharing mit Künstlerbrot Ein Schaubild Unsere Lieblings-Deals 31 DESIGN: WEBSITE-USABILITY 32 MODE: LEINENHALBSCHUHE 34 KUNST/MAGAZIN: SPECTOR CUT + PASTE 35 KUNST: JACK GOLDSTEIN Weg von Flash, hin zu Cascading Style Sheets Im Kampf für und gegen Unkonventionalität Ein Interview mit Designer Markus Dreßen 35 KUNST & FUSSBALL 36 GOTO 36 ABO Hot! Fallrückzieher im Roncalli Raus, aber wohin? Debug hinein in dein Postfach Verstrahlte Mythen aus dem Kino Hollywoods LIZENZEN URHEBERRECHT REFRESHED CREATIVE COMMONS KOMMT NACH DEUTSCHLAND TEXT ANNETT JAENSCH | [email protected] Der Launch der deutschen Version steht unmittelbar vor der Tür: Das US-Lizenzmodell Creative Commons vollbringt das erstaunliche Kunststückchen, bisheriges Copyright gegen den Strich zu bürsten und damit einen neuen Umgang mit Content zu etablieren. Die Resonanz auf die "Lizenz zum Teilen“ ist weltweit so hoch, dass der internationale Zweig "icommons“ gegründet wurde, der landesspezifische Lizenzen erarbeiten soll. Anlässlich der Präsentation der deutschen Lizenzen auf dem Kongress Wizards of Os 3, der im Juni in Berlin stattfinden wird, stellen wir euch die Idee hinter dem Rechtskunststück noch einmal vor. Die Gegner des Filesharing beten für gewöhnlich das immer gleiche Mantra vom Schutz der Autorenrechte. Es entsteht der Eindruck, dass Künstler nichts so sehr beutelt wie die Begehrlichkeiten einer gierigen Kopiergemeinde. Das alternative Lizenzmodell Creative Commons demonstriert dagegen: Kreative sind sehr wohl dazu bereit, ihre Werke in offene Nutzerpools zu stellen. Lawrence Lessig, Jura Professor von der Stanford Law School und Internet-Freidenker, hat im Jahr 2001 mit Gleichgesinnten das Projekt begonnen, um das Copyleft der freien Software auch auf andere Bereiche zu übertragen. Denn das klassische Copyright schützt zwar die Rechte am Werk, erweist sich aber in der Praxis als Kreativitätsbremse. Wer schon einmal versucht hat, die Erlaubnis zur Nutzung oder Änderung eines mit Copyright belegten Werkes zu bekommen, wird wissen, wie langsam die Mühlen von Rechtsabteilungen mahlen, egal ob der betreffende Künstler nun etwas dagegen hat oder nicht. Creative Commons will den Urhebern ein bewegliches Copyright zurückgeben. Erreicht wird das, indem sich der Lizenzvertrag nicht mehr nur an den Konsumenten richtet, sondern auch potenzielle Weiterverarbeitung aktiver mitberücksichtigt. "Skip the Intermediaries", so heißt es auch in dem kleinen Comic zur Erklärung der Lizenzen auf der Website von Creative Commons. Wer Texte, Musikstücke, Bilder und Filme kreiert, kann frei nach der Devise "Keep what you want, share what you want" mit Hilfe von vier Lizenzbausteinen festlegen, wie er sich die Nutzung der Werke wünscht. "Attribution" stellt sicher, dass der Name des Urhebers wieder auftaucht; "Non Commercial" schließt kommerzielle Nutzung aus; mit "No derivative" wird Nutzern signalisiert, dass sie zwar kopieren dürfen, aber nicht verändern, und "Share Alike" schließlich möchte, dass alle Folge-Kreationen auch wieder unter der CC-Lizenz Verbreitung finden. Neu dazugekommen sind nun auch eine Lizenz, die speziell das Sampeln von Werkteilen erlaubt bzw. den Vertrieb über unkommerzielle Filesharing-Systeme. Die smarten, weil auf einfache Handhabung heruntergebrochenen Vertragsmodalitäten, sind nicht nur in einem juristischen Text verfügbar, sie gibt es auch in zwei weiteren Versionen - die eine ist auch von Normalsterblichen zu verstehen, eine weitere besteht aus computerlesbaren RDF-Daten. Alles ist also leicht verständlich, rechtlich abgesichert und suchmaschinentauglich. Mittlerweile tragen rund 1,2 Millionen Werke weltweit den Vermerk "Some Rights reserved". Allein durch die Verlagerung vom rigiden "Alles verboten!" hin zum sympathischen "Du darfst einiges!" ergibt sich für alle Beteiligten eine Win-Win-Situation. Unbekannten Künstlern hilft die Plattform aus der Anonymität. Auf Nutzerseite verflüchtigt sich der Stressfaktor bei der Beschaffung von Content im Netz, wenn die Möglichkeit zur Weiterverwertung so klar auf dem Tisch liegt. Und da wäre auch noch das Aufblühen kollaborativer Arbeitsformen. Chefdenker Lessig stellte sein neues Buch "Free Culture" vor kurzem auch unter die Creative-Lizenz und schon kurz nach Erscheinen zirkulierte ein munteres Dutzend Varianten der Lessig-Lektüre im Netz: Audiofiles, Flashpräsentationen und andere umgegossene Formate. DAS VETO DER ALTEN Mit purem Altruismus muss das alles nichts zu tun haben. Ein Urheber kann der nicht-kommerziellen Nutzung über Creative Commons zustimmen, davon unabhängig aber auch Verträge schließen, aus denen Tantiemen fließen. Hier spannen sich die ersten Fallstricke, speziell wenn Verwertungsgesellschaften im Spiel sind. Ein Beispiel: Für den Musikbereich existiert inzwischen: die Creative Commons Music Sharing License. Wunderbar eigentlich. Wer jedoch als Musiker in Deutschland schon über die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte GEMA Lizenzgebühren einsammeln lässt, bekommt bei der Nutzung von CC-Lizenzen ein Problem. Die GEMA beharrt auf ausschließliche Wahrnehmung, demnach wären Nebenvereinbarungen nicht legal. Ein anderes Problem, dass es durchs Nadelöhr zu fädeln gilt, sind die von Land zu Land unterschiedlichen Regelungen beim Urheberrecht. Icommons, der inter- ILLU GODZINGUIN nationale Zweig von Creative Commons, kümmert sich zusammen mit Partnern im jeweiligen Land darum, die US-Lizenz entsprechend anzupassen. Christiane Asschenfeldt leitet die icommons. Wir fragten sie, wie es mit den internationalen Lizenzen vorangeht. DEBUG: Wie ist die Anpassung der Creative CommonsLizenzen für Deutschland abgelaufen? ASSCHENFELDT: Die Abläufe sind in jedem Land gleich. Zuerst entwickeln wir zusammen mit Partnern einen Entwurf. In Deutschland kooperieren wir mit dem Institut für Informationsrecht von Professor Dreier und dem Verein ifross. Der Entwurf steht danach über eine Mailingliste zur öffentlichen Diskussion. Es laufen auch schon einige Pilotprojekte mit Lizenznutzern. "European Culture Heritage Online", kurz ECHO, ist so eines. Im Rahmen von ECHO will die Max-Planck-Gesellschaft die Lizenz für eine deutsche Bibliothek nutzen. Am 11. Juni wollen wir die deutsche "Creative Commons"Lizenz auf der Wizard of OS-3 Konferenz in Berlin launchen. Sie wird die erste europäische Lizenz sein, die online erhältlich ist. Bisher gibt es neben der amerikanischen nur eine andere Version und zwar in Japan. Some rights reserved: Creative Commons will den Urhebern ein bewegliches Copyright zurückgeben. Ab Juni gibt es das dann auch in Deutschland. DEBUG: Worin wird sich die deutsche Version von der amerikanischen unterscheiden? ASSCHENFELDT: Das deutsche Urheberrecht kommt vom Autorenrecht her, das heißt, dass der Schöpfer wie über ein unsichtbares Band mit dem Werk verbunden bleibt und diese Persönlichkeitsrechte weiter zu beachten sind. Daraus ergibt sich beispielsweise der Unterschied beim Baustein "Attribution", die Namensnennung des Urhebers muss nach deutschem Recht sowieso erfolgen. Auch im Verbraucherschutz sind sie in Deutschland strenger. Haftungsfragen werden beispielsweise spezifisch gehandhabt. Da mussten wir einige Änderungen vornehmen. DEBUG: Viele CC-Anhänger in Deutschland nutzen zur Lizenzierung ihrer Werke bereits die amerikanische Version. Ist diese nach deutschem Recht überhaupt wirksam? ASSCHENFELDT: Man kann in einem Vertrag selbst bestimmen, welche Rechtsordnung man wählt, nur wenn man dies von deutschem Gebiet aus tut, dann muss das dann auch kompatibel mit dem deutschen Recht sein. Mit einer US-Lizenz wären im Konfliktfall einige Klauseln wirksam, andere wieder nicht. Das Glückliche an unserem Konstrukt ist, dass es sich um eine Freigabe von Verwertungsrechten handelt. Da vermindert sich schon mal das Risiko eines Konfliktes. Wir passen trotzdem die US-Version an das jeweilige Land an, um mit einer vollen Kompatibilität auf Nummer sicher zu gehen. DEBUG: In welchen Ländern ist denn die Resonanz besonders groß? ASSCHENFELDT: Die Resonanz in Brasilien ist wirklich großartig. Dort organisieren sie im Augenblick einen Launch mit 4500 Leuten, der Kulturminister und Musiker Gilberto Gil unterstützt das Ganze, da sieht man, dass eine ganz andere Herangehensweise möglich ist. Wir haben inzwischen aber Kontakt zu insgesamt 60 Ländern. Auch Italien hat eine starke Community, über deren Mailingliste bekomme ich immer viel Post mit Anregungen. INFO www.creativecommons.org icommons-Partner in Deutschland: Institut für Rechtsfragen der Freien und Open Source Software, www.ifross.de, Universität Karlsruhe, Institut für Informationsrecht, www.z-a-r.de DEBUG: Habt ihr mit Hindernissen zu kämpfen? ASSCHENFELDT: Bei den Verwertungsgesellschaften liegt ein großes Stück Arbeit noch vor uns. In Deutschland, Frankreich und Griechenland haben die Verwertungsgesellschaften eine starke Position inne und pochen auf ausschließliche Wahrnehmung. DEBUG: Es ist momentan also nicht möglich, CC-Lizenzen zu haben und gleichzeitig bei der GEMA unter Vertrag zu sein. Seid ihr mit der GEMA im Gespräch? ASSCHENFELDT: Wir suchen auf jeden Fall den Dialog. In Japan klappt das sehr gut. Da arbeiten wir mit der großen Musikverwertungsgesellschaft zusammen. Eigentlich sollte es überall so sein, dass die Gesellschaften für die Künstler da sind und sich nach ihnen richten - und nicht andersherum. <25> - DE:BUG.83 - 06.2004 26 LIZENZEN LIZENZEN <26> - DE:BUG.83 - 06.2004 MIT CREATIVE COMMONS IN RICHTUNG ZUKUNFT CORY DOCTOROW TEXT JANKO ROETTGERS | [email protected] FREIE LIZENZEN TEXT OPEN SOURCE Ihren Anfang nahm die Idee freier Urheberrechtslizenzen in der Open-Source-Bewegung. Der Grundgedanke: Programmierer sollten dazu ermuntert werden, den Quellcode ihrer Software zu verbreiten, um andere an der Entwicklung teilhaben zu lassen. In den Zeiten der Universitäts-Großrechner der Siebziger war dies eine Selbstverständlichkeit, die auch ohne fest definierte Regelwerke funktionierte. Die Kommerzialisierung des Software-Geschäfts, das Aufkommen neuer Programmiersprachen und der Personal-Computer-Boom Anfang der Achtziger sorgten jedoch dafür, dass immer mehr Software ohne Quellcode in Umlauf gebracht wurde. en.wikipedia.org/wiki/Open_source GPL Die General Public License wurde 1988 von Richard Stallman und Eben Moglen für das GNU-Projekt verfasst. Ziel war es damals, ein frei nutzbares Unix-Betriebssystem zu schaffen – weshalb GNU als rekursives Akronym auch für "GNU is not Unix" steht. Trotz solcher Geek-Witzeleien hat sich die GPL zu einer der wichtigsten Open-Source-Lizenzen gemausert. Die grundlegenden Regeln der Lizenz: Wer GPL-Code für seine Programme nutzen will, muss diese wieder unter den Regeln der Lizenz veröffentlichen und ihren Source-Code frei zugänglich machen. Bekanntestes Beispiel für ein GPL-Werk ist das Linux-Betriebssystem. en.wikipedia.org/wiki/GNU_General_Public_License COPYLEFT Regelwerke wie die GPL, die Nutzer zum Veröffentlichen offener Quellen zwingen, werden auch als Copyleft-Lizenzen bezeichnet. en.wikipedia.org/wiki/Copyleft BSD Die Lizenz der Berkeley-Universität. Im Gegensatz zur GPL können Nutzer BSD-lizensierten Quellcode in ihre Programme integrieren, ohne selbst den Quellcode ihrer Software zu veröffentlichen. Dies ermöglichte beispielsweise Apple, große Teile des freien Unix-Systems FreeBSD in OS X zu integrieren. GPLAnhänger argumentieren oft, dies sei Verrat an der Idee quelloffener Projekte. BSD-Nutzer halten dagegen, dass die GPL zu restriktiv sei, um eine weit reichende kommerzielle Nutzung zu garantieren. en.wikipedia.org/wiki/BSD_License PUBLIC DOMAIN Als Teil der Public Domain gelten alle Werke, die ein Autor der Allgemeinheit zur freien Verfügung überlässt. Gehört niemandem und allen, könnte man auch sagen. Allerdings streiten sich Juristen noch darüber, ob das überhaupt mit europäischen Urheberrechten in Einklang zu bringen ist. Hierzulande kann man seine Rechte als Autor nämlich nicht abtreten, sondern höchstens auf ihre Verwertung verzichten. en.wikipedia.org/wiki/Public_domain URHEBERRECHT Freie Lizenzen bedeuten nicht den völligen Verzicht auf Urheberrechte. Sie definieren diese nur so, dass mehr Nutzer Anteil an den so lizenzierten Werken haben könnten. Ohne jegliche Urheberrechte ließen sich jedoch auch diese Lizenzen nicht durchsetzen. JANKO ROETTGERS | [email protected] ILLU ZIONGUIN Cory Doctorow nutzt “Creative Commons”-Lizenzen, um seine Bücher umsonst im Web zu verbreiten. Der Mitarbeiter der Electronic Frontier Foundation (EFF) und Mitbegründer des “Boing Boing”-Weblogs sprach mit Janko Röttgers über das Verschenken von E-Books und die Zukunft des Verlagwesens. Cory Doctorow hat sich im Netz einen Namen als Mitherausgeber des Boing Boing-Weblogs gemacht. Das "Verzeichnis wunderbarer Dinge", das aus der gleichnamigen kalifornischen Mittneunziger-Zeitschrift hervorgegangen ist, präsentiert jeden Tag ein spannendes Sammelsurium von Skurrilitäten, News und Netzkultur. Innerhalb der letzten zwei Jahre hat es sich damit zu einem der meistgelesenen Weblogs gemausert. Doctorow ist außerdem mit dem Aufbau eines europäischen Ablegers der Netz-Bürgerrechtsorganisation EFF beschäftigt. Nebenbei vertritt er auch noch Creative Commons in Großbritannien. Ach ja, und Schriftsteller ist er auch. hat eine völlig hysterische Einstellung in Bezug auf Urheberrechte. Doctorow hat mittlerweile drei Science Fiction-Bücher herausgebracht. Sein Erstlingswerk "Down and Out in the Magic Kingdom" spielt in einem futuristischen Disneyland. Ewiges Leben, ständiger Netzzugang und freie Elektrizität haben den Protagonisten des Romans alle existenziellen Sorgen genommen. Das einzige, was im Magic Kingdom noch zählt, ist der Ruf einer Person – was zur Entwicklung einer komplexen Anerkennungsökonomie geführt hat. Ganz so weit sind wir heute noch nicht, doch Doctorow experimentiert trotzdem schon fleißig mit alternativen ökonomischen Modellen. So hat er Online-Ausgaben all seiner Bücher unter Creative Commons-Lizenzen gestellt und verbreitet sie nun DEBUG: Du hattest im Fall von "Down and Out" 300.000 Downloads? DOCTOROW: Ungefähr. Ich weiß es nicht genau, weil meine Leser es selbst weiterverbreiten dürfen. Und es gibt unglaublich viele Webseiten, die es anbieten. DEBUG: Kannst du mir eine Idee davon geben, wie viele Bücher du bisher verkauft hast? DOCTOROW: Die neuen Bücher scheinen sich ziemlich gut zu verkaufen. "Down and Out in The Magic Kingdom" hatte eine Hardcover-Auflage von 8500. Ich bin mir nicht ganz sicher, wie groß die Paperback-Auflage ist, wahrscheinlich um einige Faktoren größer, aber es verkauft sich sehr gut. Normalerweise werden von einem typischen Science-Fiction-Erstlingsroman weniger als 5000 Exemplare gedruckt. DEBUG: Was ist - vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen - dein Rat an andere Autoren? DOCTOROW: Man sieht deutlich: Die elektronische Ausgabe ergänzt die Papier-Ausgabe. Wenn du deinem Publikum erlaubst, Kopien deines Buchs auszutauschen – was für dich völlig umsonst ist – dann erhöht dies die Verkaufszahlen deines Buchs. Es ist einfach ganz logisch: INFO Cory Doctorow: www.craphound.com Boing Boing: www.boingboing.net EFF: www.eff.org Heute kann man mehr Bücher verkaufen, indem man die elektronische Version verschenkt. In der Zukunft könnte es wichtiger sein, direkt mit elektronischen Büchern Geld zu verdienen – wie immer das aussehen mag. Das Verlagswesen hat sich seit dem Beginn des vergangenen Jahrhunderts alle fünf bis zehn Jahre komplett verändert. Neue Druckmaschinen, neue Binde-Techniken, die Konsolidierung des Einzelhandels. All diese Dinge haben die Art und Weise, wie Verlage Bücher verkaufen, komplett revolutioniert. Es gab eine Zeit, in der Tausende von Science-Fiction-Magazinen beim Zeitschriftenhändler erhältlich waren. Die goldene Zeit des Pulp, die Anfangszeit von Science Fiction. Schriftsteller verdienten in dieser Zeit den Großteil ihres Einkommens mit dem Verkauf von Kurzgeschichten. Heute gibt es drei oder vier Science Fiction-Magazine im Zeitschriftenhandel, und selbst denen geht es schlecht. Das bedeutet jedoch nicht, dass Science-Fiction untergegangen ist oder dass das Verlagswesen untergegangen ist. Oder dass es keinen Bedarf mehr für Kurzgeschichten gibt. Die Tatsache, dass kostenlos angebotene elektronische Bücher nicht das Geschäftsmodell der Zukunft ist, heißt deshalb nicht, dass es nicht heutzutage als Geschäftsmodell funktioniert. DEBUG: Wie könnte die Zukunft denn für Verlage, aber auch für Autoren aussehen? Die Tatsache, dass kostenlos angebotene elektronische Bücher nicht das Geschäftsmodell der Zukunft ist, heißt nicht, dass es nicht heutzutage als Geschäftsmodell funktioniert. fröhlich im Netz. Grund genug, mal nachzufragen, was für praktische Erfahrungen er damit gesammelt hat. DEBUG: Wie schwierig war es, deinen Verlag davon zu überzeugen, die Bücher mit Creative Commons-Lizenzen im Netz zu verschenken? CORY DOCTOROW: Mein Lektor, der für die ScienceFiction-Reihe bei Tor verantwortlich ist, ist ein alteingesessener Geek. Wir haben uns in den Achtzigern über ein BBS-System kennengelernt. Er betreibt seine eigenen Server, schreibt ein bisschen Perl – er kennt sich aus. Tor ist der größte Science-Fiction-Verlag der Welt. Und da die Welt sich ändert, suchen sie nach neuen Wegen, Bücher zu verbreiten. Tor war einer der ersten Verlage, der elektronische Bücher veröffentlichte. Nun sind sie einer der ersten Verlage, der seinen Autoren das Nutzen von Creative-Commons-Lizenzen erlaubt. Als ich sie am Tag des Erscheinens anrief und ihnen erzählte, dass 30 000 Menschen das Buch heruntergeladen haben, meinte mein Lektor: 'Das ist großartig. Es bedeutet, dass 30 000 Leute darauf warten, dein nächstes Buch kaufen zu können.' Sie gingen damit also ziemlich vernünftig um. Nicht jeder, der im Copyright-Business ist, Dies ist die günstigste, effektivste Form des Marketings und der Mundpropaganda, die es in diesem Bereich gibt. Was das Überzeugen des Verlegers angeht: Wahrscheinlich könnte man auf meinen Erfolg verweisen. Klar, es gibt Leute, die sagen: Das ist etwas völlig Neues, der Erfolg lässt sich noch nicht einschätzen. Oder: Das mag funktionieren, wenn du ein junger Autor mit einem Erstlingswerk bist – aber für etablierte Autoren macht das keinen Sinn. Doch lustigerweise sind dies genau die gleichen Leute, die sich zu Wort meldeten, als Steven King sein Buch elektronisch vertrieb. Damals sagten sie: Das klappt, weil er ein etablierter Autor ist – aber für Anfänger macht das keinen Sinn. DEBUG: Glaubst du, dass elektronische Bücher die Papierausgaben einmal ganz ablösen könnten? DOCTOROW: Zuallererst einmal muss man sagen, dass Lesen generell heutzutage eine ungewöhnliche Zeitbeschäftigung ist. Einer von zehn Amerikanern liest ein Buch pro Jahr. Die meisten dieser Leute lesen nicht mehr als ein Buch und in den meisten Fällen handelt es sich dabei nicht um einen Roman. Gleichzeitig lesen immer mehr Menschen immer mehr Texte auf ihren Bildschirmen. DOCTOROW: Ich weiß nicht, wie wir Autoren in Zukunft Geld verdienen werden – aber ich weiß, was garantiert nicht funktionieren wird. Wir werden kein Geld vedienen, wenn wir unser Publikum als Diebe beschimpfen. Wir werden kein Geld verdienen, wenn wir uns vormachen, das Internet existiere nicht. Oder fordern, es solle aufhören zu existieren. Der Verkauf von E-Books mit Kopierschutz wird nicht funktionieren. Konsumenten wollen kein Digital Rights Management. Kein Leser hat sich je gewünscht, weniger Freiheit im Umgang mit seinem EBook zu haben. Ich weiß wirklich nicht, was das Modell der Zukunft ist. Möglicherweise wird es über Fortsetzungsgeschichten funktionieren, die auf werbebasierten Websites veröffentlicht werden. Es könnte eine ganze Reihe von Modellen geben. Ich glaube, wir sollten eine Menge verschiedene Sachen ausprobieren. Wir werden auch in Zukunft Geld verdienen, wenn wir Technologie willkommen heißen. Die Details kenne ich noch nicht. Aber ich weiß, dass die Strategie dafür ist, mit so viel Schwung vorwärts zu drängen wie möglich. Wenn du dich vorwärts bewegst, kannst du einfach den Kurs korrigieren. Stillstand bringt dich dagegen nirgendwo hin. LIZENZEN <27> - DE:BUG.83 - 06.2004 AM RANDE DER LIZENZIERUNG / Filesharing zwischen DRM & Pauschale TEXT ILLU MERCEDES BUNZ | [email protected] Neue technologische Möglichkeiten mit alten Lizenzen zu verhindern, ist immer wieder ein klassisches Rechtsproblem gewesen. Als Tonbandgeräte und Musikkassetten Anfang der 60er aufkamen, wollte die Gema die Händler gerichtlich dazu zwingen, die Namen der Käufer herauszugeben, um Vergütungsansprüche geltend zu machen. Der Bundesgerichtshof wies sowas als Ausforschung des Einzelnen im häuslichen Bereich zurück. Ebenso sollten Videorekorder verhindert werden, weil man mit ihnen urheberrechtsgeschütztes Material aufnehmen kann, trotzdem wurde 1984 die Technik gerichtlich erlaubt. Aktuell trifft der Zorn Filesharing. "Raubkopierer sind Verbrecher" mahnt eine Zeitungsanzeige. "Großrazzia gegen Raubkopierer: Polizei durchsucht 800 Wohnungen und Büros" titelt Spiegel Online. "Bett oder Knast", warnt im Kino ein Spot der Filmwirtschaft. "Phonowirtschaft startet auch in Deutschland Verfahren gegen illegale Musikanbieter in so genannten 'Tauschbörsen'". In der deutschen Medienlandschaft lief in den letzten Monaten massiv der Versuch, Musiktauschbörsen (Filesharing) und Peer-to-Peer-Nutzer zu kriminalisieren. Mit dem Ziel, die Nutzer von Tauschbörsen einzuschüchtern, wird zwischen P2P-Nutzern, die unentgeltlich untereinander ihre Musik tauschen, und professionellen Raubkopierern, die am Tausch selbst Geld verdienen, nicht unterschieden. Rein rechtlich ist Filesharing natürlich keine Privatkopie und damit illegal, ethisch ist es jedoch im Grunde nicht mehr verwerflich als die Benutzung eines Videorekorders. Und technisch ist es schon gar nicht möglich, das Tauschen von Musik einzudämmen - jedenfalls nicht, ohne rechtlich wiederum den Datenschutz zu missachten und dieses Land in einen Überwachungsstaat zu verwandeln. Die Lösung: diskursive Abschreckung. Man kriminalisiert pauschal den ganzen Bereich. So stopft man das Brennen von CDs mit Kinderpornographie und Nazi-Propaganda lustig undifferenziert in einen Topf, auch wenn die Privatkopie einer CD rechtlich legal ist Hauptsache, Druck entsteht. Seit kurzem wird nun die nächste Stufe gefahren. In Amerika liefen schon im letzten Jahr Verfahren der RIAA gegen Nutzer von Tauschbörsen, jetzt droht die Musikindustrie auch in Deutschland dem Filesharing-User mit Verfolgung. Doch Gegenreaktionen auf so ein stupides Vorgehen bleiben Gott sei Dank nicht aus. Es könne nicht sein, dass die Musikindustrie eine massive Panik vor immensen Schadensersatzforderungen schürt, die in Deutschland gar nicht durchsetzbar seien, ließ prompt der Chaos Computer Club verlauten und startete die Gegenkampagne "Musikliebhaber haben Rechte!" Der Club hält die Klagen des Bundesverband Phono (IFPI) für stark fragwürdig. Und nicht nur in den klassischen Widerstandskreisen regt man sich. Auch MultimediaRechtsprofessor Thomas Hoeren von der Universität Münster spricht in Bezug auf das Vorgehen der Content-Industrie in einem Gespräch mit Debug von "niedrigstem ethischen Niveau". Die Vorstellung, die Bevölkerung durch das Androhen von Strafe symbolisch in Schach zu halten, hält er für bedenklich: "Wenn wir anfangen, ein paar Leute exemplarisch rauszupicken, verliert das Strafrecht seine Bedeutung." WARUM NUR DIESER GANZE HUSTLE? Es ist nicht zu übersehen: Ein diskursiver Krieg tobt um die Technologie, der in erster Linie auf der Ebene der Sprache ausgetragen wird. Dass man Filesharing unkommerziell betreiben kann und einen die digitale Technologie prinzipiell vor eine neue Grauzone stellt, in der zwischen Urheber, Verbraucher und dem allge- meinen öffentlichen Interesse neu abgewägt werden muss, wird vehement unter den Teppich gekehrt. Für die Musikindustrie gilt es vor allem, den Status Quo zu wahren, neue Technologie hin oder her. Unterstützt wird man von einer Lobby, die es bis zur EU nach Brüssel geschafft hat. Aktuell ist eine deutlich konservative EU-Richtlinie verabschiedet worden, die das herrschende Chaos nicht unbedingt verbessert. Wie auch beim deutschen Urheberrecht kann ein Recht auf die private Kopie erteilt werden, gleichzeitig ist das Umgehen von Kopierschutz jedoch strafbar. Darüber hinaus versucht man dezidiert nicht, auf die Möglichkeiten der neuen Technologie einzugehen, die prinzipiell eine verlustfreie, endlose Vervielfältigung ermöglicht. Dass diese Technologie den Content-Vertrieb vor neue Herausforderungen stellt, aber eigentlich uns alle bereichern könnte, wird nicht gesehen, im Gegenteil. Filesharing wird im aktuellen Kommentar der EU-Richtlinie ausschließlich als File-Swapping bezeichnet, d.h. der positive Aspekt des Teilens (sharing) wird durch den kommerzielleren Aspekt des Tauschens (swapping) ersetzt und in den Hintergrund gedrängt. Allerdings ist das nicht in allen Ländern so: In Kanada gab es Ende März an höchster Stelle des Federal Court of Canada die offizielle Entscheidung, das Herunterladen eines Songs nicht als Rechtsverletzung zu interpretieren. Filesharing ist damit in Kanada legalisiert, denn das Platzieren eines Songs in einer Musiktauschbörse kann rechtlich, so der zuständige Richter Finckenstein, nicht als "Vertrieb" verstanden werden. Im Übrigen: "Ich sehe keinen Unterschied zwischen einer Bibliothek, die einen Kopierer mitten in einen Raum urheberrechtsgeschützen Materials stellt und einen Computernutzer, der eine persönliche Kopie über ein Verzeichnis mit anderen teilt", so Justice Finckenstein und wies die Klage der Musikindustrie zurück, die Provider aufgefordert hatten, die Identität von 29 Tauschbörsennutzern freizugeben. DRM & PAUSCHALVERGÜTUNG Eines ist klar: Der Vertrieb von Musik über das Internet wird nicht mehr zu stoppen sein. Die Frage ist nur: Setzt man auf den individuellen Verkauf eines Songs, den man dann durch Digital Rights Managment sichert oder vergütet man per pauschaler Abgabe? D.h. schafft man endlich Angebote, bei denen man Musik zu einem vernünftigen Preis kaufen kann - tatsächlich erklären sich ja die meisten bereit, einen angemessenen Obulus für den Künstler zu entrichten und legale Angebote wie das erfolgreiche iTunes zeigen, dass die User in der Tat wieder von den Filesharing-Programmen weggelockt werden können. Eine ergänzende Alternative wäre, den Datenverkehr im Internet zusätzlich mit einer Pauschalabgabe zu belegen, wie es bei anderen Geräten und Medien, mit denen man kopieren kann, üblich ist. Die Verwertungsgesellschaften verteilen dann wiederum diese Pauschalvergütung an die Urheber - das könnte letzten Endes sogar dazu führen, Filesharing zu legalisieren. BETWEENGUIN Unter dem leicht kantigen Namen "Alternative Kompensationssysteme" arbeitet der Medienaktivist Felix Stalder an Überlegungen, wie so etwas umgesetzt werden könnte. Ein System, das man überdenken sollte, wobei es im Moment so ausgereift noch nicht ist: Ähnlich wie bei der Musikweitergabe im Potato-Verfahren (siehe Artikel auf Seite 30) ist für die Musikindustrie in dem Kompensationssystem bislang noch überhaupt kein Platz, da das Geld ausschließlich an die GEMA abgeführt wird. In Amerika, so referierte Stalder auf einer Tagung der Humboldt-Universität Berlin zu "DRM und Alternativen", gäbe es dazu schon die ersten Berechnungen - ca. 15% der Flatratekosten müsste man veranschlagen. Auch wenn man diese Zahl nur unter Vorbehalt auf die hiesigen Verhältnisse übertragen kann, würden sich die Kosten bei einem T-Online DSL-Tarif auf 3.75 Euro im Monat belaufen, so Stalder. Damit würde die GEMA im Bereich Audio durch ca. 6 Millionen DSL-Anschlüsse einen zehnfach so hohen Betrag erhalten - schon etwas seltsam. Die GEMA übt schon mal: An einem anderen, zugegebenermaßen nicht digitalen Ort, dem Club nämlich, wird von der GEMA gerade nachgedacht, wie man eine Pauschalvergütung genauer und damit gerechter verteilen kann - und Musik im Club ist in gewisser Weise einem Datenstream ja nicht unähnlich (siehe Artikel zur GEMA S.28). INFO Chaos Computer Club vs. Musikindustrie www.ccc.de/campaigns/boycott-musicindustry Prof. Thomas Hoeren am Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht www.uni-muenster.de/Jura.itm/hoeren/ mitarbeiter/hoeren.htm größtenteils in der Musikindustrie bleiben, während die Pauschalvergütung über die Verwertungsgesellschaften direkt an die Künstler ausgeschüttet wird. Daneben ist zweifelhaft, ob DRM jemals sowohl so sicher als auch rechtsmäßig sein wird, dass andere Kopiervergütungen ad acta gelegt werden sollten. Im Gegenteil: Es wäre klug, ergänzend auf Pauschalvergütung zu setzen. Das Jammern des IT-Branchenverbands BITKOM über Wettbewerbsnachteile durch die Zulagen bei der Pauschalvergütung sollten einen nicht beeindrucken. Bei einem Großteil der europäischen Länder werden Abgaben auf Abspielgeräte und Leermedien erhoben, ausgenommen Großbritannien und Irland, jene Länder, in denen es rechtshistorisch die Privatkopie nicht gibt. In Italien und Frankreich dagegen wird bei der Vergütung sogar nicht einmal unterschieden, ob die Kopie legal gezogen wurde - jede Kopie wird vergütet. RECHTSKUDDELMUDDEL ZWISCHEN PRIVATKOPIE UND KOPIERSCHUTZ Der Streit wird uns jedenfalls noch eine Weile weiter begleiten, denn die Rechtssprechung hat es nicht geschafft, einen souveränen Kompromiss ausgleichender Gerechtigkeit umzusetzen. Aus der augenblicklichen EU-Richtlinie und ihrer deutschen Umsetzung spricht zu deutlich das Interesse einzelner Lobbys. Das derzei- Musikliebhaber haben Rechte? Das werden wir sehen! Doch ob DRM oder Pauschalvergütung, beide Wege sind prinzipiell möglich, werden aktuell jedoch von den verschiedenen Parteien immer nur gegeneinander ausgespielt. Dabei schließt das eine das andere keinesfalls aus - im Gegenteil. "Man steht vor einem Grundsatzproblem", meint auch Thomas Hoeren, "setzen wir auf DRM oder wollen wir die Pauschalvergütung. Und die richtige Antwort wäre, beides zu fördern." tige Recht schafft damit einen Lizenzkuddelmuddel und keine Klarheit. So wird in der deutschen Urheberrechtsnovelle beispielsweise im Paragraph 53 ein umfassendes Recht zur analogen und digitalen Kopie eingeräumt, das durch das Verbot der Umgehung von Kopierschutz in Paragraph 95 wieder entwertet wird. Prinzipiell ließe sich jedoch aus dem Paragraphen 53 ein gesetzlicher Anspruch des Verbrauchers auslesen. Aus der Sicht des Künstlers bzw. seines Rechteverwerters scheint DRM die bevorzugte Lösung, denn es verspricht die direkteste Kontrolle über die Verteilung des eigenen Produkts. Rechtlich ist gleichzeitig genau diese maximale Kontrolle bedenklich, denn um sie kontrollieren zu können, muss man aus dem Verbraucher einen gläsernen Konsumenten machen und tut damit einen weiteren Schritt in Richtung Kontrollgesellschaft. Die Versuche der Musikindustrie, die Provider zur Herausgabe von Personendaten zu zwingen, gehen augenblicklich in dieselbe Richtung. "DRM", darauf weist auch Hoeren hin, "ist noch nicht so ausgereift und hat auch in Bezug auf den Datenschutz deutliche Nachteile. Außerdem muss man bedenken, ob das Einsetzen von DRM-Technologien nicht mehr im Interesse der Verwerter ist als im Interesse des Urhebers." Hoeren macht hier einen durchaus interessanten Punkt. Bislang hat sich die Musikindustrie erfolgreich hinter dem ethisch unantastbaren Schild des "Künstlerinteresses" verschanzt. Tatsächlich ist jedoch fraglich, ob für den Künstler eine ergänzende Pauschalvergütung nicht sinnvoll wäre, auch weil die Einnahmen von DRM Die EU-Richtlinie hat nun sogar noch eine härtere Gangart eingeschlagen: Verurteilt werden nun nicht mehr nur kommerzielle Verstöße - eben das, was man klassisch als Raubkopieren bezeichnet - sondern das Kopieren generell. Ursprünglich sollten nur Rechtsverletzungen zu gewerblichen Zwecken geahndet werden, jetzt ist damit auch Filesharing kriminalisiert. Man merkt, dass die Verbraucher in diesem Spiel irgendwie überhaupt keine Lobbyarbeit hinbekommen. Verbraucherschutz, meint Hoeren, wird in Deutschland meist noch als Waschmaschinentest verstanden. Zum Glück ist zumindest die Technologie auf der Seite der Verbraucher und die rechtliche Verfolgung einzelner Filesharer wird durch die technische Weiterentwicklung der Programme hin zu verschlüsseltem Musiktausch unmöglich gemacht. Für welche Art und Weise der Lizenzierung man sich also bei geistigem Eigentum im Internet entscheiden wird, ob Pauschallizenzierung eines Tages non-kommerzielles Filesharing ermöglicht oder DRM in unsere Wohnungen eindringt, es zeigt sich: An der Technologie wird man nicht vorbeikommen. LIZENZEN <28> - DE:BUG.83 - 06.2004 GEMA VS. IFPI / Musik soll sich wieder lohnen TEXT THADDEUS HERRMANN, SASCHA KÖSCH | [email protected], [email protected] Auch die Verwertungsgesellschaft der GEMA, die im Auftrag von Musikern Geld einsammelt, tut sich mit den jüngsten Veränderungen rund ums Digitale schwer. War sie zunächst nur mit der neuen Produktionsweise und der anderen Aufführungstechnik elektronischer Musik überfordert - DJ, Club und Mixen -, bekommt sie nun auch Ärger von ihrem klassischen Verbündeten: Der Musikindustrie in Gestalt ihres Verbandes IFPI. Darüber hinaus scheint auch die digitale Flexibilisierung an der GEMA nicht unbescholten vorbeizugehen. Aufgabe der GEMA ist es, dafür zu sorgen, dass Musiker Geld für ihre Musik bekommen, wenn sie öffentlich gespielt, aufgeführt, gesendet, vervielfältigt oder verkauft wird. Die GEMA: prinzipiell eine gute Sache. Dennoch hört der Unmut über die GEMA nicht auf, im Gegenteil: Musiktreibende sind in der Regel klassische GEMA-Schizos, denn tendenziell bevorzugt die GEMA im Bereich der populären Musik immer die Großen. Wer ein kleineres Unternehmen betreibt, das damit zu tun hat, dass man Musik liebt, ein Label oder ein Internetradio etwa, der merkt schnell: Majorlabel zahlen nur GEMA für verkaufte Schallplatten, kleine Label für alle gepressten Kopien, Netzradios zahlen umso mehr, je weniger Hörer sie erreichen, wer wenig Partys macht, zahlt mehr als jemand, der regelmäßig veranstaltet, und Riesen-Downloadportale bekommen massive Massenrabatte. Die IFPI als Dachverband der phonographischen Industrie und die GEMA sind für viele deshalb fast Synonyme. Beide sagen, sie seien nur für die Künstler da, und beiden geht es dabei nur um die Sicherung der eigenen Pfründe denken viele. VERKEHRTE WELT Um so erstaunter ist man, wenn die GEMA in letzter Zeit häufiger, wenn auch mit wenig PR-Raffinesse, öffentlich mit einer Argumentation gegen die IFPI vorgeht, die auch von einem P2P-Newsportal aus Bad Salzuflen sein könnten: "Tonträgerindustrie bedroht Existenz der Komponisten und Textdichter". Seit Anfang des Jahres propagiert die IFPI, die Zahlungen der Labels an die GEMA für Vervielfältigung von Musik (die Mechanicals) zu kürzen. In Deutschland lag diese Zahlung bislang bei ca. 9% des Händlerabgabepreises, dem so genannten HAB, jetzt sollen es nur noch 5,6% sein. Die restlichen 3,4% werden auf ein Sperrkonto eingezahlt. Viele Label folgen diesem Vorschlag der IFPI. Klar dass die GEMA revoltiert. Anders aber als bei sämtlichen Copy-Kills-Music-Aktionen sieht man kaum Musiker, die für die Kampagne ihr Gesicht hergeben. Wo ist der GEMA-Smudo? (Nena, James Last und Xavier Naidoo z.B. wehren sich zwar, aber eben nicht ganz so öffentlich.) Die Downloadplattform "Phonoline" der Musikindustrie ging auf der CeBit beinahe ohne GEMA-Lizenz an den Start. Die GEMA forderte in einem offenen Brief an den Bundeskanzler diesbezüglich sofortiges Handeln, Gerd Gebhart, Vorsitzender der deutschen Phonoverbände (IFPI), wirft der GEMA "Gefährdung des Musikgeschäftes der Zukunft vor". Es herrscht Krieg. Es gibt nur noch schlechte Nachrichten. Treffen von GEMA und IFPI finden zunehmend bei der Schiedsstelle des Deutschen Patentamtes statt, die für die nächsten Jahre mit deren Streitereien beschäftigt sein wird. Oder man einigt sich geheim, damit keiner das Gesicht verliert. Sammelt die GEMA mehr Geld für die Künstler, wie z.B. fünf Millionen in 2003 durch Klingeltöne, ist die IFPI - sonst mit dem Selbstverständnis als Anwalt der Musikschaffenden hausierend - offen empört. IFPI machte 2003 fast 20% Verlust, der Kontostand der GEMA blieb stabil. Vertrackte wirtschaftliche Situation. Wäre die GEMA eine Aktiengesellschaft, würde ihr Kurs steigen. Und irgendwie würde man die GEMA ger- ne zum Freund erklären. Aber ob im Streit der GEMA mit der IFPI letztendlich der Musiker der Gewinner ist, darf man bezweifeln. KURZER AUSFLUG IN DIE DISCO Als Feind möchte man die GEMA definitiv nicht haben. In Berlin schloss neulich ein Club. Shark Club hieß er. Da gab es Aquarien mit Haien. Und eine Unterlassungsklage der GEMA in Höhe von 250.000 Euro, weil der Club nicht zahlen wollte. Der Shark Club war richtig posher Scheiß, schön, dass er zu ist, aber unsere guten Clubs? Denen rauscht gerade ein Fax rein, dass sie demnächst 30% mehr GEMA zahlen sollen, weil dort zunehmend CD Player und Rechner benutzt werden und damit nicht nur Lizenzgebühren für die Aufführung, sondern auch für die Vervielfältigung von Tonträgern fällig werden. Das stößt nicht nur den Clubs, sondern selbst Firmen wie Native Instruments übel auf, die mit ihrem "Final Scratch" den Umgang mit MP3-Da- ILLU CHECKUIN Die EU möchte für Europa mehr Wettbewerb, auch, was den Erwerb für Lizenzen von Musikdistribution betrifft. 16 nationale Verwertungsgesellschaften hatten im Jahr 2000 im "Santiago Agreement" die Zuständigkeit für Downloads nach dem Territorialprinzip entschieden, sprich: Steht ein Server in Deutschland, verhandelt der Anbieter mit der GEMA. Die wiederum, wird aus Frankreich ein Track von diesem deutschen Server geladen, rechnet dann nach Sätzen der französischen SACEM ab. Und die sind deutlich günstiger als die deutschen. Der generelle Einkauf aller Lizenzrechte bei einer preiswerten Verwertungsgesellschaft (z. B. Portugal oder eben Frankreich), um den kostengünstigsten Download für User zu ermöglichen, steht nicht zur Debatte. Hier setzt die Kritik der EU an, die gegen die Verwertungsgesellschaften eben mit dem Verweis auf mehr Wettbewerb ein Verfahren eingeleitet hat. Allein die aufwendige Logfile-Auswertung wäre schon ein massives Argument gegen das aktuelle Prinzip und ein Grund für den Ruf nach weniger Bürokratie. Die GEMA hält dagegen: Wir brauchen keinen Wettbewerb, der letztendlich weniger Geld für die Künstler bedeuten muss. Genau so kann man allerdings, so schwer es einem fallen mag, Argumente wie die von IFPI-Chef Gebhard nachvollziehen, der darauf verweist, dass mehr Wettbewerb unter den Verwertungsgesellschaften auch günstigere Musik für den Verbraucher bedeuten würde. Überhaupt: Das Santiago-Abkommen ist ein Grund dafür, dass wir noch länger auf den "iTunes MusicStore" in Europa warten müssen - auch wenn die Mu- INFO Santiago: www.theregister.co.uk/2004/05/04/eu_probes_music_licensing/ www.gema.de www.ifpi.de teien zur einfachsten Sache der Welt machen und somit für die Misere "mitverantwortlich“ sind. Die durchaus einleuchtende Position der GEMA war und ist: Wir wollen das Beste für die Künstler, die Erhöhung der Gebühren ist aufgrund der Realitäten in den Clubs gerechtfertigt. Nicht, dass die Künstler davon profitieren würden. Elektronische Musik beispielsweise taucht beim Verteilen der GEMA nur als marginaler Posten auf. Clubbetreiber zahlen also jeden Abend Geld an die GEMA, das nie an die Leute gehen wird, deren Musik im Club läuft. Der Wunsch der Clubs, ein auf Playlists basierendes Abrechnungssystem zu installieren, wurde mit dem Hinweis auf den hohen Verwaltungsaufwand bislang abgewiesen. Rund 15 Jahre nachdem DJs in Diskotheken sich von ihrem Status des Leibeigenen wegentwickelt haben, soll es nun jedoch zum ersten Mal auf der nächsten Mitgliederversammlung eine Entscheidung darüber geben, ob die Einnahmen aus den Clubs nicht länger über den üblichen GEMA-Schlüssel verteilt werden sollen, sondern unter Berücksichtigung der spezifischen Art von Musik. Wir befürchten, Lexy und K.Paul hören die Klingeltöne der Clubkassen schon jetzt. EU EU EU Auch von anderer Seite ist die GEMA unter Beschuss. sikindustrie Apple sicher gerne selbst das Leben schwer macht. CREATIVE COMMONS Und wieso auch keine anderen Lizenzmodelle, abseits der Verwertungsgesellschaften? Creative Commons zum Beispiel. Netzlabel lieben Creative-Commons-Lizenzen. Die sind Copy Paste, erklären sich in drei kurzen Abschnitten und vermitteln einen dezenten Schutz gegen kommerzielle Ausbeutung. Will man sich solchen Modellen als deutscher Musiker anschließen, ist aber gleichzeitig GEMA-Mitglied, bekommt man jedoch Schwierigkeiten. Denn: Man kann zwar Teile der Rechteverwertung aus seinem GEMA-Vertrag ausklammern. Den digitalen Sektor zum Beispiel, also im Netz tun, was man will, und CC-Lizenzen benutzen, Aufführungs-, Vervielfältigungs- und Sende-Rechte aber weiterhin von der GEMA handeln lassen. Klingt traumhaft. Ist allerdings in Bezug auf CC-Lizenzen schwer praktikabel: Denn außerhalb des Netzes könnten die CC-Lizenzen absurder Weise nicht gelten: Nimmt man die Online-Distribution für die GEMA aus, könnte die klassische ”Attribution-NonCommercial“Lizenz einem nur erlauben, CC-Tracks in einer nonkommerziellen Online-Session aufzulegen. Auf einem Festival ginge das nicht, non-kommerziell hin oder her. Wenn man seinen Track für Non-Kommerzielles frei lizensiert, würde das faktisch einem Ausschluss aus der GEMA gleichkommen. Denn ein GEMA-Mitglied ist für alles, was es macht, GEMA-Mitglied. Die GEMA arbeitet mit Ausschließlichkeitsanspruch. Die Möglichkeit, einzelne Situationen von der Verwertung auszunehmen oder für einzelne Stücke der GEMA keine Werksanmeldung zu schicken, ist faktisch verboten. Immerhin sind die Creative-Commons-Betreiber mit der GEMA im Gespräch, um zu einer gemeinsamen Einigung zu kommen - hoffentlich ernsthaft. Die wahre Bedrohung der GEMA und der Streit um die Zukunft der Musikdistribution wie der Autorenrechte wird woanders liegen. DIGITALE RECHTE Weder wir noch die GEMA haben bislang DRM-Applikationen gesehen, die auch nur im entferntesten leisten, was sie immer versprechen. Dennoch: DRM könnte eines Tages dazu führen, dass Künstler ihre Gelder allein durch die Software- und Fileimplikationen schon direkter, schneller und genauer bekommen als bislang überhaupt vorstellbar. Den Datenschutz mal kurz ausgeklammert kommen wir zu folgender Vision: Jedes Stück Musik ist digital. Jedes File weiß von seinem Urheber. Jedes Spielen eines Files meldet wo, wann und wie oft es gespielt wurde. Entweder wurde das Spielen per se durch den Kauf des Files authorisiert, oder Sende- oder Aufführungsorte identifizieren sich automatisch über ihre IP-Adressen. Oder, noch futuristischer, Es herrscht Krieg. Es gibt nur noch schlechte Nachrichten. Vielleicht passiert also endlich mal was im unflexiblen Apparat der GEMA. Radio wird umfunktioniert in digitales Streaming und jeder Empfänger ist entweder ein privater Hörer (und zahlt GEZ nur für das, was er wirklich hört) oder ein öffentlicher Ort und meldet genau zurück, welchen der einzelnen Tracks er empfangen und gespielt hat. Traumvorstellung aller Quotenjäger und Marketingwunderland per se, mit Sicherheit aber nicht in den nächsten zehn Jahren anders als tendenziell zu realisieren. Ob Musiker auf dem Weg dorthin massive Teile ihrer Einnahmen verlieren, wird schon jetzt entschieden, aber das Interesse für diesen legalen Wust ist bei Musikern verständlicherweise meist eher gering, so dass jede Alternative in den nächsten Jahren verlockend klingen wird, egal ob großer Vorschuss oder die Flucht ins Allgemeingut und das Bargeld durch Quersubventionierung mit Auftritten im Club. Wir sollten uns nichts vormachen, die Musik ist der Schauplatz eines Krieges, in dem man selber immer mehr den Ort des Kollateralschadens einnimmt, wenn man sich nicht für die ein oder andere Guerilla entscheidet, die schnell nicht nur zur Maffia sondern auch zur Stasi mutieren kann. Wir danken dem Pressesprecher der GEMA, Hans-Herwig Geyer, für das Informationsgespräch. LIZENZEN <29> - DE:BUG.83 - 06.2004 GEMA LIZENZEN / Wie wir uns die vorstellen TEXT SASCHA KÖSCH | [email protected] Anstatt immer nur schlecht gelaunt über die Gema zu lästern, haben wir unseren Redaktions-eigenen De:Bug-Think-Tank zusammengetrommelt, um der Gema ein paar Vorschläge zu machen, die sie nicht nur nicht ablehnen kann, sondern auch zur innovativsten Lizenzverwaltung around machen würde. Deal ist Deal. Ok, immer nur an der GEMA herumzumäkeln, bringt's nicht. Zu GEMA-Mitgliederversammlungen zu gehen, erscheint uns aber doch ein etwas zu großes Opfer, deshalb hier unsere Vorschläge für GEMA-Lizenzen, die wirklich mit dem Creative Commons Cut & Paste Lizenz Sound konkurrieren könnten und fast mit der Länge des Titels unseres Lieblings-GEMA-Tarifs "Nutzung des GEMA Repertoires durch Narrenvereinigungen und -verbände für das Training, die Übungsstunden, Wettbewerbe und sonstige öffentliche Auftritte von Tanzgarden, Balletten, Tanzpaaren und/oder Tanzmariechen", leider aber nicht mit dessen lyrischer Qualität. DER GEMA DIY DEAL Du veröffentlichst selbst auf deinem eigenen Label? Kein Problem, füll' einfach auf mylabel.gema.de das entsprechende Formular aus und wir sagen dem Presswerk, dass es Blödsinn wäre, wenn du uns Geld überweist, das irgendwann später eh' wieder (abzüglich überflüssiger Gebühren) bei dir landen würde. DER GEMA 50/50 DEAL Dein Label hat durchschnittliche Verkaufszahlen, die man eigentlich niemandem erzählen möchte, gilt aber dennoch als Kultlabel und Freunde von dir fänden es cool, da zu veröffentlichen? Dann ist unser 50/50 Deal genau das Richtige für dich. Du und deine Artists teilen den mageren Gewinn in gegenseitigem Einverständnis und auf 5050.gema.de besiegelt ihr euren Bund für eine kommende Revolution und hebt euch Dinge wie mechanische Vervielfältigungsrechte für später auf. DER GEMA DJ CLUB DEAL Dein Club ist voller angesagter DJs und Liveacts und das letzte, was dir als Berufsbezeichnung für dich selber einfallen würde, ist Gastronom? Trag' einfach dein Programm bei uns auf clubs.gema.de ein. Wir sagen dir, von welchen deiner DJs wir aktuelle Playlists haben, du schickst den restlichen eine Mail, dass sie ihre Playlist doch bitte auch an uns schicken (erzähl ihnen einfach von unserem smarten DJ Deal) und schon haben wir deinen ganz persönlichen GEMA-Verteilungschlüssel automatisch generiert und deine GEMA-Abgaben fließen direkt in die Musik, für die dein Club steht. Bei fehlenden Playlists tritt automatisch der Label Club Deal in Kraft. PS: Die superaktuellen Clubdates von gema.de gibt es selbstverständlich als XML zum Import für alle Webseiten, die sich das lästige Eingeben von Dates ersparen wollen. zen halt an der Quelle, skip the intermediates - die neusten Tracks aller befreundeten Label elektronischer Musik. Falls du lieber, ganz Oldschool, Mix-CDs machen möchtest, check doch bitte auch unseren Brenner Deal. DER GEMA LABEL CLUB DEAL Deine DJs sind mal wieder zu faul gewesen, Playlists abzugeben? Trag einfach in unserem Formular auf clubs.gema.de die Labels mit ein, auf denen deine DJs veröffentlichen oder mit denen sie sonst so zusammenhängen, wir verteilen die GEMA-Kohle dann einfach - dank unserer Kooperation mit sowohl Gracenote als auch Discogs - gerecht auf alle, die dort veröffentlichen. BRANDHEISS, UNSER BRENNER DEAL Du machst Mix-CDs und würdest das gerne etwas legaler tun? Kein Problem, wir haben PlugIns für sämtliche Brennersoftware, die uns die Playlists deiner Mixe sofort mitteilt und mit einem auch für sonstige Tonträger üblichen Kurs von 70 Cent pro CD darfst du deine Mixtapes sogar verkaufen. (Die ersten 5 gebrannten CDs von jedem Mix sind umsonst, wir betrachten das mal als Promomaterial). DER GEMA DJ DEAL Wer auflegt, macht auch Musik, findest du? Finden wir auch - DJ Culture goes GEMA - deshalb gibt es jetzt unseren Killer-DJ-DEAL. Trag einfach deine aktuellen Playlists auf djs.gema.de ein und wir beteiligen dich prozentual an den Clubausschüttungen, sofern du überhaupt Gigs hast. Wenn das noch nicht so läuft, auf unserer clubs.gema.de Seite können Clubbetreiber deine Playlists checken und, wenn sie denen gefallen, direkt ein Angebot zumailen. Vielleicht wäre ja auch die Option, einen monatlichen Mix für 5 Euro bei uns streamen zu lassen, eine Hilfe. Check doch mal music.gema.de, da gibt's übrigens auch coole neue Tracks aller relevanten Netzlabel und für Killerkonditionen - wir sit- DER CC-GEMA SURROUND DEAL Du stehst auf Lessig und Creative Commons? Freie Musik ist dein Schlagwort, aber du willst trotzdem nicht von den Werbern und Industriehaien abgerippt werden. Check doch einfach www.gema-cc.de, unsere Plattform für fließende Übergänge zwischen GEMA und Creative-Commons-Lizenzen, egal ob bei einzelnen Tracks oder für alles was du machst. Da ist bestimmt das richtige für dich dabei, um mit uns und trotzdem als freier Geist ein erfolgreicher Musiker zu werden, der den Mac-Job bald an den Nagel hängen kann. LIZENZEN DIGITAL RIGHTS MANAGEMENT / Forensische Details TEXT ANNETT JAENSCH | [email protected] DRM? Oft gehört, nie verstanden? Macht euch keine Sorgen, denn Digital Rights Management weiß selber meist nicht, was es ist. Staffelmiete für Musik oder Kopierschutz mit Bonusknistern, Anett Jaensch erklärt euch das Kleingedruckte. Digital Rights Management besteht darin, urheberrechtlich geschützten Content zu versiegeln und Systeme zu schaffen, die ihn dann in legale Kanälen fließen lassen. Digitale Wasserzeichen sind keine neue Erfindung, aber durch Perfektionierung und Einbindung in neue Geschäftsmodelle rutschen sie nun zusehends auf die vorderen Ränge bei den DRM-Tools. Philips meldete kürzlich , ein Wasserzeichen entwickelt zu haben, das unknackbaren Kopierschutz für Multimedia-Inhalte bieten soll. Rechteinhaber können damit ihrem Content einprägen, ob und wie oft er gesendet, kopiert und abgespielt werden darf - anwendbar sowohl für Speichermedien wie DVD und CD als auch für digitale Übertragungen im Netz. Bei Videos sollen einzelne Pixel mit Sicherungsinformationen, bei Musik die Beimi- schung von identifizierbaren Geräuschmustern für Kontrollierbarkeit sorgen. Kompression und Dekompression von Bildern überstehen die Wasserzeichen genauso unbeschadet wie häufiges Abspielen. Laut Philips genüge ihr Produkt forensischen Standards, sei also als Beweis vor Gericht verwertbar. Das Fraunhofer-Institut IPSI werkelt ebenfalls an Wasserzeichen. Ihr Credo gibt sich nutzerfreundlich: Zu viel Kopierschutz frustriere nur die Käufer. Deshalb sollen Files ohne Kopierschutz zirkulieren dürfen, während die integrierten Wasserzeichen das Datenpaket jederzeit als legal oder illegal identifizieren können. Ganz neu aus dem Hause Fraunhofer und auf der letzten CeBIT vorgestellt: die Technologie des digitalen Containers. In diesem befinden sich die Originaldatei sowie ILLU PINGENUINSQUATTERSQUAD die für die Markierung nötigen Informationen. Die Verknüpfung mit einem BOL-System (Business-Offer-Language) erlaube eine neue Form von Affiliate-Marketing. Im Klartext: Das Wasserzeichen übernimmt die Kundenansprache und schlägt dem zahlenden Nutzer beispielsweise Geschäftsbeteiligung vor. So denken die Erfinder schon laut über eine Art Prämie nach, wenn das Musikstück weiter an Freunde verteilt wird, die ihrerseits beim Anhören Micro-Payments leisten. MUSIK MIT VERFALLSDATUM Microsoft holt ebenfalls eine schicke Idee aus dem Ärmel: die Musik mit Verfallsdatum. Hinter dem Codenamen "Janus" verbirgt sich das MP3 zum Mieten. Gegen monatliche Grundgebühr kann eine relativ hohe Anzahl von Songs auf den Rechner oder einen mobilen Player geladen werden. Verbindet man den Player in einem bestimmten Zeitraum nicht mit dem PC oder ist das Abo abgelaufen, werden die Titel unhörbar. Microsoft wolle sich damit gegen Apple und dessen Erfolgsladen iTunes aufstellen, so Branchenkenner. Die Opti- on, viel zu mieten statt einzeln zu kaufen, könnte die Karten neu mischen. Die Produkte der US-Firma Audible Magic hingegen haben offenkundig Schnüffel- und Denunziercharakter. Das Kernstück der Technologie, die so genannte "content-based identification", ermöglicht das "virtuelle" Anhören von Musikstücken und Abgleichen mit einer Datenbank in Echtzeit. Die Software ist angeblich in der Lage, in einem Netzwerk Rechnerfestplatten zu scannen und Downloads zu stoppen, wenn urheberrechtlich geschützte Daten die Seiten wechseln. Ein solches Modell setzt voraus, dass Medienkonzerne die Abgleichsdatenbank füllen. Mit Universal ist schon ein größerer Deal zustande gekommen. Das Label leitet alle Informationen über alte und neue Releases an Audible Magic weiter und erhält dafür die Garantie, dass Musikstücke, deren Rechte bei Universal liegen, zuverlässig erknnt werden. Auch Vertreter der RIAA traten schon gemeinsam mit Audible Magic auf Pressekonferenzen auf, um die Überwachung von P2P-Netzwerken in Aussicht zu stellen. LIZENZEN <30> - DE:BUG.83 - 06.2004 INFO www.potatosystem.com www.4fo.de mitglied.lycos.de/kartoffelkeller/ MUSIKINDUSTRIE ÜBER BORD / Sharen zu dritt: Das Potato System TEXT ILLU MARIO SIXTUS | [email protected] An der Technischen Universität Illmenau hat man ein System entwickelt, um Musik jenseits der