Psychische Erkrankungen in der Lebensspanne

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Psychische Erkrankungen in der Lebensspanne
Kooperierende Fachgesellschaften und Verbände
GAktion Psychisch Kranke (APK)
R. Schmidt-Zadel, Ratingen
GArbeitsgemeinschaft für Neuropsychopharmakologie
und Pharmakopsychiatrie (AGNP)
R. Rupprecht, München
GArbeitskreis der Chefärztinnen und Chefärzte der Klini­
ken für Psychiatrie und Psychotherapie an Allgemein­
krankenhäusern in Deutschland (ACKPA)
K.-H. Beine, Hamm
GBerufsverband Deutscher Nervenärzte (BVDN)
F. Bergmann, Aachen
GBerufsverband Deutscher Psychiater (BVDP)
C. Roth-Sacken­heim, Andernach
GBundesärztekammer (BÄK)
C. Goesmann, Hannover
GBundesdirektorenkonferenz (Konferenz der ärztlichen
Leiter und Leiterinnen deutscher Kliniken für Psychia­
trie und Psychotherapie)
I. Hauth, Berlin
GBundespsychotherapeutenkammer
R. Richter, Hamburg
GDeutsche Ärztliche Gesellschaft für Verhaltenstherapie
(DÄVT) S. Sulz, München
GDeutsche Gesellschaft für Biologische Psychiatrie
(DGBP)
P. Falkai, Göttingen
GDeutsche Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und
-psycho­therapie (DGGPP)
H. Gutzmann, Berlin
GDeutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychia­
trie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP)
J. Hebebrand, Essen
GDeutsche Gesellschaft für Medizinische Psychologie
(DGMP)
R. Deinzer, Gießen
Programmkomitee
K.-H. Beine, Hamm
F. Bergmann, Aachen
F. M. Böcker, Naumburg-Saale
P. Falkai, Göttingen
J. Fritze, Pulheim
W. Gaebel, Düsseldorf
S. Gerber, Freiburg
M. Grözinger, Aachen
I. Hauth, Berlin
A. Heinz, Berlin
S. Herpertz, Heidelberg
F. Hohagen, Lübeck
W. Maier, Bonn
T. Nesseler, Berlin
C. Roth-Sackenheim, Andernach
S. Rudolf, Lübeck
H. Sauer, Jena
T. Schläpfer, Bonn
F. Schneider, Aachen (Vorsitz )
U. Voderholzer, Freiburg
J. Zielasek, Düsseldorf
GDeutsche Gesellschaft für Medizinische Soziologie
(DGMS)
H. Pfaff, Köln
GDeutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN)
H. Reichmann, Dresden
GDeutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs)
U. Stau­din­ger, Bremen
GDeutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin
und Ärztliche Psychotherapie (DGPM)
W. Senf, Essen
GDeutsche Gesellschaft für Suchtforschung und
Suchtthe­rapie (DG-Sucht)
K. Mann, Mannheim
GDeutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS)
J. Böning, Würzburg
GDeutscher Hausärzteverband
U. Weigeldt, Bremen
GEuropean Psychiatric Association (EPA)
H.-J. Möller, München
GNeurowissenschaftliche Gesellschaft (NWG)
S. Korsching, Köln
GÖsterreichische Gesellschaft für Psychiatrie und
Psychotherapie (ÖGPP)
M. Musalek, Wien
GSchweizerische Gesellschaft für Psychiatrie und
Psycho­the­rapie (SGPP)
H. Kurt, Bern
GStändige Konferenz der Lehrstuhlinhaber für
Psychia­trie und Psy­chotherapie an den deutschen
Universitäten
A. Heinz, Berlin
GWorld Psychiatric Association (WPA)
M. Maj, Neapel, Italien
Inhalt / Content
Topic: 1 Organische psychische Störungen, Demenz, F0
Organic mental disorders, dementia, F0 8
Topic: 2 Psychische Störungen durch psychotrope Substanzen, F1
Mental disorders due to psychoactive substance use, F1 36
Topic: 3 Psychotische Störungen, F2
Psychotic disorders, F2 67
Topic: 4 Affektive Störungen, F3
Affective disorders, F3 116
Topic: 5 Neurotische- Belastungs- und Somatoforme Störungen, F4
Neurotic-, stress-related and somatoform disorders, F4 163
Topic: 6 Essstörungen, Schlafstörungen und andere der Kate­gorie F5
Eating disorders, sleep disorders and others of category F5 182
Topic: 7 Persönlichkeitsstörungen, F6
Personality disorders, F6 194
Topic: 8 Störungen mit enger Beziehung zum Kindes- und Jugendalter, F7-9
Disorders closely related to childhood and adolescence, F7-9 208
Topic: 9 Komorbidität von psychischen und somatischen Störungen, Psychosomatik
Comorbidity of psychotic and somatic disorders, psychosomatics 235
Topic: 10 Gerontopsychiatrie
Gerontopsychiatry 250
Topic: 11 Weitere Erkrankungen
Other disorders 264
Topic: 12 Bildgebung, Neurophysiologie, Neuropsychologie
Brain Imaging, neurophysiology, neuropsychology 266
Topic: 13 Neurobiologie, Neurogenetik, Epidemiologie
Neurobiology, neurogenetics, epidemiology 314
Topic: 14 Psychotherapie
Psychotherapy 331
Topic: 15 Pharmakotherapie
Pharmacotherapy 360
Topic: 16 Andere psychiatrische Therapieformen
Other psychiatric therapies 385
Topic: 17 Forensische Psychiatrie
Forensic psychiatry 393
Topic: 18 Sozialpsychiatrie
Social psychiatry 411
Topic: 19 Versorgungsforschung und Gesundheitspolitik
Health services research and health care policy 426
Topic: 20 Prävention
Prevention 453
Topic: 21 Nachwuchs und Ausbildung
Young psychiatrists and academic training 461
Topic: 22 Philosophie, Geschichte und Ethik
Philosophy, history and ethics 468
Topic: 23 Suizidalität
Suicidality 487
Topic: 24 Diagnostik und Klassifikation
Diagnostics and classification 495
Topic: 25 Weitere Themen
Other topics 500
Autorenverzeichnis
Author index 524
5
Vorwort
Sehr geehrte Frau Kollegin, sehr geehrter Herr Kollege,
der jährliche DGPPN Kongress wird immer größer. Das verdanken wir insbesondere den 1500 aktiven
Teilnehmern, die ihr Wissen für 580 Einzelveranstaltungen aufbereiten, es darstellen und weitergeben.
Diese Kolleginnen und Kollegen haben Kurzfassungen ihrer Beiträge für diesen Band zur Verfügung
gestellt. Dafür bedanken wir uns im Namen aller Teilnehmer sehr. Die Abstracts bieten vor, während
und nach dem Kongress entscheidende Hilfestellungen bei der Auswahl, der Einordnung und der
Vertiefung der Angebote.
Der DGPPN Kongress wächst und mit ihm die Vielfalt der Beiträge und Beitragenden. Die wachsende
Quantität hat ihren Preis: alle formalen Fehler und Unregelmäßigkeiten im Abstractband zu ver­bessern,
hätte Lektoren über Wochen und Monate beschäftigt und das Werk unerschwinglich teuer werden
lassen. Wir haben uns deshalb entschlossen, alle Zusammenfassungen der Referenten unkorrigiert zu
übernehmen. Das hat sicher Nachteile. Vielleicht spornt es uns aber auch alle zu noch mehr Sorgfalt an.
Sie werden vielleicht überrascht sein über den großen Anteil an englischsprachigen Texten. Zwar soll
der DGPPN Kongress schwerpunktmäßig ein deutscher Kongress bleiben, andererseits können wir
nicht außer Acht lassen, dass wir im Zentrum von Europa leben und auf das Engste mit unseren Nachbarn verbunden sind. Eine deutsche Psychiatrie ist immer auch eine europäische und eine internationale Psychiatrie.
Der DGPPN Kongress 2009 zum Thema „Psychiatrische Erkrankungen in der Lebensspanne“ ist nicht
denkbar, ohne zwei Nachbardisziplinen unseres Faches intensiv einzubeziehen: die Kinder- und Jugendpsychiatrie auf der einen und die Gerontopsychiatrie auf der anderen Seite. Wir können psychiatrische
Erkrankungen von Erwachsenen nur verstehen, wenn wir die Vorläufer dieser Störungen vom Beginn
der Hirnentwicklung an begreifen. Im höheren Lebensalter werden die Krankheitspro­zesse vermehrt
von Umweltfaktoren geprägt, deren Besonderheiten spezielle Kenntnisse voraussetzen. Sie werden deshalb in diesem Band auffällig viele Beiträge über Themen der Kinder- und Jugendpsy­chiatrie und der
Gerontopsychiatrie finden. Wir danken insbesondere für die fruchtbare Kooperation mit den Kollegen
aus diesen Nachbarfächern, unseren „Premiumpartnern“ des Kongresses in diesem Jahr.
Vor dem Hintergrund des zentralen Themas „Lebensspanne“ werden die folgenden weiteren Aspekte
während des Kongresses vertieft und prägen den Abstractband:
n Prävention psychischer Erkrankungen
n Psychosoziale und biologische Einflüsse
n Psychische Erkrankung am Übergang von der Kindheit zum Erwachsenenalter
n Psychotherapie und Pharmakotherapie
n Bedarfsgerechte Versorgung
n Qualitätssicherung
n Honorierung ärztlicher Tätigkeiten
Wir sind fest davon überzeugt, dass es uns allen auch in diesem Jahr gelungen ist, ein interessantes und
vielfältiges Programm zusammenzutragen, welches in diesem Band seinen Ausdruck findet.
Prof. Dr. med. Dr. rer. soc. Frank Schneider Präsident DGPPN
6
PD Dr. Michael Grözinger
Schriftführer DGPPN
Foreword
Dear colleagues,
The annual Congress of the DGPPN is getting larger from year to year. We owe this in particular the
1,500 active participants who prepare, present and pass on their knowledge during 580 different presentations. These colleagues have provided abstracts for this compilation. On behalf of all participants,
we would like to thank them very much for their contribution. These abstracts may provide decisive
support before, during and after the congress to select, classify and consolidate the presentations on offer.
The DGPPN Congress is growing, just as its variety of contributions and contributors. But the growing
quantity has its price: to correct all formal errors and irregularities in the abstract-compilation would
have engaged lectors and editors for weeks and months and would have led to an exorbitant increase of
costs. Therefore we decided to accept all summaries of the referents without correcting them. This
surely has its cons. Or perhaps it may encourage us to even more accuracy.
You might perhaps be surprised about the considerable amount of English texts. Although the DGPPN
Congress shall primarily remain to be a German congress, we cannot disregard the fact that we are
living in the centre of Europe and closely connected to our neighbours. German psychiatry will always
also be European and international psychiatry.
The DGPPN Congress 2009 with the topic „Psychiatric Disorders during Lifespan“ would be incon­
ceivable without taking into account two neighbouring disciplines: these are Child and Adolescent
Psychiatry on the one hand and Gerontopsychiatry on the other hand. We are only able to understand
psychiatric disorders of adults if we comprehend the precursors of these disorders from the beginnings
of cerebral development. At greater age, disease processes are more and more influenced by environmental factors, whose particularities require specific knowledge. Thus you will find a noticeably large
number of articles dealing with topics of Child and Adolescent Psychiatry as well as Gerontopsychiatry.
We would like to express our best thanks for the fruitful co-operation to our colleagues from these
neighbouring disciplines, our „premium partners“ of this year’s congress.
Against the background of the central topic „Lifespan“, the following aspects will further be discussed
and intensified during the congress:
n Prevention of psychiatric disorders
n Psychosocial and biological influence
n Psychiatric disorders in children on the verge to adulthood
n Psychotherapy and pharmakotherapy
n Care suited to demand
n Quality assurance / management
n Honoration, payment, reward of medical services
We are convinced that this year again, we all succeeded in creating an interesting and varied programme
for this congress, which is represented in this compilation.
Prof. Dr. med. Dr. rer. soc. Frank Schneider President DGPPN
PD Dr. Michael Grözinger
Secretary DGPPN
7
Topic 1 G Organische psychische Störungen, Demenz, F0 // Organic mental disorders, dementia, F0
Topic: 1 Organische psychische Störungen, Demenz, F0
Donnerstag, 26. 11. 2009, 10.30 – 12.00 Uhr, Saal Sydney
HS-007 Hauptsymposium
Prävention psychischer Erkrankungen
Vorsitz: J. Klosterkötter (Köln), W. Maier (Bonn)
001
Die Präventionsprogrammatik bei psychischen Erkrankungen –
aktueller Stand und Perspektiven am Beispiel psychotischer Störungen
Joachim Klosterkötter (Universität zu Köln, Psychiatrie und Psychotherapie)
Einleitung: Die WHO hat die Prävention mentaler Störungen zu
einer ihrer primären Zielsetzungen für die nächsten Jahre und
Jahrzehnte erklärt. Parallel dazu wurden in Staatengemeinschaften
wie der Europäischen Union und einzelnen Ländern wie der BRD
Deutschland großangelegte Aktivitäten in Gang gesetzt, die der
Entwicklung von Gesamtstrategien zur Förderung der seelischen
Gesundheit dienen.
Methode: Der Beitrag gibt eine selektive Literaturübersicht zum
aktuellen Stand und den Perspektiven dieser Präventionsprogrammatik und stellt dabei die psychotischen Störungen beispielhaft in
den Mittelpunkt.
Diskussion / Ergebnisse: Bei der Ausarbeitung systematischer
Empfehlungen für die Prävention psychischer Erkrankungen wurden 3 Ansätze zur Absenkung der Neuerkrankungsrate voneinander unterschieden. Der universale Ansatz bezieht sich auf die Bevölkerung insgesamt, der selektive auf Gesunde mit erhöhtem
Erkrankungsrisiko und der indizierte auf Personen, die auch schon
behandlungsbedürftige Risikosymptome („at-risk-mental-states;
ARMS“) bieten. Der Ansatz der indizierten Prävention ist bisher
am besten durch Studienergebnisse abgesichert und verfolgt bei
den psychotischen Störungen die drei Zielsetzungen der Verbesserung der aktuell belastenden Prodromalsymptomatik (1), der Vermeidung oder doch Verzögerung sich abzeichnender psychoso­
zialer Behinderungen (2) und vor allem der Verhinderung oder
doch zumindest Verzögerung und Abschwächung drohender
Ersterkrankungen (3). Die Erreichbarkeit der Ziele 1 – 3 wurde
bisher international mit 5 randomisierten kontrollierten Frühinterventionsstudien überprüft und sowohl für psycho- als auch pharmakotherapeutische Interventionsstrategien belegt. Wenn die Ent­
wicklung auf diesem innovativen Gebiet weiter so rasant
voranschritte wie bisher, ließen sich schon in den nächsten Jahren
Evidenz-basierte Ergebnisse in der Versorgungspraxis umsetzen
und möglichst jedem Ratsuchenden mit Frühwarnzeichen auf
die individuellen Bedürfnisse zugeschnittene Präventionsangebote
unterbreiten.
Episode konnten Risikofaktoren für die Erkrankung identifiziert
werden.
Methode: Bipolare Störungen manifestieren sich häufig bereits vor
dem 18. Lebensjahr. Die Diagnosestellung ist vielfach schwierig;
eine verzögerte Diagnosestellung kann zu einer inadäquaten Behandlung mit einer potentiellen Gefährdung des Betroffenen führen. Selbst bei richtiger Diagnose der Erkrankung ist die Behandlung im Versorgungsalltag häufig nicht optimal. Das bestehende
Risiko von gravierenden Einschränkungen der psychosozialen
Funk­tionsfähigkeit im Langzeitverlauf wird dadurch zusätzlich
erhöht. Das möglichst frühzeitige Erkennen und die richtige Diag­
nosestellung ist die Basis für eine von Beginn an optimale Behandlung. Je eher die Patienten und ggf. Angehörigen über die Erkrankung informiert werden und gemeinsam mit den Professionellen
die weiteren Schritte planen können, desto günstiger wird sich der
Erkrankungsverlauf gestalten. So kann das Risiko für Komplikationen gesenkt und der weitere Krankheitsverlauf positiv beeinflusst
werden. Spezialisierte Behandlungszentren sind dringend notwendig um den Betroffenen und ihren Angehörigen adäquate Hilfe zukommen zu lassen.
003
Früherkennung und Primärprävention von Angsterkrankungen
Roselind Lieb (Universität Basel, Fakultät für Psychologie)
Angststörungen gehören zu den häufigsten auftretenden psychischen Störungen, die sich typischerweise erstmalig während der
ersten beiden Lebensdekaden manifestieren. Oftmals zeigen die
Betroffenen bereits während der Kindheit Auffälligkeiten, wie z.B.
Behavioral Inhibition oder Angst in Trennungssituationen, die mit
einem erhöhten Risiko für die spätere Entwicklung einer klinischen
Angststörung verbunden sind. Je später Angststörungen behandelt
werden, umso eher entwickelt sich ein ungünstiger Verlauf. Frühzeitige effiziente Prävantionsmassnahmen sind somit nötig, um
ungünstige Krankheitsverläufe verhindern zu können. Der Vortrag
gibt zuerst einen Überblick über den Verlauf von Angststörungen
über die Lebensspanne sowie über Merkmale und Risikofaktoren,
die nach dem heutigen Wissensstand auf die spätere Entwicklung
einer klinischen Angststörung verweisen. Diskutiert werden soll
die Vorhersagesicherheit und Spezifität nachgewiesener früher Indikatoren und deren Bedeutung für die Früherkennung. Hierauf
basierend folgt ein Überblick über derzeit bestehende Präventionsmassnahmen und diesbezüglich vorliegende Evaluationsergeb­nisse.
004
Prävention der Demenz – Was ist heute möglich? Was ist zu erwarten?
Wolfgang Maier (Universitätsklinikum Bonn, Psychiatrie und Psychotherapie)
Freitag, 27. 11. 2009, 10.30 – 12.00 Uhr, Saal 7
002
Prävention bei Bipolarer Störung
HS-013 Hauptsymposium
Michael Bauer (Uniklinikum Dresden, Klinik für Psychiatrie)
K. Leopold, A. Pfennig
Einleitung: Im Gegensatz zur Früherkennung schizophrener Störungen, welche seit vielen Jahren intensiv wissenschaftlich erforscht
wird und für die im Ergebnis spezialisierte klinische Zentren etabliert wurden, steckt dieses Thema für bipolare Störungen noch in
den Anfängen. Aus Beobachtungsstudien mehren sich Hinweise,
dass das Erkennen von Frühphasen bipolarer Störungen möglich
ist. Durch Befragungen von erst vor kurzem erkrankten Personen
und deren Angehörigen zu bemerkten Symptomen vor der ersten
Patient oriented research in dementia and health service
research
8
Vorsitz: W. Maier (Bonn), P. Nicotera (Bonn)
001
Medical care for dementia patients in Germany: present state and
needs
Lutz Frölich (ZI für Seelische Gesundheit, Gerontopsychiatrie, Mannheim)
Topic 1 G Organische psychische Störungen, Demenz, F0 // Organic mental disorders, dementia, F0
002
Treatment of behavioral symptomes: current state
Frank Jessen (Universitätsklinikum Bonn, Psychiatrie und Psychotherapie)
003
Challenging behaviour: comprehension and intervention in nursing
Sabine Bartholomeyczik (Inst. für Pflegewissenschaft, Fakultät für
Medizin, Witten)
004
Integrated dementia care to face the challenges of demographic
change
Stefan Teipel (Psychiatrische Klinik, Rostock)
W. Hoffmann, G. Doblhammer
Introduction: With an increasing number of people over the age of
70, an ever increasing number of patients with dementia will re­
quire professional care service. This will dramatically increase the
direct costs of dementia care. Today, Mecklenburg-Western Pomerania (MV) is already facing the demographic problems that will
challenge wide areas of Germany in 10 to 30 years:
• Rapidly aging population
• High mobility of the working population leading to increasing
numbers of functional single person households
• Declining number of General Practitioners (GP)
• Long supply lines due to low population density
Method: One key challenge for future support networks in demographic focus regions will be to increase the rate of early diagnosis
without exhausting the capacity of the medical service. The support
network has to strengthen the role of the GPs: diagnostic guidelines
need to give criteria at which level of qualification an individual
diagnosis can be reached. The network has to offer qualification for
GPs to implement these guidelines in daily practice. Regional neuropsychological testing service will relieve pressure on specialists
and allow a subgroup of patients with dementia to be diagnosed
already at the GP level. This will facilitate access to specialists for
patients with specific demands. But integrated dementia care can
not stop here. It has to provide resources to the GPs and specialists
to cope with the consequences of increased rates of dementia diagnosis: qualified dementia care managers will provide consulting
and training for optimal medical and social care for patients and
their caregivers at home. They will serve as interface between medical and nursing care services.
Discussion / Results: The German Center for Neurodegenerative
Disorders will implement and evaluate integrated dementia care for
people with dementia and their families in a population based study in the demographic focus region MV through its partner center
Rostock / Greifswald.
Freitag, 27. 11. 2009, 15.30 – 17.00 Uhr, Saal 7
HS-019 Hauptsymposium
Translational research in dementia: From bench to bedside
Vorsitz: F. Schneider (Aachen), P. Nicotera (Bonn)
001
Basic principles for the development of new substances
Michael T. Heneka (Universitätsklinikum Bonn, Klinik und Poliklinik
für Neurologie)
002
Blood and CSF based biomarkers for the early diagnosis of dementias
Jens Wiltfang (Universität Duisburg-Essen, Psychiatrie und Psychotherapie)
Future disease-modifying therapies of dementias, e. g. Alzheimer‘s
dementia (AD), call for improved early and possibly predictive dementia diagnostics since the molecular pathophysiology of irreversible neurodegeneration is already at work years before clinical
manifestation of the dementia syndrome. In this respect novel promising diagnostic approaches are offered by cerebrospinal fluidbased neurochemical dementia diagnostics (CSF-NDD). For CSFNDD the dementia biomarkers total-Tau, phosho-Tau and beta
amyloid peptide 1-42 have been validated in numerous international multicenter studies, including autopsy controlled investigations.
This explains why CSF-NDD does currently enter worldwide diagnostic guidelines for dementia diagnostics. The diagnostic speci­
ficity of phospho-Tau is superior to total-Tau and that of the
Abeta peptide ratio 42 / 40 superior to the sole determination of
Abeta1-42. According to meta-analysis multiparametric CSF-NDD
offers for the early diagnostics of AD a specificity and sensitivity in
the range of 80 – 90 % and strong evidence supports a predictive
diagnosis of incipient AD in patients within the prodromal state of
mild cognitive impairment. This approach does offer positive and
negative predictive values close to 90 %. However, there is a strong
need for additional CSF dementia markers which will allow:
(i) identification of therapy responders, (ii) prediction of the speed
of disease progression, (iii) improving the differential diagnostic
accuracy within the group of primary neurodegenerative demen­
tias. Since CSF-NDD is currently entering routine clinical neurochemistry in expert centers measures of quality control become
in­creasingly important and meanwhile international quality surveys have been launched in Europe and the USA. Due to rapid method development in the field of clinical neuroproteomics also first
promising biomarkers for blood-based neurochemical dementia
diagnostics (blood-NDD) have been introduced. According to these data a blood-NDD (screen assays) seems to be feasible within the
near future, however, currently these assays do not allow reliable
dementia diagnostics for the single patient.
003
Neurodegenerative disorders: New strategies to study the dynamics of structural changes
Katrin Amunts (Forschungszentrum Jülich, INB-3 Medizin)
P. Pieperhoff, W. Huber, M. Südmeyer, A. Schnitzler, K. Zilles
Local volume changes visible in MR images of patients with of neurodegenerative disorders are common signatures of underlying
pathological processes. These changes, however, are often only apparent at late stages of the disease. They are detectable in large samples of cross-sectional studies, but do not allow conclusions about
an individual brain. Here, we discuss first results of longitudinal
studies based on MR images of patients suffering from Parkinson‘s
disease (PD), corticobasal degeneration (CBD) and primary progressive aphasia (PPA). MR images were repeatedly acquired in
each patient with intervals between few months and 2 years. The
images were analysed using deformation-field morphometry
(DFM), which is a novel and a highly sensitive technique for the
analysis of structural MR images on a voxel level without the need
to predefine regions of interest. Progressive volume decreases were
found in the cortical grey matter, basal ganglia, mesencephalon and
brain stem of PD patients. Volume decrease was more moderate
than that observed in the brains of PPA patients. Volume loss in
CBD patients was focused to the superior frontal, central and parietal regions of the brain; the cortex as well as the white matter was
affected. Thus, the pattern of morphological changes and the com-
9
Topic 1 G Organische psychische Störungen, Demenz, F0 // Organic mental disorders, dementia, F0
partments of nervous tissue clearly differed between diseases. The
analysis of clinical measures showed that high UPDRS and MMSE
were associated with high volume loss (and vice versa). However,
changes in UPDRS and volume loss were not necessarily synchronized, and the dynamics of tissue volume loss differed between individuals. The combination of highly sensitive brain morphometry
in a longitudinal study design with clinical, behavioural measures
and genotyping may contribute to a better understanding of the
pathogenesis of neurodegenerative disorders, an improved differentiation between syndromes and the development of statistically
significant strategies to predict the further course of the disease.
004
Human molecular genetics: Estimation of disease risk and identification of novel therapeutic targets
Andreas Papassotiropoulos (Universität Basel, Molekularpsychologie)
Recent advances in the development of high-density genotyping
platforms now allow for high-resolution genome-wide association
studies for such polygenic phenotypes as dementia, thereby giving
rise to the identification of new important molecules and therapeutic targets for the pathways of interest. Modern genetic analyses can
also lead to improved biological characterization of the risk for the
development of dementia, response to medication and of the risk of
side-effects, all of which are polygenic phenotypes. New genomic
and bioinformatic methods are being currently developed and pave
the way towards identification of new therapies and estimation of
disease risk, response probability and risk of the occurrence of side
effects. The scope of this lecture is to highlight these exciting new
developments and to underscore the advantages but also the
caveats of the new field of personalized medicine.
vaskulären Läsionen sind in Kombination mit Anamnese, klinischem Befund und neuropsychologischem Profil wesentlich für die
Differenzierung zwischen vaskulärer und neurodegenerativer Demenz. FDG-PET und HMPAO-SPECT können bei unklaren Situationen, insbesondere in der Frühphase der Demenz zur ätiolo­
gischen Differentialdiagnose beitragen, Amyloid-Imaging ist ein
Forschungsinstrument. FP-CIT SPECT ist in klinisch unklaren
Fällen für die Differentialdiagnose DLB vs. non-DLB Demenz hilfreich und zu empfehlen. In der ätiologischen Erstdiagnostik soll bei
klinischen Hinweisen eine Liquordiagnostik zum Ausschluss einer
akuten oder chronischen entzündlichen Gehirnerkrankung durchgeführt werden. Die liquor-basierte neurochemische Demenzdiagnostik unterstützt bei unklarer klinischer Situation die Differen­
zierung zwischen Frühstadien neurodegenerativer Demenzen und
anderen Ursachen und wird deshalb empfohlen. Hier sind betaAmyloid 1-42 und Gesamt-Tau bzw. Phospho-Tau gemeinsam der
Bestimmung eines einzelnen Parameters überlegen und werden
daher empfohlen. Die Komplexität und Schwierigkeit der Differenzialdiagnostik nimmt mit zunehmenden Schweregrad ab, so dass
eine sinnvolle Aufteilung zwischen fach- und allgemeinärztlichen
Aufgaben anzustreben ist.
002
Therapie demenzieller Syndrome
Harald Hampel (Discipline of Psychiatry, Trinity Center for Health
Sci., Dublin, Irland)
Mittwoch, 25. 11. 2009, 08.30 – 10.00 Uhr, Saal Sydney
S-007 Symposium
Donnerstag, 26. 11. 2009, 08.30 – 10.00 Uhr, Saal Stockholm 3
Störungen des Erlebens und Verhaltens bei Demenz
ST-003 State-of-the-Art-Symposium
Vorsitz: U. Preuss (Halle), H. Förstl (München)
Demenzen
001
Psychiatrische Komorbiditäten bei Demenzen: Ergebnisse aus der
NIS (National Inpatient Sample) Stichprobe
Vorsitz: L. Frölich (Mannheim), H. Hampel (Dublin, Irland)
001
Diagnostik und Differenzialdiagnostik dementieller Syndrome
Lutz Frölich (ZI für Seelische Gesundheit, Gerontopsychiatrie, Mannheim)
Demenz ist eine Syndromdiagnose und soll mit anerkannten Kriterien gestellt werden (ICD-10). Davor kommt es häufig zu einer
leichten kognitiven Störung (MCI), einem heterogenen Syndrom
mit subjektiven kognitiven Einbußen, Defiziten in Tests des epi­
sodischen Gedächtnisses oder anderen kognitiven Domänen und
höchstens minimalen Einbußen der Alltagskompetenz. Demenz
und MCI müssen frühzeitig und ausführlich diagnostisch differenziert werden, da erst die ätiologische Zuordnung eine fundierte
Aussage über Verlauf und Behandlung erlaubt. Neben neurologischem und psychopathologischem Befund ist immer eine Quantifizierung der kognitiven Ausfälle mit einem Kurztest erforderlich,
bei Bedarf eine ausführliche neuropsychologische Abklärung.