Musikindustrie unter die Menschen zu bringen: das Potato-System. Mit der Gema ist man dafür bereits in Verhandlung. Wie jetzt? Keine Musikindustrie mehr? Das ist neu, das ist toll und das geht so. Musikgenießer geben gerne weiter. Jeder Fan ist ein kleiner Missionar. Sätze wie "Kennst du schon?" oder "Hast du schon gehört?" haben sie daher zwecks schnellerem Zugriff auf verbale Funktionstasten gelegt. Damals, nach dem Krieg, schleppten wir unsere SchellackSchätzchen noch den ganzen Tag mit uns herum, um sie unseren Freunden vorzuspielen. Wir hatten ja sonst nichts. Später nahmen wir für unsere Angebeteten Mixtapes auf, um ihnen zu beweisen, was für einen guten Geschmack wir hatten und was wir für eine tolle Partie wären. Aus Kassetten wurden selbst gebrannte CDs und heute schicken wir die Songs per Email durch die Gegend. Morgen werden wir die Tracks unserer jeweiligen Süßen einfach per Ultrawide-Bluetooth™ oder XXL-WiFi™ oder wie auch immer in ihren SunglassesPlayer™ beamen, den wir ihr zuvor auf der Kirmes geschossen haben. Musikweitergabe ist Teil unserer Kultur. Wir geben gerne. DIE NAGETIERE Nicht so gerne gibt die Musikindustrie, die das momentane Einstürzen ihrer Neubauten verzweifelt mit DRM-Klebeband zu verhindern sucht und mit der Wut des verletzten Hamsters um sich beißt. Zwischen diesen beiden steht ausgerechnet auch noch der Künstler, der – mühsam ernährt sich das Eichhörnchen – zwar auf die Nüsse angewiesen ist, die ihm die Industriellen zuwerfen, andererseits aber zu gut weiß, wo diese Schalenfrüchte ursprünglich herkommen: von den Musikfreunden nämlich. Schnitt. Neue Szene. Ort: Ilmenau. Genauer: eine gastronomische Einrichtung namens "Verrückter Kartoffelkeller". Jürgen Nützel und Rüdiger Grimm, Lehrkräfte der ortsansässigen TU diskutieren gerade über besagte Problematik: Drei Partner, die irgendwie ohne einander nicht können, aber miteinander erst recht nicht. Drei Vektoren. Gordischer Knoten. Klassisches Dilemma. Was tun? Noch zwei Bier bitte. Dann die Erleuchtung. Geistesblitz. Heureka. Wirtschaftsnobelpreis in Sicht: Wenn die drei im Boot einfach nicht miteinander klar kommen, dann schmeißen wir doch einfach einen über Bord. Aber nicht irgendeinen: den wütenden Hamster natürlich. Kann ja schwimmen. Oder sollte er zumindest können. Ist ja alt genug. Keine Musikindustrie mehr? Kein Vertrieb? Kein Marketing? Musikschöpfer und Musikkonsument allein zu Haus? Wie soll das gut gehen und vor allen Dingen: Wo sollen die Nüsse herkommen oder besser: die Mäuse (um wenigstens eine Nagetierspezies wieder ins Boot zu holen)? Die Antwort ist so radikal wie simpel: Wir alle, die Hörer, die Fans, die Genießer, die Liebhaber, die Audio-Gourmets, wir, die ewigen Musik-Missionare, FRIENDUIN werden künftig das frische Liedgut in die Welt heraustragen. Wie früher mit Kassetten und CDRs. Nur: Diesmal bekommen wir sogar Geld dafür. Und nicht nur wir: Die Künstler auch. Das ist neu, das ist toll und das geht so: DAS KARTOFFEL-SYSTEM Benannt nach dem Ursprungsort ihrer Idee heißt das Prinzip von Nützel und Grimm origineller Weise "Potatosystem" und wird mittlerweile von einer Ausgründung der TU, der 4FriendsOnly AG, betrieben. Zunächst einmal ist auch das Kartoffelsystem ein ganz normaler Server für bezahlte Downloads. Mittels einer Hand voll inzwischen gängiger Micropayment-Syste- merhin noch zehn Prozent und selbst in der dritten Generation stehen ihm noch fünf Prozent vom Reibach zu. Erst dann fliegt er aus dem System. Klingt nach MultiLevel-Marketing? Ist es auch. Na und? Zu je einem Drittel (über den Daumen) partizipieren an der geflossenen Kohle so die Käufer / Verkäufer, der Künstler und das Potatosystem, das sich aber schließlich auch um Zahlungsabwicklung und vor allen Dingen um die GEMA kümmert, denn seit April verfügt die Kartoffeldistribution über den offiziellen Segen der Verwertungsgesellschaft. Keine Angst vor Filesharing, Herr Nützel? "Tauschbörsen, in denen alles gratis herumliegt, werden wir natürlich nicht vom Markt drängen können", antwortet er uns, Wir alle, die Hörer, die Fans, die Liebhaber, die Audio-Gourmets, werden künftig das frische Liedgut in die Welt heraustragen. Wie früher mit Kassetten und CDRs. Über das Potato-System. Kein Witz. me läuft die Bezahlung und die heruntergeladenen Dateien sind erfreulicherweise allesamt frei von jeglichen DRM-Einschränkungen. Der Trick: Als Dreingabe erhält der Käufer einen personalisierten Link, den er sich auf die Homepage kleben kann und der ihm bei jedem darüber getätigten Verkauf dieses Songs zwanzig Prozent Provision in die Kasse spült. Damit noch nicht genug: Der Provisionsanspruch wird weitervererbt. So erhält der Ursprungskäufer von den Käufern seiner Käufer im- "das sollen ruhig die Großen weiter versuchen und dabei ihren Ruf endgültig ruinieren." Das Potatosystem folgt eher dem Goodwill-Prinzip. Es setzt darauf, dass Musikhörer bereit sind, "ihren" Künstler zu unterstützen, weil sie seine Arbeit mögen und Spaß daran haben, diese weiter zu geben. Aus der Ferne hören wir Neubauten einstürzen und in der Dämmerung, ganz kurz, erheischen wir einen Blick auf die ersten schwimmenden Hamster. Immer noch wütend, aber hilflos. LIZENZEN WIE FUNKTIONIERT DENN DAS ? / Die Musikindustriekapitalismuskarte ILLU THADDEUS HERRMANN | JAN RIKUS HILLMANN zahlt Künstlertantiemen zahlt Tantiemen (-40% Verlagshonorar) ARTIST ca. 15% vom Händlerabgabepreis (ca. 2,20 EUR pro CD) $ Kann GVL Mitglied sein $ $ $ Wird GEMA Mitglied durch Werksanmeldung, d.h. er meldet seine Tracks / Werke an $ $ GEMA Liefert Vinyl & CDs, checkt vorher, ob Werke bei der Gema angemeldet sind bezahlt Vinyl-, & CD Pressung, Cover (ca 1,50 EUR pro CD) zahlt GVLGebühr PRESSWERK Die hier beschriebenen Abläufe beschreiben das reale System sehr vereinfacht und haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Alle Preise sind Durchschnittswerte für Indielabels. $ zahlt GVL-Gebühr $ Liefert Vinyl & CDs HÄNDLER Endpreis (ca. 17 EUR pro CD) $ VERLAG GVL zahlt Gema-Gebühr pro Track Liefert Vinyl & CDs VERTRIEB (GROSSHANDEL) Händlerabgabepreis (HAP, ca. 10 EUR pro CD) $ Komponiert Tracks (Werke), tritt Verwertungsrechte ans Label ab LABEL Vertriebsabgabepreis (VAP, ca. 6 EUR pro CD) $ $ $ Booking Provision $ zahlt Gage zahlt GemaPauschale (Berechnung nach Fläche) alternative Methode Verkauft Vinyl & CDs Private Sendeanstalten zahlen Gema Pauschale (Berechnung nach Musikanteil im Prog. und Reichweite) $ Öffentlich rechtlicher Rundfunk zahlt Gema-Gebühr pro Track gängige Methode KONSUMENT BOOKING $ CLUB VERANSTALTER Booking Provision zahlt Eintritt zahlt Gebühren (nur für öffentlich rechtliche Programme) RUNDFUNK DESIGN / USABILITY <31> - DE:BUG.83 - 06.2004 REFORM DES WEBDESIGNS / Cascading Style Sheets TEXT MARCUS HAUER | [email protected] Bis vor kurzem war unter Webdesignern alles erlaubt, was gut aussah. Selbst "ReadMe"-Dateien waren nicht vor Flash sicher. Derzeit bildet sich jedoch mit einem Mal ein gewisses Ethos heraus, das Accessibility und Usability ganz klar vor Flashibility kommen lässt. Mehr und mehr halten sich die Designer dabei an CSS, die Cascading Style Sheets. VORGESCHICHTE Zurück ins Jahr 2000. Die Kurve der New Economy ist ganz oben angekommen. Zu dieser Zeit begab es sich, dass eine erfolgreiche kalifornische Agentur die eigene Website in demonstrativem Schwarz präsentierte und damit allen die Nachricht vom baldigen Ende der Luftblase verkündete. Um diesen Effekt noch zu verstärken, wurde die gesamte Website in simplem HTML-Design umgesetzt. Die Agentur hieß "Method" und wie sollte es anders sein: Es gibt sie heute immer noch. Tatsächlich war ihr HTML-Design der Site aus heutiger Sicht überraschend voraus geahnt, denn damals war Flash der gängige Agenturstandard. Nicht wenige Agenturen bezahlten sogar eigens Researcher (Joshua Davis bei Kioken zum Beispiel), die Flash bis an die Grenzen zum Quietschen bringen sollten. Die Gründe dafür lagen auf der Hand: Erstens konnte jede Flash-basierte Website dem Kunden viel mehr vermeintliche Interaktivität und Multimedia bieten. Zweitens konnte kein Webdesigner alle Browser im Überblick haben. - Dazu gab es einerseits zu viele, andererseits war deren Auslegung diverser HTML-tags alles andere als einheitlich, sondern ähnlich interpretativ, wie Verkehrsschilder für Au- tofahrer. Das sollte nicht mehr lange so bleiben. STILDEFINITIONEN FÜR DYNAMISCHE UMGEBUNGEN Um zuviel Durcheinander in der dynamischen Umgebung des WWW zu vermeiden, wurde schon zu Mosaiczeiten im Jahre 1994 das "World Wide Web Consortium", kurz W3C, gegründet. Diese Vereinigung ist bis heute beispielsweise für die Definition von Webstandards zuständig. Da es jedoch keine Verpflichtung ist, sich an diese Vorgaben zu halten, entwickelten sich aus neurotischer Konkurrenz der Browserentwickler und aus ihrer Innovationshast mehrere Produkte, die sich zwar alle Browser nennen, aber sehr unterschiedlich mit bestimmten Zeilen aus HTML umgehen. Als markantes Beispiel dafür lässt sich aufzeigen, dass die Definition für "Cascading Style Sheets 2.0" (CSS) der W3C aus dem Jahre 1998 stammt, aber bis heute noch nicht komplett in allen Browsern implementiert ist. Ganz so schnelllebig ist das Netz dann eben doch nicht! DESIGN UND INHALT Um zu verstehen, worum es bei Webdesign mit Web- INFO www.method.com/site_v2 www.method.com www.w3.org www.alistapart.com www.zeldman.com www.useit.com www.wddg.com www.cubancouncil.com www.k10k.net studio.adobe.com www.wired.com BÜCHER ZUM THEMA (alle von O'Reilly) - HTML & XHTML, Das umfassende Referenzwerk, deutsch, 2003, 38 ! - Cascading Style Sheets, The Definitive Guide, 2nd Edition, english, 2004, 38 ! - Dynamic HTML, The Definitive Reference, 2nd Edition, english, 2002, 58 ! Ausserdem geht es auch mit den W3C Documenten zu den Standards, die direkt bei w3.org zum Download bereitstehen. standards geht, muss man zu allererst Cascading Style Sheets erklären. Dabei geht es vor allen Dingen darum, das Design vom Inhalt zu trennen. Der Inhalt wird in einer so genannten Markup-Sprache geschrieben, z.B. XHTML - eine HTML Variante, die dem XML Syntax angepasst wurde. Das Design wird dabei komplett im CSS definiert. Somit kann ich als Designer für verschiedene Medien (Bildschirm, Drucker, Handheld, Aural) feinstens zugeschnittene Styles festlegen, ohne am Inhalt etwas zu ändern. Wie notwendig diese Definitionen in einer beweglichen Welt wie der des Computers sind, zeigt das bei Webdesignern der ersten Stunde eher aus der Not entstandene Tabellendesign. Viele der großen Websites funktionieren heute aus Kompatibilitäts- oder Kostengründen immer noch so. Dabei wird eine in HTML gesetzte Tabelle dazu benutzt, komplette Inhalte an die richtige Stelle der Site zu setzen (Logo oben rechts, Navigation links, usw.). Wie wir alle wissen, sind Tabellen aber eigentlich dazu da, Datenkalkulationen zu erstellen oder sinnvoll darzustellen. Mit CSS kann man nun ohne Tabelle sagen, an welcher Stelle das Logo, die Navigation und der Content erscheinen soll, und wie bereits erwähnt, für jedes Medium entsprechend. DIE CSS-REFORM "Welcome to our new fully standards compliant website... With this version of our site we have committed a strong focus on usability and information design within a visually appealing framework." Die Agentur WDDG, die als Einmannshow- und website mit Flash begonnen hat, preist jetzt ihre Webstandards auf der Eingangseite an. Auch die Agentur "Cuban Council" der Macher von Kaliber10000 (die Instanz im Webdesign) rühmt sich mit den aktuellen Standards. Deren Redesign der "Adobe Studio" Website wurde auch komplett mit CSS realisiert, ebenso wie das Design von "Wired News". Einen wichtigen Part bei dieser offensichtlichen "Reform" des Webdesigns schuldet man der zunächst als Mailingliste und später zur Online-Zeitung ausgebauten "A List Apart" Website von Jeffrey Zeldman, die schon seit 2001 im komplett auf Stylesheets basierten Layout erscheint und seither für mehr Standards im Netz kämpft. Hier werden wöchentlich dem Webdesign-Alltag angepasste Artikel, Lösungen und Erklärungen angeboten, auf denen ein Großteil der mittlerweile von Webdesignern entwickelten Sites beruht. Ein Artikel erklärt zum Beispiel, wie man Rollover ohne JavaScript und mit einem einzigen Bild in CSS baut. Selbst wenn sicherlich ein großer Antrieb der Macher aus einer gewissen Euphorie für Nerdtum und Open Source (der Quellcode für diese Sites ist natürlich, ganz im Gegenteil zu Flash, jederzeit verfügbar) entsteht, wird wohl erst in den kommenden Jahren zu spüren sein, was uns das Internet in Form von Hypertext schon seit Jahren versprochen hatte. Die Agentur Method jedenfalls hat eine neue Website. Diesmal gegen den Trend komplett in Flash umgesetzt und warum kann wohl nur der Marketingchef beantworten. Wir freuen uns schon auf das Interview! Anstelle von Flash und Tabellendesign setzen sich Webstandards wie CSS langsam durch und garantieren Usability für immer mehr Designer, Browser und User. Das wurde auch Zeit. COMMON PROPERTY 6. Werkleitz Biennale Volkspark Halle (Saale) 1.- 5. September 2004 Halle School of Common Property 27. - 31. August Gefördert durch die , Land Sachsen-Anhalt, Lotto-Toto GmbH, Stiftung K ulturfonds, Mitteldeutsche Medienförderung GmbH MODE: MIT LEINENHALBSCHUHEN <32> - DE:BUG.81 - 04.2004 LEINENHALBSCHUHE AUF DEM FALSCHEN FUSS ERWISCHT ... TEXT JAN JOSWIG | [email protected] Aus gegebenem Anlass: Eines der ältesten Feindbilder muss wieder ran. Der Studenten-Habitus, was ist so schlimm an ihm? Studenten fehlt jegliche Schärfe. Punkt. Sie sind haltungsfaule Liberale, geboren aus privilegierter Sicherheit. Ohne Kampf kein Stil. Beatniks und Punks haben sich ja nicht gegen die Weiße-Kragen-Mafia über ihnen aufgelehnt, die haben nämlich in ihrem selbstverherrlichenden Profit-Kampf einen klaren Stil – Respekt, ihr Arschlöcher. Nein, Beatniks und Punks haben sich gegen die studentischen Schlaffis neben ihnen aufgelehnt – Verachtung, ihr Gutmenschen. Studenten können weder tanzen noch eine Bierflasche mit der Augenbraue öffnen noch eine Krawatte binden – also so gar nichts, womit man eine Position beziehen würde. Und außerdem tragen sie Leinenhalbschuhe zum Schnüren. Autsch. Leinenhalbschuhe - jetzt sind wir am Punkt. Jedes Kleidungsstück kann umgedeutet werden. Der historische Moment muss nur stimmen. Für den Leinenhalbschuh stimmte der Moment 1980. Punk war so was von durchgereicht und damit das letzte Extrem an antibürgerlicher Uniform, das umgekippt war. In die Richtung gab es kein Weiter mehr. "Also - was werden wir INFO Hersteller (v. l. o. n. r. u.): www.dream-on.com www.dunlopfootwear.com www.prokeds.com www.vans.de xodoo’s www.manufactum.de www.adidas.com www.pony.com www.gola.co.uk www.romika.de www.mediumfootwear.com www.pfflyers.com www.etnies-germany.com www.prokeds.com BILD LI / OLE BRÖMME | RE/ BROX+1 tun? Gehen wir alle nach Hause und legen uns schlafen?" (Die Regierung, "So drauf", L'Age d'Or) Nein, in New Yorks Vorstädten kam eine kleine, unorganisierte Gruppe auf den richtigen Trichter: Wenn Provokation Alltag ist, dann machen wir den Alltag zur Provokation. Wir sehen so studentisch normal aus, dass es gefährlich wird. Bundfaltenhosen, rasierte Nacken und – Leinenhalbschuhe. Nägelkauende Suburb-Bands mit ihren hippeligen 60s-Verballhornungen wie The Bongos, dB'S oder Feelies (unser Foto links) lichteten sich ostentativ so ab, dass man sich nach zwei Sekunden garantiert nicht mehr an sie erinnerte; bis man nachts angstgebadet mit ihrem Foto vor Augen aufschreckte: Sind das die Schläfer im Namen der Revolution? Und wo stehen wir heute? An der gleichen Kurve der Style-Spirale. Schrill ist schick, Geiz ist geil, Deregulation der dernier cri. Wer es in dieser Situation zynisch findet, dass man mit anti-kapitalistischer Garderobe die allerkapitalistischsten Funktionen erfüllt heutzutage, dem/der seien folgende Waffen im Kampf gegen einen bigotten Zwang zur Unkonventionalität empfohlen: unsere Galerie von Leinenhalbschuhen für Normalo-Rebellen. MODE: OHNE LEINENHALBSCHUHE DESIGN / MAGAZIN <34> - DE:BUG.83 - 06.2004 Bild unten: v.l.n.r.: Markus Dreßen, Maria Koehn, Oliver Klimpel im Büro International, London RADIKALE VERNETZUNG / Markus Dreßen gestaltet Spector cut+paste TEXT ARNE LINDE | [email protected] Gedruckte Perforationen sind das Markenzeichen des Designers Markus Dreßen. Für das unabhängige Kunstmagazin Spector cut+paste hat er dieses Prinzip entwickelt und in einem preisgekrönten Katalog für den Künstler Olaf Nicolai perfektioniert. Doch große Preise und seine Rolle als Mitherausgeber von Spector sind nicht das Einzige, was Dreßen als Grafik-Designer auszeichnen: Hieroglyphen, ikonografische Zeichensätze und die strikte Ablehnung von Tautologien machen seine Arbeit ebenso unverwechselbar wie die strikte Weigerung, Aufträge hinsichtlich der Honorarhöhen zu bewerten. Das Kunstmagazin "Spector cut+paste" aus Leipzig funktioniert anders als die meisten anderen Magazine. Hier machen Künstlerinnen und Künstler Texte selbst, werden Gast-Editoren eingeladen und Text- und Bildstrecken parallel zueinander entwickelt. Das kleine Redaktions- und Grafikteam zelebriert die Selbstausbeutung. Markus Dreßen ist der Grafiker und zugleich Mitherausgeber – was nach verzwickter Doppelbelastung klingt. Doch herkömmliche Hierarchien und Aufgabenverteilungen widersprechen dem konzeptionellen Arbeiten des Magazins ohnehin - ”Spector ist ein kollektives Projekt”, betont er. In der nun erscheinenden dritten Ausgabe wird es zentral um ”radikale Vernetzung und die Produktion von Kultur” gehen, und genau nach diesen Prinzipien ist Spector #3 auch selbst entstanden: Für die inhaltliche Konzeption vernetzten sich SpectorRedakteur Tilo Schulz und der Glasgower Künstler Mark Hamilton, die Gestaltung wurde in Zusammenarbeit mit dem in London ansässigen Grafiker Oliver Klimpel vom ’büro international’ entwickelt. Anfang Juni erscheint das kollektive Druckwerk in gewohnt ausgefeiltem Erscheinungsbild. Zwischen Layout-Konzeption in London und einer Preisverleihung auf der Leipziger Buchmesse nimmt Markus Dreßen das Heft in die Hand und berichtet über die Arbeitsweisen von Spector cut+paste, grafische Ansprüche und finanzielle Realitäten. DEBUG: Bei Spector wird Wert darauf gelegt, dass im Produktionsprozess Text und Grafik von Anfang an ineinander greifen. Du bekommst als Grafiker also keine redaktionell fertig gestellten Inhalte auf den Tisch, um sie anschließend gut aussehen zu lassen. MARKUS DREßEN: Stimmt. Schon während die Texte entstehen, werden bei uns Möglichkeiten der Visualisierung besprochen. Wir betrachten im Konzept der Zeitung die Grafik von Anfang an als einen wichtigen Bestandteil bei der Übersetzung von Inhalten. Für uns ist es wesentlich, darüber nachzudenken, wie man mit Grafik und Bildern argumentieren kann. Was man sich textlich zum Beispiel sparen kann, weil es bildlich viel besser darzustellen ist. Wir wollten mit Spector aus diesen klassischen Genres raus, in denen Bilder lediglich als Illustration, als eine Art Affirmation dem Text beigegeben werden. DEBUG: Ist dieses arbeitsintensive Verfahren auch ein Grund dafür, dass Spector in sehr viel größeren Abständen erscheint, als ursprünglich geplant – statt drei Ausgaben gibt es nun eine im Jahr? MARKUS DREßEN: Nicht unbedingt. Die größeren Abstände haben vor allem mit den Ressourcen aller Beteiligten zu tun. Es war utopisch zu denken, dass man in der Qualität, die uns vorschwebte, mit drei bis sechs Leuten so schnell arbeiten könnte. Und es war irgendwann klar, dass wir nicht an der Qualität sparen wollen. Mittlerweile haben wir dieses zeitaufwändige Arbeiten auch akzeptiert. Außerdem will niemand von uns ausschließlich für Spector arbeiten. Das ist erstens finanziell nicht drin und zum anderen haben wir alle noch andere Interessen und Projekte. DEBUG:Sind solche Auszeichnungen und Referenzen die Katalysatoren, die deine Arbeit rentabel machen? MARKUS DREßEN: In den letzten Jahren sind zwar die Honorare gestiegen, aber für Grafik-Designer macht es meines Erachtens wenig Sinn, zwischen gut bezahlten, schlecht bezahlten und unbezahlten Aufträgen zu unterscheiden. Auszeichnungen, auch undotierte, und Projekte wie Spector, die ja eher unkommerziell sind, helfen einem, in seiner Arbeit ernst genommen zu werden. Es sind die unkonventionellen Arbeiten, die einen mit Auftraggebern in Kontakt bringen, die auch eher aufgeschlossen sind. Die verfügen allerdings nicht unbedingt über viel Geld – sie sitzen meist in den Kulturbetrieben, wo es im Moment eben wenig zu verdienen gibt. Spector ist für mich persönlich ein wichtiges Mittel, um exemplarisch meine Arbeitsweise vorzustellen. Aber auch um ein Modell zu schaffen, das Möglichkeiten zeigt oder eben in Frage stellt, wie Journalismus, Zeitung und Grafik auch funktionieren können. Wir wollten mit Spector nie das Zeitungsgewerbe revolutionieren, wir wollten uns eine Plattform schaffen, um ein anderes Arbeiten ausprobieren zu können. Für mich heißt das mehr Arbeit, aber auch mehr Freiheit. DEBUG: Zu deiner grafischen Arbeit. Lassen sich Gren- Und damit ist das Stichwort gefallen, Markus Dreßen muss los, um die ”Goldene Letter” 2004 entgegenzunehmen. Die Festplatten in London und Leipzig werden sich noch ein paar mal vernetzen müssen, damit die nächste Ausgabe von Spector cut+paste in den Druck gehen und der Diskurs weiter gesponnen werden kann: Ein Text von Tilo Schulz spürt Handlungscodes und sozialen Mustern zwischen Pulp-Magazinen, MarathonTänzen und Reality Shows nach. Mark Hamilton untersucht Strategien des fiktionalen Schreibens im ”Zick- INFO Spector cut+paste # 3 ist ab etwa Ende Mai 2004 bei ausgewählten Buchhandlungen, Bahnhofsbuchhandlungen und im Abo zu erhalten. Informationen unter: www.spectormag.net DEBUG: Spector spielt also finanziell nicht wirklich etwas ein? MARKUS DREßEN: Ursprünglich hatten wir den fast schon kommunistischen Traum, dass alle Beteiligten innerhalb weniger Ausgaben ihr Leben mit Spector finanzieren können würden. Und wir wollten die erste Zeitung Deutschlands werden, die ein ordentliches Autorengehalt zahlt. Im Moment ist es aber immer noch so, dass der einzige, der etwas Geld bekommt, der Übersetzer ist. Die anderen Interessen und Projekte, von denen Markus Dreßen spricht, lesen sich in seiner Biografie wie ein reichlich und edelmetallisch bestückter Kaminsims eines Leistungssportlers: Die ”Goldene Letter”, die höchste Auszeichnung im Wettbewerb ”Schönste Bücher aus aller Welt”, die er in diesem Jahr zusammen mit Kristina Brusa für den Werkskatalog des Künstlers Olaf Nicolai verliehen bekommen hat, zehn weitere Auszeichnungen in diesem Wettbewerb aus den letzten drei Jahren strahlen mit kontinuierlichen Platzierungen im ”Wettbewerb der 100 besten Plakate Deutschlands” um die Wette. Aufträge für die Galerie für Zeitgenössische Kunst in Leipzig, die Leipziger Oper, das Kulturamtes der Stadt und die Technischen Sammlungen der Stadt Dresden, Bücher, Künstlerkataloge und Plakate tragen seine Handschrift. perforierte Linien, meine Handschrift bestimmen. Es ist nichts wirklich perforiert, sondern nur mit Schriftzeichen angedeutet. Ich versuche grafische Systeme konsequent durchzuhalten, aber das Prinzip an einem Punkt zu brechen, um die Werkzeuge sichtbar zu machen. In der letzten Zeit erweiterte ich den Zeichensatz der lateinischen Schriftzeichen oft um simple geometrischen Zeichen, die dann wie ein grafisches Repertoire funktionieren. Ich versuchte eine Einheit zwischen Schrift und Bild zu erzielen, und zwar als eine Art hieroglyphisches System. Dieses Prinzip habe ich z.B. bei Spector auch ausprobiert. Damit zu arbeiten hat für mich aber erst richtig Sinn gemacht als grafischer Kommentar im Katalog von Olaf Nicolai. Der Werkskatalag Olaf Nicolai ist bei Hatje Cantz erschienen und bereits vergriffen. Ein Reader zu Olaf Nicolai, entstanden in einer früheren Zusammenarbeit von Spector, Markus Dreßen und Nicolai entstanden, ist über das Spector-Büro ([email protected]) zu beziehen. Signierte Exemplare, 516 S. Umfang, 86 €. zen, Ziele oder Regeln, die du dir gesetzt hast, beschreiben? MARKUS DREßEN: (überlegt ziemlich lange): Wie viele Fotos müssen wir noch sehen, auf denen schlicht abgebildet ist, was schon im Text steht? Bei vielen Zeitschriften habe ich den Eindruck, dass die Bildstrecke nur illustrativ eingesetzt wird. Das ist tautologisch! Das ist etwas, was ich unbedingt vermeiden will. Zudem denke ich, dass grafische Spielereien oder Effekte, die ich natürlich auch verwende, auf ihre inhaltliche Aussage hin befragt werden müssen. Man könnte mir unterstellen, dass die Perforation, also Zack durch den Amerikanischen Westen”. Die amerikanische Künstlerin Liza McConnell hat für Spector #3 ein Bildessay über Modelle und Landschaften entworfen, eine Videoarbeit über ”Bushaltestellen und Partys” wird als Print-Adaption vorgestellt und die englische Theoretikerin Sadie Plant zu sozialen und technischen Veränderungen befragt. Alles nachzulesen ab voraussichtlich Anfang Juni 2004. Falls nicht der hohe inhaltliche und gestalterische Anspruch den Erscheinungstermin doch noch hinauszögert. Denn bei Spector gilt auch noch in der Nacht vor dem geplanten Drucktermin: An Qualität wird nicht gestrichen. KUNST <35> - DE:BUG.83 - 06.2004 TEXT MERCEDES BUNZ | [email protected] KUNST UND FUSSBALL EM? NEIN, WM! AM RAND VON HOLLYWOOD / Kunst von Jack Goldstein TEXT BILD ALEX HEIMES | [email protected] Minimalismus von klassisch bildenden Kunstfeldern auf andere Bereiche übertragen: Die Kunst von Jack Goldstein ist ein Geheimtipp, der in den letzten Jahren erst wieder entdeckt worden ist. Der Amerikaner schnitt aus gefundenem Material Kurzfilme und produzierte Platten mit filmhaften Geräuschkulissen von Zügen oder Flugzeugen. Das Kino Hollywoods spielte in den Arbeiten des amerikanischen Künstlers Jack Goldstein (1945-2003) immer eine zentrale Rolle. Mit der subtilen Inszenierung verstrahlter Mythen und apokalyptischer Zustände in Filmen und Performances begann er seine frühe Karriere. In den 1970er-wJahren gehörte er zu einer berühmt gewordenen Gruppe von Künstlern, die sich schon während des gemeinsamen Studiums in Los Angeles mit der kommerziellen Bildkultur "Film" kritisch auseinander setzte. Doch wenn Goldstein in frühen Filmen das Mainstream-Kino zitiert, so weist er den Einfluss von Massenmedien nicht einfach zurück, sondern zeigt sich als "produzierender Rezipient". Mit Standkamera wird ein einzelnes Motiv abgefilmt, meist "Requisiten" aus der Filmindustrie: z.B. dressierte Tiere, wie ein auf Kommando bellender deutscher Schäferhund (Shane, 1975), oder unspektakuläre Alltagsdinge. In ihrer Isolation wirken sie befremdlich, und trotz ihrer scheinbaren Evidenz schweigen sie sich aus wie eine minimalistische Skulptur. Solche Re-Inszenierungen lassen eine Kluft zwischen Repräsentation und der von ihr erwarteten Sinnfälligkeit auftreten. Sie führen vor Augen, wie stark sich bild- send, dass dabei immer ein Rest an "optisch Unbewusstem" weiterspukt und auf den Betrachter zurückblickt. DIE BILDER VON FILMEN FILMEN White Dove (1975) zum Beispiel ist ein Kurzfilm, in dem eine dressierte Taube ruhig auf der Stange sitzt. Es nähern sich weißgeschminkte Hände und formen eine Art Dach über ihrem Kopf, die Taube fliegt aus dem Bild, Ende. Die Vagheit dieser sparsamen Handlung lässt ein Unbehagen entstehen, das sich unmittelbar auf den harmlosen Vogel projiziert. Auf den diffusen Eindruck eines Déjà-Vu zurückgeworfen, spinnt sich der Betrachter durch seine unbewusst gespeicherte Galerie der Vogelbilder – waren es nicht niedliche "love birds", die schon in Hitchcocks "Die Vögel" das Geschehen anrollen ließen? Auf diese Weise schleust Goldstein Inhalte in seine Bilder ein, die sich sonstwo, aber nicht in diesen selbst manifestieren. Goldstein bevorzugt eine Inszenierung von den Rändern her, u.a. auch mit Paratexten wie dem Kinovorspann: Metro-Goldwyn-Mayer (1975) zeigt das Emblem der gleichnamigen Hollywood-Produktionsfirma, eine kurze Sequenz mit dem brüllenden Löwen, die Der Kinovorspann als Loop: Immer wieder brüllt der Löwe von Metro-Goldwyn-Mayer und markiert, indem er einen nicht in das Geschehen hineinlässt, was Film einem verspricht. hafte Strukturen noch in den letzten Winkeln des Unbewussten einnisten und zugleich, wie man deren Abhängigkeit von diskursiven Voraussetzungen knackt. In seinen Filmen aus den 70ern wählte Goldstein nach eigenen Aussagen Motive, die auch im Repertoire der Psychoanalyse beheimatet sind – Messer, Vögel – , also symbolisch überfrachtete Bilder, die er in seiner Aneignung dann wieder zu entleeren versucht. Wohl wis- den Hauptfilm ankündigt. Goldstein montierte sie als Found-Footage-Material zu einem dreiminütigen Loop. Und der unentwegt brüllende Löwe kehrt seine Funktion um: Er lockt, aber lässt uns nicht rein in seine Welt. In Animationsfilmen wie "The Jump" (1978) löste Goldstein das Bild noch weiter von seinen Entsprechungen in der Wirklichkeit ab. Die Filmaufnahmen von Turmspringern wurden durch Rotoskop-Verfahren in Trick- COURTESY GALERIE DANIEL BUCHHOLZ, KÖLN bilder übersetzt, so dass auf der Leinwand fast abstrakte, farbig funkelnde Formen erscheinen. EXPERIMENTE MIT KATASTROPHEN Diese halluzinative, dabei immer latent abgründige Potenz von Bildern spielte Goldstein zudem mit akustischen Medien aus. Dazu gehören Schallplatten aus farbigem Vinyl, bespielt mit Filmgeräuschen zu handverlesenen Themen: The Burning Forest, The Quivering Earth oder Two Wrestling Cats (1976/77). Sämtliche Geräuscheffekte, die er aus den Tonarchiven der Hollywood-Studios bezog, verstand Goldstein vor allem als Bilder; schließlich hatte er die Platten zunächst als Ersatz für seine nicht realisierbaren Katastrophenfilme hergestellt. Den Katastrophen blieb Goldstein treu, als er sich Anfang der 80er der Malerei zuwandte und auch vor Airbrush-Painting nicht zurückschreckte. Diese wie auch die Acryltechnik erwiesen sich als probate Mittel, Szenen nächtlicher Bombenangriffe oder Explosionen in ihrer Ambivalenz von Tragik und Spektakel auszureizen. Andere Bilder dieser Zeit tragen fast meditativen Charakter, sie scheinen sich – wie das Medium Film – aus der Aufzeichnung von Lichtphänomenen quasi selbst hergestellt zu haben. Motive aus dem Weltraum, eine Sonnenfinsternis oder Unterwasserszenen imaginieren eine Welt an den Grenzen der empirischen Erfahrung; sie beherrschen auch den letzten Film Goldsteins, "Under Water Sea Fantasy" (1983/ 2003). Mitte der 80er Jahre zog sich Goldstein aus dem internationalen Ausstellungszirkus zurück und tauchte in den INFO Jack Goldstein and the CalArts Mafia, hg. von Richard Hertz. Los Angeles 2003 Jack Goldstein. Filme, Schallplatten, Performances und Aphorismen 1971-1984, hg. von Daniel Buchholz und Christopher Müller. Köln 2003 90ern ganz ab. Nachdem auch seine Arbeit zeitweilig in Vergessenheit geriet, wird die Produktivität seines Ansatzes nun wieder in verschiedenen Ausstellungen wie u.a. bei der letzten Whitney Biennale in New York gewürdigt. Goldstein selbst erschien wenige Jahre vor seinem Selbstmord 2003 wieder auf der Bildfläche und begleitete so seine Wiederentdeckung ein Stück weit mit. Im Juni steht ja die Europameisterschaft an und wir alle freuen uns schon darauf, endlich ein Fernsehprogramm zu bekommen, bei dem man wenigstens mal zwei Wochen lang voller Begeisterung die Kiste anschmeißt: Fußball. Ohne Zweifel wird die deutsche Mannschaft natürlich schlecht spielen, was nicht so schlimm wäre, würden sie dabei nicht auch noch so unglaublich schlecht aussehen. (Oh Mann, Völler, sei doch nicht so verdammt loyal und setze diese verbrauchten alten Säcke immer wieder ein. Stilvoll loosen kann man viel besser mit dem Aufbau eines jungen Teams.) Wir richten unsere Augen jedoch mal voraus auf nichts Geringeres als das Fußballfest, das danach kommt: Weltmeisterschaft. 2006. In Deutschland. Da haben sich der Franz Beckenbauer und der Gerhard Schröder mal zusammengesetzt und beide haben was Lustiges ausgetüftelt: Kunst muss her. Und die künstlerische Leitung dieses Festivals, die geben wir dem Andre Heller. Der Andre Heller hat einen Kunstbegriff, da kommen alle mit und Kultur kann man es trotzdem noch nennen. Wahrscheinlich ist Herr Heller sogar der Richtige für den Job, dennoch haben wir vor seinem Kunstverständnis Angst. Denn alle Errungenschaften der Avantgarde kullern bei Heller mal eben den Abhang runter. "Kritik?", fragen wir. "Wir brauchen Fantasie!", antwortet Herr Heller. "Reflexion?", setzen wir nach. "Staunende Kinderaugen!", hält er uns entgegen und schwärmt von Labyrinthen, Lunaparks, Zirkus und Feuerwerk. "Ein Fest für die Welt - die Welt zu Gast bei Freunden", so der HellerKonzeptionsslogan der WM. Nicht genug, dass Andre Heller begeistert im Schutz staunender Kinderaugen der Volkskunst fröhnt, er hat auch zwei (2!) Lieder (Duette!) mit Xavier Naidoo gesungen. (Ratet mal, wer im Vorprogramm der WM auftreten wird. Na?) Das Gute an Heller ist dafür, dass er seinen Kunstgeschmack nicht mit einem universal geltenden Anspruch durchrattert und auch nicht das Bedürfnis hat, überall seine Signatur raushängen zu lassen. Deshalb hat er lauter Leute eingeladen, die mit ihm zusammen mal so richtig zeigen, dass wir hier keine grauen Bürokratenkorinthenkacker sind. Vorne dran räumt erstmal die bildende Kunst das Spielfeld auf. Darin war sie schon immer gut. Harald Szeeman kuratiert eine große Kunstausstellung zu "Fußball in der bildenden Kunst" - im Fachjargon schon "Fußball-documenta" genannt. Kluger Schachzug, so wird aus der realprolligen Männerdomäne gleich ein Spektakel für alle. Das Goethe-Institut zeigt eine Fotoausstellung "Weltsprache Fußball", und auch das übrige Drumherum wird gut besetzt: Unsere Malerfürsten Georg Baselitz und Markus Lüpertz dürfen die Plakate gestalten. Quentin Tarantino soll einen Fußball-Kurzfilm beisteuern, der in einem Fußball-Kurzfilmwettbewerb auf der Berlinale laufen wird - wenn das keine Win-Win-Situation ist. Und kein Geringerer als Brian Eno soll das Musikprogramm zusammenstellen. Seltsames Aufgabengebiet für den Herrn Eno, denn ein Fußballstadion ist definitiv der absolute Gegensatz zu Ambient. Hoffentlich denkt er daran, Scooter auf jeden Fall den Eröffnungssong singen zu lassen! Und auch wenn wir Kulturspießer der kühlen Zurückhaltung, mit der Design-Altmeister Otl Aicher 1972 die deutsche Olympiade gestaltete, sehr laut nachweinen werden (Wir versprechen: Wir werden auf so vielen Logoplakaten mit dämlich lachenden Bällen wie möglich herumtrampeln), freuen wir uns jedoch auf eines: Jean-Luc Godard soll (will!) die Bildregie eines Fußballspieles übernehmen. Gezeigt werden soll das dann auf ARTE. GOTO <36> - DE:BUG.83 - 06.2004 GOTO FREE BITFLOW DE:BUG PRÄSENTIERT: TEXT KAREN KHURANA | [email protected] WIZARDS OF OS3 Berlin (Kongress-Center), 10. bis 12. Juni Die internationale Konferenz Wizards of Os dreht sich in diesem Jahr um die Zukunft der Digital Commons. Wie kann eine funktionale Ökonomie gefunden werden, die den heutigen Netz-Technologien und den sozialen Bedürfnissen gerecht wird? Wie können z.B. Autoren freier Software refinanziert werden, gibt es eine Alternative zum Eintreiben der Nutzungsrechte über Digital Rights Management? Und weil die Wos sich lösungs- und nicht problemorientiert zeigt, tun sich hier auch schon wichtige Schritte, beispielsweise mit dem Launch der deutschen Creative Commons Lizenzen (näheres dazu auch auf Seite 25). Daneben stellen Redner aus verschiedenen Ländern den jeweiligen Umgang mit Urheberrecht, Copyright und freier Software vor, von dem sich einiges lernen lässt. Zu den Vortragenden zählen Rechtsprofessor und Gründer der Creative Commons Lizenzen Lawrence Lessig, Wikipedias Gründer Jimmy Wales, James Stevens von Consume.net London, die Herausgeberin von Momag Arnke Block und viele mehr. Wer nicht alles schafft, kann sich auch einzelne Tage ausgucken. Konferenz-Ort ist das Berliner Kongress-Center am Alexanderplatz. Den Ablaufplan, Anmeldung und Karten findet ihr hier: www.wizards-of-os.org ABO nnement Wien, 3. bis 4. Juni Konferenz, Ausstellung bis zum 17. Juni Und noch eine Konferenz, die sich mit der Neuordnung ökonomischer Verhältnisse angesichts der neuen technologischen Verfügbarkeiten beschäftigt. "Free Bitflow" fächert die Frage, wie Informationen und Daten auf Dauer nicht nur technisch, sondern eben auch kulturell möglichst frei verfügbar gehalten werden können, in verschiedene Cluster auf: Z.B. wie schafft man offene Archive, in denen sich kulturelles Material gegen Einkaufswagen sträuben kann? Wie können sich neben der Musikindustrie Modelle etablieren, die Künstler entschädigen und gleichzeitig einen breiten Vertrieb ermöglichen? Und wohin geht es tendenziell: Wird Filesharing sich in die Anonymität flüchten oder wird es im Gegenteil in kleineren, sozialen Netzwerken stattfinden? In den Panels diskutieren Mute-Verlegerin und Redakteurin Pauline van Mourik Broekman, Freenet-Gründer Ian Clarke, "Electronic Frontier Foundation"-Anwältin Wendy Selzer und der Debug-Autor Janko Röttgers. Parallel und darüber hinaus zeigt die Ausstellung zur Konferenz im Künstlerhaus Wien Arbeiten rund um die Daten: von Mapping, Verarbeitung und Indexing bis zur Sicherheit. Die Konferenz tagt in der Akademie der Künste Wien und ist bestimmt auch wieder als Livestream zu sehen. Klickt: www.t0.or.at/t0 ARCHITEKTUR UND FILM Berlin, 3. bis 13. Juni Das Festival Architektur und Film beschäftigt sich, wie der Name schon sagt, mit Architektur und der Darstellung von Raum im Film. Wie sich beide in der Moderne immer wieder gegenseitig auf die Sprünge geholfen haben, verfolgt das Festival in Videoarbeiten, Installationen, Vorträgen und natürlich Filmen. Und weil man sich dafür natürlich nicht nur Klassiker wie Metropolis und Blade Runner anschauen kann, gibt es neben dem Programm aus experimentellen, dokumentarischen und fiktionalen Filmen auch einen Wettbewerb, in dem Filme laufen, die sich direkt der Frage stellen, was Film im Zusammenspiel mit Architektur - auch im Vergleich zu Medien wie der Fotografie oder der Computeranimation - ausrichten kann und sein stadtplanerisches Potenzial ausloten. www.glashaus-ev.de/hp_bfB/ Architektur+Film/Architektur+Film.htm KURZ UND SCHÖN So nennt sich der internationale Nachwuchswettbewerb, den die Kunsthochschule für Medien Köln und der WDR alljährlich ausschreiben. Gefragt sind verschiedene kurze Formen: Die Kategorie TV-Design sucht nach eleganten Corporate Identity Spots für Sender und Programm Design. Die Sparte Social Spots/Werbung verlangt nach Clips mit überzeugender, klarer Botschaft ohne klischeehafte Bildsprache. Unter die Kategorie Kurzgeschichten fallen freie filmische Erzählformen, Musik-Clips, Animation und Trickfilme. Und dann gibt es noch die Spezialkategorie: Integration/kulturelle Vielfalt, die dem Bildungsauftrag des WDRs Rechnung trägt. Generell gilt: Es geht weniger um eine möglichst professionelle Umsetzung als um charmante eigene Lösungen. Schon kommerziell verwandte Projekte sind nicht drin. Einsendeschluss ist der 25. Juli. www.kurzundschoen.khm.de DEBUG VERLAGS GMBH, BRUNNENSTRASSE 196, 10119 BERLIN FON 030 28384458, EMAIL: [email protected] DEUTSCHE BANK, BLZ 10070024, KNR 1498922 ALLE DEBUGS VERGRIFFEN ? ZU ANSTRENGEND, DEBUG ZU JAGEN ? HIERMIT BESTELLE ICH 12 AUSGABEN DEBUG inlands_abonnement UNSER MONATSANGEBOT: EIN JAHR DEBUG MIT CD-PRÄMIE, SOLANGE DER VORRAT REICHT (merke: zahlungseingang entscheidet) de:Bug für ein Jahr zum Preis von 28,- € inkl. Porto und Mwst. auslands_abonnement de:Bug für ein Jahr zum Preis von 33,- € inkl. Porto und Mwst. / Paypal-login: [email protected] V.A: - GET PHYSICAL (GET PHYSICAL) "Get Physical!" riefen Groove-Macher DJ T und ein paar hessische Mitstreiter vor nicht allzu langer Zeit dem Dancefloor zu und schreckten damit auch den letzten Sesselpuper aus seiner tranigen Stasis. Das hat gesessen. Die erste Compilation vereint jetzt nochmal alle Hits und Tricks von gestern und morgen. Rave on. geschenk_abonnement de:Bug für ein Jahr für eine ausgewählte Person (“Beschenkt”-Feld beachten!) ICH ZAHLE PER BANKEINZUG kto-nr ROBAG WRUHME - WUZZLEBUD KK (MUSIK KRAUSE) Robag heißt eigentlich Gabor und Wruhme in Jena "warum". Nicht die einzigen verdrehten Einzelheiten, die einem bei Robags Debüt erwarten. So quirlig und lebendig hat lange kein Album mehr geklungen, das sich zwar mit dem Präfix "minimal" schmücken kann, ansonsten aber von House über Techno bis Elektronika alles zu einem großen Album zusammenpuzzelt. Jena Rocks. geldinstitut deines vertrauens ich zahle mit verrechnungsscheck MISS KITTIN - I COM (LABELS) Caroline Hervé lässt für ihr Solodebüt den Electroclash und Tanz-Imperativ im Mottenkeller und navigiert singend und mit bester Unterstützung von Tobi Neumann und Thies Mynther durch ihre Interpretation von Elektronika, IDM und Booty. Überraschend, facettenreich und extrem gut. MOCKY - ARE + BE (FOUR MUSIC) Jau, da drückt selbst der unsentimentalste B-Boy eine Träne aus dem Auge. So viel Blockparty war schon lange nicht mehr. Mocky rappt, singt und entertaint so flockig zwischen Old School, New School, Piepsmelodien und lässigem Barbecue, dass Funk sich jetzt auf R'n'B reimt. CLARO INTELECTO - NEUROFIBRO (AI RECORDS) Mark Stewart aka Claro Intelecto rockt den Electro-Bounce von Chicago nach Detroit und schlendert dabei samtene Rhodeschords und bleepende Synthies um sich schmeißend noch mit Mark Bell und Martin Gore durch die englische Musikgeschichte. Killer. blz ich zahle durch überweisung beschenkte/r dein name straße straße plz / ort / land plz / ort / land email / fon email / fon VON DIESER BESTELLUNG KANN ICH INNERHALB VON 14 TAGEN ZURÜCKTRETEN. ZUR WAHRUNG DER FRIST GENÜGT DIE RECHTZEITIGE ABSENDUNG DES WIDERRUFS. ort, datum, unterschrift ich zahle per pay pal (nur auslandsabos) 01 Coupon ausfüllen, Geschenk für sich wählen (1= sehr gerne, 2= kann ich noch hören, 3= gibt es nicht die anderen noch?) und abschicken an: DEBUG Verlags GmbH, Brunnenstr. 196, 10119 Berlin 02 28,- € (Inland) oder 33,- € (Ausland) auf das Konto Debug Verlags GmbH - Deutsche Bank. BLZ: 100 700 24, KNR: 149 89 22 überweisen, Verwendungszweck und Namen auf der Überweisung angeben oder als ehrlichen Verrechnungsscheck beilegen. 03 Akzeptieren: Falls man nicht spätestens 8 Wochen vor dem Abonnementablauf kündigt, wird es sich durch einen funky Automatismus sehr wohl verlängern. REVIEWS 41 BRD 44 HIP HOP 45 AMERIKA 47 BUCH 47 PRÄSENTATIONEN 37 CHARTS 43 CONTINENTAL 44 UK 45 DRUM AND BASS 47 GAMES 48 DATES CD ROBAG WRUHME - WUZZELBUD KK [MUSIK KRAUSE / KOMPAKT] Im Spessart steht ein Wirtshaus, da haben die Räuber Bärte und gute Laune. In Jena steht das Kassablanca, da haben die Musiker Bärte und noch viel bessere Laune. Allen voran Gabor Schablitzki. Als musikalischer Kopf hinter den Labeln "Freude am Tanzen" und "Musik Krause" setzt er mit seinen diversen Projekten den elektronischen Genres von Deephouse über rockenden Minimaltechno bis Elektronika die genial verschrobene Narrenkappe auf. Klamaukig ist das nie, Gott bewahre, aber von einem heiligen Unernst getrieben, der immer nach den Abfahrten ins bunte Kraut guckt auf der Autobahn der Genres. Wuzzelbud-Tracks klingen nach antiautoritärer Erziehung, nach viel Auslauf und der Freiheit, eine Menge spaßiger Eigenarten entwickeln zu dürfen. Dabei kochen sie vor unausweichbaren Grooves, plastischen Sounds und verzwurbelten Ideen nur so über. Wenn sie lustig sind, sind sie immer auch genauso gewaltig. Auf Wuzzelbud KK breitet Gabor das ganze Spektrum seines Kellerstudio-Universums von zähneknirschenden Elektrokrachern bis zu mondanheulender Taschentuch-Poesie aus - in einer Heterogenität, die nur ein komplett in Musik versunkener Geist wie Gabor zusammenhalten kann, und in einer Perfektion, die Fans von Alter Ego genauso wie von Boards Of Canada die Nackenhaare kräuselt. JEEP ••••• CD SERIOUSLY UNDERGROUND SHIT FOUND IN THE TRUNK ... - [MUSIKEXPERIENCE] Eine der größten Überraschungen aus Frankreich ist für mich dieses Jahr mit Sicherheit dieses neue Label aus Paris. Die Compilation featured bis auf wenige komplett unbekannte Acts, die für einen Sound stehen, der von clickernden Opern über unglaublich deepe digitale Szenerien bis hin zu dronig-elektronischer Gitarrenmusik oder verruchten HipHop-Experimenten geht. Aber das Beste daran ist, dass jeder der Tracks völlig für sich stehen kann und so schön ist, dass man heulen möchte. Kein Wunder bei so einem Titel. Tlone, Kowatabo, Infant, Stuntman 5 (!!!), The Killaz, Spasm, King 04, Ezdac, Groupgris, Deathsitcom, Jimmy T, Kap Bambino & Khima France. Merkt euch das. Lernt es auswendig. Obendrein noch dabei Bouder dDash und Drine Muraille. Eine CD, die so verdammt vielseitig ist und dabei immer ein Level hält, das so monströs groß ist, dass ich sicher bin, dass es schon jetzt in Frankreich Horden von Fans gibt. www.musikexperience.com BLEED ••••• DVD MODERN TALKING - THE FINAL ALBUM - ULTIMATE DVD [BMG / RTL] Bohlen und Anders haben zum Erscheinen dieses erstaunlichen Machwerks im letzten Jahr erklärt, dass sie die Welt echt nie wieder gemeinsam belästigen werden. Allen Pophistorikern sei daher empfohlen, diese DVD zu erwerben, wenn sie in den Grabbelkisten auftaucht. Allen anderen muss sie wegen des Karaoke-Materials ans "Heart" gelegt werden, aber ebenfalls nur im Abverkauf: "Easy comes, I hope it easy goes" im Schmacht-Modus und dann die ganz harte Falsett-Nummer ist im eigenen Wohnzimmer einfach ein garantierter Knaller. Für die Gründlichen sind die 20 Videos unterdessen der grausame Beweis, dass genialer Pop und sogar Style auch schlicht aus Blindheit und Hartnäckigkeit entstehen kann: Die ersten sechs Singles sind unbestreitbar modernes Reden auf höchstem Pidgeon-Niveau und ein energetischer Alien-Klebstoff, den sich die Massen weltweit zu Recht gierig reingezogen haben. Warum der eigentlich völlig unbegabte Bohlen, der vorher und nachher einzig von seinen kleinbürgerlichen Abstiegsängsten getrieben tonnenweise uninspirierten Schrott absonderte, für diese kurze Zeitspanne vom DiscoGott berührt wurde, bleibt ein grausames Rätsel. Bohlen selbst kann es nicht erklären, weil er die Hand nicht einmal gespürt hat und sich nach sechs Nunmmer-Eins-Scheiben als Hausproduzent von BMG auf die Musikindustrie-Mechanismen verlassen konnte, um seine Neurosen halbwegs in den Griff zu kriegen. WALDT ••••• BUCH LAWRENCE LESSIG - FREE CULTURE [PENGUIN PRESS] Free Culture erklärt der Welt, warum wir ein Problem bekommen, wenn wir unsere kulturellen Güter zu wasserdicht vor dem Kopieren schützen wollen, und zeigt genau auf, inwiefern Kopieren ein Teil unserer Kultur ist - und damit das "free" von "culture" extrem wichtig ist. Das alles präsentiert der Stanforder Rechtsprofessor in einem leicht verständlichen und doch keineswegs platten Stil, durch den auch die verbohrtesten Industrielobbyisten zur Einsicht kommen sollten. Hoffen wir. Dazu geht Lessig verschiedene Topoi wie Piraterie, Eigentum und die Ausbalancierung der Interessen zwischen Künstler, Vertrieb und Verbraucher durch. Nach den Schwerpunkten seiner anderen beiden Veröffentlichungen zu Technologie ("Code und andere Gesetze des Cyberspace") und der Idee ("The Future of Ideas") verschiebt er damit also seine Aufmerksamkeit dieses Mal auf Kultur. Wie schon bei früheren Büchern besticht Lessigs Argumentation durch schlagende Beispiele und man merkt: Er ist definitiv nicht umsonst Rechtsprofessor. Wie wichtig der "freie" Aspekt von Kultur für ihre jeweils nächste Generation ist, dokumentiert er etwa an jener Filmindustrie, die heute gegen Piraterie klagt und die sich genau dadurch etablierte, dass sie vor Edisons Patentrechten auf die Kamera von der amerikanischen Ostküste nach Kalifornien floh und dort drehte - die Filmindustrie baute sich also im Grunde auf "geklauter" Technologie auf. Und nicht nur in der Technologie, auch im Recht findet er historische Belege dafür, dass man Kultur in keinem Monopol einsperren darf. Am Copyright von England im 18. Jahrhundert zeigt Lessig auf, dass dieses Recht immer nach einer bestimmten Zeit erlosch, die damals magere 14 Jahre betrug. Mittlerweile wird Kultur viel länger ins Urheberrecht eingesperrt und dagegen muss etwas getan werden - das Buch zu unserem Special. 23,11 EUR MERCEDES ••••• CD FRANK BRETSCHNEIDER - LOOPING I-VI (AND OTHER ASSORTED LOVE SONGS) [12K/1028 - A-MUSIK] Frank Bretschneiders Art und Weise Töne so miteinander zu kombinieren, dass sie sich gegenseitig ergänzen, und somit ein unverkennbar eigenes Gesamtbild rhythmischer Klangstrukturen zu formen, beeindruckt mich immer wieder aufs Neue. Und da diese CD, wie der Anhang im Titel schon ausdrückt, ganz im Zeichen großer Gefühle steht, offenbart sich uns hier die zarte und feinfühlige Seite des Künstlers. Ganz vorsichtig, fast schon zögerlich, werden hier die Töne äußerst behutsam Stück für Stück erschaffen, zusammengesetzt und dann liebevoll umgarnt. Im Gegensatz zu seiner letzten CD “Gold” sind die groovigen Elemente stark zurückgeschraubt und finden bis auf wenige Ausnahmen nur in abgestrippter Version fast schon unscheinbar unter der Oberfläche statt. Diese Unaufdringlichkeit der Intensitäten kreiert eine so angenehme Atmosphäre, dass ein sich dem ganzen Entziehen beinahe unmöglich ist. Aber wer entsagt sich denn schon freiwillig solch großer Emotionen? www.12k.com AD ••••• GIARDINI DI MIRO HITS FOR BROKEN HEARTS AND ASSES [2.ND REC/17 - HAUSMUSIK] Endlich kommen die verschollenen Schätze aus der Frühphase der besten Band Italiens wieder in Umlauf. Neben dem Opener “A New Start For Shoegazing Kids” versammelt dieses Album Tracks von der Split-10” mit Pimmon (schon damals auf 2.nd Rec), der Iceberg E.P. und noch ältere Stücke. Eine Reise in die Vergangenheit, denn von den elektronischen Einflüssen, mit denen die Band heute spielt, war damals noch nichts zu spüren. Macht gar nichts, erstens ist es mehr als spannend, die Geschichte einer Band so zurück zu verfolgen und andererseits entdeckt man Son- FAVORITEN 1. Sleeparchive - Elephant Island E.P. (Sleeparchive) 2. Robag Wruhme - Wuzzlebud KK (Musik Krause) 3. Mocky . Are + B (Four Music) 4. Washer, Zimmer & The Guitar People - Eat Your Friends (Keplar) 5. Umod - Enter the Umod (Sonar Kollektiv) 6. Daedelus - A Gent Agent (Laboratory Instinct) 7. Kenny Larkin - The Narcissist (Peacefrog) 8. Beckett & Taylor / Spandex (Hand On The Plow) 9. Recloose - Cardiology (Isolee Mix) (Playhouse) 10. Tomas Anderson - Bas (Bpitch Ctrl) 11. Le Dust Sucker - Le Dust Sucker LP (Plong!) 12. Lopazz - Take me Home (Get Physical) 13. Ricardo Villalobos - Alcachofa Remixes (Playhouse) 14. Kettel - Volleyed Iron (U-Cover) 15. Nucleus & Paradox - Esoteric Funk LP (Reinforced) 16. David Last - Badlands (The Agriculture) 17. Tigerskin - Dance Now (Resopal Schallware) 18. Gabriel Ananda - Süßholz (Treibstoff) 19. Melchior Productions - The Meaning (Playhouse) 20. John Tejada & Justin Maxwell - Higher (Palette Recordings) 21. Cyne - Growing (City Centre Offices) 22. Karaoke Brös (inzest) 23. Il Logic & DJ Raf - Music Lounge Vol.2 (Ebony) 24. Wagon Christ - Sorry I Make You Lush (Ninja Tune) 25. Kim Hiorthoy - Live Shet (Smalltown Supersound) 26. Lil Mark - Feel The Rhythm EP (Tom Bone Vibrating Music) 27. Moodyman - Black Mahogani (Peacefrog) 28. Doctor Rockit -The unneccessary history of ... (Accidental) 29. Jichael Mackson - The Blowjob (Pastamusik) 30. Paradroid - Coarse Grain Modelling (Over-X Records) • = NEIN / ••••• = JA gs, bei denen man gerne dabei gewesen wäre. Rund und cool. www.2ndrec.com THADDI ••••• TV ON THE RADIO - DESPARATE YOUTH, BLOOD THIRSTY BABES [4AD - INDIGO] Und ich dachte immer, die machen auf 4AD nur so Weicheimusik. Gefehlt. Das hier ist interessant. Blues aus Brooklyn, kaputt, zerschrotet, mit gutem brummendem Bass und jazzigen Obertönen. Stellt euch Captain Comatose als Postrockcombo vor und ihr seid nah dran. Irgendwie so altmodisch wie sympathisch und mit einem nicht zu verachtenden Glamrock-Bonus. www.tvontheradio.com BLEED •••• FUTURA - ELECTONICA DOWNTEMPO VOL.1 [ABYSOMA RECORDS] Aus Spanien kommt dieses Label mit einem Rooster, der mir von Anfang bis Ende nichts sagt und tatsächlich dem Sticker auf dem Cover (empfohlen von Cafe Del Mar Music) ganz gewogen ist. Elektronische Coffeetablemusik, die nirgendwo aneckt, aber irgendwie auch sonst nichts ist als der Backdrop eines lauschigen Nachmittags im Strandcafé. BLEED ••• DOCTOR ROCKIT THE UNNECCESSARY HISTORY OF ... [ACCIDENTAL/09 - ROUGH TRADE] Der Doctor ist tot, es lebe der Doctor. Diese CD ist das Vermächtnis von Doctor Rockit, dem Herbert-Alias für elektronische Freistil-Chansons. 