Immer werden eine Reihe von Routine-Serum- bzw. Plasmauntersuchungen empfohlen, im Falle klinisch unklarer Situationen oder
bei spezifischen Verdachtsdiagnosen gezielte weitergehende Laboruntersuchungen. Ein regelhaftes EEG wird nicht empfohlen, eine
konventionelle cCT oder cMRT gehört aber zum Standard einer
Basis-Demenzdiagnostik. Eine Atrophie im Bereich des medialen
Temporallappens und des Kortex ist ein Hinweis auf das Vorliegen
einer Alzheimer Krankheit. Das Ausmaß und die Lokalisation von
10
Ulrich Preuss (Martin-Luther-Universität, Psychiatrie, Halle)
S. Watzke, J. Choi
Einleitung: Die Alzheimerdemenz (ALZ-D) zählt zu den häufig­
sten Erkrankungen von Personen im Alter von über 65 Jahren. Eine
Reihe von psychischen und somatischen Erkrankungen wurde mit
dieser Demenzform in Verbindung gebracht. Das Ziel dieser Auswertung der NIS (National Inpatient Sample) Stichprobe ist es,
diag­nostische Korrelate der ALZ-D bei Personen im Alter über
60 Jahren zu identifizieren.
Methode: Von den 800,457 inpatient subjects (etwa 2 % aller statio­
när behandelten Personen 2004) waren 315,244 im Alter über
60 Jahren. Aus dieser Personengruppe wiesen 9,572 (3.03 %) die
Diagnose einer ALZ-D auf, während 33,367 (10.59 %) Personen an
einer Osteoarthritis litten (OA), die als Vergleichsstichprobe herangezogen wurden.
Diskussion / Ergebnisse: Uni- und multivariate Statistik zeigte,
dass ALZ-D Patienten überdurchschnittlich häufig an Erkrankungen des vaskulären Systems sowie psychischen Erkrankungen wie
Psychosen und affektiven Störungen leiden, nach Kontrolle von
Alter und Geschlecht. Zunehmendes Alter und männliches Geschlecht waren darüber hinaus mit dem Risiko für die ALZ-D assoziiert. Eine Reihe von somatischen Diagnosen wie auch affektive
und psychotische waren in ähnlich signifikanter Weise mit der Alzheimer Erkrankung assoziiert. Diese Querschnittsstudie erlaubt
allerdings keine Erforschung von Kausalzusammenhängen, die in
Topic 1 G Organische psychische Störungen, Demenz, F0 // Organic mental disorders, dementia, F0
prospektiven Studien untersucht werden müssen.
002
Neurobiologische Grundlagen von Störungen des Erlebens und
Verhaltens bei Demenzen
Hans Förstl (TUM, Klinikum rechts der Isar, Psychiatrie und Psychotherapie, München)
003
Therapie von Störungen des Erlebens und Verhaltens bei Demenzen
Lutz M. Drach (HELIOS Kliniken Schwerin GmbH, Klinik für Alterspsychiatrie)
004
Störungen des Erlebens und Verhaltens bei Demenzen und stationär-psychiatrische Behandlungen
Tilman Wetterling (Vivantes, Klinik für Psychiatrie, Berlin)
Einleitung: Störungen des Erlebens und Verhaltens Verhaltensauffälligkeiten (wie z. B. Aggressivität, Apathie, Depression, Flüssigkeits- und Nahrungsverweigerung) treten bei Dementen sehr häufig auf und bereiten den sie betreuenden Personen große Probleme.
Ziel: In der GePsy-B-Studie wurde untersucht, welche Gründe zur
Einweisung von älteren Patienten in eine psychiatrische Klinik
(Versorgungsgebiet: 250.000 Einwohner) geführt haben. Methodik:
Zu diesem Zweck wurden die Aufnahmedokumentationen prospektiv über 3 Jahre aller Aufnahmen ausgewertet. Ergebnisse: In
dem Untersuchungszeitraum wurden 511 über 64 Jahre alte Demenzkranke 671 mal aufgenommen. Die häufigsten Einweisungs- /
Aufnahmegründe waren mit 40,5 % Verwirrtheitszustand, Desorientiertheit oder Delir; 24,1 % Aggressivität oder Erregungszustand,
18,5 % Nahrungs- / Flüssigkeitsverweigerung, 18 % Halluzinationen
und / oder Wahn, 17,9 % Fehlhandlungen, 17,3 % Unruhe, 9,1 % De­
pression und 9,1 % Suizidalität/ Suizidversuch. Bei 73,5 % der Pa­
tienten war ein selbstgefährdendes Verhalten und bei 24 % fremdgefährdendes Verhalten wesentlicher Grund für die Einweisung.
Die Ergebnisse zeigen, dass bei einem ganz überwiegenden Teil der
dementen Patienten ein akut selbst- oder fremdgefährdendes Verhalten zur stationären Einweisung führte.
Mittwoch, 25. 11. 2009, 15.30 – 17.00 Uhr, Saal Stockholm 1
S-030 Symposium
Therapie nicht-kognitiver Störungen bei Demenz
Vorsitz: A. Fellgiebel (Mainz), M. Hüll (Freiburg)
001
Medikamentöse Therapie von Depression und Apathie
Andreas Fellgiebel (Universitätsmedizin Mainz, Psychiatrie)
002
Pharmakologische Optionen bei Agitation, Aggressivität und Halluzinationen
Michael Hüll (Universitätsklinik Freiburg, ZGGF)
Einleitung: Außerhalb der Kognition liegende Symptombereiche
wie Agitation und Halluzinationen werden bei Demenzerkrankung
mit unterschiedlichen Begriffen wie akzessorische Symptome,
nicht-kognitive Symptome, psychotische Symptome im Rahmen
einer Demenz, herausforderndes Verhalten oder im angloamerikanischen Sprachgebrauch „Behavioural and Psychological Symptoms of Dementia“ (BPSD) bezeichnet. Diese Symptome sind we-
sentlich für die Lebensqualität des Erkrankten und der Angehörigen
sowie für die Möglichkeit eines Verbleibens in der eigenen Häuslichkeit.
Methode: Für nichtpharmakologische Ansätze wurden in Deutschland Empfehlungen für den Umgang mit herausforderndem Verhalten gegeben. Für die pharmakologischen Interventionen existiert
die generelle Empfehlung, nur bei schweren aggressiven Verhaltensweisen Medikamente einzusetzen. Diese Zurückhaltung beruht
zum einen auf der erhöhten Nebenwirkungsempfindlichkeit älterer
Menschen gegenüber typischen und atypischen Neuroleptika. Andererseits zeigen randomisierte Studien aber auch ein ernüchterndes Bild bzgl. der Wirksamkeit von Neuroleptika. So zeigte der
„Clinical Antipsychotic Trials of Intervention Effectiveness-Alzheimer Disease“ (CATIE-AD) letztendliche keine überzeugende Wirk­
samkeit von atypischen oder typischen Neuroleptika.
Diskussion / Ergebnisse: Aufgrund der häufig bestehenden Notwendigkeit einer pharmakologischen Behandlung von aggressivem
Verhalten wurden auch verschiedene andere Interventionen (Antidementiva, Antiepileptika, Benzodiazepine etc) bzgl. ihrer Effekte
auf akzessorische Symptome im Rahmen einer Demenz untersucht.
Die bisher vorliegenden Daten sind aber bei weitem nicht ausreichend.
003
Wirkfaktoren der nicht-medikamentösen Behandlung bei Demenz
Armin Scheurich (Universitätsmedizin Mainz, Psychiatrie)
Einleitung: Die medikamentösen Behandlungsoptionen bei Demenz sind auch heute leider sehr begrenzt, insbesondere in Bezug
auf die nicht-kognitiven Symptome, die den Verlauf der Erkrankung gewöhnlich bestimmen. Demgegenüber gibt es derzeit auch
nur wenig überprüfte Evidenz für nicht-medikamentöse Behandlungsansätze.
Methode: Der Vortrag gibt einen Überblick über die Interventionen und ihre Wirkfaktoren. Es werden die Daten und Ergebnisse
aktueller Reviews und Studien dargestellt und zusammengefasst.
Diskussion / Ergebnisse: Für die demenzspezifischen Behandlungsansätze wie Validation, Reminiszenztherapie und Realitätsorientierung liegen negative und gemischte Studienergebnisse vor.
Da diese komplexen Ansätze jedoch verschiedene Einzelinterventionen integrieren, ist die Entdeckung wirksamer Einzelfaktoren erschwert. In dem Beitrag werden die empirisch abgesicherten nichtmedikamentösen Interventionen als Wirkfaktoren und Bausteine
für neue integrierte Behandlungsansätze wie bspw. die Selbsterhaltungstherapie vorgestellt. Es zeichnet sich empirische Unterstützung für den antidepressiven Aktivitätenaufbau, die Psychoedukation der pflegenden Angehörigen und die kognitive Stimulation ab.
Situativ und kurzfristig kann über adäquate Zuwendung, multi­
sensorische Stimulation, Reduktion unangenehmer Zustände und
Schmerzen das Verhalten und Erleben der Patienten positiv be­
einflusst werden. Für leicht betroffene Patienten mit beginnender
Demenz wirkt Gruppentherapie entlastend und aktivierend. Im
weiteren Verlauf, bei mittelschwerer und schwerer Symptomatik,
sind auch verhaltenstherapeutische Interventionen erfolgreich, die
über die Verstärkung und die Einübung positiver Verhaltensweisen
direkt auf Verhaltensdefizite oder problematisches Verhalten einwirken. Für die Verbesserung der nicht-medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten müssen klinische Studien sowohl systematisch
die Effektivität der einzelnen Wirkfaktoren isolieren, als auch die
wirksamsten Kombinationen erschließen.
11
Topic 1 G Organische psychische Störungen, Demenz, F0 // Organic mental disorders, dementia, F0
004
Selbsterhaltungstherapie (SET): Individuelle Ressourcenförderung
in der Rehabilitation und Betreuung von Menschen mit Demenz
Barbara Romero (Neurologische Klinik, Alzheimer-Therapiezentrum,
Bad Aibling)
Einleitung: Bei fortschreitend verlaufenden Demenzen können
eine Beeinträchtigung und eine Verschlimmerung nicht vollständig
und dauerhaft abgewandt und auch nicht beseitigt werden. Angestrebt werden kann und soll eine optimale Anpassung des Niveaus
von Aktivitäten und Teilhabe an die jeweiligen, noch erhaltenen
Kompetenzen der Betroffenen. Das ressourcenorientierte Konzept
der Selbsterhaltungstherapie stellt die Hilfe zur Adaptation an die
sich verändernden Lebensbedingungen als die zentrale Aufgabe
psychosozialer Unterstützungsmaßnahmen heraus. Programmen
zur Nutzung von individuellen Ressourcen der Betroffenen werden
systematisch erhobene Erkenntnisse zu deren Kompetenzen und
Bedürfnissen zu Grunde gelegt.
Methode: Zentrale Elemente der SET: • Anpassung der Kommunikation • Anpassung der Alltagsgestaltung, Betreuung und Beschäftigungen • Erinnerungsarbeit Anwendungsbereiche: • Zeitlich
limi­tierte, familienorientierte Behandlungsprogramme (z. B. Alzheimer Therapiezentrum Bad Aibling, ATZ) • Tagesstätten • Wohnbereich
Diskussion / Ergebnisse: Die bisherigen Ergebnisse zur unmittelbaren Wirkung der multimodalen ATZ-Behandlung zeigen eine
Reduktion der Depressivität und der Belastung bei den betreuenden Angehörigen, wie auch eine Abnahme der Depressivität und
anderer psychopathologischer Störungen bei gleichzeitiger Zunahme alltagsrelevanter Kompetenzen bei den Kranken (Romero,
2004). Auch die Bereitschaft, entlastende externe Hilfen in Anspruch zu nehmen, nahm nach der ATZ-Behandlung bedeutend zu
(Romero et al., 2007). Es werden neue Ergebnisse der aktuell laufenden Studie präsentiert, bei der die Nachhaltigkeit der Wirkung
der ATZ-Behandlung untersucht wird. Die Studie „SKEPSIS“ ist
durch das BMBF im Rahmen der „Leuchtturmprojekte“ gefördert
(Förderkennzeichen LTDEMENZ-44-061).
Donnerstag, 26. 11. 2009, 08.30 – 10.00 Uhr, Saal 6
S-042 Symposium
tia
Losing your self – Neural correlates of frontotemporal demen-
Vorsitz: M. Schroeter (Leipzig), H. Förstl (München)
001
Frontotemporal Dementia – Basic Concept and Diagnostic Criteria
Hans Förstl (TUM, Klinikum rechts der Isar, Psychiatrie und Psychotherapie, München)
002
Neural Correlates of Social Cognition
Kirstin Volz (MPI Neurologische Forschung, Köln)
Introduction: Recently, the anterior prefrontal cortex (aPFC) be­
came a major area of interest. Neuroscientific studies aimed at elucidating the area‘s specific function. Although the role of the aPFC
in sub-serving higher-order cognitive functions is unchallenged, it
is so far not clear in what way and where different functions may be
distributed in this large area. In aiming at more detailed and coherent theoretical account, researchers took up a meta-position by integrating the corpus of findings from recent imaging studies on the
aPFC. In doing so, reviews and meta-analytic approaches suggested
12
various subdivisions. For example, the lateral aPFC, primarily encompassing Brodmann area 10, was suggested to sub-serve the coordination of information processing and the information transfer
between two or more cognitive operations and multiple task coordination respectively. In contrast, the medial aPFC was proposed to
sub-serve mental state attribution (including theory of mind) in
general. The utilized meta-analytic approaches, whose results constitute the basis for most of the mentioned theoretical accounts, still
most commonly consist of plotting all activation foci into a single
figure. The common procedure is then to use visual inspection as a
scientific tool so as to identify functional sub-regions. Yet, the
method of visual inspection affects adversely the objectivity and
reliability of the interpretation of the findings.
Method: Recent developments of meta-analysis techniques facilitate more objective approaches, some of which were adopted for the
present work. The combination of Activation Likelihood Estima­
tion (Turkeltaub et al., 2002), model-based clustering and replicator
dynamics (Neumann et al., 2006) is ideally suited to address the
question of functionally different sub-regions within the aPFC.
Discussion / Results: The replicator process revealed three disso­
ciable clusters within the median aPFC, i. e., these three clusters
could be differentiated based on the information about co-activated
regions. Moreover, the activation foci of the network of the lateral
aPFC were entirely different from those of the median aPFC.
003
Neural Correlates of Frontotemporal Dementia – In vivo
Matthias Schroeter (MPI, Kognitive Neurologie, Leipzig)
Introduction: Frontotemporal dementia (FTD) is the most common form of frontotemporal lobar degeneration. It is characterized
by deep alterations in behavior and personality. We conducted a
systematic and quantitative meta-analysis to examine its neural
correlates and place the disease in a framework of cognitive
neuropsy­chiatry.
Method: MedLine and Current Contents search engines were used
to identify imaging studies investigating FTD. Nine studies were
identified reporting either atrophy or decreases in glucose utilization. Finally, the analysis involved 132 patients and 166 controls. A
quantitative meta-analysis was performed. Maxima of the studies
resulted in anatomical likelihood estimates. This meta-analytic method is considered as the most sophisticated, and well-validated of
coordinate-based voxel-wise meta-analyses.
Diskussion / Results: The meta-analysis revealed a particularly fron­
tomedian network impaired in FTD. Additionally, right anterior
insula, and medial thalamus were identified. The study specifies
FTD as the frontomedian variant of frontotemporal lobar degeneration. The disease affects neural networks enabling self-monitor­
ing, theory of mind capabilities, perception of emotions, and sus­
taining personality and self. Our study suggests that FTD is a
prototypical disorder of a specific human ability, social cognition.
Moreover, we contrast our results with other meta-analytic studies
applying the same method. Here, we can show that the neural correlates of FTD are specific in comparison to the other subtypes of
frontotemporal lobar degeneration, semantic dementia and progressive non-fluent aphasia, and Alzheimer‘s disease. In conclu­sion,
the study contributes to placing FTD in cognitive neuropsychiatry
and to the development of new diagnostic (imaging) criteria for
dementia disorders. References Schroeter et al (2007) Towards a
nosology for frontotemporal lobar degenerations – A meta-analysis
involving 267 subjects. Neuroimage 36:497-510. Schroeter et al
(2008) Neural networks in frontotemporal dementia – A metaanalysis. Neurobiol Aging 29:418-26. Schroeter et al (2009) Neural
correlates of Alzheimer‘s disease and mild cognitive impairment: A
systematic and quantitative meta-analysis involving 1351 patients.
Neuroimage: published online.
Topic 1 G Organische psychische Störungen, Demenz, F0 // Organic mental disorders, dementia, F0
004
Neural Correlates of frontotemporal Dementia – Post mortem
William W. Seeley (UCSF School of Medicine, Memory; Aging Center,
San Francisco, USA)
Donnerstag, 26. 11. 2009, 08.30 – 10.00 Uhr, Saal VIP 2
S-047 Symposium
Evidenzbasierte Ergotherapie bei Demenz
Vorsitz: A. Döring (Bochum), J. Fritze (Pulheim)
001
Interventionsprogramm und Design der WHEDA-Studie
Sebastian Voigt-Radloff (Universitätsklinikum, Geriatrie und Gerontologie, Freiburg)
Einleitung: Ein niederländisches Ergotherapie-Programm erwies
sich in einer randomisierten Studie bei Demenzerkrankten als hoch
wirksam und kosteneffektiv (Graff et al. 2006, 2007, 2008). Im Rahmen der BMG-geförderten Leuchtturmprojekte führt das Zentrum
für Geriatrie und Gerontologie Freiburg eine multi-zentrische randomisiert kontrollierte Studie zur Wirksamkeit des niederländischen Programms im deutschen Versorgungskontext durch. Design
und erste Erfahrungen der WHEDA-Studie werden vorgestellt.
Methode: Die Interventionsstudie vergleicht die Effekte eines häuslichen manualisierten Ergotherapieprogramms mit dem eines
häuslichen ergotherapeutischen Beratungsbesuches auf die Ausführung von Alltagsaktivitäten und Lebensqualität von Menschen
mit leichter bis mittelgradiger Demenzerkrankung, auf die Lebensqualität und Kompetenzüberzeugung des primären Angehörigen
und auf die Gesundheitskosten. Design: Einfach blinde randomisert kontrollierte Studie mit sieben Prüfzentren, 5 Wochen Intervention, prä-post Assessment und Follow-Up Untersuchung in
Woche 16, 26 und 52. Teilnehmer: Menschen mit leichter bis mittelgradiger Demenzerkrankung, die zu Hause leben und von dem
primären Angehörigen mindestens zweimal pro Woche versorgt
werden. Einschlusskriterien: Demenz vom Typ Alzheimer oder
gemischt (ICD-10-F00), Minimental State Examination Wert zwischen 14 und 24. Ausschlusskriterien: Geriatric Depression Scale
(30 Items) Score: > 12, Pflegestufe 2 oder höher, medizinische Instabilität oder schwere Verhaltensauffälligkeiten. Interventionen:
10 Hausbesuche eines geschulten Ergotherapeuten mit dem Ziel,
die erfolgreiche Durchführung bedeutungsvoller Alltagsaktivitäten
des Patienten und Angehörigen zu unterstützen versus die häusliche Beratung eines geschulten Ergotherapeuten mit Material, das
auf Informationen der Alzheimer Gesellschaft basiert, mit dem
Ziel, Angehörige und Patienten in der Nutzung kommunaler Ressourcen zu unterstützen. Ergebnismessung: Durchführung der Alltagsaktivitäten der Patienten, Lebensqualität von Angehörigen und
Patienten, Kompetenzüberzeugung der Angehörigen, Akzeptanz
der Intervention bei Angehörigen und Patienten, Ressourcennutzung von Patienten und Angehörigen, Betreuungsaufwand durch
primären Angehörigen.
Diskussion / Ergebnisse: Da die Follow-Up Erhebungen noch
nicht abgeschlossen sind, werden als erste Ergebnisse das durchgeführte Behandlungsprogramm, das Studiensample und die Erfahrungen der involvierten Ergotherapeuten bei der Durchfürhung
der Therapie und Kontrollintervention vorgestellt.
002
Interventionsprogramm „Ergotherapie im häuslichen Umfeld bei
Demenz“
Wiebke Flotho (HAWK, Fachhochschule Hildesheim / Holzminden /
Göttingen)
Einleitung: Ergotherapie im häuslichen Umfeld von Demenzkranken und ihren Pflegenden Angehörigen (PA) kann einen wichtigen
Beitrag in der ambulanten Versorgungskette leisten. Vor diesem
Hintergrund wurde ein Interventionsprogramm entwickelt, welches
Klientenzentrierung und bedeutungsvolle Alltagsaktivitäten des
Klienten innerhalb des ergotherapeutischen Behandlungsprozesses
systematisiert. In Anlehnung an die Studien von Graff et al. (2006
– 2008), die u. a. die Kosteneffektivität solcher Programme in den
Niederlanden nachgewiesen haben, entstehen erste deutsche Ansätze zur Förderung der Evidenzbasierung ergotherapeutischer Lei­
stungen. Das Programm baut auf den Erfahrungen der fortlaufenden Differenzierung des CMOP / COPM-Zertifizierungskurses
(CMOP = Canadian Model of Occupational Performance, COPM
= Canadian Occupational Performance Measure) auf. Der Zertifizierungskurs ist eine Schulung für praktizierende Ergotherapeuten,
die eine Form der Systematisierung des therapeutischen Prozesses
für die deutsche Ergotherapie bereit hält und grundsätzliche an
akademischen Standards orientierte theoretische wie praktische
Kompetenzen vermittelt.
Methode: Merkmale des ergotherapeutischen Interventionsprogrammes sind: • Klientenzentrierte Grundhaltung im gesamten
therapeutischen Prozess • Betätigungsorientierung mit Alltagsrelevanz für die Klienten • Durchführung des Interviews COPM mit
Betroffenem und PA zu Beginn und am Ende der Intervention
• Nutzung eines Betätigungsprotokolls, Durchführung von Betätigungsanalysen, Systematisierung der Zielformulierungen • Überprüfung der Wohnsicherheit, sowie Erfassung des Optimierungsbedarfs im häuslichen Umfeld • Wohnraum- und Umfeldberatung
• Anwendung geeigneter ergotherapeutischer Methoden
Strukturelle Merkmale des Interventionsprogrammes sind: • Interventionsdauer pro Klient 6 Wochen mit je zwei Behandlungen pro
Woche • Ergotherapie findet im häuslichen Kontext des Klienten
statt • Einbeziehung der pflegenden Angehörigen (PA) und Demenzkranken in Befunderhebung, Zielformulierung und Entscheidungsfindung
Diskussion / Ergebnisse: Das Interventionsprogramm wird mittels
einer Schulung trainiert, bestehend aus 3 Modulen, die sich in
jeweils 2 – 3 Fortbildungstage aufteilen. Die Schulung umfasst
110 Lehreinheiten, die 60 Einheiten Präsenzlehre und 50 Einheiten
Eigenarbeit beinhalten. Obwohl es derzeitig noch nicht überprüft
ist, stellt es einen vielversprechenden ersten Schritt in Richtung
kosteneffizienter und evidenzbasierter Ergotherapie dar. Eine Studie zur Evaluation des Interventionsprogrammes wäre wünschenswert.
003
Effektivität einer optimierten Ergotherapie bei Demenz im häus­
lichen Setting (ERGODEM)
Luisa Jurjanz (Universitätsklinik Dresden, Klinik und Poliklinik für
Psychiatrie)
Einleitung: Nichtmedikamentöse Behandlungsmaßnahmen bei
Demenzerkrankungen sind Bestandteil einer leitliniengerechten
Therapie. Gegenüber den pharmakologischen Behandlungsoptionen verweist die gegenwärtige Studienlage jedoch auf eine deutlich
geringere Evidenzbasierung für nichtpharmakologische Interven­
tionen. Mit Blick auf den deutschen Versorgungskontext wird deutlich, dass bislang keine randomisierten kontrollierten Studien
vorliegen, so dass sich Empfehlungen im nichtmedikamentösen
Behandlungsbereich eher auf einzelne Untersuchungen und ge­
nerelle Konsensusempfehlungen stützen. Die BMG-geförderte
13
Topic 1 G Organische psychische Störungen, Demenz, F0 // Organic mental disorders, dementia, F0
ERGODEM-Studie versucht einen Beitrag zu leisten, diese Lücke
zu schließen, indem sie die Wirksamkeit einer häuslichen Ergotherapie bei leicht bis mittelgradiger Demenz unter Verwendung eines
randomisierten kontrollierten Designs untersucht.
Methode: ERGODEM ist als multizentrische Studie mit drei Prüfzentren konzipiert. In die Studie werden insgesamt 200 Patienten
mit einer leicht- bis mittelgradigen Demenz (Alter ≥ 55 Jahre) eingeschlossen. Alle Patienten erhalten eine leitliniengerechte pharmakotherapeutische Behandlung (DGN, DGPPN). Die Interven­
tionsgruppe erhält zusätzlich ein individuelles, an den Bedürfnissen
des Patienten ausgerichtetes Behandlungsprogramm über einen Zeit­
­raum von 6 Wochen. Dabei werden gemeinsam mit dem Patienten
für ihn bedeutsame Betätigungen identifiziert und eine Zielhierarchie erstellt. Die Intervention umfasst 12 Sitzungen. Die Angehörigen werden in die Behandlung einbezogen. Alle Studienteilnehmer
werden zu vier Messzeitpunkten untersucht. Neben der Bewältigung von Alltagsaufgaben als primäre Outcome-Variable interessieren die kognitive Leistungsfähigkeit, Aspekte der Lebenszufriedenheit, das Belastungserleben seitens der pflegenden Angehörigen
sowie die Behandlungskosten.
Diskussion / Ergebnisse: Es wird erwartet, dass die Aktivitäten des
täglichen Lebens bei den Patienten der Interventionsgruppe im
Vergleich zur Kontrollgruppe länger eigenständig bewältigt werden
können. Zudem nehmen wir einen positiven Effekt auf die Lebensqualität der Betroffenen sowie der pflegenden Angehörigen an. Da
die Datenerhebung weiterhin andauert, werden das Design sowie
erste Erfahrungen der Ergotherapeuten bei der Durchführung der
Intervention berichtet.
004
Zu Stand und Zielen der Akademisierung der deutschen Ergotherapie
Ulrike Marotzki (HAWK, Fachhochschule Hildesheim / Holzminden /
Göttingen)
Einleitung: Ergotherapie gehört zu den noch jungen Therapieberufen in Deutschland. Erste Ausbildungsstätten wurden nach dem
zweiten Weltkrieg gegründet. Gut 10 Jahre nach der Pflege hat nun
mit diesem Jahrzehnt die Akademisierung der Gesundheitsfachberufe begonnen, nämlich der Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie. Deutschland schließt sich hiermit als letztes europäisches
Land einem internationalen Trend zu einer wissenschaftlich fundierten Ausbildung in den Therapieberufen an. In den derzeit bestehenden sechs deutschen Bachelor-Studiengängen werden in den
meist dualen Studiengängen die berufsfachschulische und hochschulische Ausbildung integriert. In einer im Vergleich zum Ausland längeren Gesamtausbildungszeit von rd. 8 bis 10 Semestern
wird der Abschluss ‚Bachelor of Science‘ erreicht. Seit 2005 wurden
zudem erste konsekutive Master-Studiengänge eröffnet. Mit ihrem
Blick für die Funktionalität und erlebte Qualität von Alltagsbetätigungen ihrer Klientel stellt die moderne Ergotherapie einen klaren
Bezug zur Aktivitäts- und Teilhabe-Dimension funktionaler Gesundheit (Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit) her. Der Erfolg ihrer therapeutischen
Interventionen misst sich in der beobachtbaren v. a. aber vom Klienten in seiner vertrauten Umwelt erfahrenen Qualität seiner Alltagsaktivitäten. Mit diesem komplexen Konstrukt, dessen theo­
retischer Fundierung und Operationalisierung in Form von
Outcome-Kriterien, gezielten Interventionen und Erhebungsin­
strumenten, beschäftigt sich die international verfügbare wissenschaftliche Literatur der Ergotherapie. Aus den konzeptionellen
Entwicklungsbedarfen der praktischen ergotherapeutischen Tätigkeit (bspw. Indikationen, Clinical Reasoning, Outcome), den interdisziplinären Ansätzen in den Versorgungsbereichen und der eigenen internationalen wissenschaftlichen Literatur ergibt sich für
eine wissenschaftliche Fundierung der deutschen Ergotherapie ein
14
umfangreiches Programm. Dieses sollte von den Hochschulen ausgehen, auf koordinierte Aktivitäten zwischen den ergotherapeutischen Studiengängen aufbauen, im interdisziplinären Diskurs und
in Projekten zwischen Hochschulen und regionalen Versorgungseinrichtungen umgesetzt werden. Anfänge hierzu sind gemacht.
Methode: Der Vortrag gibt erstens einen Einblick in Zielsetzungen
und Inhalte von Bachelor- und Master-Studiengängen. Zweitens
werden die Entwicklungsbedarfe und Stärken ergotherapeutischer
Praxis im psychiatrischen Bereich skizziert und drittens wird auf
die Forschungsagenda eingegangen, die im Kern auf eine stärkere
Evidenzbasierung ergotherapeutischer Praxis zielt.
Donnerstag, 26. 11. 2009, 15.30 – 17.00 Uhr, Raum 42
S-066 Symposium
Successful research funding in Germany: Innovative studies on
schizophrenia and dementia from the clinical trials program of the
BMBF and DFG
Vorsitz: F. Jessen (Bonn), P. Falkai (Göttingen)
001
Limitations of research by the pharmaceutical industry and regulatory agencies and presentation of the clinical trial on the treatment of apathy in dementia with Bupropion (Apa-AD)
Frank Jessen (Universitätsklinikum Bonn, Psychiatrie und Psychotherapie)
The research interest of the pharmaceutical industry focuses on
conditions that enable licencing by the regulatory agencies such as
the EMEA and the FDA. These agencies license drug for diseases
only, but not for symptoms related to diseases. In the case of dementia, symptoms, such as neuropsychiatry disturbances are frequently the main predictor for burden of patients and caregivers.
Thus, there is a major gap between industry led research, guided by
regulators and the need for effective treatment in many clinical
fields. Public funding, in Germany by the DFG and the BMBF,
targets this gap by funding high quality trials in areas that represent
major clinical needs, but are not in the focus of the industry. In the
case of Alzheimer‘s Dementia (AD), apathy is the most common
neuropsychiatric syndrome. It is associated with more rapid disease
progression, increased mortality and increased caregivers‘ burden.
There are no studies of sufficient quality on the treatment of apathy
in AD. Basic and clinical research provides evidence that the dopaminergic system is crucial in motivated behaviour and that disturbance of dopaminergic transmission is associated with apathy in
brain diseases. The antidepressant Bupropion is a dopamine and
norepinephrine reuptake inhibitor. Small case series have provided
first evidence for potential efficacy of Bupropion on apathy in subjects with various organic brain disorders. Funded by the BMBF,
a multicenter randomized placebo-controlled clinical trial on the
efficacy of Bupropion in the treatment of apathy in AD will be conducted. The design of the study will be presented.
002
Prävention der Alzheimer Demenz durch Statine: Facts and Fiction
Isabella Heuser (Charité Berlin, CBF, Klinik für Psychiatrie)
Topic 1 G Organische psychische Störungen, Demenz, F0 // Organic mental disorders, dementia, F0
003
High frequency repetitive transcranial magnetic stimulation for
the treatment of negative symptoms in schizophrenia – a DFG funded multicenter study
Thomas Wobrock (Universitätsmedizin Göttingen, Psychiatrie)
B. Guse, J. Cordes, G. Winterer, W. Wölwer, B. Langguth, M. Landgrebe, G. Hajak, C. Ohmann, M. Rietschel, P. Falkai
Introduction: Recent meta-analysis of sham controlled and uncon­
trolled studies revealed small, but significant effects of rTMS on
negative symptoms. However, trials to date have been small and results are mixed. There is a need for further controlled, multi-center
trials to assess the clinical efficacy of rTMS on negative symptoms
in schizophrenia in a larger sample of patients.
Method: The primary objective of the multi-centre randomized,
sham-controlled, rater- and patient-blind clinical trial is to investigate the efficacy of 3 week 10Hz high-frequency rTMS (add-on to
antipsychotic therapy, 15 sessions / 3 weeks, 1000 stimuli per session, stimulation intensity 110 % of the individual motor threshold)
of left dorso-lateral prefrontal cortex in the treatment of negative
symptoms in schizophrenia and to evaluate the effect during a 12
weeks follow-up period. The primary efficacy endpoint is the
change in negative symptoms of schizophrenia as assessed with the
PANSS negative sum score (Baseline vs. day 21). A sample size of
63 in each group will have 80 % power to detect an effect size of
0.50. Data analysis will be based on the intention- to- treat population. The study will be conducted at 3 university hospitals in Germany (Göttingen, Düsseldorf, Regensburg).
Discussion / Results: First results of good tolerability and re­cruit­
ment suggest that this study will provide important informa­tion
about the efficacy of rTMS in the treatment of negative symptoms.
In addition to psychopathology other outcome measures such as
neurocognition, social functioning, and quality of life and neurobiological parameters will be assessed to investigate the basic mechanisms of rTMS in schizophrenia. Main limitations of the
trial are the potential influence of antipsychotic dosage changes
and to ensure adequate blinding. Trial registration: ClinicalTrials.
gov NCT00783120.
004
PREVENT: A second generation intervention trial in subjects at risk
of developing first episode psychosis evaluating CBT, aripiprazole
and placebo for the prevention of psychosis.
Andreas Bechdolf (Uniklinik Köln, Klinik für Psychiatrie)
J. Klosterkötter
Introduction: Recently CBT as well as antipsychotics (AP) have
been found to at least delay the onset of first episode psychosis in
people at risk. However, so far only one study has explored the differential treatment effects of CBT and AP, although this question
has far reach­ing ethical, acceptance and compliance implications.
PREVENT is designed to address a superior hypothesis for specific
interventions as compared to a control interventions and a noninferiority hypothesis as regards CBT compared to AP.
Method: 380 help seeking clients will be recruited into the trial to
receive either 30 sessions of CBT, or clinical management combined
with up to 15 mg aripirazole or placebo over 12 months. The study
will address the recent issue of a drop in transitions rates in the
UHR population by combining UHR with highly predictive basic
symptom criteria. PREVENT will have a high methodological standard involving blind ratings, monitoring of CBT and CM adherence
and competence, tolerability and safety documentation. Moreover
a number of Add-On studies will allow to assess the biological, psychological and social interactions involved in the conversion process like neuropsychological functioning, MRT scans, stress cortisol levels, oxidative stress, genetics and EEG functioning.
Discussion / Results: The presentation will give the rationale and
design of the study and report first experiences with the recruit­
ment and sample characteristics.
Donnerstag, 26. 11. 2009, 17.15 – 18.45 Uhr, Salon 13/14
S-085 Symposium
From phenotype oriented exclusion diagnostics of manifest
demen­tia syndromes to specific diagnostics of neurodegenerative
dis­eases within pre-dementia stages
Vorsitz: A. Fellgiebel (Mainz), H. Hampel (Dublin)
001
Neuropsychology: Mandatory screening methods and indications
of additional assessments
Ingrid Schermuly (Universitätsmedizin Mainz, Psychiatrie)
Neuropsychological assessment contributes greatly to the diagnosis
of dementia diseases. It allows the documentation of significant
cog­nitive decline and points out patterns of cognitive dysfunction
due to the type of dementia. Since neurodegeneration is estimated
to start 20 – 30 years before clinical onset, there is a long preclinical
phase and no bright line dividing normal aging from dementia.
The transitional (predemential) state between normal aging and
dementia is called Mild Cognitive Impairment (MCI) and is de­
fined as cognitive decline greater than expected for an individual’s
age and education level but not interfering notably with activities of
daily life. Thus, besides the diagnostic of manifest dementia dis­
eases a central focus of neuropsychological assessment and research
lies on the reliable and valid detection of preclinical and predemential stages. Concerning manifest dementia syndromes screening
tools, e. g. the Mini Mental State Examination, can be used for a first
clarification, to support a clinical diagnosis of dementia or to monitor the course of the disease. However, for the early detection of
predemential stages as well as for differential diagnostic issues
detailed neuropsychological testing is recommended. More sophisticated neuropsychological assessment such as the CERAD neuropsychological battery allows the discrimination between beginning
dementia, the preceding stages and normal aging. There is evidence
suggesting that asymmetries of cognitive functions as well as subjective cognitive complaints occur already in the preclinical period
of dementia. In particular performance on sophisticated cognitive
tests of verbal memory, e.g. paired associates learning tasks or the
Free and Cued Selective Reminding Test, seem to be sensitive markers at this preclinical stage.
002
Structural brain imaging: What is necessary today and what will
be the future?
Andreas Fellgiebel (Universitätsmedizin Mainz, Psychiatrie)
003
PET in dementia: Current indications and future perspectives
Peter Bartenstein (LMU München, Klinik für Nuklearmedizin)
004
From phenotype oriented dementia diagnostics to the pre-symptomatic screening of neurodegenerative diseases
Harald Hampel (Discipline of Psychiatry, Trinity Center for Health
Sci., Dublin, Irland)
Introduction: The pathophysiologic processes leading to neurode­
generation are thought to begin long before clinical symptoms develop. There is a critical need for biomarkers that aid early pre-­
15
Topic 1 G Organische psychische Störungen, Demenz, F0 // Organic mental disorders, dementia, F0
dementia and pre-symptomatic detection.
Method: Currently the clinical syndrome of dementia and the criteria for its severity are defined in the Diagnostic and Statistical
Manual of Mental Disorders (DSM-IV-TR of the American Psychiatric Association (APA) and in the ICD-10 (F00-F03) of the World
Health Organisation (WHO). For the effective and consistent evaluation of patients a stable diagnostic framework must be followed.
After a rigorous exclusion of other diagnosable causes of dementia
the establishment of a clinical AD subtype classification can be
further specified by using the NINCDS-ADRDA criteria. Knowledge of neurodegenerative disorders such as AD is rapidly advanc­
ing, thus the diagnostic criteria currently used may need revision
and updating. Whereas sensitivity has been shown very good to excellent, specificity has been much lower. Revised criteria are being
suggested by the field and discussed in the APA DSM-V and WHO
ICD-11 working groups. Recently, new revised diagnostic criteria
of AD have been proposed using an early mono-symptomatic approach that may aid an earlier and more accurate characterisation
of AD patients. This development seems to pave the way to future
pre-symptomatic screening and diagnostic tools.
Discussion / Results: In this presentation core feasible in vivo imaging and neurochemistry techniques, at matured stages of large-­
scale international multi-center diagnostic validation, which can
reliably assess key aspects of neurodegeneration and under­lying
physiology, pathology, chemistry, and which hold the greatest promise to provide effective biological markers will be reviewed and
discussed. As a perspective a future multi-dimensional diagnostic
flow-model of AD will be proposed. References 1. Blennow K &
Hampel H. CSF markers for incipient Alzheimer‘s dis­ease. Lancet
Neurology, 2003. 2. Hampel H et al.Core candidate neurochemical
and imaging biomarkers of Alzheimer‘s disease.Alzheimer‘s & Dementia, 2008.
Donnerstag, 26. 11. 2009, 17.15 – 18.45 Uhr, Salon 17/18
S-087 Symposium
Lebens- und Versorgungssituation Demenzkranker in Pflege­
heimen
Vorsitz: M. Rapp (Berlin), J. Pantel (Frankfurt)
001
Lebens- und Versorgungssituation Demenzkranker in Pflege­
heimen: Ein Vergleich zwischen spezieller und traditioneller Betreuung
Siegfried Weyerer (ZI für Seelische Gesundheit, AG Psychiatr. Epidemiologie und Demographischer Wandel, Mannheim)
Einleitung: Etwa zwei Drittel der Bewohner in deutschen Altenpflegeheimen leiden an einer Demenz. Überwiegend werden diese
traditionell integrativ versorgt, d.h. sie leben im gleichen Wohn­
bereich mit kognitiv unbeeinträchtigten Bewohnern. Neben den
kognitiven Einbußen treten bei Demenzkranken häufig Verhaltens­
auffälligkeiten auf, die die Lebensqualität der Betroffenen, ihrer
Mitbewohner und des Pflegepersonals erheblich beeinträchtigen
können. Vor dem Hintergrund dieser Probleme wurden beispielsweise im Rahmen der besonderen Dementenbetreuung in Hamburg neue Versorgungskonzepte entwickelt. Im Rahmen einer umfassenden Evaluationsstudie untersuchten wir, ob Demenzkranke
in Hamburger Modelleinrichtungen (spezielle segregative und teilsegregative Dementenbetreuung) im Vergleich zu Demenzkranken
in traditionellen Altenpflegeheimen eine bessere Lebensqualität
aufweisen.
16
Methode: In einer Querschnitts- und Verlaufsstudie (Follow-up
nach sechs Monaten) sollten möglichst alle Bewohner (n=744) des
Hamburger Modellprogramms (Aufnahmekriterium: verhaltens­
auffällige, mobile Demenzkranke) untersucht und mit einer tradi­
tionell integrativ versorgten Gruppe von demenzkranken Heimbewohnern in Mannheim verglichen werden. Zentrale Merkmale wie
Verhaltensauffälligkeiten und Einschränkungen der Alltagsaktivitäten wurden durch das qualifizierte Pflegepersonal eingeschätzt.
Diskussion / Ergebnisse: Es fanden sich bei Demenzkranken in
den Hamburger Modelleinrichtungen im Vergleich zur Referenzgruppe eine stärkere Einbindung von Ehrenamtlichen, mehr Sozial­
kontakte zum Personal, seltener freiheitseinschränkende Maß­
nahmen, eine stärkere Beteiligung an Heimaktivitäten und eine
häufigere psychiatrische Behandlung. Bewohner in der traditionellen Dementenversorgung wurden signifikant häufiger mit Neuroleptika und wesentlich seltener mit Antidepressiva behandelt. Diskussion: Im Vergleich zur traditionellen stationären Pflege können
sich besondere Betreuungsformen vorteilhaft auf Demenzkranke
auswirken, wobei noch unklar ist, welche Komponenten zu dieser
Wirkung beitragen. Weitere Studien zur Klärung der Wirkfaktoren
und zur differentiellen Indikation sind erforderlich.
002
Wirksamkeit der Serial Trial Intervention zur Reduktion von herausforderndem Verhalten bei Menschen mit Demenz (STI-D)
Adelheid Kuhlmey (Charite, Medizinische Soziologie, Berlin)
T. Fischer
Einleitung: Herausfordernde Verhaltensweisen als Teil der verhaltensbezogenen und psychologischen Symptome der Demenz
(BPSD) sind bei Menschen mit Demenz häufig. Sie sind sowohl für
den Betroffenen als auch für Angehörige und Pflegende belastend.
Vor dem Hintergrund des the Need-Driven Dementia Compromised Behaviour (NDB) Model wird davon ausgegangen, das herausforderndes Verhalten auf nicht befriedigte Bedürfnisse zurück
geht, die der Betroffene weder selbst befriedigen noch angemessen
kommunizieren kann. Um diese möglichen Ursachen abzuklären,
gibt die „Serial Trial Intervention (STI)“, ein in den USA entwickeltes Verfahren, einen strukturierten Rahmen für Pflegefachkräfte
vor. STI erwies sich in Studien als vorteilhaft hinsichtlich der Reduktion herausfordernder Verhaltensweisen und anderer Parameter, verglichen mit der Standardversorgung.
Methode: Eine deutsche Fassung der STI wurde mit Experten entwickelt. Im Rahmen einer clusterrandomisierten, kontrollierten
Studie (ISRCTN 6139 7797) mit drei Messzeitpunkten wird geprüft,
ob STI-D geeignet ist, herausforderndes Verhalten bei Pflegeheimbewohnern unter Alltagsbedingungen (efficacy) stärker zu reduzieren als die Regelversorgung. Als primäre Outcomevariable wird das
Auftreten von BPSD betrachtet, erhoben mittels NPI-NH. Sekundäre Outcomevariablen sind: Lebensqualität, Schmerz, Verschreibungshäufigkeit von Analgetika und Psychopharmaka und Häufigkeit von Assessments und Interventionen.
Diskussion / Ergebnisse: Pflegende der teilnehmenden Pflegeheime wurden erfolgreich für die Anwendung von STI-D geschult und
setzten das Verfahren klinisch ein. Erste Ergebnisse der Studie werden vorgestellt.
003
OPTIMAL – Eine Interventionsstudie zur Verbesserung der Psychopharmakversorgung von psychisch kranken Pflegeheimbewohnern
Johannes Pantel (Universitätsklinikum Frankfurt, Psychiatrie und
Psychosomatik)
A. Diehm, B. Schmitt, I. Ebsen
Einleitung: Ziel der Untersuchung war es, ein möglichst praxisnahes Interventionsprogramm zur Optimierung der Psychopharmakatherapie im Altenpflegeheim zu entwickeln, durchzuführen und
Topic 1 G Organische psychische Störungen, Demenz, F0 // Organic mental disorders, dementia, F0
wissenschaftlich zu evaluieren.
Methode: In einer ausgewählten Einrichtung der stationären Alten­
hilfe wurde ein Interventionsprogramm implementiert, das gezielt
auf zentrale Aspekte des in der Studie „Psychopharmaka im Altenpflegeheim“ formulierten Handlungsmodells Einfluss nimmt. Im
Mittelpunkt der Intervention stehen dabei insbesondere Qualifizierungsmaßnahmen für Pflegende zur Verbesserung der Kommunikation mit psychisch kranken Heimbewohnern und im Umgang
mit Verhaltensauffälligkeiten, Maßnahmen zur Verbesserung der
Kommunikation zwischen Pflegekräften bzw. Heim und behandelnden Ärzten, Maßnahmen zur Bewältigung von juristischen
Konfliktsituationen sowie Maßnahmen zur Verbesserung der psychopharmakarelevanten Dokumentation. Die Wirksamkeit des Interventionsprogrammes wurde im Rahmen eines nicht-randomisierten kontrollierten Studiendesigns anhand definierter Zielgrößen
(Art und Menge der eingesetzten Psychopharmaka, medizinische
und juristische Kriterien für adäquaten bzw. inadäquaten Einsatz,
Verhaltensauffälligkeiten auf Bewohnerebene etc.) unter Einschluss
von 162 Bewohnern überprüft. Ergebnisse: Sowohl hinsichtlich der
ärztlichen als auch der pflegerischen Versorgung ließ sich die Versorgung mit Psychopharmaka im Interventionsheim in Teilbereichen der medizinischen und juristischen Anforderungen an eine
optimale Versorgung signifikant verbessern. Dies betraf u. a. die
Verträglichkeit von Psychopharmakaverordnungen, die Reduzierung pharmakologischer Polypragmasie, die Reduzierung poten­
ziell schädlicher Wechselwirkungen mit anderen Medikamentenverordnungen, die Qualität der Dokumentation der pflegerischen
und ärztlichen Psychopharmakaanordnungen. Darüber hinaus
nahmen die psychopathologischen Auffälligkeiten bei den Bewohnern im Interventionsheim – nicht jedoch im Kontrollheim – nach
der Intervention ab und es fanden sich weniger Hinweise für potenzielle Rechtsverstöße bei der Psychopharmakaversorgung der
Heimbewohner.
Diskussion / Ergebnisse: Das Interventionsprogramm führte zu
einer Verbesserung der Handlungskompetenzen der Pflegekräfte
im Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten der Heimbewohner und
bei ihren Aufgaben im Rahmen der Psychopharmakaversorgung.
Um die Effektivität dieser Maßnahme weiter zu verbessern, ist jedoch eine Einbeziehung der verschreibenden Ärzte in Qualifizierungsmaßnahmen unerlässlich.
004
VIDEANT – Determinanten der Psychopharmakaversorgung in
Pflegeheimen
Michael Rapp (Gerontopsychiatrisches Zentrum, Charité Campus
Mitte, Berlin)
T. Majic, H. Gurtzmann, A. Heinz
Einleitung: Verhaltenssymptome bei Demenz wie Aggressivität
und Unruhe, Depression und Apathie führen zu häufigen Verschreibungen von Psychopharmaka, vermehrten Krankenhausaufenthalten und einer erhöhten Belastung des Gesundheitssystems.
Insbesondere Neuroleptika können schwere unerwünschte Wirkungen entfalten und sind mit einer erhöhten Mortalität assoziiert.
Internationale Leitlinien schlagen hier eine differenzierte, syndromspezifische Pharmakotherapie vor. In der vorliegenden Studie
wurde untersucht, inwieweit die Verschreibungspraxis in den Heimen syndromspezifisch und leitliniengerecht erfolgt.
Methode: Querschnittserhebung in 18 Berliner Seniorenwohnheimen, bei der mit syndromspezifischen Skalen die Prävalenz von
Apathie, Depression und Aggressivität, sowie die Psychopharmakagabe in definierten Tagesdosen (DDD) bei 326 demenzkranken
Bewohnern erfasst wurde.
Diskussion / Ergebnisse: Über 90 % der demenzkranken Bewohner litten an Verhaltenssymptomen, am häufigsten an Apathie
(80 % der Bewohner). 52,1 % der demenzkranken Bewohner erhiel-
ten Neuroleptika, 29,4 % Antidepressiva, und 16,6 % Antidementiva. Demenzpatienten mit Depression und Apathie wurden genauso
häufig mit Neuroleptika behandelt wie Demenzpatienten mit Aggressivität (p = .68).Bei der Behandlung von Verhaltenssymptomen
bei Demenz werden differenzialtherapeutische Aspekte offenbar
wenig beachtet. Die nicht indikationsgerechte Verschreibung von
Neuroleptika kann Patienten einem erhöhten Risiko schwerer unerwünschter Wirkungen und einer erhöhten Mortalität aussetzen.
Leitlinien für die Behandlung von Verhaltensstörungen sind im
deutschsprachigen Raum in Vorbereitung; ihre Implementierung
im klinischen Alltag erscheint angesichts der hier vorgestellten
Datenlage notwendig.
Freitag, 27. 11. 2009, 08.30 – 10.00 Uhr, Saal 2
S-089 Symposium
Versorgung und Kosten der Demenz
Vorsitz: H. van den Bussche (Hamburg), W. Maier (Bonn)
001
Lebens- und Betreuungsqualität in deutschen Pflegeheimen: Empirische Ergebnisse
Martina Schäufele (ZI für Seelische Gesundheit, Arbeitsgruppe Psychogeriatrie, Mannheim)
L. Köhler, S. Weyerer
Einleitung: Das Bild von Pflegeheimen in der Öffentlichkeit ist von
Unterversorgung und Betreuungsmissständen geprägt. Ohne auf
eine breitere empirische Datenbasis zu rekurrieren zu können, bezieht sich die mediale Berichterstattung meistens auf Einzelfälle.
Ziele: Ziel war es, erstmals in Deutschland auf der Grundlage einer
repräsentativen Stichprobe Indikatoren der Lebens- und Betreuungsqualität der Pflegeheimbewohnerschaft zu untersuchen, wobei
insbesondere auf Menschen mit Demenz fokussiert werden sollte.
Methode: Die Studie war Teil des Forschungsverbundes Möglichkeiten und Grenzen selbständiger Lebensführung in Einrichtungen
der Altenhilfe (MuG IV). Die Untersuchungsstichprobe wurde mittels eines mehrstufigen Zufallsverfahrens aus einer bundesweiten
Repräsentativstichprobe von 609 vollstationären Pflegeheimen
(Erhebung durch TNS Infratest Sozialforschung) gezogen. Hauptuntersuchungsinstrument war ein standardisiertes bewohnerbezogenes Pflege- und Verhaltensassessment (PVA), das durch qualifizierte Pflegekräfte bearbeitet wurde. Das PVA umfasst u. a. ein
Screening für Demenz, Aspekte der ärztlichen Versorgung und Indikatoren der Lebensqualität – QOL (freiheitseinschränkende
Maßnahmen- FEM, positive Aktivitäten und Gefühlsausdruck).
Diskussion / Ergebnisse: Von der Bewohnerschaft in den 58 untersuchten Pflegeheimen (N= 4481, Durchschnittsalter: 82,6 Jahre,
78 % Frauen) waren dem Screening nach 68,6 % (95 % CI:
67,2-70,0) von einem Demenzsyndrom betroffen. Insgesamt war
für nur rund 56 % der im Screening positiven Personen eine ärzt­
liche Demenzdiagnose dokumentiert. Nur rund ein Drittel der Demenzkranken wurde durch einen Psychiater / Neurologen behandelt (11 % nahmen Antidementiva ein; 65 % Psychopharmaka bzw.
Hypnotika und Sedativa). Die Ergebnisse weisen insgesamt auf
Defizite in der fachärztlichen und in der Palliativersorgung der
Demenzkranken hin. Demenz und neuropsychiatrische Symptome
waren mit einer signifikant verminderten Lebensqualität assoziiert
(höhere Rate von FEM, weniger positive Aktivitäten und Gefühlsausdruck). Mehrebenenanalysen zufolge waren auch institutionelle
Merkmale (gerontopsychiatrische Qualifikation des Personals, spezielle Demenzwohnbereiche) mit einer höheren QOL verknüpft.
17
Topic 1 G Organische psychische Störungen, Demenz, F0 // Organic mental disorders, dementia, F0
Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse ergaben im Hinblick auf die
Lebens- und Betreuungsqualität der Bewohnerschaft mit Demenz
eine große Varianz zwischen den Heimen und weisen auf Maßnahmen hin, durch die diese Qualitätskomponenten gefördert werden
können.
002
Inanspruchnahme ambulanter Gesundheitsleistungen demenziell
Erkrankter im Jahr vor und nach Diagnosestellung
Hendrik van den Bussche (UKE, Institut für Allgemeinmedizin,
Hamburg)
003
Stadienspezifische Kosten der Demenz: Ein systematischer Literaturüberblick
Hans-Helmut König (Universität Leipzig, Gesundheitsökonomie)
W. Quentin, M. Luppa, A. Rudolph, S. G. Riedel-Heller
Einleitung: In diesem systematischen Literaturreview wurden
Krankheitskostenstudien aus Europa und Nordamerika analysiert,
in denen die Kosten von Demenzerkrankungen pro Patient in unterschiedlichen Krankheitsstadien berichtet wurden.
Methode: Es wurde eine systematische Literaturrecherche in elek­
tronischen Datenbanken durchgeführt. Die identifizierten Studien
wurden nach verschiedenen Kostendeterminanten klassifiziert. Die
Ergebnisse wurden in USD-Kaufkraftparitäten (2006) umgerechnet und differenziert nach Kosten der formellen und informellen
Versorgung in den Krankheitsstadien der leichten, mäßigen und
schweren Demenz dargestellt.
Diskussion / Ergebnisse: Es wurden 28 Studien analysiert, die ein
breites Methodenspektrum aufweisen. Für das Stadium der schweren Demenz wurden mehr als doppelt so hohe Kosten angegeben
wie für die leichte Demenz. Die Struktur und Höhe der berechneten Kosten sind primär abhängig von den Studienzielen (Gesamtkostenansatz vs. Inkrementalkostenansatz), der Wohnsituation der
Patienten (zu Hause vs. in Pflegeeinrichtungen lebend) und der Berücksichtigung der informellen Versorgung. Zusammenfassend
kann festgestellt werden, dass die Schwere der Erkrankung einen
bedeutenden Einfluss auf die Krankheitskosten hat. Dennoch müssen bei der Ergebnisbeurteilung die individuellen Charakteristika
der einzelnen Studien sorgfältig in Betracht gezogen werden.
Freitag, 27. 11. 2009, 08.30 – 10.00 Uhr, Salon 13 / 14
S-107 Symposium
KNDD-Symposium: Epidemiologie und Risikofaktoren der Demenz – Ergebnisse der German Study on Ageing, Cognition and
Dementia in Primary Care Patients (AgeCoDe)
Vorsitz: H. Kaduszkiewicz (Hamburg), F. Jessen (Bonn)
001
Risiko- und Protektionsfaktoren der Demenz
Horst Bickel (TU München, Psychiatrie und Psychotherapie)
Einleitung: Die frühzeitige Identifikation von Risikogruppen für
Demenzerkrankungen kann gezielte Interventionsmaßnahmen ermöglichen. Ziel der Studie war es, einfach zu erhebende Frühindikatoren für die Entwicklung von Demenzen zu ermitteln und die
prognostische Validität eines daraus gebildeten Risikoscores zu bestimmen.