14 Tracks unschlagbarster Kammermusik aus 10 Jahren, die den Matthew Herbert in Bestform zeigen, der noch mit Plastikflaschen statt Big-BandOrchestern arbeitete. Oh, Herbert, wer hat dir nur eingeredet, dass du dich zwischen Soft Machine und Wynton Marsalis einrichten solltest? Als Doctor Rockit, ja, da warst du noch der Fackel- träger aller Raver auf Toskana-Urlaub. Viele glücklich wehmütige Tränen werden diese CD nässen. JEEP ••••• V.A. - EXILE ON HAMMOND STREET [ACID JAZZ RECORDS /158 - ZYX] Diese Musik wurde mal unter Souljazz zusammengefasst, so um 1986, und war eine der Grundlagen für Acid Jazz. Fettige Orgel plus pressende Funkriffs, fertig ist die Hipshake-Party. Für die originalen Singles zahlt man ein Vermögen. Das kann man besser in eigenem Equipment anlegen und sich die Musik selbst nachbauen, haben sich die Protagonisten auf dieser CD gesagt. Die 13 Tracks von 2002/03 klingen originaler als die Originale. Das ist so verblüffend wie überflüssig. Oder geht ihr etwa zu Double-Shows, bei denen Frank Sinatra imitiert wird? Aber vielleicht ist traditionalistischer Hammond-Funk ja in London ein Live-Ding, dass man außerhalb der Clubs einfach nicht verstehen kann (so wie das Swing-Revival in den USA)? Ich versteh die Welt nicht mehr und verkriech mich hinter den Aestuarium-RereleaseSingles zum Thema. JEEP •• HYPO - RANDOM VENEZIANO [ACTIVE SUSPENSION/09 - TARGET] Diese verrückten Franzosen, wollen immer 1.000 Ideen in einen kleinen Track packen, dabei ordentlich albern sein, sich einen Dreck um Deals und stille Absprachen kümmern, diese perückten Italiener von Rondo Veneziano diskretieren, die Samples bis zur Unkenntlichkeit zerhackstückeln, den Schulchor der kleinen Schwester in den Rechner laden, dabei im Fernsehen wilde Verfolgungsjagd spielen und die auf Casio nachdüdeln, während des Update-Prozesses E-Mails schreiben usw. Hypo kann das. Nur braucht es kein Mensch. THADDI • BRAILLE - PARTIR [ANGSTROM RECORDS/006] Angstrom ist eh schon ein ziemlich außergewöhnliches Label, aber auf dieser CD wagen sie nochmal mehr, denn Braille hört sich irgendwie so an als wäre es ein Blasquartett, gefangen in einem G5, oder ein Clicker-Act, der von der eigenen Software verführt wird, oder vielleicht auch eine Art von dekonstruierter digitaler Apotheose von MBV, all das. Vermutlich mehr. Jedenfalls extrem emotionale digitale Musik, die dabei aber dennoch verdammt abstrakt bleiben kann und sehr technisch, die jeden Chip wirken lässt wie ein Sahnebonbon, auf dem kleine Insekten krabbeln, die nach kandierten Mandeln schmecken. Wundervolle Platte, die ich jedem ans Herz lege, der auf ruhige aber dennoch stark gebrochene, elegische aber monumentale Musik steht. Kurzum. Clicks zum Verlieben ab und an auch noch mit sehr schönem Gesang von Alice Imbert. www.anstrom-records.net BLEED ••••• DJ SHORTKUT - BLUNTED WITH A BEAT JUNKIE [ANTIDOTE / SANCTUARY/ANT106 ROUGH TRADE] Der Titel sagt es ja schon. DJ Shortkut hat sich ins Reggeayard begeben und eine richtig anständige Selection zusammengestellt, die die Schwaden aus den Boxen lockt, dass es ein seliges Grinsen ist. Zu hören gibt es 36 Perlen - danach weiß man zwar, wo der Groove hängt, hat die Namen aber eh vergessen. Gute Wahl. CAYND •••• BROKEN SOCIAL SCENE - YOU FORGOT IT IN PEOPLE [ARTS & CRAFTS] Normalerweise wenn ich von einer Postrockband höre, die auch noch obendrein eine Besetzung hat, mit der man ein ganzes Landschulheim führen könne, dann schrecke ich eher zurück, aber Broken Social Scene sind eine Ausnahme, denn sie können einfach alles. Egal ob elegische Musik, die klingt wie Stoff, dessen Farben sich beim Ansehen verändern, oder auch massive pushende Rocktracks voller Melodie mit wirr magischen Arrangements, die aber immer Sinn machen, und sie beherrschen vom Stringbreakdown bis hin zum magischen Drone und der folkigen Zweifingermelodie einfach alles und immer fängt man an zu bedauern dass sich Gitarrenmusik nicht immer so anhört wie Broken Social Scene. www.arts-crafts.ca BLEED ••••• V.A. - BRAZILECTRO 6 [AUDIOPHARM - SPV] Die Latin Flavoured Club Tunes gehen bereits in die sechste Runde. Insofern sollte es schon genügen, wenn ich Namen wie Da Lata, Mo’Horizons, Marcos Valle, Buscemi, S-Tone Inc., Minus 8 oder [re:jazz] in den Raum werfe. Fast. Denn ansonsten haben es sich die Macher eher schwer gemacht und auf endloses Namedropping verzichtet. Noch nie waren so viele neue Bands, die zum Teil dem eigenen Umfeld (Petgroove, Groove Galaxi, Moodorama, Flamingo Star, Ikon, Soul Surfer...) angehören oder auch Quereinsteiger wie Ty und die Capoeira Twins zu belauschen. Da stoßen auch Nerds wie Du und ich auf genug unerhörtes Material. M.PATH.IQ •••• V.A - NASHA - EASTERN DRUM AND BREAKS [BEATSCIENCE/001 - AL!VE] Wer beim Schlagwort Eastern nur an bestimmte B-Movies oder eher noch an Musiker wie Talvin Singh, Nitin Sawhney oder Punjabi MC denkt, hat es bei der Labelschau des jungen East-Londoner Labels Nasha, das nun auf dem Peacelounge-Sub Beatscience auch hierzulande den Kompass gen Osten peilt, mit einer kleinen Überraschung zu tun. Hier herrschen nämlich primär härtere, von Breakbeat, Jungle und Drum and Bass infizierte Kulturhybride vor. Tabla, Sitar und der typisch in- dische Gesang treffen in einer Kombination auf Uptempo-Breaks und Basslines, wie sie bislang doch eher selten zu hören war. Insbesondere DJ Ges-E hat sich damit längst seinen festen Platz im Asian Underground erspielt. M.PATH.IQ ••••-••• PAN SONIC - KESTO [BLAST FIRST/175 - EMI] Eine CD in tausend Zeichen zu packen, erscheint schwierig. Die Finnen veröffentlichen nun eine 4CD-Box (verziert mit Fotos der finnischen Preisträgerin Anne Hamalainen) mit deren Längenangabe im Untertitel, da gilt es eigentlich zu kapitulieren. Versuch: Ein Monster. Pan Sonic bewegten sich in den letzten Jahren zwischen ihren Fixstationen Turku, Barcelona und Berlin, ließen darum aber unzählige Trips über den Globus ranken. Zwangsläufig müssen diese Erfahrungen verarbeitet werden. Deswegen ist das hier auch keine Compilation, sondern alles neu, exklusiv und beeindruckend. Pan Sonic haben sich einen eigenen Sound erschaffen, den sie mal ein Stückweit in Richtung Electro, mal ins vollkommen Experimentelle bzw. in Neue Musiken austesten. Es kann ja nicht gelingen, hier 33 Tracks (davon ein 60minütiger auf CD 4) zu beschreiben. Generell gilt für dieses Projekt, für den Prozess Pan Sonic: Unglaublich, wie sie sich auf alle wichtigen Stühle (Kunst, Literatur, Musik und deren Kreuzungen) setzen und nicht umfallen, sondern diese in sich aufsaugen und immer, immer größer werden. Was soll denn da noch kommen? CJ ••••• V/A - THIS IS BUNGALOW. A DJ MIX BY LE HAMMOND INFERNO [BUNGALOW/BUNG 115 - ROUGH TRADE] Fett. Fett. Fett. Also, wenn das der Sommer wird ... na, dann aber hallo! Dann zerren wir unsere Datsche aus der Kleingartenkolonie im Wedding an die Strände dieser Welt. Oder fahren sie einmal quer durch alle Metropolen mit Yachthafen- <37> - DE:BUG.83 - 06.2004 37 CDS RECORD STORE • MAIL ORDER • DISTRIBUTION Paul-Lincke-Ufer 44a • 10999 Berlin fon +49 -30 -611 301-11 • fax -99 e-mail [email protected] • www.hardwax.com business hours Mo-Sa 12.00-20.00 Sleeparchive 01: Elephant Island EP Sleeparchive ZZZ 01 (D 12" @ ¤ 8,00) 44033 bleepin' + clubby techno somewhere between Mika Vainio’s Sähkö releases + Richie Hawtin’s Concept Series - GREAT! CD • = NEIN / ••••• = JA zubringer und Strandpromenade. Bungalow schickt das Le Hammond Inferno ins Rennen, um uns ein Jahr Warten auf einen neuen Release vergessen zu machen. Ein eindeutiger Start-Ziel-Sieg für die Kleinhausbesitzer aus Berlin, der keines Fotofinish bedarf. In 80 Tagen um die Welt. Diese Zeit braucht es nämlich mindestens, um dem cosmopolitischen Reigen auf “This Is Bungalow” gerecht zu werden, den das Inferno hier mit soviel Energie und Eleganz innerhalb von 80 Minuten lostritt. Da reichen sich u.a. Yoshinoro Sunahara, International Pony, Stereo Total, Maxwell Implosion, Sonido Lasser Drakkar, Mina, Saint Pauli, Los Fancy Free, Extra und natürlich das Inferno selbst die Hände und lassen es so dermaßen krachen, dass man am liebsten seine Wohnküche zerlegen möchte. Scheiße, wie geil seid ihr eigentlich! www.bungalow.de BAAS ••••• Playaz und einige mehr. Perfekter Flow von Anfang bis Ende. www.cocoon.net BLEED ••••• LUCIANO BERIO / BRUNO MADERNA - ACOUSMATRIX: HISTORY OF ELECTRONIC MUSIC VII [BVHAAST/9109 - SUNNY MOON] Berio und Maderna waren in den 1950ern die ersten, die neben den schon nahezu traditionellen Studios in Köln und Paris die elektroakustische Musik in Mailand vorantrieben. Im Gegensatz zu den Deutschen und Franzosen zeigten sich die beiden allerdings sehr viel offener, was die Auswahl der Sounds angeht. Dieser damals völlig neuen ‘larger domain of sound phenomena” (Berio) mittels elektronischer Musik galt ihr besonderes Augenmerk und lieferte ihnen die Möglichkeiten, musikalische Gedanken ausgereifter, vielfältiger und mehrdeutiger darzustellen. Auch die oftmals vernachlässigte menschliche Stimme findet ihren Weg in die zuweilen streng wirkenden Kompositionen. Gipfeln tut dieser Ansatz in Track Zwei, eine von Berio komponierte und vor Onomatopöien strotzende Hommage an den rätselhaften und wortverliebten James Joyce (1958), und in Madernas Stück “Le Rire” (1962, hier erstmals veröffentlicht), in dem über 16 Minuten erbarmungslos jedes Lachen bis in den kleinsten Atemzug hinein analysiert und verbraten wird und synthetisches und organisches Lachen ständig versuchen sich den unsichtbaren Witz zuzuschieben. Radiokunst at its very best, würde ich meine. www.bvhaast.nl ED ••••• SWEEK - THE SHOOTING STARS SIGH [CARTEPOSTALERECORDS/001] Belgisches Label mit Musik, die sich irgendwo zwischen Elektronika der experimentelleren Art und einfachen Gitarrenstücken auf diesem Release von Sweek in sehr sentimentaler aber irgendwie meist überzeugender Weise bewegt. Musik also für alle, die gerne mit dem Picknickkorb in die Tiefgarage fahren und dort die Nacht verbringen. Manchmal wird es aber auch hier leider ein wenig zu sehr Rock. www.cartepostalerecrods.be BLEED •••• V.A. - CAP [CARTEPOSTALERECORDS/003] Die dritte Veröffentlichung dieses sehr jungen Labels aus Belgien, die hier mit einer extrem breitgefächerten Compilation mit Acts, die mir fast alle neu sind, gleich so perfekt klingen, als wären sie das Traumlabel fast aller Elektronika-Freunde die mehr erwarten als nur schöne Melodien. Schon das Intro von Wixel mit seinem sehr kaputten Sound und den seeligen Gitarren zu völlig verknarzten Lyrics erinnert mich an die besten Tracks von Khonnor, und die besigen Breaks von A.N.A.L.E.P.T. sind zusammen mit den digitalen Verschrobenheiten und den akustischen Instrumenten ein echtes Fest. Any Drap machen auf elektronischere Weise dann weiter, und es kommt ein schöner Track nach dem anderen. Musik für alle, die das Zusammenspiel von Elektronik der digitalen Art mit klassischen Indie-Instrumenten lieben, aber keines der beiden als Füllsel sehen wollen, sondern von beiden etwas mehr erwarten. www.cartepostalerecrods.be BLEED ••••• Television Set: Boring Day / Future Today Genetic Music 019 (D 12" @ ¤ 8,00) 44022 Again Stephan Metzger and Roger Semsroth show their view of how minimal wave sounds today. Bands like early 80’s Snowy Red are obviously always on their minds and as usual these tracks are simply to the point! The A-side "Boring Day" is a short and danceable electronic-punk-like track in the tradition of "The City" or "Neon City Girl" from their latest album. The B-side "Future/Today" sounds like a tribute to early Human League. And again Mr. Skanfrom finished the whole thing off by giving both tracks his voice. Black Devil: Disco Club Black Devil: Disco Club Rephlex 146 (UK 12" @ ¤ 8,50) 3 trk EP, psychedelic disco from 1978: a real party monster 44138 Rephlex 146 R (UK 12" @ ¤ 8,50) 3 trk EP incl. Kerrier District Rmx, psychedelic disco from 1978: a real party monster 44137 DJ Godfather + Starski: Tek / Freak / The 3 DJ Godfather + Starski: Let's Go / Get Down / City Of Boom D.E.T. Only 004 (US 12" @ ¤ 8,50) classic Detroit bass DJ tool cuts 44184 D.E.T. Only 005 (US 12" @ ¤ 8,50) kickin' detroit bass cuts, b1/w classic "Work It To The Bone" sample 44183 Jersey Devil Social Club: Homage at 121 BPM Environ 018 (US 12" @ ¤ 8,00) long upbuildin' minimal disco flav. deep house grooves w/ A. Donatella on vox. 43931 DJ Nasty: Cherry Popper MCEC 008 (US 12" @ ¤ 8,50) 7 trk EP, classic detroit booty bass cuts w/ explicit lyric samples 44185 Bounce: Drop The Ball EP B. Calloway: Deja Vu EP Various Artists: The Minority EP Electrofunk 2013 (US 12" @ ¤ 8,50) electro bass 3 trk EP w/ warm + mellow synths 44186 Electrofunk 507 (US 12" @ ¤ 8,50) furious electro bass 4 trk EP (new release - old catalouge number!) 44189 Tunnel 7 002 (US 12" @ ¤ 8,50) 3 trk EP between smart spaced out Detroit techno + bouncy electro bass 44190 Orlando Voorn: Tank Jeff Mills: Expanded Sole Tech: Back To The Future Ignitor 003 (US 12" @ ¤ 8,50) funky synth lines driven spaced out electro/bass trks 44191 Axis 039 (US 12" @ ¤ 8,00) superb 3 trk EP w/futuristic electronics+mindblowing club tracksRecommended! 44259 Detrechno 001 (US Do 12" @ ¤ 21,00) classic Detrechno style electro bass tracks - a timeless DJ tool!!! 13762 Randolph: About Last Night Chez Damier: Spirtitual Warfare V.1 Theo Parrish: The Twin Cities EP Mahogani M 9 (US 12" @ ¤ 10,00) laid-back jazzy deep house w/s male vocals 43940 Track Mode 052 (US 12" @ ¤ 9,00) brilliant chordish house in best early Prescription manner - killer! 44192 Harmonie Park 007 (US 12" @ ¤ 9,00) ultra deep & slow upbuildin' Detroit house grooves 43855 Diese Liste kann nur eine Auswahl aus unserem Angebot sein. Wenn diese Liste vom Drucker kommt, sind manche Platten vielleicht schon vergriffen und andere wieder neu reingekommen (wir setzen nur Platten in die Liste, die wir zu dem Zeitpunkt des eintippens auch wirklich am Lager haben!). Deshalb bei Bestellung bitte möglichst Ersatztitel angeben. Normalerweise bekommen wir jeden Tag Lieferungen mit Neuheiten oder Nachbestellungen. Bestellung telefonisch oder schriftlich und bitte die Bestellnummern angeben. Preisangaben unter Vorbehalt (Einzelne Tippfehler können bei den Preisen genauso wie bei Titeln oder Labels vorkommen). Versand erfolgt per Nachnahme oder Bankeinzug mit Paketpost. Innerhalb Deutschland berechnen wir als Versandspesen pauschal: Paketpost standard NN: ¤ 9,74 (dazu kassiert die Post noch ¤ 2,00 NN Gebühr) / Paketpost Bankeinzug: ¤ 5,56 (eine Standardsendung sollte normalerweise innerhalb 48 Stunden ankommen). Bei einem Rechnungswert über ¤ 150,übernehmen wir die Versandkosten für Standardsendung (nur Inland). Expressversand ist gegen Aufpreis möglich. Wenn eine Lieferung durch Verschulden des Empfängers zurückgeht, müssen wir die entstandenen Porto- bzw. Rückportokosten berechnen. Großhandelsanfragen sind willkommen. Nachdruck oder Vervielfältigung dieser Liste (auch auszugsweise) ist nicht erlaubt. call, fax or write for free catalog w/ news or subscribe to our weekly e-mail newsletter at www.hardwax.com DAT POLITICS - GO PETS GO [CHICKS ON SPEED RECORDS - HAUSMUSIK/INDIGO] Klar, die Politics waren schon immer eine total verknautschte Kleinkindertruppe, das wird hier nur noch offensichtlicher, weil sie ihre Platte gleich denen widmen, die einem das Leben so knuddelig gestalten, aber wer denkt, sie hätten sich darauf auch schon reduziert, der wird überrascht sein, wie sehr hier die klassische Tradition von Werbesongs der 50er und 70er Jahre da mit reinspielt und Dat Politics zu richtig abenteuerlichen Kompositionen veranlasst, die zwar immer noch digital völlig verschroben sind, aber irgendwie auf eine Tradition zurückblicken lassen, die Kinderreime und Studioorchester zu einem echten Playground des magischen Wahnsinns macht, unter Bedingungen, die jeden dreijährigen zu einem echten Hacker machen würden und selbst Improvisations-Jazzer zum Staunen bringen dürften. Wer Kleinkindermusik mag, die klingt, als hätte die nächste Generation einen Quantensprung gemacht, was die digitale Rafinesse betrifft, der braucht dieses Jahr keine andere Platte als diese hier. www.chicksonspeed-records.com BLEED ••••• PORN SWORD TOBACCO [CITY CENTRE OFFICES /027 - HAUSMUSIK] Hier wird mächtig was angegangen in ganz langsamen Kameraschwenks. Wie hat Erik Satie eigentlich das Grundrauschen aus seinen Aufnahmen für Soloklavier löschen können? Wir können es nicht, also nutzen wir es als Taktgeber in unseren impressionistischen Tastversuchen auf dem Hallklavier. Die Welt ist alles, was die unendlichen Weiten der Tundra sind. Der Himmel ist eine Kathedrale, der Mensch ein verlorener Piepton auf dem Radar. Die Skandinavier von Porn Sword Tobacco trauen sich an eine schwer tiefenpsychologische Traumreise in zehn Kapiteln, die das Außermenschliche hörbar machen will. Wir legen uns auf den Rücken und lauschen ergriffen dieser Vermessenheit. JEEP •••• BRETT JOHNSON - BUSINESS AS USUAL [CLASSIC - ROUGHTRADE] Nein, das ist kein Album von Brett, sondern eine MixCD, aber das ist uns ebenso lieb, denn erstens ist er ein guter Mixer und zweitens vertragen wir gerne eine Mix-Compilation mit einem Haufen von Classic Tracks von Derrick Carter, Rob Mello, Losoul, Tiefschwarz, Iz & Diz, Unduceve, Mike Dixon, Roy Davis Jr. und anderen. Familybusiness in dichtesten Grooves. w.classicmusiccompany.com BLEED ••••• O.M.F.O. - TRANS BALKAN EXPRESS [ESSAY RECORDINGS/02 - UNIVERSAL] Our Man From Odessa. German Popov. Ja, genau der, der auch schon auf Shantels “Bucovina Club” zu hören war. Doch Popov ist schon weitaus länger damit beschäftigt, den Noch-Hinterhof der Europäischen Union ins musikalische Bewusstsein des Kontinents zu rücken. Und das alles kommt nun mit dem “Trans Balkan Express” so richtig in Fahrt. Alt trifft neu, Moderne auf Tradition. Da dubt es gewaltig von hinten, während die Blaskapelle im Mittelgang zur Polka lädt. Oder der Mundorgelspieler ravt zusammen mit unserem Mann aus Odessa einmal durch den ganzen Zug. Und bei jedem Halt werden auf dem Bahnsteig dann erst einmal in aller Ruhe die Instrumente ausgepackt. Vor’m nächsten Morgen ist da kein Weiterkommen. Und so soll das auch sein. Lasst ihr euch mal schön von eurem Jetlag plagen. Wir heben erstmal einen. Na strovje! www.essayrecordings.com BAAS ••••• JOHN AQUAVIVA - FROM SATURDAY TO SUNDAY VOLUME 5 [CLUB STAR] Nö, das ist nicht besonders spannend, was er sich hier zusammenmixt. Auf der einen Seite zwischen Technodumpfbackenslammern und Oldschoolhouse, auf der eigentlich vor allem Zoo Brasils “Wow!” raussticht, und auf der anderen Seite mit Freaks Creeps, Mathew Dears “Dog Days”, Chicken Lips, Tiefschwarz Spektrum Mix eigentlich ein klassischer hittiger Start, nur dann, Moonbootica, Rozzo, Abteilung Ton. Naja. Und groß gemixt ist das auch nicht, das höre ich in Berlin jedes Wochenende um Längen besser. Oder ich mix es mir eben selbst. BLEED ••• FUNK D’VOID - IN THE MIX [COCOON RECORDINGS - INTERGROOVE] Tja, wir hätten es nicht anders erwartet, das macht er gut. Endloses Intro mit Strings und dann langsam ab in die sehr bunte Technowelt, in der irgendwie alles nach Detroit klingt, alles nach Klassiker, aber dennoch die kleinteiligen Effekte und dichten Grooves nicht zu kurz kommen. Kurzum eine Mix Compilation, die sich fast so anhört, als wäre sie voller Tracks von ihm selbst, aber dabei sind es Leute wie D5, Future Beat Alliance, Deetron, Dennis Desantis, Carl Craig, Luciano, Solid Gold JOSEPH MALIK - AQUARIUS SONGS [COMPOST/170 - UNIVERSAL] Mit seinem zweiten Album auf Compost geht der schottische Singer-Songwriter zusammen mit Produzent David Donnelly zwei Schritte weiter. Vermehrt untermalen cluborientierte Beats und Sounds den Gesang, der sich wiederum zunehmend politischen Themen widmet. Das mag zunächst wie ein unfreiwilliger Spagat erscheinen, entpuppt sich aber als vom Schicksal begünstigte Konstellation. Dort, wo die Musik besonders weich, für manches Ohr gar seicht erscheint, ist seine Botschaft Gegenpunkt und Ergänzung zugleich. Malik bleibt auch im Uptempo und mit so interessanten Gästen wie Grand Unified, Aqua Bassino und Steven Christie unverkennbar der groovende Denker mit der bewegenden Stimme. Und so liebt man ihn oder man lässt es. M.PATH.IQ •••••-•••• BALDUIN - S/T [CRIPPLED DICK HOT WAX/93 - ALIVE] Hat ein wenig gedauert bei Herrn Balduin. 2001 gab’s seinen Erstling. Drei Jahre später hören wir wieder von dem Schweizer. Alphorn, Japan, Jazz, Filmmusik, Sixties und Niedlichkeit verpackt Balduin wesentlich schöner als auf seinem Debüt. Die neuen Tracks (man höre etwa das wunderbar entspannte small-big-beatige “Slip Slap”) wirken souveräner, vielseitiger und pointierter. Wer einen unaufrdinglichen Electronica-Kiosk sucht, sollte bei Herrn Balduin einkaufen gehen. Und wo wir schon beim Marketing sind: Zu guter Letzt sei noch die hübsche Gestaltung des ganzen Pakets durch das Büro Destruct erwähnt. CJ •••• JASON KAHN / JON MÜLLER - PAPERCUTS [CROUTON - A-MUSIK] Zum Einstieg ein droniges Rauschen, immer mit Blick auf die lodernde Glut, die langsam das Papier versengt. Man war wohl ein wenig zu voreilig, Papier also nochmal raus und bitte erst falten, nein, knüllen, zerreiben, reißen, rupfen. Also alles, was das Material hergibt, und schon fühlt man sich in Riedls “Paper Music” von 1968 versetzt. Solche Bilder sind zeitlos, fügen sich schon vorab inneinander, über Raum und Zeit hinweg. Auch wenn dieses Medium nicht völlig zeitlos ist, sonst wäre die Bearbeitung der “Papercuts” völlig sinnlos, so hat es doch schon ein paar Jährchen auf dem Buckel. Die Zeitspanne hier ist dagegen vergleichsweise flüchtig, aber doch schon ein wenig vergilbt, und das kann man durchaus erwarten. Jedenfalls ein sehr hübsch verpacktes Angedenken, das die Erinnerung wieder ein wenig auffrischt. Und so ist es gut. XENYA ••• PANIC DHH - PANIC DRIVES HUMAN HERDS [DHR - ROUGHTRADE] Robbie Furze und Antti Uusimaki brettern sich hier eine böse verzerrte darke LP zusammen, in der selbst das letzte Krabbeltier noch seinen Meister finden soll. Und so quietscht es gedämpft, schreit wild im Hintergrund und bollert mit allem was man so an Zerstörung gefunden hat recht amüsant für alle die sich von Musik erwarten, dass sie wie ein Brei aus einem Maschinengewehr kommt. BLEED •••• V.A - SCHWABING AFFAIRS [DIGGLER/012] Nach den berühmt berüchtigten St. Pauli Affairs führt uns die Reise nun ins Münchner Rotlicht der späten Sechziger und der frühen Siebziger. Oder genauer noch in die entsprechende Filmwelt, der damals z.B. Uschi Glas entsprang. Kultige Kuriositäten und Raritäten aus Beat, Hippie-Pop, Schmuddel und Trash konnten auch hier wieder haufenweise zusammengetragen werden. Neben dem auf Diggler bereits etablierten Peter Thomas, der u.a. die Kinks covert, treffen wir auf so amüsante Leute wie Johnny Harris oder das SupertrampGründungsmember David Llywelyn. Und was den Party-Faktor angeht, scheint es im Münchner Kiez seinerzeit noch heftiger zur Sache gegangen sein, als auf der Reeperbahn. Definitiver Tipp für jeden, der sich nicht nur über die entsprechenden Filme wie “Engelchen macht weiter Hoppe, Hoppe Reiter” amüsieren kann. www.diggler.de M.PATH.IQ •••••-•••• PITCHTUNER - SPINY LURE [DOXA/16 - AL!VE] Kinners, wat habt da denn da jemacht? Nee nee, kleiner Scherz. Diese Platte sollte man sich nicht entgehen lassen. Denn sie entzieht sich mir gerade jeder Kategorisierung. Da treffen Electronics auf die guten, alten akustischen Instrumente. Und dann diese japanischen Lyrics in einigen Stücken. Versteht keine Sau, ist aber auch egal. Denn das kickt und rockt an allen Enden. Diese Platte nehme ich mit in den Sommer. Auf jeden! Übrigens: Ich bin der Typ, der bei eurem nächsten Gig in Berlin mit seiner Luftgitarre die Bühne entern wird. Also nicht wundern. BAAS ••••• V.A. - PLAYGROUND VOL.9 [ECCO.CHAMBER] Ich mochte diese Serie von, tja, wie soll man es noch nennen? Downtempo klingt so ultraflach und trifft es eh nicht, Nu Jazz klingt zu jazzig, und was bleibt? Wir wissen es nicht. Jedenfalls von Swell Session und Ste van B compilierte und gemixte CD mit lässigen Breaks, lockeren Beats, funky Basslines und sehr lockerem Sound durch und durch. Mit dabei natürlich Jimpster, Dom Um Romao, Watkiss, Bobby Hughes, aber auch London Electricity und The Flaws mit MC Chick-A-Boo. Eklektizistischer Groove durch alle Sparten, manchmal ein wenig belanglos, aber dann auch wieder perfekt. www.eccochamber.com BLEED ••-••••• SONOLUCE - [ECCO.CHAMBER] Sehr smoothe, dunkle und groovende Tracks von Uwe Walkner aus Österreich mit Vocals und anderen Gästen, die irgendwie sehr elektronisch bleiben und nicht so sehr wie vieles in diesem Genre in jazzige Normalität abdriften, sondern eher tiefliegende analoge Welten auftun, in denen man Funk erst mal für sich wiederentdecken will. Sehr lässig in den Beats und gerne auch mal bis hinab zu einem Dubtrack eine Bandbreite aufzeigend, die immer überzeugend wirkt. Smooth und relaxt aber definitiv nicht kitschig. www.eccochamber.com BLEED •••• SAGOR & SWING - ORGELPLANETEN [HÄPNA/016] Ich habe diese CD ja im Verdacht, nachts zu leuchten, kann das aber gerade mangels Dunkel nicht verifizieren, aber ich weiß auch so, dass das hier bester Schifferklavier-Style ist und für alle mit einem Hauch Romantik und Wehmut in diese Richtung genau der richtige Griff. Man sollte aber auch bereit sein das Ganze plötzlich in eine Easy Listening-Orgelwelt transponiert zu sehen und Musik liebhaben, die so harmoniesüchtig und daddelig ist, wie es nicht mal die fröhlichste Truppe von Kadetten-Wiedervereinigungs-Rentnerpartys wäre. Anscheinend, so das Info, unterscheidet sich diese Platte, einer Band, die sich gerade traurigsterweise aufgelöst hat, übrigens von den anderen beiden dadurch, dass Akkordeon und Moog frisch ins Instrumentarium übernommen wurden. Manchmal ist die Welt so einfach. www.hapna.com BLEED ••••-••••• O.M.F.O. - TRANS BALKAN EXPRESS [ESSAY RECORDINGS/02 - UNIVERSAL] He, das kenne ich ja, das ist doch Trans Europa Express von Kraftwerk. Was singt der da? Trans Balkani Express? Und singt der da über Wodka? Ah, der orientalische Gewürzbasar lässt grüßen. Alle sind gekommen, sogar Popov der Clown. Eine Karawane von Bauchtänzerinnen zieht an mir vorbei. Spätestens wenn Dschingis Khan sich im vierten Track mit seinen Hus und Has zu Wort meldet, muss ich mich fragen, was hier los ist. Hätte ich in meiner Kindheit nicht so viel Nintendo gespielt, müsste ich das jetzt nicht mit diesem nervigen Sound assoziieren. NATASCHA •• STENDEC - A STUDY OF “AND” [EXPANDING RECORDS/15:04 - CARGO] Stendec ist das Projekt der beiden Expanding-Chefs Paul und Ben, die hier ihre gesammelten 7”- und 10”Werke kompilieren und ein paar neue Tracks zuschießen. Dabei geben beide den fast schon klassische Komponisten, rollen in ihren Sounds das alte BBC-Archiv auf, erfinden den Soundtrack zu den Tripods wieder neu und lassen die Beats rollen. Vier Jahre werden auf dieser CD durchgewunken, lässt unvergessene Momente in einem neuen, noch hellerem Licht erstrahlen und beweist mal wieder, dass Elektronika nicht so klin- gen muss, wie wir das jeden Tag erleben. Stendec heißt: Tradition als Chance. Go! www.expandingrecords.com THADDI •••• HANIN ELIAS - FUTURE NOIR [FATAL RECORDINGS] Der Titel trifft es nur zum Teil. Noir - ja, dunkel ist das. Hymnisch, mit fast sakralem Hall und einer ebensolchen, feierlich bis beschwörerisch klingenden Attitüde, breitet sich Hanin im ganzen Raum aus. Riot ist das nicht, eher der Soundtrack zu einer pathetischen Party von Gothik-Jüngern in schwarzen Gewändern. Die waren ja bekanntlich nie sehr zukunftsorientiert und schon gar nicht optimistisch. Auf einer Bühne mit Diamanda Galas und Joachim Witt würde sich die Ex-Atari-Teenage-Riot-Lady sicher gut fühlen. Dass sie sich vor ein paar Jahren feministisch äußerte, die männerdominierten Strukturen des Musikbiz harsch kritisierte und als Konsequenz ihr eigenes Label Fatal-Recordings ins Leben rief, macht sie zwar sympathisch, aber musikalisch geht es mit “Future Noir” leider nicht nach vorne, sondern eher in den Folterkeller, nicht in Richtung Zukunft, sondern in Richtung Addams-Family, wobei dieser noch ein gewisser Humor zu eigen ist, den sich Hanin leider über die Jahre abgewöhnt zu haben scheint. al-recordings.com ARNE •• MOCKY - ARE + BE [FINE. - FOUR MUSIC] R’n’B stinkt nicht, zumindest nicht in Mockys Version, die einen mit so sleazy welker wie furios melodiöser Musik umgarnt. Wenn Mocky das Mic zum Singen ergreift, ist das weder übermäßig kitschig noch horrend 80er, sondern insgesamt einfach eine sehr charmant individuelle Version von bodennaher Popmusik mit Songwriterappeal, die das, was in den letzten Dekaden so den musikalischen Weg gekreuzt hat, in überzeugend zuckriger Art verbrät und dabei oft auch noch rockt ohne zu kleben. www.mockyrecordings.com CAYND ••••• MERZBOW - SCSI DUCK [FOURTH DIMENSION/FDCD66] Zum Glück gibt es die Musiker da draußen, die der allmonatlichen Flut von Warmduscher-Electronica, billigsten Warp- und Rephlex-Ripoffs und infantilem Geklimper mit trashiger Drummachine was Ordentliches und Ausdruckstarkes entgegensetzen können. Und das sollte am besten auch jeden Monat passieren, eine Aufgabe, die Masami Akita aka Merzbow problemlos meistert. Vier neue Tracks des Japaners, insgesamt über 70 Minuten, stöhnen genauso wie ich über die unfaßbaren Massen elektronischer Schlumpfmusik und bauen große Mauern auf, um bloß nicht den kleinsten Einfluß zuzulassen und um sich ohne Rücksicht in eine Isolation einzukerkern, die dem Noise, ich meine dem puren Noise, der erbarmungslos randvolle Überschüße an Bedeutung garantiert, und seinen Rezipienten immer eigen bleiben wird. Daran wird sich nie was ändern und dennoch wird es immer gut und wichtig bleiben. ED ••••• TREVOR LOVEYS - INTASTELLA [FREERANGE/010] Obwohl Trevor Loveys als eine Hälfte von Switch seit der ersten Maxi “Get Ya Dub On” gleich doppelt gefragt ist, veröffentlicht er gerade jetzt sein FreerangeAlbum-Debüt “Intastella”. Darauf schüttelt er ganz im Sinne seiner ersten beiden Maxis “The Bounce” und “Elevate Your Mind” und dem neuen, unerwartet dicken und trockenen Housebootsrocker “Feel The Horns” (mit Remixen von Hipp-E und Shur-I-Kan) noch einige andere Styles aus dem Ärmel. Das Ergebnis repräsentiert dann aber doch schlüssig seine Sozialisation im Geraden, ohne dabei nun auf gefühlvolle Brüche zu verzichten. Je weniger er bounct, desto mehr greift er zum Analogen, bleibt aber in der Produktionsweise kristallklar. Damit entwirft er in meinem Kopf ein Design für eine lichtdurchflutete Ledersofalandschaft mit funktionaler Noblesse, die fast ohne jede Ecke allerdings auch wenig Reibungspunkte liefert. www.freerangerecords.co.uk M.PATH.IQ •••• AEROC - VISCOUS SOLID [GHOSTLY/30 - ROUGHTRADE] Während Spectral immer jackender wird, geht Ghostly, das Mothership, ganz andere Wege. Aeroc ist Geoff White, den wir schon von Force Inc und Traum kennen und der seit seinem Umzug nach Barcelona offenbar ganz andere Seiten und Saiten aufziehen will. Voller Gitarren und ambienten Drones steckt sein neues Album, ein bisschen spooky kommt es daher, und wenn auch alles eigentlich ganz prima anläuft, mutiert die Platte auf dem Weg doch eher zum leicht irritierenden Teppich, den man lieber auf dem Hof hängen lässt. Bergund Talfahrt eben. Wird die Stimmung freundlicher, kann es sogar zu Soli kommen. Kurze große Momente, aber sonst? Zu daddelig. www.ghostly.com THADDI •• SOLVENT - APPLES & SYNTHESIZERS [GHOSTLY/35 - ROUGHTRADE] Lieber Jason, ich glaube, wir kennen uns jetzt seit sechs Jahren. Immer wenn du eine Platte machst, hüpft mein Herz vor Aufregung, weil wir mit den selben Platten aufgewachsen sind und du diese Idee seit jahren immer weiter verfeinerst. Synthiepop par excellence. Da muss ich tanzen und ich tanze gerne. Nach deinen EPs auf Ghostly hast du denen jetzt ein Album gegeben und ich finds klasse. Die alten Synths leben mittlerweile als Audiospuren auf deinem Rechner, fühlen sich pudelwohl, werden immer noch von der 808 ins Bett gebracht und zwitschern wie auf einem Klassentreffen. Die großen Hits der Maxi sind auch mit auf dem Album und stecken den Rahmen für die neuen Tracks ab. Jason, ich finds toll. So toll. Weil du die gute alte Zeit so modern anmalst, viel über Detroit nachgedacht hast und gerne mal was übersteuerst und dann immer wieder so fulminant in die Tasten haust und die Mäuse mit dem Vocoder aus dem Netzteil lockst. Und ich glaube, auch du tanzt gerne. Wenn du in deinem kleinen Studio sitzt, das alte Schwanenhals-Mikrofon zu dir rüberziehst, schnell noch ein Kabel in die richtige Buchse drückst und dann den Sequenzer startest. Natürlich hast du zu diesem Zeitpunkt schon längst Stunden damit verbracht, alle Geräte zu stimmen und dann geht es los. Danke für die dreizehn Tracks, Jason. Gerne würde ich mal vorbeikommen und unter deinem Vince-ClarkeStarschnitt eine Brause mit dir trinken. Aber du wohnst ja in Kanada und ich in Berlin. Drum schreibe ich dir diesen Brief. Und der ist jetzt vorbei. Bis bald, dein Thaddi. www.ghostly.com THADDI ••••• PATRIK TORSSON - KOLVÄTESERENADER [HÄPNA/015] Ich kann nur hoffen, dass ich den Titel richtig geschrieben habe. Patrik scheint auf einem Tanker zu arbeiten, sagt jedenfalls das Info. Wenn er dann heim kommt, der alte Seemann, dann schreibt er verzauberte digitale Musik, zu der er Geschichten erzählt, die ich mangels Schwedischkenntnissen leider nicht verstehe, man kann ja nicht alles können, deren genereller Vibe aber zu sein scheint, dass alles irgendwie klingen muss wie diese unheimliche Vorstellung, die man sich von einem Ungetüm aus Rohren und Natur macht, aus dieser Konstellation von zu großen und zu untergründigen Maschinen und Organismen, die so geschlossen scheinen, dass jeder Hall sich fortzupflanzen scheint, aber dennoch so offen, dass sie immer Hoffnung an der Angel haben. Sehr schön. Vielleicht noch schöner, wenn man Schwedisch kann. Zum Reinhören empfehlen wir den Track “Lotsenbrüderschaft Elbe”. Irgendwie Musik, die mit Leichtigkeit mehr sein kann als ein Film oder Buch je könnten. www.hapna.com BLEED ••••• SLICKER - WE ALL HAVE A PLAN [HEFTY] Da hat John Hughes aber wieder mal eine angenehme Sache auf die Welt losgelassen. Das ist seine Elektronik. Das ist Soul und HipHop mit Pop und Gesang obendrauf, wie Sahne. Man hört es und bewegt sich. Innen und außen ist es tanzbar und hat Untermalungsqualitäten gleichzeitig. Vom ersten bis zum letzten Song eine Linie verfolgend, bringt einen die Platte in Stimmung, sich tierisch auf einen Abend zu freuen. Man sieht Gangstas dunkle Straßen entlanglaufen und gleich darauf eine schöne Frau in kurzem Kleid auf einem Piano abhängen. Ich glaub, ich versteh, was er will. NINA ••••• CAPOEIRA TWINS - REANSVILLE HEIGHTS [HOPE RECORDINGS/045 - AUDIOPHARM] Also. Wenn ein Projekt einen solchen Namen trägt, ahnt man doch schon von vornherein nichts Gutes. Aber: Wie das Leben nun mal so spielt - es steckt voller Überraschungen. Nix mit Birkenstock-Langhaar- Alternativ-oder-wie-auch-immer-ich-steh-ja-total-auf-die- se-Lebensart-der-Südamerikaner-Mief. Neee! Weit gefehlt. Hier rollt es gewaltig. Auf die angenehme Art und Weise. Leicht und elegant. Hier tanzt man hüftbetont. Da darf es dann gern auch mal ein wenig schmutzig werden. Und mit “Four (4x3)” wird es dann auch noch so richtig(!) booty. Shake-a-delic Baby! Reansville Heights. Täler gibts da eigentlich keine. Nein. Nur Gipfel. Willkommen im Drum-and-Bass-Break-Step-Hip-Electro-Jazz-Soul-Wunderland der Capoeira Twins. www.capoeira-twins.com BAAS ••••• TETUZI AKIYAMA & JOZEF VAN WISSEM - PROLETARIAN DRIFT [BVHAAST/0404 - SUNNY MOON] Proletarisch ist hier im Grunde nichts (abgesehen vom Selbstbild der beiden Improv-Musiker; es handelt sich um Vol.6 der Proletarian Meeting Series), Drift kommt der Sache aber schon wesentlich näher, wenn sich die Wege von Akiyamas Gitarre und van Wissems Renaissance Laute kreuzen. Schüchtern und verwegen, langatmig und feingliedrig, alles trifft zu, alles stimmt und so kann dann auch wirklich ein proletarischer Drift erzeugt werden, der sich nie aufdringlich durch hunderte Leerstellen schlingelt. www.bvhaast.nl ED •••-•••• V.A. - STRAIGHT TO VIDEO [ILLICIT RECORDINGS /004] Eine Compilation, die noch mehr Spaß macht, als sie dies ohnehin schon tut, wenn man mal ein wenig auf der Homepage von Illicit Recordings aus London stöbert. Denn hier macht das Thema Konzepttonträger wirklich Lust auf mehr. Da treffen sich Leute wie Blue States, Jack Planck, Jadell oder Howie B und lassen sich zum größten Teil von Filmen inspirieren, die es gerade mal in die Videotheken dieser Welt geschafft haben oder, sagen wir mal, in Europa total gefloppt sind. Filme, die allein vom Titel her oft schon so daneben sind, dass sie schon wieder gut sind. “Straight To Video” eben. Die Idee dazu stammt von Damon Baxter aka Deadly Avenger, der ebenfalls ordentlich in die Kreativkiste gegriffen hat. Oh Mann, da wünscht man sich am Ende doch glatt einen Film zur Platte. Und so hoffen wir fleißig weiter auf die Produktion von”Straight To Video”- Filmen, damit vielleicht irgendwann einmal eine Fortsetzung dieser wunderbaren Compilation erscheint. www.illicitrecordings.com BAAS ••••• FE-MAIL - SYKLUBB FRA HÆLVETE [IMPORTANT/033 - TARGET] Letztes Jahr kam das kostbare Album bereits als sehr limitierte LP auf dem norwegischen Label TV5, jetzt liegt es zum Glück wieder mit zwei Bonus-Tracks als CD vor. Fe-mail, das sind die beiden äußerst attraktiven Ladies Maja Ratkje und Hild Tafjord und was die zwei an Musik generieren, hat nichts mehr mit der Sexyness der Mädels und dem dazu passenden pinken Coverartwork zu tun. Zehn Tracks bomben euch nämlich hemmungslos die Hose zu. Allerlei Digital- und Analogquietschen und -rütteln treffen ungeahnt aufeinander, dazwischen tummeln sich verhackt kurze Stimmfragmente der beiden, kratzen abgefuckte Vinyls ab und sogar Sindre Andersen ist auf einem Stück an der Gitarre zu hören. Alles in allem handelt es sich um eine herrliche und unberechnbare Noisearbeit, wie sie so noch nie dagewesen zu sein scheint. Top! www.importantrecords.com ED ••••• AMUTE - A HUNDRED DRY TREES / UNE CERTAINE D’ARBRES SECS [INTR_VERSION/12 - HAUSMUSIK] Tja, gerne würden wir euch verraten, wer hinter diesem Projekt steckt, aber außer, dass der junge Herr aus Brüssel kommt, lässt sich auf dem Cover leider nicht wirklich etwas entziffern. Macht nichts, bei Intr_Version liegt man eigentlich immer gut, so auch hier. aMute ist auch so jemand, der es gerne weit und vertrackt liebt und seine Vorstellung von kanadischen Gitarren und jede Menge Processing auf ein Album packt, dass wir von nun an öfter hören werden. Unscharfe, friedvolle Euphorie mit Vocals, einer eindeutigen Liebe zum Kranky- und Constellation-Sound und immer wieder Bitcrusher-Flächen im Steinbeißer-Style. Dabei ist hier alles sehr liebevoll arrangiert und die Gitarre steht eindeutig ganz vorne dran und wir stellen uns diesen jungen Mann so vor, wie er in einem großen Konzertsaal seine Tretminen auspackt und alle ganz andächtig an die Kronleuchter schauen. Herrlich. www.intr-version.com THADDI •••• KIILA - SILMÄT SULKASET [K-RAA-K/043] Eine sehr bezaubernde Platte mit Folkmusik voller Melodiegräben und vielleicht irgendwie schräg, aber dennoch so getragen, dass man sich sofort davon überzeugen lässt, dass es hier um eine Art von Tanz geht, den die bösen Schwestern und Brüder von Mum veranstalten, damit die, nuja, in ihrem Elektronikadorf bleiben. Magisch und unbegreiflich auf eine gewisse Art aber dennoch mit einem Hauch Pop. 8 Tracks aus dem Herzen Finnlands. Vermuten wir mal. www.kraak.net BLEED ••••• ES - KEIKKEUDEN KAUNEUS JA KÄSITTÄMÄTTÖMYYS [K-RAA-K/041] Irgendwie ist Kraak auf einmal das Label für Finnische Popmusik auf Abwegen. Erstaunlich. Auch auf Es wirkt alles so unglaublich gut arrangiert und so dicht, aber dabei dennoch völlig ungewöhnlich, als gäbe es in Finnland einfach andere Albträume als im Rest der Welt. Verschroben und glimmend, wie Musik für das digitale Lagerfeuer (nein, nicht der Bildschirmschoner, sondern die pure Wärme der Prozessoren) und gleichzeitig dann auch noch immer mit soviel Raum, dass man vielleicht doch mal wieder an Fantasy glauben könnte. Als Bonus das totale Hippiecover. www.kraak.net BLEED ••••• ALEXANDER KOWALSKI - RESPONDED - A COLLECTION OF REMIXES [KANZLERAMT/108 - NEUTON] Eine Remix-CD zum Album von ihm, zu der es ja auch noch mal wieder Auskopplungen gibt, die vor allem deshalb auffällt, weil sehr viele Leute irgendwie zu versuchen scheinen, wie Kowalski zu klingen. Das ist letztendlich keine dumme Idee, schließlich sind KowalskiTracks ja immer etwas Besonderes, aber irgendwie hätten wir uns fast gewünscht, es hätten sich mal andere als die üblichen Verdächtigen die Kowalski-Tracks vorgenommen. Dabei und dennoch immer grundsolide: Joris Voorn, Funk D’Void, Naughty, Advent, Samuel L, Josh Wink, British Murder Boys, Dannis Desantis und natürlich Kowalski selbst. Melodiöse, wuchtige Technotracks für die deeperen Stunden. www.kanzleramt.com BLEED ••••-••••• LE CHARMANT ROUGE - POST NO BILL [KARATE JOE/14 - MDOS] Wie aus einem Guss eintwickeln Le Charmant Rouge hier ihre Ideen, die konstant um Band und Instrumente kreisen. Klassische Vierer-Combo eben mit einem Haufen von Gästen. Verspielt und vielseitig, mit einem Hauch Elektronik ist das streckenweise ein wenig gewöhnungsbedürftig, weil hier Harmonien so wie wir sie kennen nicht wirklich ernst genommen werden, dann aber immer wieder Tracks als Songs in den Topf geworfen werden, die mit ihren straighten Basslines und warmen Streicher-Arrangements dem neuen Jahrtausend den Moonflower auf die Mütze setzen. Und dann sehen wir mal weiter. THADDI ••• WASHER, ZIMMER & THE GUITAR PEOPLE - EAT YOUR FRIENDS [KEPLAR/10 - HAUSMUSIK] Zum Release-Geburtstag von Keplar hauen mich Washer und Zimmer gleich mal um. Nicht unfair das, sondern eher Bedingung, denn diese ausgewaschenen Drones (Blue Jeans war gestern) erstrahlen so glasklar in diesem anderen Blau, dass beim nächsten PantoneFächer wohl einiges gerichtet werden muss. Aber zur Sache: Die Jungs von “Radio Magenta” haben ihre Rechner vollgepackt mit wunderbar fließenden Drones und Sounds und weil sie Rock’n’Roll eben doch cool, finden, dann Gitarren drüber ausgegossen, oder besser ausgießen lassen. Was? Nein, ist nicht so neu die Idee, aber “Eat Your Friends” ist irgendwie anders, perfekter, runder, tiefer, größer, emotionaler, vielfältiger. verschroben trauriger. Ein Album so groß wie eine Wand, in die ich ein Loch bohren möchte, weil dahinter ... na ihr wisst schon. www.keplar.de THADDI ••••• NOM - [KIDDO - SONY] Endlich. Endlich können wir im Büro mal was anderes hören als immer nur 10CCs “I’m not in love”. Aus der Asche von “BMX Bandits” und “Superstar” steigt der unverhohlenste Schmachtindiepop auf, der sich an die ganz Zartbesaiteten ranschmeißt. Was für ein Eiertanz • = NEIN / ••••• = JA auf dünnstem Porzellan. Ob Joe McLinden und David Lockhart den lieben langen Tag auf Knien vor ihren Angebeteten rumrutschen? Oder sind sie nur abgebrühte Mitschnacker, die ihr Handwerk drauf haben? Wie viel Kreide muss man fressen für solch eine Stimme? Ihr merkt schon, immerhin ein Duo, das Fragen aufwirft. JEEP ••• sind eh nur sieben Tracks) wie “Black Planet” oder “The Woman Just Stood There”. Quality-ControlManagement wäre bei Warren Suicide jetzt echt gefragt, denn eigentlich haben sie eine ziemlich sympathische Trashattitude, die auch vor Hightech-Methoden nicht zurückschreckt und gut aber stylisch kaputt klingen kann. www.warrensuicide.com BLEED •-•••• V/A - FUTURISM AIN’T NO SHIT TO ME [KITTY YO/KYO001 - MDM] Ausdifferenzierung galore: Aus HipHop krabbelt bereits seit einiger Zeit so etwas wie Alternative HipHop, aus Kitty Yo wird im Joint Venture mit Silke Maurer nun KYO als Plattform geboren. Die Aliens fangen an zu tanzen, denn um Bewegung geht es auf der an den hier auch vertretenen Gonzales-Track angelehnten 18-Track-Compilation ganz klar. Blahblahblah. Na jedenfalls finden sich hier schlichtweg kickende Dinger abseits irgendwelcher Charts, die einen einfach mitreißen. Und die großen im Kleinen sind schon auch dabei: Funkstörung, Pole, Antipop Consortium und Dälek (neulich noch mit Fuast unterwegs) sind ja nun keine Newcomer. Nischen oder Hauptstrom, Futurism oder Retroism: eigentlich scheißegal, die Tracks hier bewegen den Arsch. CJ •••• MISS KITTIN - I COM [LABELS] Das Solodebüt von Miss Kittin überrascht mit ausgeprägten Exkursionen in IDM- und Elektronikaweiten, um die sie ihre selbst reflexiven Vocals baut. Zusammen mit Tobi Neumann und Thies Mynther navigiert sie meist geschickt am Electropop vergangener Tage vorbei (außer auf der einzigen Zusammenarbeit mit The Hacker) und lotet von rauschend knisternden, stimmungsvollen Tracks bis zu kölsch schaffelnden und x-rated Bootyfunk (mit LA Williams) alle Facetten elektronischer Musik aus und vermitteln damit ein sehr persönliches Bild von der Welt von Caroline Hervé, das sich eben nicht nur durch die Texte transportiert wird. Den wohl unausweichlichen Punkrocksong hätte sie sich wirklich sparen könne, anonsten ein sehr cooles Album, das überrascht, wie gesagt. SVEN.VT ••••• DAEDELUS - A GENT AGENT [LABORATORY INSTINCT - NEUTON] Noch verwirrender und noch massiver als seine CD auf Plug Research vor kurzem ist dieses Machwerk hier, das sich eigentlich gar nicht mit der Meanwhile EP überschneidet, Daedelus ist einfach zu produktiv. Breakbeats überall und soviel deepe Jazzerinnerungen, so verschlungene Pfade aus alten Filmen, HipHop Tracks, Streichern für einen gemalten Mond, Thrillersounds, Breakbeatgebretter, da gerät man einfach wie von selbst ins Aufzählen, wenn man sich diese Tracks anhört, denn sie spielen mit den Erinnerungen, die man an die diversesten Szenen von Musik herum und mehr hat, als wäre das alles ein Mikrokosmos, von dem aus man die Welt verstehen kann. Subtil jetzt, danach wieder brachial, dann zärtlich und schon wieder mit dem Holzhammer und so gebrochen, dass es fast weh tut, wenn es nicht soviel Spass machen würde. Perfekte Platte für alle, die viel Information vertragen und dabei dennoch gerne so zutrauliche Musik mögen. www.laboratoryinstinct.com BLEED ••••• TOM NOBLE [LAWS OF MOTION - PP SALES] So langweilig kann Luxus sein. Der Jungspund Tom Noble rackert sich mit größter Gewissenhaftigkeit und viel Aufwand zwischen West London und Philly durchs Dickicht des Non-Sneaker-Ausgehbusiness’, dass es eine wahre Freude für Menschen mit scharfem Ohr und schwachem Herzen ist. Wenn man nicht ganz so scharf hinhört, ist das alles aber leider nur Easy-Listening-Disco mit einem letzten synkopischen Twist. Schweineexakt produziert, natürlich. JEEP ••• V.A - BRAZILUTION 5.2 [MINISTRY OF SOUND - EDEL] Bei Brazilution bleibt das Konzept unverändert. Eine Flut feinster Dancetracks der letzten Monate wird durch einige Exklusivtracks ergänzt bzw. unterbrochen. Während auf der sonnigen Seite Marcos Valle, Natures Plan (beide Far Out), Jazzinho (Ecco.Chamber), Ian Pooley auf Patricia Marx und Max de Castro (beide Trama) treffen, tanzen des nächtens mit Nicola Conte, Gerardo Frisina, Vuca (alle Schema), Masters At Work, Jimpster, Seiji, Kyoto Jazz Massive, P´Taah und John Beltran noch mehr VIPs die Caipirinha. Insofern ist schon jetzt klar, was diesen Sommer in der nächsten Lounge läuft. M.PATH.IQ •••• WARREN SUICIDE [LEITERNFABRIK SCHALLPLATTEN - SPV] Dies hier ist merkwürdigerweise ein DVD/CD Release mit diesen altbekannten Tracks des brummenden Suicide-Elektrorockers, der mir auf CD irgendwie sympathischer ist als auf Vinyl, aber der trotzdem kein Englisch kann, was ein wenig peinlich wirkt, grade weil die Musik ja eher cool tut und das auch durchaus erfüllen kann. Der beste Track ist irgendwie dieses Punknoodleduett “12” weil es am verspieltesten ist, oder vielleicht doch der Slowmotion-Brummelrock mit ExtraTröte Namens “Butcher Boy”? Leider gibts halt auch jede Menge Ausfälle (äh, jede Menge? das MONNE AUTOMNE - INTRODUCING LIGHT AND SOUND [LOFI STEREO - KOMPAKT] Pier Bucci, Argenis Brito und Lucien Nicolet mit einem überfälligen Album auf C Rocks Label, das so flüsternd und verdubbt beginnt, dass man es für eine Schneeflocke halten könnte. Nach und nach entwickelt sich aber dann dieses analoge, percussiv dichte Flair von Musik, die klingt, als wäre es genau das, was Ricardo zum Frühstück hört und mit auf die einsame Insel nimmt. Extrem upliftende Melodien, wie man sie vom LucianoAlbum kennt, und irgendwie befreit vom Dancefloor-Druck für dieses Albumprojekt, wäre ich aber dennoch froh, diese Tracks wie einen frischen Bach voller Melodien so oft wie möglich im Club zu hören, denn nach Isolée war glaub ich kaum etwas verliebter in diese Art von Harmonik. Wunderbare Platte von Anfang bis Ende. www.lofi-stereo.de BLEED ••••• MARCO BAILEY - RUDEBOY [MBELEK/014 - NEWS] He, das steigt gut ein. Psychotischer Nacht-undNebel-Elektro kämpft sich aufrecht durch die Trance-Fallen und hat Detroit immer fest im Rückspiegel. Der Belgier Marco Bailey hat die ganz großen Hallen im Blick, die will er mit Stil in Grund und Boden rocken (statt mit Ironie wie Scooter). Ab Track drei fürchtet er sich dann aber vor seiner eigenen Courage und holt den blanken Schruppertechno mit offener HiHat raus, wie es Slam oder Funk D’Void in ihren schwächsten Momenten passiert. Danach findet Bailey nur noch ansatzweise zur Eingangsform zurück. Schade. JEEP ••••-•• PHILIP SAMARTZIS - SOFT AND LOUD [MICROPHONICS/01] Eigentlich für acht im Kreis stehende speaker konzipiert, aber auf CD funktioniert das ohne weiteres blendend. Samartzis’ field recordings aus Japan, aus dem Tempel, den Wäldern, der UBahn etc., gehen in ungeahnte Tiefe. Den für Japaner selbstverständlichen Alltagslärm mutiert der Australier zu seiner Form von Hyperrealismus, der allen touristischen Voyuerismus ablegt und sich auf die Gegensätze artificial vs natural und silence vs noise konzentriert, um puren Realismus mal nicht nur puren Realismus sein zu lassen. Denn sein Computer dehnt und zerrt so manches Phänomen zu ungehörten Erlebnisbündeln oder selbstreflektierenden Lücken, so dass gewohntes Hören zur bloßen Erinnerung verkümmert. Sehr spannend. www.philipsamartzis.com ED •••• BIZZ CIRCUITS PLAY - INTIFADA OFFSPRING [MILLE PLATEAUX/123] Auf der CD dieses Releases, das es wohl auch als DVD geben wird, finden wir die Liveauftritte an verschiedensten Orten, die Sebastian Meissner mit seinen Random Inc Releases u.a. gemacht hat, und sind erstaunlich funky und dennoch spartanisch und klickernd dissoziiert. Musik, die klingt wie on the spot von ihm und seinem Computer erfunden, um mit der Kultur, für die Meissner oft genug steht, herumzufunken. Eigenwillig und versponnen aber sehr lässig in der Art, wie es selbst dann noch kickt, wenn man es gar nicht mehr für Möglich gehalten hätte. BLEED ••••• THOMAS KÖNER - NUUK [MILLE PLATEAUX/124 - MDM] Da ich das Releas auf Barooni nicht kenne, kann ich auch nicht sagen ob dies hier ein Rerelease ist, ist mir aber auch egal, denn diese eisige Dichte, die dennoch immer harmonisch ambient bleibt und in einem Sound kommt, der wie aus einem Guss ist, ist einfach so unglaublich schön, dass man nur froh sein kann, dass diese Platte wieder erscheint, wenn dem so ist. Musik, die klingt wie das Restrauschen eines Atommeilers im Ewigen Eis, das irgendwie zur Seite eines noch größeren Instruments geworden ist, auf dem die elegischen Weiten der nächsten Jahrtausende vorgedacht werden. Massiv. BLEED ••••• SLOWBLOW - [MOBILÉ/4 - HAUSMUSIK] Manchmal wird einem alles zuviel. Der Hofblick wird einem zugebaut. Die Distelmeyerschen Haufen von Geschichte schlingen sich einem um den Hals, weil selbst Kellerleichenreduktionen nicht mehr gegen die Historien und reflexiven Schlaufen ankommen. Und dann wird Mann/Frau kurzatmig und legt Slowblow in die noch funtionierende Anlage ein. Und dann suhlt Mann/Frau sich. Und reinigt und driftet und kämpft und grinst und und und. Seltsam, diese isländische Band gibt es schon seit mehr als zehn Jahren. Sie wurden bereits von Gus Gus und Ivo (Cocteau Twins) gecovert. Aber es musste wohl erst die Poparchäologie beauftragt werden (hier Múm, deren Kristín auch auf vier Slowblow-Stücken singt), um diese wunderbaren Zerbrechlichkeiten auf den Kontinent zu bringen. Ein neues Hochlicht der aufrichtig traurigen Musik zwischen Drumbox, Dachboden und 4AD-Reminiszenzen. Aufgepasst, Frau Coppola! CJ ••••• TLONE - VIVID SCENCES [MUSIKEXPERIENCE] Das erste Artist-Album auf dem Label hält was die Compilation versprochen hat mit 10 Tracks von Tlone aka Elric Menant und drei Remixen der Posse (Groupgris, E.Minkkiinen und Infant). Sehr digitale tragisch breitwandige Musik, die einen sofort entführt in eine Welt in der alles so sein könnte wie es das maritim strukturelle Cover erscheinen lässt. Transparent, von innen leuchtend, magisch und in einem Fluss, der Gesetzen folgt, von denen man manchmal zu träumen gewagt hat. Nein, das ist nicht Elektronika, aber erinnert vague manchmal daran, das ist nicht Click, obwohl so digital, ist, aber es ist all das und einiges mehr. Musik für alle, die mit jedem Stück eine neue Welt auftun wollen und sich in Musik am liebsten komplett verlieren ohne dabei ihren Humor zu verlieren. Perfekt. www.musikexperience.com BLEED ••••• CLIENT - IN IT FOR THE MONEY [MUTE] Elektrorock kann so ein richtiger Hostessenfunk sein. Client wären da ein Musterbeispiel. Steif wie ein Deep Throat Püppchen und in ungefähr so sexy wie ein Haufen lila Elefantenmist. Und dabei wollen sie doch einfach nur lustige, daddelige Bubblegumelektropopmusik machen, was ihnen auf “Down To The Underground” auch beinahe gelungen wäre. Aber von sexy Themen sollten sie echt die Finger lassen, das wirkt dann wie auf “Burning Up” immer gleich so wie diese 0800 Werbung für Rentner. BLEED •-••• THROBBING GRISTLE - THE TASTE OF TG [MUTE] Was ich an dieser Platte nicht verstehe ist, warum sie erstens ein so blödes Cover hat und warum überhaupt eine Compilation von Tracks herauskommt, wenn doch die Alben, die ja eigentlich bis zu einem gewissen Punkt alle großartig sind, noch zu haben sind. So jedenfalls tut das Innencover. Nunja. Mir soll es recht sein, und vielleicht ist es ja auch dazu da, die Aktualität von TG zusätzlich zum Remixalbum noch mehr zu unterstreichen. Die Livetracks mögen da zwar unterstreichen, dass TG eine ziemlich unterhaltsame Liveband sind, aber tun wenig dafü,r dass sie ihrer Zeit weit vorraus waren. Nunja. Bevor man einen Freund suchen muss, der einem eine Compilation von TG macht, oder sich wahllos Tracks aus dem Netz sammelt, weil man logischerweise Throbbing Gristle verpasst hat, mag auch das noch alles ganz gut sein, weil es wenig verschweigt. BLEED ••••-••••• RAZOOF - SOUL AQUARIUM [NESTA/010 - ROUGH TRADE] Wenn Intro-Kollege Uwe Lehr nicht gerade Sexy Elevator Music hört oder als ein Teil von Solar Moon unterwegs ist, ist er Razoof. Wer z.B. für Don Abi, Gentleman und Patrice auf der Bühne in die Trommel haute, hat da sicher noch andere Interessen, die ans Tageslicht wollen. Und wer ausgerechnet Bands wie die alte Helmut Zerlett Kombo Unknown Cases oder die Afrodeutschen Bantu sich als Vorlage nimmt, weiß zu überraschen. In den Clubs hat er das bisher vorallem durch seine reinen Dubhouse Singles getan. Mit dem Label Nesta hat er sich zudem das Nest für seine eigene Fusion aus Reggae, House und Dub gebaut. Dort veröffentlicht er hiermit einen futuristischen und digitalen Traumsoundtrack, der jeden Vollg(l)as-Aufzug sexy macht. www.nesta.de M.PATH.IQ •••• SIR TRALALA - FLYING OBJECTS, THEY DON´T HAVE A BRAIN [NIESOM/011] Tja, wenn der wüsste, dass er irgendwie ein wenig wie Daniel Kübelböck aussieht, der würde sofort keine Witze mehr machen. Oder will er so aussehen? Musik jedenfalls sehr versponnene Readaption von Robert Wyatt für digitale Elektroniker der versponnenen Art, knisternd und Lofi-OrgelAppeal. In Amerika wäre das ein Fall für Tigerbeat6. Abenteuerliche Musik, die dennoch sehr gepflegt und soulig rüberkommt und natürlich wie der totale Hippietraum. www.niesom.at BLEED ••••• JÜRGEN HOFBAUER - FIVE LATE SONGS / LIEBESFEUERTRACKS [NIHIL EST OMEN] Höchst skurriles Machwerk diese CD, die irgendwie Elektroakustik-Cutup-Wahn der strangesten Art vertritt und keinen Sound unbearbeitet lässt, egal ob es das eigene Brüllen oder ein Streicherquartett ist. Wenn es Cabaret Voltaire heute noch so gäbe wie in ihren darkesten Zeiten, dann würden sie wohl so klingen. Stellenweise etwas zu psychotisch, selbst für mich. BLEED ••-•••• WAGON CHRIST - SORRY I MAKE YOU LUSH [NINJA TUNE - ROUGHTRADE] Hatte ich fast vergessen, dass es ja auch noch Luke Viberts Wagon Christ Projekt gibt. Und klar, auch hier lässt er die Acidsounds quietschen und denkt insgeheim an Disco, aber irgendwie ist “Sorry I Make You Lush” als eine Entschuldigung an die Tracks gemeint glauben wir, denn die sind wirklich lush, das ging wohl nicht anders, das sind herumdaddelnde, funkige, kleine Popidole, denen man über die Stupsnasen lecken möchte, weil sie vermutlich nach Vanilleeis schmecken. Musik die klingt, als müsste man sie mit einer Kindergartentruppe als Pfeifkonzert arrangieren, um dem schluffigen Optimismus nahezukommen, den diese Musik so verstrahlt. Lovely mit einer Menge E’s am Ende. Soviel Federn gibts in keinem Bett, dass irgendeins mit dem Wolkeneskapismus dieser Platte konkurrieren könnte. www.ninjatune.net BLEED ••••• DADDY FREDDY - HARDCORE [P.O.T./30 - SOULFOOD] Daddy Freddys Features auf den Platten der Razor X-Macher Rootsman und The Bug war kein kurzfristiges Auftauchen aus der Obskurität, sondern nur ein Atemholen nach einer selbstverordneten Auszeit, die jetzt mit “Hardcore” endgültig beendet ist. Dem - zumindest nach offizieller Geschichtsschreibung - immer noch weltschnellsten Toaster aus Trenchtown gelingt ein Rundumschlag, dessen Ausgeglichenheit und Vielseitigkeit überrascht. Kein schnell zusammengestecktes Riddim-Einerlei, sondern gewissenhaft produzierte Tracks, die mit gutem dramaturgischen Gespür durch digitale und Roots-Riddims, Weed-Hymnen, vereinzelten Teachings und schlichtem Tanzhallenspaß führt, bis hin zu recht exotischen Kollaborationen: ein etwas gewollt militant klingender Track mit den Berliner Rappern Bruda & Kronstädta und eine kurzes Gastspiel eines namenlosen Nordafrikaners. Ansonsten bleibt von Hip-Hop, nach dem stilbildenden “Raggamuffin-Hip-Hop”-Album mit Asher D. immerhin eine Säule von Daddy Freddys Karriere, beatwise nicht viel übrig. Hardcore ist strictly Dancehall, tuff & ruff und über die kompletten 66 (!) Minuten prall und druckvoll, bis hin zum abschließenden, noch einmal dem Kraut gewidmeten Jungle-Mix. EM •••• NAMOSH - [PALE MUSIC] Ob Namosh auch in Vietnam war, wie es Alan Vega von Suicide stur von sich behauptet? Immerhin kann er genauso verkommen lasziv röcheln im Electro-Rhythmus. Namosh gehört in das lose Berliner Kollektiv um Pale Music, das Future Rock’n’Roll durchsetzen will. In der Namosh-Variante steckt da eine Menge retro drin. Retro wie in Keller-Wave mit Schwitzen, Analog-Bratz und knallengem Leder. Wer wissen will, wie sich ein Leben in den verruchten Hinterhöfen von Las Vegas anfühlt, wird mit Namosh gut bedient. Wen der ganze kranke Glamour kalt lässt, wird auch durch die Musik von Namosh nicht in Hitze versetzt, dafür ist sie zu selbstgenügsam verliebt in ihre eigene New-Wave-Geschichte. www.pale-music.de JEEP ••• KENNY LARKIN - THE NARCISSIST [PEACEFROG/54 - ROUGHTRADE] Sechs Jahre hat es gedauert, bis Larkin mal wieder ein Album vorlegt, und als sei es mittlerweile ein ungeschriebenes Gesetz in Detroit, veröffentlicht er es auf Peacefrog. Platten von Larkin waren immer etwas Besonderes und “The Narcissist” hat auch wieder diese faszinierenden Hits, lässt aber generell alles ein bisschen langsamer und ruhiger angehen, macht seine Schublade auf und lässt die ganze Bande an Trademar-Soundsund Arrangements, die er über die Jahre entwickelt hat, Revue passieren. Verspielt, shuffelig deep, immer eindeutig. Hier kann man konstatieren: Larkin füllt die Lücke der stillen Momente der Motor City. Warum es nun sechs Jahre gedauert hat, bleibt unklar. Aber man hat ja unglaublich viel zu tun in Detroit, auch wenn man nur einen sicheren Platz für seinen Sportwagen suchen muss. “Azimuth”, “Metaphor” und “The Narcissist” bilden eine lange Straße, die Larkin nun runtercruisen kann. www.peacefrog.com THADDI ••••• NOUVELLE VAGUE [PEACEFROG - ROUGH TRADE] Nein. Legendär neu ist die Idee nicht. Aber was Marc Collin und Olivier Libaux da auf Peacefrog rausgebracht haben, ist eine ganz liebliche Platte. 13 Songs aus den Achtzigern. Von Joy Division über The Clash, Dead Kennedys bis zu The Cure haben die zwei genommen und ihnen das Mark aus den Arrangements gedrückt. Punk- oder New Wave-Hintergrund sollte vom Tisch fallen und so haben sie die Grundidee des jeweiligen Tracks übernommen und nette Frauen drübersäuseln lassen. Das klingt nicht nur nett und verleitet zum Kopfwackeln, wenn man dann auch noch das Original irgendwie ein bisschen so halb erkennt, dann freut man sich auch noch und freundet sich mit diesem Bossa Nova, Jazz und sechziger PopGemisch richtig an. www.peacefrog.com NINA ••••• MOODYMAN - BLACK MAHOGANI [PEACEFROG - ROUGHTRADE] Toll oder? Mr. Black persönlich macht sein Album auf dem Weissbrotlabel Peacefrog. Selber schuld. Aber mir ist’s egal, denn ich höre das eh ohne Hintergrund, als House, als Musik für Musik, Musik für Deepness, was den Tracks eigentlich auch ganz gut steht, denn diese neuen und reeditierten Tracks swingen immer wieder mit einer so extremen Lässigkeit, als könnten sie an jedem Straßenrand entstanden sein. Als Sänger mit da- bei Amp Fiddler, Norma Jean Bell und natürlich Roberta Sweed. Eine CD, die man sich an den heißesten Tagen des Sommers über die Wimpern flattern lassen sollte, denn dann wirkt sie am besten. BLEED ••••• PARK ATTACK - LAST DROP AT HIDE-OUT [OSCAR/TIGERSUSHI] Artrock aus Glasgow auf Tigersushi und bei De:Bug. Warum nicht. Heliumvocals und Schrammelgitarren, als wäre wieder Mitte der 80er oder doch Punkhochzeit, und man hätte Sonic Youth grade erfunden und wäre einfach nur noch ne Ecke kaputter. Skurrile Musik für alle, die einen kurzen Trip in die Zeitmaschine vertragen und die Gitarre immer noch für einen Ort von Handarbeitexperimenten halten. www.tigersushi.com BLEED •••• VENETIAN SNARES - HUGE CHROME CYLINDER BOX UNFOLDING [PLANET µ - ROUGH TRADE] Frag mich mal, wer wie Venetian Snares das hinbekommt, so extrem auf massiven Edits beruhende Musik mehr alles halbe Jahr als Album rauszuhauen. Wer weiß, vielleicht noch öfter. Jedenfalls mal wieder ein ziemlich abstraktes Meisterwerk, das, im Vergleich zu seinem letzten Album auf Planet µ, irgendwie abstrakter in den Sounds wirkt, vergeistlicht würde ich sogar glatt sagen. Klar, die Elemente und Methoden sind alle wie immer, aber die Sounds, aus denen die Platte besteht, sind irgendwie digitaler und mehr aus Synthesizern zusammengezurrt, vielleicht in einer gewissen Weise sogar klassischer. Und die Breaks noch programmierter und vor allem noch eine ganze Ecke kantiger als je zuvor. Orchestergraben-Glitch für alle, die Musik doppelt so schnell hören können wie ein Prozessor rechnet. www.planet-mu.com BLEED ••••• CHILDREN OF MU - [PLANET µ] Das ist ein Testament, diese Platte. Äh, CD, Doppel-CD. 26 Tracks in bester Feierstimmung und mit Grooves, die einen alles andere Vergessen lassen und einen auffordern, weit, weit weg in diese Welt zu tauchen, die Paradinas Planet µ nennt und die von Stück zu Stück mehr an Komplexität und Bandbreite gewinnt und stilistischer überhaupt nicht auf etwas anderes festzulegen ist als vielleicht die Vorliebe für experimentellere Breaks, für etwas Orchestrales, aber nicht zwingend, für technologische Abenteuer und vor allem für immer wieder gut vertrackte Albernheiten in musikalischen Welten, die immer noch nicht erfunden sind. Aus einigen dieser Tracks von völlig Unbekannten würde ich liebendgerne ein Genre machen, dann käme mal raus, dass soetwas wie Grime letztendlich nur ein Fraktal ist, ein Ministückchen vom Grossen µ-Kuchen. Nein, ich zähle jetzt nicht alle auf, die hier mitwirken, aber seht doch auf der Webseite nach, aber vor allem checkt diese Platte, denn es ist die beste Planet µ und die beste von verdammt vielen anderen guten Platten zur Zeit. www.planet-mu.com BLEED ••••• LULLATONE - LITTLE SONGS ABOUT RAINDROPS [PLOP] Ihr wisst schon, niedlicher geht gar nicht. Zehn Tracks von Lullatone, die sich irgendwo zwischen einem klingelnden Mobilie aus Kinderspielzeugmelodien und digitalen Varianten der Häuslichkeit in Laptop-Wifi-Heim-Arrangements bewegen, die natürlich immer bezaubernd sind und, da es Lullatone ist, auch frei von allem Kitsch, sondern ernst gemeinte großartige Miniaturen für den digitalen Alltag mit unseren vierbeinigen Freunden und den leichten langsamen Bewegungen und Illusionen, die die Umgebung genannt Welt so produziert. Die Stücke heißen z.B. “Afternoon Nap (For Pets)”, “Morning Coffee” oder “Drip Drops Jumping On An Umbrella” und genau so hört es sich auch an, und es ist verdammt schön, dass es solche Musik gibt. Ob es diese Friedlichkeit allerdings wirklich gibt, wir hoffen mal ja. www.inpartmaint.com/plop BLEED ••••• CAMPING - SUBURBAN SHORE [PLUGRESEARCH] Es ist ein bisschen wie Sauerkraut beim Inder essen, was die Platte da anbringt. Echte Bossa Nova, der ins Knochengerüst geht, mit deutschem Gesang und mittelmäßigen Texten. Es ist nicht so, dass das nicht ginge, aber Henning Fritzenwalders Stimme erinnert dann doch zu sehr an die so genannte Hamburger Schule, als dass man sich auf eine Symbiose mit traditioneller Bossa Nova einlassen würde. Da helfen Stephan Gardner und Ben Bailes auch nicht, die als Duo dem Ganzen dann doch die Seele geben. Ich verkrampfe ein bisschen, wenn dieses seltsam unpassende Gemisch meine Boxen verlässt. Beim sechsten Hören bin ich langsam darauf eingestellt und wippe sogar mit dem Kopf. Es ist ganz und gar nicht schlecht, nur nicht sonderlich kompatibel mit meiner Vorstellung von extravaganten Mischungen. NINA ••• NOTAUFNAHME - AUFNAHME ZWO [POP/005 - SHAKAREE] Die Popagenten stehen also auf dicke Titten und deutsche Texte. Für Notaufnahme zwo haben sie sich wieder ohne Genre-Scheuklappen durch deutsche Slogans zu elektronischem Rock’n’Roll gekämpft und das rausgesucht, was am meisten nach Ungestüm, Modernität, Exzess und romantischer Verweigerung klingt. Dabei haben sie dankenswerterweise mehr auf Aussagekraft denn Aktualität wert gelegt. Ellen Allien, Justus Köhncke, Mense Reents, Jahcoozi haken sich beim Plakativpolitwave vom Bierbeben oder Mediengruppe Telekommander und dem Jugendzimmer-Schlager von Klee oder Spillsbury unter. Das gibt ein rundes Bild von einer Bewegung, die gar nicht existiert. Gut gedeichselt, Popagenten. Diese Compilation werden junge Menschen hören, wenn sie ganz sicher gehen wollen, dass sie auch wirklich jung sind. JEEP •••• AUGUST ENKILDE PRESENTS - EPO [POP SCAPE/1 - INDIGO] Scape mit neuem Sublabel, herzlichen Glückwunsch, und August Enkilde macht den Anfang. Sein Epo, das “Electronic Panorama Orchestra”, operiert an der Schnittstelle von allen Genres, die man sich jetzt so vorstellen kann und das macht es auch so schwierig. Sind die Tracks ruhig und fließend, mit viel Gitarre im Vordergrund und fluffigen Stöckelbeats, dann ist das fein. Wenn der dänische Björk-Fanclub aber auf daddeligen Kopfhörer-Jazz singt, dann bin ich extrem ratlos. Warum das nun auf Pop-Scape erscheint und wie das den Rahmen setzen soll für zukünftige Releases ... man weiß es nicht. THADDI •• DUBLEX INC - EIGHT EARS [PULVER - SIB] Wer dachte, dass Tango Forte gleich als erstes die Membranen testet, hat die vier Stuttgarter gründlich unterschätzt. Es ist nämlich gar nicht dabei! Stattdessen setzen sie auf das Album-Format. Soll heißen, die Tempi wechseln genauso wie die Moods und Gäste wie Quantics Alice Russell, Wayne Martin, MC Sunking und Kudra Owens werden eingebunden, um im Heimstereo nicht nur durchhörbar zu sein, sondern das Drücken von Autorepeat sanft zu evozieren. Insofern wurden meine auch Hoffnungen auf einige neue Sure Shots zwar enttäuscht, aber dafür durch ein sicher wohlkalkuliertes und abgeklärtes Statement ersetzt. Und das weiß mit jedem Hören mehr von sich freizusetzen, ohne je aus dem selbstdefinierten Vorabrahmen zu fallen. Passt! www.dublex-inc.com M.PATH.IQ •••••-•••• LANGUAGE COMPUTER - MOUSE BACK RIDING [QUATERMASS/149 - ALIVE] John Bloug und Detect haben sich mit Langage Computer ein eigenes experimentelles HipHopbzw. Turntable-Projekt erschaffen. Dabei werden sie auf vier Tracks von Vocalisten unterstützt (Buck 65, James Delleck, Hi Tekk und Reiko Underwater). Im Grunde sind die 14 Tracks aber schon ganz klar das Ergebnis einer Forschungsarbeit von Bloug und Detect. Entstanden sind kleine matschige Monster wie “Créature De Poche”. Cool, wie sich darauf französische Sprach-Eleganz und schleppende Beats zu einem kleinen Überhit des HipTripHops vereinen. Langage Computer machen es sich richtig gemütlich zwischen der Radikalität diverser Warp-Projekte und der Großmäuligkeit einiger Rephlex-Künstler. Irgendwie shoegazen die beiden Herren mit glänzenden Augen zwischen all diesen Referenzen hindurch und begeistern mal eben locker durch die Hintertür. CJ •••• URLAUB IN POLEN - WHITE SPOT [RAKETEMUSIK - ROUGHTRADE] Eigenwillige ambiente Jazzplatte mit Gesang und einem noch eigenwilligeren Titel würde man beim ersten Track denken, aber dann wird plötzlich eine Rock-CD draus, die in bester Spät-80er US-Schrammeltradition kickt und dann wieder ein Stück, das vor lauter Harmonika und Synthesizer nur so leidet. Skurrile Mischung für alle die Drone, 60s, Grunge und psychedelische Synthesizer-Elektrotracks auf einmal verdauen können. BLEED •••-•••• NUCLEUS + PARADOX - ESOTERIC FUNK LP [REINFORCED - GROOVE ATTACK] Paradox ist ja fast der Einzige, der noch regelmäßig auf Reinforced veröffentlicht, diesmal zusammen mit Nucleus. Das letzte Album der beiden war 1998 “Transmograpfication” auf Ninebar Records. Nucleus + Paradox knüpfen an Tracks wie “Past, Present & Future”, “Who? What?” und “Esoteric Funk”, von dem es einen Remix auf der aktuellen LP gibt, an. Was wilde Experimente betrifft halten sie sich eher zurück, sondern sie cutten sich vielmehr durch etliche Breakbeats und bewegen sich auch sonst nah an rauhen, energischen Funk-Produktionen der 60er und 70er entlang, “Drumfunk” halt wie Pardox selber sagt. Die Grooves wirken locker lässig aus dem Sampler geschüttelt, was zeigt, wie verdammt gut die beiden ihre Akai’s triggern. Nebenbei schweben noch ein paar dieser leicht schrägen Synthie- und Samplefragmente mit. Nuclues + Paradox switchen ohne Probleme das Tempo und lassen sich auch ansonsten nicht vom Mainstream Drum and Bass Sound beeindrucken. Highlights sind auf jeden Fall “Moon Rappin, “Bad Ambient”, “Korruption” und “No Spaced Place”. Das Artwork der LP ist wieder von Sami Khan und beeindruckend. www.reinforced.co.uk ORSON ••••• <39> - DE:BUG.83 - 06.2004 CD <40> - DE:BUG.83 - 06.2004 CD • = NEIN / ••••• = JA V.A. - GRIME [REPHLEX] Kein Wunder, dass Rephlex so auf Grime steht, schließlich haben sie auch immer schon ein verdammt verwundbares Herz gehabt, was Oldschool Drum and Bass in allen Varianten betrifft, und releasen immer noch wie wild Amen Andrews Platten. Hier kommt lustigerweise nicht einfach eine Compilation mit allem, was Rang und Namen hat, sondern je vier Tracks von MarkOne, Plasticman und Slaughter Mob. Und wie ihr euch denken könnt, wird geslammt, gerockt, die Breaks gebrettert und so düster wie es nur geht mit allen möglichen Versatzstücken aus Drum and Bass herumgetrudelt, dass einem schon fast schwindelig werden kann. Und dazwischen immer wieder arabische Styles, 2Step in Clownstep, wenn ihr so wollt, und was der Orchestergraben sonst noch so an Pathos hergibt. Klar dass diese drei nur eine Facette von Grime sind (die futuristischen Maschinisten eher als die MCs - Eastlondon Wiley, Dizzee Sparte), aber, hey, sollen alle anderen Label doch nachziehen. Grime heißt es, weil es düster ist wie Sau. Und die Vocals müsst ihr euch schon selber dazu denken. Man kann nur hoffen, dass sich bei Grime nicht auch eines Tages mal alle auf einen Beat einigen, denn grade das Durcheinander von Riddims ist es, was, abgesehen vielleicht von den MCs, daran Spaß macht. So, und ihr erklärt uns jetzt, was Eski ist, ja? www.rephlex.com BLEED ••••• denn hier geht es eigentlich darum, das Flirren eines Synthesizers irgendwie mit Mikrophonen aufzufangen und die Raumakustik als tragendes Element in den Klang einzubauen. Nicht dass man das unbedingt hören würde, denn irgendwie summt es vor allem. Musik, für die man schon einen eigenen Headroom freimachen muss, denn sie erfordert mehr als nur ein bischen Konzentration. www.sirr-ecords.com BLEED •••• DECAL - BRIGHTEST STAR [ROTTERS GOLF CLUB - ROUGHTRADE] Manchmal sind mir Decal einfach zu kitschig und breiig, auch wenn ich irgendwie verstehe, was sie an Elektro so langsam verschieben wollen. Und deshalb ist so ein ganzes Album von Decal auch einfach echt ein wenig zuviel des Guten. Ich hätte mir ja auch mehr Acid gewünscht oder einfach mehr Tracks wie “Horrorable”, die etwas mehr Soundscapehaftes haben oder mehr Raveappeal wie auf “Growler”. So wirkt das alles immer ein wenig zu gerusht. BLEED •••-•••• HEADSET - SPACESETTINGS [SCAPE/SC22 - INDIGO / MDM] Irgendjemand wollte mir doch letztens verklickern, dass das hier HipHop ist und hat diese CD sodann tief in seinem Schreibtisch vergraben. War nicht Scape auch das Label mit Pole und Fat Jon? Wie auch immer, zu Anfang hört man hier einen karg schnipsenden Beat und u.a. NonGENETIC von den Shadow Huntaz, einer jener in Elektronika-Zirkeln recht populären HipHopCrews, Beans von Anti Pop ist übrigens auch dabei, daneben Jimmy Tambarello, ein Altbekannter in diesen Seiten, und das Wunderkind Daedelus. Einige Stücke klingen dann auch nach handfest fluider Elektronika, andere überraschen mit japanisch weiblichen Rap, John Tejada hat ein erwartungsgemäß sphärisch verdrehtes Stück beigesteuert etc. Die Idee von Allen Avanessian von Plug Research, gerade diese Leute auf einem Album zusammenzubringen, ist definitiv eine gute, und das Ergebnis ziemlich nett. Nicht säuselnde Stimmen sind in dieser Liga doch immer wieder erfrischend, insbesondere wenn der Reim stimmt und die Beats abrupt flutschen und plinkern, auch wenn es stellenweise vielleicht etwas konfus bzw. penetrant klingt. Ansonsten liebliche Sounds abseits der Kategorie mit Dreh. www.scape-music.de CAYND •••• EPO - ELECTRONIC PANORAMA ORCHESTRA [~SCAPE - INDIGO] Mensch! Da steht was von einem Panorama-Orchester auf der Platte und ich denke als erstes an Fleischmann- oder Schnauss-Teppiche. Aber nichts dergleichen, sondern poppiger Jazz mit ein bisschen HipHop und Dub, Latin, Funk und immer wieder Elektro. Frida Asmussen singt direkt und auf schöne Weise eingängig auf die Songschichten. Man findet immer wieder Neues und immer mehr bei jedem Hören. Auch die vereinzelten Instrumentalstücke heften sich ins Hirn. Man kann sie laufen lassen, die Platte. Das ist still manchmal. Poppige Stille, aber keineswegs langweilig. NINA ••••• HAKAN LIDBO - CLOCKWISE REMIXES EP [SHITKATAPULT - KOMPAKT] Klar, auf der Clockwise EP waren soviele Samples, das schrie ja grade zu nach Remixen. Und davon gibt es hier jede Menge. Mit dabei: Si Begg, Matthew Dear, Apparat und natürlich Herr Lidbo selbst, der liebt seine Tracks nämlich, auch wenn er schon längst den Überblick verloren haben muss. Si Begg und Hakan tun sich zusammen und versuchen mal eben eine neue Art von Drum and Bass zu erfinden, die keine Rush Hour kennt, sondern nur Crashcourses. Matthew Dear versteht die Welt nicht mehr und lehnt sich aufs Altenteil mit kuschelig pumpenden Houserhythmen und Apparat will doch eines Tages noch als die perfekte Kreuzung aus L`Usine und Aphex geehrt werden. Wir würden das tun. Da Hakan ja irgendwie nicht faul ist, gibts neben einem zweiten Easy Listening Mix auch noch 4 Bonusstücke auf der CD. Uppsalla. Die perfekte Partycompilation für alle Afterworkclubs würden wir sagen. BLEED ••••• AMPL:TUDE - DICHTER ZUSAMMENRÜCKEN [SINNBUS/06] Dichter zusammenrücken. Dem ist nichts hinzuzufügen. Und das passende Sitzmobiliar liefern ampl:tude gleich mit. Doch auf diesem wird es euch wohl nur gelegentlich halten. Dann wird es zwar auch auf dem Floor ein wenig enger, aber das muss so. Endlich einmal wieder Musik, die Menschen zusammenbringt. “einfach nur tanzen nennen” lässt dir Flügel wachsen, “dichter zusammenrücken” wird zum “come together” des neuen Jahrtausends, mit “montag morgen” ist jeder Tag gerettet und das “schlagzeug im weltall” bringt nicht nur die Schweine im selbigen zum Raven. Neun wunderbare Stücke irgendwo zwischen Electro, Clicks’n’Cuts-Ästhetik und Pop, eingebettet in schmeichelnde Melodien, die das Leben einfach ein wenig leichter machen. Tja, und seitdem die Jungs vor ein paar Wochen im Berliner Club “Magnet” gespielt haben, hat so gut wie jeder, den ich kenne, diese CD. Und ich kenne eine Menge Leute mit gutem Geschmack. www.sinnbus.de BAAS ••••• JASON KAHN - MIRAMAR [SIRR RECORDS] Das Label, auf dem Jason Kahn diese CD veröffentlicht, ist eigenwilligerweise aus Lissabon. Als Instrumente listet er: analoge Synthesizer, Percussion und Raum. Und genau so klingt es auch, KIM HIORTHOY - LIVE SHET [SMALLTOWN SUPERSOUND - ROUGHTRADE] Eine der vielen Kim Hiorthoy CDs diesen Monat. Hier seine Livetracks, die viel mehr Funk haben, was er überraschend lässig beherrscht als würde er sonst nicht diese verspieltere Art von Musik machen, als man von ihm gewohnt ist, aber dabei immer noch sehr melodiös sind und irgendwie sehr viele Geräusche in den Grooves unterbringen, die ein Liveset von ihm zu einem echten Fest machen düften, dass nicht Dancefloor ist, aber irgendwo in einer Zwischenwelt für Musik sorgt die so heiter und rhythmisch elegant ist, dass man sofort Partys für soetwas erfinden möchte. Bringt eure Zahnbürsten mit, denn der Abend könnte etwas länger werden. www.smalltownsupersound.com BLEED ••••• KIM HIORTHOY - HOPENESS [SMALLTOWN SUPERSOUND - ROUGHTRADE] Fünf neue Tracks für alle, die Hiorthoy-Fans wegen Melke sind und hier um Gnade flehen werden, weil diese Tracks einfach so niedlich und sympathisch sind, dass sie einen entwaffnend vom ersten Augenblick an angrinsen mit weit aufgerissenen staunenden Augen eines Kleinkinds, das von nichts genug bekommen kann. Wer Elektronika liebt, aber manchmal das Lachen darin vermisst, der wird um diese CD nicht herumkommen. Wundervolle und sehr heitere Tracks aus einer Zeit in der Melancholie noch nicht mal erfunden wurde, weil alles viel zu viel Farbe hat. www.smalltownsupersound.com BLEED ••••• LARS HORNTVETH - THE JOKER EP [SMALLTOWN SUPERSOUND - ROUGHTRADE] Zum Jaga-Jazzist-Album “Pooka” erscheint kurz vorher noch diese EP von Horntveth mit Slidegitarre, Saxophon, Steichern und Klarinette, Klassisch gell, und sie ist trotzdem ein wundervolles Stück Elektronika zu dem man nur herumschwelgen kann. Als Remixer gibt es Mental Overdrive, von dem ich lange nichts gehört habe, der aber extrem feine digitale Sounds in bröseligstem krossem Break serviert, Four Tet, der den eh schon jazzigen Appeal hier auf die Spitze treibt mit Beats, die so flausig sind, dass sie klingen als würde eine ganze Manschaft einem die Wohnung leerbürsten und einem Radioedit, der einfach nur kürzer ist als das Orginal. www.smalltownsupersound.com BLEED ••••• UMOD - ENTER THE UMOD [SONAR KOLLEKTIV/030 - ROUGH TRADE] Umod? Ist das nicht eine Waffe bei “Star Trek”? Bei dem Sound, den Dominic Stanton unter seinem neuesten seiner unzähligen Projekte (Sonar Circle, Zoltar, Domu, Rima...) macht, bin ich aber versucht, eher an “Odyssee im Weltraum”, “Dune” oder gar “Alien” zu denken. Denn vergleichsweise rauh und düster und zugleich irgendwie zerbrechlich und verwundbar, ja geradezu persönlich, wirkt auf mich die Sicht auf das Innere des Beatjunks, die wie durch ein Prisma zugleich eine farblich skurril verbogene Unschärfe und eine mysteriös faszinierende Anziehung hat. Die Skills, die ihm zu seinen stetig arbeitenden Beats verhelfen nur mit Akufen, Moonstarr, Forss oder auch Jazzanova zu vergleichen, oder für ihn Schubladen wie Broken Beats, Phuture Boogie oder intelligent HipHop zu öffnen, bleibt ein Missverständnis. Denn über dergleichen steht er ganz einfach genauso, wie über meiner Hoffnung, dass auch Drum and Bass mal wieder Teil dieses Missverständnisses ist. Trotzdem bleibt nur ein Fazit: These beats talk to me. M.PATH.IQ •••••-•••• UMOD - ENTER THE UMOD [SONAR KOLLEKTIV/030 - ROUGH TRADE] Umod ist - wie sollte es anders sein - das satanische Unter-Ich von Domu. Das ist eine Entdeckungsreise wert. Was bei seinen Aufnahmen als Domu und Rima oft zu liberal gemütlich nujazzig ausfällt, bekommt als Umod den düsteren Dreh, der seinen Broken Beats die nachhaltige Wucht gibt, um sie ungemütlich kribbeln zu lassen. Umod ist kreativ verunsicherter Future-Blues in Zeitraffer-Synkopen. Warnung an alle Popper: Mach meine Broken Beats nicht an, Alter. JEEP ••••• JAMES COTTON - THE DANCING BOX [SPECTRAL/18 - ROUGHTRADE] Gnadenlos, dieser Kerl. Kickend und rockend erklärt und James Cotton aka Tadd Mullinix aka Dabrye die jackende Technowelt. Dabei ist die Grundbedingung, dass alle Gains komplett oben sind und ordentlich rot blinken. Rotz eben. Und auf gegatete 808-Rimshots stehen eh alle, die wissen, wann der Acid reinrummsen muss in einem Track. Ansonsten geht immer alles geradeaus, ist trocken und dark, zwirbelnd strudelig, hat das Rave-Signal immer im Blick, bratzige Sequenzer sowieso und ein UFO landet unegefähr alle drei Sekunden. Oldschool never dies. www.ghostly.com THADDI •••• TRAJECT - STRENGIR HRYNJA [SPEZIALMATERIAL/CD008 - HAUSMUSIK] Massive Attacke. Dass es so dunkel in Island werden kann, wusste ich nicht. Das erste Stück von Gisli Thor Gudmundsson ist ein brutaler Overflow an digitaler Information. Einmal die Ohren geputzt, schälen sich langsam Strukturen und anderes Erkennbares aus den knarzenden Untiefen und Traject mutiert zu einer erschütternd deepen Platte, setzt da Moll, wo andere die Hände in die Luft werfen würden und erfindet seine ganz eigene Euphorie. Kein Wunder, dass Einoma (Vertical Form) da miteinsteigen und am Ende erfolgreich remixen. So kalt und nass wie es draußen im Moment ist, wundert mich nichts mehr. www.spezialmaterial.ch THADDI •••• MUSLIMGAUZE - AZZAZIN [STAALPLAAT - STAALPLAAT] Und noch ein Rerelease einer CD aus dem Jahr 1996, die Muslimgauze von seiner experimentellsten, digitalsten Seite zeigt. Drone-Sinus-Wellen auf 13 Stücken mit einigen Fieldrecordings im Hintergrund, aber nicht sehr viel mehr. Extrem konzentriert und für die Zeit ganz schön advanced minimalistisch. BLEED ••••-••••• STYRAX RECORDS PRESENTS - VARIOUS ARTISTS [STYRAX RECORDS - NEUTON] Sympathische, deepe Technohouse-CD mit Tracks von Sirko Müller, Honesty, Senze, Sweet’n’Candy und diversen anderen, die sich irgendwo zwischen subtilen deepen Dubs und smoother Housemusik bewegt und dabei eigentlich immer ein sehr gutes Gefühl für die Auswahl von wirklich bezaubernden Tracks beweist, die man so noch nicht oft gehört hat. Wer auf diese Art von sehr deepem und melodiösem, aber dennoch reduzierten Sound steht, der dürfte diese CD immer wieder hören wollen. www.styrax-records.de BLEED ••••• CM VON HAUSWOLFF - THREE OVER POPULATED CITIES BUILT BY SHORT-SIGHTED PLANNERS, AN UNBALANCED AND QUITE DANGEROUS AIRPORT AND AN ABANDONED CHURCH [SUB ROSA/217 - A-MUSIK] Interessanter Ansatz, sich urbanen Räumen mit rein elektronischen Mitteln zu nähern. Hauswolff versucht sich hier den Geist von urbanen Räumen mit rein elektronischen Mitteln zu umschreiben. Orte, die ihm auf Reisen wiederholt begegnet sind und dabei eine bestimmte Faszination auf ihn ausgeübt haben. Vielleicht weil sie sowohl eine gewisse Art von Freiheit suggeriere und dabei gleichzeitig menschliches Planungsvermögen in Frage stellen. Wenn die Aura von Mexiko-City auf die Tokyos trifft, brummt es und kreucht und fleucht und ächzt, daß es eine wahre Pracht ist. Distanziert wirkt es und dabei gleichzeitig zoomig und quirlig. Man verspürt etwas von jener merkwürdigen Ruhe, die sich breitmacht, wenn man der allgemeinen Bewegung um einen herum den Rücken kehrt und sich einfach mal auf dem Trottoir niederlässt. Hauswolffs Betrachtung des Flughafens von Lagos wirkt dagegen sehr situativ und formt das Bild eines Ortes der Stagnation. Bangkok schleicht sich langsam an, doch da lauert bereits etwas unter der Oberfläche, das verdammt unangenehm sein kann. Die Aura einer verlassenen Kirche in Chicago zeichnet ein bassiges Brummen nach. Es wirkt wie ein Abgesang und die den Speakern entströmende Luft ist so kalt wie die Hand einer Toten. Hauswolffs Statements formen sich zu einem psychogeographischen Exkurs, der in keiner stadtplanerischen Abteilung fehlen sollte. www.subrosa.net PP ••••• MITCHELL AKIYAMA - IF NIGHT IS A WEED AND DAY GROWS LESS [SUB ROSA/209 - AMUSIK] Ist Montreal eigentlich ein Zentrum des Bildungsbürgertums? Diverse Elektroakustiker kommen daher, es soll eine Trutzburg des modernen Tanzes sein und auch Mitchell Akiyama lebt dort. Seine Musik ist sehr elegisch, unaufgeregt und reich an Melodien. Schönheit für Leute, denen es so schlecht nicht gehen kann. Acht Titel, die sich aus leicht distorteten und übereinandergeschichteten Versatzstücken von vier Pianotracks zusammensetzen. Im günstigsten Fall erinnert das tatsächlich an Steve Reich, dem im übrigen auch ein Titel gewidmet ist. Ansonsten bewegen sich Akiyama’s Variationen entlang der Parameter von spröder Eleganz und Langeweile. Wer sich für Chabrol-Filme begeistern kann, dürfte das hier sicherlich aufregend und inspirierend finden. www.subrosa.net PP ••• V.A. - 2ND ANTHOLOGY OF NOISE & ELECTRONIC MUSIC [SUBROSA - ALIVE] Dies ist nun der zweite Streich, immerhin nach gut drei Jahren, das scheint so etwa die zeitlichen Ausmaße von Stockhausens “Licht”-Zyklus anzunehmen, an denen er immerhin schon seit Sirius sitzt, und auch hier soll es noch fünf weitere achronologien geben, Stockhausen wohl sicher in Bälde miteingeschlossen. Das schult zumindest die Geduld. Rares und bislang unveröffentliches Material elektronischer Klangmanipulation findet sich hier wieder zusammen, so eine frühe Collaboration on tape aus dem Hause LueningUssachewsky von 1953 (Incantation for Tape), die erst ein Jahr zuvor ihre ersten gemeinsamen Experimente aufgenommen hatten und dank Rockefeller dann auch mit dem Columbia-Princeton TapeCenter 1959 ein solides Dach über den Kopf bekamen. Oder spk, was eher enttäuscht, nicht slogan, slow gun oder spk, ein kollosaler Flächenfeger, ist aber auf Mute problemlos, unter Umständen auch auf Industrial Records oder WULP erhältlich. Da hätte man sich eher “chamber music” auf Msquare oder die ominöse auf einem obskuren australischen Label erschienene erste Single gewünscht: Auch Laibach aus Walter-Ulbricht-Zeiten dröhnt eher konturlos. Dagegen rasante Brüche von Autechre von 1991 und pre-Warp, pulsige Bitbeats von Kim Cascone und ein fast darüber gelegter Telephonie-Soundscape mit voyeuristischen Qualitäten von Robin Rimbaud aka Scanner, “Emily”. Tod Dockstader ist nicht mehr “Luna Park” (1961), das ist gewiss. Dafür aber Morton Subotnicks “Mandolin” von 1962, das eine frühe Ahnung seiner ghost scores vermittelt, wenn die Frequenzshifts zwischen den heimeligen Boxen wie “Liquid Strata” hinund herschweben und durch das Medium des Tape auf eine noch frühere technische Schnittstelle zurückverweisen, auf Percy Graingers “Free Music #1 (for four theremins)” für Lew Theremin. Das war 1936, hier begann nicht alles, aber immerhin dieser Zyklus. Und das ist einiges wert. XENYA •••• V/A - BEYOND SPACE VOL. 1 [SUBVERSIVE - VINYLKINGZ] Für eine Compilation mit exklusivem Material aus der unübersichtlichen Welt des Indie-as-fuckHip-Hop kann Subversive massiv vom kreativen Überschuss der Anticon-Gemeinde profitieren: Neue Tracks von Alias, Sole und Odd Nosdam bilden die Spitze eines Eisbergs, mit dem man die Titanic zwei mal auf Grund schicken könnte. Hier kommen wirklich nur bedröhnt knarzende Kellergewächse zum Zuge, hakenschlagende Instrumentals (Telephone Jim Jesus, Nosdam), gepresst-dringliche Vocals von jungen MCs, die offenbar den candytime-dissonant Singsong-Suicide-Style von Why? und Dose inhaliert haben, wie die jungen Leute seinerseits nur den Flow von Tupac Shakur (Passage). Ist das der Sound des unzufriedenen weißen Suburb-Amerika, das jetzt seine Wahrnehmung nicht mehr an Indie-Rock sondern HipHop schärft? Je mehr von dieser Musik über’n Teich kommt, desto mehr drängt sich die Frage nach dem sozialen Setting auf, in der sie entsteht, aufgeführt, genossen wird... Ob da ein neuer Weather-Underground entsteht oder nur neue Rezepte mit Psylos und legalem Weed. Schade auch, dass die Tracks auf der Promokopie nach 1:30 ausfaden, man bekäme doch gern entschieden mehr mit. EM •••-•••• ILYA - THEY DIED FOR BEAUTY [VIRGIN - EMI] Sterben. Ja, das möchte man, wenn man das Debütalbum von Joanne Swan, Nick Pullin und Dan Brown hört. Aber natürlich nur im übertragenen Sinne. Denn zum Sterben ist “They Died For Beauty” einfach viel zu schön. Music Noir à la Film Noir aus Bristol. Regisseure wie Godard hätten die drei wohl sofort engagiert. Nun, so bleibt dann aber zum Glück genug Platz im Kopf für die eigenen Bilder. Episch. Geheimnisvoll. Schillernd. Ganz großes Kino! www.ilyamusic.com BAAS ••••• LES PEUPLE DE L’HERBE - SOLD OUT [SUNPADOPE - ROUGHTRADE] Mit ihren überaus entspannten Dope Beats, unmissverständlicher Haltung und nicht zuletzt dem niedlichen Video im Aardman-Style haben die französischen Ganja-Freunde sich enorme Sympathien erspielt. Sollen die anderen im Kampf um Originalität, Tempo, Trends und die perfekte Hook unnötig Stresshormopne ausschütten, die peuple sind die Oase des unangestrengten, klassischen Wohlfühlsounds. Dass von diesem sympathischen Haufen nun eine Selection von Live-Tracks erscheint, ist einerseits überraschend, weil doch gar nicht üblich, anderseits aber auch cool, denn hier können sie auch mal auf Copyright-Überlegungen verzichten und einfach alles in den Mix schmeissen, was sie und uns alle geprägt hat: Jungle-Hymnen, Beats aus der Bong, Beatboxing, Grandmaster Flash, and now: all the ladies! und dieses oder jene andere Snippet. Gibt’s alles schon woanders, ham’ wa alles schon mal gehört, aber man muss den Jungs lassen, dass sie es genau in der richtigen Kombination servieren, und mehr ist doch von einer Tanzveranstaltung nicht zu erwarten. Dazu gibt es zwei reizenden Videos und einige neue Tracks mit JC 001, noch so ein Geschwindigkeitsrekordler, der auch als MC auf den Livetracks die Band über die gröbsten Längen rettet. Gute Balance aus Ragga und HipHop bzw. Studio und Liveset, gute Jungs, korrektes Abum. EM •••• PAUL BRTSCHITSCH - LIVE [TAKSI - NEUTON] Nur unveröffentlichte Tracks aus einem Liveset von Paul Brtschitsch, der dafür bekannt ist, mit sehr gut improvisierten Arrangements einen Vibe zu erzeugen, der weniger losbrettert als vielmehr eine dichte Stimmung über einen weiten Bogen zu erzeugen, der aus seinen Maschinen alles rausholt, was einen in den Sound saugt, der von Minute zu Minute magischer wird. Sehr schön und obwohl oft mit Passagen, die im Club vielleicht nur dann wirken, wenn dort schon alle an den seidenen Fäden hängen, eine extrem gut rollende und vor allem völlig überzeugende Impression eines Liveacts der klassischen Technoschule. BLEED ••••• PALAIS SCHAUMBURG - LUPA [TAPETE/39 - INDIGO] Vergiss die Gitarre. Palais Schaumburg haben Anfang der Achtziger ohne sie gefunkt. Ihren nach sich selbst betitelten Erstling gab es als Rerelease erstmals auf CD schon vor einigen Monaten. Nun wird auch „Lupa” auf den Markt geworfen. Verdient haben es diese beiden legendären NDW-Alben jenseits der NDW auf alle Fälle. Wo allerdings das Debüt noch aneckender, naiver und direkter wirkt, hinterlässt „Lupa” eine Mischung aus Freude und Ratlosgkeit. Genau wie vor 20 Jahren. Hiller war gegangen. Thielsch gekommen. Als Produzent schlägt sich ganz klar in der Musik Andy Hernandez nieder, der aus dem Umfeld von Kid Creole kam. Palais zeig(t)en auf Songs wie „Süß sein, nett sein”, „Rosen” oder der hier mitveröffentlichten Single „Hockey” (Anton Corbijns erstes Musikvideo) immer noch ihren unglaublichen Charme zwischen Kunsthochschule, Funk und Bruch. Wer die andere Seite der NDW nachentdecken will, möge sie, neben Fehlfarben, S.Y.P.H., der Plan und Wirtschafstwunder studieren. CJ ••• TONY BUCK / AXEL DÖRNER - DURCH UND DURCH [TES - NOMANSLAND] Metamorphosis durch und durch, man muss sich das wie ein Gebilde freischwebender Verhältnisse vorstellen, von imaginären Figuren, eingeschmolzen inmitten eines organischen Fluidums von Insektenschwärmen, Bassdrones und granularem Rauschen. Solche Figuren scharen sich ohne Ränder und Konturen in steter dynamischer Entwicklung, auch nicht unterbrochen von den Pausen, die unter der Oberfläche des One-Track- das ist definitiv ein frischer neuer Sound in der Tresor-Welt. Ansonsten wie bei der Kritik zum Vinyl schon bemerkt, etwas zwieschneidige Sache mit vielen guten, aber auch einigen wirklich langweiligen Tracks, die hier allerdings besser im Flow sind und als Ganzes die CD dann auch interessanter wirken lassen können. www.tresor-berlin.de BLEED •••• KETTEL - VOLLEYED IRON [U-COVER/18 - HAUSMUSIK] Kettel ist schon ein großartiger Schlumpf. Auf seinem neuen Album für U-Cover lässt er zunächst schick gekleidete Franzosen durch’s Bild marschieren, winkt Satie mit einer Hommage, gibt sich schwelgierich ambient, bevor mit einem großen Moll-Akkord der DSP getriggert wird. Beats braucht Kettel auf “Volleyed Iron” eigentlich nie, keine richtigen jedenfalls. Wozu auch? Dieser junge Holländer hat in den letzten Jahre so viele Genres ad absurdum geführt mit seiner gefühlvollen Liebe für Übertreibungen, dass er nun ruhig mal die Beine baumeln lassen kann. Sehr bunt und verträumt piepen die Supermarktkassen zu seinen Pianofiguren, bevor die großen Hallräume aufgehen und alles für einen kurzen Moment sehr bedrohlich erscheint. Solche Tracks machen mir immer Mut. Euch auch. www.u-cover.com THADDI ••••• WEEVIL - DRUNK ON LIGHT [V2 - EMI] Tom Betts und Jonny Pilcher machen Popmusik. So, wie es sich für anständige Engländer gehört. Tolle Songs können sie schreiben, toll singen geht auch, Angst vor dieser Unsitte, die Snaredrum einfach durchnudeln zu lassen, haben sie auch nicht. Was kann da noch passieren? Na zum Beispiel, dass die Platte niemand bemerkt, vor allem, weil sowas niemand mehr auf dem Zettel hat. Dabei kommt zur Zeit ein ganzer Haufen guter Bands aus UK, die selbst auf ihren B-Seiten besser sind als so manche Combo vom Kontinent. Weevil machen also Popmusik, spielen ihre Instrumente, arrangieren am Rechner so manches nach, sind gut im Sounddesign und so ist “Drunk On Light” in der Tat eine sehr helle Platte. Freundlich. Mitreißend. Bunt wie Oskar Und alles was man will, ist mitzuschubbern. THADDI ••••• IYUNX PRODUCTIONS - SHORT TERM MEMORY LOSS [U-COVER/17 - HAUSMUSIK] Alte Helden aus Manchester, die auf ihrem eigenen Label in den letzten Jahren immer wieder zu beeindrucken wussten und nun auf U-Cover ein volles Album vorlegen und gleich zu Beginn die 808 loszwirbeln lassen, bevor sie kleine Gitarrentupfer in verflangte Breaks einbetten und mich damit eigentlich schon haben. Oldschool, das ist es. Und nicht nur, weil hinter der Picadilly-Station in Manchester alles aussieht wie in Detroit, der Kanal eine Dreckpfütze ist und die klassischen Tracks, allesamt fein orchestriert mit uraltem Equipment, einem dieses sichere Gefühl geben. Auch, weil diese Musik nie sterben wird und kann. Tief und verspielt rocken sich Iyunx ihre eigene Welt zusammen. Synthese ist immer noch der beste Freund. www.u-cover.com THADDI •••• CHROMEO - SHE’S IN CONTROL [V2] “This is a new Sound”, behaupten die Kanadier Chromeo gleich zu Anfang. Das ist eine Lüge. Chromeo passen so haargenau in die Welt aus Camp, Retrolectro, Sex-Funk und Post-Techno, in der auch Tiga eine brillante Figur macht, zum Beispiel, dass sie das “new” schleunigst streichen sollten. Vielleicht könnten sie es durch “better” ersetzen? Denn: Das Duo hat den Funk gelöffelt, dass es einem nur so um die Ohren slappt. Und kaum haben sie dich an den Arschhaaren gepackt, wickeln sie dich mit den cheesigsten Melodien seit Miami Sound Machine ein. Der Spaß war bestimmt ganz auf Chromeos Seite im Studio: Erinnert dich das nicht auch an Van Halen? Jep, und hier hab ich noch eine total geheime Italo-Bassline für obendrauf. Aber vielleicht hätten sie nicht ganz so offensichtlich auf die Laufstege von Paris und Mailand schielen sollen. JEEP ••• QUENCH - DYN [U-COVER/16 - HAUSMUSIK] Quench sind ja keine Unbekannten. Als Funckarma haben die Gebrüder Funcken schon so manches Ei gelegt, zuletzt vor allem die Produktion für das Shadow-Huntaz-Album. Auf “Dyn” beginnt alles mit einer Liebeserklärung an die vertrackte Darkness, bevor die dicken Beats reinkommen und den HipHop elektronisch aufbohren. Dann kommt eins zum anderen. “Dyn” ist wie ein Megamix der Funcken-Skills, brutal zerrend und zerlegt, weit und wippend, abwechslungsreich und fesselnd. Dabei doch irgendwie auch sehr oldschool. Guck da, unsere Lieblingsmusik hat ihre eigene Klassiksparte gefunden. www.u-cover.com THADDI •••• V.A. - NOTHIN’ BUT A FUNK THANG [V2 FRANCE - ROUGHTRADE] Ich weiss, ihr werdet mich jetzt für verblödet halten, aber ich finde, es ist eine gute Idee so abgehalftere Funktracks nach der Methode zusammenzustellen, ob sie Dr. Dre in seiner langen Karriere mal als Samplebasis für GangsterhiphopTracks benutzt hat. Und genau das tut diese CD. Leon Haywood, Berard Wright, George Clinton, Isaac Hayes, Curtis Mayfield, The Meters, etc. etc. Auf dem Promozettel steht, anders als auf der CD, allerdings auch drauf, auf welchen Tracks von NWA, Snoop, Dr. Dre, 2Pac usw. das verwendet wurde, so dass man nicht lange nachsuchen muss. Lustigerweise gibt es auch noch das Orginal für Truth Hurts am Ende. Bollygangster, wie Dre auch, der Kiffer, weshalb er dafür auch verklagt wurde. Aber der hasst ja auch MP3s. Amüsant. BLEED •••• THEO PARRISH - PARALLEL DIMENSIONS [UBIQUITY /151] Zu Theo Parrish an sich braucht man nicht mehr viel zu sagen. Er ist eine Stilikone. Neben seinen Ugly Edits ist ein wesentlicher Grund dafür dieses total vergriffene Album aus dem Jahr 2000, dessen Stücke bislang zum großen Teil auf Vinyl noch gar nicht zu haben waren. Dabei ist der Meister episch, minimalästhetisch und sublim in den Spannungsbögen, zugleich bei jedem Track immer wieder divers und insbesondere in der Kombination aus Samplebearbeitung und Arrangement unvergleichlich und Maßstäbe setzend. Sound Signatures, wie sie auch aus Detroit nicht alle Tage zu hören waren und sind. Absolutes Must! M.PATH.IQ ••••• DI_INDICATOR - FOCUS THE DIRECTION [UNGLEICH/016] Ein massives Release kommt hier von UnGleich, die nicht nur gesammelte Tracks von Ronny Krieger der letzten 8 Jahre auf der einen der DoppelCDs veröffentlichen, sondern auch noch eine Mix-CD mit zum Teil noch mal anderen Tracks dazulegen und eine EP mit neuen Tracks und einem Dennis Desantis Remix unter der gleichen Nummer veröffentlichen. Di_Indicator ist aber auch einfach zu oft übersehen worden mit seiner Art immer schon überraschend deepe und vielseitige warme Tracks zu machen, die, egal ob sie nun für den Dancefloor konzipiert sind oder eher zurückgelehnt, einen völlig eigenen extrem durchdachten Sound haben, der dabei immer auch noch so smooth ist, dass er eigentlich meist perfekte Dreamworlddetroithousemusik verkörpert, die, hier ist der Beweis, einfach kaum altert. Unbedingt auschecken sowohl die 12” wie das Album. BLEED ••••• ANDY MOOR / YANNIS KYRIAKIDES - RED V GREEN [UNSOUNDS - NOMANSLAND] Die Technik der Improvisation hat immer wieder NUMBERS - IN MY MIND ALL THE TIME [TIGERBEAT6 - WESTBERLINDISTRO] Yo. Punkrock. Ist es doch, oder? Das sind doch die Slits, oder etwa nicht? Stakkatopunk ohne Pause. Klar, die lieben Gang Of Four, sind aber noch mal einen Zacken schneller und noch mehr London 78, obwohl aus San Francisco. Ach, was wäre die Welt ein schöner Ort, wenn sowas, nicht diese ganzen White-Stripes-Idioten das neue Ding in Rockmusik wären. Das hat doch wenigstens Energie und weißen Funk ohne Ende. www.tigerbeat6.com BLEED •••• das Erfrischende, dass man nie schon vorher weiß, welche Richtung die verschlungenen Pfade letztlich einschlagen werden. Auch ist vorerst kaum eine lineare Entwicklung zu erwarten, wenn “Red v Green” das Resultat einer Mischung dreier einzelner Sessions sein soll, wobei dies erstaunlicherweise den Charakter einer ad-hoc-Geburt kaum stört. Und da das Hören nun mal nach Richtung und Ordnung verlangt, unternimmt es seine eigene Syntheses. Ein möglicher Pfad könnte von filigranen Bitstrukturen in “Dreams I talk to you” zu “Eel” führen, wo das Bedürfnis nach Dichte schon spürbar wird, noch ohne Riffs (“Hardboiled”) und Helikopterrauschen, das dann aber mit gedrosseltem Rhythmus zu einem famosen, leicht angeschmutzten Beat, t´schuldigung, zu Dead Beat implodiert. Kaum ist eine solide Struktur geschaffen, bröckelt sie auch schon wieder und ab geht es erneut in den Keller der Improvisation (“Possible Wheels”). Eine andere Spur wird sichtbar, über The EX, Dog Faced Hermanns und Kletka Red aka Andy Moor in spe zu MIMEO, an deren originaler Formation Yannis Kyriakides selbst beteiligt war. Red via, versus oder vel Green, wie auch immer es sei, ist ein feiner Austausch von Guitar/ Radio und Live Electronics, die sich immer wieder in der heimeligen Stereoatmosphäre hin- und herfalten. XENYA ••••• V.A. - ILLUMINATION TRESOR VOL 12. [TRESOR/212 - NEUTON] Schade, vor allem dass es von dieser CD der Todd Bodine Track nicht auf Vinyl geschafft hat, denn WE OWE YOU NOTHING [UPPER CLASS RECORDS] Drei Bands aus Kanada, die irgendwie sehr poppige Musik machen, die so eine Art Bubblegumra- Index kaum lesbar agieren. Und doch erfüllen sie gerade hier ihre Funktion und strategische Kraft. Mit Löchern oder Durchschüssen wollen die beiden Berliner offensichtlich gleich Artauds Bildund Briefverbrennungen das “Subjektil ent-sinnen”, sprich das Material als solches zum Tragen bringen. Ob nun mehr oder weniger ausgedehnte Schwarze Löcher den Blick in die so gefürchtete Sogkraft frei machen oder eben der Grund ein paar graue Flecken aufweist, ist lediglich eine Frage der Perspektive, ob man drauf oder durch schaut. Ganz gleich also, und überhaupt, durch wodurch? Was zählt ist das Spiel und der ausgiebige Spaß am Material. XENYA •••• veappeal haben. Girlsareshort stellt man sich so vor, dass sie auf der Mayday noch einen Gruppentanz abliefern würden, der sogar Abba peinlich wäre, und zwischen Rave und Easy Listening keinen Unterschied macht. The Russian Futurists klingen als wären sie die Söhne von Heaven 17 und New Order und The Cansecos haben den eher digitalen Sound einer blauäugigen Raggatruppe für Frischverliebte. Amüsant. Fun Boy/Girl Three. www.upperclass.to BLEED •••• ENIK - WITHOUT A BARK [WONDER/14 - KOMPAKT] Uff, diese sechs Tracks wollen anstrengend sein. Enik rückt einem auf die Pelle mit seinem unbedingten Willen, wahrgenommen zu werden. Melodramatisches Soundgeröll, klaustrophobischer Gummizellen-Chanson und diese strapaziöse Kunstgesangsstimme von Enik, mit der er schon auf dem neuen Funkstörung-Album verblüffte, verdichten sich zu einem Intensitäts-Brocken, der bei aller gewollten Unmittelbarkeit sogar noch sowas wie ein Glamour-Tüpfelchen draufsetzen kann. Verdammt elaborierte Scheiße aber auch, dieser abstrakt dekonstruierte Songwriterblues zwischen Kurt Weill und Rip, Rig & Panic. Respekt. Enik ist bestimmt niemand, der sich auf Kompromisse einlassen würde. Wer jetzt noch sagt, das Leben sei so lasch ... JEEP •••• EMOTIONAL JOYSTICK - BELLICOSE PACIFIC [ZOD/12 - AD NOISEAM] Der erste CD-Longplayer von Emotional Joystick, neben Mochipet Richard Devines Antwort auf die Frage, was gerade “the shit in the u.s.” ist, besteht im Wesentlichen aus den beiden 2001 und 2002 erschienenen 12” (Zod 03 und 09). Zwei, deren zwölf Tracks fehlen, dafür gibt es hier aber drei neue. Das alles ist Stoff für die Tanzfläche. Braindance. Ja, so alte Schule irgendwie. I’m a sucker for synthlines, gerade jetzt, wo alle die Gitarre rausholen. Und die hier sind verdammt nochmal Ohrwürmer. Dazu schreddern meist ordentlich verzerrte Breakbeats und es wird auch gern mit der Gabba- Bassdrum draufgehalten. “Rotterdam” und so. Dabei sind die Tracks immer vielschichtig und nie düster, vielmehr ziemlich funky. Bei “HollowSquare” und “Patch” wird das Ganze von Streichern untermalt, an anderer Stelle gibts Pianos oder auch Acidlines. “Tonight is a lie” kommt dank Rhodes auch noch jazzy angehaucht und das Arrangement bleibt sowieso immer virtuos. Emotional Joystick ist über die volle Distanz amüsant, abwechslungsreich und von hohem Wiedererkennungswert. www.zodrecords.com TAMAS ••••• SOPLERFO - EP FOR DOGS [ZOD/15 - AD NOISEAM] Soplerfo verkauft auf seiner Homepage die eigenen Platten und Fotos seiner Hunde. Die hat er wohl ganz doll lieb und traut ihnen auch ganz schön viel zu: hier gibt’s Titel wie “I want cookies in my sleep” und “Why can’t I make sense to you”. Ich fand ja Stimpy immer besser als Ren, das mal vorweg. Das dominierende Element aller neun (!) Tracks ist Percussion. Und trotzdem ist es eine für Zod exotische Platte. Hier werden keine Breakbeats oder Drumcomputer-Samples dem PluginFolder preisgegeben. Stattdessen gibt es kurze Loops diverser Hölzer und Saiteninstrumente meistens gepaart mit diesen wunderbaren kleinen Melodien. Alles ist klar, leicht und wirkt trotz aller Retrigger in sich ruhig. Auf kitschiges Beiwerk und Soundwände wird verzichtet, Hunde brauchen dann doch präzisen Tonfall. Der Hrvatski-Remix am Schluss ist dabei eher unauffällig. TAMAS ••••-••••• • = NEIN / ••••• = JA DEELA - MIXED MOODS [4LUX/013] Auf der ominösen Nummer 13 geht es für Labelhead Gerd ins benachbarte Deutschland. Dort griff er zunächst bei der Moerser Switchstance Crew das Projekt Deela ab. Die zeigen beim African Chant Pt. 2 tanzbare Tiefeneklektik zwischen afrikanischen Rhythmen und progressivem produziertem NuJazz, um dann bei Chaquitos ihr multibeatiges und multikulturelles Musikverständnis anzudeuten. Frühabendliches brasilianisches Temperament kommt dank Flöte und lockeren Downbeats ganz ohne Kaffee auf. Die endgültige Granate besorgte sich Gerd aber aus Berlin. Mit Mixed Moods’ “Stay A While” leihte er sich für seinen Remix nicht nur eine fantastische Vorlage, sondern mit der dort mitwirkenden Clara Hill (Sonar Kollektiv) auch noch eine der großen neuen Stimmen im Fusion-Zirkus. Darunter bastelt er dann einen deepen Broken Beat-Kil- SAMSON - GHETTO BLAST CONTROL [BPITCH CTRL/090 - NEUTON] Ein neuer Franzose bei Bpitch, der seinen Funk cuttet, bis die Hüfte ausgeleiert ist. Vier Tracks, die vor Einfällen, kurzen Eruptionen und überraschenden Wendungen nur so wimmeln. Ravender Krypto-Funk, der volle Konzentration verlangt. SVEN.VT •••• DJ ZKY & FRITZ KALKBRENNER - STORMY WEATHER/ WHAT CAN I SAY [CABINET/024 - DIAMONDS