Methode: In sechs großstädtischen Zentren Deutschlands wurde
in insgesamt 138 Allgemeinpraxen eine Zufallsstichprobe von über
75jährigen Patienten gezogen. Die Patienten wurden initial und
18
zweimal im Abstand von jeweils 18 Monaten mit einem umfangreichen strukturierten Forschungsinterview untersucht. Das Interview schloss u. a. eine kognitive Testbatterie und Fragen zur subjektiven Gedächtnisbeeinträchtigung ein. Der Hausarzt schätzte den
Grad der kognitiven Beeinträchtigung anhand der Global Deterioration Scale ein, dokumentierte die Vorerkrankungen und entnahm
eine Blutprobe zur Bestimmung genetischer Risikofaktoren. Demenzen wurden nach den Kriterien von DSM-IV diagnostiziert.
Aus den demographischen Merkmalen und den präklinischen
kognitiven Leistungsvariablen wurde mittels Cox-Regression ein
Risikoscore für inzidente Demenz gebildet. Zusätzlich wurde geprüft, ob der APOE-Genotyp und die dem Hausarzt bekannten
Vorerkrankungen nach Adjustierung für den Risikoscore unabhängig zur Vorhersage einer Demenz beitragen.
Diskussion / Ergebnisse: Die Stichprobe bestand aus 3.202 initial
nicht-dementen Teilnehmern. Innerhalb von 8.665 Personenjahren
unter Risiko entwickelten sich 217 neue Fälle von Demenz. Die
jährliche Inzidenzrate betrug 2,5 %. Der Risikoscore setzte sich aus
dem Alter, dem Bildungsstand, der allgemeinen kognitiven Lei­
stung, dem verzögerten Abruf beim Wortlistenlernen, der verbalen
Flüssigkeit, der subjektiven Gedächtnisbeeinträchtigung und der
Einschätzung der kognitiven Leistungsfähigkeit durch den Hausarzt zusammen. In den ersten drei Quartilen des Risikoscores belief
sich die über 36 Monate kumulierte Inzidenz von Demenzen auf
Werte zwischen 0,7 und 3,5 %, während sie im vierten Quartil 23 %
betrug. Der APOE-Polymorphismus und einige vorbestehende Erkrankungen (Diabetes mellitus, Lebererkrankung, Niereninsuffi­
zienz und Schlaganfall) erwiesen sich als unabhängige Risikofak­
toren, die das Demenzrisikos zusätzlich erhöhten. Die Resultate
zeigen, dass mit relativ einfach zu erhebenden Merkmalen ältere
Allgemeinpraxispatienten mit hohem und mit geringem Demenzrisiko voneinander abgegrenzt werden können.
002
Subjektive Gedächtnisstörungen als Prädiktor einer Demenz
Frank Jessen (Universitätsklinikum Bonn, Psychiatrie und Psychotherapie)
Einleitung: Das subjektive Gefühl der Gedächtnisverschlechterung
bei intakter kognitiver Leistung gewinnt zunehmend an Bedeutung
im Rahmen der Früherkennungs- und Risikofaktor Forschung von
Demenzerkrankungen.
Methode: Im Rahmen der AgeCoDe Studie wurde die Prädiktion
von Demenz und den Subtypen Alzheimer Demenz und vaskuläre
Demenz durch subjektive Gedächtnisstörungen in einer Allgemeinarzt Kohorte über 75 Jahren über einen Zeitraum von drei
Jahren untersucht. Es wurden insgesamt 2.423 Personen mit kognitiver Normleistung eingeschlossen.
Diskussion / Ergebnisse: Subjektive Gedächtnisstörungen zur Base­
line waren mit einem erhöhten Risiko (HR:1.8) für eine Demenz
und im speziellen einer Alzheimer Demenz (HR:3.0) im Verlauf
assoziiert. Diese Risiken verdoppelte sich, wenn die Gedächtnisbeschwerden dem Probanden Sorgen bereiteten. Das Risiko für eine
Demenz bzw. eine Alzheimer Demenz wurde weiterhin deutlich
erhöht, wenn einer subjektiven Störung bei Baseline eine leichte
kognitive Störung bei der ersten Verlaufsuntersuchung folgte. Eine
subjektive Gedächtnisstörung bei Baseline gefolgt von einer amne­
stischen leichten kognitiven Störung bei der ersten Verlaufsuntersuchung war mit einer hohen Risiko (OR: 60.3) für eine Alzheimer
Demenz bei Verlaufsuntersuchung 2 assoziiert. Die longitudinale
Definition von subjektiven und objektiven Gedächtnisstörungen
erhöht die Voraussagekraft bzgl. Demenz deutlich im Vergleich zu
einer querschnittlichen Definition.
Topic 1 G Organische psychische Störungen, Demenz, F0 // Organic mental disorders, dementia, F0
003
Leichte kognitive Beeinträchtigungen: Prävalenz, Inzidenz und
Risikofaktoren
Steffi G. Riedel-Heller (Universität Leipzig, Klinik für Psychiatrie
Public Health)
T. Luck, S. Weyerer, H. Bickel, H.-H. Abholz, H. van den Bussche,
B. Wiese, W. Maier
Einleitung: Personen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen
(Mild Cognitive Impairment, MCI) haben eine erhöhtes Risiko an
einer Demenz zu erkranken. Da meisten älteren Menschen in
Deutschland sind in hausärztlicher Behandlung, kommt Hausärzten eine Schlüsselposition bei der Früherkennung und der Einleitung von Interventionen zu. Die vorliegende Arbeit berichtet über
Prävalenz, Inzidenz und Risikofaktoren von MCI in einer großen
prospektiven multizentrischen Hausarztkohorte.
Methode: Die Datenerhebung erfolgte im Rahmen der Baselineund den ersten beiden Follow-up-Untersuchungen (nach 1,5 und
3 Jahren) der German Study on Ageing, Cognition and Dementia
in Primary Care Patients (AgeCoDe). Zu den Erhebungszeitpunkten wurden mit 3.327 Hausarztpatienten im Alter von mindestens
75 Jahren strukturierte klinische Interviews im häuslichen Setting
durchgeführt. Die ermittelten Prävalenzraten basieren auf dem
prozentualen Anteil kognitiv leicht beeinträchtigter Personen unter
allen nicht dementen Studienteilnehmern zu Baseline. Die Berechnung der Inzidenz erfolgte bezogen auf die Personenjahre unter
Risiko. Mögliche Risikofaktoren wurden mittels multivariater logistischer Regressionsmodelle identifiziert.
Diskussion / Ergebnisse: Leichte kognitive Beeinträchtigungen sind
unter älteren Hausarztpatienten häufig. Die Prävalenz von MCI zur
Baseline betrug 15,4 % (95 %-KI = 14,1 – 16,6). Von den zur Baseline kognitiv unbeeinträchtigten Hausarztpatienten entwickelten
im Follow-up-Zeitraum 350 eine MCI (Personenjahre = 6.198,20).
Die entsprechende Inzidenz pro 1.000 Personenjahren betrug 56,5
(95 %-KI = 50,7 – 62,7). Höheres Alter (85+ Jahre), das Vorhandensein eines ApoE ε4 Allels, vaskuläre Erkrankungen sowie die subjektive Angabe von Gedächtnisbeeinträchtigungen wurden als
Risikofaktoren für inzidente MCI identifiziert. Die Relevanz von
vaskulären Risikofaktoren unterstreicht die Notwendigkeit und
Möglichkeit präventiver Interventionen in diesem Bereich.
004
Motivationale und kognitive Reservekapazität als Risikofaktor in
der Entwicklung einer leichten kognitiven Beeinträchtigung und
Alzheimer-Demenz
Simon Forstmeier (Universität Zürich, Psychologisches Institut)
A. Maercker, W. Maier, H. van den Bussche, S. Riedel-Heller, H.
Kaduszkiewicz, M. Pentzek, S. Weyerer, H. Bickel, B. Wiese, M. Wagner
Einleitung: Motivationale Fähigkeiten im mittleren Lebensalter
sind mit psychischer und körperlicher Gesundheit assoziiert. Ihr
Zusammenhang mit dem Risiko einer leichten kognitiven Beeinträchtigung (MCI) und Alzheimer-Demenz (AD) wurde jedoch
bisher noch nicht untersucht.
Methode: Die Beziehung zwischen motivationalen Fähigkeiten und
MCI- bzw. AD-Risiko wurde mit Daten der AgeCoDe-Studie untersucht. Insgesamt 3327 nicht-demente Personen über 75 Jahren
wurden über Hausärzte rekrutiert und zweimal wieder untersucht
(Follow-up nach 1,5 und 3 Jahren). Motivationale Fähigkeiten des
mittleren Lebensalters wurden auf der Basis des Hauptberufes und
unter Benutzung der Datenbank des Occupational Information
Network (O*NET) geschätzt, welche detaillierte Informationen
über Fähigkeiten in jedem Beruf enthält. Cox Proportional-­HazardModelle wurden verwendet, um das relative Risiko einer MCI und
AD zu bestimmen. Eine Vielzahl von weiteren potentiellen Risikofaktoren wurde kontrolliert.
Diskussion / Ergebnisse: Bis zum Follow-up II entwickelten 313 Per­
sonen eine MCI und 71 eine AD. Motivationale Fähigkeiten sind
mit einem reduzierten MCI-Risiko verbunden (Hazard Risiko
[HR], 0.78; 95 % CI, 0.65 – 0.93), auch wenn alle weiteren poten­
tiellen Risikofaktoren kontrolliert werden. Die Beziehung zwischen
motivationalen Fähigkeiten und der Inzidenz von AD ist weniger
eindeutig. Nur in ApoE4-Trägern zeigen sich motivationale Fähigkeiten als Prädiktoren eines reduzierten AD-Risikos (HR, 0.48; CI,
0.25 – 0.91), nicht jedoch in Nicht-Trägern (HR, 0.99; CI, 0.65 – 1.53).
Freitag, 27. 11. 2009, 17.15 – 18.45 Uhr, Salon 21
S-138 Symposium
Klinische Studien bei der Alzheimer Demenz: Aktuelle Diskussion
und Innovationen
Vorsitz: F. Jessen (Bonn), H. Hampel (Dublin, Irland)
001
Was sind patienten- und nutzenrelevante Endpunkte in klinischen
Studien zur Alzheimer Demenz ?
Michael Hüll (Universitätsklinik Freiburg, ZGGF)
Einleitung: Nutzen ist der subjektiv erfahrbare Wert einer Intervention – und somit ein Werturteil, welches von vielen Voraussetzungen abhängt. Verschiedenste Endpunkte werden in Studien zur
Alzheimer Demenz erhoben. Sogenannte Surrogatmarker, zum
Beispiel die Hirnatrophie mittels Kernspintomographie gemessen
oder das Amyloidprotein im Liquor, lassen sich technisch leicht objektiv quantifizieren. Obwohl diese Marker extrem wichtig für die
Entwicklung von Therapien im Sinne eines „Proof of Principle“
sind, kann aus diesen Endpunkten nicht auf den Nutzen geschlossen werden. Drei klinische Endpunkte, Veränderungen der Kognition, Veränderungen der Aktivitäten des täglichen Lebens und Verbesserung des klinischen Eindrucks werden zumeist in Studien zur
Alzheimer Demenz in Übereinstimmung mit den Forderungen der
Zulassungsbehörden European Medicines Agency (EMEA, für
Europa) und Food and Drug Administration (FDA, für die USA)
erhoben.
Methode: Mit Blick auf den Patientennutzen hob von diesen drei
Endpunkten das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) die alltagspraktischen Fähigkeiten ganz
in den Vordergrund, während es den klinischen Eindruck nur als
zusätzliche Information wertete. Dies folgt der Wahrnehmung von
Betroffenen und Angehörigen, die einen Erhalt der Fähigkeiten als
hohen Nutzen sehen. Der Nutzen einer Therapie kann sich auch
für verschiedene Krankheitsstadien der Alzheimer Demenz anders
darstellen. Während in den mittleren Phasen, den Phasen in denen
die meisten Zulassungsstudien durchgeführt wurden, sicherlich die
Veränderungen der alltagspraktischen Fähigkeiten die größte Rolle
spielen, können in frühen Phasen kognitive Effekte und in späteren
Phasen Effekte auf Agitation und Aggression eine höhere Priorität
haben.
Diskussion / Ergebnisse: Die krankheitsbezogene Lebensqualität
wird bei verschiedenen Erkrankungen als wichtigste nutzenrelevanten Kennzahl ermittelt, in der der betroffene Patient basierend
auf vielen Veränderungen in unterschiedlichen Teilaspekten sein
Werturteil abgibt. Da aufgrund der Natur der Alzheimer Demenz
eine Befragung der Patienten zu ihrer Lebensqualität sehr erschwert
ist, müssen entsprechende Instrumente noch demenzstadiengerecht
entwickelt werden.
19
Topic 1 G Organische psychische Störungen, Demenz, F0 // Organic mental disorders, dementia, F0
002
Biomarker- und Surrogatemarker in klinischen Studien bei Alz­
heimer Demenz: Unter welchen Umständen können sie aus Sicht
der Regulatoren klinische Endpunkte ersetzen?
Karl Broich (BfArM, Bonn)
L. Rems
Für eine Vielzahl von Erkrankungen werden klinische Prüfungen
zum Nachweis der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels durchgeführt, die eine große Anzahl von Patienten und
oft eine sehr lange Beobachtungszeit erfordern bis die präspezifizierten harten klinischen Studienendpunkte eine abschliessende
Nutzen-Schaden-Bewertung aus regulatorischer Sicht ermöglichen.
Diesen methodischen Anforderungen steht das Bemühen gegenüber, den Patienten möglichst frühzeitig neue Therapieoptionen zu
eröffnen, dies gilt gerade auch bei der Alzheimer-Demenz. In den
letzten Jahren ist dadurch das Interesse bei allen an der Arzneimittelentwicklung beteiligten Akteuren gestiegen, durch den breiteren
Einsatz von Biomarkern die Arzneimittelentwicklung und die Zeit
bis zur Zulassung zu verkürzen. Der Einsatz von Biomarkern und
die Bewertung so gewonnener Studienergebnisse im Rahmen der
Arzneimittelentwicklung ist dabei für Regulatoren nicht neu, sie
werden schon heute z. B. zur besseren Charakterisierung von Stu­
dienpopulationen, in „proof of concept“-Studien oder zur Dosisfindung eingesetzt. In konfirmatorisch angelegten Studien zum
Nachweis von Wirksamkeit und Sicherheit eines Arzneimittels
gründen Zulassungsbehörden ihre Bewertung aber wenn möglich
grundsätzlich auf klinisch etablierte und für die Behandlung eines
Patienten relevante Studienendpunkte, wenn dies mit einem vertretbaren Aufwand möglich und erreichbar ist. Eine Arzneimittelzulassung basierend auf einem Biomarker als Surrogatendpunkt
für den harten klinischen Endpunkt stellt daher zwar weiterhin
eher die Ausnahme dar, andererseits unterstützen aber auch die
Zulassungsbehörden Aktivitäten, die erforderlichen methodischen
Fortschritte zu initiieren und Biomarker als mögliche Surrogatendpunkte für konfirmatorisch angelegte klinische Prüfungen weiter­
zuentwickeln (z. B. „innovative drug development activities“ der
EMEA-Think-Tank Group; „critical path initiative“ der FDA). Der
regulatorische Kontext zum Einsatz von Biomarkern als Surrogat­
endpunkt in klinischen Prüfungen, deren Definition und deren
mögliche Vor- und Nachteile wird speziell am Beispiel der Alzheimer-Demenz dargelegt.
003
Biologische Blut und Liquor-Marker für die Alzheimer Krankheit:
Anwendung in klinischen Studien / Alzheimer’s disease biomarkers
from blood and CSF: implementation in clinical treatment trials
Harald Hampel (Discipline of Psychiatry, Trinity Center for Health
Sci., Dublin, Irland)
Introduction: The pathophysiologic process of Alzheimer‘s disease
(AD) is thought to begin long before symptoms develop. Existing
therapeutics improve symptoms, but increasing efforts are being
directed toward the development of therapies to impede the pathologic progression. Although these medications must ultimately demonstrate efficacy in slowing clinical decline, there is a critical need
for biomarkers that will aid early preclinical and clinical detection
and patient characterisation, stratify pre-clinical and clinical pa­
tient populations for trials, indicate whether a candidate diseasemodifying therapeutic agent is actually altering the underlying degenerative process. Knowledge of AD is rapidly advancing, thus the
NINCDS-ADRDA criteria diagnostic criteria currently used may
need revision and updating. Whereas sensitivity has been shown
very good to excellent, specificity has been much lower. Revised
criteria are being suggested by the field and discussed in the APA
DSM-V and WHO ICD-11 working groups. In particular, the implementation of neurobiological criteria to the classical descriptive
20
symptomatic criteria may aid to earlier and more accurate characterisation of AD patients.
Discussion / Results: Neurobiological measures derived from blood,
plasma and CSF closely related to pathophysiological, neuropathological and clinical data, such as microvasculature regulat­ing pro­
tein dysbalance, hyperphosphorylation of tau protein, the amyloidogenic pathway will be discussed with emphasis on their current
implementation in AD treatment trials. As this work has con­
siderably matured, it has become clear that biomarkers may serve a
variety of clinical functions in an early clinical, pre-clinical, presymptomatic detection of patients. There is an urgent need for a
harmonized collaborative effort between stakeholders in academic
research, industry and regulatory authorities for the establishment
of worldwide standards and networks for the identification and validation of biomarker candidates. Qualified biomarkers in clinical
trials are needed to monitor safety, enrich the population of responders and provide pre-symptomatic surrogate and efficacy measures
for labeling as „disease modifiers“.
004
Neue Bildgebungsverfahren zum Therapiemonitoring und Re­
sponsprädiktion bei Alzheimer Demenz
Frank Jessen (Universitätsklinikum Bonn, Psychiatrie und Psychotherapie)
Ein Surrogatemarker im Rahmen der Therapieentwicklung der
Alzheimer Krankheit sollte mit der durch die Therapie erreichten
klinischen Veränderung korrelieren und den Behandlungserfolg
voraussagen. Aus dem Bereich der bildgebenden Verfahren sind
die strukturelle MRT, FDG-PET und Amyloid-PET Kandidaten für
Surrogatemarker. Darüber hinaus sind biochemische Veränderungen, gemessen mit der MR-Spektroskopie und Blutflussveränderungen gemessen mit der Arterial Spin Labeling (ASL) MRT sensitiv für Behandlungseffekte. In dem Beitrag wird ein Überblick über
den aktuellen Stand der der genannten Verfahren in der Therapieforschung zur Alzheimer Demenz gegeben.
Samstag, 28. 11. 2009, 08.30 – 10.00 Uhr, Saal Hong Kong
S-142 Symposium
Ergebnisse der Langzeitbeobachtungen von Diagnostik- und Therapiestudien
Vorsitz: I. Heuser (Berlin), J. Kornhuber (Erlangen)
001
Neurochemische Frühdiagnostik kognitiver Störungen im Liquor
Jens Wiltfang (Universität Duisburg-Essen, Psychiatrie und Psychotherapie)
Für die Entwicklung dringend benötigter krankheitsmodifizierenden Ansätze für die Therapie der Alzheimer Demenz (AD), gewinnt eine präklinische Positivdiagnostik der drohenden AD zunehmend an Bedeutung. Bei entsprechend früher Behandlung
könnten sich die Therapieerfolge der AD, die mehrere Jahre vor
Auftreten des vollen demenziellen Syndroms bereits präklinisch
molekular-diagnostisch nachweisbar ist, entscheidend verbessern.
In diesen frühen präklinischen Stadien ist der irreversible Neuronenverlust noch vergleichsweise gering. Neurochemische Korrelate
der molekularen Pathophysiologie der AD sind erhöhte Konzentrationen von Tau und seinen phosphorylierten Formen (p-tau) sowie
erniedrigte Aβ1-42 Konzentration im lumbalen Liquor, die in zahlreichen multizentrischen Studien bei mehreren tausend Patienten
die Diagnosestellung der AD signifikant unterstützen konnten, wo-
Topic 1 G Organische psychische Störungen, Demenz, F0 // Organic mental disorders, dementia, F0
bei Sensitivitäten und Spezifitäten von 80 % – 90 % erreicht wurden.
Entsprechend wurden die Liquorkonzentrationen dieser Biomarker zwischenzeitlich als supportives Merkmal für die klinischen
Forschungskriterien der AD vorgeschlagen. Auch zeichnen sich
erste Ansätze einer Blut-basierten neurochemischen Demenzdiagnostik ab, die allerdings erst in unabhängigen Multizenter-Studien
validiert werden müssen. Die Liquor-basierte Neurochemische
Demenzdiagnostik (CSF-NDD) kann bereits heute einen entscheidenden Beitrag zur prädiktiven Diagnose prodromaler Stadien der
AD leisten. Insbesondere bei Patienten im Stadium einer Leichten
Kognitiven Störung (Mild Cognitive Impairment, MCI) kann das
Vorliegen einer AD mindestens 4 – 6 Jahre vor Manifestation des
vollen Demenzsyndroms durch eine entsprechende Biomarkerkonstellation im Liquor angezeigt werden. Im Sinne einer präklinischen Diagnose können hier MCI-Patienten identifiziert werden,
die ein erhöhtes Risiko haben, im weiteren Verlauf eine Demenz zu
entwickeln. Ab-Peptidspezies und Tauproteine sind aber mehr molekulare „trait marker“ der Alzheimer-Krankheit als „state marker“
der Alzheimer-Demenz. Entsprechend fehlen neurochemische Demenzmarker, die gut mit dem Schweregrad der Demenzerkrankung korrelieren, und daher auch für ein Monitoring von neuroprotektiven Therapieansätzen einsetzbar wären.
002
MR-Spektroskopie für die Verlaufsprädiktion von MCI und Demenz
Frank Jessen (Universitätsklinikum Bonn, Psychiatrie und Psychotherapie)
Mit MR-Spektroskopie können neurochemische Metaboliten bei
Menschen gemessen werden. Im Rahmen des Kompetenznetzes
Demenzen wurde erstmalig eine große Multizenterstudie mit diesem Verfahren bei Patienten mit MCI und Demenz durchgeführt.
Es werden hieraus Daten zur Querschnittsuntersuchung, zur Assoziation mit CSF Markern für die Alzheimer Demenz sowie zu Verlaufsmonitoring und prädiktion vorgestellt.
eine wichtige Rolle bei der Darstellung sekundärer Endpunkte und
Surogatendpunkte für die Unterscheidung symptomatischer und
krankheitsmodifizierender Therapieeffekte im Rahmen klinischer
Studien zukommen. Eine Anwendung der Verlaufs-MRT im Rahmen der klinischen Routineuntersuchung erscheint demgegenüber
gegenwärtig noch nicht etabliert. Diese Anwendung würde aber
dann von großer Relevanz sein, wenn zukünftig krankheitsmodifizierende Therapieeffekte zur Verfügung stehen, deren Wirksamkeit
aber auch Nebenwirkungen individuell überprüft werden müssen.
004
Kombinierte antidementive Therapie bei MCI und Alzheimer
Demenz
Oliver Peters (Charité Berlin, CBF, Klinik für Psychiatrie)
Für die auf die Verbesserung kognitiver Fähigkeiten abzielende,
symptomatische Behandlung der Alzheimer Erkrankung stehen
gegenwärtig zwei Substanzklassen mit unterschiedlichen Wirk­
mechanismen zur Verfügung: Die Acetylcholinesterase-Hemmer
(AChE-Inh.) und der NMDA-Rez. Antagonist Memantine. In zwei
randomisierten, multizentrischen Studien hat die Therapieplattform des Kompetenznetzes Demenzen untersucht, ob bei zuvor
unbehandelten Patienten der gleichzeitige Einsatz von Galantamin
(Reminyl) und Memantine (Axura) einer Monotherapie mit Galantamin überlegen ist. Behandelt wurden Alzheimer Patienten (ADKombi Studie) und Probanden mit einer leichten kognitiven Störung (MCI, mild cognitive impairment) die ein erhöhtes Risiko
haben an Alzheimer zu erkranken (MCI-Kombi Studie). Der Vortrag faßt die umfangreichen Ergebnisse aus beiden Studien zusammen.
Freitag, 27. 11. 2009, 17.15 – 18.45 Uhr, Saal Prag
WSy-012 Weiterbildungssymposium
003
MR-Volumetrie für die Verlaufsprädiktion von MCI und Demenz
Demenzen
Stefan Teipel (Psychiatrische Klinik, Rostock)
T. Meindl, W. Koch, H. Hampel
Einleitung: Derzeit stehen symptomatische Therapieansätze für
die Behandlung demenzieller Erkrankungen zur Verfügung. Für
Medikamente zur Prävention des Auftretens einer Demenz bei klinischen Risikopersonen mit leichter kognitiver Störung (MCI) liegen derzeit keine Wirksamkeitsnachweise vor. Biologische Marker
werden in Zukunft eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung
krankheitsmodifizierender und präventiver medikamentöser Therapieverfahren spielen. Bereits heute dienen strukturelle Marker
wie Gesamthirnvolumen oder Volumen des Hippocampus als sekundäre Endpunkte in klinischen Studien.
Methode: Neben Verfahren der Messung einzelner Parameter wie
Gesamthirnvolumen oder Hippocampusvolumen werden in Zukunft multivariate Analysen von hochdimensionalen Datensätzen
eine zunehmende Rolle bei der Darstellung der Krankheitsprogression und bei der Abbildung von Therapieeffekten einnehmen.
Hierzu gehören Verfahren des deformationsbasierten Morphome­
trie in Kombination mit dimensionsreduzierenden Verfahren aus
dem Bereich der Hauptkomponentenanalyse oder selbstlernender
neuronaler Netze. Ergänzend zur volumetrischen MRT kann das
Diffusionstensor-Imaging (DTI) die Integrität der intrakortikalen
Faserverbindungen als wesentliche Determinante kortikaler Konnektivität abbilden. Erste Daten deuten auf einen möglichen Nutzen der DTI für die Darstellung von Krankheitsprogression und
Behandlungseffekten bei der Alzheimer Krankheit hin.
Diskussion / Ergebnisse: Bereits in naher Zukunft wird der MRT
Vorsitz: H. Förstl (München), J. Wiltfang (Essen)
001
Demenzdiagnostik
Jens Wiltfang (Universität Duisburg-Essen, Psychiatrie und Psychotherapie)
Einleitung: Mit Blick auf die Entwicklung erster kausal orientierter
Behandlungsverfahren für die Alzheimer Demenz (AD) gewinnt
die differentielle und frühzeitige Diagnose verschiedener Demenzsyndrome zunehmend an Bedeutung. Nach aktuell revidierten
Leitlinien kann die Diagnose der AD durch eine Kombination aus
klinischer Untersuchung, neuropsychologischer Testung sowie
Biomarkern im Liquor oder struktureller bzw. funktioneller Bild­
gebung anhand typischer Befunde gestellt werden.
Methode: Diagnostisch eingesetzt wird hier zur Demenzdiagnostik
die Bestimmung von Tau, p-tau und Aβ42 im lumbalen Liquor.
Nach einer Autopsie-kontrollierten Studie ist insbesondere die diagnostische Aussagekraft der Biomarker p-tau und Aβ42 für AD im
Liquor als alleiniges Kriterium mindestens ebenso hoch einzuschätzen, wie die Kombination aus klinischer Beurteilung nach
diag­nostischen Leitlinien und cranialer Bildgebung mittels MRT.
Das gilt insbesondere für die Frühdiagnose.
Diskussion / Ergebnisse: Hier bieten krankheitstypische Veränderungen der Biomarker p-tau und Aβ42 bei Patienten im prodromalen Stadium der Leichten Kognitiven Störung (Mild cognitive impairment, MCI) die Möglichkeit, die Demenzentwicklung 4 – 6 Jahre
vorherzusagen. Dadurch ist es möglich Patienten mit MCI zu iden-
21
Topic 1 G Organische psychische Störungen, Demenz, F0 // Organic mental disorders, dementia, F0
tifizieren, die ein besonders hohes Risiko tragen, im Verlauf eine
AD zu entwickeln. Behandlungsansätze im Sinne einer Sekundäprävention der Demenzentwicklung bei der Alzheimer Krankheit
können somit wesentlich zielgerechter geprüft werden, als bisher.