AND PEARLS] Auch wenn es sich momentan nicht so anfühlt, es wird Frühling. Eigentlich sollte der Sommer ja auch bald beginnen, na ja. Dafür braucht man auf jeden Fall Tracks, die mit jedem Takt so ausgelassen vor sich hin swingen, dass ein gut gelaunter Luftsprung hier und da einfach zum Standardrepertoire gehört, mit dem man so durch den Tag den Soundeffekten und Melodien vielleicht ein klein wenig zu sehr versucht, dem Synthesizer Funk einzuflössen, aber wer sich Putsch 79 in einer Deephousevariante vorstellen kann, der weiss, warum das gar nicht so falsch ist. Wer auf vertrackte, aber dennoch grundsolide Housetracks mit zeitlosem Basslauf steht, der wird auf dem eigenwillig Latinangehauchten Track, der das trotzdem nicht so stark durchblicken lässt, am Ende genau das finden, was er braucht. Feine Platte. www.bgbmusic.com BLEED ••••-••••• CARSTEN JOST - THE LOST TRACKS 2 [DIAL/019 - KOMPAKT] Vier Tracks mehr aus dieser kleinen Serie, auf denen Carsten Jost darker und verschrobener rüberkommt denn je zuvor. Mitternachtsexperimente oder Tracks, die man am frühen Morgen DAN BERKSON - GO NAKED [EXUN RECORDS/2030 - WORDANDSOUND] Massiver Dubhousetechtrack mit perfekt geschnittenen Minisamples und funkig breitem Sound, der alles wegblasen kann. Wer sich einmal in diese Bassline eingegroovt hat, der wünscht sich eigentlich sonst nichts mehr, und deshalb macht es auch immer mehr Sinn, den Track so laufen zu lassen und in aller Ruhe langsam mit Dubs und ein paar Sounds immer deeper zu werden, bis man sich von den paar Stimmen überall hin entführen lassen würde. Aber die Rückseite “Planet Earth”, die mit noch slammenderen Beats beginnt, ist ein Killer, der so überpräsent produziert ist, dass man seinen Ohren kaum traut und die Distanz zwischen Musik und sich selbst sofort verloren hat. Und die Orgeln da drin. Ach. Wie gesagt, Monstertracks. www.exun-records.de BLEED ••••• Schwäbischen, dieses Mal: die Hohenzollersche Landesbahn aus Gammertingen. Field Recordings für Trainspotter ist das nächste große Ding, ganz klar. www.heckengaeu.de THADDI ••••-••• JAMES FLAVOUR - PORNEREO [HIGHGRADE/017 - WORDANDSOUND] Sehr funkige rockende Tracks sind immer mehr das Spezialgebiet von James Flavour geworden, und das zeigt er auf dieser EP mit Remixen von Freestyle Man und Dave DK noch mal ganz deutlich. Ein wenig dark angejazzt im Hintergrund und irgendwie auch schleppend und sleazy rockt der Track nicht nur wegen seiner knalligen Beats. Der Dave DK Remix ist komprimierter und lässt weniger Raum außerhalb des Grooves und wirkt damit dann auch gleich wesentlich technoider, ist aber eine grundsolide Umsetzung. Allerdings alten Säcken werden sie dabei weder heiser noch greiser. Mit A Rocket In Dub geht es in den sweetest bummelnden Frühling, den ich mir vorstellen kann. Ein Track den man, wenn es das EP Format erlauben würde, am liebsten auf Repeat hört. www.italic.de BLEED ••••• DOUBLE X - FLASHBACKS [KANZLERAMT/107 - NEUTON] Klar, Flashback heißt hier Acid und es wird von den beiden, Litschko und Kowalski, ebenso massiv wie funky angegangen und mit Breakigen Beats aufgeheizt, so dass sie schlichtweg durchbrettern können, ohne dass man das Gefühl bekäme, die wären jetzt nur noch auf dem 303 Trip. Strings und ein paar kurze Vocalsamples verdichten die Erinnerungen nur noch mehr und am Ende steht man sprachlos vor einer in sich zusammenfallen- Karaoke Kalk Rosa-Luxemburg-Strasse 16 | 10178 Berlin | [email protected] | www.karaokekalk.de | Im Vertrieb von Indigo, Hausmusik, Kompakt & A-Musik. ler, der einer imaginären Schule von Phuturistix mit Bestnote entsprangen sein könnte. M.PATH.IQ ••••• V.A. - RABIMMEL RABAMMEL RABUM BUM BUM [AREAL RECORDS/022 - KOMPAKT] Wie ihr euch denken könnt, ist der Titel der Platte jeweils ein Teil der Titel der Tracks dieser Areal Allstars Platte. Basteroid beginnt mit “Rabimmel”, einem Stakkatorocker für alle, die sich die Bassline gerne mit einer Psychomesserstecherei einführen und dazu kross gebratenes Allerlei bevorzugen. Konfekt, der Klammerfreund der Posse, lässt auf “Ra(Bammel)” die Zerrung noch weiter eitern und masht sich in den Himmel der Monotonie des technoiden Sequenzglaubens, gegen den es keinen Widerspruch gibt. Metope knarzt dann und krächts auf “Rabum” zwischen Kleinkinderplinkerei und stolzem Kölner Elektromarsch und zum Ende übernimmt Commander Ada mit einem angetäuschten Deephouse “Bum Bum”, das immer mehr zur Schunkelhymne des Jahres wird. Areal hat den Karneval überlebt, ob wir Areal überleben werden bleibt abzuwarten. www.areal-records.com BLEED ••••• AUCUNE IDEE / MR. CAINE & MR. CASE - LE PLASTIQUE C`EST FANTASTIQUE / ICEBEAR (POLAR MIX) [AUDIO DELICATESSEN/003] Und wiedermal ein Bootleg von dieser Posse, die ich immer für Franzosen gehalten habe, was ihnen vielleicht sogar lieb ist, jetzt aber mit zwei sehr deutschen Tracks. Auf der Seite von Aucune Idee mit “Plastik ist die neue Mode” Vocals im besten Früh-80er-Discostyle, und auf der Rückseite ein leicht mit Breaks angefütterter Eisbär Remix, der glücklicherweise sonst fast alles so belässt, denn mehr verträgt dieser Track auch nicht. Nagut, ein wenig Filter und etwas mehr Tiefe in der Bassline kommt auch noch dazu und passt perfekt. Amüsant wie immer. BLEED •••• MITJA PRINZ - KOLLEKTIV KAPUTT [BLAOU/033 - WORDANDSOUND] Weiß nicht genau, was dieser Titel der neuen Mitja Prinz EP bedeuten soll, die Tracks jedenfalls rollen mit sehr vielen Soundeffekten, dicht und vielleicht ein klein wenig zu fasziniert von den Delays, und einem gelegentlichen Funksound sehr stark geradeaus und versuchen irgendwie an den Sound von Classic ranzukommen, reichen aber aufgrund ihrer doch etwas straighten Art nicht ganz ran, was die Stücke dann etwas bedrückender macht als sie wohl eigentlich sein wollen. BLEED •••• PATRICK HARZ / PETER GRUMMICH - ACID LOVE /WHAT ABOUT LOVE? [BOOT/001 - KOMPAKT] Auf der A-Seite erst mal ein Track, der mit Sicherheit die 1.000. Adaption der “I Feel Love” Bassline ist, aber dabei so locker und lässig voller Understatement in den schleppendsten Housegrooves rumhängt, dass man es irgendwie wieder hören kann und der 303 da drin lauscht wie einem Solo, das nichts von einem Solo hat. Und wer bei den Strings bereit ist, den Morgen zu feiern, für den kommt dieser Track wirklich perfekt aus dem Innersten. Auf der Rückseite nähert sich Peter Grummich dem gleichen Thema mit schnippischeren Beats und einem noch elegischeren noch zurückgelehnteren Sound, der gar kein Ende mehr kennt. BLEED ••••• FRANK MARTINIQ - LATE NIGHT TOOLZ PT.2 [BOXER SPORT/016 - KOMPAKT] Die Zweite der Serie vom extrem produktiven Frank Martiniq, der immer vielseitiger wird und hier lässig, wie schon auf der letzten Platte “All About The Cuts”, immer eigenwilliger in seinen Sounds wird, hier mit runtergedrehten Vocodern und Spacegeräuschen, die wie aus einem kaputten Warpantrieb herbeihalluziniert klingen. Dezent brummig und zerquetscht groovender, dann auf der Rückseite der Killertrack “Elastic Plastic”, der irgendwie klingt, als hätte sich Martiniq an ein paar Areal Platten berauscht, und der hyperaktiv, aber dennoch lässig swingende, jazzig schnippische Microhousetrack “Snoop Troop”, der mit seinen leisen Synthesizerbleeps und der sehr gut rollenden Bassline einer unserer Jazzslammer des geraden Dancefloors des Monats ist. www.boxer-recordings.com BLEED ••••• SASCHA FUNKE - THE INTIMATE TOUCH [BPITCH CTRL /092 - NEUTON] Herr Funke wird bissig. Was so geschmeidig mit verhallten Vocalschnipseln daherkommt, entwickelt sich zu einer turbulenten Achterbahnfahrt durch bleepende Synthiewelten in einem Paralleluniversum, wo jackende Chicago-Tracks eben ein wenig angeschrägt durch die Tür fallen. Überraschend und sehr cool. Der Alexander- Kowalski-Mix von “Bravo”, dem Titeltrack von Sascha Funkes Album, erhöht die Raveintensität des Originals und lässt den Track mit ordentlich Hall so bedrohlich anschwellen, dass er jedem größeren Rave gut zu Gesicht stehen wird. SVEN.VT •••••-•••• TOMAS ANDERSON - BAS [BPITCH CTRL /088 - NEUTON] Wieder ein Acid-Schleifer vom Mann aus Schweden. Böse überrollt einen die Acidbassline, bedingungslos treibend. Noch so ein Chicago-Track, der sich in ein wahres Intensitätsmonster steigert, voller Effekte, verhallten Vocal-Schnipseln und percussiven Wahnsinn. Die B-Seite rockt dagegen versöhnlich mit Roboter-Vocoder-Vocals durch den Minimalgarten. Sehr fein. SVEN.VT ••••• marschiert. Wo ist mein Cocktailschwenker? Zwei wahnsinnig luftige House-Tracks, die Klartext reden und so entspannt ein Grinsen in dein Geischt zaubern, dass man mit dem Fingerschnipsen gar nicht mehr hinterherkommt. SVEN.VT ••••• CANNIBAL COOKING CLUB - URIN GAGARIN [CANNIBAL COOKING CLUB/002 - POSSIBLE] Irgendwie hat Possible gerade extremen Labelnachwuchs. Schön, dass es einen Vertrieb gibt, der was wagt, aber sagen wir mal ehrlich, Cannibalcookingclub würde auch nirgendwo anders hinpassen. Stoisch druchbretternd mit einer butterweich durchgezerrten Bassdrum zwirbeln diese Leute hier die Lofidauerwelle so straight, dass man glauben könnte, sie tragen alle Pickeliros. Musik für alle, deren Zähne sich eh schon längst zu Eisenkrümeln zerbröselt haben und die trotzdem gerne laut auf dem Dancefloor loslachen, weil, was ist so ein Trash anderes als eine Ode an die Freude. (Möglicherweise auch an das Orginalatarimanual). www.cannibalcookingclub.de BLEED ••••-••••• INTUIT - PLANET BIRTH [COMPOST/161 - PP SALES] Ein Musterbeispiel an Zielsicherheit, was die Auswahl von Remixern angeht, ist die erste Maxi zum Album von Intuit. Alleine schon der Mitbegründer von U.F.O. Toshio Matsuura ist eine sichere Bank für beseelte Eklektik mit analogem Tiefgang. Zudem konnte aber auch noch Xantoné Blacq (Vinyl Junkies), der 2003 mit “Searching For The Sun” für eine der Szene-Hymnen verantwortlich war, dazu gebracht werden, die Arbeit an seinem Album zu vertagen. So kommt es, dass die sicher nicht jedem zugängliche, aber eben dennoch einzigartige Stimme von Andy Bey ein prägendes Element bleibt und der inspirierte Fluss vielschichtigster musikalischer Sozialisation mit fast unerträglicher Leichtigkeit direkt ins Ohr und gerne auch auf Dancefloors mit dem gewissen Vibe mäandert. Abgerundet wird das Ganze durch einen Funkjam, zu dem zuuufällig noch Ray Obiedo und Doug Carn ins Studio kamen. M.PATH.IQ ••••• RIMA - SUBDUED [COMPOST/134-1 - PP SALES] Ich finde NuJazz flacher als den Arsch meines schwulen Onkels, Broken Beats aber steiler als die Lockenwickler-Frisur meiner katholischen Tante. Compost zwingt mich gerne dazu, mich zwischen beidem entscheiden zu müssen. Diese Rima macht es mir wieder besonders schwer. Wie kann man nur so an Brasil-Standards festhalten, als ob es nie Cornetto Erdbeer gegeben hätte? “O Vente Dira” ist das schwarze Loch der Klischeegalaxie. Amp Fiddler aber arbeitet mit Georg Levin in seinen “Subdued”-Remixen an einer Delikatess-Version von Neo-Soul. Das zwingt einen schon weitaus mehr zum Mitdenken. Der Isoul8/Volcov-Mix von “Telos” schließlich dockt an die schwelgerisch üppige Disco-Tradition mit modernen Post-Acid-Mitteln an, wie es Franzosen wie Llorca oder Alex Gopher auch gerne ausbreiten. Der Hammer, den Compost sonst oft genug in seinen EPs versteckt, springt hier aber nicht aus dem Hut. JEEP ••• NU PACIFIC - SEA SHELLS EP [CURL CURL/001] Nu Pacific eröffnen das neue Label der Moon Harbour Posse, und alle drei Acts sind aus Australien, aber zunächst drängelt sich Marlow mit einem Remix vor und gibt den Vocals von Natalie Elizabeth Gay einen extrem slammenden elektroid steppenden Schub und schafft dabei mit Lässigkeit einen der kickendsten und gleichzeitig süßlichsten Housetracks für alle, die eine gerade Bassdrum nicht als Pflicht betrachten. Jazziger wird es auf dem dahindriftenden Stück von Bennson, das die Rimshots knacken lässt wie ein von der Maffia auf den verregneten Hinterhöfen eines Stranddorfs als Pfand genommener kleiner Finger. Spannend, unheimlich und dennoch irgendwie versöhnlich mit Strings, die einem trotz allem das Herz aufgehen lassen, schliesslich ist man eine Familie. Auf der Rückseite der klarste Broken Beat Track der EP von Deepchild geremixt von Colorblind, der mit seinen souligen Vocals und unvergesslichen Beats die Linie des Labels noch etwas klarer definiert. Soul, mit allen Mitteln. www.curlcurl.com BLEED ••••• REMUTE - BUGBEAR EP [DEKATHLON/016 - NEUTON] Wird auch immer besser und bleibt dabei so störrisch eigenwillig wie schon auf seiner Areal Platte, dieser Denis Karimani. 4 neue Tracks, die stellenweise etwas discoider klingen, als man es von ihm erwartet, aber auf “Rioting Is Fun” dann auch fundamentaler Synthesizermonstersound für alle, die die Komplexität rocken hören können, oder eine völlig absurde Stakkatojazzdisco auf “They Call Him Ente”, die mindestens doppelt so seltsam als Stück klingt wie der Titel eh schon. Den Abschluss macht ein quirliges Sprudelwasser, das sich als Technomonster tarnt. Echte Wundertüte, diese Platte. www.namlive.com BLEED ••••• BGB - COM FORCA [DESSOUS RECORDINGS/045 - WORDANDSOUND] Macht durchaus Sinn, dass es gleich noch eine EP der Brooklyner Bgb gibt. “Com Forca” ist einer dieser unglaublichen HitechdisconouveauTracks, der sich nicht scheut, mittendrin in ein sehr schönes, nüchternes Vocal zu münden, das wie eine Insel wirkt. Perfekter Sound, der einen Vocaltracks dieser Art irgendwie vermissen lässt. Aber auf der Rückseite gibt es ja gleich noch einen Track mit Naté Bova, der mit perfekt sitzen- produziert, den man heutzutage ja eher für Mitternacht halten kann. Also. Beim Hören definitiv jede Lichtquelle ausmerzen und von innen zu glühen anfangen, denn genau so wirken diese Tracks am besten. Verdammt schwermütig und definitiv Musik, die einen in einen Puls versetzt, der nahe an der Psychose ist. Bis auf “Krokus” die morbideste Dial Platte ever, von der aber nur “Discribed As White” nicht ganz das Level des Labels halten kann. www.dial-rec.de BLEED ••••-••••• TELLY QUIN`S - OVER DUB [EINTAKT/005 - POSSIBLE] Die allerbeste Eintakt EP haben sie uns bis jetzt vorenthalten, denn hier vereinigen sich auf perfekte Weise Swing und Dubtechno mit richtig deepen realen Dubsounds und Ideen, wie man es sonst (abzüglich Swing) eigentlich nur von Future Dub kannte oder der ein oder anderen Ausnahmeplatte. Vier Tracks jedenfalls, die man wie einen Geheimtip behandeln sollte, denn genau das sind sie, und mit Sicherheit für alle, die Dub nicht nur als eine Unterform von Techno lieben, eine der Platten des Monats, die anderen heilen wir auch noch. Neben Telly Quin auch noch an den Knöpfen: Plastique und L&G Hemmerling. Meisterwerk. www.eintakt.de BLEED ••••• SHIROKO TENGAI - HATE THE 80S [ELECTRIC AVENUE RECORDINGS/003 - INTERGROOVE] Irgendwie konterrevolutionärer Titel, denn das ist absolut klassischer 80er Sound, auch wenn das Vocal, dass auch schon das beste an diesem irgendwie etwas flach produzierten Track ist, etwas anderes behauptet. Glücklicherweise gibt es davon einen Sascha Funke Remix und der ist nun wirklich durch und durch überzeugter 80er Jahre Hasser und vermittelt das mit einem verdammt sentimentalen trockenen Rockertrack, der mit seinen upliftenden runtergetuneten Bleeps um so mehr Euphorie erzeugt, als er sich selber irgendwie zurücknimmt. Der zweite Track des falschen Japaners ist dann ein etwas elegischerer Elektrotrack mit gehauchten Frauenvocals, aber es ist dann auch auf der Rückseite der Remix, von Toni Vokado diesmal, der mit seinem lässigen darken Shuffelbreak die Platte mögen lässt. BLEED •••••-••• SUNRISE - [ELECTRIC AVENUE RECORDINGS/005 - INTERGROOVE] Ein Projekt von Dr. Shingo und Torsten Feld, das, wenn diese Vocoderdüsterstimme am Anfang nicht gewesen wäre, mit “Taxi Alien” absolut deep und überzeugend eins der süßesten Trällermelodietechnostücke des Monats gewesen wäre. So bleibt aber leider dieses Vocal immer haften und man hat ein wenig Angst, dass es einen gleich wieder aus dieser zauberhaften Stimmung rausreißt, was es dann auch tut, aber hey, scheiss drauf, geht auch so. Kitsch, aber gut. Auf der Rückseite dann ein sehr langsamer, breitwandig angelegter Track, der klingt, als hätte jemand versucht, Ravemusik für Menschen in einer Umgebung zu schreiben, in der die Schwerkraft nur halb so schwer ist wie bei uns und deshalb alles in einem Schwebezustand verlaufen muss. Nett, aber es hätte auch gut viel mehr sein können. electicavenue-recordings.com BLEED •••• OMFO - GUTSUL ELECTRO THE REMIXES [ESSAY RECORDINGS/003] Fresh aus der Zehdenicker kommt nach langer Zeit mal wieder ein Lebenszeichen vom Label von Daniel Haaksman, der auch gleich den ersten Mix der EP macht, deren zentraler Sound die Gaijida ist, eine Art Balkan-Dudelsack. Klar verwirrt einen das und man fragt sich, wie um alles in der Welt kommen hier eigentlich Jamaika, Balkan und Indien zusammen. Aber mit ein wenig Humor, und davon hat der Track reichlich, fühlt man sich doch irgendwie wohl im Folklore-Mashup. DSL liefert einen Fip Fop Mix mit Doublebass und lässig hintenüberfallendem Shuffle. Jimpster ist mir dann aber etwas zu selbstverliebter Handbaghouse für Menschen, die, so stell ich mir sie vor, immer “Ach nee” sagen - oder was auch immer das englische Äquivalent dazu ist. Das Orginal ist cool. www.essayrecordings.com BLEED •-••••• PAROV STELAR - KISSKISS EP [ETAGE NOIR /001 - SIB] Parov Stalar heißt eigentlich Marcus Füreder. Auf der gerade fertig gebauten Etage bezieht er soeben Zimmer 001 und sorgt mit seinen Blue Notes erst mal für angemessene Beleuchtung. Und in diesem Halbdunkel aus NuJazz und House würden sich auch Ludovic Navarre und Bugge Wesseltoft wohlfühlen. Gerade klassisch muten die drei Nummern an, losgelöst vom ewigen Diktat des Neuen liegt das Augenmerk auf der Melodiosität und auf klaren Strukturen. Das kann einem dann zwar irgendwie bekannt vorkommen, wird dadurch aber nicht schlechter. Genau in die Bresche schlägt auch der Remix von Raul Irie und Michi Bex. Da ist ein Flanger schon Effekthascherei. www.etagenoir.com M.PATH.IQ •••• MIKE INK - R.E.S.P.E.C.T / NEW JACK CITY PART TWO [EXACTA.UDIO/005 - NEUTON] Da ich die Tracks ja eh hab, weiß ich nicht genau, warum diese Love Inc Tracks nun als Mike Inc rauskommen sollten, aber, sagen wir es mal so, sie kicken immer noch massiv und mit einer glücklich die Dubeffekte und 909 Kicks hämmernden Ästhetik los, die seinesgleichen sucht. Ob ihn das bewegen wird, doch die 303 wieder mal rauszuholen? Wir bezweifeln es, sind aber sicher, dass demnächst das ein oder andere Mal Leute zum DJ laufen werden, um zu checken, ob da die Picture Disc läuft oder das Rerelease. BLEED ••••• Im Mai Am 21. Juni Pascal Schäfer Dawn März The River | Limitierte 10” kk36 | cd26 kk38 CANNIBAL COOKING CLUB BUTCHERS BALL EP [CANNIBAL COOKING CLUB/001 - POSSIBLE] Auf der ersten EP dieses Labels geht es harsch zu. Klar, zu Anfang macht man keine Kompromisse. Ich bezweifle aber auch, dass sie das später tun würden. Mit Chips zwischen den Zähnen und Joysticks unter den Achseln krabbeln diese Stücke quer durch die Tracker-Gabba Nostalgie hin zu einem modernen Lofifunk für Speedfreaks und solche, die Computer für eine Kiste halten, die vor allem funkt, spuckt und stottert. Engstirnig und liebenswert. www.cannibalcookingclub.de BLEED •••• SAFARI - [FIRM/006 - KOMPAKT] Jetzt kommen sie aber, diese Kids von Firm, und wollen es mit einer Vier-Track-EP von André Kraml wissen, der so deepe und überraschend minimale Popmusik macht, dass man vom ersten Track an ganz Ohr ist. Kleinteilig, aber dennoch von einem sehr subtil dichten Vibe durchzogen, rockt das hier mit Sounds, die man definitiv noch nie gehört hat. Dennoch mit einem Groove, der es den besten Classicplatten schwer machen könnte, und dabei singt es auch noch ganz unverschämt locker auf jedem der Tracks. Kraml schafft es, jedem Track einen ganz eigenen, aber immer wieder perfekten Groove zu verleihen und diese trotz der vielen Sounds alles andere als überladen klingen zu lassen. Eine der Überraschungen aus Köln dieses Jahr. www.firmrecords.de BLEED ••••• STASHRINDER FEAT. TYREE - VIBRATION EP [FRISBEE TRACKS/061 - INTERGROOVE] Auch wenn die Vocals von Tyree Cooper irgendwie so klingen, als wäre er etwas müde, den Sprechgesang zu Technotracks zu machen, kauf ich dieser Stimme selbst die Müdigkeit als Tiefe ab. Tja. Legenden halt. Und Stashrider liefern einen soliden Strings rollenden Schieber dazu ab. Der Vocoder Mix davon ist allerdings etwas genau dieser Vocoder zuviel, denn ansonsten hätte man viel Oldschool-Spass mit diesem Track haben können. Auf der Rückseite wird dann mit “Tight Condition” erst mal Trance-Sahnesoße und auf “In The Groove” trotz kurzem Tyree Sample etwas zu sehr Schunkelacid. BLEED •••••-•• LOPAZZ - TAKE ME HOME [GET PHYSICAL/014 - INTERGROOVE] Stefan Eichinger auf Get Physical. Das ist wirklich überraschend, denn anders als der Rest der Posse produziert er ja nicht so sehr diese Art von Hitech-Disco Tracks, sondern eher sehr deepe und in der Konsequenz hypnotisch analoge Monstertracks, die eher wirken wie ein langer Jam, in dem alles auf extrem glückliche, aber sehr sentimentale Art zusammenwirkt. Auf “Migraicion” versteht man dann aber bei der subtilen Explosion der Bässe mittendrin doch wieder, warum die Wahl des Labels irgendwie trotz spanischem Gesang passt und beim super funkigen Track “Take Me Home” mit den tiefen Discovocals eh. Brilliante, relaxte Tracks, die die Discokugel durch das Lagerfeuer ersetzen. www.physical-music.com BLEED ••••• V.A. - THE 8TH STRIKE [GITAND & DWARF RECORDS/008 - INTERGROOVE] Gewohnt harte Technotracks mal mit elektroideren Basslines, mal etwas hämmernder tribalhousig, Stakkatodiscotechno oder darke Psychose, überall aber eher mittelmäßig. BLEED ••• PET - NO YES NO REMIXE [GRÖNLAND] Irgendwie klingt der “SID Rock” Remix von Michi Lange (der hier alles machen darf) verdächtig nach Tiefschwarz, so dass man eigentlich jeden Moment die Spektrum-Sängerin zu hören glaubt, aber dann wandelt sich der Track doch in einen leicht psychedelisierten Popsong um. Und weiter gehts mit dem Remix. Skurril, aber effektiv, und auf der Dubversion dann noch tiefer schwarz. www.groenland.com BLEED •••• KLANGSTABIL - TAKING NOTHING SERIOUSLY [HECKENGÄU/02 - HYMEN] Ah, Klangstabil. Bei mir immer ein Stein im Brett, wegen Böhm und der Elektrik, aber auch sonst und überhaupt. So auch hier. Unbedingt. Sechs Tracks, limitiert auf 300 Exemplare. Was als Hommage an alte Wave-Tage beginnt und in ihren düsteren Streichern und trockenen Drums die alten, heute immer noch großen Helden feiert, kippt dann plötzlich Piano-808-HipHop, um dann bei einem fast schon klassischen Klangstabil-Distortion-Monster anzukommen. Nur ... da brüllt immer jemand drüber. Wir glauben, dem geht es nicht so gut, nur brüllt er so laut, dass wir nicht wirklich verstehen, was er denn hat. Die B-Seite eröffnet dann mit Noise-Eskapade, das ist mir ein bisschen zuviel, weil, ach egal. Plötzlich dann wieder alles ruhig und verträumt und unfassbar schön, bevor alles in einem etwas überbetonten Finale andockt und für immer im Himmel abtaucht. Selten habe ich so eine breit angelegte 12” gehört. Ich kann’s nur empfehlen. www.heckengaeu.de THADDI •••••-•••• LUKE EARGOGGLE / JIRI HÖNES [HECKENGÄU/03 - HYMEN] Wir können das jetzt laut verkünden: Wave kommt zurück. Für mich ist damit wieder alles klar. Luke aus Göteborg droppt hier einen sehr charmanten LoFi-Hit, der endlich wieder nach dem Motto Platten auf den Markt bringt: Ich habe vier Spuren, ein Mikrfon, Synth und Drumcomputer ... was kann mir schon passieren!? Auf der B-Seite kommt dann Labelbetreiber Jir Hönes mit drei weiteren Beispielen für Regionalzüge im verstehen wir gut, warum Freestyle Man für seinen Thirsty Monk Mix die Einzelseite abgegraben hat, denn das swingt so lässig und pompös und kontert so gut zwischen Oldschoolacid und sattestem Housesound, dass man einfach immer wieder überrascht ist, wie er das jedesmal wieder so fresh hinbekommt. Sehr coole Platte. www.highgrade-records.de BLEED ••••• JOHN AQUAVIVA - METAL DETECTOR [HÖRSPIELMUSIK/042 - INTERGROOVE] Ich hatte das gar nicht mehr auf dem Schirm, dass Acquaviva auf Hörspielmusik Platten macht, ehrlich gesagt wusste ich gar nicht, dass er überhaupt noch Tracks macht. Diese hier sind wohl mit Chris Jordan entstanden und kommen als reduzierte, slammende Einfingertechno-Klassiker rüber, weshalb es um so alberner ist, dass auf der Rückseite der “Kiss” Track dann Index Finger Mix heißt und dabei doch irgendwie ein elektroider Discoslammer klassischer Bauart ist. Als Ganzes irgendwie etwas zu nüchtern, diese vier Mixe von zwei Tracks, stellenweise sogar etwas müde. BLEED •••-•••• TIEFSCHWARZ - BLOW [INTERNATIONAL DEEJAY GIGOLO RECORDS/137 - NEUTON] Zurück von dem EFA Chaos kickt Gigolo gleich eine ganze Menge neuer Releases, schließlich haben sie was aufzuholen und Tiefschwarz kommen uns da gerade recht mit ihrem Track von der “Fun” Compilation. Das englisch ist zwar fragwürdig, aber die Beats knallen und die Psychose wird einfach weggeschüttelt und mittendrin wird der Track auch noch immer deeper. Und für alle, die die Vocals dann doch nicht brauchen, gibt es auf der Rückseite den Dub, der Tiefschwarz langsam als rockende Konkurrenten um die Dub Krone mit den Freaks zeigt. www.gigolo-records.de BLEED ••••-••••• KIM PEERS - TELL ME MORE [INTERNATIONAL DEEJAY GIGOLO RECORDS/133 - NEUTON] Mount Sims und David Carretta remixen diesen Track des Belgischen Models, und ich muss sagen, ich glaube kaum, dass man da wirklich viel remixen kann, denn das Stück ist so eigenartig depressiv wird mit dem letzten Atemzug gehechelten Verlangens zu einem Track, der klingt, als würden selbst die Synthesizer nur noch auf Reststrom laufen, was ganz schön magisch klingt und diese Magie schlichtweg von allem zerstört werden dürfte, was da noch dazu kommt. Mount Sims wagt es mit einem Sound, der klingt, als würde er zu einer Beerdigung auf Highheels stolzieren und dabei eine E-Gitarre im Halfter tragen, was zumindest für die Cowboys unter euch irgendwie ein Showdown ist, und auch der David Carretta Mix, erstmals auf dieser EP mit Clubtempo, schafft es, diese schwül tragische Stimmung in einen schleppenden Groove zu verpacken und hält sich ansonsten glücklicherweise zurück. Eigenwillig darke, aber nicht gesteltz wirkende Platte. www.gigolo-records.de BLEED •••••-•••• MOUNT SIMS - NO YELLOW LINES / RESTLESS [INTERNATIONAL DEEJAY GIGOLO RECORDS/135 - NEUTON] Irgendwie komme ich nicht so ganz mit den Vocals von Mount Sims klar, was dann natürlich etwas problematisch ist, denn darauf verlässt sich alles, obwohl ich den Approach dieser Lofi-PunkSounds mag, und durchaus verstehen kann, dass man irgendwie ein Fan von Mount Sims werden kann, weil er so nölig nach Straßenköter klingt, der man ja selber auch immer ist. Wavige Musik durch und durch mit einer strangen Form von Tragik, die man aber zumindest nicht einmal verdächtig, gespielt zu sein. www.gigolo-records.de BLEED •••• PSYCHONAUTS - WORLD KEEPS TURNING [INTERNATIONAL DEEJAY GIGOLO RECORDS/134 - NEUTON] Irgendwie war Gigolo noch nie so eindeutig ein Wavelabel wie das zur Zeit der Fall ist, das zeigt auch die Auswahl dieses Tracks als Auskopplung aus dem Psychonauts Album, denn da wäre ja alles Mögliche möglich gewesen. Hier jedenfalls Breitwandtragik auf vier Seiten Vinyl mit zwei Remixen von The Emperor Machine, die brilliant wie immer zwischen Oldschool und Analogfetischismus pumpen, was die Kisten hergeben, glücklicherweise auch für alle, die diese Art von Vocals etwas zu eindeutig finden als Dub für die Neodisco. Als Abschluss noch ein etwas polierter Nighttimeminimalgroove in gespenstisch von Highfish und Zander, die aber irgendwie mit der Stimme nur so halb klar kommen, denn sie liegt einfach, was in diesem Remix irgendwie ja auch passen mag, so weit draußen vor den Toren der Seele. www.gigolo-records.de BLEED ••••-••••• MINIMAL ALLSTARS - RADICAL RHYTHM [ITALIC/038 - KOMPAKT] Nach den verdammt erfrischenden Ausflügen mit dem Anti Establishment fällt Italic hier auf die glitzernden Pfoten und präsentiert mit Automatique, Einmusik, Skua Lovell und A Rocket In Dub eine EP, die sich gerne mal, wie z.B. auf “Attachments” von Automatique (der Click Thread sollte wieder eröffnet werden), als klassischer Kölner Melodie-Sequenz-Techno tarnt, dann aber plötzlich die große Disco beschwört. Skua Lovelle war ja schon auf seiner “The Morris Jessup Rise” EP eine Ausnahmeerscheinung, die man eher zufällig auf dem Dancefloor trifft und mit “Molloy Deep” lässt er die Perlen noch langsamer in die Muschel unseres Funkherzens fallen. Einmusik, die Raveschweine, wollen auf die Mayday und würden alles dafür tun. Kein Wunder, dass sie es auf “Devotion” so rausschreien. Aber im Gegensatz zu den den Geschichte. Die Rückseite wirkt etwas clubbiger und deeper und lässt im Break ein kleines Ravestakkato in sehr breitem Dub aufgehen. Eigenwillige Oldschoolbreitwand EP mit viel Charme und ebensoviel Wucht. www.kanzleramt.com BLEED ••••-••••• ALEXANDER KOWALSKI - DAYS OF THE LIAR / LOCK ME UP REMIXES [KANZLERAMT/108 - NEUTON] Joris Voorn gibt Days Of The Liar ein sehr massives breakiges Rework, dass soviel mit Raverauschen arbeitet, dass man das Gefühl hat, in dem Track zu waten, weshalb Strings dann mittendrin umso passender sind, aber dennoch im Ganzen den Track etwas zu verwaschen wirken lassen. Klarer und direkter auf der Rückseite Naughty, der einen klassischen Clubdub mit Soul aus Lock Me Up macht, der jedem passen dürfte, der zwischen Fabrice Lig und Acid nach dem kurzen, süchtig machenden großen Popentwurf sucht. www.kanzleramt.com BLEED ••••-••••• FLASH GOLDEN - APPLIED ART [KAZUMI/047 - NEUTON] Wie immer bei Kazumi wird auch hier die härtere Technogangart eingeschlagen, aber die Tracks von Flash Gorden haben eine Tiefe, die nicht nur durch das endlos offene Reverb erzeugt werden, sondern irgendwie z.B. “Arrival” klingen lassen wie eine große blaue Welle, auf der man nur stehen bleiben muss, um den Boden immer wieder ansteigen zu fühlen, obwohl man sich eigentlich immer tiefer in die Zeit hinein bewegt. Sehr schön und dabei doch sehr einfach. Auch die Rückseite mit “Blacksmiths Henchman” bleibt diesem funkig schwelenden breiten Ravesound treu, der immer wieder Phasereffekte und Beats so verschmelzen lässt, dass es gar keine Frage ist, dass die Tracks auf dem Dancefloor alle bewegen dürften. “Crafty Goblin”, das sagt schon der Titel, ist dann allerdings etwas zu gewollt dark geworden und nagt etwas zu genüsslich an dieser eigentlich belanglosen Sequenz herum. www.pornostarmusic.com/ BLEED •••••-••• V.A. - SPREAD THE GROOVE 3 [KIDDAZ.FM/040 - INTERGROOVE] Minicompilation mit vier Tracks, die stolz die Flamme des satten Technogroove tragen, der dennoch nicht einfach so als Gebretter vereinnahmt werden will und auf “Solid Commotion” von Lyric Johnson schon so außerirdisch mit einer Dynamik in den Sounds arbeitet, dass ich kompletter Fan dieses Tracks bin. Was für ein subtiles Monster. Pre Modelo wandelt dann HipHop Sounds perfekt in harten Technofunk um und auf der Rückseite geht es mit einem sehr deepen Track von Kaderhaim weiter. Zum Abschluss darf DJ Gansta die Oldschoolkeule rausholen. Eine meiner Lieblings-EPs auf Kiddaz. www.kiddazfm.de BLEED ••••• PET DUO FEAT. HOLGI STAR & STEREO JACK KAPUTT EP [KILLAZ/001 - INTERGROOVE] Kiddaz hat jetzt ein Sublabel für harten Techno. Ja, richtig verstanden. Die Kiddaz Tracks, das ist doch alles Musik für Weicheier. Hier darf sich wirklich im Stahlbad gesuhlt und am Hochofen auf Speed gehämmert werden. Nun ja. BLEED ••• STEREOTYP MEETS AL HACA - PHASE TWO [KLEIN RECORDS/054] Sehr lässige, sehr moderne Raggatracks mit viel HipHopflavour kommen hier aus der Kooperationsschmiede von Stereotyp und dem Al-Haca Soundsystem, die über steppende Beats eine Variation nach der anderen droppen, die extrem schnell und beweglich die Toaster schlängeln und die Beats sehr frisch und klappernd einiges von den Tänzern fordern lässt. Skurril der Dubsteppertrack “Um Beijo” mit den portugiesischen Lyrics und dem spinettartigen Sound und für Freunde des abstrakten Ragga gibt es dann noch “Modern Times” mit einem feat. von Alley Cat. Fresh. www.kleinrecords.com BLEED •••• CHRISTIAN RIBAS - A3XX BIGBAND UND SAMPLER [KNISTERN/4] Knistern wird mit dem vierten Release zu einer echten Funk-Schleuder. Bearbeitete Loops von Jazz-Aufnahmen kombinieren sich mit digitalen Effekten zu einem Bigband-Groove, der zwischen Southern Soul und einarmigen Banditen eine Menge Spaß mit sich selbst hat. Auch zu dieser Single gibt es wie zu allen anderen Knistern-Releases ein Diagramm zur Aufnahme-Konstellation. Dessen grafische Strenge hätte diesmal aber mit ein paar Blumenzeichnungen umrandet werden müssen, um der Musik zu entsprechen. Die vier Aufnahmen auf A3XX haben oft den naiven Charme von Jean Jaques Perrys Experimenten aus den späten 60ern, als man mit Entdeckerfreude den neuen elektronischen Klängen lauschte, die man aber immer in ein konventionelles Setting stellen zu müssen glaubte. Wenn auf Knistern 5 zu diesem Brassrock-Späßchen noch eine Spur Hippie-Latin dazu kommt, rufe ich beglückt ein Carla-Bley-Minirevival aus. JEEP •••• KAITO - SOUL OF HEART [KOMPAKT /099 - KOMPAKT] Da ist er wieder unser japanischer Schmusetiger. Zwei neue Tracks hat er mitgebracht, die wieder Herzen schmelzen und Dämme brechen lassen. Episch, schwelgend und mit dem Himmel voller Geigen. Da kocht einem glatt das Serotonin über. Ganz ohne Pillen. Dabei natürlich immer ganz arg hart am Kitsch aber doch irgendwie sympathisch. Nicht jedermanns Sache, aber manchmal ist so <41> - DE:BUG.83 - 06.2004 BRD <42> - DE:BUG.83 - 06.2004 BRD • = NEIN / ••••• = JA ein Trance-Husarenritt in den Sonnenuntergang sehr berfreiend. SVEN.VT •••-•••• MOON HARBOUR INHOUSE FLIGHTS PART TWO [MOON HARBOUR/015 - INTERGROOVE] Je später der Abend, desto direkter wird es auch bei den Moonharbour Nächten zur Zeit. Kein Wunder, dass diese zweite EP genau das reflektiert. Den kickenderen, fordernderen Housesound, der dennoch seine Tiefe bewahrt. Den Anfang machen hier Goldfish & Der Dulz mit einem weiteren Exclusivtrack voller upliftender und perlend leichter Melodien, bei denen Brett Johnson das Wasser in den Augen stehen dürfte. Marlow kommt mit “Dancando”, wie der Titel schon nahelegt, auf den Latintrip, führt den aber mit einer Drehung aus, die trotz Percussion eher auf den inneren Weg hinaus will und ganz Konzentration ist. Frankman und Matthias Tanzman lassen die Basslines dann noch einmal durch das Dunkel flirren wie die Lichter einer Discokugel und zum Abschluss könnte kein Saxophon sweeter tuscheln als das von Hakan Lidbos “Overnight”. www.moonharbour.de BLEED ••••• VON SPAR - VIELEN DANK FÜR IHR VERSTÄNDNIS VOL2 [L`AGE D`OR] Schon merkwürdig, wenn man so eine Platte irgendwie als totale Trendmusik hören kann. Deathdisco, ihr wisst schon, das könnte auch auf Tigersushi oder Gigolo... Aber genug Geschwätz. Vocals total verblödet und rocken trotzdem, aber irgendwie auch nicht so weit weg von Kid Alex, gell? Egal, amüsant ist das trotzdem und weniger die 100. Bestätigung eines längst fälligen Revivals, sondern irgendwie trashige Unterhaltung, die selbst im Blind Dog Break Mix mit seiner Oldschoolorgelrave meets. Punkgenöle Attitude oder dem Thomas Schumacher Mix Spass macht. BLEED •••• COMMERCIAL BREAKUP - HOLDING ON [LADOMAT - DISCOMANIA] Matthias Schaffhäuser wird bei Remixen manchmal etwas zu kommerziell, oder sagt man professionell, oder sagt man kalkulierend, oder sagt man, er glaubt, er hätte ein Full House und hat dann doch nur ein Abbild statt einem Blatt. Das passiert den Wighnomys nicht, denn sie lassen Breakup vorweg singen und reiben den Track dann mit ihrer Spezialmischung aus Schaffelbassline und knorkem Zauselfunk ein und benutzen die Vocals wie Räucherkerzchen, über die die beiden bärtigen Brüder genüsslich schaukelnd dem Bassgott huldigen. Killertrack, das. Jens Harke ist bis zum Break pure Bumsdisko (sorry, Dorfdisco) und wird dann mit seinem elektronischen Akkordeon irgendwie doch noch ganz nett, aber versaut es sich durch einen Vocalausflug in Darkness wieder. Erobique hingegen, großer Mann, immer wieder, lässt Commercial Breakup einfach die Beatles sein, warum nicht. BLEED •••••-•• J.L.HUHTA & NIKLAS ON SAX / ALLANFORT IL LEONE SPIRITOSO [LEBENSFREUDE/002 - INTERGROOVE] Ganz schön verstrahlt dieser Track mit einem Saxophon, das von ganz weit unten angespukt kommt und sich wie eine Decke über die stolpernden Beats legt. Ein Track, wie gemacht für die leicht angeschossene Afterhour. Leider können die anderen drei Tracks nicht ganz so überzeugen. Die B-Seite verliert sich ein wenig in rockigen Basslines und Joy-Division-Düsterkeit. Nicht so gut, wie die erste EP auf Lebensfreude, aber dieser Saxophon-Track, der hat es in sich. SVEN.VT ••••-••• LEN FAKI - FIGURE 2 [LEN SERIES/002 - INTERGROOVE] Drei solide sequentielle Technotracks, die voller Rave und Discoenergie stecken und mit Stabs nicht gerade schonend umgehen, sondern richtig loswuchten. Oldschool aber mit voller Wucht oder auch strange gesummte Terrortribalsounds. Eine Platte, die jedem, der Techno hart, wild und dennoch upliftend mag, empfohlen werden kann. BLEED •••• WATER LILLY - YOU REMIX KISSES [MENTAL GROOVE/036 - NEUTON] Savas Pascalidis, eh grade stark auf dem Vormarsch, macht hier einen seiner deepesten Tracks als Remix des Killertracks von Water Lilly so lässig mit links und in einem so ultra transparenten Sound, dass man am liebsten mit der Platte sofort in den nächsten Club wandern möchte, den DJ kurz festschnallen und losrocken. Was für Rimshots allein, und dann kommt da irgendwann, nach dem einem der Track 1000 Küsse auf die Ohren gegeben hat, noch diese extratiefe Elektrobassline. Mr. Lovelace hat es dagegen schon echt schwer und wirkt erst mal etwas polternd, so dass auch die guten Jonglierarbeiten mit den 808 Sounds nicht ganz bewirken, dass man so loslässt, aber je länger der Track rockt, desto mehr überzeugt er einen mit seinem Stakkatodetroitdiscobeat. Auf der Rückseite dann Steril mit einem sehr sympathischen einfachen Elektrodiscorelaxstück und die etwas langweilige ambiente Version von Legowelt sowie das nach diesen stellenweise grandiosen Remixen zu stampfig wirkende Orginal. www.mentalgroove.ch BLEED •••••-••• MOON HARBOUR INHOUSE FLIGHTS - PART ONE [MOON HARBOUR/014 - INTERGROOVE] Nach langer Zeit hier nun endlich nicht nur eine Mix CD von Marlow, sondern gleichzeitig eine Labelcompilation, die auf Vinyl mit allen exklusiven Tracks auf zwei EPs erscheint. Für den vielleicht etwas zu klassischen jazzigen Deephouse am Anfang sorgt Jan Krüger mit einem rhodesdurchsetzten Fundament für den Dancefloor, Matthias Tanzmann aber geht schon einen Schritt weiter und lässt tiefe Dubwelten in den immer sehr auf runde Basslines bedachten Sound eintauchen, zu deren Ehren John Dahlbäck gleich alles aufgibt und sich mit nur leichten funkigen Schnippseln in ihnen suhlt als wären sie ein Sonnenbad. Zum Abschluss dann “Gentleness” von der ersten EP des Labels, ein Track der nochmal zeigt, dass Moon Harbour von Anfang an gleich mit einem der bestimmendsten deepen Housesounds Deutschlands gestartet ist und mehr Momente hat, an die man sich immer wieder gerne erinnert, als man zunächst vielleicht denken würde. www.moonharbour.de BLEED ••••-••••• ROBAG WRUHME - WUZZLEBUD “KK” [MUSIK KRAUSE/011 - KOMPAKT] Ich hab diesen “Wuzzlebud “KK”” Track jetzt schon so im Ohr, dass ich glaube ich hätte ihn schon immer gekannt. Kein Wunder, denn Robag spielt hier mit einer Idee von Oldschool, die jedem Acid-Fanatiker den Weg in den nächsten Himmel zeigt und lässt dennoch nicht von seiner extrem digitalisierten Soundästhethik ab, warum auch. Über dem Track schwebt eine extrem kurzgehaltene Stimme, die in sich schon zusammenfasst, was der Track sonst auch mit den extrem reduzierten aber dennoch weit geöffneten Hallräumen und dem rudimentär jackenden Groove in Salzlaken der Trockenheit schafft. Knallig bis zum Umfallen zu sein, und dennoch immer extrem subtil und vertrackt. So sollte jeder Hit sein, und wir könnten behaupten, wir wären wirklich mal einen ganzen Riesenschritt weitergekommen. Auf der Rückseite dann noch zwei Tracks, die nicht auf dem kommenden Album erscheinen werden, “Quetsche” mit seinen vertrackt knisternden Swingergrooves, die den Dancefloor von unten aushebeln und brummen und schnurren lassen wie ein Fusionsmotor, über den oben die Blitze der Entladungen huschen, und “Konkklusiv” mit seinen kurzangeleinten Basslines und dem flirrend tackernden Spiel zwischen Weite, Wellen und rippelnden Oberflächen aus purer kleinteiligster Spannung. Und noch viel mehr davon und warum eigentlich jeder heutzutage Robag Wruhme Fan ist dann auf dem in Kürze folgenden Album. www.musikkrause.de BLEED ••••• GOLDFRAPP VS. MANTRONIX - TWIST [MUTE] Zwei Tracks fürs Orientdiscotaxi. Breitwandig dahergeschnulzt und mit Pailleten auf den Vocals. BLEED •• MEDIENGRUPPE TELEKOMMANDER - TREND [MUTE] Tja, da ist sie nun die erste EP für Mute, und eigentlich ist nicht groß was drauf, was es vorher nicht schon auf den Enduro Platten gab, nur eben viele Remixe von Trend, die man irgendwie nicht so wirklich braucht. Moabeat machen ihre Sache mit einem überfüllten Dubdiwaliclash zwar ganz gut, und Smash TV rocken es auch, aber letztendlich mag ich beide lieber, wenn sie nicht remixen, und, na ja. Trend finde ich aber nach wie vor gut und das Cover hat schon seinen Reiz. Wer aber wissen will, was Mediengruppe Telekommander eigentlich ist, der sollte doch nochmal die beiden Enduro EPs suchen gehen. BLEED •••••-.••• GOLDFRAPP - TWIST REMIXES [MUTE RECORDS - NEUTON] Auf der A-Seite Jacques Lu Cont, der Les Rhythmes Digitales-Mann mit dem Rotschopf, der sich als Electroclasher an den Goldfrapp Vocals mit slammendem Synthclashsound versucht, der durchaus den Großen des Genres das Wasser reichen kann und im Hintergrund sogar richtig deep säuselt, so dass ich dachte, ich hätte irgendwo am Ende des langen Flurs mein Telefon verloren, was den, mir vor allem immer wieder im Video auffallenden, psychedelischen Unterton von Goldfrapp extrem gut zu Gesicht steht. Ein Crossoverhit mit nicht zu unterschätzendem Potential. Auf der Rückseite ein klarer für die Minidisco konzipierter Mix von Schaffhäuser und Wesseling, die zwar ganz gut rocken, sich aber auch hier etwas daran überheben, dass ein Remix nicht einfach eine Aufgabe ist, die danach fragt, dass man die Samples brav verwendet und den erwarteten Stil abliefert, sondern auch da einen Track daraus macht, der von Anfang bis Ende stimmig ist, und nicht so Stückwerk bleibt. www.mute.de BLEED •••••-••• PARADROID - COARSE GRAIN MODELLING [OVER-X RECORDS/006 - POSSIBLE] Paradroid (of Boogizm Fame, und was für ein Fame, Boogizm, oh Mann, das ist ein Label, konkurrenzlos auf einsamen Pfaden und immer.... aber zurück zur Platte) lässt Elektro Elektro sein und macht lieber Micromusik mit dem dezenten Gestus, nein, es muss nicht immer House sein, wozu auch, welche Aliens tanzen schon zu Housemusik. Wer sagt uns denn, dass die auch zwei Beine haben, und nicht etwa, was wahrscheinlicher wäre, ! Beine, wenn man die denn überhaupt so nennen will. Tanzen aber wollen sie auf jeden Fall, und zu nichts geht das besser als zu diesen Mon- New Standa techno releases from Bratislava: *" V.A.- remixes (Olga+Jozef #9) ( Mark Broom, Takaaki Itoh, Gitka, Boss, HU Rumenige feat. Loktibrada, Zdenek Sychrava ) *" Evergreens and Everblacks A Standa dj mix by Loktibrada and Rumenige (Antidandruff 5.0 CD) inc. tracks from labels: O+J, Tsunami, Backstage Palicavonzvreca, Wols, Numb, Antidandruff, ... *" HU - Wishful Thinking (Backstage #5) *"Dj Boss - Mastership EP (Dole-Gate #1) # Takaaki Itoh - NCTWEO EP (Wols #2) distribution: * www.undercity-072.com " www.jaxxrecords.com # www.pureplastic.co.uk/distribution/index.html sterschiebern der vierten Art von Paradroid, der jede Sequenz klingen lässt, als würde sie sich von selbst noch mal Fortpflanzen und seltsame, aber wohldurftend schmeckende Blumen in den Sound setzen. Psychotrop schillerndes und farbenfrohes Meisterwerk, diese Platte. Und was für ein Sound! www.overdrive.de BLEED ••••• leichter wirken wie auf “Old Shirt”, wirken dabei aber ebenso passend wie der “Mandate My Ass”Nachfolger “Lovegame”. Wir sind ziemlich sicher, dass sich nach dieser Platte, die extrem für sich steht, obwohl mitten im größten Dancefloorhype dieser Zeit, alle Welt um Le Dust Sucker reißen wird. BLEED ••••• JICHAEL MACKSON - THE BLOWJOB [PASTAMUSIK - NEUTON] Dafür bekämen sie in Amerika den Entertainment Nobelpreis. Ah, wofür, ihr seht das ja gar nicht, das zum Titel handverlesene Cover mit dem Baby im Pusteblumenmeer. Das ist Freude pur, sag ich euch. Und die Tracks erst. Acid pur, Tiefe nur, leicht aus der Spurrille und wie immer auf Pastamusik bis ins Letzte ein Killer. Tuschelnd und drängelnd, morbide und upliftend, psychedelisch und roh durchgerockt, spleenig swingend und manisch albern bei aller Lässigkeit. Vier Tracks, die sich nichts vorschreiben lassen, sondern alles besser wissen müssen, weil sie sich die Grenzen selber bauen, wie einen Staudamm im Sandkasten, den es danach möglichst elegant zu umschiffen gilt. Definitiv eine der floatendsten Platten des Monats, die Dubadepten genau so gefallen dürfte wie jedem Oldschoolmaschinisten, den Funkliebhabern ebenso wie dem Urgesteinraver. www.pastamusik.de BLEED ••••• INVERSE CINEMATICS - DETROIT JAZZIN´ [PULVER/016] Joachim Thomas und Danilo Plessow kehren mal wieder zurück an das Pulverfass, wo mit der Slow Swing EP der Weg begann. Und schon mit dem Namen dieses Nachfolgers leuchtet wieder sofort ein, warum sie zuletzt noch insbesondere mit ihrer 12” auf Zero dBs Fluid Ounce einen explosiven Reisestopp einlegten. Der Pianist ist also erschossen - glaubt man noch beim Opener, der mit seinem funky Beatflow und der Kontrabasslinie die Jazzsamples derart swingt, dass auch Basecaps auf Uptempo clappen. Doch der Irrglaube wird bereits bei Sine-Flow Disco entlarvt. Zwischen ekstatisch gesteigertem Detroit und massivem Rio kann allerdings von Flow-Verlust nicht die Rede sein. Killer! Dass die Inverse Cinematics ihren Style dann auch noch bei April Four für den atemlosen After-Chill daheim souverän ausdefinieren, zeigt nur ein weiteres Mal, dass da noch einiges mehr kommen wird. Ebenso verhält es sich mit der jüngst erst auf der Pulverising Green abgefeierten All Good Funk Alliance. Ihr Remix von Detroit Jazzin´ ergänzt die EP um das Element des Hypnofunkdubs. Hier werden Hits verpulvert. M.PATH.IQ ••••• NARCOTIC SYNTAX - CALCULATED EXTRAVAGANT LICENTIOUSNESS EP [PERLON/039 - NEUTON] Klar, das ist schon ein ziemlicher Trip diese Platte mit ihrem Sprechgesang und den sehr dichten warpig verdrehten Beats und Sounds, die einem hinter den Augenliedern flackern, als hätte man doch noch die vernetzten Kontaktlinsen aufgelassen und wäre mal wieder damit eingeschlafen. Solche Träume sind die Folge dieser Unvorsicht. Noch elegischer und immer noch mit Sprechgesang das fast latinartige “Romantic Infinity” mit seinen Beats, die klingen, als wären sie ganze Straßenzüge lang geschlichen, bevor sie zu unseren Ohren dringen. Als Killer dann noch auf der Rückseite das hyperaktive “Drumpads Of Jericho”, das so überbordender Microhouse ohne viel Schnörkel ist, das man es gerne rocken wird, wann immer man den Floor zusammenmashen möchte. Killerrelease. Wie so oft auf Perlon ultra trocken und funky bis ins Letzte. www.perlon.net BLEED ••••• MOTORSOUL TRAX VOL.1 - CHAPTER 3 [PHILPOT/008 - WORDANDSOUND] Der letzte Teil der 12” Serie zur Compilation des Labels kommt mit zwei exklusiven Tracks nur auf Vinyl. Phlegmatics Percussionworkout mit einem verdammt überzeugenden Theo Parrish Flavour, das mit “Hanging On A Tree” genau diese Art von Phlegma und Tiefe trifft die der Track widerspiegelt und The Mole mit “On A Day Like Today”, das mit seinen strangen im Hintergrund herumlungernden Soulsamples mindestens genau so deep ist. Die souligste, schwärzeste und mit Sicherheit zeitloseste aller Philpot-Platten. www.philpot-records.net BLEED ••••• MELCHIOR PRODUCTIONS - THE MEANING [PLAYHOUSE/094 - NEUTON] Ich kenne keine Art von Housemusik, die auf mich optimistischer wirkt als diese Tracks von Melchior auch auf dem Album für Playhouse wirken. 8 Stücke, von denen jedes einzelne mich bis in die letzte Phaser grinsen lässt und dabei eigentlich jeden auf den Dancefloor hüpfen lassen müsste, denn dieser Groove, den die Tracks haben, ist einfach so direkt und dabei so überdreht funky, dass es gar nicht anders geht. Und merkwürdigerweise wirken die Tracks von Melchior dabei auf den ersten Blick auch noch immer so einfach, so als würden sie ihm einfach aus dem Equipment fallen. Perfekt und spartanisch geschnittene Grooves, die einfach immer den Nerv treffen und dabei überhaupt nicht darauf aus sind irgendwie zeitgemäß zu sein, sondern großes Vorrecht von Housemusik, die auch vor zehn Jahren irgendwie perfekt gepasst hätten und auch in zehn Jahren noch perfekt sind. Eine der glücklich und süchtig machendsten Platten, die ich mir für diesen Sommer vorstellen kann. Auf der CD gibt es zusätzlich noch die Bonus-CD mit den Tracks seines Label Aspect Music. Das sollte man auf keinen Fall verpassen. BLEED ••••• VILLALOBOS - ALCACHOFA REMIXES [PLAYHOUSE/093 - NEUTON] Die sparen aber gerade nicht an Monsterreleases, die Playhouse-Kids. Längst fällig kommen jetzt die Remixe eines der überragendsten Alben des letzten Jahres, Ricardos “Alcachofa” und, das wissen wir schon, bevor wir es gehört haben, das kann nur eklektizistisch werden, denn an diesen Sound kommt man stilistisch sonst einfach nicht ran. Two Lone Swordsmen eröffnen das Ganze mit einem eher an die schlapperen Phasen ihres Albums erinnernden Wavetrack, der mal “Dexter” war, und der Rest der Bande nimmt sich dann “Easy Lee” vor. Smith’n’Hack mit einem Triolenvocodermix und stompendem Disco-Flavour-Urgestein, der ganz gut ist, aber an das Orginal nicht mal entfernt rankommt. Auf der zweiten EP geht es dann mit Soul Capsule weiter und hier beginnt man schon am Intro zu spüren, dass der beste Weg, mit dem Track umzugehen, genau der ist, schonungslos auf den Hit-Charakter des Tracks bauen und ihn einfach sowohl schonen als auch unverschämt sich selber zu eigen machen und dabei irgendwie auch noch augenzwinkernd albern rüberkommt, weshalb Melchior wahrscheinlich wohl auch noch einen zweiten Remix machen durfte, den London Bootleg Mix, der schnippisch die Samples mit einem Soultrack verschneidet. Brilliant das und funky wie Hölle. Auf der Rückseite kommt dann Jay Haze mit seinem Mix, und auch der nähert sich dem Track seht gut und lässt trotzdem alles anders wirken. Was bei Ricardo ein Plockern war, ist hier ein Blubbern und was an dem Orginal Halluzinogen wirkte, wirkt hier out of its mind. Und auf die typischen Jay Haze Dubs an gelegentlichen Kanten muss man auch nicht verzichten. Der Cassy Lee Mix ist ein Accapella mit Frauenstimme, die es vielleicht sogar immer schon war, wer weiß das bei solchen extrem bearbeiteten Vocals. Nächste Remix Doppel EP vom Album bitte, denn da war doch nun wirklich einiges mehr an Hits drauf als nur Easy Lee. BLEED •••••-••• RECLOOSE - CARDIOLOGY (ISOLEE MIX) [PLAYHOUSE/095 - NEUTON] Ich vermute mal, diese Platte kommt wirklich als singlesided raus, und das, weil man ja immer wieder gerne daran glaubt, dass Isolée Tracks macht, die so aus allem anderen herausstechen, dass man sie einfach nur alleine verstehen kann. Der Remix des Recloose Tracks jedenfalls verheißt von Beginn an eine solche Spannung zwischen Jazz und feinst geschnittener Microhouse-Slammer-Attitüde, die einen aber dennoch nicht auf dieses Aufblitzen der Bassline vorbereiten kann, die soviel Funk hat, dass man in die Knie gehen müsste. Was für ein Track, und dabei so locker, als wäre er wie von selbst entstanden. Jazzdub der einen endlich mal wieder weiterbringt. Da müssen die Freaks jetzt aber gewaltig aufholen. BLEED ••••• LE DUST SUCKER - LE DUST SUCKER LP [PLONG!/012 - KOMPAKT] Böse ist diese Platte, daran lässt der Opener, “(Formally Known As) Satisfaction” keinen Zweifel. Hier wird nicht mit Elektrobeats und clashiger Rockattitude rumgespaßt, nö, hier wird gegraben und wenn dabei böse slammende Dancefloor Tracks rauskommen, dann erscheint das fast eher zufällig, denn das Album ist ein Workout, eine wuchtige Scheibe mit 8 Tracks, die klingen, als wollten die Dust Sucker mit jedem einzelnen der Tracks aus allem ausbrechen und Death Disco nich nur zur Reminiszenz machen, sondern zu einer Wahrheit, aus der man herausbrechen muss, um wirklich Death Disco sein zu können. Die wenigen Momente, in denen Le Dust Sucker irgendwie lockerlassen und ein wenig poppiger und PASCAL FEOS - SELF REFLECTION REMIXES [PV RECORDS/069 - INTERGROOVE] Kowalski und Kauffelt machen die Remixe, von denen natürlich Kowalski erst mal wuchtiger, aber überraschenderweise auch mit mehr Popappeal daherkommt. Darker als auf seinen eigenen Tracks aber ist der Remix dann auch nicht ganz so zwingend, und der Kauffelt Remix einfach etwas zu sehr das typische Looptechnostakkato, dass vor allem für Freunde metabolischer Drogen wirken dürfte. BLEED ••••-••• LOVERSROCK - BRIAN [RESEARCH RECORDS/005 - WAS] C/Rock’s Label wird von Jörg Rosenbaum und Sören Rück wiederbelebt. Frankfurt hat’s gut. Loversrock sind Oliver Mohnsame und Bruno Harth, und sie lassen sich zunächst mal von Destillat einen Dub maßschneidern, der so verdreht und fundamental ist, so funky und spleenig, dass man ihn einfach nicht oft genug abfeiern kann, denn hier stimmt bis auf den letzten verdrehten Synthesizer-Klang einfach alles und alles zeugt von einer immer mehr ins endlose gesteigerten Größe. Der Mohnsame & Harth Remix knallt mit einem sehr direkten Sound aber auch gewaltig und schiebt sich als kleines feines Funkmonster auch in die vorderste Reihe der zeitlosen Grooves für ein befreites 21. Jahrhundert. Das Orginal ist ein poppig quiekendes Stück Downtempopop für Freunde des instrumentalen Glücks. BLEED ••••• TIGERSKIN - DANCE NOW [RESOPAL SCHALLWARE/016 - NEUTON] Braucht man einem eigentlich nicht zweimal zu sagen bei so einem Track. Tigerskin aka Dub Taylor hat seinen Sound noch mal transparenter und kickender gemacht und lässt einen auf “Dance Now” auf die Knie fallen vor lauter Gnade. Was für ein Monstertrack. Und was für ein Popappeal dieser Track hat, ohne dabei aus den Gewässern der Neodisco herauszusegeln. Verdrehte Seele, verkappte Eleganz, zwingender Hit mit den albernsten Hithouse-Melodien, die ich seit langem irgendwo gehört habe. Auf der Rückseite dann mit “Work Ya Bodee” ein 808-Oldschool-Motherfucker, der einen komplett versenken kann mit seinem Gemauschel aus Sequenzen und Basslines und dem Stolz zum Millionensten Mal immer noch frischen “Work Your Body” Sample. Den Abschluss macht ein leicht balearischer Acidknarzpercussionjazz-Track mit dezenter Bootysubroutine. Tigerskin rockt und im Herbst kommt auch noch ein Album. www.resopal-schallware.com BLEED ••••• D DIGGLER - RÄTSELRAUSCH [RESOPAL SCHALLWARE/017 - NEUTON] Irgendwie, finde ich, hat Diggler auf der A-Seite so ein wenig den Faden verloren. Eher munter dahinhüpfende Beats mit dezentem Oldschoolfaktor, aber dazu eine dieser typischen Ravebrummelbasslines, die man eigentlich so nicht mehr hören kann und die danach dann irgendwie wieder so stark abfallen... Das dürfte zwar funktionieren, hinterlässt aber doch einen leicht schalen Nachgeschmack. Glücklicherweise unterlässt er das auf “Tropenfische” dann und besinnt sich auf einen gut treibenden Oldschoolgroove mit leicht angeschrägten Ravesynthesizern für ein pures, funkiges Tool. “Wasserstrasse” ist dann ein dubbigerer, leicht derangierter Track für Freunde des starren Blicks hinter dem Aquarium. www.resopal-schallware.com BLEED •••• V.A. - WIR GRÜSSEN UNSERE MAMIS [ROBOX NEOTECH/001 - POSSIBLE] Ihr glaubt mir eh nicht, dass diese Platte aus Augsburg kommt. Mörderstyle Elektrobreaks mit funky Trashcanhopflavour von einer Posse, die keine Gnade kennt, nur Verzerrung und Basslines, Zerrungen, Prellungen, Schürfwunden. Wenn die so nach Hause kommen, ist Mami bestimmt entzückt, weshalb das Ganze wohl auch lieber auf die dezente Grußkarte in Vinyl kommt. 7 Tracks voller Slammer und Gemeinheiten für alle, die es immer noch nicht lassen können, ihr Spielzeug auseinanderzunehmen und wieder zusammenzubauen, egal, ob es danach aussieht, als käme es von einer Freakshow und die Funktionen eher störrisch und willkürlich rüberkommen. Hauptsache es blinkt und zeugt von einer anderen Welt als der glatten, blöden, langweiligen der Stylefetischisten. Schön. Wir sind sicher, noch mehr von der Posse zu hören. www.robox-neotech.de BLEED ••••• DJ BASS - BALLIN EP [SALSA! PACO RECORDS/002] Irgendwie sehr bootige Platte mit brummelndem Elektrobass und sehr rollendem Flavour, dass auch dem ein oder anderen Oldschoolfan gut passen dürfte. Die Rückseite, die noch klarer Oldschool ist und nicht ganz so sehr auf grollende Bassline vertraut, finde ich aber dennoch um Längen besser, denn hier haben die Beats einfach den Raum, den sie verdienen. BLEED •••••-•••• MISC - ROCKET SKATIN REMIXES [SENDER RECORDS/038 - KOMPAKT] Pan/Tone, Matthias Schaffhäuser, Basteroid und Frank Martiniq. Na wenn das kein Fest ist. Klar rockt Pan/Tone erst mal vorweg mit seiner sehr speziellen Roadkillattitude noch darker und zwingender als Misc, aber auch Schaffhäuser lässt die Bassline bluten und steppt mitten in den Albtraum eines klackernden Sensenträgers hinein. Für unsere eher Funk-orientierten Freunde des Dancefloors gibt es dann auf der Rückseite den untergründig schwelenden Mix von Basteroid, der schwer angeschnitten Gas gibt, bis er die gute alte Sägezahneuphorie wieder entdeckt, und den Mix von Martiniq, der die Samples auseinander nimmt, als wäre er bereit, die Gitarre auf Nanoebene neu zu erfinden. Pulsierende Technotracks für alle, die es nicht nur minimal, sondern auch harsch mögen. www.sender-records.de BLEED ••••-••••• STEN - RESTLESS [SENDER RECORDS/035 - KOMPAKT] Sehr dunkle und mächtige Platte, die Sten da mal wieder zaubert. Verwirrend in der Weiträumigkeit, die trotz massivem Bass bleibt und mit kleinteiligem Klingeln gefüllt wird, das wirkt wie eine Kollekte für Sternschnuppen, die sich im Bastkörbchen sammeln wie digitale Tränen. Wie er es schafft, daraus dennoch einen leicht arabischen, aber satten Groove hinzubekommen, bleibt Stens Geheimnis. Auf der Rückseite dann mit “Frost” überraschenderweise, obwohl ebenso elegisch, irgendwie erhebender und optimistischer und nach einer Weile sogar ein Track der ständig, obwohl er sie immer nur vortäuscht, sehr euphorisch in den Himmel ragende Harmonien anzettelt, die nie dort ankommen, wo man dachte. Schwer aber sehr. www.sender-records.de BLEED ••••• DANIEL SINCO - YOUNG GUN EP [SÉPARÉ RECORDINGS/014 - NEUTON] Mit dieser EP geht es für Séparé sowohl in eine funkigere als auch in eine deepere Richtung, und so schwer das beides auch zu verbinden sein mag, so lässig schafft es Daniel Sinco auf “Heaven or Hell”, das mit seinen piepsend dunklen Hintergrund-Sounds genau den richtigen Rahmen schafft, um mit der Bassline ins Herz zu pflocken. Und wie verlassen das nach Hilfe ruft. Ach. Killer. “Le Freak” mit seinen extrem präsenten Drumsounds und der Houseorgel, die einen nahezu anspringt, und dann auch noch diese hingebratzten, aber hyperkontrollierten Basslines und die “Freak”-Samples, ist einfach einer dieser Hits, die sowohl Houseknowledge vermitteln wie feinsten Microminimalhimmel suggerieren. Perfekt. Und auf der Rückseite geht es upliftender mit besten Erinnerungen an die Zeit der großen Housediven weiter. www.separe-rec.com BLEED ••••• V.A. - MUSICK 01 [SHITKATAPULT/048 - KOMPAKT] Gute Idee jetzt mal mit einer Mini-Compilation zu kommen und zu zeigen, dass Shitkatapult immer noch weiß, was auf dem Dancefloor alles rocken darf und nicht unter dem grossen Schlagschatten von T.Raumschmiere verschwindet. Von Elastic Heads kommt mit “Kickin!” eine dieser Swingnummern, die von TokTok geklaut sein könnte, wenn sie nicht den besseren Gesang dazu hätte. Jerry Abstract (ich glaub euch das nicht) bratzt einem mit “Grittin” dann die Bassline um die Ohren und tackert dazu mächtig beschwippst und ultranüchtern zugleich in einer unnachahmlichen Konsequenz. Wie es die Querflöte, oder was immer das sein soll, da rein geschafft hat, wissen wir nicht, lässt den Track aber ganz schön veralbern, was gut ist, sonst hätten wir hinterher noch gedacht die meinen es ernst mit Techno. Auf der Rückseite dann T.Raumschmiere mit “Konig Shuffle Pt.2” der im Grunde so klingt als hätte er ein wenig Brausepulver ins 14te Kölsch gemixt und ein Loop von Peter Grummich, der mein ein Stück zu sein scheint. Erfrischend. BLEED ••••• JOHN CALLAGHAN - EVERY KISS TAKES A MINUTE OFF YOUR LIFE [SHORT.SHARP.SHOCK/001 - POSSIBLE] Klar, wer so einen Titel für seine Platte wählt, der macht irgendwie obskure Popmusik, aber Pop muss es schon sein. Hier jedenfalls (nach seinen Warp 7” und 10”s ) sehr deepe, durch die Vocoder an Elektro erinnernde Tracks, die irgendwie immer wieder perfekte Vocals mitten in die Tracks setzen und dann wieder lossummen, als wäre das Ganze dazu gedacht, eine Art von Sci-Fi-Surf-Musik zu erfinden. Mal mit Breaks und leicht knorpelig, aber immer ein großer Wurf. BLEED ••••• AVROCAR - GUIDANCE [SHORT.SHARP.SHOCK/002 - POSSIBLE] Schon auf der ersten deutete sich an, dass hier in weiter, tiefer Galaxie Singersongwriter von den Außenposten der Galaxis gesammelt werden auf diesem neuen Label bei Possible, aber deutlicher ist es auf der EP von Avrocar, die über den sweet verwaschenen Drone Sound gelegentlich flüsternd singen, dass einem das eigene Herz vorkommt wie ein pulsierender Marshmellow und die Welt drumherum wie ein Teppich aus Eisflocken auf Körpertemperatur. Sehr schöne Platte für alle Freunde von dichten Indietronic Tracks, die gar nicht so süßlich sein müssen, um einem die Seele zu schaukeln. BLEED ••••• SLEEPARCHIVE - ELEPHANT ISLAND E.P. [SLEEPARCHIVE/1 - HARDWAX] Und die alte Schule rockt. Wer für diese Tracks verantwortlich ist, wollte man mir nicht sagen, macht aber auch nichts, passt eh. Sehr historisch inspirierte Stücke mit grade rockenden Beats und jeder Menge Bleeps, die gerne auch mit heftiger Darkness in ihrer minimalen Verspieltheit das alte Berlin ins Gedächtnis zurückholen. Hier holt Mister X diese rückwärts gedrehten finnischen Noise-Fahnen ins englische Gedächtnis und zerrt sie mit dieser ultra plöckernden 808-Bassdrum ins funkende, minimal wippende Wohnzimmer des Elektro. Damals, ihr wisst schon. Definitive Killer-EP, schnell checken. THADDI ••••• BOOGIE DRAMA - ZARDOZ [SOUNDPLANT RECORDS/006 - WORDANDSOUND] Das Label aus Mailand kommt hier leicht merkwürdig mit Vocals aus einem LungenkartharrGeist herbeigewarpt drauf, dennoch eine Art von zitternd gestelzter Monsterhouse-Musik zu machen, die von Funk-Freunden bis hin zu TranceEpigonen irgendwie jedem gefallen könnte und dabei dennoch nicht ganz so beliebig klingt, wie man sich das jetzt auf drei Mixen vorstellen würde. Am besten aber der Oldschoolacidmix ganz am Ende, der lässig und von hinten richtig die Zeitmaschine 303 aufbläst. BLEED ••••-••••• JOHN SPRING - WATERPROOF [SUB STATIC/040 - KOMPAKT] Ihr erinnert euch sicher an Dispo Dancer. Das waren noch Zeiten. Jetzt aber ist Schluss mit lustig und John Spring lässt die Bassline so digital an den Boxen nuckeln, dass man seine Ohren festhalten möchte, damit sie einem nicht wegflattern, und entwickelt auf “Schokolada” einen solch vertrackten Funk, als käme Areal aus Detroit. “Kalt und Heiss” ist der Claim. Und das kann einem dabei werden. Auf der Rückseite tut Mr. Spring dann zunächst mal so, als gelte es ein Intro für den nächsten Ringkampf der Dancefloorqueens zu schreiben und knattert dann bestialisch und beherrscht los, mit einem Sound, der so abgebrüht ist, dass man ihm selbst den Humor noch als brachial abnimmt. Der letzte Track “Textilfrei” rockt dann das ganze Rund und schnurrt einen vorne noch an, während es einem hinten das Genick durchbeißt. Clevere Monstertracks. www.sub-static.de BLEED ••••• [SUN/002] Es gibt ihn doch den Kylie Remix, der was taugt. Wusste ich doch, dass kann man sich doch nicht bieten lassen, dass da ein Mix nach dem anderen rauskommt, der nur halbgar ist und nicht mal das Orginal wegslammt. Hier aber ist er und rockt mit einem Sound, der so fett ist, dass er es mit allem aufnehmen kann, was around ist, und dann auch noch einen meiner Lieblings-Technohits samplet, von dem mir gerade der Name nicht einfällt und ansonsten so brummelt und zuckelt, als wäre die Kooperation von Jay Haze mit Robag Wruhme schon längst gelaufen. Verdammt, von wem ist das. Hätte ich mir ja auch merken können. Jedenfalls Applaus von meiner Seite, auch für den Nachgesungenen Mix auf der Rückseite. BLEED ••••• SHAWN RUDIMAN - ODDS AGAINST US [TECHNOIR AUDIO/004] Ich stehe so sehr auf diesen Sound von Shawn Rudiman, aber dabei ist es gar nicht einfach zu erklären, warum einen diese Tracks so glücklich machen. Irgendwie straight in den Beats, aber so verdammt funky und upliftend durch die Strings, und das Ganze, was da in Bausch und Bogen sonst noch so an Sounds aufgewirbelt ist, und dabei so völlig ausserhalb jeder Genredefinition, dass man nicht mal mehr Detroit als Referenz für diese Tracks heranziehen würde. Mal schwebend, mal straight und mit plockernder Bassline rockend, mal überfrachtet mit Bassdrum und kratzbürstigem Sound, aber immer noch so uplif- tend wie das erste Mal im Flugzeug zu sein und ebenso in der Magengrube herumbrummend, und dann wieder völlig clashig, ohne dabei auf Elektrogefussel der dritten Art verzichten zu wollen. Sehr eigene Platte. Mehr noch als die letzten. www.technoiraudio.com BLEED ••••• DR. SHINGO - ECLIPSE [TELEVISION/013 - NEUTON] Eigenwillig verspulte Tracks zwischen Elektro und Acid, stompenden Technowelten und abstrakt erzählendem Klangexperiment, und das, alles gerne in jedem Stück. Das klingt natürlich stellenweise etwas überladen und egal wie sehr es einen manchmal überraschen mag, was für Arrangementfinessen der Gute da noch alles rausholt, irgendwie sind es dann doch die wenigen poppigen Tracks, die einem das Album erst wirklich symphatisch machen, denn genau da liegt seine Stärke und auch die Momente in denen die Musik weit über das technische Können hinauswächst. Interessant aber manchmal leider etwas zu sehr überfrachtet. www.television-records.com BLEED •••• DAVE DK - SPIN THAT WHEEL [TELEVISION RECORDS/016 - NEUTON] Die Houseorgel ist einer der am meisten unterschätzten Sounds. Bringt sie einen doch immer wieder dazu, nur ans Glück zu denken, so wie auf dem ersten Track dieser neuen Dave DK EP, die beginnt, als hätte er ein paar Retroactive Platten durchgehört. Die Hihats swingen dazu seelig und klar, es bleibt aber nicht dabei, der Track wickelt sich langsam in Flächen und eine ständig an der Grenze zum Kitsch seegelnde Euphorie macht sich breit. Dann ein reduzierter, minimaler Track mit klackernd-kleinteiligen Percussion-Sounds, der sich auf skurrile Weise mit dezenten Elektroanleihen einem typischen massiven Clubsound nähert, der rockt und rollt, bis man dem heiligen Funk endlich Respekt zollt. Melancholischer mit Melodica auf der Rückseite für verliebte Autofahrer mit zappeligem Unterkiefer, die nach der Afterhour erst mal mit einem Siegesgefühl an den See fahren, das mit jeder Sekunde größer wird. Der letzte Track dieser extrem lässigen Platte schnurrt erst, streckt sich dann und wirft das pure Licht eines Stakkatohits rings um sich. Wurde aber auch echt Zeit, dass sich Dave DK mal wieder bei uns meldet. www.television-records.com BLEED ••••• OXIA & TOM POOKS - BALD BOYS EP [TERMINAL M/030 - INTERGROOVE] Klar, oben ohne war in Techno immer schon schick. Die Tracks der beiden sind aber überraschend minimal, obwohl sie natürlich später dann immer auch noch auf diesen Großraum-Rave-Effekt hinauslaufen, und haben in den ruhigeren Passagen von “Further” fast clickende Drumsounds, die irgendwie eine Art von Trance andeuten, die völlig schmerzfrei und um so richtungsweisender wirkt. Auf der Rückseite dann erst mal ein housig breit schwärmender Track mit solide shuffelndem Beat und als Abschluss eine morbide Technonummer mit bedrohlicher Weltuntergangssequenz im Zentrum und bollernd untergründiger Bassdrum als Rückgrat. BLEED DAVID LAST - BADLANDS [THE AGRICULTURE/035] Ich hab nicht die geringste Ahnung, wo diese Platte nun schon wieder her kommt. Ah, doch, Home of all Homes, Brooklyn. Aber eine so bezaubernd klingelnde Art mit HipHop Riddims dieser Zeit umzugehen und dennoch irgendwie klar aus der Elektronik zu kommen, hab ich nun wirklich noch nicht gehört. Obendrein noch mit Missy Samples, die so sympathisch kurz sind, dass sie wirklich mal gut wirken. Und dann auch noch perfekt produziert bis ins letzte Detail und immer wieder so erfrischend funky, dass wir sofort ein neues Genre ausrufen: Microhip! Das Hop könnt ihr euch denken. Und wenn diese Platte erst mal die Runde macht, dann ist niemand mehr vor ihr sicher. www.theagriculture.com BLEED ••••• RILEY REINHOLD & STEVE BARNS - MONDRIAN [TRAPEZ/040 - KOMPAKT] Wieder zwei Tracks dieser beiden, die ich persönlich noch besser finde als die erste EP auf Trapez. Mondrian hat diese sehr subtile Weise, mit Sequenzen umzugehen als wären es Texturen und rockt dennoch langsam immer straighter nach vorne und grätscht einem die Seele aus dem Leib. Definitiv einer der Clubhits des Frühlings dieser Track, daran kommt keiner vorbei. Auf der Rückseite ein dunklerer aber auch rockender TrackNamens “Joceline” der mich ein wenig an manche frühe M.I.A.-Tracks erinnert. BLEED ••••• GABRIEL ANANDA - SÜSSHOLZ [TREIBSTOFF/043 - KOMPAKT] Nicht, dass ich von Gabriel Ananda nicht eh schon immer etwas außergewöhnliches erwarten würde, das den Dancefloor dennoch rockt wie noch nie, aber so einen Track wie diesen hier hätte ich beim besten Willen nicht vorausahnen können. Auf der A-Seite dieser Platte für Treibstoff vermischt er die besten grundlegenden Approaches von Red Planet und Los Hermanos zu einem treibend trudelnden Sommertechnohit, der nicht nur die Clubs, sondern auch die Raves überfluten sollte mit seinen verzückenden Bleeps und dem unglaublich treibenden Fundament. Ich bezweifle, dass es diesen Monat einen Track gibt, der mich noch glücklicher macht (und ich war eh schon so gut gelaunt). Zum abhängen und wegnicken dann auf der Rückseite ein leicht verzauberter Dubtrack, der an sich schon gereicht hätte, um diese Platte haben zu wollen. BLEED ••••• V.A. - TRESOR COMPILATION NR.12 ILLUMINATION [TRESOR/212 - NEUTON] 212, das ist doch, NYC. Klar, dass man sich daran nicht halten kann und lieber einfach erst mal Tracks für die funkygeren unter den Tresorgängern liefert, die mit Beltram, Regis, Pacou, Tarrida, Advent, Youngman, Walker und Laker die gesamte alte Riege mal wieder auf den Betonboden jagt. Ein paar der Tracks wirken dann auch etwas bemüht, oder gespenstisch so als wären sie einfach alte Tracks, die man geduscht hätte und hier wieder neu und frisch präsentiert. Pacou z.B. oder der Regis Remix von Lktibrada oder Leo Laker. Im Mittelfeld The Advent mit einem einfachen Looptrack für die Houseliebhaber, aber interessant wird es erst mit der Rave-Sause von Beltram, hinter der überraschend viel Energie steckt, oder den gespenstischen Sounds von Walkers “Nailbiting Conclusion” und natürlich den immer abenteuerlichen Tracks von Bill Youngman und Dave Tarrida. Mischgemüse. www.tresor-berlin.de BLEED ••-••••• C-MEM - [U TURN/016 - NEUTON] Man kann nicht gerade behaupten, dass U Turn ein Label wäre, das viele Platten veröffentlicht. Im Gegenteil. 16 Platten in zehn Jahren. Da lässt sich jemand Zeit. Und wofür? Für Techno. Zeit für Techno. Sollte man öfter mal fordern. Zwei massive Tracks, die so klassisch wie es nur eben geht mit leichten Dubideen und schwer dunkel slammenden Sounds operieren, die einen nicht zu unrecht oft daran denken lassen, dass Techno ein Riddim ist. Mich erinnert es von der Masse und dem zwingenden Sound, der dahinter steckt, ein wenig an Laux’ “Santa Maria”. BLEED ••••• HERMANN KOPP - JAPGIRLS IN SYNTHESIS [VINYL-ON-DEMAND] “Japanese Girls in Synthesis” klänge vielversprechend, wie eine Synthese aus Geräusch, speed und phon-pitch. Für Letzteres nun sind wir ja selber zuständig, spätestens seit Glenn Goulds “Electronic Future”-Resolution uns mit dem heimeligen Bespielen der Source- und Lautstärkeregler auch gleich die “house music” ins Nest setzte. Da haben wir Übung, das ist kein Problem. Und um die Geschwindigkeit sorgt sich letzten Endes mein Riemen oder auch der Dynamotor, der hier ganz subjektiv ein wahres Assoziationskarussel in Gang setzt. Japsynth sorgt, wie es der Titel ver- • = NEIN / ••••• = JA spricht, für die einstimmenden rapid beats, auch wenn sie sich nicht wirklich lange halten werden. Hermann Kopp verflüchtigt sie eher zu einer Art sehr minimalen Industrial Pop, den man späterhin auch durch seine Tonspuren zu Buttgereits fragilen “Nekromantik” und “Todesking” schätzen lernen konnte. Den spielte er bekanntlich auch noch selbst. Analog skurril dann auch die Textspur, die als rückwärtsgerichteter Fluchtpunkt irgendwo zwischen Profils “ich möchte dich berühren, ich möchte dich verführen, so nah, einfach so, hah!” und Stratis’ “du bist ganz woanders, du wehrst dich nicht, du siehst es nicht” hindurchschiesst, aber zurückhaltend, besonnen werden die Varianten alltäglicher Befindlichkeiten gestreut, wie: “tue wovor dir traut, erhöhe das Gewicht, aber lächle nicht, ich trink aus deinem Schuh”, Berühre mich nicht”, dann ein par Sprengsel Lithurgie: “pater mea mater, more ...”, und schon setzt diese ultimative Pop-Perle ein. Es wird wieder angeworfen, das Karussel, streift Comelades furiosen “Fall of Saigon”, Virilios “Fluchtgeschwindigkeit”, drängt noch überall anders hin und endet doch von Peitschenhieben und Salven rhythmisiert in der Noche de Sant Juan. Nach seiner ersten 12” (“Aquaplaning in Venedig”) ist Japgirls (1981) nun das zweite Werk, und möge das Archiv noch weiter Fundstücke zu Tage fördern, CONTINENTAL SHINEDOE - DILEMMA/ALPHA [100% PURE/026 - RUSHHOUR] Ich habe jetzt schon länger nichts mehr von 100% Pure gehört, aber kein Wunder, denn nach sechs Jahren Pause ist dies erst ihre zweite neue Veröffentlichung. Damals eine Legende, stand das Label aus Amsterdam immer schon für einen soliden Clubsound, der mit jedem Release Detroit Respekt zollt und so ist es auch mit diesen beiden sehr eleganten und doch analog wirkenden Tracks von Shinedoe, der einfach die Roland-Maschinen rollen lässt und mit leichten Harmoniewechseln in den Sequenzen alles sagen kann, was man braucht und trotzdem ultra deepen Swing erzeugt. Auf der Rückseite sehr hymnisch und mit Snare-Wirbeln und Strings im Intro, die keinen Zweifel daran lassen, dass sich 100% Pure definitiv wieder in die Reihe der Post-Detroit-Label dort eingereiht hat, wo wir es verlassen hatten. www.pure-records.net BLEED ••••• MALKIN ZANY - DRIVA´ MAN [APRIL - IMPORT] Als Sessionband in Dänemark zu arbeiten, bedeutet oftmals auch elektronischen Hintergrund für analoge Spielereien. Bei Malkin Zany treffen dazu Trompete, Keyboard und Drums auf Plattenspieler und Computer. Bei Driva´ Man führte das zu einem Live-TripHop-Jazz-Remix des Originals von Coleman Hawkins, dass durch die Vocals von Deborah Herbert etwas Glamour von der Sorte einer Shirley Bassey bekommt. Die Reremixe von B&B International, Djsos Krost und Varano (Murena), variieren das Thema in den technischeren Dunstkreis von Downbeat, Dub- und Jazzhouse und entlocken diesem so manch spannenden Aspekt. www.homebrew.nu M.PATH.IQ •••• ROSARIO - THIS TIME [ARM RECORDS/004] Man hätte es ahnen können, dass in einem Track wie “Acid Blank” irgendwann dann auch noch ein Piano auftaucht, aber trotzdem haut es einen um. Und auch dieses kurze Vocal, das so kratzig und soulig rockt, lässt den Track nur noch kickender werden. Dass Rosario ein Meister aller Klassen ist, beweist er dann auf dem verdammt deepen “Blue Bird”, das mit Flötensamples und einer gefilterten String-Melodie aus den feinsten Arsenalen des Film Noir so schwül und gewichtig auf der Nacht liegt, dass man schon ohne zu tanzen schwitzen würde. Auf der Rückseite dann ein lässig gedroppter funkiger Housetrack, der irgendwie Depeche Mode mit Chicago versöhnt (nicht dass wir danach gefragt hätten), dabei aber dennoch perfekt rockt, und ein Downtempo Dubrocker der speziellen Art. Wie immer eine perfekte Platte von Rosario. www.imploz.com BLEED ••••• FENOMENEN - TIME [BEATSERVICE - IMPORT] Seit ihren beiden Maxis anno Haste-nicht-gehört auf Nuphonic sind die Herren Ingebringtsen und Rosenberg eine feste Größe. Dafür hat das Albumdebüt lange auf sich warten lassen. Umso schöner, dass es mit diesen Remixen von Ernesto, der besonders durch seine Vocals auf den Alben von Swell Session und Beanfield sich noch viel schneller einen Ausnahmenimbus erarbeitet hat, und Butti 49s Snorre Seim nun endlich einen echten Vorboten aus Skandinavien gibt. Ernesto konzentriert sich im Kern auf gebrochene Beats, vergißt dabei aber leider, seine Stimme hinreichend einzubringen. Eine melancholische Schwere zieht sich auch durch Snorre Seims Version, die aber in ihrer Kühle immer noch den Charme nordischer Winternächte transportiert. M.PATH.IQ •••• GALLOPIERENDE ZUVERSICHT - BASTA EP [BRUCHSTUECKE/016 - KOMPAKT] Styro 2000 und Bang Goes machen unter diesem Namen schon lange Liveauftritte, auf Platte hat man das aber noch nicht gehört, deshalb jetzt und mit drei Tracks, die deutlich machen, dass das hier ein Liveprojekt ist, denn auf der A-Seite entwickeln sie wirklich mit endlosem Spaß an den kleinen Bewegungen der Regler diesen Trancezustand, den man eigentlich auch nur Liveacts heutzutage durchgehen lassen kann. Auf der Rückseite dann mit funkigeren Sounds und mehr Melodie, wenn auch immer noch sehr auf den fließenden Stil bedacht, der alles wirken lässt, als hätte es sich eben erst entwickelt. www.bruchstuecke.com BLEED •••• LIEBE IST COOL - FEDER [BRUCHSTUECKE/015 - KOMPAKT] Endlich die zweite EP von Liebe ist Cool und sie ist genau so bezaubernd wie die erste. Fünf Stücke mit der Stimme von Kitty und der Musik von Peter Elflein. Vielleicht machen auch beide beides, was weiß ich, jedenfalls wundervolle Frühlingstracks mit deepen minimalen Grooves und einer Liebesgeschichte, die keine Peinlichkeiten scheut, aber genau deshalb so verletzlich und sympathisch ist und trotzdem wie ein Bilderbuch wirkt. www.liebeistcool.de BLEED ••••• LEANDRO GAMEZ - PROTECCION DE TESTIGOS REMIXES EP [BULLITT RECORDS/003R - INTERGROOVE] Soulshift aka Southsoniks remixen “Sin Salida” und lassen dabei diese typische Art von breitwandigem Detroitelektrotechsound auf einen los, der immer noch eine Melodie mehr kennt, die man zum raven benutzen könnte, und selbst die Strings irgendwie so biegt, dass kein Zweifel aufkommt, dass hier alles in die Vollen produziert wurde. Der Remix von Oxia des “No Es Otra Cosa” holt diese typische Bassline raus und wirkt eigentlich damit auch schon sofort wie ein Haufen anderer dieser Ravetracks, die er sonst so macht und einige andere auch, aber dennoch, das funktioniert prima und warum damit aufhören. Bilderbuchtechno. BLEED •••• FULL BLOWN MOON FEAT. JULIA NAVIN - TIME & SPACE [COCO SOUL/002 - WORDANDSOUND] Klar meinen die das ernst mit ihrem Soullabel und Releasen hier einen klassischen Souldiscotrack mit sehr gut ausgefeiltem digitalen Sound und klassischen 70er Jahre Harmonien, was ja nur periphär unser Thema ist, aber auf der Rückseite gibt es einen sehr perlenden Sonnenaufgangs Dub, der selbst den letzten unter euch noch in die 70er zurückversetzen dürfte, ohne dass es ihm leid tut. BLEED •••• TADEO - CIRCUNBALATION [CYCLICAL TRACKS/001] Nach Cmyc und Apnea kommt hier gleich noch ein drittes Label aus Madrid, das einen sofort umhaut. Tadeo von Javha Records besticht mit einem unglaublich schönen digital verdrehten aber sehr soliden Dubtrack, in dem sich Villalobos Einflüsse und Luomos Taktiken perfekt zu einem ganz eigenen Sound vermischen, der immer wieder aus dem üblichen Rahmen herausbricht. Auf der Rückseite eine Version mit deeperem BassdrumSound und einer Soundästhetik die ein wenig an Basic Channel in ihren reduziertesten Zeiten erinnern könnte, mittendrin aber immer housiger wird. Zum Abschluss dann noch der Wasserkesseldub von Alex Under, der extreme Konzentrati- denn ernsthaft: nothing else but Hermann Kopp. XENYA ••••• WESTEND GHETTO - BLONK [VMR ] “Daddeln.exe” heißt der erste Track und das beschreibt auch ganz gut ,worum es auf dieser Platte hier geht. Lässig die Zeit verkorksen mit ein paar knarzigen Beats und upliftenden Grooves für die Nacht, die eh immer viel zu wenig Spaß macht, weshalb dann nicht einfach etwas wilder mit ihr umgehen. Stellenweise überraschend weit in die Tiefe gegroovt sind die Tracks auf dieser EP dann aber wirklich stellenweise so lässig, dass man sich irgendein Ritze im Musikuniver- sum zwischen Lusine und Areal vorstellen kann, in der dieses Gewächst wuchert und seine Scherze treibt. Leider etwas dumpf im Sound, weil einfach zuviele Tracks auf der Platte sind, aber sonst können wir dem Titel nur zustimmen. BLEED ••••-••••• DJ ANGOLA - BAILALO [WONDERWHEEL /001 - SIB] Direkt aus Brooklyn ereilt uns die Nachricht, dass Nickodemus sein eigenes Label gegründet hat. Die Ehre der 001 teilen sich DJ Angola und Quantic. Erster steht zusammen mit dem Venezuelanischen Sänger Ico Manzanero und dem Flötisten Neil Sugarman für New York Salsoul der direkten und funktionalen Art. Den Vibe übernimmt Tru Thoughts Finest ohne wenn und aber, vergisst aber nicht, seinen typischen 115er Funk-Groove darunter zu packen und so schon fast aufreizend und gewohnt locker cruisend mal wieder zum Überholmanöver anzusetzen. M.PATH.IQ •••• DECOMPOSED SUBSONIC - ATLANTIC VIEW [WARE RECORDS/045 - KOMPAKT] Sehr süßlicher Track für Decomposed Subsonic, der auf “Atlantic View” erst mal das Blubbern und Klingeln zu ein paar Seagulls (mir fällt grad nicht ein, wie wir die eigentlich nennen) und einer geflüsterten Mädchenstimme serviert, bevor er den wabbeligen Bass rausholt und etwas forscher gen Dancefloor schreitet, nur um mit Sicherheit immer wieder diesen Ruhepol eines Plateaus mit Weitsicht zu suchen. Passend dazu ein Remix von Markus Güntner, eh ein Freund richtig wässriger Regenstimmungen, und als Abschluss mit “Next Step” noch ein sehr digital verzerrtes magisches Stück, das so sehr von innen leuchtet, dass man vermuten muss, er hat eine dieser Laptoptastaturen die.... Aber egal. Sehr, sehr schöne Platte wieder von Ware. www.ware-net.de BLEED ••••• • = NEIN / ••••• = JA on in jede einzelne Bewegung der stark im Zaum gehaltenen Dubs legt, und die Bassdrum dazu wie ein Herz pochen lässt. Perfekt und eine Dubtechno EP die wirklich erfrischende Ansätze in höchter Perfektion zeigt. www.javha.com BLEED ••••• ZION LOCKWOOD - JAZZY JUNE EP [DEEPLAY/016 - WORDANDSOUND] Sehr jazzige Tracks mit einem Downtempo-Houseflavour, das stellenweise einfach zu kitschig wird und einen nie vergessen lässt, dass hier richtige Musiker am Werk sind, die gerne auch mal das Saxophon über die Doublebass trällern lassen. Gut daran vor allem, dass das dann doch noch wie eine Art von urbaner Folklore wirkt. Aber man braucht schon ein dickes Fell und vielleicht ein paar Studiomusiker als Freunde. Am besten der Deephouse-Raggadub “Trapped Inside”, der eher grooven will und das auch sehr offen in den Sounds und locker tut. BLEED •••-•••• HIBIKI CONNECTION - CHA-KA-TOO [DEEPLAY/015 - WORDANDSOUND] Ein etwas mit Funksamples aus dem Gemischtwarenladen überfrachteter Track in vier Mixen, die vor lauter Flöten und Trommelwirbel nur so knallen. BLEED ••-••• COMMUNITY HOUSIN - NIGHT PITCHIN EP [DIALECT/003] Endlich wieder eine neue Dialect. Kross und slammend. Lofitrash für Houseliebhaber auch. Und natürlich ist “Dandeliaon” erst mal irgendwie so 80er, dass man glauben könnte die beiden leben immer noch da, aber es tut ihnen überhaupt nicht weh, und wir lieben es eh. Vor allem wenn es wie auf “Night Pitchin” dann doch noch bumpend und shuffelig wird und man die Elektrizität der Hochspannungsleitungen an den Härchen auf der Haut zerren hört. Noch besser dann das Casioorgeleasystück mit sattestem Freaks Groove zu dem sie immer “I Love That Sound” singen und auch das Finish mit “Oi Polloi” ist ein bleepender Hit. Funky. BLEED ••••• FUNCKARMA - SMIZM EP [DUB RECORDINGS/030 - CLONE] Sehr schnell wie Funkarma nun mal sind und sehr ätherisch im Sound rocken diese Tracks hier zurück in die Zeit, bevor Glitch erfunden wurde und man darauf aus war, die Breaks so hyperaktiv wie möglich zu machen, ohne dabei den Sound aggressiv machen zu müssen. Vertrackte Strukturen, aber auch wenn wenn sie wie auf “Fuse” Halftime arbeiten und jeder einzelne der Sounds so verstaubt und pustend klingt, dass man seine Ohren gerne damit zudecken würde, wenn einem alles andere zu schrill wird, aber dennoch dabei Musik braucht, die so voller Events ist, dass auch das wacheste Hirn richtig hinterherhetzen muss, um an jedem Sound dranzubleiben, schwupps ist er auch schon wieder weg und das nächste Thema steht da, um wie ein Fisch wieder abzutauchen in eine Tiefe, die man nur erahnen kann. Sehr eigenwillige Platte, klar, aber auch sehr überzeugend und nicht halb so abstrakt, wie sich das jetzt vielleicht anhören mag. www.clone.nl BLEED ••••• JAZZINHO - CAMPONESA [ECCO.CHAMBER SOUL SEDUCTION] Guida de Palma alias Jazzinho arbeitete für ihre neue Single mal wieder mit Da Latas Chris Franck zusammen. Camponesa klingt wie ein portugiesisches Spiritual und sehr organisch. Das wandeln die DJ Kikas und Rui Pintado von Portos Radio Nova zusammen als K-Tado mit Hilfe einiger Midtempo-Funk-Beats in clubgerechte Gefilde. Gewinner aber in meinen Ohren ist einmal mehr der kaum zu stoppende Gerd mit einem seiner derzeit wie nie gefragten 4Lux-Remixe. Broken Beats, keine Frage, aber langsamer und zugleich weniger Primetime-kompatibel als die Vorgänger. Aber wer noch Begriffe wie Spannungsbogen oder Warm-Up zu verwenden weiß, hat hier einen neuen Kandidaten. M.PATH.IQ •••• SPARE TIME - DRIVE [FACTOR CITY/005 NEUTON] Für mich immer noch das beste Dancefloor-Label aus Barcelona, kommt hier ein sehr deeper breiter schummriger Minimalhousetrack für alle, die es gerne kuschelig mögen und dabei auch ein paar leichte Vocals vertragen. Die Rückseite kommt mit einem Remix von Loudeast, der dem ganzen etwas mehr pushenden Classicvibe verleiht. Definitiv eine Platte für die frühen Morgenstunden, wenn die Mittefrisur noch fransiger ist als eh schon. BLEED ••••-••••• PAULINE - CRAZY FLESH [FIAT LUX RECORDS] Massive 80er Electrotracks mit gehauchten Vocals und ruhigeren Passagen, die aus einem Horrorfilm stammen könnten, aber eben keine düstere “Wir sehen die Zukunft”- Musik, sondern eher bummelig nette Popsongs für heute, die ein wenig auf düster machen, weil, so rosig sieht es ja nun nicht aus. Definitiv genug Oldschoolappeal hat die Platte auch, so dass sie nicht nur den Elektrofanatikern gefallen könnte, und auf “Aspect Etrange” wird es dann auch noch von den zerbröselten Sounds her sehr experimentell, so dass man Pauline voll und ganz abnimmt, es ernst zu meinen, ohne dogmatisch zu sein. www.fiatluxrecords.com BLEED ••••-••••• MARCO BERNARDI - MORPHEUSIS [FRUSTRATED FUNK/003 - CLONE] Sehr eigenwillig krabbelnde Elektroplatte, deren Funk wohl deshalb so frustriert ist, weil er völlig zerstäubt wird und dennoch rockt. Einfach nicht kaputt zu bekommender Funk. Egal, wieviel man da mit den DSPs oder Filtern dran gräbt. Und klar, dass das dennoch diese Frustration ausstrahlt, denn auf eigenwillige Weise ist das sehr nüchterne Musik - trotz gelegentlicher Strings und Acidanleihen. Erhaben und kalt auf dem Titeltrack und bis zum Kubismus klar und irgendwie wiederwillig rockend auf “Error Message 1”. Wer Elektrofuturismus sucht, der findet ihn mit Sicherheit hier. BLEED ••••• V.A. - TSUKIROKETTO [HANDHELD/005 NEUTON] Handheld ist und bleibt eins meiner Schweizer Lieblingslabel. Und jetzt werden sie auch noch ein richtiger Artistpool. Auf der 4-Track-Compilation kommt zunächst der Chilene Miguel Tutera mit einem (trotz drängelnder Bassline) sehr ruhigen Track, dessen Sequenzen sich trudelnd immer weiter in den Sound hineinbewegen und nur von den sanften Clicks am Absturz in die Seele gehindert werden. Arne Weinberg lässt seine eh schon lässigen Beats noch räumlicher swingen für Handheld und hängt dazwischen Melodien auf die so duften Tracks, als hätten sie den Frühling erfunden. Auf der Rückseite dann endlich ein neuer Track von Sarah Goldfarb die man von ihrer Trapez Ltd. ja noch in bester Erinnerung hat. Leicht melancholisch aber slammend mit Neuronen die Disco feuern, während die gedämpften Sequenzen die Spannung in einer endlosen Schwebe halten. Und noch etwas deeper wird es dann mit “Weakness” von Agnès (ob Christina Ricci sie denn nun mittlerweile angerufen hat?), deren “Schöneggplatz EP” ich nach diesem Monster an brennender Konzentration ich jetzt gleich noch mal suchen gehe. Wir sprechen uns dann nächste Woche wieder. Killer EP für alle die von Deepness nicht genug bekommen können. www.handheldrecords.com BLEED ••••• V.A. - PURE INTEC EP [INTEC - PP SALES] Eine Minicompilation mit Tracks von Oxia, Brian Zentz, Leandro Gamez und Trevor Rockliff, purer slammender UK Techno für die Insel also und lustigerweise gefällt mir hier am besten Brian, der mit guten tiefen Basslines und treibenden Glöckchen-Sounds irgendwie sehr lässig rollt. Aber auch Leandro holt mal wieder zu einem Ravemonster für die sonnigen Zeiten aus, und Trevor bemüht sich nicht ganz erfolglos einen lässig stampfenden Housetrack zum swingen zu bringen. BLEED •••• KILL THE DJ EXHIBIT [B] [KILL THE DJ/001 - WORDANDSOUND] Ah, klar, genauso heißt das Tigersushi Sublabel, und nicht anders. War zu erwarten. Hier Edits von Essit Musique von Smagghe und Fany,der natürlich rockt wie die Hölle und einem die Sternchen in der Iris blitzen lässt vor lauter Acidmilch, die sich einem anbietet wie einem schnurrenden Kätzchen. Smile On. Joakim schnappt sich den Severed Heads Track und wandelt ihn in ein Detroitmonster um, das sweeter gar nicht vor sich hinplänkeln könnte, und, ja, der Vergleich mit “Jaguar” wird mit Sicherheit öfter fallen, warum ihn also nicht kopieren. Sehr eigenwillige Dubs zwischendrin, die Joakim da erfindet. Der letzte Track ist ein sweetes Caravelles Stück im BNO Edit für die Freunde des 60er Jahre “ich-kannkein-Wässerchen-trüben”-Soul. www.tigersushi.com BLEED ••••• AUDIO RIOT - WELTSCHMERZ [KONDI RECORDS/006 - POSSIBLE] Eine der klar Vocoderelektro-orientierten Platten auf Kondi, dem Dänischen Extravaganza-Label. Ryan Brogan und, überraschenderweise, Christian Bloch stecken hinter diesem Projekt. Und die lassen auf Lyrics, die jedem Elektroclashhit gut tun würden, die 303 knattern und quietschen, als würden sie am liebsten gegen Space Invaders antreten. Hat ja auch Geburstag. Sehr gut gemacht und mitnichten nur etwas für Oldschoolelektrofreaks und Freunde der Seitenarme des Ozeans von Drexciya und dem direkten Punkapproach von Bunker. www.kondi-records.com BLEED ••••• DUB TAYLOR - TWILIGHT AMPLIFIER [MORRIS AUDIO/031 - INTERGROOVE] Anders als auf seiner Tigerskin EP lässt Dub Taylor hier die Bleeps herrschen und walten und entwickelt langsam aber sicher mit “One Step Into Subconscious” einen funkigen Roller, der einen die Schwanzfedern shaken lässt. Oder so. Killertrack dieses Genres, der so heiter wie rockend ist und obendrein auch noch konzentriert dabei bleibt, so dass immer weiter in diese konsequente Funkästhetik reinrutscht. Auf der Rückseite mit “Money” ein ebenso kleingeschnittener aber wieder poppigerer Track, bei dem die Beats schuffeln und man diese Euphorie spürt, die man bei den ersten Chicagotracks hatte, deren Melodien einfach so drauflos perlten, als käme da aus dem Pressure Cooker nur Champagner. Abschluss macht ein Stück, dass “Admire The Moon” heißt und irgendwie die Deephouse-Variante von Wunder darstellt. Wunderbar oder? www.morrisaudio.com BLEED ••••• ECHOPILOT - DEEPER FUNCTION EP [MORRIS AUDIO CITY SPORT EDITION/012 INTERGROOVE] Ich hab mich grade erst von der letzten Sub Static von Brian Aneurysm erholt, und schon kommt die nächste EP, diesmal, das sagt schon der Titel, weniger kratzbürstig, dafür deeper. Und er hält dennoch, was er verspricht, auf die verschrobene Art, die Echopilot und seine Alter Egos auszeichnet. “Be Like Me” rockt von hinten, schwer und lässig angetriggert. Dezent dark, aber sehr quirlig packt einen der Track, wo es richtig weh tut: Innen. “Wurm” clickert und bürstet etwas mehr, bewegt sich aber über diesen schummrigen Backgroundsound extrem elegant und schleicht sich wie ein schwarzer Sirup mit dem au?erirdischen Voco- dergesang in den Gehörkanal. Der Titeltrack rollt von weit weit weg wie eine Bedrohung, die man einfach nicht zu fassen bekommt, und auf “Faith” schleicht alles um ein sehr elegisches Saxophon herum und wirkt wie Reflektionen des silber-goldenen Stücks melodischen Metalls. Smooth und wie ein tiefer Atemzug, der gar nicht aufhören will zu wirken. www.morrisaudio.com BLEED ••••• MARC MIROIR & DJ SEROK - VODOO CHANNEL [PASO MUSIC/001 - INTERGROOVE] Trotz Dietrich Schoenemann und Tony Rohr Mix will diese EP irgendwie nicht so richtig in Gang kommen. Ihre Art, Oldschool auf “Blue Funk” mit spacigem Drumherum zu verbinden, löscht die Effektivität der beiden Ideen irgendwie aus. Und nur der letzte Track, “Work It!”, der dennoch kein Ausrufezeichen verdient, lässt einen ab und an aufhorchen. Mittelmaß. BLEED ••• HERTZ - PHONK EP [PHONT MUSIC/035 - INTERGROOVE] Anders als auf seiner EP für SLS ist Hertz hier etwas düsterer und gäbe es nicht den schunkelnden Raveslammer “Fonk”, dann wäre das bestenfalls ein Tool für die Schranzköpfe unter euch. Der aber explodiert immer schön weich mit pustenden Sounds und lässt die Pad ravig rollen und die Strings tänzeln, dass es nur so blitzt. Als Abschluss der 4 Tracks auch hier ein Stück mit mehr Dubeinfluss und schön in die Tiefe stürzenden Basslines. BLEED •••-•••• BAD COMFORT / SASCHA MÜLLER - TWO DIRECTIONS [SELDOMTYPE/002] Sieht man auch nicht oft, dass in eine Vinylplatte ein Dank an die Netlabelszene geritzt ist. Aber auch ohne ist diese Split EP ein unglaubliches Stück Vinyl, denn schon der erste Track von Bad Comfort mit seiner sehr ruhigen Wendung von magisch weichem Dubsound hin zu einem klickend deepen, irgendwie Spanisch anmutenden Track ist perfekt und auch sein zweiter, “August 2002”, rockt mit dieser percussiven Art von Dub, die immer wieder weiche, ruhig melodiöse Tiefe am Horizont aufgehen lässt. Viel experimenteller mit einem Dubstakkato beginnt Sascha Müller dann auf der Rückseite, wer sich Errorsmith als Dub vorstellen kann, der ist nah dran. Ähnlich gebrochen, aber dabei auf merkwürdig komplexe Weise mit jazzigem Unterton geht es auf “Stehwellen” dann weiter und das etwas morbide “Ausgang” macht den Abschluss dieser ziemlich einzigartigen Platte aus der Schweiz. www.seldomtype.net BLEED ••••• HERTZ - TAKE SOMETHING [SLS/018 - INTERGROOVE] Hertz aka Pierre Jerksten ist, was diese Tracks hier betrifft, der typische Schwede. Stakkatohämmernd, aber dennoch funkverliebt, rockt es auf “Taken” los als hätte man eine Funkband kiloweise Speed gespritzt und würde seit Jahrzenten auf ein und demselben Riff rumhacken, bis sie die technologische Weiterentwicklung irgendwann mal zu Techno geführt hat. Die Rückseite klingt dann genau so, und damit wird es dann auch ein wenig langweiliger und man ist ganz schön froh über den dritten Track, “Odd”, auf dem es mit smoothen Sounds und weiten Dubs mehr in die Tiefe geht. BLEED •••• HAKAN LIDBO - TUFFA POJKAR EP [STAR WHORES/011 - NEUTON] Völlig alberne Elektrodiscotracks von Hakan mit scheinbar selbstgesungenen schwedischen Lyrics, die sich durch den Vocoder anhören wie Dadalyrics und perfekt zum Polka-Geschlender passen, das ziemlich stark an seinen Data80 Sound erinnert. Fastfood für alle Freunde des CheapoLofi-Pop mit einem Hang zu Albernheiten, aber als Ganzes dann doch ein wenig überzogen. BLEED •••• K.C. DELICIOUS - SAY WHAT! [STARSCHNITT/004 - INTERGROOVE] Irgendwie albern diese französische Elektronummer “C`est comme ca”, die klingt, als hätte ich sie schon mal als Punkhit in den 80ern gehört, aber trotzdem irgendwie überzeugend bleibt. Aber damals gab’s noch keine Handys, kann also nicht sein, und wer poppige 80er-Tracks mit Cheapobeats aus Casiokisten oder ähnlichem mag und ab und an mal einen albernen Soundeffekt, der ist hier genau richtig. Die breakigeren Tracks, auf denen K.C.D englisch singt (übrigens alles zusammen mit Redagain P. produziert), wie z.B. “Say What!”, wirken etwas trashiger, aber dennoch verdammt poppig, ohne einen damit nerven zu wollen. Heidelberger Salt’n’Pepper-Style bis Elektropunk. Skurril und stellenweise ein wenig überzogen, in den poppigsten Momenten aber überraschend gut. www.starschnitt.com BLEED •••••-••• AGNÈS, APOLL, DATABOY 78, OCTEX - DUNKELPLATTE [STHLMAUDIO/002 - FBM] Extrem lässige minimale Platte der vier Helden aus der Schweiz (sorry Octex). Agnès kommt mit einem reduziert selbstverliebten Track, der sich um seine eigene Achse dreht bis man so langsam das Gefühl für oben und unten verliert, Apoll täuscht Saxophon an und lässt die Nacht auf dem Kopfkissen ruhen, bis nicht mal mehr ein Kater durch die Gassen streicht, Databoy 78 rauht das ganze mit einem schwergewichtigeren Dub nebst eigenwillig außenstehender Hihats auf und den deepesten Track macht Octex von Tehnika, denn hier krümelt auch der letzte Soundfetzen noch in eigenwilliger Weise, ohne den Track auseinanderbröseln zu lassen. Schön. www.sthlm.ch BLEED ••••-••••• RAW DEAL - USED TO BE [STRAIGHT AHEAD RECORDS - ROUGHTRADE] Sehr sweeter und slammender Vocalhousetrack mit jazzigen Vocals, die auf der A-Seite leider so laut sind, dass sie alles Weitere in den Hintergrund drängen, weshalb, wer auf solide funkigen Basslines steht, lieber auf die andere Seite schaut, wo der Boogie Down Remix die Balance etwas besser hält und trotz Gitarrenfunk sehr smooth glitzert. “Just like a waterfall we can come together.” Lyrics, die man so leicht nicht vergisst. Vocalhasser do not apply. www.straightaheadrec.com BLEED ••••-••••• PATRICK DUBOIS - WELCOME EP [SUPERBRA/028 - INTERGROOVE] Irgendwie macht Dubois immer wieder mal so poppige Ravetracks, die Oldschool und harte slammende Beats miteinander verbinden wie kein zweiter es kann, und damit ist “Anyone” mit Sicherheit ein Track, der überall, wo er läuft, zu Begeisterung führt. Einfach und mit verdammt vielen Sounds und Ideen, die man verdammt oft gehört hat, aber so überzeugend und leicht, dass man sofot hingerissen ist. “I’m Connected” schiebt sich mit witzigem percussivem Piepsen im Groove und den von unten kommenden Stakkatos auch ganz weit nach vorne und lässt die Bassline an die Tür klopfen, als wäre sie der Rave draussen vor dem Rave der reinwill, um die Gates zu crushen. Der Leandro Gamez Mix von “Anyone” ist etwas floatender als das Orginal und weniger poppig, und mit “Mad Max” nähert sich Dubois eigentlich schon fast dem Stil mancher Pigna Releases. Schön. BLEED •••••-•••• VOLGA SELECT, AVRIL, SIR ALICE SO YOUNG BUT SO COLD REMIXE [TIGERSUSHI/013 - WORDANDSOUND] Von dem kleinen geschichtlichen Meisterwerk, das uns einen seltenen Einblick in die elektronische Untergrundszene französischer Musik der frühen 80er vermittelte, werden hier drei Tracks feinfühlig und ebenso überraschend geremixt. Volga Select nähern sich “Iceland” von Richard Pinhas mit sehr locker und verhalten rollendem Dubhouse, der sich langsam als eine große Hymne entpuppt. Avril schnappen sich diesen sehr strangen Politthriller von The (Hypothetical) Prophets und lassen ihn mit schnittigen Beats und getuscheltem Sound irgendwie dennoch und noch thrillender rocken. Als Abschluss dekonstruiert Sir Alice den Nini Raviolette Track “Je Tu Nous” so als wäre er eine Marmorskulptur aus Chipresten. Unbedingt ebenso reinhören wie in die Compilation mit den Orginaltracks. www.tigersushi.com BLEED ••••• SIR ALICE - 1 [TIGERSUSHI/012 - WORDANDSOUND] Surprise, Tigersushi hat einen Act gefunden, der klingt wie für Tigersushi erfunden. IRCAM Schülerin und Punkrocksängerin Sir Alice rockt hier auf drei Tracks mit so einer satten Agression zu einem digitalen Clash aus Punk und bösen Zerrungen im Synthesizersound, eigenwilligsten Klangkonstellationen und überraschend weitschweifigen Epen, dass man ihr alles, was da an Wut und sonstigen zerrissenen Bildern aufgetürmt wird, komplett abnimmt. Drei Tracks, drei völlig verschiedene Herangehensweisen (“Ballad” z.B. ist ein sehr subtiles elegisch mäanderndes Ding aus Gitarrenrestsounds und verlassenen digitalen Loops und “Bouda Is A Material Girl” beginnt mit einem Kleinkindmobile, Plat- tenknistern aus der letzten Rille), aber dennoch ein verdammt klares Bild: Sir Alice wird uns mit Sicherheit noch die nächsten Jahre immer wieder überraschen. www.tigersushi.com BLEED ••••• FLORINTINTIN - LAPBOP [TINA/001 - CLONE] Eine der überraschendsten Jazzplatten des Jahres dürfte diese LP hier sein, die genau das ist, was der Titel sagt, Laptop-Bebop. Völlig abstrakt aus Samples früher Jazzplatten etwas konstruierend, das soviel Swing hat und dennoch so zerstückelt ist, dass man seinen Ohren nicht traut, vor allem weil man gar nicht weiß, warum sich noch niemand Jazz so genähert hat. Einerseits sehr bewahrend, andererseits völlig konkret und klar eingreifend, ist diese Platte eine Ausnahme, ohne die man eigentlich nie mehr sein möchte. Und egal ob man jeden Track wieder erkennt, er wird einfach von Mal zu Mal hören stranger und wundervoller. Großes Stück Vinyl mit 9 unglaublichen Tracks. BLEED ••••• EVIL C, DAVE THE HUSTLER [VIKING MUSIC/006 - NEUTON] Killertracks auch auf der neuen Viking, die Remixe von Evil C und Dave The Hustler, von Crowd Pleaser, Water Lilly & St Plomb hat. Auf der A-Seite ein Chicagotrack der lässigsten Art mit Glöckchen-Sounds, Casio-Drums und gut schiebender Bassline über einem sehr elegant getriggerten “Soup” Sample. Ja, Musik ist eine Suppe, weil man selber wie ein Fettauge auf ihr schwimmen kann, wenn sie gut ist, und dampfen dürfte das Ganze auch noch. Die Rückseite rockt trashiger mit diesem “ich-steh-auf-der-Orgel-notfallsauch-noch-mit-den-Zehen” Sound, der in bester schweizerischer Black-Rave-Manier jede Menge Oldschoolsamples durch die Mühle dreht und mit dem ersten Schlag der Bassdrum klarstellt, dass hier selbst noch die Tresor-Posse aus der Hirnschale getreten werden will.www.imploz.com BLEED ••••• CEM - [VYNALOGICA/007 - CLONE] Die neue EP vom Centre for Electronic Music ist eine sehr dichte Elektroplatte für alle Fans solider analoger Sounds und zersplitterter Melodien geworden, die dieses leicht rauschige Flair von Equipment in Holzkästen lieben und gerne dem leisesten Kratzen von Synthesizern lauschen, die einen immer wieder mit ihrer organsichen Dichte überraschen können. Fünf sehr variantenreiche Tracks mit einem sehr jammenden Flavour. www.cemstudio.com BLEED •••• V.A. - BODY MOVEMENT VINYL CUTS [SOUNDLAB ENTERTAINMENT - SOULSEDUCTION] Überraschend vielseitige EP mit breakigen Tracks, die von dezenten Elektroanleihen über Funkhouse bis hin ravigen Broken Beats gehen oder zu verwuseltem Jazz, aber manchmal dabei auch weit über alle Geschmacksgrenzen hinausgehen. Je urbaner das Ganze aber bleibt, wie z.B. bei CrisCo oder Uez Racing Devision, desto überzeugender ist diese Compilation. BLEED •••••-• RADBOUD MENS [VYNALOGICA/005 - CLONE] Wer die Tracks von Radboud Mens kennt, der weiß, dass es sich hier um diese sehr subtile und extrem klare Art von digitalem Klickern mit Bassfundament dreht, die einem in den Ohren liegt mit einer Welt, die so aufgeräumt ist und so mathematisch, dass man sich schon zu wundern beginnt, wie sich dieser Sound dann dennoch als verdammt überzeugender Groove immer wieder weiterentwickelt und einen auch nicht mehr loslässt mit seiner spartanischen, aber dennoch irgendwie gefühlvollen Art. Vier Exkursionen in die stillsten der digitalen Geräusche und deren Eigenschaften als entkernte Tanzmusik. www.cemstudio.com BLEED ••••• HOT TODDY - MIND TRIP [WINDING ROAD/006 - WORDANDSOUND] Sehr sweete, etwas kitschige Discotracks mit Vocals und einem ausgelassen, die Handtaschen wedeln lassenden Groove kommen von Chriss Todd, der dieses alberne Houseprojekt Crazy Penis nebenher macht. Auf der Rückseite etwas fordernder und ohne Vocals, aber dennoch deep und leicht säuselnd. Als Bonus ein Satin Souls Remix. Man muss schon sehr fluffig drauf sein, um diese Platte zu mögen, aber dann ist sie sehr sympathisch und angenehm lauwarm. BLEED •••• <43> - DE:BUG.83 - 06.2004 BRD <44> - DE:BUG.83 - 06.2004 HIP HOP • = NEIN / ••••• = JA THE LABTEKS - BLUE SMOKE / MENTAL BLOCK [BOMB MITTE] Die bekiffteste HipHop-Platte des Monats kommt definitiv auf Bomb Mitte. Auf “Mental Block” wird zu einem dezent abstrakten darken Bebop gerappt, als wäre die Lunge eine große Bong, in der der Magen gleich mitrumkugelt. Morbid und relaxt zugleich. Wer mehr auf den Floorburner steht, der dreht die sehr sympathische 7” einfach rum und rockt mit dem dunkel agressiven “Blue Smoke” bis ihm bei der schrägen Gitarre die Goldkrone aus der Nase fliegt. Sehr cool. BLEED ••••• dacht gerappt. Hoffnungsvoll schwermütige und dabei sehr realistische Texte und herzerwärmende Beats. Großes Gewächs. www.cyne.net CAYND ••••• CYNE - GROWING EP [CITY CENTRE OFFICES/026 - HAUSMUSIK] An Cyne wird man in nächster Zeit wohl nicht vorbeikommen. Zu Recht, wie hier die einstimmige Meinung ist, nicht nur, weil sie mittlerweile von ihrer kleinen Heimatort in Florida unnahe Miamis zu einem europäischen Label gewechselt sind, dem angegliederten wohlgeschätzten City Centre Offices. Nicht verkehrt, wie ich finde, obgleich Cyne durch und durch nach HipHop klingen und die Elektronika-Assoziation echt fehl am Platz ist. Real shit from da rural area. Hier gibt es vier bezaubernde Tracks der vierköpfigen Vereinigung als Vorgeschmack auf ihr voraussichtlich Ende des Jahres erscheinendes Album zu hören. Und es ist mehr als eine weitere 12” mit urban kämpferischem Independent-Geschwätz, die Jungs haben eine fidel vorgetragene Mission und klingen einfach vollkommen abseits und doch mittendrin. Bei Cyne werden die Loops noch sorgfältig selektiert, vom Staub frei gepustet und die Worte eigenhändig abgewogen und mit Be- APPROACH - ULTRA PROTEUS [COUP D’ÉTAT/CDE0017 - GROOVE ATTACK] Extrem funklastige Beats purzeln einem hier entgegen, da fühlt man sich ja glatt in der Zeit zurückversetzt, 70er Funk und Soul mit naturbelassen gelassenem Spät80er Rap. Wirkt teilweise, als würde man gerade einer jammenden Band in einer lässigen sommerlichen Metropole lauschen, eine etwas abwegige Vorstellung, wenn man bedenkt, dass Approach aus Kansas City kommt, er klingt aber nur äußerst selten minimal gezwungen. Die luftig altmodische Stimmung auf dem Album ist auf jeden Fall ein Pluspunkt, da geht die hohe Hammond-Dichte auch problemlos durch. Von den beigefügten Remixen ist der von Oh No erwartungsgemäß das Highlight. Sehr nettes Album mit einer Menge krisper Sounds und einem extrem relaxten Vibe. CAYND ••••• SO BRIGHT - FREEBALLS [DITTE ISSES REC.] Wenn man breit ist, klingen manche Sounds ja fetter, als wenn man sie nüchtern hören würde. Dass da ein paar Halluzinogene im Spiel waren, hört man dieser CD der Berliner Kevin Lenear und Vonsoh definitiv an, was sie in gewisser Weise auch symphatisch macht, wenn auch die Musik für meinen Geschmack nicht immer positiv dadurch beeinflusst wird. So Bright linsen jedenfalls nicht auf großen Verkauf, eher auf UndergroundRuhm, und rappen und musizieren wohl hauptsächlich zur eigenen Freude und orientieren sich kaum merklich an irgendwelchen offensichtlichen populären HipHop-Vorbildern. Klar, die Aussage, der Inhalt, die Attitude, das alles ist wohl sehr lobenswert, insgesamt wirkt das Album aber gerade durch die verschiedenen eingebauten Einflüsse, von Reggae und Dub über 80er und Rock, etwas zu fahrig und sitzt oft nicht dort, wo es gut gewesen wäre. Aber schön zu wissen, dass HipHop verschiedene Lebensformen hat, einige Beats sind recht gelungen und ein paar der MCs können auch sowas wie rappen bzw. singen. Etwas weniger postgymnasiastische Klarsicht wäre allerdings nicht verkehrt gewesen. www.ditteisses.de CAYND •• AKINYELE - MUSIC KILLZ [EASTERN CONFERENCE/ECR1005 - GROOVE ATTACK] “Live at the Barbecue” von Main Source war ku- UK • = NEIN / ••••• = JA BIGGER BEAR VS. HAIRY CLAW CLASH OF THE BIG PAWS 10” [BIGGERBEAR/011 - WORDANDSOUND] Sehr deepe, rockende Tracks von Steve Kotey mit ein paar Gastmusikern, die zu dem schiebend rockenden Sound von Zappy z.B. eine sehr klassische Keyboardimprovisation im Deephousestyle starten und auf dem flackernderen, shakenderen “The Afrobuttock Express” das Ganze in einen Dub verwandeln, der klingt, als würden hier Tackhead auf die Houseelite treffen. Smooth und satt für alle Freunde deeper, runder Housetracks. BLEED •••• men. “Shake Off” rockt vom ersten Track an, den ihr von der Compilation des Labels schon kennen könntet, hier allerdings mit den Comatösen, noch eine Ecke brachialer und mit einer Kuhglocke, die sich so solide unter die Perücke tackert, dass ihr sie nicht mehr loswerdet. Und auf der Rückseite dann noch zwei ebenbürtige Mixe. Groß. www.crosstownrebels.com BLEED ••••• ROBBIE HARDKISS - EVERYTHING IS CHANGING REMIXES [CLASSIC/026R - ROUGHTRADE] Brett und Derrick remixen Remixe von Robbie Hardkiss zu einem Remix zusammen, wenn ich das richtig verstehe. Ein bumpender alberner Spaß für die Disco, die aus Bassbins besteht und auch so bleiben will. Die Freaks wirbeln in ihrem Mix die Keys rauf und runter und benehmen sich ganz so wie man es von diesen strangen Funkzwergen erwartet und für Bretts “Late Night Mix” geht es noch mal tief in den Keller der Kompressionskammer die Classic manchmal aus House machen kann wie kein zweites Label. Perfekte Remixe. www.classicmusiccompany.com BLEED ••••• STEFAN GOLDMANN - PAIN [CLASSIC/014 - ROUGHTRADE] “Pain” tut überhaupt nicht weh, sondern ist, obwohl stellenweise etwas dunkel eher ein typisch steppender Goldmann Track, der sich gelassen vorwärts schiebt mit seinem sehr souligen Vocal und den wirre wegglitchenden Sounds in den Hintergründen einer jazzigen Housenummer für verwirrte. Klar, das passt den Freaks und deshalb machen sie gleich einen Vocal- und einen Dubmix davon, der die Hintergrundsounds als treibende Elemente benutzt und die Bassline an der Schädeldecke pochern lässt, bis da irgendwann ein Loch ist. www.classicmusiccompany.com BLEED ••••• KIKI & SILVERSURFER FEAT. CAPTAIN COMATOSE - SHAKE OFF [CROSSTOWN REBELS/008 - INTERGROOVE] Monster, klar, wenn die Berliner Rocker par Excellence auf die shakendste Discosoultruppe der Stadt treffen, dann musste ja sowas bei rauskom- BRAER RABBIT - FAT CONTENT: TRACE [FOOLPROOF PROJECTS] Und endlich wieder eine EP von Braer Rabbit und Neues vom unglaublichen Foolproof Projects Label, die es hier auf dem ersten Track mal von der elektroiden Seite des Wahnsinns angehen und diverse unabsichtliche Äußerungen zu einer Next Generation Beatbox machen, über die es wild klingelt, bis der nächste Track uns zeigt, dass die tote Disco auch hier wiederbelebt wird mit einem brutalen Funk, der keine Gnade kennt und sich definitiv nicht nur im Club einfangen lässt. Auf der Rückseite dann der clubbigste Track der EP mit slammenden Beats und einem hintergründigen Sound, der einem die Leber aus den Ohren saugt. Überraschend funky und sehr groovy. www.fooolproofprojects.co.uk BLEED ••••• ONLY FREAK - TINY FORCES [FREERANGE/044] Jean Vanesse und Thomas Sohet bleiben nach dem Erfolg von Planet Deep dem Boogie-Thema auf ihre eigene Art treu. Auch Tiny Forces hat wieder einen manisch leichten Groove und diese verspielte Authentizität, die Verwechslungen mit Metro Area zur Folge haben dürfte. Jimpster reduziert das Gerüst auf des Boogies Kern, zeigt sich aber im Sound viel näher am aktuellen Deep House. Shur-I-Kan hat sich für seine neue Facette der gebrochenen Beats das Alter Ego Seer-Tesh ausgesucht. Die 70er scheinen nur noch durch die Streicher auf den abstrakten Warm-Up. www.freerangerecords.co.uk M.PATH.IQ ••••• BECKETT & TAYLOR / SPANDEX - LIES [HAND ON THE PLOW/002] Vertrackt ist diese neue EP auf Hand On The Plow auch wieder und noch funkiger als die letzte, falls das geht, und vielleicht sogar noch stranger. Ich wüsste zur Zeit kaum jemand der Sound digital so zerreißt und dabei so viel Soul hat. Caro fällt mir MOABEAT - DRINGLICHKEIT BESTEHT IMMER [NEW NOISE / LABELS] Moabeat sind auf jeden Fall ein Phänomen, nicht nur in Berlin, inzwischen dürfte wohl auch der Rest der Republik mitbekommen haben, dass Moabit, so hießen die vier Berliner vorher mal, ein Arbeiterbezirk in Berlin ist, der nicht so richtig im Trend liegt, aber allerhand Charme hat, etwas, dass diese Band zu transportieren versteht. Im Vergleich zu ihrer letztjährigen EP, die ebenfalls bei dem Label der Kreuzberger PlattenladenLegende New Noise rauskam, haben sie auf ihrem Debutalbum auf jeden Fall einen Schritt nach vorne gemacht und ein wenig mehr Bounce in ihre Produktion integriert, die sich durchweg am allgemeinen Standard messen kann und so richtig nach satt synthetischem HipHop klingt. Leider gefällt mir vor allem der nasal singende MC weder von der Stimme noch von seinen teilweise nicht wirklich ideal formulierten Texten besonders. Wie gut, dass das Ganze auch als Instrumentalmix von DJ Illvibe rauskommen wird, denn der hat es definitiv drauf und wird wohl das Möglichste aus der Sache rausholen. CAYND ••• MELBEATZ - RAPPER’S DELIGHT [OPTIK RECORDS / SUBWORD] Melbeatz ist nicht nur die einzige weibliche Produzentin aus Berlin bzw. ganz Deutschland, die es geschafft hat, ein eigenes Album aufzunehmen sie hat auch einen sehr eigenen und coolen Beatstyle. Die 15 Tracks sind eigentlich durchweg hammer, nur leider sind viele davon mit MCs oder Sängern, die etwas gewöhnungsbedürftig sind. Dabei sind z.B. Curse, Xavier Naidoo, Cassandra Stein von Glashaus, Olli Banjo, Afrob etc. Daneben bekommt man auch Ami-Features zu hören vielleicht noch ein, aber selbst Herbert ist wohl von dieser Bande begeistert, und wir verstehen das absolut. Stakkato und Tiefe in schönster Vereinigung auf den beiden Mixen von “Lies” und auf der Rückseite krabbelnde Micro-Quatsch, NanoGrooves von Spandex, der das Mikrophon aufzusingen scheint auf seinen Stücken. 