Zusätzlich existieren inzwischen Befunde über krankheitsspezifische Verteilungsmuster verschiedener Formen von Aβ Peptiden im
Liquor, die auf eine Frühdiagnose auch anderer Demenzsyndrome
anhand spezifischer Biomarker im Liquor hoffen lassen.
002
Nichtpharmakologische Interventionen
Bernhard Müller (Rheinische Klinken Essen, Psychiatrie und Psychotherapie)
Neben der Entwicklung pharmakologischer Interventionen bei Demenzen gewinnen nicht-pharmakologische Ansätze in der Unterstützung von Patienten mit Demenzen zunehmend an Bedeutung.
Hier soll ein Überblick über nicht-pharmakologische Interven­
tionsansätze gegeben werden. Einerseits werden kognitiv Übende
und die Patienten allgemein unterstützende verhaltenstherapeutische Ansätzen vorgestellt, andererseits sollen hier besonders die
Perspektiven von Interventionsprogrammen aufgezeigt werden,
die ihren Schwerpunkt auf kognitive Anregung und körperliche
Aktivität setzen. Daten aus tierexperimentellen Studien, Hinweise
aus retrospektiven Analysen und der Stand der Wissenschaft zu
prospektiven klinischen Studien geben vielversprechende Hinweise
auf eine klinische Wirksamkeit dieser nicht-pharmakologischen
Interventionen. Anhand des vom Bundesministerium für Gesundheit geförderten Leuchtturmprojektes Sport&Cog wird die Umsetzung einer multimodalen altersgerechten Bewegungsintervention
in einer aktuell laufenden Multicenterstudie vorgestellt.
003
Aktuelle Pharmakotherapie
Hans Förstl (TUM, Klinikum rechts der Isar, Psychiatrie und Psychotherapie, München)
Freitag, 27. 11. 2009, 15.30 – 17.00 Uhr, Saal 3
DF-009 Diskussionsforum
S3-Leitlinie Demenz
Vorsitz: W. Maier (Bonn), G. Deuschl (Kiel)
Donnerstag, 26. 11. 2009, 17.15 – 18.45 Uhr, Salon 11/12
FV-007 Sitzung Freier Vorträge
Demenz, kognitive Defizite
Vorsitz: H. Förstl (München), J. Schröder (Heidelberg)
001
Delir bei Demenz: Strukturelle Störung der cholinergen Innerva­
tion? Eine Diffusions-Tensor Studie
Stefan Kreisel (Evangelisches Krankenhaus, Bielefeld Klinik für Psychiatrie)
M. Röwekamp, M. Toepper, F. Wörmann, C. Thomas
Einleitung: Die Entstehung eines Delirs bei Patienten mit Demenz
ist multifaktoriell. Als gemeinsame pathophysiologische „End­
strecke“ wird eine Störung der cholinergen Neurotransmission eine
22
wesentliche Rolle zugeschrieben. Die cholinerge Innervation hat
ihren Ursprung u.a. in medio-basalen Anteilen des Frontalhirns,
mit Verbindungen zu distanten kortikalen Strukturen. Diese Verbindungen zeigen sich histochemisch nicht diffus, sondern anhand
umschriebener Faserbündel. Mittels Diffusions-Tensor Bildgebung
(DTI) untersuchten wir, ob Veränderungen dieser Faserbündel bei
Patienten mit Delir bei Alzheimer-Demenz vorliegen, im Vergleich
zu Alzheimer-Patienten ohne ein Delir in der Vorgeschichte.
Methode: 10 stationär wegen eines Delirs behandelte Patienten
mit einer zusätzlichen Alzheimer-Demenz (AD+D) wurden mit
10 Alzheimer-Patienten (AD) verglichen, die kein Delir in der Vorgeschichte aufgewiesen hatten. Die Diagnose eines Delirs wurde
klinisch nach DSM-IV Kriterien gestellt. Es bestanden keine Unterschiede zwischen den Gruppen hinsichtlich klinischer Parameter
wie der Demenzdauer oder –schwere. Die DTI Daten wurden mittels „tract-based spatial statistics“ (software: FSL; FMRIB, Oxford)
im Gruppenvergleich untersucht. Entsprechend histochemischer
Daten, wurde die Untersuchungsregion auf das Volumen beschränkt welches cholinerge Faserbündel aufweist. Die Untersuchung wurde durch eine voxel-basierte Morphometrie der grauen
Substanz und durch eine Messung des Hirnvolumens ergänzt.
Diskussion / Ergebnisse: Der fronto-basale Aspekt des Fasciculus
uncinatus bilateral, rechts deutlicher als links, zeigte eine signifikant niedrigere FA (p<0.05, korrigiert für multiples Testen) in
AD+D Patienten. Insgesamt zeigen sich DTI Parameter in AD+D
Patienten pathologisch verändert. Es wurden keine Gruppenunterschied hinsichtlich kortikaler Atrophie oder des Hirnvolumens gefunden. Hypothesenkongruent fand sich somit eine Pathologie in
Faserbündeln, die an der cholinergen Übertragung beteiligt sind.
In weiteren Studien wird zu prüfen sein, ob dies eine spezifische
Veränderung darstellt oder ein allgemeines Korrelat degenerativer
Veränderungen ist.
002
Bezüge zwischen Amyloid und Makrophagensystem bei Alzheimer­Demenz
Juan Manuel Maler (Universität Erlangen-Nürnberg, Psychiatrie und
Psychotherapie)
Einleitung: Charakteristisch für die neuritischen β-AmyloidPlaques bei Alzheimer Demenz ist die erhöhte Anzahl aktivierter
und mit der Plaque-Corona interdigitierender Mikrogliazellen.
Darüber hinaus finden sich Zeichen einer vermehrten Transmigration von Blutmonozyten in Plaque-Gebiete. Bis heute ist nicht ausreichend geklärt, ob Mikroglia überwiegend zur Phagozytose oder
doch eher zur Entstehung von β-Amyloid (Aβ) beiträgt.
Methode: Mit Hilfe serumfrei kultivierter humaner mononukleärer Phagozyten als Modell wurde die Sekretion von Aβ-Peptiden
unter verschiedenen Bedingungen untersucht. Mittels eindimensionalem und zweidimensionalem Aβ-SDS-PAGE / Westernimmunoblot erfolgte anschließend eine Quantifizierung und vor allem
die Abgrenzung von bis zu 30 verschiedenen Aβ-Varianten.
Diskussion / Ergebnisse: Mononukleäre Phagozyten sezernieren
in aktivitätsabhängiger Weise Aβ-Peptide. Dabei weist die Verteilung einzelner sezernierter Aβ-Varianten ein charakteristisches
Muster auf, das sich von dem in Liquor und Plasma unterscheidet.
Die Menge der sezernierten Aβ-Peptide steigt unter Stimulation
mit inflammatorischen oder mit Phagozytose-Stimuli stark an, wobei sich die Verhältnisse einzelner Aβ-Peptide zueinander stark
verschieben. Insbesondere kommt es zu einer vermehrten Sekre­
tion N-terminal trunkierter oder anderweitig posttransnational
modifizierter Aβ-Peptidvarianten. Diese Befunde deuten darauf
hin, daß Mikrogliazellen als Teil des mononukleären Phagozytensystems durchaus auch an der Bildung von β-Amyloidplaques beteiligt sein könnten. Interessanterweise sezernieren mononukleäre
Phagozyten unter Stimulation besonders solche Aβ-Peptidvarianten,
Topic 1 G Organische psychische Störungen, Demenz, F0 // Organic mental disorders, dementia, F0
deren Anteil in β-Amyloidplaques im Verlauf der Erkrankung zunimmt. Außerdem werfen diese Befunde die Frage auf, inwieweit
Verschiebungen der Anteile einzelner Aβ-Peptidvarianten zueinander für die Entstehung von β-Amyloid von Bedeutung sind.
003
Die Veränderung der cerebralen Amyloid-Ablagerungen im
Verlauf bei Patienten mit Alzheimer-Demenz
Timo Grimmer (Technische Universität München, Psychiatrische Klinik)
H. Förstl, A. Kurz, A. Drzezga
Einleitung: Pittsburgh Compound B (PiB) ist ein Radiopharmakon, das spezifisch cerebrale Amyloid-Ablagerungen misst. Alz­
heimer-Plaques bestehen überwiegend aus Amyloid und sind ein
neuropathologisches Kriterium der sicheren Alzheimer-Krankheit
(AK).
Methode: 24 Patienten mit leicht- bis mittelgradiger AlzheimerDemenz erhielten im Abstand von 25 Monaten zwei PiB-Positronen-Emissions-Tomographien (PET). Die regionalen Veränderungen im zeitlichen Verlauf und der Einfluss von Risikofaktoren auf
diese Veränderungen wurden mit Zielregionen-basierten (ROI)
und mit parametrischen (SPM8) Verfahren untersucht.
Diskussion / Ergebnisse: Im Neocortex nehmen die cerebralen
Amyloid-Ablagerungen im Mittel um 9 % zu, während in älteren
Hirnstrukturen keine Zunahme zu beobachten ist. Der Apolipoprotein E-Genotyp moduliert die Geschwindigkeit. In mit Kogni­
tion assoziierten Hirnregionen korreliert die Amyloid-Zunahme
mit der Zunahme des dementiellen Syndroms.
Schlussfolgerung: Mit der PiB-PET ist die Entwicklung der Amyloid-Pathologie bei Patienten mit AK in-vivo messbar. Die objek­
tive Messung des Verlaufs eines wesentlichen neuropathologischen
Aspekts der AK ermöglicht die Evaluation neuer Therapiestrate­
gien, die gegen Amyloid gerichtet sind. Eine Diagnose der AK in
frühen, möglicherweise sogar asymptomatischen Stadien und eine
bessere Prognose des klinischen Verlaufs, erscheint denkbar.
004
Demenzscreening bei Hochaltrigen
Gabriela Stoppe (UPK, Basel)
K. Buss, G. Stiens, S. Wolf, L. Maeck
Einleitung: Es gibt eine Reihe etablierter Screening-Instrumente
für (Alzheimer-)Demenzen. Sie wurden jedoch in der Regel nicht
bei hochaltrigen und nur selten direkt in der hausärztlichen Versorgung untersucht. Die vorliegende Studie sollte einerseits diese Forschungslücke schliessen, andererseits optimale Elemente für ein
Screening dieser Population identifizieren.
Methode: Wir stellten eine Screeningbatterie aus allen Elementen
der bekannten Tests MMSE, TFDD, DEMTECT, Uhren-Test …)
zusammen. Neun Hausarztpraxen kooperierten. Die Praxisassi­
stenten wurden trainiert, alle PatientInnen über 75 Jahre anzusprechen. Ausnahmen waren Personen mit Sprachproblemen und bereits als dement diagnostizierte. Bei Einverständnis wurde das
Screening durchgeführt. Innerhalb der nächsten Tage erfolgte eine
unabhängige neuropsychologische Untersuchung in der Gedächtnissprechstunde Göttingen. Dies umfasste etablierte Tests (CERAD-NP, WMS-R, TMT..) und Skalen (NPI, CDR..). Alle Patienten
mit CDR=0.5 wurden 1,5 Jahre später telefonisch kontaktiert.
Diskussion / Ergebnisse: N=90 Patienten (25M, 65F) nahmen teil.
Von N=54 mit CDR=0.5 konnten nur N=14 nach 1,5 Jahren noch
erreicht werden, jedoch erreichte dann keiner CDR=0. Es fanden
sich einige Korrelationen zu Bildung und Demenzschwere. Alle
etablierten Tests zeigten eine gute Effektstärke von >0.70 (MMSE,
DEMTECT, TFDD, RDST).
005
Die Korrelation der Gedächtnisleistung mit dem lokalen cerebralen Glucosestoffwechsel und der lokalen Dichte der grauen Sub­
stanz bei Patienten mit leichter kognitiver Störung (MCI)
Stefan Poljansky (Uniklinik Regensburg, Psychiatrie)
T. Schmidt-Wilke, J. Marienhagen, P. Männer, J. Hauser, G. Hajak,
B. Ibach
Einleitung: Patienten mit leichter kognitiver Störung (mild cog­
nitive impairment, MCI) weisen klinisch geringe kognitive Einschränkungen in einer oder in mehreren kognitiven Domänen auf,
jedoch ohne dass ein dementielles Syndrom vorliegt. Ziel der Studie war es, entsprechende Korrelate dieser leichten kognitiven Einschränkungen auf funktioneller und struktureller cerebraler Ebene
aufzuzeigen. Dazu wurden charakteristische Veränderungen des
physiologischen Hirnmetabolismus mittels Positronen-EmissionsTomographie (PET) und korrespondierende Veränderungen der
Hirnmorphologie mittels cerebraler Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT) dargestellt.
Methode: Bei 18 Patienten mit MCI und bei 18 alters- und geschlechtsangepassten gesunden Probanden wurde neben einer ausführlichen neuropsychologischen Testung eine cerebrale MRT
durchgeführt. Alle Patienten mit MCI wurden entsprechend der
Kriterien von Winblad et al. (2004) klassifiziert. Der cerebrale
Glucosestoffwechsel wurde bei 13 der MCI-Patienten mittels 18FFluorodesoxyglucose-PET untersucht.
Diskussion / Ergebnisse: Die Gruppe der MCI wies im Vergleich
zu den Kontrollpersonen eine geringere Dichte der grauen Sub­
stanz bilateral im medialen Temporallappen und im Gyrus temporalis inferior auf (Schmidt-Wilcke et al., Neuroimage, 2009). Die
MRT-Regressionsanalyse zeigte eine Korrelation zwischen dem unmittelbaren Abruf verbaler Gedächtnisinhalte und der Dichte der
grauen Substanz im linken perirhinalen / entorhinalen Cortex, sowie eine Korrelation zwischen dem verzögerten Abruf verbaler Gedächtnisinhalte und der Dichte der grauen Substanz im Hippocampus. Das Ausmaß eines zusätzlichen Informationsgewinns durch
die PET-Untersuchung wird diskutiert.
006
Korrelation zerebraler makro- und mikrostruktureller Verände­
rungen mit neuropsychologischer Performanz bei Patienten mit
schwerer Alkoholabhängigkeit
Andreas Konrad (Universitätsmedizin Mainz, Psychiatrie und Psychotherapie)
G. Vucurevic, M. Lorscheider, N. Bernow, M. Thuemmel, C. Chai,
K. Lieb, P. Stoeter, C. Fehr
Einleitung: Bildgebende Verfahren tragen entscheidend zur Charakterisierung der mit Alkoholabhängigkeit verbundenen pathophysiologischen Prozesse und neuranatomischen Korrelate bei.
Anhand hochauflösender Magnetresonanztomographie (MRT)
und Diffusions-Tensor-Bildgebung (DTI) konnten wir bereits ausgeprägte (mikro-)strukturelle Auffälligkeiten bei alkoholabhän­
gigen Patienten im Vergleich zu gesunden Probanden darstellen. In
der vorliegenden Studie soll gezeigt werden, inwieweit die zerebrale
Mikro- und Makrostruktur bei alkoholabhängigen Patienten mit
den Leistungen in neuropsychologischen Tests korrelieren.
Methode: Wir untersuchten N = 24 (Alter: 48.5 ± 8.6 J.) männliche
Patienten mit langjähriger schwerer Alkoholabhängigkeit und
N = 23 gesunde männliche Probanden (Alter: 47.4 ± 7.2 J.). Es wurde eine umfangreiche neuropsychologische Testbatterie durchgeführt. An einem 1,5 T Kernspintomographen wurden MPRAGESequenzen für die strukturelle MRT und EPI-Sequenzen für die
DTI akquiriert. Die strukturellen MRT Datensätze wurden anhand
der voxelbasierten Morphometrie (VBM) normalisiert, automatisiert in graue (GM) und weisse Substanz (WM) segmentiert und
geglättet. Zur DTI Datenanalyse wurden zunächst Karten der frak-
23
Topic 1 G Organische psychische Störungen, Demenz, F0 // Organic mental disorders, dementia, F0
tionalen Anisotropie (FA) berechnet, anhand der Methode TractBased Spatial Statistics (TBSS) erfolgte dann die non-lineare Regi­
strierung der FA-Datensätze und folgende Projektion auf ein „mean
FA-Skeleton“. Die VBM- und FA-Datensätze wurden dann voxelweise mit neuropsychologischen Parametern korreliert. Als Signifikanzschwelle für alle Analysen wurde p < 0.05 (korrigiert mittels
false discovery rate, FDR) gewählt.
Diskussion / Ergebnisse: In der Gruppe der alkoholabhängigen Patienten ergab sich eine signifikante Korrelation (peak voxel: t = -9.1)
zwischen FA und Performanz im Trail-Making-Test (TMT-A und
TMT-B) in präzentralen Arealen links. Diese Korrelation ließ
sich in der Gruppe der gesunden Probanden nicht darstellen. In
keiner der beiden Gruppen fanden sich signifikante Korrelationen
(p < 0.05, FDR) zwischen regionalem Hirnvolumen und Performanz in den verschiedenen neuropsychologischen Tests. Der vorliegende Befund zeigt, dass mikrostrukturelle Veränderungen der
Präzentralregion bei alkoholabhängigen Patienten mit Leistungen
psychomotorischer Performanz und Exekutivfunktionen korreliert.
Donnerstag, 26. 11. 2009, 13.30 – 15.00 Uhr, Halle 11.1
P-001 Posterpräsentation
Alzheimer
Vorsitz: A. Fellgiebel (Mainz)
001
Untersuchung genetischer Depressionsmarker bei Alzheimer
Patienten
Sönke Arlt (Universitätsklinikum Eppendorf, Psychiatrie und Psychotherapie Klinik für Psychitarie, Hamburg)
O. Geisel, B. Tharun, J. Lehmbeck, M. W. Eichenlaub, H. Jahn
Einleitung: Die Alzheimer Demenz ist häufig mit einem depressiven Syndrom assoziiert, das zu jedem Zeitpunkt während des Verlaufes der Erkrankung einsetzen kann. Die Ätiologie der Depressivität bei der Alzheimer Demenz ist bisher nicht aufgeklärt, aber
eine biologisch-organische Komponente, die durch genetische
Risikofaktoren beeinflusste wird, erscheint plausibel.
Methode: Um einen möglichen Zusammenhang zwischen genetischem Risiko und Depressivität bei der Alzheimer Demenz aufzuklären, haben wir in einer Querschnittsuntersuchung acht gene­
tische Polymorphismen (MAO-A VNTR, ACE, 5-HTT, COMT,
BDNF, TPH-1 A218C, 5HTR2a, P2RX7, FKBP5 und CRHR1), für
die in der Literatur eine Assoziation mit depressiver Symptomatik
beschrieben wird, an einem Gesamtkollektiv von n=246 Patienten
(89 männlich, 157 weiblich) mit klinisch gesicherter Alzheimer
Demenz bestimmt und in Relation zum Vorliegen einer Major Depression nach DSM-IV untersucht.
Diskussion / Ergebnisse: Es ergab sich insgesamt ein Vorliegen einer Major Depression bei 17,8 % der Patienten (16,8 % männlich,
18,4 % weiblich). Im Gesamtkollektiv fand sich kein signifikanter
Zusammenhang zwischen den verschiedenen genetischen Markern
und dem Vorliegen einer depressiven Störung. Bei einer nach Geschlecht getrennten Auswertung fand sich bei Frauen ein Zusammenhang zwischen dem häufigeren Auftreten des MAO-A VNTR
Low Activity-Allels und Depressivität (p= 0,04) und einem häufi­
geren Vorkommen des TPH-1 A218C C-Allels im Vergleich zum
Auftreten des A-Allels (p=0,008) bei depressiven Patientinnen,
während dieser Zusammenhang bei Männern nicht zu finden war.
Nach den Ergebnissen dieser Untersuchung zeigte sich ein möglicher Einfluss von zwei genetischen Polymorphismen auf Depressi-
24
vität bei Alzheimer Patienten bei Frauen, wobei bei dem negativen
Ergebnis für die Männer die niedrigere Fallzahl zu berücksichtigen
ist. Weitere Untersuchungen an größeren Kollektiven zu genetischen Risikofaktoren der Depressivität bei Alzheimer Patienten
erscheinen viel versprechend.
002
Bewertung nicht eindeutiger Befundkonstellationen von tTau,
pTau und Aß42 im Liquor von Alzheimer-Erkrankten
M. W. Eichenlaub (Universitätsklinikum Hamburg, Psychiatrie)
P. Kämpf, S. Arlt, H. Jahn
Einleitung: In der klinischen Demenzdiagnostik sind Liquorparameter etabliert. Ein Wert des Tau-Proteins (tTau) > 200 pg / ml und
ein Amyloid Beta 1-42-Wert (Aß42) < dem Cut-off (nach Rösler et
al. 2002) sprechen mit hoher Sensitivität und Spezifität für das Vorliegen einer Alzheimer-Erkrankung (AD). Eine nicht eindeutige
Befundkonstellation dieser Liquorparameter kann die Diagnosestellung erschweren. Phosphoryliertes Tau181 (pTau) > 61 pg / ml
stützt die Diagnose.
Methode: In einer retrospektiven Studie wurden von 100 ambulanten Patienten unserer Memory Clinic (Altersdurchschnitt 73 Jahre), bei denen nach den NINCDS-ADRDA-Kriterien eine AD diagnostiziert wurde, die Messwerte ausgewertet und auf Konsistenz
untersucht.
Diskussion / Ergebnisse: Bei tTau < 200 pg / ml fanden sich überwiegend niedrige Aß42-Werte bei den Patienten mit AD. Je höher
der tTau-Wert lag, desto stärker war der Wert des Aß42 gegenüber
dem Cut-off bei abnehmender Varianz vermindert. Auch pTau war
dann oft auffällig. Oberhalb eines tTau von 350 pg / ml gab es kaum
widersprüchliche Messwerte bei Patienten mit AD. Uneindeutige
Befundkonstellationen fanden sich primär bei tTau-Werten im Bereich > 200 und < 350 pg / ml. Bei einem Teil dieser Fälle war pTau
eindeutig erhöht. Bei nicht erhöhtem pTau wäre gegebenenfalls
eine zusätzliche Bestimmung des Quotienten aus Aß42 / Aß40 hilfreich gewesen, da es sich in unserem Kollektiv bei diesen Patienten
um jene mit einem hohen Amyloid-Load im Liquor gehandelt hat.
Fazit: In unserem Kollektiv traten Aß42-Werte oberhalb des Cutoff nur bei tTau-Werten unterhalb von 350 pg / ml auf. Eine Bestimmung des pTau-Proteins klärte hier nur einen Teil der Fälle. Hier
wäre die Bestimmung des Quotienten aus Aß42 / Aß40 sinnvoll.
Je höher der tTau-Wert lag, desto eindeutiger war die Befundkon­
stellation mit Aß42 und pTau.
003
Die Konzentration von Thrombozyten-assoziierten Signalproteinen im Plasma und Liquor cerebrospinalis bei Alzheimer-Patienten
und gesunden Kontrollen
Christoph Laske (Univ.-Klinik für Psychiatrie, Tübingen)
T. Leyhe, G. Straten, G. Eschweiler, T. Trunk, E. Stransky, N. Hoffmann
Einleitung: Die Alzheimer-Demenz (AD) ist eine primäre Erkrankung des Gehirns, die durch Ablagerung von Amyloid-Plaques und
Neurofibrillärer Bündel charakterisiert ist. Nach aktuellen Untersuchungsergebnissen weisen Alzheimer-Patienten auch eine Dysregulation von Signalproteinen (sog. „Chemokine“) im peripheren
Blut sowie eine gestörte Thrombozytenfunktion auf. Das Ziel der
vorliegenden Studie war es, die mit der Thrombozytenfunktion assoziierten 9 Signalproteine ANG-2, CCL5, CCL22, EGF, G-CSF,
ICAM-1, M-CSF, PDGF-BB und TNF-alpha bei 45 Alzheimer-­
Patienten und 30 gesunden Kontrollen im Blut und Liquor cerebrospinalis zu vergleichen und ihre diagnostische Sensitivität zu evaluieren.
Methode: Die Alzheimer-Patienten wurden in zwei Subgruppen
unterteilt: solche im Frühstadium mit leichter Demenz und solche
im fortgeschrittenen Stadium mit mittel-schwergradiger Demenz.
Topic 1 G Organische psychische Störungen, Demenz, F0 // Organic mental disorders, dementia, F0
Die Messung der Blutspiegel erfolgte mittels ELISA. Die statistische
Berechnung der Daten wurde mit SPSS 14.0 durchgeführt.
Diskussion / Ergebnisse: In einer Diskriminanz-Analyse erlaubten
die im Blut untersuchten 9 Signalproteine in 69 % der Fälle eine
korrekte Zuordnung zur Gruppe der Alzheimer-Patienten oder der
gesunden Kontrollen. Von den untersuchten 9 Signalproteinen
zeigte sich nur für CCL5 im Plasma ein signifikanter Unterschied
zwischen den Alzheimer-Patienten mit leichter bzw. mittelschwergradiger Demenz und den gesunden Kontrollen. Im Liquor
cerebrospinalis fanden sich bei den Alzheimer-Patienten signifikant erhöhte M-CSF- und ANG-2-Konzentrationen im Vergleich
zu 30 Patienten mit anderen neurologischen Erkrankungen. Wei­
tere Untersuchungen auf diesem Gebiet könnten unser pathogenetisches Verständnis der Alzheimer-Demenz erweitern und neue
Therapieansätze liefern.
004
Einfluss von Anosognosie und globaler kognitiver Beeinträch­
tigung auf die Reliabilität und Validität von Patientenselbsteinschätzungen der gesundheitsbezogenen Lebensqualität bei Mild
Cognitive Impairment und der Alzheimererkrankung
Martin Berwig (Medizinische Fakultät, Uniklinik Leipzig Gedächtnis­
ambulanz)
H. Leicht, H.-J. Gertz
Einleitung: Die vorliegende Arbeit untersucht den Effekt von Anosognosie (Einsicht in die eigene Erkrankung) und kognitiver Beeinträchtigung auf die Reliabilität und Validität der Selbsteinschätzung
von Lebensqualität (LQ) bei Mild Cognitive Impairment (MCI)
und Alzheimer‘s Disease
Methode: Design: Querschnittsuntersuchung. Setting: Querschnitts­
untersuchung an einer konsekutiven Patientenstichprobe einer Gedächtnissprechstunde in Leipzig (Germany). Versuchsteilnehmer:
27 Patienten im Alter von 65 bis 85 Jahren mit der Diagnose MCI
(N=12) und AD (N=15). Die Patienten nahmen jeweils zusammen
mit einer Betreuungsperson an der Studie teil. Messinstrumente:
Die LQ der Patienten wurde mit Hilfe des Verfahrens der Selbstund Fremdeinschätzung des Dementia Quality of Life Fragebogens
(DEMQoL und DEMQoLproxy; Smith et al. 2006) gemessen. Der
Schweregrad der Anososognsie wurde nach Durchführung der Clinical Insight Rating Scale (CIR; Ott und Fogel, 1992) eingeschätzt.
Darüber hinaus wurden die Verfahren Mini-Mental-State-Examination (MMSE; Folstein et al. 1975) und die Bayer Activities of Daily Living Scale (B-ADL; Hindmarch et al. 1998) durchgeführt.
Diskussion / Ergebnisse: Es zeigte sich in Übereinstimmung mit
den Daten von Ready et al.(2006), dass Patienten mit eingeschränkter Einsicht in ihre Erkrankung ihre LQ weniger reliabel einschätzen können als Patienten mit intakter Einsicht. Die Validität (Übereinstimmung zwischen Selbst- und Fremdeinschätzung der LQ)
wird durch die kognitive Beeinträchtigung, Ano­sognosie und die
Interaktion von beiden Faktoren beeinflusst.
005
Consanguinity and Posterior Cortical Atrophy
Christina Maria Köck (Universität Regensburg, BKH, Psychiatrie)
M. Stadlober-Degwerth, W. Fronhöfer, H. Wurster, G. Hajak, H. Klünemann
Introduction: The aim of this study was to detect a possible genealogical relationship between seemingly sporadic cases of Alzheimer‘s
disease (AD).
Method: In cooperation with the Catholic Diocese Passau, whose
archive administers all sacramental registers of the entire diocese
and hence all population data since the late sixteenth century, we
reconstructed pedigrees of all patients from this region down to the
tenth generation and analyzed them in order to find possible rela­
tionships.
Discussion / Results: Our index patient (K) presented with Posterior Cortical Atrophy (PCA), a variant of Alzheimer´s disease. We
analyzed 196 of K‘s 512 possible ancestors and found an overlap
with three more patients with congruence from 9.2 % up to 24.5 %.
Patient K´s genealogy showed a distinct form of “pedigree collapse”
typical of consanguinity. Conclusions: Consanguinity between parents increases the risk for disorders of complex inheritance in the
offspring. Patient K‘s PCA seems to be closely associated with the
high rate of consanguinity between his ancestors. Based upon the
patient‘s pedigree an autosomal dominant form of the disorder
seems to be unlikely.
006
Klinische Subtypen des Mild Cognitive Impairment und kardiovaskuläre Risikofaktoren in der Düsseldorfer MCI-Kohorte
Christian Lange-Asschenfeldt (LVR, Düsseldorf)
J. Szpak, T. Supprian, B. Höft
Einleitung: Mild Cognitive Impairment (MCI) gilt als mögliches
Übergangsstadium v.a. zur Alzheimer-Demenz (AD), fasst jedoch
als diagnostische Entität eine sehr heterogene Population zusammen. Es werden 4 Subtypen unterschieden, abhängig von Art (amnestic vs. nonamnestic) und Anzahl (single vs. multiple) betroffener kognitiver Domänen. Kardiovaskuläre Risikofaktoren (CVRF)
scheinen die Manifestation von MCI und AD erheblich zu begünstigen. Es wurden kardiovaskuläre Risikoprofile verschiedener MCISubtypen analysiert.
Methode: Individuen mit MCI ohne psychiatrische Komorbidität
wurden anhand von Anamnese, Fremdanamnese, neuropsychologischer (CERAD-Plus, VLMT, Rey Figure, BADS) sowie bildgebender und laborchemischer Befunde identifiziert und klassifiziert in
die Subtypen single domain-amnestic (sdaMCI), multiple domainamnestic (mdaMCI), single domain-nonamnestic (sdnaMCI),
multiple domain-nonamnestic (mdnaMCI). Folgende CVRF wurden erfasst: Hypertonie, Diabetes mellitus, Hypercholesterinämie,
Nikotinkonsum, koronare Herzerkrankung, Anamnese mit cerebraler Ischämie oder Myokardinfarkt.
Diskussion / Ergebnisse: N=51 MCI-Fälle wurden charakterisiert.
Individuen mit vielen CVRF (4. vs. 1. Quartil) waren älter (73,3 ±
10,4 vs. 64,8 ± 10,6 Jahre; p<0,05) und wiesen signifikante Defizite
in mehr kognitiven Domänen auf (0,69 ± 0,8 vs. 1,27 ± 0,9; p<0,05;
MWU-Test). Sie unterschieden sich jedoch voneinander weder in
der globalen kognitiven Leistung noch bezogen auf einzelne kog­
nitiven Domänen. Die Subklassifikation ergab 50 % Fälle mit
mdaMCI sowie jeweils ca. 25 % mit mdnaMCI und sdnaMCI. Fälle
mit sdaMCI kamen nicht vor. Zweidrittel der Patienten hatten mindestens einen CVRF, es existierten jedoch keine Unterschiede zwischen den MCI-Subtypen. Auch die einzelnen o.g. CVRF kamen
bei den Subtypen gleich häufig vor. Bildmorphologische Auffälligkeiten fanden sich in 81 % aller Fälle (kortikale Atrophie 46 %,
Mikroangiopathie 41 %, sonstige 11 %) ohne signifikante Unterschiede zwischen den Subtypen. Eine cerebrale Mikroangiopathie
fand sich häufiger bei Fällen mit Hypertonie (p<0,05, Fisher‘s
Exact). Es wird gefolgert, dass CVRF Subtypen-unabhängig eine
hohe Prävalenz bei Individuen mit MCI aufweisen.
007
Anosognosie für verschiedene Funktionsbereiche bei AlzheimerDemenz
Hanna Leicht (Universitätsklinik Leipzig, Klinik für Psychiatrie)
M. Berwig, H.-J. Gertz
Einleitung: Alzheimer-Demenz geht häufig mit beeinträchtigter
Einsicht für krankheitsbedingte Defizite (Anosognosie) einher. Ein
Problem bei der Interpretation von Forschungsergebnissen zu diesem Thema ist die Tatsache, dass es drei verschiedene Ansätze zur
Erfassung fehlender Krankheitseinsicht gibt: das Expertenurteil,
25
Topic 1 G Organische psychische Störungen, Demenz, F0 // Organic mental disorders, dementia, F0
den Abgleich von Fragebögen zur Selbst- und Fremdeinschätzung
von Defiziten, sowie den Abgleich von Selbsteinschätzung und
Testleistung des Patienten. Zur Übereinstimmung dieser Methoden
liegen nur wenige Befunde vor. Bei der Erfassung von Anosognosie
durch Fragebogenabgleiche ist zudem der Grad des Defizites (nach
Angehörigenurteil) maßgeblich dafür, in welchem Maße Anosognosie als Diskrepanz zwischen Selbst- und Angehörigeneinschätzung von Defiziten auftreten kann, d. h. es besteht eine Konfundierung des Diskrepanzmaßes durch den Defizitgrad. Mehrere Studien
haben domänenspezifische Unterschiede in der Anosognosie bei
Alzheimer-Demenz aufgrund von Fragebogendiskrepanzen berichtet, ohne näher auf diese Konfundierung einzugehen.
Methode: An der vorliegenden Studie nahmen 30 Patienten mit
leichter Alzheimer-Demenz und deren Angehörige teil. Ziel der
Untersuchung war zum einen, durch den Einsatz von parallelen
Fragebögen zur Selbst- und Fremdeinschätzung für mehrere kognitive und nicht-kognitive Domänen unter Berücksichtigung des
jeweiligen Defizitniveaus zu untersuchen, ob sich ein verstärktes
Auftreten von Anosognosie in bestimmten Bereichen belegen lässt.
Gleichzeitig wurde durch die Verwendung dreier Erfassungsmethoden für Anosognosie (klinisches Urteil, Diskrepanzen zwischen
Selbst- und Fremdeinschätzung sowie Diskrepanzen zwischen Test­
leistung und Selbsteinschätzung) untersucht, inwieweit diese
Methoden übereinstimmende Ergebnisse liefern.
Diskussion / Ergebnisse: Es zeigt sich, dass klinisches Urteil und
Fragebogendiskrepanzen als Maße für Anosognosie deutlich mit­
einander korrelieren, während die Diskrepanzen zwischen Selbsteinschätzung und Testleistung eine schwächer ausgeprägte Korrelation mit dem klinischen Urteil, aber keinen Zusammenhang mit
den Fragebogendiskrepanzen aufweisen. Die Fragebogendiskrepanzen für unterschiedliche Domänen fallen unterschiedlich aus.
Dieses Ergebnis wird inbesondere im Hinblick daraufhin diskutiert, ob Unterschiede im Grad der Anosognosie zwischen verschiedenen Funktionsbereichen in erster Linie auf Unterschiede im
Funktionsniveau bei gleichbleibender Selbsteinschätzung zurückgeführt werden können, wie es manche bisherige Befunde nahe­
legen.
008
Neural Correlates of Alzheimer’s Disease and Mild Cognitive
Impairment: A Systematic and Quantitative Meta-Analysis involv­
ing 1351 Patients
Matthias Schroeter (MPI, Kognitive Neurologie, Leipzig)
T. Stein, N. Maslowski, J. Neumann
Introduction: Alzheimer‘s disease is the most common form of
dementia. Its prodromal stage amnestic mild cognitive impairment
is characterized by deficits of anterograde episodic memory. The
development of standardized imaging inclusion criteria has to be
regarded as a prerequisite for future diagnostic systems. Moreover,
successful treatment requires isolating imaging markers predicting
the disease.
Method: Accordingly, we conducted a systematic and quantitative
meta-analysis to reveal the prototypical neural correlates of
Alzheimer‘s disease and its prodromal stage. To prevent any a priori assumptions and enable a data-driven approach only studies applying quantitative automated whole brain analysis were included.
Finally, 40 studies were identified involving 1351 patients and
1097 healthy control subjects reporting either atrophy or decreases
in glucose utilization and perfusion. The currently most sophisti­
cated and best-validated of coordinate-based voxel-wise meta-­
analyses was applied (anatomical likelihood estimates, ALE).
Discussion / Results: The meta-analysis revealed that early Alz­
heimer‘s disease affects structurally the (trans-)entorhinal and hippocampal region, functionally the inferior parietal lobules and precuneus. Atrophy in the (trans-)entorhinal area / hippocampus and
26
hypometabolism / hypoperfusion in the inferior parietal lob­ules
predicted most reliably the progression from amnestic mild cognitive impairment to Alzheimer‘s disease, whereas changes
in the posterior cingulate cortex and precuneus were unspecific.
Fully developed Alzheimer‘s disease involved additionally a frontomedian-thalamic network. The study characterizes the prototypical
neural substrates of Alzheimer‘s disease and its prodromal stage
amnestic mild cognitive impairment. By isolating predictive markers it enables successful treatment strategies in the future and contributes to standardized imaging inclusion criteria for Alzheimer‘s
disease as suggested for future diagnostic systems.
009
Einfluss des APOE-Genotyps auf die kognitiven Funktionen bei
milder Alzheimer-Demenz
Gabriela Stoppe (UPK, Basel)
A. Saake, S. Wolf, G. Stiens
Einleitung: Das Apolipoprotein E Allele ε4 ist ein etablierter Risikofaktor für die Alzheimer-Demenz (AD). Es beeinflusst auch das
Risiko anderer Faktoren, ebenso wie die Konversionsrate von leichter kognitiver Beeeinträchtigung (MCI) zur AD. Es ist noch nicht
klar, wieweit auch die klinische Symptomatik der AD dadurch modifiziert wird.
Methode: Patienten der Gedächtnissprechstunde Göttingen wurden aufgenommen, wenn sie die Aufnahmekriterien erfüllten:
(sehr) milde AD nach den NINCDS-ADRDA Kriterien, MMSE 2030, wenigstens 2 der 3 typischen Befunde (Hippocampusatrophie
im MRT, bilaterale temporo-parietale Hypoperfusion im NeuroliteSPET, niedirges Aβ1-42 und hohes tau im Liquor). Intensive neuropsychologische Untersuchung und Nachuntersuchung nach einem
Jahr. Die lokale Ethikkommission genehmigte das Protokoll.
Diskussion / Ergebnisse: N=74 Patienten (38M, 36F; mittleres
Alter 68.1 J.; MMSE 25.9 ± 2.8) und N=28 gematchte Kontrollen
(nach Alter, Geschlecht, Bildung)wurden eingeschlossen. N=36 Patienten hatten 1(N=20) oder 2(N=16) APOE -ε4-Allele. 53 der
57 Liquoruntersuchgen ergaben AD-typische Befunde, 64 von
74 kraniellen MRT ergaben eine bilaterale Hippocampus und / oder
globale Atrophie und 42 von 64 Neurolite-SPETs waren AD-­typisch.
Die Resultate von nicht-Gedächtnis-Tests (Sprache, Aufmerksamkeit, visuospatiale Kompetenz) zeigten keinen Unterschied abhängig vom APOE-Genotype. 2 Gedächtnistests und ein KompositScore waren signifikant schlechter in der APOE -ε4-positiven
Gruppe und besonders bei den homozygoten.
010
Intensität kortikaler Aktivierung beim Uhrenablesen als quadra­
tische Funktion des kognitiven Status bei Patienten mit leichter
kognitiver Störung and Alzheimer-Demenz
Ralf Saur (Universität Tübingen, Psychiatrie)
M. Milian, M. Erb, G. Eschweiler, W. Grodd, T. Leyhe
Einleitung: Während bei Patienten mit Alzheimer-Demenz (AD)
in Studien mit funktioneller Bildgebung eine reduzierte Hirnaktivität nachgewiesen wurde, konnte bei Patienten mit leichter kogni­
tiver Störung (LKS) wiederholt erhöhte Aktivität in unterschied­
lichen Hirnregionen gezeigt werden. Es wird angenommen, dass
die zerebrale Hyperaktivität zu Beginn der Erkrankung Ausdruck
der Kompensation neurodegenerativer Prozesse ist, die im weiteren
Verlauf der dementiellen Entwicklung in Hypoaktivität umschlägt.
Methode: Wir untersuchten mit funktioneller Magnetresonanz­
tomograhie (fMRI) den Zusammenhang zwischen kognitivem Status und kortikaler Aktivitierung bei einer Uhrenablese- und einer
räumlichen Kontrollaufgabe bei Patienten mit AD und LKS sowie
gesunden Probanden. Der Zusammenhang zwischen Hirnaktivität
und kognitivem Status wurde mit einem linearen und einem quadratischen Regressionsmodell getestet.
Topic 1 G Organische psychische Störungen, Demenz, F0 // Organic mental disorders, dementia, F0
Diskussion / Ergebnisse: Es konnte gezeigt werden, dass die Uhrenableseaufgabe stärker Hirnregionen als die Kontrollaufgabe aktiviert, die bei der konzeptuellen Verarbeitung und dem räumlichen
Vorstellungsvermögen involviert sind. Die Korrelation zwischen
Hirnaktivität und kognitivem Status folgte in verschiedenen kortikalen Regionen nicht einer linearen Funktion, sondern einer quadratischen Funktion (Abbildung). Die stärkste Aktivität konnte
dabei bei Patienten gemessen werden, die sich im Übergangsta­
dium von LKS und AD befinden. Dieser Befund unterstützt die
Hypothese, dass Patienten in einem frühen Erkrankungsstadium
die neuronalen Schädigungen durch die Aktivität zusätzlicher neuronaler Ressourcen kompensieren. Später umfassen die neurodegenerative Prozesse weite Teile des Kortex, eine Kompensation ist
nicht mehr möglich, es kommt zu einem merklichen Verlust der
kognitiven Leistung, in der Bildgebung zeigt sich eine signifikant
reduzierte Hirnaktivität. Abbildung: Aktivitätskarte, die die kortikalen Regionen zeigt, die in der Kontrollgruppe signifikant höher
bei der Uhrenableseaufgabe aktivieren als bei der räumlichen Kontrollaufgabe. Die Streudiagramme bilden den Zusammenhang zwischen kognitivem Status (MMSE) und funktionaler Aktivität beim
Uhrenablesen ab.
011
Subcortical fiber tract integrity underlying neuropsychological
performance in patients with Alzheimer‘s disease
Maximilian Wagner (Klinikum der LMU München, Klinik für Psy­
chiatrie)
T. Meindl, G. Alexander, K. Hennig-Fast, J. Benninghoff, K. Bürger,
R. Engel, M. Reiser, H.-J. Möller, H. Hampel, S. Teipel
Introduction: Dementia in Alzheimer’s disease (AD) is characterized by a specific pattern of cognitive changes that is believed to
result from the loss of intracortical projecting fiber tracts and their
synaptic contacts. Diffusion Tensor Imaging (DTI) visualizes the
integrity of subcortical fiber tracts in vivo. Our aim was to discover
distinct brain regions whose functional disconnection during the
disease process of AD causes decline in specific cognitive domains.
Method: 21 patients fulfilling the NINCDS-ADRDA criteria for
probable AD underwent DTI. Cognitive functions were assessed
using the CERAD neuropsychological battery. We employed a multivariate network analysis of fractional anisotropy (FA) maps to investigate the correlation between performance in CERAD subtest
scores and fiber tract integrity throughout the cerebral white matter.
Discussion / Results: We found a significant spatial pattern of altered white matter microstructure underlying domain specific cog­
nitive impairments in patients with AD. Our results suggest that
fiber connections between several key regions are involved in cognitive decline during the disease process of AD. As the detected
neuronal networks show partial overlap between cognitive domains, especially white matter areas of the cingulate gyrus, they
may be recovering two major components of brain organization:
First, a common neuronal network as basis for integrated cognitive
function, maybe reflecting the default mode network. Second, additional brain areas that are involved in specific cognitive functions.
As the first study investigating fiber tract integrity across the entire
brain underlying cognitive function, our data may guide future
studies to determine the interaction between cognition, functional
connectivity, and underlying white matter microstructure.
012
Stimulation mit Lipopolysacharid und Phagozytose führen zu
unterschiedlichen Aß-Peptid Sekretionsmustern bei humanen
mononukleären Phagozyten
Philipp Spitzer (LVR-Klinikum Essen, Labor für mol. Neurobiologie)
H.-W. Klafki, H. Kamrowski-Kruck, J. Wiltfang, J. M. Maler
Einleitung: Im Gehirn von Patienten mit einer Alzheimerdemenz
findet sich in direkter Umgebung der neuritischen Aβ-Peptid
Plaques eine hohe Zahl aktivierter Mikroglia. Ob Mikroglia – als
Teil der angeborenen Immunabwehr und des mononukleären Phagozytosesystems – durch Sekretion von Aβ-Peptiden oder durch
gestörte Phagozytose von Aβ zur Entstehung der Plaques beiträgt,
ist umstritten.
Methode: Als Modell für Mikroglia wurden humane Monozyten,
welche ebenfalls dem mononukleären Phagozytosesystem ange­
hören, aus dem Blut freiwilliger, gesunder Spender isoliert und in
Suspensionskultur mit Lipopolysacharid oder Polystyrolpartikeln
stimuliert. Die von den Zellen sezernierten Aβ-Peptide wurden
mittels ein- und zweidimensionaler Aβ-SDS-Polyacrylamid Gel­
elektrophorese und anschließendem Immunoblot aufgetrennt und
dargestellt.
Diskussion / Ergebnisse: Humane mononukleäre Phagozyten, welche in Suspension kultiviert wurden sezernierten unter Ruhebedingungen eine geringe Menge an Aβ-Peptiden. Unter inflammatorischen Bedingungen, (i.e. Nach Stimulation mit Lipopolysacharid),
stieg die Menge an freigesetzten Aβ-Peptiden auf mehr als das
Doppelte an. Ein Anstieg der Aβ-Sekretion ließ sich ebenfalls nachweisen, wenn den Zellen Polystyrolpartikel zur Phagozytose angeboten wurden. Auffällig war dabei, dass nach Stimulation mit Polystyrolpartikeln, neben der gesteigerten Sekretion von gesamt Aβ,
insbesondere der Anteil N-terminal verkürzter Varianten über­
proportional stark zunahm. N-terminal verkürzte Aβ-Peptide entstehen dabei offenbar nicht durch extrazellulär wirkende Proteasen
sondern als Folge intrazellulärer Regulationsmechanismen. In diesem Zellkulturmodell wurde die Sekretion von Aβ-Peptiden durch
Stimulation des LPS-Rezeptors sowie von Scavenger Rezeptoren
induziert. Von diesen Rezeptoren ist bekannt, dass sie ebenfalls fibrilläres Aβ binden können. (Liu et al., 2005; Paresce et al., 1996) Auf
diese Weise könnte ein Kreislauf in Gang kommen, der in vivo zu
einer sich selbst verstärkenden Produktion und daraus folgenden
Akkumulation von N-terminal verkürzten Aβ-Peptiden in Plaques
führt. Die durch inflammatorische Stimuli induzierbare Sekretion
von Aβ-Peptiden durch humane mononukleäre Phagozyten könnte
darüber hinaus im Umfeld der aktuell diskutierten Hypothese,
Aβ-Peptide hätten immunologische Aufgaben, (Campbell, 2001;
Moir, 2009) von Interesse sein.
013
Zur Assoziation von Traumatisierung in Kindheit und Jugend und
minderjähriger Mutterschaft – Ergebnisse aus dem Rostocker Projekt „Bedingungen und Folgen minderjähriger Mutterschaft“
Constanze Veigel-Maruschke (Universitätsklinikum Rostock, Kinderund Jugendpsychiatrie)
O. Reis, F. Häßler, S. Bohne-Suraj
Einleitung: Für die Hochrisikogruppe jugendlicher Mütter ist bekannt, dass sie häufiger Opfer körperlicher und sexueller Gewalt
27
Topic 1 G Organische psychische Störungen, Demenz, F0 // Organic mental disorders, dementia, F0
sowie emotionalen Missbrauchs / Vernachlässigung sind. Der
Zusammenhang zwischen diesen Traumatisierungen und minderjähriger Schwanger- und Mutterschaft wird vor allem in der angloamerikanischen Fachliteratur diskutiert. Eine direkte Übertrag­
barkeit dieser Forschungsergebnisse auf hiesige gesellschaftliche
Verhältnisse ist fragwürdig. Zudem ist die transgenerationelle Weitergabe der Traumatisierung bei minderjähriger Mutterschaft in
Deutschland wenig untersucht.
Methode: Vorgestellt werden vorläufige Ergebnisse einer Querschnittsstudie, die die Bedingungen und Auswirkungen sehr früher
Mutterschaft beschreibt. Hierfür wurden alle minderjährigen sowie
die jeweils direkt darauf folgenden volljährigen Erstgebärenden der
Universitätsfrauenklinik Rostock am Klinikum Süd der Jahre 1993
bis 2009 um ihre Mitarbeit gebeten. Mütter, die sich bereit erklärt
hatten, an der Studie teilzunehmen (Ziel: n = 200, n (minderjährig)
= 100) nahmen an einem semistrukturierten Interview teil und
füllten verschiedene Fragebögen aus. In dieser Präsentation werden
vorläufige Resultate von zunächst n = 145 Probandinnen vorgestellt. Eingegangen wird hier auf in Kindheit und Jugend erlebte
Traumata der Mutter und des erstgeborenen Kindes. Es werden die
Angaben in Interview und Fragebogen (Childhood Trauma Questionnaire) verglichen.
Diskussion / Ergebnisse: Vorläufige statistische Analysen legen
nahe, dass junge Mütter prozentual häufiger von Vernachlässigung,
Misshandlung und Missbrauch betroffen sind. Der Unterschied zur
Kontrollgruppe ist für emotionalen Missbrauch, sexuellen Missbrauch und emotionale Vernachlässigung signifikant. Weiterhin
wurde eine signifikant höhere Traumatisierung der Kinder der
minderjährigen Mütter im Vergleich mit den Kindern der volljährigen Mütter festgestellt. Schlussfolgerung: In weiteren Untersuchungen müssen die Ursachen der höheren Rate an Traumatisierungen der nächsten Generation herausgearbeitet werden. Es wird
von einem multifaktoriellen Modell ausgegangen, in dem sowohl
die emotionale Reife und Erziehungskompetenz der Mutter als
auch die eigenen unverarbeiteten Traumatisierungen vor dem Hintergrund belastender psychosozialer Umstände eine Rolle spielen.
014
Homocystein-Stoffwechsel und Liquormarker für Alzheimer-­
Pathologie
Julius Popp (Universitätsklinikum Bonn, Psychiatrie)
P. Lewczuk, M. Linnebank, F. Jessen
Einleitung: Die Störung des Homocystein-Stoffwechsels gilt als
ein unabhängiger Risikofaktor für die Alzheimer-Krankheit
(Alzheimer‘s Disease, AD). Sowohl die damit einhergehende erhöhte Produktion von ß-Amyloid (Aß) als auch die vermehrte Bildung von hyperphosphoryliertem Tau (P-tau) werden als zugrunde
liegende pathophysiologische Mechanismen diskutiert.
Methode: Die Liquor-Konzentrationen von Homozystein (Hcys),
S-adenosylmethionin (SAM), S-adenosylhomozystein (SAH) und
5-methyltetrahydrofolat (5-MTHF) sowie der Marker für AD-assoziierten neuropathologischen Veränderungen Aß1-42 and P-tau181
wurden bei 98 kognitiv gesunden Studienteilnehmern (Alter: 16 –
81 Jahre) und 54 Teilnehmern mit AD bestimmt.
Diskussion / Ergebnisse: In multivariaten Regressionstests mit Alter, Geschlecht, Kreatinin und das Vorhandensein des APOEε4Allels als Kovariablen war P-tau181 mit den Konzentrationen von
SAH (ß=0.490; p<0.001) und 5-MTHF (ß=-0.273; p=0.010) sowie
mit der SAM/SAH ratio (ß=-0.319; p=0.013) in der Kontrollgruppe
sowie mit der SAH-Konzentration (ß=0.529; p=0.001) in der ADGruppe assoziiert. Weder in der Kontroll- noch in der AD-Gruppe
fanden sich signifikante Assoziationen zwischen den Liquorkonzentrationen von Aß1-42 und von Hcys, SAM, SAH oder 5-MTHF.
Die Ergebnisse legen nahe, dass eine Störung des Homozysteinstoffwechsels mit einer erhöhten Produktion von hyperphsphory-
28
liertem Tau einher geht und zur Entstehung neurofibrillärer pathologischer Veränderungen sowohl bei kognitiv Gesunden als auch
bei Patienten mit AD beiträgt.
Donnerstag, 26. 11. 2009, 13.30 – 15.00 Uhr, Halle 11.1
P-003 Posterpräsentation
Delirium / Demenz
Vorsitz: T. Supprian (Düsseldorf)
001
Unterschiede im Behandlungserfolg des Delirium bei Demenz im
Vergleich zur Nichtdemenz
Soenke Boettger (Berlin)
S. Passik, W. Breitbart
Einleitung: Die Behandlung des Delirium bei Demenz ist von
größter Bedeutung, um eine Progression der Demenz unter Delirium zu vermeiden. Es ist nicht bekannt, wie der Behandlungserfolg
bei Patienten mit Delirium und Demenz ist. Um den Behandlungsverlauf besser zu verstehen verglichen wir Patienten mit Delirium
und Demenz mit Delirium bei den Nichtdementen.
Methode: Wir sammelten soziodemographische Daten, dokumentierten den Behandlungsverlauf, die Deliriumintensität mit der Memorial Delirium Assessment Scale (MDAS) und einer Funktionalitätsskala (Karnofsky Scale of Performance Status) von 111 Patienten
mit Delirium zum Ausgangszeitpunkt (T0), nach 48-72 Stunden T1
und 5 – 7 Tagen (T2) am Memorial Sloan Kettering Cancer Center
in New York.
Diskussion / Ergebnisse: Unter den 111 Patienten mit einer Deliriumsdiagnose waren 22 Patienten mit der Diagnose Delirium und
Demenz (DD) und 89 Patienten mit einer Deliriumdiagnose ohne
Demenz (ND). Es bestand ein signifikanter Unterschied im Alter
der Patienten (77 (DD) und 63 Jahre (ND)). Die MDAS-Werte unterschieden sich signifikant zum Ausgangszeitpunkt mit DD 21.1
und ND 17.6. Das Funktionalitätsniveau war nicht signifikant unterschiedlich. Die Behandlung des Delirium wurde mit Haloperidol, Risperidon, Olanzapin und Aripiprazol durchgeführt. Im Verlauf der Behandlung sanken die MDAS-Werte von 21.1 auf 11.7
in der DD-Gruppe und 17.6 auf 7.0 in der ND-Gruppe. Zum Endpunkt (T2) bestand ein signifkanter Unterschied, zusätzlich konnten Unterschiede hinsichtlich der Bewusstseinstrübung, Kognition
des formalen Gedankengang, der psychomotorischen Aktivität und
des Schlaf-Wachrhythmus gefunden werden. Es bestanden keine
Unterschiede in der Wahrnehmung. Die erfolgreiche Deliriumbehandlung anhand MDAS<10 war in der DD- Gruppe mit 50 % geringer als in der ND-Gruppe mit 83 %. Zusammenfassung: Es
konnte zum ersten Mal gezeigt werden, dass der Behandlungserfolg
des Delirium bei Demenz sich von dem Behandlungserfolg der
Nichtdementen unterscheidet. Die Unterschiede zum Endpunkt
sind auch jenseits der kognitiven Störung zu finden. Dabei handelt
es sich wahrscheinlich um eine langsamere Deliriumsauflösung bei
Demenz. Methodische Einschränkungen werden mit den Ergebnissen diskutiert werden.
002
Unterschiede in der Phenomenologie des Delirium bei Demenz
und Nichtdemenz.
Soenke Boettger (Berlin)
S. Passik, W. Breitbart
Einleitung: Die Diagnosenstellung des Delirium bei Demenz ist
aufgrund der bestehenden kognitiven Beeinträchtigung eine Her-
Topic 1 G Organische psychische Störungen, Demenz, F0 // Organic mental disorders, dementia, F0
ausforderung. Die unterschiedlichen phenomenologischen Charakteristika bei Delirium und Demenz im Vergleich zu den Nichtdementen sind nicht bekannt und könnten dazu beitragen, Delirium
bei Demenzerkrankten genauer zu diagnostizieren.
Methode: Wir sammelten soziodemographische Daten, dokumentierten den Behandlungsverlauf, die Deliriumintensität mit der Memorial Delirium Assessment Scale (MDAS) und eine Funktionalitätsskala (Karnofsky Scale of Performance Status) von 100 Patienten
mit Delirium am Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New
York.