21st Century Blues, ja, darauf könnten wir uns einigen. Was für ein Follow Up nach der ersten EP. Hand On The Plow ist und bleibt eins der besten Label aus England das wir uns, obwohl wir es nun kennen, in seinem Potential immer noch kaum vorstellen können.www.handontheplow.org BLEED ••••• TECHNOVA - I COULD HAVE SEX [HYDROGEN DUKEBOX - ROUGHTRADE] Tja, wenn die Vocodervocalactress schon Miss Vaginal Davis heißt, dann wisst ihr eigentlich, was los ist, oder? Ein klassischer Elektropoptrack mit zitternden Melodien, die wie aus einem ScifiB-Movie der frühen 80er klingen, und im Hintergrund Leute, die nicht aufhören können, ins Micro zu brabbeln. Die Remixe kommen von Tommie Sunshine (Brachialhouse) und A1 One People und haben dem Orginal eigentlich wenig hinzuzufügen. Elektro von der Stange. www.hydrogendukebox.com BLEED ••-••• MAETRIK - BEING USED [IRON BOX MUSIC/009 - UNIQUEDISTRIBUTION] Die neue EP von Eric Estornel bleibt dem schwergewichtigen Sound von Iron Box treu und rockt auf beiden Seiten mit dieser Mischung aus dunklen Sounds und Effekten und schnippisch glänzenden Beats perfekt und durch die ausufernden Dubs auch so deep, dass man sich in dem Track verlieren muss. Auf der Rückseite remixen dann Brian Aneurysm und Sean Byrd das Stück mal mit einer gebrocheneren Dub-Attitüde, die bei Brian zu einem hintergründigen Stereofeuerwerk wird, das bis nach Detroit leuchtet und auf dem Sean Byrd Remix von Anfang an in endlose Tiefen mit einem Schwarm analoger Vögel hinabsteigt. Sehr schöne und ruhige Platte, die viel Zeit braucht, dafür aber immer mehr Dimensionen entwickeln kann. www.ironboxmusic.com/ BLEED ••••• PHONIQUE FEAT.MEITZ - STILL DANCIN’ [LOUNGIN’ RECORDS/004 - WORD AND SOUND] Phonique rockt auf allen Kanälen, obwohl hier wie Kanye West, die Mobb Deep Jungs, Alkoholiks und auch ODB, und heimische Kehlen wie Kool Savas, Samy Deluxe und Azad sowie Mieze von Mia zusammen mit Eißfeld von den Beginnern (sind ja beide links und so), gibt also genug Anreize, sich dieses Album zuzulegen, clevere Kombination. Die Beats haben auf jeden Fall einen souverän leichtfüßigen und trotzdem massiv dunklen Stil und größtenteils sehr nett gewählte Sounds. www.melbeatz.de CAYND •••••-••• V.A. - OKAYPLAYER - TRUE NOTES VOL. 1 [RAPSTER] Wahrscheinlich finde ich jede Platte erstmal gut, bei der Jean Grae, Madlib, Aceyalone, Dilated Peoples, Skillz und Hieroglyphics dabei sind, sind das doch einige meiner favorite Artists. Vor allem Jean Grae, auf deren im Herbst erscheinende zweite LP ich echt mehr als gespannt bin, hier mit zwei, wie immer offenherzigen und recht kurzen Tracks vertreten. Der Madlib und Aceyalone Intro-Track hat defintiv neben einem monstrig knarzigen Killerbeat einen der smoothesten MCs, Little Brother klingen wie immer so fidel wie soulfull, Dilated sind präzise und kämpferisch, Skillz überschlägt sich in simplen Sätzen usw. Von den nicht so bekannten Artists sind The Chapter sehr gefühlvoll, Dice Raw eher ichbezogen, Nicolay & Supastition flowig reflektierend, Truck and Mac eher abgehackt etc. Okayplayer wurde ja von den Roots ins Leben gerufen und hat schon so einige Touren hinter sich und unter anderem D’Angelo und Talib Kweli im Gepäck. Das hier ist aber ihr erstes Release als Label, die Compilation wurde von ?love, dem Drummer von den Roots und CEO von Okayplayer, zusammen gestellt. Definitiv mehr- schmust er eher. Ganz jazzy mit entspannten Rhodes, Vocals und Congas, die durch den Hintergrund huschen. Zusammen mit Meitz von der Jazzanova-Posse gibt er sich hier so Deep Housig und jazzy wie nie. Die Remixe von Max Fresh und Phonique und Meitz selber variieren das Thema ein wenig. Strippen das Arrangements ein wenig runter oder rückend das Ganze Richtung Metro Area. Für Pianosoli bin ich zwar immer noch nicht zu haben, aber trotzdem eine schöne Deep-House-Nummer. SVEN.VT •••• DOMU - WORLDWIDE E.P. [LOUNGIN’ RECORDS/004 - WORD AND SOUND] West London Massive. Dominic Stanto aka Domu mit vier neuen Broken Beats Tracks, die Funk, Soul und Jazz zwischen Detroit und West London ausloten und sich dabei leider ein wenig im Kreis drehen. Nach wie vor gute Tracks, aber nicht so stark wie z.B. sein neues Album als Umod auf Sonar Kollektiv. www.lounginrecordings.com SVEN.VT •••-•••• PHIL PARNELL - DO YOUR LIVING IN THE NIGHT [MANTIS/026] Verdammt, er hat schon bald sein zweites Album für Mantis fertig und dabei ist dieser Track immer noch so fresh wie an dem Tag, als ich ihn zum ersten Mal gehört hab. Umso glücklicher ist man, dass das noch mal als 12” rauskommt und einen mit seinen obskuren Soulvocals eiskalt erwischt. Als Bonus gibt es zwei Herbert Mixe und einen von Brooks, und allein schon der “Dark Mix” von Herbert ist so gigantisch, dass man diese Platte am besten gleich zweimal kauft. Wer sich an die Herbert Platte auf Tresor erinnert, der weiß, wohin das hier geht und warum es ohne Ende pusht und es sich vermutlich mal wieder kein DJ traut, das aufzulegen. Egal. Gibt ja auch noch den sehr lässig zerhackten Mix von Brooks, der, wenn das hier eine Ankündigung für sein neues Album ist, viel verheißt, denn hier geht alles drunter und drüber, landet aber wie jede gute Katze auf allen vier Pfoten und betört einen mit einem Schälchen süßester Housemilch. Als Abschluss dann noch der Light Mix von Herbert, der so schrägt ist, dass man sofort eine Bigband zum Hören einladen möchte, um ihr die Zukunft vorzustellen.Ach, und The Orb dürfen auch zum Probehören kommen. Killer. www.mantis-recordings.com BLEED ••••• TRAPEZ 41 TRAUM V49 OZY LINGO RMX - Break 3000 Dominik Eulberg ECHOPILOT - I don´t think so TRAPEZ 40 TRAUM V48 RILEY REINHOLD & STEVE BARNES - Mondrian DOMINIK EULBERG - Die Rotbauchunken vom Tegernsee TRAPEZ ltd 19 MBF 12006 DIRT CREW - Cleaning up the Ghetto Pt Two maliges Hören wert, ein äußerst symphatischer Sampler. www.okayplayer.com CAYND ••••• rioserweise für alle darauf vertretenen MCs eine Art Sprungbrett, und vor allem ein unvergleichlicher Track, der noch heute reale Turnschuhträger zu Rührungstränen verhilft. Akinyele kennt man vielleicht mehr von seinem läpischen Hit und seiner Fotzen-Fixierung, hier sind aber eigentlich ganz coole Raps aus den sehr frühen 90ern versammelt, klingt also typischerweise eher roh und unsynthetisch, und neben Akinyele bekommt man sozusagen seine Partners in Crime Nas und Large Professor in ihrer goldenen Zeit zu hören. Abgerundet und ins Aktuelle geholt wird die CD durch Rob Swift’s Scratcheinlagen, flotten Freestyles sowie zwei neue von J-Zone produzierte Tracks. Akinyele wusste definitiv, was er wollte und grölt das derweil etwas ungeschickt heraus. CAYND ••• TRAPEZ ltd19 12” GET DIRTY! MBF 12006 DIRT CREW - CLEANING UP THE GHETTO PT 2 RELEASE: 14.06.04 TRAUM_WWW.TRAUMSCHALLPLATTEN.DE_EMAIL [email protected] FON 0049 (0)221 71 641 56_FAX + 57_WERDERSTRASSE 28 D-50672 KÖLN MIEZE MEDUSA & TENDERBOY - BASSLAST ALLTAG MEETS THE UNFUNK SIDE OF HIPHOP [!RECORDS] Nein, es es nicht nur typisch deutsch, immer allem auf den Grund gehen zu wollen, in Österreich macht man das auch ganz gerne, zumindest wenn man dieser CD glaubt, die mit einem Lexikon-Eintrag einsetzt und danach ins Innere der beiden MCs mit den merkwürdigen Namen abdriftet. Den Akzent hört man kaum, dafür unheilsschwangere Beats und etwas verirrte lyrische Schliffe. Tenderboy ist im Vergleich zu der Mieze definitiv besser, die hat nämlich zwar hiphopige Schnoddrigkeit und auch einige ungewöhnliche Vokabeln drauf, zudem eine wohl deepe Aussage, kann aber leider nicht rappen. Nette Impressionen, aber so genau will man dann auch nicht wissen, was da “Sache ist”. Illusorisch bis gruselig. CAYND •• JACK ORSEN UND TAKTLO$$ - DIREKT AUS DEM KNAST (DU SPAST) [ROYAL BUNKER/RB223 - GROOVE ATTACK] Ja, Kreuzberg, die Heimat von Royal Bunker, das ist ein krasses Pflaster, auf dem eine Menge Spinner rumlaufen. Zwei davon gibt’s auf dieser CD, straight aus West-Berlin, und ihr wisst ja, dass das so eine voll heftige Gangster-Area ist. Wählerisch sind Taktlo$$ und Jack Orson ja nicht gerade, denn sie ficken nahtlos alle in ihrem Wahlkampf für ein besseres Ghetto. Außer natürlich Schwule, klar, nach ihrem fiktiven Knast mögen sie das wahrscheinlich nicht mehr wirklich. Ihren Hintern benutzen sie jetzt für andere Schübe, Jack Orsen zieht auf jeden Fall den Kürzeren, denn Taktlo$$ spinnt zwar, ist aber sowohl mit seinem Trademark-”Biatch” und seinem erbsenbrechenden Ego eher amüsant. Übertrieben kopulationsfixiert mit psychopathischer Geste, gewollt schmutzig provokativ, aber relativ unterhaltsam. HipHop ist schließlich für alle da. www.royalbunker.de CAYND •••-• BUSDRIVER/ OMID/ NEILA [SUVERSIV REC. - VINYLKINGZ] Ah, da sind sie ja wieder, Subversiv Records, das in Hessen ansässige Ausnahmelabel mit extremen Underground-Ambitionen und künstlerischem Weitblick. Der ist diesmal auf die Westküste gefallen und hat dort Neila, Omid und Busdriver, der ja in letzter Zeit ein bisschen die Runde in MARK HAWKINS - NEW WORLD ORDER EP [MNX RECORDINGS/002 - POSSIBLE] Das Label hier kommt aus Glasgow und übergibt gern an Mr. Hawkins, der einfach einen Ausflug in die Welt der kaputten Motoren von Techno macht, an denen er kräftig rumschraubt, um auch den letzten Filter noch zu brechen. Slammerstyle mit Unterbrechungen und Parts, die einem die Psychose in den Kindergarten tackern können, aber wer es hart und kompromisslos mag, ohne dabei darauf verzichten zu wollen, dass die Experimente unter die Haut gehen, der steht auf sowas. Ich auch. Naja, der B1 Track ist etwas mau. www.mnx-recordings.com BLEED •••••-•••• THE FREAKS - NOTES FROM THE UNDERGROUND PART 1&2 [MUSIC FOR FREAKS - ROUGHTRADE] Die ersten beiden EPs mit Remixen des unglaublichen Albums der Freaks kommen mit insgesamt 7 Remixen von denen alle kickende Monsterclubhits mit soviel Soul sind, dass man nur laut Gnade rufen möchte. BHQ nehmen sich “Telefunky” in lässigen Shuffeln vor, Honey Dijon verwandelt “He´s Angry” in sein stompendes warpendes Technostück, der §10 Fix Mix von “We Can Fix It” ist so spartanisch in seinen Gitarrensounds, dass es einem unter der Haut zu krabbeln beginnt vor lauter Kleinstteilen und weiter geht es mit einem soliden Houseroller von 2nd Shift für die Funkposse, Lil Marks “Blam!” Rework in Killervocalstakkatos und einer Bassline die quer durch den Raum hüpft, dem tiefergelegten schieben undergroundigen Housemix von “Lovehate” von Induceve und noch ein letztes mal “He`s Angry” von DJ Dinnermoney, der daraus eine Art Steeldrumbleepfrühstück macht. www.musikforfreaks.com BLEED ••••• NICK HOLDER - THE OTHER MIXES VOL.1 [NRK/089 - ROUGHTRADE] Aus irgendeinem Grund glaube ich, dass die Nick Holder LP von neulich komplett untergegangen ist. Vermutlich werden auch diese Mixe nicht wirklich viel daran retten können, aber ich mag sie trotzdem. Der Solid Groove Mix auf der A-Seite hat so etwas bumpig Käsiges, was manche UKHousetracks manchmal haben, aber kommt mit den weggefilterten trashigeren Chicagopassagen und dem sweeten Jazzsample mittendrin dann doch ganz fein in den Groove, der einem bei Sonnenuntergang eigentlich sehr gut gefallen könnte, und allein die Art, wie die Samples hier herumwippen, als wären sie auf einem Trampolin produziert, ist schon beeindruckend. Auf der Rückseite dürfen sich die Freaks dann auf zwei Mixen an “My Friendly Neighbour” machen, und wen das nicht eiskalt erwischt und auf die Tanzfläche treibt, der hat einfach kein Herz und folglich auch keine Nachbarn. Bleepig verdreht, versponnen mit süßen Vocals und schnippischen Tröten und dem Willen, immer wieder neu anzufangen. www.nrkmusic.com BLEED ••••-••••• NICK HOLDER - NO MORE DATING DJS REMIX [NRK - ROUGHTRADE] Ich mag diesen Track so gerne, dass ein, wenn auch etwas schluffiger Housemix, mir verdammt willkommen ist. Und gerade weil beide so verschieden sind, der Vocal Mix so klassisch und einfach vor sich hinbummelnd und der Dub Mix so verschroben und verdichtet und natürlich auch noch mit vielen Vocalparts, wird die Platte gleich noch sympathischer. BLEED ••••• POINT B - FICTIONARY EP [ORSON/003] Stotternder Unfung mal wieder auf dem Label, das für mich nach wie vor für eine Art von Elektro steht, die eigentlich keine Ähnlichkeit hat mit dem, was man sonst drunter versteht. 4 verwirrende, betörende Tracks mit sehr lässigem Flow und vertrackten Sounds, die man sonst eher auf einer Freaks EP finden würde. Resolut modern und treibend mit einer extremen Vorliebe für wirre Sounds und Edits, ohne dabei den Funk der Tracks zu zerstören. Killer. BLEED ••••• TRANSPARENT SOUND - FREAKS FREQUENCY REMIXES [ORSON/002] Velcrofastener, Point B und Saeff sorgen für die Remixe aber ich muss sagen zumindest Velcrofastener, so sympathisch ich sie auch finde, kommen nicht ran. Der Point B Mix dafür ist aber so verdaddelt und so ein böses loses Monster, dass man das gerne entschuldigt. Soundwelten stürzen ein und fallen in Schaumstofftrümmern aus der Fassade auf einen herab. Der Remix von Saeff ist dann eher ein smooth gleitender digitaler Detroitelektrosound, der auf jeden Fall bestens zum eigenwilligen Elektrosound der nächsten Generation passt, den das Label hat. BLEED •••-••••• BLACKSTROBE - THE CHEMICAL SWEET GIRL [OUTPUT] Eigentlich können Blackstrobe ja nix. Ihre Synthesizer Sounds sind immer wie frisch aus dem Karton gepellt und auch ansonsten machen sie eigenlich eher immer das gleiche, aber trotzdem funktionierts fast immer prima. Aber bei “The Chemical Sweet Girl” hat ihnen wohl irgendwer gesagt, dass sie ein wenig mehr nach Depeche Mode Grufti Combo klingen müssen, also schnell umdrehen zum Dub. Aber wenn man diese Stimme einmal gehört hat, wird man sie auch da nicht Europa gemacht hat, aufgeklaubt. Und der rappt wie gewohnt flott und eher strange. Neila hat die andere Seite bekommen und erzählt auf einem violinigen Beat von Omid einen wohlüberlegten Text in unaufgesetzt wirkender und daher sehr angenehmer Art. Leider sind es nur Snippets. www.subversiv-records. CAYND •••• WRITER’S BLOCK - EN ROUTE [UP ABOVE/UPA1004-2 - PIAS/ROUGH TRADE] Das mit dem Writer’s Block muss man nicht allzu wörtlich nehmen, schließlich lässt sich ja auch akustisch schreiben, was dieses Duo, das gewöhnlich bei den Visionaries rappt, namens Lord Zen und Dannu ja schon seit MItte der 90er praktizieren. Auch die Route ist eine metaphorische und keine räumliche, die beiden rappen in galantem Wechselspiel und verstehen es, vermutlich durch jahrelange MC-Erfahrung, sich nicht unnötig in den Vordergrund zu stemmen, sondern den Beats genügend Platz zu lassen, um ihren Flow und die weisen Worte zu unterstützen. Produziert haben übrigens neben Key Kool auch Mum’s the Word, Omid, DJ Rhettmatic u.a., die meisten Beats hören sich an wie aus einem entfernten realistischen Traum und haben Westküsten-Charisma. Writer’s Block wissen, was für sie wichtig ist, und ein wenig Wertvermittlung und vor allem State-of-the-art-Reflexion kann nur positiv sein, zumal das Ganze sehr flüssig und gut klingt. www. upabove.com CAYND ••••• DAS BO - BEST OF III ALLEINE [YO MAMA - FOUR MUSIC] Das arme Bo. Er hat Rap für uns bzw. für dich, und es interessiert uns erstmal nicht wirklich, gerade nach seinem glücklicherweise etwas untergegangenen Schwarz-Rot-Gold-Video zur ersten Maxi, wir sind sogar übel voreingenommen und erwarten Ungutes. Das Bo war ja mal bei Der Tobi und Das Bo sowie bei 5 Sterne Deluxe und ist offensichtlich Kiffer und HipHoper mit leicht clownigem Touch, an sich natürlich keine schlechte Sache. Das Album ist besser als erwartet, vor allem wegen dem nur latenten Lustigkeitsfaktor und der unspektakulären Redeweise des Bos. Er spricht in Reimen, um sich auszudrücken, und das kann man so oder so finden, jedenfalls klingt es sehr gelassen. CAYND ••• mehr los. Zum Glück gibts für alle Fundamentalisten den sehr lässig reduzierten, darken Lofi-Disco Trash von “The Abwehr Disco”. Dazu kann man sich die Stiefel anspitzen und mit den Armen wedeln als wäre man eine B52. Und wir mögens trotzdem, schliesslich ist es ja ein Kompliment an die gute alte deutsche Derangierten-Disco. www.outputrecordings.com BLEED •-••••• KENNY LARKIN - ANCIENT BEATS [PEACEFROG - ROUGHTRADE] Was um alles in der Welt lässt Kenny Larkin wieder auferstehen. Wir hätten ihn ja fast vergessen und einfach als alten Helden beiseite gelegt. Dabei ist er umtriebig und macht ein ganzes neues Album auf Peacefrog, von dem es hier schon mal zwei Tracks gibt, die so verdammt kompakte USHousemusik sind, mit einem verdammt satten Schuss Genialität, der in seiner Dichte irgendwie höchstens noch von Carl Craig übertroffen wird. Ancient Beats ist eine Ode an das Mischpult und wie man damit verwachsen kann und “Seduce Her” einer diese bleepigen Downtempotracks, die jeden in dieses Atlantis zurückversetzen, das Detroit manchmal war. www.peacefrog.com BLEED ••••• SAMUEL L - NOCTURNAL [SLS/019 - INTERGROOVE] Deep beginnt es zur Überraschung mal auf diesem Album von Samuel L Session, der sich hier nur scheinbar ein Testament für Tribal-Techno auf 8 Tracks zusammenzimmert, denn letztendlich geht es weit mehr auf eine galaktische Art und Weise zu, als sich strikt den afrikanischen Ursprüngen zu widmen und wird, je weiter man reinhört, immer smoother. Sehr vielseitig und, egal wie hart, auch immer eine Platte, die mit jedem Track darauf aus ist, eine Tiefe wiederzufinden, die man lange genug in diesem Sound vermisst hat. Hier ist für all das Platz, was im Kannonenfutter der 12” so oft untergehen muss, und da entdeckt man Samuel L auf einmal als smoothen Roller oder heimlichen Jazzliebhaber mit Panzerfaust im Nacken. Überraschend melodiöse und dichte Platte mit Tracks, die auch jedem Detroitliebhaber gefallen könnten und ab und an sogar Housetracks für die späten Stunden loslässt, die wirklich überzeugend sind. BLEED ••••• ENVOY - SHOULDER 2 SHOULDER [SOMA/147 - NEUTON] Vom Album kommt hier einer der funkigsten Detroittrack, der irgendwie an eine leicht für England grade gebogene Variante von Fabrice Lig erinnert mit Vocals die natürlich an so etwas wie Underworld erinnern müssen, weil sie ähnlich weit im Hintergrund liegen aber durch das gleiche Megaphon geträllert wurden. Ich mag so einen Sound, weil er mindestens ebensoviel Popappeal hat wie Clubtradition vertritt, und weil man solche Tracks nach nur einmal hören mitsingen kann, was ja ab und an auch mal ganz nett ist, nur das Saxophon stört doch enorm. Funk D`Void macht dann eine richtige Funksau aus diesem Stück, aber auch hier, Sax für Saxons. Hätte man jeweils die ersten Hälften der Tracks genommen und die etwas mehr ausgebreitet wären zwei richtig sympathische Hits daraus geworden, so muss man halt gut aufpassen, wann man rausmixt. www.somarecords.com BLEED •••• VECTOR LOVERS - ROBOTO ASHIDO EP [SOMA/149 - NEUTON] Irgendwie hatte man schon das Gefühl, dass auf Soma eigentlich nur noch die klassischen Acts releasen und sich darüber hinaus nicht viel tut, sich das Ganze also in einer Sicherheit bewegt, die nur kurz wirklich Sicherheit vermittelt. Hier aber endlich mal ein neuer Weg - und der heißt Tempo reduzieren, Funk mit Elektro vermischen bis auch der letzte Discofreund noch die Puschel auspackt und dazu mit den Hüften eiert, aber natürlich dabei ein gutes und dichtes analoges Flavour verbreiten, sonst wäre es auch nicht Soma. Irgendwie hat man bei den vir Tracks immer das Gefühl, die Melodien und Harmonien zu kennen, nur eben nicht so blumig und flirrend. Auf der Rückseite kommen dann die beiden Downtempotracks, die auch Elektronica Headz mal bei Soma reinschnuppern lassen dürften. Überraschend und sehr willkommen.www.somarecords.com BLEED ••••-••••• LIL MARK - FEEL THE RHYTHM EP [TOM BONE VIBRATING MUSIC/003 - WORDANDSOUND] Auch die Dritte rockt, klar, was sollte Lil Mark denn auch sonst tun. Und auch hier finden wir wieder alles, was man an ihm so liebt. Kleinteilig minimale Samples, steppende Beats, die eine grosse Bassline verheißen und sehr melodisch sind, ohne dabei irgendwie breiig zu wirken. Tracks, die so fett sind und dabei dennoch in den hintersten Ecken kleine Soundüberraschungen liefern, dass man sich völlig von der Bassline den Kopf verdrehen lässt. Ein Hit jagt den nächsten. Drei sind es. Und dreimal dürfte eigentlich jeder bis zur Erschöpfung durchhüpfen. Killer. BLEED ••••• !!! - PARDONMYFREEDOM [TOUCH AND GO/259 - ROUGHTRADE] Die Platte von !!! hier ist wohl eine Touch and Go / Warp Koproduktion und featured neben “Par- UK • = NEIN / ••••• = JA donmyfreedom” auch den Gassenhauer “Shitscheissemerde” auf der Rückseite und einen Maurice Fulton Remix. Irgendwie ist die relativ organische Art von Elektrorock mit gutem Oldschoolgewissen, die diese Jungs hier mit zunehmender Selbstextase machen, schon ziemlicher Boyism par Excellence, der auf mich, da ich gegen düsteren Schreierenthusiasmus so ziemlich immun bin, nur wirkt, wenn die Tracks smoother werden und die Vocals eher geflüstert. Dann aber finde ich irgendwie Two Lone Swordsmen dennoch funkiger und dreckiger. Der Maurice Fulton Remix aber rockt. Lang lebe die Power von Mu! www.warprecords.com BLEED •••-••••• auf frankophil und rockt mit französischem Geflüster, Quietschsounds und schrägen Synthiemelodien quer durch die wunderbare Welt der Betäubungsmittel. So albern wie mitreißend. Clochard-Chansons und clappende Disco-Pirouetten können sie auch, wie sie auf den nächsten Tracks beweisen, bevor sie noch einmal in die weite Welt der der etwas düstereren wavigen Verstrahlung hinabsteigen (und die ausgehusteten Vocals könnten dabei auch von Tricky kommen). Immer wieder skurril immer wieder gut. Ein Video gibt es dazu auch: www.u-freqs.com/trounoir/trounoir.htm SVEN.VT •••••-•••• auch noch die typischere Techhousevariante mit leichtem Tranceeinschlag und dem großen Ravegespenst einer Bassline, das hier irgendwie den Dreh Richtung Funk noch hinbekommt, aber dennoch durch die Rillen sickert wie ein glibbernder, umgekippter Nano-Teer Laster. Percussiver dann die “Body Slam” Rückseite, die auf jeder Oldschoolreminiszenzparty das ein oder andere Stirnrunzeln erzeugen dürfte, weil man es zwischen Detroit und New York einfach nicht einzuordnen weiß, bis einem der Geistesblitz kommt: Ja, Ibiza! Ein wenig Macho, aber nicht übel. www.underwaterrecords.com BLEED •••-•••• GREG CHURCHILL - BUDONKADONK / BODY SLAM [UNDERWATER RECORDS - PUBLIC PROPAGANDA] Darren Emersons Label macht neben Gus Gus DIGITEK - CLIPPER RIPPER [ZEBRA TRAFFIC /021 - PP SALES] Neben seinen Tätigkeiten bei diversen Drum and Bass-Nächten in UK hat sich der MC Junior Red UFO!! - LE GRAND BOOFANT’S TROU NOIR [U-FREQS /011 - INTERGROOVE] Der Irrsinn geht weiter. Die U-Freqs-Posse macht AMERIKA • = NEIN / ••••• = JA TECHNOBRAT - BRAKS OF DEATH EP [ASCEND/018 - NEUTON] Naja. Weiß nicht genau, warum Mateo Murphy und Preach hier so Looptechnotracks basteln müssen, wir dachten, die Zeit wäre endgültig vorbei, aber auf jeden Fall dieser völlig die Sequenzen überziehende und hyperaktiv sprudelnde B2 “Original Mix” ist eine ganz andere Erinnerung wert. Auf der A-Seite gibt es einen Trancemix, den kein Mensch braucht, und 2 überflüssige DJ Tools. BLEED •-•••• trotzdem irgendwie ein Klassiker, denn hier geht es vor allem um eine sehr einfache Synthesizersequenz, die locker und betörend sanft durch das Stereoparameter plockert. Und die Beats dazu müssen nur noch diesem zwingend trudelnden Glück entsprechen und schon würden die Ohren am liebsten einen Sturzflug in die Speaker testen. Zeitlose Tiefe in Perfektion, die so deep wird, dass man es kaum noch aushält. Magisch. BLEED ••••• CANNIBAL COOKING CLUB - REST IN PIECES [CHAN’N’MIKES/009 - POSSIBLE] Klar, noch eine von denen. Das ist schon die dritte Platte dieser Kids (Lex Patternson aka Hydro und Yastin Byrd aka Error), aber für Chan’n’Mikes haben sie wohl ihre eher albernen (nicht, dass das hier nicht auch ganz schön wummern würde) Tracks auf Floppy gezogen und rübergeschickt zu den Brothers in Crime bei Chan’n’Mikes. Richtig bleepig wird es da ab und an, und sogar Funk bleibt nicht vor ihnen verschont und, ja, die Verzerrer braten alles nicht ganz so platt wie auf den beiden Releases ihres eigenen Labels, so dass man hierzu sogar einige Freunde des absurderen Dancefloors der Videogamemusikanten bewegen könnte. Lieben werden die das. Sehr abenteuerlich amüsant klimpernd ballerndes Release. Love it, oder zip dich weg. www.chan-n-mikes.com BLEED ••••• SMITH & SELWAY - ILLUSION [CSM RECORDS/009 - COMPLETE] Völliger Ausnahmetrack dieses Stück, das die beiden hier gleich in zwei Versionen abfeiern, und V.A. - POST DETROIT TECHNO [END TO END/011] Nevmega, Mike Grant, ADT und Erotek stellen hier vor, was sie sich unter Detroit Techno heute vorstellen und das kann einen stellenweise schon überraschen, denn hier geht es mitunter sehr schnell und dennoch ultratransparent zu. Wie z.B. auf dem Track von Nevmega, der klingt wie ein Highspeed UR Sound in digital. Mike Grant lässt die Sequenzen alles sein und rollt auf “Driving While Black” mitten in die Erinnerungen dieser Highwayerfahrung mit der ersten Autobahn. ADT’s “The Power” ist ein extrem emotionaler, hymnischer Track, in dem selbst eine indische Flöte wirkt wie ein Synthesizer und zum Abschluss gibt es einen funkigen Tribaltrack mit stechendem Sound, der perfekt alles dem Groove unterordnet, aber aus ihm heraus seine Sequenzen zupacken lässt. www.e2erecords.com BLEED ••••• PIRANHA HEAD PRESENTS: SOULCHESTRA EMOTIONAL EXPRESSION [MOODS AND GROOVES/027] Sehr sweete 70er Jahre Jazz-Housetracks mit deepen Grooves und gesprochenen Vocals, die DRUM AND BASS • = NEIN / ••••• = JA CAUSE4CONCERN - SEAWOLF/PARANORMAL [CAUSE4CONCERN RECORDS] Der Titel sagt es schon deutlich, Cause4Concern brettern und lassen einen keine Sekunde stillstehen auf diesem mit Dubvocals durchzogenen Gewittertrack der böse ravenden Art. Auf der Rückseite eher ein Flugzeugträgermonstertrack in sehr schön rollender Deepness und aufgeheizt mit den ein oder anderen Amenbreak. Massiv. BLEED ••••-••••• AMIT - VILLAGE FOLK / LOST VOICES [COMMERCIAL SUICIDE/017 - GROOVEATTACK] Etwas zu Ethno, obwohl ich ja verstehe, dass es eher nett gemeint ist, aber dieser Säuselgesang macht einen dann doch fertig. Es sei denn, man studiert vergleichende Kulturwissenschaften. Da hilft auch keine scharfe Bassline, die versucht diese Arabesken nachzumodellieren. Die Kinder bleiben im Dorf. Die Rückseite gefällt mir logischerweise besser, auch wenn es einfacher leicht gespenstischer Congrarollersound ist. BLEED •••-•••• CHRIS SU & TACTILE - UNDERCOVER DUB / PARADISE [COMMERCIAL SUICIDE/018 GROOVEATTACK] Ihr ahnt schon, dass die neue Commercial Suicide sehr smooth und voller Congas ist, ein wenig trancig im Hintergrund, aber dennoch soulig und deep. Eine Hymne hätte man früher gesagt, vielleicht ist ja wieder Zeit für genau diesen Sound. Breit und elegisch, aber dennoch mit Amen. Die rockendere Rückseite klingt fast so, als würde irgendwo ein Tanker landen, aber kommt dennoch von weit unten. BLEED ••••• BREAKAGE / ALIAS - PLUM FAIRY / ADMIT TO LOVE [CRITICAL/012 - S.T. HOLDINGS] Critical mausert sich in Windeseile zu einem der progressivsten Label im Business. Labelhead DJ Kasra lässt nämlich nicht locker und bringt auf seiner Nummer 12 gleich zwei heiße Eisen ins Spiel: Breakage und DJ Flight. Ersterer beglückt zunächst die Freunde der Vocals. Zu Sphären, die selbst im Darkside-Loch noch Open-Air-Feeling aufkommen lassen, arbeiten insbesondere die tighten HiHats und der treibende Subbass die Crowd ins Schwerelose. Zusammen nennen sich eine ganz andere Geschichte erzählen. Eigenwillig in der Art mit dieser Form von sehr optimistisch melancholischem Sound etwas zu sagen, was verdammt dunkel wirkt. Kein Wunder, wenn der Track “Poem For A Lost One” heißt. Sehr filigrane Beats und Harmonien, die einen eiskalt erwischen, dabei aber unglaublich relaxt. Noch musikalischer, denn das Ganze ist ein Projekt rings um den Keyboarder Piranha Head, die Rückseite, “Sunday Morning’s Brand New Kiss”, die einen sogar aus den weichesten Kissen noch dazu bringt, die Sonne anzublinzeln und sich mit ihr zu verbrüdern. www.moodsandgrooves.com BLEED ••••• JOHN CONSEMULDER - REWIND TO START [MOODS AND GROOVES/029] Extrem gedämpfte und dichte Housemusik auch auf der neuen Consemulder, der erst mal mit einem Remix vom neuen Labelpartner Piranha Head gekürt wird und damit so fluffig und außerirdisch weich rüberkommt, als wären die Speaker aus Watte und hätten dennoch dieses zwingende, was nur die Emotionalität des Tracks sein kann. Der Main Mix ist wesentlich straighter und rollt mit dunkleren Raubkatzenbasslines und erzeugt so eine Stimmung, die einem die Vocals, die sich fragen, ob er sie immer noch liebt, perfekt illustrieren in ihrer Mischung aus Verzweiflung und Wissen um das eigene Gefühl. Das Dubapella stellt die Vocals dann nur noch neben die Orgel, was ganz schön unter die Haut gehen kann. Moods and Grooves ist und bleibt Amerikas bestes Deephouselabel. www.moodsandgrooves.com BLEED ••••• die Beiden dann Alias und machen gleich da weiter. Insbesondere die unzähligen Soundspielereien, zeigen höchste Produzentenschule. Damit schafft Critical weiterhin den Spagat zwischen Deepness und Dancefloor, wie es sonst fast nur auf Soul:R in dieser Konsequenz geboten wird. M.PATH.IQ ••••• DJ GREGORY - THE JOBURG THEME [FAYA COMBO - WORD AND SOUND] DJ Gregory macht da weiter, wo er mit seinen letzten Releases aufgehört hat. Trademark-Beats, schiebende Percussions und ein Gitarrenlick zum Steine schmelzen. Das Ganze in epischer Breite und mit Hände-in-Luft-Break. Die Dub-Version auf der B-Seite variiert das Thema dann nochmal ein wenig euphorischer. Solide. SVEN.VT •••-•••• KABUKI - LOVELINES V.I.P./ IN THE MOOD [HARD:EDGED/014 - GROOVEATTACK] Ja der Kabuki, der weiß, wie man die Beats so richtig liquid moved und dabei zwei houseverliebte Killertracks aus den Synthies schüttelt (wenn er denn welche benutzt). Lovelines V.I.P steppt son- dem Ragga verschrieben. Im Bunde mit den Produzenten Pablo und Warwick, sowie MC Buzz und DJ Iye-95 wurde also flugs Digitek gegründet. Und ehe uns aus Brighton ein ganzes Album ereilt, werfen sie schon mal einen bassiven Blick gen Charts. Sägezahnbass, Streicher, Scratches, Samples (z.B. der allen Junglists bekannte Lighter) und minimale HipHop-Arrangements lassen genug Platz für Mikrophoneskapaden. www.zebratraffic.co.uk M.PATH.IQ ••• TWO LONE SWORDSMEN - FAUX [WARP - ROUGHTRADE] Ich glaube diese 3-Track-EP mit Stücken vom Album ist eigentlich nicht wirklich ein Release. Jedenfalls hat sie nur die LP-Katalognummer im Vinyl. Vielleicht ist es auch ein Drittelalbum? Egal. Hätte nicht gedacht, dass mir diese Tracks BRAD PETERSON - EXERPT FROM A DEEP SOUL`S DIARY [MOODS AND GROOVES/030] Ja, ich weiß, ihr könnt es langsam nicht mehr hören, dass jede Platte deeper als die nächste sein soll, aber was können wir dafür. “Deepness Is A Way Of Life” sagt diese EP gleich ganz zu erst und dem ist so. Einfache, dichte Beats und Melodien, die so elegisch dahindriften, dass man kaum noch einen Halt vermutet, der außerhalb dieser Musik liegen könnte, aber die vier Tracks sind nicht nur melancholisch in sich selbst versunken, sondern können wie z.B. auf “Melodies Of Mass Sync” auch ganz schön von den Basslines in glücklichere Höhen geschoben werden. Musik für alle, die ruhige, melodische Housemusik mögen, auf der auch schon mal ein Solo passt, das nicht zu sehr davon zeugt, dass jemand gelernt hat, mit den Tasten umzugehen, sondern eine Art Verliebtheit für die Tasten entwickelt hat. www.moodsandgrooves.com BLEED ••••• JOHN TEJADA & JUSTIN MAXWELL - HIGHER [PALETTE RECORDINGS/029 - WORDANDSOUND] Brilliante, schnurrende Monsterkatze diese Platte von Tejada mit Maxwell. “Higher” lässt genüsslich diese Spannung zwischen den extrem gurrenden Basslines und den komprimiert zerschnittenen, platten Vocals an uns aus, und wir könnten nichts mehr sein als dankbar bis in die letzte Faser, denn das kickt so strange und so satt, dass man keinen Takt davon missen möchte. Auf der Rückseite dann zwei Tracks rings um die Überraschungen, die einem die Harddisc (Pleasent/Unpleasent) liefert und das in bestem, schiebenden Tejadagroove mit Sounds, die noch abstrakter nig und mit schönsten Soulvocals los, täuscht kurz mal einen Ravetrack an und rollt endlos Richtung Swerve weiter. Fabio bitte melden. In the Mood setzt noch mehr auf euphorische Pianochords und wirbelt mit einer wobbelnden Bassline und dezent rockenden Congas so ungezwungen über den Dancefloor, dass man sich fragt, warum Kabuki eigentlich im kontinentalen Breaks-Business immer noch ein Geheimtipp ist. Killer-EP. www.hardedegd.de SVEN.VT ••••• ICARUS - I TWEET THE BIRDY ELECTRIC [LEAF - HOUSEMUSIK] Mit ihrem neuesten Album sind Icarus bei Leaf gelandet und hoffentlich verschafft ihnen das endlich die verdiente Publicity “I Tweet The Birdy Electric” ist das Ergebnis von improvisierten Strukturen, Sound Proccesing und fragmentarischen Bezügen zur Avantgarde. Los geht’s mit einem fast typischen Icarus Track, der sich über nette Piano Samples, Beats hin zum Mashup steigert. Als nächstes wird mal eben ein Klavier gecheckt. “Three False Starts” ist danach mit 13 Minuten der längste der 11 Tracks. Lose bewegt sich so gefallen würden, denn allein “Faux” mit seinen Prähistorischen Artschooldrums und den nuscheligen Vocals die wie hinten in den Track geschweißt wirken, ist ein solcher Killer, dass Indiediscos noch in den nächsten 20 Jahren wünschen werden, sie hätten diese Platte. Dark und wie ein Timewarp, aber dennoch so frisch, dass es einem kalt den Rücken runterlaufen kann. “Sick When We Kiss” auf der Rückseite ist dann mehr solider Elektrosound für alle, die mit einem Dopplereffekt ins Bett gehen und mit Dem Zyklus aufwachen, aber irgendwie einen Hauch mehr Pop zum Aufstehen brauchen. Der letzte Track rockt bis in die hinterste Ecke der Garage, fehlt nur noch dass Mark E. Smith auf der nächsten TLS die Vocals übernimmt. www.warprecords.com BLEED ••••• H FOUNDATION - SO FINE REMIXES [SOMA/143 - NEUTON] Nicht dass ich behaupten würde, dass der schwül knorpelige Housesound von Hipp-E irgendwie völlig überzeugend wäre, dafür sind die Delays einfach einen Hauch zu glatt und die Beats dann doch nicht flirrend genug, aber als Tool allemal ein Track, der ein wenig Ruhe in den Dancefloor bringt, die beiden Mixe von Jay allerdings gehen weiter und hüllen einen mit ihren Akkorden sofort ein, nur um die Sequenzen dann langsam wie kleine Spitzen aus dem dunklen Vocal herauspieksen zu lassen und dabei trotzdem, vor allem auf dem Extrabassmix nicht nur elegant sondern, auch kickend deep zu bleiben. www.somarecords.com BLEED ••••-••••• sind als man es von seinen Kollaborationen mit Leviste gewohnt ist. www.paletterecordings.com BLEED ••••• dem irgendwie sehr drogig verdreht. Auf der Rückseite kommen dann die Remixe von Adam Jay, der das Ganze etwas konventioneller mit mehr Melodie und Beats verkauft, aber dennoch dabei flacher wirkt und ein extrem prozessierter Mix von Dietrich Schönemann, der dem Orginal absolut gerecht wird und es in eine noch strangere, aber dennoch ebenso klare Welt überführt. BLEED •••••-••• COZMIC SPORE - ARTIFICAL INTELLIGENCE EP [SEISMIC/019 - NEUTON] Techno, wie er in jedem guten Geschichtsbuch immer als das verkauft wird, was typischerweise Jeff Mills so auflegen dürfte, und das tut er bestimmt auch ab und an, denn hier ist genau diese Mischung aus überladenen Hihats, die so viel Action machen, obwohl lapidar und einer gut eingängigen Melodie in der Hauptsequenz sowie relativ gut den Raum aufmachenden Percussionsounds. Leider nur auf “Creation” und der Rest ist so düster Kellerkindertechno, der beliebiger nicht sein könnte. BLEED ••••-• DIETRICH SCHOENEMANN - 7 [STAMP/007 - COMPLETE] Irgendwie wirkt diese Art von Tribalsound und metallisch-technoider Reduktion etwas bedrückend auf die Dauer und man fühlt sich wie in einem Albtraum, der nie enden wird, dazu bräuchte es nicht mal diese nöligen Alarmsirenen überall. Sehr böser Trip das, und auch nur als solcher zu hören. BLEED ••• CASINO VERSUS JAPAN / FREESCHA - SPLIT [WOBBLYHEAD/13 - IMPORT] Absolute Traum-Kombination, wenn ihr mich fragt. Freescha kommen mit vier frischen Tracks und gleich zu Beginn mache ich einen Luftsprung, denn hier stimmt alles. Weit und dicht, mit diesen wahnsinnigen Basslines, dem irriterenden Leiern in den Tracks und dieser Zurückgezogenheit, die man sich eigentlich nur in Leuttürmen aneignen kann. Ob es die da gibt? Casino versus Japan lässt es friedlich angehen, nimmt diese Idee der Einsamkeit in seinen Tracks auf, verschiebt die Harmonien wie seine Kumpels und dreht dann den Hall auf. Ich denke wieder an Hawaii und Zeitlupensurfer und: Es geht mir gut. www.wobblyhead.com THADDI •••• TONY ROHR - BAILE CONMINGO REMIXES [TORA TORA TORA/007 - COMPLETE] Sehr lässige minimale Sounds auf den Remixen und dem Orginal, das wirkt wie ein Track, von dem eigentlich Richie Hawtin nachts träumen muss. Klar und technoid, funky dabei und dennoch völlig gradlinig, ultra nüchtern und trotz- “I Tweet The Birdy Electric” zwischen micro Sounds, Far East Geklimper, Ambient, Glitch Breaks und Fragen an Komposition und Arrangement. Teilweise erinnert mich manches an Pharao Saunders oder Herbie HancockŒs Sextant LP. Ein sehr komplex spannendes Album. /www.icarus.nu ORSON ••••• IL LOGIC & DJ RAF - MUSIC LOUNG VOL.2 [EBONY/031 - GROOVE ATTACK] Zwei extrem deepe Nummern auf Shy/Fx’s Label, die die warmen Deephouse-Vibes in den Vordergrund rücken. Vor allem “Come on” ist ein perfekter Track, der so schwelgersich vor sich hin groovt, dass man allein für ihn Drum and Bass Afterhours erfinden müsste. Ganz, ganz großer Track auf einer ganz, ganz großen EP. SVEN.VT ••••• HIGH CONTRAST - TWILIGHTS LAST GLEAMING [HOSPITAL/073 - ROUGH TRADE] Das Wunderkind mit neuen Tracks, die wieder so butterweich und euphorisch mit so viel unbedarft gut gelaunten Harmonien, Gitarrenlicks und jauchzenden Jubelvocals daherkommen, wie es nur er schafft. An was erinnert mich die Melodie bloß? A neverending high for real. High Contrast umarmt die Welt und wir machen mit. SVEN.VT ••••• POLSKA - SABBATICAL/SWEPT [INPERSPECTIVE/10 - GROOVE ATTACK] Dank Inperspective gibt’s jetzt endlich auch mal Polska auf Vinyl, der mit “Sabbatical” einige überraschen dürfte. Super swingende, fast Garage ähnliche Beats und minimal Bassline mit ein paar Sounds reichen hier vollkommen aus, Lemon D hätte so etwas in seinen besten Zeiten produziert. Polska hat mich, als ich “Sabbatical” das erste mal vor einiger Zeit in einem Set von Chris Inperspective gehört habe, auf’s Neue für Drum & Bass begeistert. “Swept” find ich mit seinen Strings und Vocals ist nicht ganz so radikal und spannend. Ach ja, zwei nette Downtempo Stücke gibt es auch noch. www.inperspectiverecords.com ORSON ••••• • = NEIN / ••••• = JA JAY JAY & MARK C - BETTER DAYS / BEEHIVES [LPLATE/2122] Erstaunlich, dass es so ein brummender Monsterbasstrack irgendwie dann doch schafft, richtig soulig und wie eine Oldschoolhousenummer zu wirken, und das allein durch das relaxte Vocal: “People were dancing...” Indeed, und das werden sie wohl hiermit nie aufhören, denn die Basslines geht ständig in den Sturzflug aber die Tiefe bleibt. Auf der Rückseite ein etwas albernerer Steppertrack mit sehr viel Phaseraction und einem schönen oldschoolig verdrehten Stringeinsatz. Fein. BLEED •••••-•••• BAD COMPANY UK - BELLINI / TRUE ROMANCE [METALHEADZ PLATINUM /001 - GROOVE ATTACK] Zwei deep fräsende Tracks von Bad Company UK, die einmal mehr zeigen, was die Jungs ohne Fresh im Stande sind zu leisten. Kein sicheres Rewindfutter, sondern zwei tief in schwebender Stimmung grabende Tracks, die genau im richtigen Moment die Fräse rausholen und gleichzeitig endlos weiter grooven. Sehr guter Einstieg für Goldies Luxusoutlet. SVEN.VT ••••• BUCH • = NEIN / ••••• = JA JÖRG SUNDERMEIER - DER LETZTE LINKE STUDENT [ALIBRI] Wie verwurschteln sich Antiamerikanismus, Halbwissen und WG-Plena zum verqueren Weltbild? Warum verstehen gutmenschelnde Studentenlinke die SM-Spielchen ihrer Kommilitoninnen nicht? Was kommt raus, wenn Studenten, die Transpi sagen, aber Revolution meinen, zu lange nachdenken? Wieso gehört der Wunsch, die plan gepflasterten Fußgängerzonen der BRD-Kindheit gegen die Hundekloplatten von Berlin-Friedrichshain einzutauschen, in fast jeden linken Studentenlebenslauf? So zumindest lauten einige Fragen, deren unaufdringliches Aufwerfen einem der letzten linken Politbranchen-Kenner Berlins obliegt: Jörg Sundermeier. Sein fälliges Coming Out als Schriftsteller erzählt die exemplarische Geschichte einer aussterbenden Spezies: die Lebenswelt des letzten linken Studenten. Der ostwestfälische Wahlberliner, Jungle World- und Taz-Vielschreiber Sundermeier, der ansonsten mit Kompagnon Werner Labisch den Verbrecher-Verlag (http://www.verbrecherei.de) betreibt, wirft sein investigatives Insiderwissen linker Zusammenhänge in die Wagschale, um die polit- und sozialpsychologischen Schamgrenzen des letzten linken Studenten humoresk auszuleuchten. Ein Trauerspiel, ein Lehrstück, eine Satire. Oder eine klammheimliche Anklage? Was hier zunächst als augenzwinkernde Neubearbeitung Sundermeiers gleichnamiger Jungle WorldKolumne daherkommt, ist vor allem eines nicht: ein selbstbestätigendes Schenkelklopfen der "Wir sind die Guten"-Linke, die sich mit dem "letzen linken Studenten" ihr klischiertes Selbstportrait aufpoliert. Dieser Kolumnenkompilation geht es vielmehr um das Nachzeichnen des Lebensgefühls derer, für die LinksSEIN nicht nur großgeschrieben, sondern eine lebensphilosophisch antimoderne Lebensform darstellt: links als wertkonservative Über-Ich-Matrix selbstkasteiungswilliger Deutschländer. Sein minoritäres Einzelkämpferbewusstsein teilt der letzte linke Student zwar mit vielen anderen letzten linken Studenten, in Uniseminar und Asta-Plenum fühlt er sich aber allein gelassen. Also bastelt er im Stillen an seiner eigenen Weltsicht, deren linker Gehalt sich stetig dem Fettgehalt eines Diätjoghurtbechers annähert. Aber das weiß der letzte linke Student nicht. Lesenswert, lehrreich, links. Preis: 14 EUR www.alibri.de SK ••••• GAMES • = NEIN / ••••• = JA R:RACING EVOLUTION [GAMECUBE - NAMCO, EA] Namco beschert uns heuer ein neues Rennspiel des Ridge-Racer-Teams, was, soviel sei schon verraten, eigentlich nicht sonderlich der Rede Wert wäre, wenn es nicht als R:Racing zweimal überragende Beilage das anderswo besprochenen Pac Man Vs mit in der Verpackung hätte. Der Raser versucht die Komplettbedienung mit klassischen Straßenrennen, Rallyparcoursen oder DragautoDuellen, allesamt sehr nett und in diversen Modi spielbar, aber zu viele Styles verderben bekanntlich manchmal den Brei. Es braucht keinen Rennspielexperten, um zu erkennen, dass hier König Durchschnitt regiert. Auffallend sind allein die schmucke Menüpräsentation und die mehr als sweete Heldin des Kampagnenmodus, Hayami. Mit ihr versuchen wie den Aufstieg von der Rettungssanitäterin zur Queen aller Rennstrecken. Unser Teamchef seiert uns dabei während aller Wettläufe ständig neoliberale Anrufungen ins Ohr. Mit "R:Racing" verfehlt Namco den Sprung aufs Treppchen mit locker zwei Runden Rückstand hinter der Konkurrenz, aber dabei sein ist ja bekanntlich alles. BUB ••• als Multiplayer-Gala umzusetzen, erscheint von der Idee her zunächst vielleicht abwegig. Nach einem Probelauf mit dem irre guten Ergebnis fragt man sich, wieso es wieder mal einen Miyamoto braucht, um auf solch eine Idee zu kommen. Die Regeln lauten folgendermaßen: Eine Person kontrolliert den ersten Popstar der Videospielgeschichte (der wie manchmal vermutet eben nicht Lara Croft heißt) mit dem gelinkten GameBoy Advance. Ein bis drei Buddies gehen am Gamecube rückgekoppelt als knuffige Geister auf die Jagd. Jeder von ihnen sieht per Splitscreen nur den unmittelbar um die Figur herum liegenden Teil der sechs wählbaren Labyrinthe auf dem Fernsehschirm, während Pac Man die klassische Tutti-Übersicht auf dem GBA innehat. Fängt jemand der Geister den Schnuffel, darf er die nächste Runde selber Pac Man sein und versuchen, das Labyrinth voller Pillen abzuräumen. Wer vor den anderen eine gewählte Punktzahl erreicht, ist der Sieger der Partie. Einfach und genial, denn Pac Man Vs. bindet als erster Titel die Verbindung der beiden Nintendo Geräte konstitutiv und sinnvoll ins Gameplay ein und nutzt den Link-Up nicht primär nur als Marketinginstrument mit dem Ziele, sich des weiterhin mehr als amtlichen Erfolgs des Gameboys zu bedienen, um einige Cubes mehr zu veräußern. Das Spiel beweist noch etwas: So sehr Netzwerkduelle auch spielerisch einen Step nach vorn bedeuten; der direkter kickende Spaß einer gemeinsamen Runde vor nur einem Bildschirm ist, zumindest was den Partyfaktor anbelangt, kaum zu toppen. Leider besitzt die Sache einen für mich unverständlichen Haken: Das Game gibt es nicht einzeln zu erstehen, sondern liegt aktuell nur dem doch sehr mediokren Rennspiel "R:Racing" als Goodie bei. Unter welchen Prämissen trifft Nintendo eigentlich solche nebulösen strategischen Entscheidungen? Kommt ja derzeit nicht gerade zum ersten Mal vor. Euch bleibt also nur die folgende Wahl: Entweder in den sauren Full-Price-Apfel beißen oder abwarten, Pizza essen und irgendwann gebraucht an Land ziehen. BUB ••••• FINAL FANTASY - CRYSTAL CHRONICLES [GAMECUBE - SQUARE-ENYX, NINTENDO] Nach jahrelanger Abstinenz der Final-FantasyReihe, die seinerzeit mit einem