Diskussion / Ergebnisse: Von 100 Patienten mit einer Deliriums­
diagnose hatten 18 Patienten zusätzlich eine Demenzdiagnose
(DD) und 82 Patienten keine Demenz (ND). Es bestand ein signifikanter Unterschied beim Alter der Patienten. Das Durchschnitts­
alter bei DD war 67 Jahre und bei ND 56 Jahre. In der DD-Gruppe
wurden zu gleichen Anteilen hypoaktives und hyperaktives Delirium diagnostiziert, während in der ND-Gruppe hypoaktives Deli­
rium mit 54 % gegenüber hyperaktivem Delirium mit 46 % überwogen. Die MDAS-Werte unterschieden sich signifikant zwischen
den Gruppen mit 21.8 (DD) und 18.6 (ND). Statistisch signifikante
Unterschiede in der Phenomenologie lagen bei dem Grad der
Bewusstseinstrübung, der Orientierung, Kurzzeitgedächtnis, Aufmerksamkeit und im formalen Gedankengang. Schwerwiegende
Symptome waren häufiger in der Bewusstseinstrübung und kognitiven Domäne in der DD-Gruppe. Es bestanden keine signifikanten
Unterschiede hinsichtlich Halluzinationen, Wahninhalte, psychomotorischem Verhalten und Schlaf-Wachrhythmus. Zusammenfassung: Es bestehen phenomenologische Unterschiede innerhalb
der Deliriumpräsentation bei Demenz und Nichtdementen. Die
Bewusstseinstrübung und die kognitive Störung sind stärker ausgeprägt, während es keine Unterschiede in anderen Bereichen gibt.
Die Interpretation der Daten wird diskutiert werden.
003
Phenomenologische Charakteristika des Delirium und seiner Subtypen
Soenke Boettger (Berlin)
S. Passik, W. Breitbart
Einleitung: Untersuchungen zur Phenomenologie des Delirium
sind selten und insbesondere Unterschiede in der Phenomenologie
der Deliriumsubtypen, dem hypoaktivem und hyperaktivem Delirium sind unbekannt. Ein besseres Verständnis der Deliriumphenomenologie, insbesondere innerhalb der Subtypen, kann die Erkennung des Delirium begünstigen.
Methode: Wir sammelten soziodemographische Daten, dokumentierten den Behandlungsverlauf, die Deliriumintensität mit der Memorial Delirium Assessment Scale (MDAS) und eine Funktionalitätsskala (Karnofsky Scale of Performance Status) von 100 Patienten
mit Delirium am Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New
York.
Diskussion / Ergebnisse: Das Durchschnittsalter der 100 Patienten
mit Delirium war 58 Jahre. Die kognitive Funktion war am stärk­
sten beeinträchtigt, es folgten psychomotorische Auffälligkeiten,
Schlafwach-Rhythmusstörungen und die Bewusstseinstrübung.
Wahrnehmungsstörungen und Wahninhalte waren am geringsten
ausgeprägt. Hypoaktives Delirium wurde bei 53 % der Patienten
und hyperaktives Delirium bei 47 % gefunden. Es bestand kein signifikanter Altersunterschied oder Unterschied in der Delirium­
intensität. Es bestanden signifikante Unterschiede hinsichtlich der
Intensität der Wahrnehmungsstörung und des Wahninhalts. Wahrnehmungsstörungen wurden bei 50.9 % mit hypoaktivem Delirium
und 70.2 % mit hyperaktivem Delirium gefunden, Wahninhalte bei
43.4 % und 78.7 %. Das Vorkommen von Wahrnehmungsstörungen und Wahninhalten war unabhängig von der Deliriumintensität. Zusammenfassung: Delirium ist eine Störung des Bewusstseins,
der Kognition und des Schlafwachrhythmus. Dabei ist die kogni­
tive Stlörung am ausgeprägtesten. Wahrnehmungsstörungen und
Wahninhalte kommen in hypoaktivem und hyperaktivem Delirium vor und sind unabhängig von der Deliriumintensität. Weitere
Ergebnisse werden diskutiert.
004
Therapy of delirium due to a general medical condition – Treatment approaches in the Consultation – Liaison psychiatry setting
of the University of Medicine of Graz
Hans-Bernd Rothenhäusler (Medizinische Universität Graz, Univ.Klinik für Psychiatrie, Österreich)
Introduction: Delirium due to a general medical condition is one
of the main psychiatric problems in general hospital inpatients.
Method: Almost 3.000 consultations are performed by the Graz
psychiatry consultation - liaison service each year. Delirium consistently accounts for almost 19 % of all new referrals. They are treated according the Graz protocol.
Discussion / Results: Graz protocol: Mild hyperactive delirium &
mild, moderate, or severe hypoactive delirium in patients with­out
withdrawal syndromes, Parkinson‘s disease, Lewy body dementia,
HIV-induced dementia • Initial dose: Administer risperidone
quicklet 0.5 mg, alternatively, administer haloperidol liquid 5 drops
• Control of target symptoms: Increase dosage of risperidone quicklet up to 2 mg / d or haloperidol liquid up to 20 drops / d Moderate
hyperactive delirium in patients without withdrawal syndromes,
Parkinson‘s disease, Lewy body dementia, HIV-induced dementia
• Initial dose: Administer haloperidol 2.5 mg mixed in 250 ml 5 %
glucose as slow intravenous infusion • Control of target symptoms:
Increase dosage of haloperidol as slow intravenous infusion up to
5 mg / d • Use of prothipendyl as an adjunct for sedation induction
and agitation control. The dose may range from 40 mg to 160 mg / d.
Severe hyperactive delirium in patients without withdrawal syndromes, Parkinson‘s disease, Lewy body dementia, HIV-induced
dementia • Initial dose: Administer haloperidol 5 mg mixed in
250 ml 5 % glucose as slow intravenous in-fusion • Control of target
symptoms: Increase dosage of haloperidol as slow intravenous infusion up to 60 mg / d. • Use of prothipendyl as an adjunct for seda­
tion induction and agitation control. Administer prothipendyl
40 mg mixed in either 5 % glucose or 0.9 % sodium chloride as slow
intravenous infusion. The dose may be increased to 40 mg prothipendyl IV 3 times per day.
005
Die Bayer ADL-Skala: Ein reliables und valides Instrument zur
Schweregrad- und Verlaufsbeurteilung bei Demenzerkrankungen
Hartmut Lehfeld (Klinikum Nürnberg, Klinik für Psychiatrie und
Psy)
Einleitung: Die Bayer ADL-Skala (B-ADL) ist ein 1998 publiziertes
Fremdbeurteilungsverfahren zur Erfassung der instrumentellen
Alltagsaktivitäten von MCI- und Demenzpatienten mit leichter bis
mittelschwerer Symptomausprägung. Auf einer umfangreichen
Datenbasis wurden verschiedene Aspekte der Reliabilität und Validität untersucht.
Methode: Die B-ADL enthält 25 Items, auf denen ein Angehöriger
das Zurechtkommen des Patienten mit verschiedenen Alltagsaktivi­
täten auf einer 10-Punkt-Skala beurteilen muss. Querschnitts­daten
standen für eine gepoolte Stichprobe mit 709 Personen zur Verfügung, die das Schweregradspektrum von „kognitiv unbeeinträchtigt“ bis zur mittelschweren Demenz abdeckte. Der Schweregrad
der kognitiven Einbußen wurde anhand der Global Deterioration
Scale (GDS) nach Reisberg operationalisiert. Für die Berechnung
von Test-Retest-Reliabilitäten sowie der Veränderungssensitivität
lagen Verlaufsdaten aus der Nürnberger Gedächtnissprechstunde
nach 6, 12 und 24 Monaten über MCI- und Demenzpatienten vor
29
Topic 1 G Organische psychische Störungen, Demenz, F0 // Organic mental disorders, dementia, F0
(n = 153, 128 bzw. 67).
Diskussion / Ergebnisse: Bei guter Trennschärfe (Indices für sämtliche Items >.70) und interner Konsistenz (Cronbachs alpha >.97)
zeigt die B-ADL nach 6 Monaten in der gesamten Verlaufsstichprobe eine Test-Retest-Reliabilität von .76, bei MCI-Patienten sogar
von .84. Die B-ADL-Ergebnisse benachbarter GDS-Schweregrade
unterschieden sich jeweils signifikant voneinander (p < .000), zwischen den 95 %-Konfidenzintervallen der Mittelwerte waren keiner­
lei Überschneidungen zu beobachten. Die 1- und 2-Jahres-Verlaufs­
daten zeigen, dass Patienten mit progredienter Symptomatik pro
Jahr etwas mehr als 1 Skalenpunkt verlieren, während klinisch stabile Patienten auch nach zwei Jahren im Mittel um weniger als 1
Skalenpunkt gegegenüber Baseline nachgelassen haben. Insgesamt
weisen die Ergebnisse die B-ADL als ein Untersuchungsinstrument
aus, das hinsichtlich seiner Gütekriterien psychometrischen Vergleichsinstrumenten (MMSE und SKT) nicht nachsteht.
006
Die Validierung der deutschen Version der Confusion Assessment
Method for Intensive Care Units (CAM-ICU)
Julius Popp (Universitätsklinikum Bonn, Psychiatrie)
U. Günther, L. Köcher, C. Putensen
Einleitung: Das Auftreten eines Delirs verlängert die Verweildauer
auf Intensivstation und erhöht Behandlungskosten und Sterblichkeit nach Entlassung. Die „Confusion Assessment Method for Intensive Care Units“ (CAM-ICU) ist ein Screening-Instrument zur
Delirdiagnostik auf Intensivstation, das auch bei beatmeten Patienten zum Einsatz kommen kann und im angelsächsischen Raum
häufig verwendeten wird.
Methode: Eine praktische Kurzversion („Harvard Flowsheet“) der
CAM-ICU wurde gemäß der „Principles of Good Practice for the
Translation and Cultural Adaptation Process for Patient-Reported
Outcomes Measures“ in die deutsche Sprache übersetzt. Von Mai
bis August 2008 wurde jeder Patient der 31-Betten Intensivstation
durch einen Psychiater (Referenzuntersuchung, DSM-IV-Kriterien)
sowie von zwei anderen CAM-ICU hinsichtlich des Vorliegens
eines Delirs untersucht. Die Einteilung des Delirs in psychomoto­
rische Subgruppen (hyperaktiv, hypoaktiv) erfolgte anhand der
„Richmond Agitation Sedation Scale“ (RASS).
Diskussion / Ergebnisse: Von 102 untersuchten Patienten wurden
48 vor der Untersuchung aufgrund von Anästhesieüberhang, Koma,
akuten zerebralen Insult, mangelnde Deutschkenntnisse oder mangelnde Kooperativität ausgeschlossen. Bei 46 % der Patienten
(n=25) fand der Referenzuntersucher ein Delir, 16 % (n=4) waren
mechanisch beatmet. Nur 9 % der Patienten hatten ein hyper­
aktives, 37 % ein hypoaktives Delir. Die Sensitivät der CAM-ICUUntersucher, verglichen zum Referenzuntersucher, lag bei 88 %
bzw. 92 % und die Spezifität bei je 100 %. Die Interrater- Reliabilität
war sehr hoch (Cohen‘s kappa, 0,96 (0,77-1,22 [95 %-Konfidenz­
intervall]). Bei drei Patienten wurden falsch negative Befunde erhoben: Zwei Patienten wurden vom Referenzuntersucher als
delirant eingeschätzt, zeigten aber bei der CAM-ICU keine Aufmerksamkeitsstörung. Ein weiterer wurde durch einen CAM-ICU
Untersucher als nicht-delirant, durch den zweiten aber als delirant
getestet. Die Kurzform der deutschen CAM-ICU ist ein reliables
und in der Anwendung einfaches Screening-Instrument, das die
operationalisierte Diagnose hypoaktiver und hyperaktiver Delirformen auf Intensivstation ermöglicht.
30
007
Evaluation der Aufmerksamkeitsstörung bei Delir und Demenz im
Alter
Christine Thomas (Evangelisches Krankenhaus, Klinik für Psychia­
trie, Bielefeld)
S. Kreisel, T. Stober, M. Toepper, T. Beblo, P. Oster, M. Driessen
Einleitung: Im psychiatrischen Konsiliardienst Älterer stellen organische Störungen, insbesondere Verwirrtheitszustände, die größte Diagnosengruppe dar. Delirdiagnostik und -therapie ist angesichts der schlechten Prognose bei Älteren von großer Wichtigkeit.
Die Aufmerksamkeitsstörung ist neben dem akuten Beginn ein
Kernkriterium des Delirs. Gerade bei Älteren differenziert das Ausmaß dieser Aufmerksamkeitsstörung ein Delir von einer (häufig
vorbestehenden) Demenz. Die rasche Erfassung und Quantifizierung einer Aufmerksamkeitsstörung gelingt im klinischen Alltag
oft nicht. Auch ist die Interrater-Reliabilität des Delirscreenings
(deutscher CAM, siehe Hestermann / Thomas 2009) bei der Aufmerk­
samkeitsstörung ungenügend; eine verbesserte Operationalisierung
ist daher wünschenswert. Verschiedene neuropsychologische
Methoden ermöglichen eine rasche Erfassung aufmerksamkeits­
bezogener Leistungen. Als Screenings werden häufig die Wortmerkspanne und das Rückwärtsbuchstabieren aus dem MMST sowie die Zahlenmerkspannen vorwärts und rückwärts (ZSv /ZSr)
eingesetzt. Seltener findet eine Kurzform des Letter CancellationTests (LCT) oder der Trail-Making-Test (TMT-A) Anwendung.
Ziel der hier vorgestellten Studien ist der Vergleich verschiedener
Aufmerksamkeitskurztests hinsichtlich ihrer Trennschärfe bezüglich des Delirs bei älteren Akuterkrankten mit und ohne Demenz.
Methode: 133 geriatrische Akutaufnahmen (Alter 80,2 +/- 8J, 70 –
100 J., 70 % weiblich) wurden nach DSM-IV-Kriterien (konsensusüberprüft) den Diagnosen Demenz (D, n=70), Demenz+Delir (DD,
n=23) und kognitiv Unauffällige (KU, n=38) zugeteilt. Zur Aufmerksamkeitserfassung wurden Wortmerkspanne und Rückwärtsbuchstabieren (MMST) und die Zahlenmerkspannen vorwärts und
rückwärts verglichen. In einer Pilotstudie (n=15) wurden zusätzlich noch LCT und TMT-A herangezogen.
Diskussion / Ergebnisse: MMST-Gesamtscore und Einzelfaktoren
(außer der Wortmerkspanne!) sowie Zahlenmerkspannen trennten
KU gut von D und DD (p<0,001), eine signifikante Unterscheidung
von D und DD wurde jedoch nur mit der ZSv (p<0,05), nicht aber
mit den MMSE-Faktoren (p>0,2) erreicht. In den Verlaufsunter­
suchungen erwiesen sich LCT und TMT-A als weniger trennscharf
als ZSv. Fazit: Zusammenfassend finden sich Hinweise, dass die
Zahlenmerkspanne vorwärts ein gutes Maß für die Aufmerksamkeitsstörung beim Delir auch bei vorbestehender Demenz darstellt,
während die MMSE-Untertests eher ungeeignet erscheinen. Im
Delirscreening und im Konsiliardienst sollte deshalb die Zahlenmerkspanne vorwärts diagnostisch eingesetzt werden.
008
Leuchtturm-Projekt MAKS-aktiv! – nicht-medikamentöse Therapie
bei Demenzpatienten im Pflegeheim: Zwischenergebnisse zur primären Hypothese
Katharina Luttenberger (Psychiatrische Uniklinik, Med. Psychologie /
Soziologie, Erlangen)
B. Eichenseer, C. Donath, R. Stemmer, F. Müller, E. Gräßel
Einleitung: Bislang gibt es kaum Ergebnisse aus kontrolliert-­
randomisierten Studien zur Effektivität nicht-medikamentöser
Therapien bei Menschen mit Demenz. Klinische Studien zur Wirksamkeit der Kombination alltagspraktischer, psychomotorischer
und kognitiver Trainingselemente existieren noch nicht. MAKS aktiv! ist die erste kontrollierte, randomisierte Studie zur Effektivität
einer nicht medikamentösen multimodalen Therapie in Pflege­
heimen. Ziel: Die Wirksamkeit eines an sechs Tagen in der Woche
durchgeführten, manualgestützten Trainings in Bezug auf alltags-
Topic 1 G Organische psychische Störungen, Demenz, F0 // Organic mental disorders, dementia, F0
praktische (ADL-Activities of Daily Living) und kognitive Fähigkeiten von Menschen mit Demenz im Pflegeheim soll im Rahmen
einer sechsmonatigen Verlaufsstudie im Prä(t0)-Post(t1)-Vergleich
untersucht werden.
Methode: Die primäre Hypothese besagt, dass die multimodale
Aktivierungstherapie in einem Beobachtungszeitraum von sechs
Monaten zu signifikant besseren alltagspraktischen und kognitiven
Fähigkeiten in der Interventionsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe führt und zwar dahingehend, dass die Fähigkeiten in der
Interventionsgruppe im Durchschnitt konstant bleiben, während
in der Begleitgruppe die Fähigkeiten entsprechend dem chronisch
progredienten Krankheitsverlauf weiter abnehmen. Bis jetzt (Juni
2009) liegen t0 und t1-Daten von 81 Bewohnern aus fünf Pflege­
heimen vor. Alle Teilnehmer haben eine Demenz laut Arzturteil
und einen MMST<24, 41 davon bilden die randomisierte Kontrollgruppe. Ausschlusskriterien waren Pflegestufe 3 und Gruppen­
untauglichkeit wie bspw. Blindheit. Beide Gruppen wurden hinsichtlich kognitiver (ADAS-kog), alltagspraktischer (E-ADL) und
pflegerelevanter Aspekte untersucht. Die Erhebung der primären
Variablen erfolgte verblindet.
Diskussion / Ergebnisse: Das Projekt befindet sich noch in der
Auswertungsphase (Stand Juni 09). Aktuelle Zwischenergebnisse
werden vorgetragen.
009
Neurale Korrelate des DemTect – Eine FDG-PET-Studie
Timo Woost (MPI Leipzig, Neurologie)
J. Dukart, S. Frisch, A. Horstmann, K. Müller, M. L. Schroeter
Einleitung: Der DemTect ist ein insbesondere in Deutschland häufig eingesetztes Screeningverfahren in der Demenzdiagnostik. Deshalb ist eine Charakterisierung der mit den Einzelaufgaben des
DemTect assoziierten neuralen Netzwerke von großer Bedeutung.
Methode: In unserer Studie führten wir eine voxelbasierte Analyse
durch, in der wir die Korrelation der Leistungen in den Einzel­
aufgaben des DemTect mit der Intensität der zerebralen Glukose­
utilisation, gemessen mit der [18F]-Fluorodeoxyglukose-Positronenemissionstomographie (FDG-PET) unter Ruhebedingungen,
untersuchten. Hierbei wurden Patienten mit verschiedenen neurodegenerativen Erkrankungen einbezogen (insbesondere Demenz
vom Alzheimer-Typ sowie frontotemporale lobäre Degeneration).
Diskussion / Ergebnisse: Bessere Leistungen in den Teilaufgaben
„Zahlenfolge rückwärts“, „Zahlen umwandeln“ und der „Supermarktaufgabe“ waren mit erhöhtem linksseitig-frontolateralen
Metabolismus assoziiert. Für die Aufgabe „Zahlen umwandeln“
bestand zusätzlich ein signifikanter Effekt bezüglich des inferioren
lateralen parietalen Lobulus. Die Werte der Wortliste korrelierten
mit ausgeprägterem Metabolismus in einem temporofrontalen
Netzwerk. Zusammengefasst leistet die Studie einen Beitrag zum
Verständnis derjenigen Netzwerke, welche mit dem DemTect untersucht werden können.
010
DemTect-B: eine Parallelversion des kognitiven Screeninginstruments DemTect zur Erfassung leichter kognitiver Beeinträchtigungen und Demenz
Elke Kalbe (Forschungszentrum Jülich, Kognitive Neurologie Institut
für Neurowissenschaft)
P. Calabrese, J. Kessler
Einleitung: Das Screeningverfahren DemTect hat sich seit seiner
Einführung im Jahr 2000 als sensitives Instrument zur Erkennung
von Patienten mit leichten demenziellen Syndromen und Patienten
mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen (Mild Cognitive Impairment, MCI) etabliert und wird in nationalen Leitlinien (DGN)
und auch international (z. B. Canadian Consensus Conference on
Dementia) empfohlen. Da bei der erneuten Durchführung psycho-
metrischer Verfahren im Rahmen von Verlaufsuntersuchungen
Lern- bzw. Retest-Effekte auftreten können, wurde nun eine Parallelversion des DemTect entwickelt: der DemTect-B.
Methode: Es wurden parallele Versionen zu allen DemTect-Subtests erstellt, d. h. Wortlisten lernen, Zahlentranskodieren, Wort­
generierungsaufgabe, Zahlenspanne rückwärts und verzögerter
Abruf der Wortliste. Die Äquivalenz der Subtests beider DemTectVersionen wurde bei 80 gesunden Personen (Mittelwert (MW) des
Alters 65.1 Jahre, SD: 9.8 Jahre, Range 50 – 82, 34 Männer) mittels
t-Tests für abhängige Stichproben überprüft. DemTect und
DemTect-B wurden in randomisierter Reihenfolge durchgeführt.
Diskussion / Ergebnisse: Es ergaben sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den korrespondierenden Untertests mit Ausnahme der verbalen Flüssigkeitsaufgabe (Supermarkt-Aufgabe im
DemTect, MW: 23.4, SD: 4.9 versus Kategorie Tiere im DemTect-B,
MW: 22.0, SD: 5.0, p=0.007). Für diesen DemTect-B-Subtest wurden daher neue Verrechnungsroutinen erstellt. Für alle anderen
Subtests konnten die Transformationen des DemTect verwendet
werden. Mit dieser Prozedur gab es keine signifikanten Unterschiede mehr zwischen den transformierten DemTect-Gesamtwerten
(max. 18 Punkte, DemTect: MW: 15.9, SD: 1.9 vs. DemTect MW:
15.5, SD: 2.4). DemTect und DemTect-B Werte und ihre Interpretation können aufgrund der Äquivalenz beider Testversionen problemlos übertragen werden. Der DemTect-B ist somit ein nützliches
Instrument, um den kognitiven Status in einer Follow-up-Unter­
suchung bei Patienten mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen
und Patienten mit leichter Demenz zu erfassen.
011
Dissociating Behavioral Disorders in Dementia with FDG-PET
Matthias Schroeter (MPI, Kognitive Neurologie, Leipzig)
S. Frisch, B. Vogt, G. Becker, H. Barthel, A. Villringer, O. Sabri
Introduction: Neurodegenerative disorders are a major public
health problem that is even expected to increase in the future. Be­
side cognitive impairments behavioral disorders are very frequent.
Al­though former functional imaging studies identified the substrates of single behavioral deficits, a systematic approach has not been
applied until now. Accordingly, the present study aimed at characterizing systematically the functional neural correlates of behavioral disorders in dementia.
Method: Behavioral impairment was assessed with the Neuropsychiatric Inventory and brain glucose utilization was measured by
[18F]fluorodeoxyglucose positron emission tomography (FDGPET) and analyzed voxelwise using statistical parametric mapping
(SPM) in 54 subjects suffering mainly from Alzheimer‘s disease,
and frontotemporal lobar degeneration. Additionally, subjects with
mild cognitive impairment and subjective memory complaint were
involved.
Discussion / Results: Apathy, disinhibition and eating disorders
were mainly associated with frontomedian hypometabolism (single
factor analysis). The other factors as measured with the Neuropsychiatric Inventory did not show significant effects. More specifically, apathy was related to impairments in the motivational dopaminergic neural network, disinhibition to both anterior temporal
lobes including the anterior hippocampi and left amygdala, caudate
head, orbitofrontal cortex and insula, and eating disorders to the
right lateral frontal cortex (multiple regression analysis in­cluding
the three aforementioned relevant behavioral disorders). Behavioral deficits were independent of executive dysfunction, supported
also by the frontal lobes. Our study contributes to the understanding of behavioral deficits in dementia by dissociating systematically their functional neural correlates.
31
Topic 1 G Organische psychische Störungen, Demenz, F0 // Organic mental disorders, dementia, F0
Donnerstag, 26. 11. 2009, 13.30 – 15.00 Uhr, Halle 11.1
P-005 Posterpräsentation
Diagnostik / Therapie (F0)
Vorsitz: I. Neuner (Aachen)
001
Resuscitating the Heart but Losing the Brain – Brain Tissue Loss
in the Aftermath of Cardiac Arrest
Matthias Schroeter (MPI, Kognitive Neurologie, Leipzig)
A. Horstmann, S. Frisch, T. Jentzsch, K. Mueller, A. Villringer
Introduction: Myocardial infarction and cardiac arrest are serious
and frequent health threats. Many survivors of cardiac arrest are left
with considerable long-term impairments due to a transient hypoxic state of the brain. Traditionally, these patients are known to suffer most prominently from an amnesic syndrome. But a close look
to the literature reveals that impairments may encompass a large
number of additional neuropsychological deficits, as for example
behavioural (esp. apathy) and executive deficits. To date, there is no
complete and unbiased documentation of the affected brain areas
in humans in vivo. We explored the pattern of structural changes in
gray matter following cardiac arrest to investigate the neural basis
of neuropsychological deficits.
Method: Using voxel based morphometry of T1-weighted structur­
al magnetic resonance images of the whole brain we analyzed gray
matter loss in a sample of 12 patients which encountered cardiac
arrest with subsequent resuscitation. Data from the patient group
were compared to an age- and sex-matched control group. Additionally, gray matter values were correlated with neuropsychological
scores of the patients to ensure specificity of identified gray matter
loss.
Discussion / Results: We found extensive lower gray matter density
in the anterior, medial and posterior cingulate cortex, the precuneus, the insular cortex, the posterior hippocampus and the dorsomedial thalamus within the patient group. Memory impairment
scores correlated best with gray matter loss in the inferior precuneus, apathy scores correlated best with tissue loss in the anterior
cingulate cortex. The study contributes to the understanding of
neuropsychological impairments in patients after cardiac arrest.
002
Kognitiv-verhaltenstherapeutische ressourcenorientierte Therapie
früher Demenzen im Alltag – Die KORDIAL-Studie
Alexander Kurz (Klinikum rechts der Isar, Klinik für Psychiatrie und
Psyotherapie, München)
B. Cramer, S. Egert, L. Frölich, H.-J. Gertz, C. Knorr, A. Thöne-Otto,
S. Wagenpfeil, K. Werheid
Einleitung: Die wachsende öffentliche Aufmerksamkeit gegenüber
kognitiven Störungen im Alter und die Verbesserung der diagnostischen Techniken haben dazu geführt, dass die Alzheimer-Krankheit in einem frühen klinischen Stadium identifiziert werden kann.
Am Beginn einer Demenz sind Krankheitseinsicht, Lernfähigkeit
und Anpassungsvermögen der Betroffenen zumindest teilweise erhalten. Daher setzen sich die Patienten mit emotionsbezogenen
und problembezogenen Strategien mit ihren Einschränkungen auseinander, was häufig zu depressiver Verstimmungen führt. Die erhaltenen Fähigkeiten werden jedoch bislang für eine positive
Krankheitsbewältigung nur unzureichend genutzt.
Methode: Wir haben ein neuropsychologisch begründetes verhaltenstherapeutisches Programm entwickelt, das auf die Bedürfnisse
und Fähigkeiten von Patienten mit beginnender Demenz zugeschnitten ist. Es umfasst 12 individuelle Therapiesitzungen, 6 davon
unter Teilnahme der Bezugspersonen. Schwerpunkte der Interven-
32
tion sind Etablierung von Verhaltensroutinen, Verwendung von
externen Gedächtnishilfen, Stärkung von Identität und Selbstwert
sowie Aufbau angenehmer Tätigkeiten. Die KORDIAL-Studie ist
eine multizentrische, randomisierte, kontrollierte, einfach-blinde
Parallelgruppen-Studie zur Evaluation der Wirksamkeit dieses Programms im Vergleich zur Standardbehandlung. Als primäre Zielgröße wurde die Funktionsfähigkeit im Alltag gewählt, sekundäre
Zielgrößen sind Lebensqualität und Stimmung der Patienten. Die
Datenerhebung findet durch unabhängige Beobachter vor der Therapie, nach der Therapie, sowie nach weiteren 6 Monaten statt. Zusätzlich werden Patienten, Angehörige und Therapeuten nach Abschluss der Therapie zu ihrer Einschätzung der einzelnen Module
befragt.