Machtkampf zwischen den Partriarchen von Square und Nintendo begann, ist mit der kristallinen Chronik das wohl populärste Japanische Rollenspiel-Universum endgültig wieder auf die Nintendo-Hardware zurückgekehrt. Den Vorwurf der allzu großen Linearität, der sich die letzten Teile auf der PS2 trotz der großartigen Detailverliebtheit nicht entziehen konnten und die Fan-Gemeinde spaltete, entgeht der Gamecube-Teil dadurch, dass die einzelnen Level quasi nach Gutdünken ausgewählt werden dürfen. Dieser Aspekt relativiert sich jedoch angesichts der sukzessive steigenden Schwierigkeit. Zur Story: Die ganze Welt ist von Miasma, einer giftigen, gasförmigen Substanz, überzogen. Allein Kristalle helfen und ein jedes Dorf hat seinen eigenen. So auch unser Heimatdorf. Um den Miasmaschutz auch auf Dauer aufrecht zu erhalten, muss jedes Jahr ein Gefäß voll Myrrhetau eingesammelt werden, was Karawanen übernehmen; wir übernehmen diese Aufgabe für unser Heimatdorf, soviel ist klar, und reisen fortan pro Jahr an drei verschiedene Orte (= Dungeons) auf der großen Karte, um an Myrrhetau zu kommen. Als Reisebegleiter haben wir natürlich eine Miniaturversion des Kristalls dabei. Außerdem begleitet uns ein wuscheliges Pelzwesen und trägt den Schutzschild für uns. Die erste Person plural ist bei FFCC übrigens gar nicht so falsch, vorausgesetzt wir alle besitzen einen Gameboy Advance mit Linkkabel. Hinter dieser hohen Schwelle liegt nämlich das MultiplayerGlück, sich zu viert um Ausrüstungsgegenstände und Marschrichtung kabbeln zu dürfen, sich zuzurufen, welcher der grafisch imposanten Spells nun gerade gegen das Monster hilft oder wer nun gerade den Kristall tragen darf (wohl der undankbarste Job) und so im Endeffekt ein liebevoll inszeniertes Abenteuer gemeinsam zu bestehen. Ohne mindestens 2 Gameboy Advance samt Kabel gibt es aber gar keinen Mehrspieler-Modus, was das Spiel zwar nicht schlechter macht, aber Nintendos Verkaufspolitik an dieser Stelle stark kritisierenswert: Schließlich haben viele schon viel Geld in 4 Controller investiert, um miteinander vor dem Cube spielen zu dürfen, nun sind also auch noch Gameboys fällig?! Aufgrund des knuddeligen Charmes der Welt und ihrer Detailverliebtheit lässt einen aber auch das EinspielerAbenteuer - wenn man sich erst drauf eingelassen hat - so schnell nicht mehr los und daher müssen wir auch ob der großen Sauerei gnädig bleiben: Final Fantasy Cristal Chronicles ist ein schönes Spiel. Trotz gelinder Simplizitätsvorwürfe und dem fahlen Nachgeschmack wegen der Multiplayer-Hürden: Grafik, Charaktere, Musik und Sound sowie Übersetzung und Setting lassen einen schon bald nicht mehr los und so folgt Dungeon auf Dungeon, Jahr auf Jahr und mehr und mehr strudelt sich das Spiel dem Ende entgegen ... Bei soviel Charme muss man sich auch fragen, ob vielleicht Nintendos Rechnung doch aufgeht und zu Weihnachten der eine oder andere Gameboy Advance für die Liebsten fällig wird, weil wir dieses Spiel so gerne miteinander teilen wollen!? Verständlich wär's. BOB ••••-••••• PAC MAN VS. [GAMECUBE - NAMCO, NINTENDO, EA] Don't call it a comeback: Den gelben Pizzamampf CALIBRE - P.U.R [REVOLVE:R /004 - GROOVE ATTACK] Calibre zeigt die Zähne. Was für ein Tune. Dunkel, böse und mächtig, ohne dabei die Rockwalze anzuschmeißen. Dafür holt er das bassigste Nebelhorn raus, seit es Ravesignale gibt und navigiert einen damit direkt auf den Floor. Perfekt. Die Flipside kann da nicht ganz mithalten, mit ihren Arcade-Bleeps und Old-School-Charme. Trotzdem wieder eine Killer-EP vom Mann aus Wales. SVEN.VT •••••-•••• SONIC & SILVER - THE RUSSIAN / CRASH MASTER [SCIENCE FICTION/006] Eine Platte, die mich merkwürdigerweise an frühe Krust Platten erinnert, in den Breaks natürlich etwas weniger steppend und ein wenig mehr in die Knie gehend, aber dennoch. Klassischer Sound irgendwie, den Sonic & SIlver dafür aber natürlich in Perfektion abliefern und sehr lässig rocken lassen, als hätten sie schon mal für ihre Virus LP geprobt. Für die Freunde des leicht shuffelnden Amenbreaks dann die Rückseite, die moscht ohne Ende. BLEED ••••• MATHEMATICS - HERE & NOW / BACKDRAFT [SOCIAL STUDIES /001 - GROOVE ATTACK] Endlich ist das Label der Mathematics am Start. Und “Here and now” gräbt gleich tief in deepester Techno-Geschichte, zückt ein paar unwiderstehliche Bleeps heraus, toppt das Ganze mit Vocalschnipseln, Pianochords und massiv Bass. Die schiebenden Amen-Breaks nicht zu vergessen. Der sitzt! Die B-Seite träumt sich ein wenig düdelig in trancige Weiten, lässt dann die Synthies aufheulen und brummelt sich gen Horizont. Allein wegen der A-Seite ein sehr cooles Debüt. SVEN.VT •••••-•••• LXC - RAVE IS BACK [PHANTOMNOISE RECORDS/010] Auf der neuen Phantomnoise kommen die Zeiten der Stepperbeats wieder zurück und ich wünsche mich gerne noch mal ins Jahr 96. LXC macht das perfekt und bis in den letzten Ravestab mit einer Euphorie, die ich voll und ganz nachvollziehen kann. Selbst die leicht überzerrten Bassdrums in den Breaks kommen hier ganz gut. Nice. BLEED ••••• RAUL ZELIK - BASTARD. DIE GESCHICHTE DER JOURNALISTIN LEE [ASSOZIATION A ] Carla Lee ist ein "Bastard": portugiesische Mutter, koreanischer Vater, Kindheit in Dortmund und ein Zwischenspiel in Berlin. Identitätsfragmente, Loyalitätskonflikte, Rückblenden und Perspektivwechsel verweben sich mit Politik, Sex und Bulimie zu einer spannenden, gut recherchierten Postmigrationsstory. Die 27 jährige Carla taucht als "Auslandskoreanerin" und Journalistin in die Abgründe eines koreanischen Politskandals ein, ohne sich jemals "Heimkehrerin" zu fühlen oder den politischen Kampf ihres emigrierten Gewerkschaftsvaters führen zu wollen. Die Protagonisten Carla, ihr Freund und "Abiturtürke" Cem und ihre deutsch-koreanische Freundin Lina leben in einer Realität, in der die Begriffe Heimat, Zugehörigkeit und Identität nicht nur absurd geworden sind, sondern längst nicht mehr als essentieller Mangel artikuliert werden können. Der Berliner Autor, Politaktivist und Journalist Raul Zelik hat mit "Bastard" sein drittes Buch vorgelegt und wird derweil von der Süddeutschen Zeitung schon als der "Manu Chao der deutschen Popliteratur" gefeiert: Ein Lob, von dem man Zeliks "Bastard" in allen Punkten freisprechen muss. So nervig wie irrelevant das Genre "deutsche Popliteratur" im deutschen Feuilleton seine Selbstreferenzen und Belanglosigkeiten hyperventilieren durfte, bis die Generation Golf endlich auf ihr Stammklientel aus BWLern, Werbeheinis und überschüssigen Deutschlehrern eingeschmolzen war, so klar und direkt formuliert Zelik ein Gegenmodell: "Bastard" arbeitet mit modernen Stilmitteln, Ausdrucksformen und Produktionsmitteln, ohne sich einen Pop-Popanz drum zu scheren. Zeliks Roman kann zwar als back to content-, back to politics-Intervention gelesen werden, nicht aber als reaktionäres PolitBesinnlichkeitsgeschwafel, das mit Migrationsbiographien ihr Opferidentifikationsbedürfnis befriedigt. "Back to" meint hier mindestens den Sprung aufs nächste Level, remember Hegels "bestimmte Negation". Preis: 15 EUR SK ••••• Land der unbegrenzten Möglichkeiten gerichtet wird. In seinem unterhaltsamen und nicht immer ernst gemeinten Ratgeber über Game Audio und die Gamesbranche an sich plaudert mit dem Texaner Sanger kein geringerer als "the Patron Saint of the Nerds" aus dem Nähkästchen. Sanger ist seit gut 14 Jahren als Komponist tätig und hat unter anderem "the 7th Guest" und vertont. Desweiteren war er - wie wir unter anderem in seinen Ergüssen erfahren - Bandleader der "Adlib Soundblasters" und als bunter Kauz der Szene schon häufiger auf der Games Developer's Conference als Redner eingeladen. Und wir als Leser? Erfahren viel über Existenzgründung, texanische Wildhüter, Cowboyhüte und den Sinn des Lebens. Sowie nach einer weit ausschweifenden Einleitung einiges über Hürden für Gamesmusik-Komponisten, limitierte Musikgeschmäcker und mangelnde Fachkenntnisse von Programmierern und Producern und natürlich die Verwendung von Musik in Spielen. Auf dem Weg bringen uns viele seiner Anekdoten aus dem verworrenen Produktionsalltag zum Schmunzeln und nach einigen Kapiteln steigt eine unbeschreibbare Lust in uns auf, diesen wirren Menschen, der sich hier so lebensnah mit der sonischen Ausstattung der uns liebsten Digitalgüter auseinandersetzt, auch mal auf eine Diet Coke zu treffen und mit ihm über Cowboyhüte, Studioorganisation und natürlich Games zu sprechen. Vielleicht werden auch wir danach wie der auf dem Buchrücken zitierte Gamer sagen "I met the Fat Man. He's cooler than God", wahrscheinlich aber auch nicht, ein netter Zeitgenosse wird er aber sein, der lustige Alistair. Alles in allem oszilliert dieses Buch zwischen genialen Gedanken zu der Verwendung von Musik in Games, praktischen Tipps rund um das Leben in der westlichen Kultur und einer gehörigen Prise (Männer-)Klamauk und bleibt daher ein wenig schwer zu fassen; wie vielleicht der Autor selbst. Lesenswert ist das Buch jedoch nicht nur für angehende Komponisten, sondern für nahezu jeden an Sound in Games interessierten ... Nerd. Jippiyeah! www.newriders.com BOB ••••-••••• liegen, dass in massig Titeln immer wieder grundlegende Fehler im Verständnis des Mediums gemacht werden, die mit der Zeit beim aufgeweckten Rezipienten leicht zu einer "Das kann selbst ich ja besser"-Haltung führen. So simpel, wie man es sich das in stillen Momenten alles so denkt, ist es unter dem Strich dann natürlich nicht. Andrew Rollings und Ernest Adams, beides kompetente und renommierte Menschen vom Fach, haben vor kurzer Zeit bei New Riders eine informative Einsteigerfibel rausgebracht, die jedem, der sich etwas tiefer mit der Materie befassen möchte, ans Herz gelegt sei. Die eine Hälfte des Buches besteht aus Designgrundlagen, die andere arbeitet sukzessive sämtliche Genres mit ihren jeweiligen Eigenschaften und Besonderheiten ab. Sehr fein und vermutlich spannender, als sich das gerade in meinen Worten anhört. Im Gegensatz zum neuen Standardwerk der Profession, Rules of Play von Zimmermann & Salen, bleibt es jedoch bei in der industriellen Praxis verwertbaren Basics. Wer Ernest Adams nur von seinem wichtigen Dogma 2001 kennt und sich Gedanken über eine Weiterentwicklung des Mediums erhofft, wird leider enttäuscht werden. Für das, was es sein will, aber gut gelungen. ca. 50 USD www.newriders.com BUB •••• sammlung ihres neuen Rockmusikfreundes (nach ihrer Farcebeziehung mit Dj Okay) durcheinanderbringt und dafür Prügel kassiert. Cactus tut aber nicht so, als wären die Cliches nicht da, sondern arbeitet damit und füllt sie eigenwillig in ihrer gleichzeitig ausschmückenden, wie kargen Sprache aus. Manchmal plappert das vielleicht zu viel. Aber schon okay für nachts. www.rowohlt.de KAREN ••• lähmend weiterzutreiben: Geduld der genauen Übertreibung. Beispiele findet AGD bei Deleuze, Margolis und amerikanischen Malern. Was soweit vielleicht abstrakt klingt, wird in den einzelnen Texten entlang so unterschiedlicher Themen wie Ironie (Adorno, Butler, Spivak), Politik (Deleuze-Guattari, H. Arendt, Agamben) und Bild (Nancy, Barthes) geradezu existentiell konkret - immer hart am Wind kultivierter Idiosynkrasie kann die Ausgesetztheit der Übertreibung eben auch den durchs Loch in der Wand getriebenen Schwanz meinen. www.suhrkamp.de DVD •••• GEORGE ALISTAIR SANGER - THE FAT MAN ON GAME AUDIO: TASTY MORSELS OF SONIC GOODNESS [NEW RIDERS, 2003] Computerspielmusik-Komponist ist in unseren Landen noch ein recht frisches Berufsbild in einer recht frischen Branche. Kaum verwunderlich also, dass der Blick des Marktes des öfteren in das ANDREW ROLLINGS & ERNEST ADAMS: - ON GAME DESIGN [NEW RIDERS PUBLISHING] Unter den Gamingfans, die ich kenne, finden sich viel mehr Leute, die selber einmal gerne Spiele entwerfen würden, als unter meinen Filmfreunden Wannabe-Regisseure oder unter den Leseratten Autoren in spe. Das mag vielleicht daran SERIOUS SAM - THE NEXT ENCOUNTER [GAMECUBE, PS2 - TAKE 2] Manchmal ist das Einfache besser. So wie bei der "Serious Sam"-Reihe. In diversen Begegnungen zwischen dem Helden Sam Stone und dem Oberbösewicht Mental ging es bisher eigentlich nur um eins: Knarre in die Hand und Monsterhorden niedermähen. Subtil ist daran gar nichts - und gerade die groteske Überhöhung wird in der Inszenierung von "The Next Encounter" weiter herausgearbeitet. Gekämpft wird wieder an den abstrusesten Schauplätzen der Weltgeschichte: dem alten Rom, China und Atlantis - eben da, wo man Aliens am ehesten vermuten würde. Das macht zwar alles keinen Sinn, gibt aber schöne Hintergründe ab. Und mit comicartigen Klischees, Trefferpunktanzeige und Combo-Bonuspunkten führt das Spiel direkt in die Spielhallen zurück und setzt damit einen herrlich unernsten Gegenpol zu den Hochglanz-Egoshootern der letzten Zeit. RYD •••• METROID ZERO MISSION [GBA - /NINTENDO] Zuerst ist es die Eleganz, die einen an "Metroid Zero Mission" fesselt. Das Gefühl, ein Spiel in die Hand zu nehmen und von der ersten Sekunde an zu wissen, was man zu tun hat. Dann ist es die Grafik, die flüssig und funktional die Spielmechanik abbildet, gleichzeitig aber funkelnd, psychedelisch verzaubern kann. Was es nie ist, ist die Story: Ob wir hier auf einem fremden Planeten auf der Jagd nach Weltraumpiraten sind, dabei fliegende Gehirne oder kleine pelzige Feuerwesen umgehen müssen, bleibt einfach egal. Es geht um die Suche nach Lösungswegen, um das Kombinieren verschiedener Fähigkeiten und letztlich um das Erforschen eines großen Systems, dem man gerne die letzten Geheimnisse entlocken möchte. Und das macht "Metroid Zero Mission" so perfekt wie schon lange kein Spiel zuvor. RYD ••••• BLACK MIRROR - DER DUNKLE SPIEGEL DER SEELE [PC - DTP] Black Mirror kam in unserem Nachbarland Tschechien bereits Ende 2002 als "Posel Smrti" (Der Todesbote) auf den Markt. Nach einem mysteriösen Intro beginnt das Spiel im Schloss Black Mirror. Die Hauptrolle spielt Samuel Gordon, Enkel des auf tragischer und seltsamer Weise umgekommenen William Gordon. Nicht nur sein Aussehen erinnert dabei an den Johnny Depp aus "Sleepy Hollow", auch die Stimme stammt vom deut- schen Synchronsprecher. Samuel muss sich nun mit Hilfe der Point-und-Click Technologie durch die Kulisse klicken lassen, um nach und nach die verschiedenen kleineren und größeren Rätsel zu lösen, die zwischen ihm und der Auflösung des Großvatermordes liegen. Manche von diesen verlangen gar etwas mehr Geduld oder einen Weltatlas (z.B. um eine Planetenkonstellation zusammenzufügen und so an einen Schlüssel zu kommen). Eine hohe Playability ist jedoch garantiert, da kein Rätsel zu abwegig erscheint. Nicht nur die düstere Szenerie, durch wunderbare Grafiken visualisiert, verleiht dem Spiel den nötigen Thrill, auch die ab und zu auftretenden Halluzinationen und Visionen unseres Helden lassen den Spieler einen kleinen Schauder überkommen. Hier und da trifft er auf seltsame Charaktere und manchmal segnet der eine oder andere Mitspieler das Zeitliche. Der finstere Soundtrack und die Hintergrundgeräusche erledigen den Rest, um das Spiel als wahre Gruselstory durchgehen zu lassen. Das Einzige, was den versierten GameJunkie an der Szenerie stören könnte, wären die im Gegensatz zur großartigen Hintergrundgrafik teilweise vernachlässigt wirkenden Animationen der Figuren. Durch den stetig steigenden Spannungsbogen vermag man dies aber gerne zu übersehen. Kein Wunder also, dass das Spiel gleich nach dem Release in Deutschland die Verkaufsliste bei Amazon anführte und von den führenden Adventure-Fan-Seiten Deutschlands mit ihrem Gütesiegel ausgezeichnet wurde. Außerdem soll das Spiel demnächst sogar von David Fincher verfilmt werden, mit, wie könnte es anders sein, Johnny Depp in der Hauptrolle. Als sehr positiv zu bewerten ist auch die Homapage (www.blackmirror-game.de), auf der es eine Menge Hintergrundinformationen zum Spiel, einen kleinen Soundtrack und die Versprecher der Synchronisatoren zum Downloaden gibt. Alles in allem ist das Spiel sehr gelungen und ein Muss für den Abenteurer! TC •••••-•••• COUNTER STRIKE - CONDITION ZERO [PC - VALVE, UNIVERSAL] Bei dem Namen Counter Strike muss nicht mehr viel gesagt werden. Bei PC-Spielern hat CS als das kooperative Multiplayer-Spiel schlechthin" einen fast schon legendären Ruf. Nicht-Clan-Mitglieder kennen jedoch den Frust, der einen überkommt, wenn das Hörensagen-Bild dieses E-Sport-Online-Titels durch das eigene Erleben gerundet werden soll: Nach dem Rundenstart und einer 5sekündigen Spielerfahrung wird man in der Regel von sehr viel erfahreneren Gegenspielern per Kopfschuss erledigt und kann das Hochfeiern der Eingefleischten wieder einmal nicht so recht nachempfinden. Den Geländekenntnissen der Pros, die Counterstriken als eine Art Teamsport betreiben, sei Dank. Das Gute an Condition Zero ist daher, dass in der mit zahlreichen Bots möglich gemachten Singleplayer Offline-Version die auf LAN-Partys schon Standard gewordenen CSTeamvarianten "Bombe legen/entschärfen" und "Geiseln halten/befreien" endlich mal mit einem positiven Erlebnis durchspielt werden können. Das nicht so Gute ist neben dem Aspekt, dass eine ehemals OpenSource-Modifikation von Halflife nun als eigenes Produkt im Regal steht, der dieses Vorgehen rechtfertigende "Story-Modus", welcher in auf den gesamten Globus verteilten Anti-Terror-Missionen vor Grafik und Programmierfehlerchen nur so strotzt und neben dem mittlerweile arg überstrapazierten Sujet mit der omnipräsenten Konkurrenz spielerisch wie auch technisch nicht mehr mithalten kann. Dafür spielt es sich auch auf verhältnismäßig alten Rechnern noch flüssig und nach ausreichend viel Training darf auch wieder im Netz gespielt werden. Wer also gerne schon mal wissen wollte, was Counter Strike nun eigentlich ausmacht, hat mit Condition Zero eine grandiose Chance, dieses auf unpeinliche Art erfahren zu dürfen. Counterstriker und Fans des Originals freuen sich zwar über Zusatzwaffen, werden sonst aber enttäuscht sein. BOB ••-••••• EIN KATER MACHT THEATER [PS 2 / - UNIVERSAL] Im gähnenden Eindruck der häufigen Lizenzgurken bei Dreamworks- oder Disney-Kinoschlagern wie den Videospielen zu Monster AG, HULK oder auch Shrek, in welchen wir unmotiviert durch noch unmotivierter designte 3D-Welten im Stil der vorletzten Hardware-Generation hüpfen durften, stellt dieses Spiel geradezu einen Avantgarde-Schlag in 2D dar. Nicht nur, dass in der Rolle des unglaublich dämlich daherkommenden humanoiden Theater-Katers endlich mal wieder FRANCOIS CACTUS - NEUROSEN ZUM VALENTINSTAG [ROHWOLT] Übernächtigt, etwas drüber und direkt begeisterungsfähig bis die Müdigkeit einsetzt - das ist wohl die beste Zeit, um mit "Apocalypstick" einzusteigen, der ersten Geschichte in Francois Cactus Neurosen zum Valentinstag. "Toll siehst du aus! Warst du im Urlaub? - Nein, ganz im Gegenteil. Auf Partys bis in die Puppen", triumphiert Pamela nicht weit von Andy Warhol. Cactus Geschichten schreiben sich einen fiktiven Lofi-Glam zurecht und entpuppen immer wieder Sätze, mit denen sich auch ohne französischen Vorlese-Akzent was anfangen lässt: "Aua mein Kopf", "Obwohl erst nachmittag, ist es bereits stockfinster", "Es leuchtet ja richtig. Gefällt dir die Musik?". Die Geschichten drehen sich prinzipiell um Frauen, die gerade darin, dass sie versuchen, möglichst verwegen oder extrem zu sein, ziemlich gewöhnlich rüberkommen. Ein ehemaliges Starlett, das sich im Jet-Set-Magazin als Fashion Victim wiederfindet und "Anti-Anti-Aging" fordert, eine Engländerin, die begeistert von der deutschen Sprache erzählt bis hin zu Lola, die die Platten- seitwärts gehüpft wird, die auf der Jagd des Bösewichts zurückzuzaubernde verhexte Villa kommt in Farbe und Architektur der einzelnen Räume eher daher wie ein von Salvador Dalí in Auftrag gegebener Kindergeburtstag. Durch die abwechslungsreichen Passagen wird zudem der Langeweile-Faktor gering gehalten. Wenn man die Sprachausgabe noch ausschalten und der Kater ein wenig pfiffiger sein könnte, wäre ein kleiner Luftsprung angebracht. So ist es eine kleine positive Überraschung im sonstigen Lizenz-Brei, mit denen die Zielgruppe des Films ihren großen Spaß haben dürfte. BOB ••• PROJECT ZERO II - CRIMSON BUTTERFLY [PS 2 - TECMO, UBISOFT] Der erste Teil der spukigen Geister-Survival-Reihe sorgte schon vor anderthalb Jahren für Gänsehaut an der heimischen Playstation. Vor allem durch die dichte Story, die gruselige, genial designte optische und akustische Umgebung sowie die geniale Idee, per Kamera auf Geister- und nicht etwa auf Zombie- oder Mutantenjagd zu gehen, sorgte für frischen Wind und unbehagliche Gänsehaut bei Survival-Horror-Fans. Auch im zweiten Teil bleibt die magische Kamera als Waffe gegen die Untoten bestehen. Auch wird das Spiel weiterhin durch eine absurd-eklige, durch gefundene Notizen und Zeitungsausschnitte erzählte Hintergrundgeschichte getragen. Als kleiner Konkurrent zu den mächtigen Resident-Evil- und Silent-Hill- Teilen stellt Project Zero damit weiterhin die unblutigere, aber nicht minder gruselige Alternative dar und verhält sich so zu diesen ein wenig wie der Film "Poltergeist" zu sagen wir mal "Nightmare on Elmstreet". Feste Kameraeinstellungen sorgen weiterhin für einen ständigen Suspense, gerade auch durch die spontan erscheinenden und sich flugs wieder in Wohlgefallen auflösenden Geister, welche aber weniger geworden sind als noch im ersten Abenteuer. Die Atmosphäre bleibt durch die ächzenden Audio-Flächen und die düstere Grafik ständig aufrecht erhalten und die morbide Geschichte fesselt, auch wenn sie sich mitunter sehr skurriler Japano-Elemente bedient. Leider erinnern viele Räume wie auch die Musik stark an den ersten Teil, aber auch das kennen wir ja von der weitaus bekannteren Konkurrenz. Das grausige Vergnügen währt mit knapp 10 Stunden wieder einmal nicht so lange wie bei anderen - so oder so bleibt Project Zero aber ein wunderbar-schauriger Horrortitel für alle, die sich mal anders gruseln wollen. Weiterhin ein Geheimtipp für Gruselfans. BOB ••••-••••• FIREFIGHTER F.D. 18 - [PS 2 - KONAMI] Vor allem nach 911 und vor allem in Amerika ist der Beruf des Leben rettenden Brandbekämpfers letzlich wieder zu neuen Ehren gekommen. Auch wir wollten natürlich alle irgendwann einmal Feuerwehrmann werden und uns durch brennende Gebäude bis zu den eingeschlossenen Opfern vorkämpfen, um als wahre Helden wieder gen Wache zu fahren, nicht?! Endlich nimmt sich Konami der Erlebniswut des Marktes an und füllt die bisher noch klaffende Lücke auf dem Videospielemarkt. Dafür werden wir umgehend in die schwarz-gelbe Uniform gepresst, um in verschiedenen digitalen Brandherden Opfer zu retten und Flammen zu löschen, auf dass die Schwarte kracht. Sehr viel mehr passiert jedoch nicht und dem Thema entsprechend fallen die Einsatzumgebungen recht ähnlich aus. Neben Gas- und Rauchschwaden, ab und zu einer kleinen Kriechpassage oder einer Tür, hinter der eine züngelnde Flammenwand à la "Backdraft" wartet, bleibt der Spielwitz einer an sich spannenden Idee ein wenig auf der Strecke. Die Häuser geben sich dafür dann doch ein wenig eintönig und beim Retten der verschiedenen Opfer und den ab und zu eingestreuten Bosskämpfen mit einer größeren und somit dann wohl "Bossflamme" passiert nicht mehr viel. Trotzalledem: Die Idee ist eine feine und durch die bedrängende Atmosphäre mitsamt Glut, Funkensprühen, Flammen und Explosionen sowie der dynamischen Szenerien mit kleinen, gescripteten Geschehnissen kommt es auf der Suche nach den nächsten Überlebenden zu einigen immersiven Momenten, die gerade am Anfang für das nötige Kribbeln sorgen. BOB •••-•••• FALLOUT - BROTHERHOOD OF STEEL [PS2 - TAKE 2] Was zum Teufel ist denn hier los? Bzw. treffender: Wieso ist denn hier so ganz und gar nichts los? Unter der renommierten Fallout-Lizenz, für viele immer noch eins der derbsten Rollenspiele aller Zeiten (dem Autor leider unbekannt - Ja das darf ALEXANDER GARCÍA DÜTTMANN - PHILOSOPHIE DER ÜBERTREIBUNG [SUHRKAMP] Den kältesten Winter, den ein Mensch in den letzten Jahren verbringen konnte, war der Sommer 2002 in San Francisco. Dort und dann stellte AGD die vorliegende Kompilation bereits andernorts veröffentlichter Texte zusammen und ergänzte sie um eine Einführung. Die Übertreibung, an der die Texte sich reiben, an der sie selbst Anteil haben, ist nicht (natürlich nicht!) die einer schlichten Unangemessenheit, einer schlechten Überzogenheit. Übertreibung tritt auf in einer Situation, in der noch kein Massstab von angemessen/übertrieben, alltäglich/annormal gegeben ist; wenn also eine solche Unterscheidung erst, ohne Leitbild, quasi freischwebend, getroffen werden muss. Dies aber ist die alltägliche Situation jedes Denkens und Tuns, das mit dem bestehenden Alltag nicht schlicht paktieren will. Die von ihm gezogene Unterscheidung, nicht begründbar, nicht zu rechtfertigen, treibt daher über der Grenze von Wahrheit und Wahnsinn hin und her. Im Grunde keine neue Einsicht im Kontext von Differenztheorien wie negativer Dialektik (Adorno) und Poststrukturalismus: die Übertreibung markiert oder ist Effekt des blinden Flecks jeder Unterscheidung. Gleichwohl besteht stets die Gefahr, dass Denken das Übertreiben übertreibt, also nicht mehr, geduldig, eingedenkend, sich des zweideutigen Status seiner Operationen aussetzt, sondern übermütig, fanatisch, leerlaufend die Bindung an jede Operation verliert. Theorie reagiert auf diese Gefahr mit dem Verbot der Übertreibung (Kant, Wittgenstein, Derrida als Metaphysik-Kritiker) oder indem sie sie erst wieder recht auf Touren bringt (Derrida sonst); das erste zielt auf eine Reinheit der Übertreibungsfreiheit, das zweite auf eine Reinheit der reinen Übertreibung. AGD schwebt eine andere, unreine Lösung vor: Abbruch der Übertreibung, d.h.: Übertreibung nicht auszuschliessen, sie aber auch nicht endlos skrupulös und man auch mal zugeben!), wird uns ein Actionspiel serviert, für das man das Attribut „von der Stange" erfinden müsste, würde es das Urteil nicht schon geben. Den altbewährten Gauntlet-Stylee im Nullergewand, Monsterhorde für Monsterhorde in der Druffsicht bashen, um viele Items der im Umfang ebenso monstermäßigen Kollektion zuzuführen, päppelt man mit einigen Rollenspielelementen auf, die aber in ihrer Beschränktheit nicht sonderlich über Normalo-Actiontitel hinaus gehen. Insofern überrascht die allgemeine Rezeption dieses Titels unter dem Banner ActionRPG schon ein wenig. Anyway, auch wenn das Brandschatzen á la Diablo ganz grundsätzlich gerade durch seine Simplizität oft einen Reiz des Unwiderstehlichen ausübt (Sprich: Man sich eigentlich schon seit einer geraumen Zeit irgendwie langweilt und dann doch immer weiter spielt.), sind die Stages hier derart öde entworfen, daß selbst durch einen Bandscheibenvorfall ans Bett gefesselte Leute wie ich lieber die Decke anglotzen, als sich weiter auf die Suche nach der Brüderschaft aus Stahl zu begeben. Der einzige Lichtblick innerhalb des durch viele Releases aus der letzten Zeit eng besetzten Terrains wird durch das postnukleare Szenario verbucht, aber im Grunde genommen wirkt bei solch einem Stil die Repräsentation eh relativ austauschbar, gerade wo die gebotene Story selbst Narrationsfetischisten nicht hinter dem Ofen hervorholt. Sorry, ihr Lieben bei Nimm 2, aber das hier ist genau die Art von Durchschnitt, die einen manchmal mehr aufregt als ein total versemmelter Titel. BUB ••-••• BAPHOMETS FLUCH - DER SCHLAFENDE DRACHE [PS2 - THQ] Zugegeben: Diese Kritik trudelt erst mit einiger Latenzzeit ein. Da es sich hier um Reanimationsversuche des von vielen Spielern geliebten, derzeit aber mehr als unangesagten Genres Adventure handelt, drücken wir mal ein Aktualitätsauge zu. Zunächst die Fakten: Beim schlafenden Drachen handelt es sich bereits um Teil drei dieser kleinen Abenteuerserie, welche außerhalb der Republik unter dem Namen Broken Sword bekannt ist. Wir erleben die Geschichte des dynamischen Duos George Stobbart (der blonde Herold, seines Zeichens Jurist) und Nico Collard (sein weiblicher Komplementärkontrast, eine Reporterin), die überraschend einer uralten Verschwörung rund um einen Templerorden auf die Spur kommen. Beim Thema religiöse Orden und Freimaurer denkt man sofort an Ecos Foucaultsche Pendel, tatsächlich kriegen wir auf dem Narrationstablett aber wieder mal nur Indiana Jones serviert. Na ja, es muss halt gegessen werden, was auf den Tisch kommt. Erlaubt mir dem Anlass angemessen ein wenig auszuholen: Adventures besitzen ganz allgemein das Problem, das sich ihr spielerisches Vokabular über die verschiedenen geschichtlichen Entwicklungsschritte weitgehend automatisiert hat. Galt es zu Zeiten der textuellen Schnittstelle noch die richtigen Verben zu finden, um mit dem Programm überhaupt sinnvoll in Kommunikation zu treten, stellte man später die Befehle im Stile der Lucasfilm-Abenteuer als Icons zum Anklicken bereit. Irgendwann kam man auf den Trichter, dass statt x Befehlen à la "Mach an, mach aus, drehe, drücke usw." eigentlich nur ein einziger Befehl, nämlich "Benutze" ausreichte. Bis gar keine Befehle und kein Inventar mehr auf dem Screen zu sehen sind, schließlich genügt ein einzelner Knopfdruck vor dem entsprechenden Objekt. Zudem will man ja nicht unsere Immersion gefährden. Weil für eine erhöhte erzählerische und dementsprechend auch spielerische Komplexität immer noch die nötige Grammatik fehlt, liefen Adventures - etwas überspitzt formuliert - fortan nahezu von selbst ab. Baphomets Fluch möchte das klassische Terrain beackern und es zugleich, z.B. durch einige zeitkritische Sequenzen, ähnlich den Quick-TimeEvents aus Shen Mue, sanft erneuern. Genreüblich ist die gesamte Erzählung präfabriziert und hinterlässt wenig produktive Leerstellen. Gute Adventures zeichnen sich indes wenigstens durch eine Illusion von Einflussnahme auf den Fortgang der Handlung aus. Dadurch dass diese sich hier über viele Schauplätze around the globe erstreckt, ist jeder einzelne Abschnitt so klein, dass keinerlei Komplexität aufkommt. Das Gefühl, nur an einer Aktualisierung eines bereits stattgefundenen Plots zu arbeiten, mit uns als durch die Gegend gesendetes Datenpaket, das jeweils das nächste Häppchen auslöst, bleibt omnipräsent. Das englische Entwicklerteam Revolution zettelt also leider keine ebensolche an, sondern versucht auch noch allen Ernstes z.B. durch viele Kistenverschiebereien den Anschluss an aktuelle Action Adventures zu suchen. Dadurch STANISLAW LEM - DIE MEGABIT-BOMBE-ESSAYS ZUM HYPERSPACE [TELEPOLIS/ HEISE VERLAG] Harter Tobak, was Stanislav Lem da in seinem Buch "Die Megabitbombe" an intellektuellen Gedanken herunterreißt. Mit rüstigen 81 Jahren scheint der polnische Schriftsteller immer noch nicht müde, visionäre Gedanken auf ihre mögliche Realisation abzuklopfen. In seinem Buch beschäftigt er sich in Essays zu unterschiedlichen Themen der Vernetzung, Virtualität und allen voran der Entwicklung, Zukunft und gegenwärtigen Auswirkung des Internets. Dabei formuliert der Internetskeptiker viele Hypothesen und Schwächen und beschreibt mögliche schadhafte Auswirkungen der globalen Vernetzung. Ein wenig schrullig und immer mit einem gewissen Stolz nimmt Lem kontinuierlich Bezug auf erschienene eigene Geschichten und Bücher. Trotzdem wird einem der (Quer-)Denker dabei nie unsympathisch, sondern beeindruckt mit seinem umfassenden und äußerst aktuellen Wissen. "Die Megabitbombe" ist eine Sammlung von Texten, die nicht nur explosives Wissen vermitteln, sondern die auch immens komplexe Gedankengänge beschreiten und wissenschaftlich verwoben daherkommen. Das Buch lässt sich nicht in einem Rutsch herunterlesen, sondern muss regelrecht studiert werden. Denn Stanislav Lem nimmt nicht nur auf viele Quellen Bezug, sondern erwartet von seinem Leser einen aufmerksamen Geist. Ohne Geduld und Zeit bleiben nach dem Lesen nur inselartige Eindrücke zurück. Doch selbst die könnten ihre Wirkung hinterlassen. 16 Euro MO verliert der Titel noch mehr an Distinktion und ich die Lust am Spiel. Für Die-Hard-Fans sicherlich aber noch in Ordnung. BUB ••• TRANSFORMERS - [PS2 - ATARI] Natürlich war es verlockend, die Grafik-EngineFähigkeiten zu nutzen, um das, was die Plastikfiguren immer nur behaupteten, sich nämlich blitzschnell vom Auto zum Kampfroboter und zurück zu verwandeln, in die Tat umzusetzen. Aber lässt man die Verwandlung, die ja das einzig Besondere dieser ansonsten stumpfen Waffenträger sind, dadurch nicht verschwinden? Die langwierige Frickelei mit den vielen Gliedern und Scharnieren war doch gewissermaßen eine Zeitlupe, in der man die Metamorphose studieren, begreifen, selber ausleben musste. Jetzt drückt man auf die Taste, es gibt ein rumpelndes Geräusch und zack ist man ein Lastwagen. Es ist ununterscheidbar, ob man nun zwei Figuren spielt, zwischen denen man einfach umschaltet, oder nur eine, die sich verwandelt. Die Transformer-Figuren waren eben keine Action-Figuren, da liegt ein großes Missverständnis vor, sondern sie waren Möglichkeiten der spielerischen Morphologie bzw. Bionik. So wie ihre Gegenstücke die Battletechs und mechs ja auch nur in der Zeitlupe ihr ingenieurwissenschaftliches Potential entfalten, indem man Schadensmodelle auswürfelte, die Energieverteilung neu auslotete und die eigenen Angriffsmuster kalibrierte. Das war Videoanalyse des Boxkampfs, während er stattfindet. Und auch da raubte die Konsolenumsetzung mit ihrer flüssigen Action dem Ding jegliche Originalität. Zurück bleiben in beiden Fällen stinknormale Actionspiele mit etwas schwerfälligen Figuren, ohne aber atmosphärisch irgendetwas zu reißen. Und von der Rezensentenlyrik, dass man mit den so genannten "Miniclons" die unfassbare Zahl von 29000 Variationen der eigenen Spielfigur hinbekommen könne, soll man sich auch nicht täuschen lassen. Ein Fiat-Panda, in den ich ein Ferrari-Lenkrad einbaue, bleibt ein Fiat-Panda. MWM ••• HITMAN CONTRACTS - [XBOX - IO, EIDOS] Fies, aber brutal ist auch der dritte Teil der Hitman Saga. In der Rolle eines geklonten Auftragskillers, der sich bewegt und aussieht wie eine Mischung aus Klaus Kinski in Nosferatu und Gollum, kann man in schönster 3D Umgebung Leute umbringen. Die taktische Vorgehensweise hierfür ergibt sich aus der Aufgabenstellung des jeweiligen Levels. Grundsätzlich kann sich der Spieler natürlich selbst entscheiden, ob er eher mit eiskalter Präzision per Giftspritze, Skalpell oder dieser fiesen Draht-Kehle-Genick-Methode sich seiner Opfer entledigt oder einfach alles niederballert, was den eigenen Weg kreuzt. Nach längerer Beobachtung der Räumlichkeiten und der anwesenden Personen ist es dann schlussendlich meist eine Kombination aus beiden Herangehensweisen, die zum Erfolg führt. Was aber das Besondere von Hitman Contracts ausmacht, ist die hervorragend düster beklemmende Psychoatmosphäre. Die im satten Dauerregen liegenden, Nebel- und Dunstschwaden verhangenen und unheilvoll ausgeleuchteten Stadt-, Land-, Raum-Szenarien erzeugen auch durch die dezente (manchmal etwas zu dezente) Musik- und Geräuschuntermalung eine Sogwirkung, der man sich nur schwer entziehen kann. Seinem glatzköpfigen, sich irgendwie in jeder Verkleidung (Koch, Polizist, Rocker usw.) kaltblütig wirkendem Alter Ego folgend, sind es vor allem immer wieder Spiegel, in denen man sich in den verschiedenen Kostümen selbst ins Gesicht blickt und sich fragt: Wat bin icke eijentlich fürn mieser Killer? Nachdem der Spiegel dann zerschossen ist, gibt am Ende eines Levels eine Statistik noch mal Rückmeldung über das eigene Verhalten. Mit einem blauen Balken für Tarnung und Schleichgeheimnistuerei und mit einem roten für Brutalität. Leider wirkt sich die Art und Weise des eigenen Vorgehens nicht auf den weiteren Spielverlauf aus und die in den Zwischensequenzen gelieferten Hinweise auf die Herkunft des Killer-Klons und seine Auftraggeber und Erzeuger bleibt sehr mysteriös und unklar auf einer Ebene moralischen Niemandslandes. In Anbetracht eines ständig steigenden Realitätsgrades in 3D-Spielen allgemein und der hier verschwimmenden Grenze zwischen Auftragskiller und Massenmörder kann man mal in diese Rolle reinschlüpfen, um eben dieses festzustellen und dann mit schlechterer Laune wieder rausschlüpfen. Hitman Contracts hat das Potenzial zum Verkaufshit, ist aber nix für den Sommer und Reggae-Hörer. BUDJONNY •••• <47> - DE:BUG.83 - 06.2004 DRUM AND BASS GUCK DA ... MUSIK ... ÜBERALL ... <48> - DE:BUG.83 - 06.2004 DE:BUG PRÄSENTIERT: FESTIVALS GALORE! SONAR 2004 - BARCELONA 17.-19. JUNI 2004 DAUERBRENNER NUMMER 1 im Sommer: Barcelonas Sonar-Festival besinnt sich darauf, wo die Stärken einer Großstadt im Süden liegen: Parkplatz-Barbecues mit HipHop-Beschallung. Das machen sie nicht nur im diesjährigen Bildmotiv klar, sondern auch beim Programm. Soviel HipHop war nie: Madlib, Gang Starr, Botanica-Del-Jibaro-Showcase, Boom Bip, Buck65, Danger Mouse, Beans usw. Das heißt natürlich nicht, dass das klassische Programm zu kurz käme. Neben HipHop steht dieses Jahr ganz klar die Quasi-Reunion des Yellow Magic Orchestra auf dem Programm. Ryuichi Sakamoto wird nicht nur gemeinsam mit Fennesz, Pan_Sonic und dem Katalonischen Sinfonieorchester Barcelona zusammen aufspielen, sondern, so munkelt man, auch mit den beiden anderen Altmitgliedern des YMO, die gerade als Sketch Show eine wunderbare Platte veröffentlicht haben (Story demnächst hier im Heft), an alte Zeiten anknüpfen. Mit einem zusätzlichen Rahmen an Ausstellungen und Multimedia-Events baut das Sonar so weiter seinen Ruf als wichtigstes und stilbildendstes Festival aus. Gib fünf und fahr hin. Label-Showcases (u.a.): Domino, Komplott, Jazz Fudge, Accidental, Gomma, Outward Music Co. Künstler: To Rococo Rot, Max Tundra, Four Tet, Tape, Carsten Nicolai, Hans Appelquist, Son of Clay , Client DJs, The Reptiles & Roger Robinson, DJ Hysteria & Son of Dark Circle, Richie Hawtin & Ricardo Villalobos, Max De Wardener, Dani Siciliano, Headman, Whomadewho + special Guest, Munk - Leroy Hanghofer, The Gift, Mara Carlyle, Mugison, Arkasha plays Pornojazz Rec, Banyek plays Red Star Budapest, Strategy, Nudge, Paul Nazca plays Scandium, JoanVich & Sebastián Rosselló play Primeros Pasitos, El Pinche, Tres & Delis, Wakanda, Ryuichi Sakamoto, Sketch Show, Tim Wright, Agoria, So Solid Crew, DJ Patife, 2 Many DJs, Adam Freeland, Dave Clark, Carl Cox, Jeff Mills, Kid Koala, DJ Hell, Tiga, Richard X, Massive Attack, Dabrye, Geoff White, Phon.O, Apparat, Das Bierbeben,Prefuse 73, Tigersushi-Crew, Matthew Herbert uvm ... www.sonar.es MELT! FESTIVAL 2004 - FERROPOLIS GRAEFENHAINICHEN 16.-18. JULI 2004 DAUERBRENNER NUMMER 2 im Sommer: Das Melt!-Festival klotzt auch dieses Jahr mit einem drastischen Programm aus gut eingeführten Abgeh-Acts und dem neuen Scheiß. Der Rockanteil ist wieder deutlich zurückgefahren, das BumBum-Bum wird dafür mächtiger denn je. Und die Tagebaukräne ragen auch nicht mehr so orientierungslos in den Himmel. VORVERKAUF: Euro 39,00 (2-Tage-Ticket); Euro 42,00 (2-Tage-Ticket inkl. Camping) über www.meltfestival.de und bundesweit bei allen Vorverkaufsstellen. BANDS: The Streets, Phoenix, Tortoise, International Pony, Scissor Sisters, Mia., Mando Diao, Señor Coconut, Das Pop, The Robocop Kraus, T.Raumschmiere, Tiger Tunes, Stella, Spitting Off Tall Buildings, Avril, Beige Gt, Die Türen, Live-Acts: Peaches, Mouse On Mars, Northern Lite, Scanx, Egoexpress, The Youngsters, Märtini Brös, Console Dance Package, Luciano, Ada, Mediengruppe Telekommander, Sex in Dallas, Alexander Kowalski, Heiko Laux Pres. Offshore Funk, Telemen, The Dose, Captain Comatose, Mocky, As- cii.Disko, Diego, Klingklangkrieger / DJs: Laurent Garnier, Richie Hawtin, Dj Koze, Ricardo Villalobos, Woody, Ellen Allien, The Hacker, Superpitcher, Jori Hulkkonen, André Galluzzi, Moonbootica, Le Hammond Inferno, M.A.N.D.Y., Wighnomy Brothers, Sascha Funke, Rabauke, Kiki, Mitja Prinz, Daniel Wang, Anja Schneider, Gunjah, D. Hoerste, Markus Welby, Nick Höppner, Carsten Klemann, Cornelius Tittel, Boris, Doering, Le Mercier, Ruede Hagelstein, Mark Schneider, Hemman & Kaden. www.meltfestival.de LOVEFIELD FESTIVAL - SCHEESSEL 27.-29. AUGUST 2004 DAUERBRENNER NUMMER 3 im Sommer: Wer Liebe braucht, jetzt, wo die Love Parade definitiv ausfällt, fährt zum Lovefield Festival. Was ist schöner, als zum Live-Act von "Der dritte Raum" Feuerschluckern zuzusehen? Lovefield feiert zum neunten Mal, aber mit einem so vielfältigen und kompetenten Programm wie noch nie. Nicht umsonst ist das Motto dieses Jahr: Alles wagen! TERMINE IM JUNI TOUR.................................................................... CONSOLE 10.06. - Saarbrücken, Bürgerpark / 11.06. - Stuttgart, Schocken / 12.06. - Düdingen, Kilbi Festival MASTA ACE, EDO G, DJ AVEE 12.06. - Berlin, Mellowpark Jam / 16.06. - Bochum, Bahnhof Langendreer / 17.06. - Köln, MTC / 19.06. - Jena, Kassablanca / 21.06. Kassel, Spot / 22.06. - Oldenburg, Alhambra / 23.06. - Weinheim, Cafe Central / 24.06. - Erlangen, E-Werk / 29.06. - Leipzig, Conne Island / 30.06. - Braunschweig, Flava Jam MÚM 05.06. - Dresden, Star Club (+ Hey O Hansen) / 06.06. - Frankfurt / Main, Mousonturm (+ Hey O Hansen) VISIONARIES, 2MEXX, WRITERS BLOCK, KEY KOOL, LMNO, RHETTMATIC, SHORTKUT 04.06. - Berlin, tba / 06.06. - Paris, Nouveau Casino / 09.06. - Linz, Kapu / 10.06. - Wien, ITF Österreich / 12.06. - Stuttgart, Altes Zollamt / 13.06. - Weinheim, Cafe Central / ON THE FLOOR ..................................................... BAD KLOSTERLAUSNITZ - MUNA 12.06. - Jackmate, WIghnomy Brothers, Marek Hemmann (live), Mathias Kaden BERLIN - 12|34 26.06. - Bleed, Felix K, Wan2, M.Path.Iq, MC Massiw Le Ghaza BERLIN - APOLLO SAAL 24.06. - Barbara Morgenstern, Dabrye, Gudrun Gut, THomas Fehlmann, Wolfgang Betke, Mermaid Jaculin BERLIN - BASTARD 23.06. - They Came From The Stars; I Saw Them BERLIN - CAFÉ MOSKAU 03.06. - Erlend Øye feat. Phonique / 05.06. - Pat Kalt, Noshe / 10.06. - Ellen Allien, Westbam / 11.06. - Duplex Inc., Dutch Rhythm Combo, Rodney Hunter, Daniel Best / 12.06. - Rikus Hillmann, Fabian Fisahn / 18.06. - Jazzanova feat: Mr. Scruff, Resoul, Tru Beatz Collective / 19.06. - Daniel Bell, Miss Dinky, Dave Turov, Henric Deroux BERLIN - ICON 05.06. - Metro, Emisz, Vern, MC Mace / 12.06. - Vern, N'Dee, Jibe, MC Ronin / 19.06. - Appollo, Emisz, N'Dee, MC Mace / 26.06. - Appollo, Flower, Randy + Reger, MC 3 Feet, MC Mace BERLIN - KESSELHAUS 11.06. - Hosts: Bee Low, DJ Hype. Jury: Man At Arms, Tiger Style, Excess. Special Guest: Edo G BERLIN - MARIA 01.06. - Miss Kittin, The Hacker, Modeselektor, Tobi Neumann, 1.a. Williams / 04.06. - Sven Väth, Andre Galluzzi, Andre Gardeja, Sönke Dohse / 05.06. - Gallopierende Zuversicht, Cosli, Kerbholz & Rico, Digitalines, Solotempo, Plastique De Reve, Mirweis Sangin, Samin und Mischa, Kugelfisch, John Player / 11.06. - Kissogramm, Phono, Hammond Inferno / 12.06. - Paul Kalkbrenner, Sammy Dee, Tobi Neumann, Dinky, Djoker Daan, Tom Clark, Tama Sumo / 18.06. - Moabeat / 19.06. - Andre Galluzzi, Paul Britschtisch / 21.06. blerocker (Michi Beck/F4 & Thomilla), Der Dritte Raum, Moonbootica, Alter Ego, Storm, Martini Brös, M.I.A., Steve Bug, Kante, Moguai, Studio Braun vs. Erobique, Funk D´Void, Northern Lite, Superpitcher, Haldolium, Elektrochemie LK, DJ BISHER BESTÄTIGTES LINE UP: Friction, Sasha Funke, Das Bierbeben, Sam Ragga Faithless, 2Raumwohnung, Groove Armada, In- Band. www.lovefield.de ternational Pony, Mouse on Mars, TurntaEINTRITTSPREIS: VVK: 45,- Euro (inkl. aller Gebühren) + 5 Euro Müllpfand/ AK: tba / Tagesticket: 35,- EUR (inkl. aller Gebühren) Erhältlich an allen bekannten Vorverkaufstellen. DEADLINE FÜR DIE JULI / AUGUST AUSGABE 10.06.2004 / [email protected] GETIPPT - Gianni Vitiello, Sven Dohse, Brian Cares, Random Resistance (live) / 26.06. - Johannes Heil, Frank Lorber DÜSSELDORF - HARPUNE 09.06. - Storm, Phoneheads, MC Glacious BERLIN - POLARTV 05.06. - Octave One (live), Woody, Diringer, Mitja Prinz / 12.06. The Youngsters (live), Woody, Housemeister, Clé, Mike Vamp, Phonique, Anja Schneider, Avril (live) / 19.06. - Stewart Walker (live), Savas Pascalidis / 26.06. - David Caretta (live), Lodown, Philip Bader DÜSSELDORF - UNIQUE 02.06. - Jazzanova / 04.06. - Ascii Disco (live), Gee / 09.06. - London Elektricity / 11.06. - Lady Miss Kier BERLIN - ROSI'S 12.06. - K_Chico, Tango Chop Suey, Axel Conradt, DJ Phonk, Jonkulator BERLIN - STERNRADIO 04.06. - D. Hoerste, Mohan, Daniel Sunn / 05.06. - Martin Landsky, Matthias Tanzmann / 11.06. - Kiki, Silversurfer / 12.06. - Reynold, P.Toile, Schaeben & Boss feat. Schad Privat (live) / 18.06. - Housemeister, Marcus Meinhardt / 19.06. - Michi Noiser, Toby Dreher, Sascha Mente, Auto Pilot (live), Index ID (live) / 25.06. - Haito, Gianni Vitello / 26.06. - Gebrüder Teichmann, Gabriel Ananda (live) BERLIN - TAUCHER 22.06. - DJ Krush BERLIN - TRESOR 02.06. - Joey Beltram, Todd Bodine, Sven VT / 12.06. - Sasse aka Freestyleman, James Flavour, Leo Krafzcyk, Mad Max, Luke / 18.06. - Dan Curtin, Sirko Müller, Sweetn.Dandy, Vinvent Vega, L-Sys, Sven Weisemann / 19.06. - Tama Sumo, MGI, Jaxson, Delicut, RePlay (live), Jonzon, Talisman, Toxic Twin / 23.06. - Hannes teichman, Dave DK, Zenta / 26.06. - Daffy, Sebrok, Miss Yeto, Micha Klang, Kriek / 30.06. - Sex In Dallas (live), Kitt Yo DJ-Team BERLIN - WATERGATE 04.06. - Appollo, Defiant, Metro, MC Santana, Such A Sound Soundsystem / 05.06. - Luke Solomon, Justin Harris, Tom Clark, Jens Bond, Carsten Klemann, Markus Meinhardt / 11.06. - Ryan, Xplorer, Tease, MTC Yaw, Syncopix, Bassface Sascha, metro, MC Soultrain, Kon, Amir, Hype / 12.06. - M.I.A., Philip Bader, Jammin Unit (live), Losoul, Gebrüder Teichmann, Brian Cares, Girlzklub (live) / 18.06. - Lars Lavendel, Scamp, Appollo, Defiant, Best Seven DJ-Team / 19.06. - Naughty, Terence Fixmer & Douglas McCarthy (live), Acid Maria, Dinky, Giovanni Moscatello / 24.06. - Jens Bond, Nick Höppner, Carsten Klemann, Anja Schneider, Ewan Pearson, Naughty, Woody, Toom Clark, Valis, Daniel Best, Defiant, Metro, Appollo, Sebo K, Ralf Kollmann / 25.06. - High Contrast, Tomahawk, Syncopix, SP MC, Metro, Jazzanova, Chris Goss / 26.06. - Daniel Bell, Anja Schneider, Shumi, Sasse aka Freestyleman, Disko, Ralf Kollmann BERLIN - WMF-SOMMERLAGER 05.06. - Stachy, Sachwitz & Wetzel, Lopazz feat Casinio Casino (live) / 11.06. - Koze, Felix Axster, Isolee (live), Captain Comatose (live), 3 Normal Beatles (live) / 12.06. - Luciano (live), Highfish, Sven VT / 19.06. - Mense Reents, (live), Pantha Du Prince (live), Turner, C.Jost / 25.06. - Cle, Dixon, Terrible / 26.06. - Mitte Karaoke vs. Herrmann Battle, Sascha Funke, Bassdee, Morris CHEMNITZ - VOXX 12.06. - Puppetmastaz, Raccon & Angel Dust, Pitchtuner, Eskimo DÜDINGEN - BAD BONN 12.06. - Kammerflimmer Kollektief, Chicks On Speed, Dat Politics, Patrick Wolf FRANKFURT / MAIN - NAXOS-HALLE 14.06. - Frank Bretschneider (live), L.O.S.D. (live), Pingfm (live), Robert Lippok (live), Senking (live), Kazi Lenker FREIBURG - ELEKTROLOUNGE 04.06. - SoulPhiction (live), Electron Libre (live, Ephy, Marek Dima GENF - WEETAMIX 26.06. - Wighnomy Brothers, Luciano, Vincent Lemieux, Serafin, Sampayo HAMBURG - CLICK 04.06. - Kid Alex / 05.06. - Jay Haze, Marc Schneider / 12.06. - Repeat Orchestra aka Antonelli Electr., Unique / 18.06. - 433fm.com / 19.06. - Alter Ego (live), Cranque, Harre / 26.06. - Reinhard Voigt, Harre, Henry HAMBURG - PUDEL 04.06. - Carsten Jost, Lawrence / 05.06. - Phono / 06.06. - Solotempo (live), Mark Boombastik (live), Fred Bigot (live), Cio, Raf, Superdefekt / 09.06. - Tim Easy, Earl Gay / 12.06. - Marc S., Zoran Zupanic / 13.06. - Man's Best Friend (live), Bluebird (live), Raf, Superdefekt / 17.06. - Herr Brunswick / 18.06. - Jake, Viktor, Hanse Pferd (live) / 19.06. - Everlast Soundstation / 20.06. - Megadept (live), Forcefed (live), V8 (live), Leekon (live), / 23.06. - Sex In Dallas (live), Djusdin / 26.06. - Carsten Jost, Bonnie / 27.06. - Raf, Superdefekt / 30.06. - DJ DC Schuhe HAMBURG - TANZHALLE ST. PAULI 04.06. - Michael Mayer, Turner / 05.06. - Justin Case, Stanley Ipkiss / 08.06. - American Analog Set (live) / 18.06. - Phono, Deine Villa / 19.06. - Metope (live), Tobias Schmid / 25.06. - MetroA, metroB HANAU - LOVE FAMILIY PARK 20.06. - Sven Väth, Richie Hawtin, Ricardo Villalobos, Der dritte Raum (live), Heiko MSO, D. Diggler / 25.06. - Joni Rewind aka DJ Dynamite, Action Schmidt, Uh-Young Kim KARLSRUHE - AKK/ALTES STADION 05.06. - Fym (live), Diane (live) KARLSRUHE - ERDBEERMUND 19.06. - Jan-Eric Kaiser, B-Trak, Discomat KARLSRUHE - ETTINGER TOR 19.06. - Kazooo (live), Basteroid (live), Metapop (live), Discomat, Metroguerilla.org KIEL - LUNA 05.06. - Jazzanova KÖLN - APROPO 19.06. - Commix, Drkestar, Fokus, Decon & Mistel, Rui Fernandes KÖLN - ARTHEATER 05.06. - Walter B38, Miss Dee, Henree, DC, MC My-T KÖLN - BLUE NOTE 25.06. - Miss Redflower, J-Cut, Kolt Siewersts, Amaning KÖLN - CAMOUFLAGE 05.06. - Alex Paterson aka The Orb KÖLN - GRÜZI KLUB 04.06. - Water Lily (live), Martin Landsky, Shumi, Superstyler KÖLN - JUGENDPARK 09.06. - Decomposed Subsonic (live), Strobocop, Frank Martiniq, Catya, Konrad Feuerstein, Slowmo Loflow, Schallplattenspieler Schwenkmusik THADDEUS HERRMANN Sven Helwig, Gerd Janson / 25.06. - Ricardo Villalobos, Tobi Neumann / 26.06. - Optimo, Mingo-Go, Ata OFFENBACH - ROTARI 01.06. - Krystyna / 08.06. - Trackspotter / 11.06. - Peter Schumann / 17.06. - Losoul / 25.06. - Christian Strobel, Lovro RAVENSBURG - DOUALA 04.06. - Dave Clark / 09.06. - Joey Beltram ROSTOCK - MS STUBNITZ 04.06. - Smash TV (live), Spontin Sisters (live), Kiki, Daniel Nitsch, Pult KÖLN - KULTURBUNKER MÜHLHEIM 09.06. - DJ Flight, Artificial Intelligence, Bassface Sascha, MC Lowqui SCHORNDORF - MANUFAKTUR 05.06. - To Rococo Rot KÖLN - KÖLNER FILMHAUS 26.06. - Air Liquide (live), Dan Curtin, Don Quishot STUTTGART - CINÉ COLIBRI 11.06. - M.I.A. (live + DJ) KÖLN - SENSOR 05.06. - Smash TV (live), Strobocop, Triple R, Epop STUTTGART - NEUE HEIMAT 05.06. - Dave Tarrida, Attuk, Chris Sonaxx / 12.06. - Simon Wehner, Daniel Benavente, Zan / 19.06. - Bill Youngman (live), Daniel Früh, Electric Fuel / 26.06. - Mark Hawkins (live), Shon, Mark Mautz KÖLN - STADTGARTEN 18.06. - Amaning, J-Cut, Canoma, Kolt Siewerts, Jumpatrol KÖLN - STUDIO672 04.06. - Tobias Thomas, Superpitcher / 11.06. - Tobias Thomas, Miss Kittin / 18.06. - Tobias Thomas, Matthias Schaffhäuser / 25.06. - Tobias Thomas, Michael Mayer KÖLN - SUBWAY 05.06. - Mo, Matias Aguayo, Christian S / 12.06. - Erlend Oye / 25.06. - Akshun Schmidt, Uh-Young Kim / 26.06. - Jan-Eric Kaiser, Marc Lansley LEIPZIG - DISTILLERY 04.06. - Vela, CFM, Con.Struct, Criticale, Francis, Isa, Nanobot, Sevensol, Sketch / 05.06. - Dixon, Georg Levin, Sevensol+Bender, Isa, Luke, Rentek, 313 / 12.06. - Robert Hood, Stalker, Steven Curl, Dreas, Remasuri / 18.06. - Nu:Tone, Soulslide, Jay, MC Phowa, Upliftment International, Nine & Denize / 19.06. - Chris Manura, Niklas on Sax (live), Lars Christian Mueller, Frog / 26.06. - Phonique, Matthias Tanzmann, Innocent Lovers, Marlow, Claudia Nehls (live), Karoline Koerbel (live) MANNHEIM - MS CONNECTION 04.06. - Randell, Fierce, Soulsurfer, MC Fun, MC Sinista / 05.06. Paul Kalkbrenner (live), Autotune (live), Abteilung Ton (live), Housemeister, Sven Dohse, Gianni VItiello, Haito, Philip bader, Doorkeeper, Ralph Ballschuh / 09.06. - Phonique, Daniel Rajkovic / 11.06. - Suzi Wong, Biomachine, Heiza, Jean Ferre, Anarki, Hirte MÜNCHEN - KRANHALLE 04.06. - Umek / 05.06. - Peabird, Amre, El Ektro, Hit Stop / 09.06. - Dave Clarke, Phil Kieran, Joshua, Mcghee, Aduio Underwear (live), 550 Rondy OFFENBACH - HAFEN 2 13.06. - Sodastream (live) / 15.06. - Mono (live) / 26.06. - Falko Brocksieper, Jeannette Kilchenstein OFFENBACH - ROBERT JOHNSON 04.06. - Philipp Maiburg, Miguel Ayala, MC Glacius / 11.06. - Michael Mayer / 12.06. - Yannick, Marek, Lars Bartkuhn / 18.06. - Wighnomy Brothers, Martini Brös (live) / 19.06. - Thomas Hammann, raste_02 ein musikalisches vorhaben_ _distributed by ... >> samstag >12. juni // sonntag >13. juni >2004 >weimar // montag >14. juni >2004 >frankfurt a.m. << WEIMAR - E-WERK 12.06. - Senking (live), Robert Lippok (live), Ushi Hupe, kazi Lenker / 13.06. - Frank Bretschneider (live), Pingfm (live), L.O.S.D. (live), Peter D WIEN - ICKE MICKE 25.06. - Patrick Pulsinger, Tibcurl, Baumann WUPPERTAL - 45 RPM 18.06. - Chopper, MC Glacious WÜRZBURG - DAS BOOT 11.06. - Steve Bug, Ekki Eletrico, Ali.S. / 11.06. - Steve Bug, Ekki Eletrico, Ali.IS / 11.06. - Steve Bug ZEULENRODA - UNO 05.06. - Roman Flügel, Silversurfer, Mathias Kaden ZÜRICH - BOGEN 13 25.06. - Megadebt, La Mano Fria, V8, Force Fed, Original Hamster (live), Intricate ZÜRICH - BOSCHBAR 28.06. - Original Hamster (live) ZÜRICH - DACHKANTINE 26.06. - Original Hamster, Dorfmeister, Alex Dallas ZÜRICH - DANIEL H. 27.06. - Wighnomy Brothers ZÜRICH - ROHSTOFFLAGER 05.06. - Green Velvet, Mikky B., Aldo Kapone / 11.06. - Zinc & MC Dynamite, / 12.06. - Cari Lekebusch, Eric Borgo, Trisha / 19.06. Laurant Garnier / 25.06. - Brockiee & MC Det, Fine Style, Scud alle Angaben selbstverständlich ohne Gewähr. Tägliche Updates auf www.de-bug.de. Merke: Ausgehen schafft ein positives Sozialverhalten. > www.raste.org < in concert: | senking >koeln< | robert lippok >berlin< | pingfm >weimar< | l.o.s.d. >amsterdam< | frank bretschneider >chemnitz< dj:ing: | ushi hupe >berlin< | kazi lenker >berlin< | peter_d. >amsterdam< ||| lesung: | thomas meinecke >muenchen<
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