Diskussion / Ergebnisse: 201 Patienten mit leichtgradiger Demenz
bei Alzheimer-Krankheit (mittleres Alter 75 Jahre, mittlerer
MMST-Wert 25 Punkte) nahmen an der Studie teil. Das Therapieprogramm wurde sowohl von den Patienten als auch von ihren
Bezugspersonen sehr positiv aufgenommen, die Zahl vorzeitiger
Studienabbrüche war aussergewöhnlich gering. Die individuelle
Relevanz der einzelnen Programmkomponenten zeigte einen Zusammenhang mit dem Alter der Patienten sowie mit der Krankheitseinsicht, nicht jedoch mit dem Schweregrad der kognitiven
Defizite. Die ersten Ergebnisse der KORDIAL-Studie im Hinblick
auf die primären und sekundären Zielgrößen werden vorgestellt
und diskutiert.
003
Anzahl der Komedikationen am Therapiebeginn bei ambulant
behandelten Patienten mit Alzheimer-Demenz
Georg Adler (ISPG, Mannheim)
Y. Ko-Inoshishi, P. Franz, H. Marschner, C. Müller, F. Reinhard,
J. Schulz
Einleitung: Zahlreiche pharmakologische Eigenschaften (z. B. Enzymhemmung, Selektivität für AChE- Isoformen, Plasma-Halbwertszeiten, Metabolismus, Toleranzentwicklung) der Cholinesterase-Hemmer der zweiten Generation (Donepezil, Rivastigmin,
Galantamin) haben einen Einfluss auf die Sicherheit in der Therapie der verschiedenen Demenzen. Ein wichtiger Faktor für die
Sicher­heit der Demenzmedikation ist das Interaktionspotential
durch die bereits zu Therapiebeginn vorliegende Komedikation der
häufig multimorbiden Alzheimer Patienten. Durch eine Erhebung
im niedergelassenen Facharztbereich sollte geklärt werden, wie viele verschiedene Medikamente Alzheimer-Patienten bereits vor dem
Beginn einer Demenztherapie einnehmen.
Methode: In sechs Facharztpraxen wurden die Daten von 80 Pa­
tienten mit leichter bis mittelschwerer Demenz vom AlzheimerTyp (MMST zwischen 10 und 26 Punkten) erhoben.
Diskussion / Ergebnisse: Nur ein Patient von 80 Befragten nahm
vor Beginn der Demenztherapie keine Medikamente ein. 19 % der
Patienten hatten 1 – 2 Medikamente, 67 % der Befragten hatten 3 –
5 Medikamente, 10 % der Befragten hatten 6 – 8 Medikamente, 3 %
der Befragten hatten sogar 9 – 10 Medikamente, kein Patient hatte
mehr als 10 Medikamente zu Beginn der Demenztherapie.
004
Erwartungen von Demenzpatienten und Angehörigen an eine
Demenztherapie mit transdermaler Applikationsform
Georg Adler (ISPG, Mannheim)
Y. Ko-Inoshishi, P. Franz, H. Marschner, C. Müller, F. Reinhard,
G. Schmidt, J. Schulz
Einleitung: Bis 2008 standen zur Therapie der Alzheimer-Demenz
mit Cholinesterase-Hemmern nur orale Applikationsformen zur
Verfügung (Tacrin seit 1993, Donepezil seit 1997, Rivastigmin seit
1998, Galantamin seit 2000). Seit Ende 2007 hat sich das Spektrum
um eine transdermale Applikationsform, das Exelon®-Pflaster
Topic 1 G Organische psychische Störungen, Demenz, F0 // Organic mental disorders, dementia, F0
erweitert. In einer strukturierten Befragung sollte geklärt werden,
wie oft bei Demenzpatienten im niedergelassenen Facharztbereich
bisher bereits in anderen Krankheitsindikationen eine transdermale Applikationsform zur Anwendung gekommen war. Weiterhin
sollte erhoben werden, welche Darreichungsform (oral vs. transdermal) Demenzpatienten und ihre Angehörigen für die Therapie
der Alzheimer- Demenz bevorzugen.
Methode: 81 Alzheimer Patienten mit der Diagnose einer leichten
und mittelschweren Demenz vom Alzheimer Typ (MMST zwischen 10 und 26 Punkten) und ihre Betreuungspersonen wurden in
sieben Facharztpraxen in Form einer strukturierten Erhebung befragt.
Diskussion / Ergebnisse: Von den 81 befragten Demenzpatienten
waren 13 schon einmal mit einer transdermalen Medikation behandelt worden. Für 67 Patienten war die Applikation des Medikamentes in Form eines Pflasters neu. Bei einem Patient lagen keine
Informationen vor. Bei der Befragung zur Notwendigkeit von
Überzeugungsarbeit bei der Anwendung des Exelon®-Pflasters vs.
bei der oralen Einnahme des Medikaments glaubten 22 von 81 befragten Angehörigen, dass bei dem Pflaster keine Überzeugungs­
arbeit notwendig sei, wohingegen dies nur 16 für die Einnahme der
Kapsel annahmen. Die Angehörigen von 31 der 81 Patienten nahmen an, dass sie meistens oder immer die orale Einnahme unterstützen müssten, wohingegen dies nur 11 für die transdermale Applikationsform annahmen. Dementsprechend waren die Daten zur
Einfachheit der Anwendung. Hier gaben 61 der 81 Befragten an,
dass sie die Pflasterapplikation als sehr einfach oder einfach ansahen. Dies war bei der oralen Applikation nur bei 36 der Befragten
der Fall. Als sehr schwierig wurde die Einnahme des Medikamentes
in 14 Fällen bei der oralen Gabe eingestuft, wohingegen keiner der
Befragten dies für das Pflaster angab. Die Ergebnisse der strukturierten Befragung zeigen die positiven Erwartungen der Patienten
und Angehörigen hinsichtlich einer transdermalen Medikamentengabe, obwohl sie bislang wenig Erfahrung mit dieser Applika­
tionsform hatten.
005
Acute onset of sCJD (sporadic Creutzfeld-Jakob Disease) mimics post-traumatic reaction after bombing attack: A case report
Agorastos Agorastos (Universitätsklinikum Hamburg, Psychiatrie
und Psychotherapie)
C. Muhtz, M. Kellner
Introduction: The differentiation of organic and psychogenic stupor is of major relevance in clinical practice. Mutistic stupor is a
clinical manifestation of many psychiatric disorders, where the basal ganglia, frontal lobes and limbic system are involved.
Method: We report an unusual case of sCJD with mutistic stupor
and exaggerated startle, initially suspected as a post-traumatic dissociative reaction.
Discussion / Results: The reported case demonstrates that symptoms caused by sCJD-onset may mimic post-traumatic symptoms.
The extensively observed psychiatric symptoms especially in the
early begin of sCJD contribute to common erroneous clinical diagnoses and thereby subsequent admission to psychiatric clinics.
Exaggerated startle response and mutistic stupor after severe traumatic experiences sometimes have non-trauma-related etiopathogenesis and require a careful differential diagnostic procedure.
006
Prädiktion der Wirksamkeit von Rivastigmin bei Patienten mit
Parkinson-Demenz
Miriam Bektas (ISPG, Mannheim)
Y. Ko-Inoshishi, Y. Lembach, S. Becker, A. Kupsch, E. Scholz, A. Lankow, G. Adler
Einleitung: Rivastigmin, ein pseudo-irreversibler Hemmer der
Acetyl­cholinesterase, ist wirksam bei der Behandlung der Parkinson-Demenz (PD). Das cholinerge Defizit ist bei der PD stärker
ausgeprägt als bei der Alzheimer-Demenz (AD). Auf neuropsychologischer Ebene entsprechen dem cholinergen Defizit am ehesten
Störungen von Aufmerksamkeit und Kurzzeitgedächtnis und das
Auftreten von visuellen Halluzinationen. Auf elektrophysiologischer Ebene wird das cholinerge Defizit durch eine Erhöhung der
Theta-Aktivität im EEG abgebildet. Bei Patienten mit AD hat sich
gezeigt, dass eine Abnahme der Theta-Aktivität im EEG nach zweiwöchiger Behandlung mit Rivastigmin eine gute längerfristige
Wirksamkeit dieses Medikaments prädiziert. Daher kann erwartet
werden, dass sich die therapeutische Wirksamkeit von Rivastigmin
bei Patienten mit PD auch durch klinische Anzeichen des cholinergen Defizits und durch die Abnahme einer erhöhten Theta-Aktivität im EEG prädizieren lässt.
Methode: Im Rahmen der RIVAPARK-Studie untersuchen wir die
Zusammenhänge zwischen verschiedenen Indikatoren eines cholinergen Defizits und der therapeutischen Wirksamkeit von Riva­
stigmin bei 150 ambulant behandelten Patienten mit PD. Diese Indikatoren des cholinergen Defizits, insbesondere Störungen der
Aufmerksamkeit und des Kurzzeitgedächtnisses, visuelle Halluzinationen und EEG-Theta-Aktivität werden vor Behandlungsbeginn
und nach zweiwöchiger Behandlung mit Rivastigmin untersucht.
Das Behandlungsergebnis wird sechs und zwölf Monate nach Behandlungsbeginn erhoben. Als Behandlungserfolg wird eine Verbesserung oder Stabilisierung von kognitiver Leistungsfähigkeit
und Alltagsfunktion verstanden.
Diskussion / Ergebnisse: Bislang wurden Daten von 23 Patienten
mit PD ausgewertet. Es sind 14 Männer und 9 Frauen im Alter zwischen 61 und 83 Jahren (Mittel: 75,3 Jahre). Die Mini Mental StateScores lagen zwischen 15 und 27 (Mittel: 23,7). Nach zweiwöchiger
Behandlung mit Rivastigmin zeigten sich signifikante Verbesse­
rungen in der Aufmerksamkeitsleistung (Alterskonzentrationstest,
AKT) und im verbalen Kurzzeitgedächtnis und die Theta-Leistung
im EEG hatte abgenommen. Bereits unter kurzfristiger Behandlung
mit Rivastigmin zeigen sich neuropsychologische und elektrophysiologische Veränderungen, die wahrscheinlich in Zusammenhang
mit der cholinergen Wirkung von Rivastigmin stehen. Es ist zu erwarten, dass diese Parameter für eine Prädiktion der Wirksamkeit
von Rivastigmin geeignet sind.
007
Active amyloid-ß 1-42 immunization impairs cognition in
healthy mice through TLR 2 / 4-dependent activation of the innate
immune system
Patrick Vollmar (Klinikum rechts der Isar, Neurologie, München)
J. Kullmann, B. Thilo, M. Claussen, H. Jacobi, S. R. Kalluri, H.-P.
Hartung, S. Nessler, B. Hemmer
Introduction: Active immunization with amyloid-ß 1-42 (Aß) was
shown to remove amyloid plaques in the CNS. However, immunization with Aß 1-42 may cause meningoencephalitis in humans or
an experimental autoimmune encephalomyelitis (EAE)-like disease
in mice. In the present study, we investigated the cognitive and immunological phenotype of healthy C57 / BL6 mice challenged with
active Aß immunization.
Method: Healthy C57 / BL6 wild-type and toll-like receptor 2 / 4
(TLR 2/4) deficient mice were actively immunized with Aß 1-42
peptide. Control mice were challenged with myelin oligodendrocyte glycoprotein (Mog) 35-55 immunization or with adjuvant alone.
Behavioral phenotype, habituational learning and visuospatial object recognition was determined in the open field paradigm. Immunohistochemistry and gene expression analysis were performed to
characterize the histopathological phenotype.
Discussion / Results: Immunization significantly altered the behavioral phenotype of mice compared to control mice. Aß mice re-
33
Topic 1 G Organische psychische Störungen, Demenz, F0 // Organic mental disorders, dementia, F0
vealed decreased locomotor activity, reduced habituational learn­
ing and highly deficient spatial-learning abilities in an object
recog­nition task. Immunohistochemistry and gene expression analysis revealed strong recruitment of macrophages and microglia
cells to the CNS accompanied by severe reactive gliosis in the cerebrum and brainstem. Active immunization of TLR 2 / 4 - / - mice
did not cause the behavioral phenotype observed in wild-type animals. We conclude that the behavioral abnormalities of Aß immunization are mainly mediated by the TLR 2 / 4 dependent activation
of macrophages. These results further demonstrate the proinflammatory properties of Aß and underline the danger of immunization
with autoantigens.
008
Zwanghafte Suizidgedanken unter Tiefenhirnstimulation bei
M. Parkinson
Saadet Arda (Universitätsklinikum Ulm, Psychiatrie und Psycho­
therapie)
N. Osterfeld, M. Kölle, R. Freudenmann
Einleitung: Die Tiefenhirnstimulation (deep brain stimulation,
DBS) im Bereich des Ncl. subthalamicus (STN, DBS) wurde weltweit bei mehr bei mehr als 20.000 Patienten mit fortgeschrittenem
Morbus Parkinson etabliert und findet weitere Anwendungen. Es
mehren sich allerdings Hinweise für postoperative psychopathologische Auffälligkeiten mit affektiven Störungen (vor allem Depression) und Enthemmungsphänomenen (z. B. pathologisches Spielen,
Hypersexualität), zudem fanden retrospektive Studien Suizidver­
suche und Suiziden bei bis zu 3 % der Patienten unter DBS (Soulas
et al. 2008, Voon et al. 2008). Umgekehrt wurde die DBS in der
Psychiatrie erfolgreich bei einzelnen Patienten mit therapieresi­
stenten Depressionen (anteriores Cingulum) und Zwangsstörungen (ventrales Striatum, Commissura anterior) eingesetzt.
Methode: Wir berichten den Fall einer 65-jährigen Patientin mit
einem therapierefraktären M. Parkinson. DBS des STN hatte zu einer erheblichen Besserung von Beweglichkeit, Gehstrecke und
Lebensqualität geführt, die Elektrodenfunktion und -lokalisation
war optimal und die Parkinsonmedikation konnte auf Pramipexol
reduziert werden. Vier Monate postoperativ aber entwickelten sich
bei ihr repetitive, ich-dystone, nicht eingegebene Gedanken sich
töten zu müssen. Psychopathologisch handelte es sich um Zwangsgedanken mit suizidalem Inhalt, welche seit knapp einer Woche
bestanden. Bemerkenswert war das vollkommene Fehlen depressiver Symptomatik. Es gab auch keinen Hinweis für psychotisches
Erleben (unter Dopaminergika). Unter einer vergleichsweise nie­
drigen, altersadaptierten SSRI-Dosis von Sertralin (50 mg) sistierten die suizidalen Intrusionen. Die Einstellungen der Stimulationseinheit waren nicht verändert worden.
Diskussion / Ergebnisse: Im vorliegenden Fall entwickelten sich
unter DBS des STN zwanghafte Suizidgedanken ohne manifeste depressive Symptomatik. Sie sprachen auf eine Behandlung mit einem
SSRI an. Angesichts der stark zunehmenden Verbreitung der DBSscheinen postoperative fachpsychiatrische Statuserhebungen sinnvoll, bis prospektive Studien das Risiko für Suizide und die Vielzahl
anderer psychopathologischer Auffälligkeiten unter dieser Technik
geklärt haben. Neben Impulsivität und affektiven Störungen ist dabei auch auf Zwangsphänomene zu achten.
34
009
Projekt IDA – Diagnostik und Therapie von Demenzpatienten im
Stadt-Land-Vergleich
Carolin Donath (Universitätsklinik Erlangen, Psychiatrie – Med. Psychologie)
M. Großfeld-Schmitz, S. Kunz, J. Lauterberg, S. Wunder, H. Mehlig,
C. Haag, R. Holle, E. Gräßel
Einleitung: Die Optimierungsmöglichkeiten der kooperativen Ver­
sorgung von in häuslicher Umgebung lebenden Demenzpatienten
durch ihre Angehörigen und das primärärztliche Setting sind bisher kaum erforscht. Deswegen wird das Projekt IDA (Initiative
Demenzversorgung in der Allgemeinmedizin), eine dreiarmige
cluster-randomisierte kontrollierte Studie, im Hausarztsetting der
Region Mittelfranken durchgeführt. Ziel: Eine Beschreibung der
Diagnostik, der medikamentösen und nichtmedikamentösen Versorgung durch die Hausärzte sowie die Verbreitung des Einbeziehens von Fachärzten für Psychiatrie zur Diagnose­abklärung soll im
Stadt-Land-Vergleich erstellt werden.
Methode: Insgesamt wurden 390, mindestens 65 Jahre alte, Patienten mit leichter bis mittlerer Demenz nach ICD-10 Kriterien von
129 Allgemeinärzten im Zeitraum 07 / 05 bis 12 / 06 für die Studie
rekrutiert. Die kognitive Leistungsfähigkeit wurde mit dem MMST
erfasst. Eingeschlossen wurden Patienten mit einem MMST-Wert
von 10 – 24 Punkten. Die Hausärzte wurden zur medikamentösen
und nichtmedikamentösen Versorgung und Abklärung der Diagnose bei Studienaufnahme befragt.
Diskussion / Ergebnisse: Die Versorgung hinsichtlich klinischer
Diagnostik, Überweisung zum Facharzt und Therapie unterscheidet sich nicht zwischen städtischen und ländlichen Praxen. Es zeigten sich lediglich signifikante Unterschiede im Einsatz von Bild­
gebung zwischen Stadt (57,9 %) und Land (42,7 %). Insgesamt
54,1 % der Patienten (N = 211) sind schon vor Studienbeginn an
einen Facharzt wegen Demenz überwiesen worden. Bei den Patienten, wo dies nicht erfolgte (N = 173), wurde bei N = 15 (3,8 %) eine
Überweisung aktuell veranlasst. 18,7 % (N = 73) der Patienten bekommen Antidementiva (Cholinesterasehemmer bzw. Glutamatmodulatoren) verordnet. Nichtmedikamentöse Therapien werden
von 13,3 % (N = 52) der Stichprobe in Anspruch genommen.
010
Pflegeaufwand im Heim: Validierung des RUD-FOR Time (Resource
Utilization in Dementia – FORmal Carers’ TIME use) im Rahmen des
Leuchtturmprojekts MAKS-aktiv!
Katharina Luttenberger (Psychiatrische Uniklinik, Med. Psychologie/
Soziologie, Erlangen)
E. Gräßel
Einleitung: Neben medizinischen Kosten spielt bei der Versorgung
von Menschen mit Demenz auch die Pflegezeit eine große Rolle.
Das gilt auch dann, wenn die Betroffenen, wie dies bei einem Drittel aller Demenzpatienten in Deutschland der Fall ist, im Heim versorgt werden. Zur Erfassung der direkten Pflegezeit im Heim gibt
es noch keinen standardisierten Erhebungsbogen. Ziel dieser Arbeit ist die Validierung des von uns entwickelten „RUD FOR Time“
auf der Basis des „RUD lite“ von Wimo 2003.
Methode: Im Leuchtturmprojekt MAKS-aktiv! zur Evaluation
nicht-medikamentöser Therapie im Pflegeheim, gefördert vom
BMG, wurden bis zum jetzigen Zeitpunkt (Juni 2009) 151 Bewohner in Bezug auf ihre kognitiven (ADAS-kog) und alltagsprak­
tischen (E-ADL) Fähigkeiten und auf ihre Selbstständigkeit im Alltag (NOSGER, Barthel) untersucht. Mit dem an die spezifische
Situation im Pflegeheim angepassten RUD-FOR Time wurde die
Zeit, die von Pflegekräften für eine bestimmte Person aufgewendet
wird, erfasst. Wichtigste Neuerung ist die Erstellung eines Zeit­
planes, der eine Woche lang exemplarisch die aufgewendete Zeit
über alle Pflegedienst-Schichten erfasst. Mittels Korrelationsanaly-
Topic 1 G Organische psychische Störungen, Demenz, F0 // Organic mental disorders, dementia, F0
sen wird die Konstrukt- und kriterienbezogene Validität des RUD
FOR-Time überprüft.
Diskussion / Ergebnisse: Das Projekt befindet sich noch in der
Auswertungsphase (Stand Juni 09). Aktuelle Ergebnisse werden
vorgetragen.
011
Comparison of Global and Cerebellar Normalization in FDG-PET
Studies with regard to Detection and Differentiation of Dementia
Jürgen Dukart (Max-Planck-Institut, NMR Unit und Neurowissenschaften, Leipzig)
K. Mueller, A. Horstmann, B. Vogt, S. Frisch, H. Barthel, G. Becker,
H. E. Moeller, A. Villringer, O. Sabri, M. L. Schroeter
Introduction: FDG-PET ([18F]fluorodeoxyglucose positron emission tomography) is frequently used to improve the differential diagnosis of dementia. However, a fundamental methodological issue
of the reference area for the intensity normalization procedure is
still unsolved. Here, we systematically compared the two most
commonly used normalization methods to the cerebral and to the
cerebellar metabolic rate for glucose with regard to detection and
differentiation of dementia syndromes.
Method: FDG-PET imaging was performed on 19 subjects with
early Alzheimer‘s disease, 13 subjects with early frontotemporal lobar degeneration and 10 subjects complaining of memory impairment, which had not been confirmed by comprehensive clinical
testing. Images were normalized to either the cerebral or the cerebellar metabolic rate for glucose. Differences in relative regional
glucose metabolism were assessed by voxelwise comparison.
Discussion / Results: Analysis using the two normalization procedures revealed remarkable differential effects. Whereas cerebellar
normalization was superior in identifying dementia patients in
comparison to control subjects, cerebral normalization showed better results for differential diagnosis between types of dementia.
These effects were shown for both, Alzheimer‘s disease and frontotemporal lobar degeneration. Relative hypermetabolism in comparison to the control group was only detected in both kinds of
dementia using global normalization. The results indicate that normalization has a decisive impact on diagnostic accuracy in dementia. While cerebellar normalization seems to be more sensitive for
early diagnosis, cerebral global normalization might be superior for
differential diagnostic purposes in dementia syndromes.
012
Religiöser Wahn – ein seltenes Symptom bei Multipler Sklerose
Godehard Weniger (Psychiatrische Uniklinik, Klinik West, Zürich)
C. Schell, Ö. Yaldizli
Einleitung: Die Prävalenz psychiatrischer Symptome bei Multipler
Sklerose (MS) beträgt bis zu 50 % (1). Am häufigsten kommen affektive Störungen und neurokognitive Defizite vor. Berichte von
Psychosen bei MS-Patienten sind anekdotisch, noch seltener sind
psychotische Symptome.
Methode: Im psychopathologischen Befund dominierte ein umständliches und ideenflüchtiges Denken sowie ein Beziehungswahn
mit religiösen Wahngedanken. Im Liquor waren 9 Zellen / µl, oligoklonale Banden nachweisbar. Die kranielle Kernspintomographie
zeigte disseminierte, mehr als 9 demyelinisierende Läsionen, ohne
Kontrastmittelaufnahme. Die motorisch evozierten Potenziale
zeigten eine verlängerte zentral motorische Latenz zum linken
Bein. Die kernspintomographische Verlaufskontrolle nach 3 Monaten zeigte eine weitere neue demyelinisierende Läsion periventrikulär links.
Diskussion / Ergebnisse: Nach den revidierten McDonald Kriterien (2005) ist die Diagnose einer klinisch sicheren MS zu stellen.
Wir interpretieren die subakute Entwicklung des religiösen Wahns
als zweiten Schub der MS, wenngleich in klinischen MS-Studien
psychiatrische Symptome einschließlich Fatigue operationalisiert
nicht als Schub gewertet werden. Differenzialdiagnostisch kommt
eine zufällige Koinzidenz von psychotischer Episode und MS in
Frage, was durch die fehlende Hirnschrankenstörung im MRI gestützt würde. Für einen kausalen Zusammenhang könnte aber sprechen, dass neuropsychiatrische Auffälligkeiten bei MS-Patienten in
bis zu 50 % der Fälle auftreten, unser Patient eine hohe Läsionslast
aufwies und die Läsionen wie für MS-Patienten mit psychotischen
Symptomen typisch (2 – 5) vorwiegend temporal sowie frontopa­
rietal lokalisiert waren. Auf der Basis weiterer in der Literatur verfügbaren Einzelfälle und vor dem Hintergrund der Jasper‘schen
Schichtenregel wird die Frage einer psychiatrischen Symptomatik
einer MS diskutiert.
35
Topic 2 G Psychische Störungen durch psychotrope Substanzen, F1 // Mental disorders due to psychoactive substance use, F1
Topic: 2 Psychische Störungen durch psychotrope Substanzen, F1
Freitag, 27. 11. 2009, 10.30 – 12.00 Uhr, Saal Istanbul
HS-014 Hauptsymposium
Suchtgenetik: Aktuelle Marker von Erkrankungsrisiko und Therapieverlauf
Vorsitz: F. Kiefer (Mannheim), G. Winterer (Düsseldorf)
001
Genetik der Nikotinabhängigkeit: Befunde aktueller Assoziationsstudien
Georg Winterer (Heinrich-Heine Universität, Psychiatrie und Psychotherapie, Düsseldorf)
002
GABA-A Rezeptor assoziierte Risikogene der Alkoholabhängigkeit
Michael Soyka (Privatklinik Meiringen, Psychiatrie und Psychotherapie)
G. Koller, B. Bondy, P. Zill, U. Preuss
Akuter und chronischer Alkoholkonsum beeinflussen eine Reihe
von Neurotransmitter-systemen, insbesondere GABA. Seit langem
ist bekannt, dass akuter Alkoholkonsum die GABAerge-Neurotransmission verstärkt, entsprechend den klinischen Effekten Se­
dation und Anxiolyse. US-amerikanische Untersuchungen der
COGA-Gruppe legen nahe, dass genetische Varianten des GABAA-Rezeptors Alpha 2 Untereinheit mit Alkoholabhängigkeit asso­
ziiert sein könnte. Diese Befunde wurden in eigenen (Soyka et al
2008) und an-deren Stichproben versucht zu replizieren. Eigene
Untersuchungen der Münchener Genbank legen nahe, dass eine
der Haplotypen (T-C-A-C-A-T-C) signifikant mit Alkoholabhängigkeit und anderen Merkmalen der Alkoholkrankheit assoziiert
sein könnte. Daneben scheinen auch andere Risikogene für die
Entwicklung einer Alkoholabhängigkeit von Bedeutung zu sein
(Treutlein et al 2008). Aktuelle Befunde werden diskutiert.
003
Genetik des Opiatentzugs
Bodo Lieb (LVR-Klinikum Essen, Uni Duisburg-Essen Abt. Verhalten
u. Suchtmedizin)
U. Bonnet, M. Specka, S. Augener, H. S. Bachmann, W. Siffert, N.
Scherbaum
Einleitung: Substanzkonsum zur Vermeidung aversiver Entzugssymptome stellt einen wichtigen Teilaspekt der Aufrechterhaltung
der Opiatabhängigkeit dar. Das Opiatentzugssyndrom äußert sich
in erster Linie in Sympathikus-vermittelten Reaktionen (u. a.
Tachy­kardie, Hypertonie, innere Unruhe). Klinische Studien am
Menschen zur Genetik des Opiatentzugs sind bis dato rar. Der
C825T-Polymorphismus der ß3-Untereinheit des heterotrimeren
G-Proteins hat einen starken Einfluss auf die Aktivität des sympathischen Nervensystems. Im Vortrag soll anhand einer eigenen Untersuchung der Frage nachgegangen werden, ob sich das 825T-Allel
als Prädiktor der Schwere des Entzugssyndroms eignet.
Methode: 33 monovalent Opiatabhängige aus einer stationären
Opiatentzugsbehandlung wurden untersucht. Die Entgiftung wurde mit stufenweiser Reduktion einer vorgegebenen individuellen
Methadondosis durchgeführt. Entzugsbeschwerden wurden mit
psychotroper Begleitmedikation behandelt, insbesondere mit Clonidin. Der Hauptparameter für sympathische Aktivität war die
Pulsrate der Patienten in den ersten 3 Tagen nach Beendigung der
Methadongabe.
36
Diskussion / Ergebnisse: Ergebnisse: 22 von 33 Patienten waren
Träger des 825T-Allels. An den ersten 2 Tagen nach Beendigung
der Methadonmedikation zeigte sich die Pulsrate in der T-AllelGruppe (n=22) signifikant (p < 0,05) gegenüber der C-Allel-Gruppe (n=11) erhöht (Tag1: 88,1 vs. 74,6 bpm; Tag2: 90,4 vs. 77,8 bpm).
In der T-Allel-Gruppe erhielten 6 (Tag1) bzw. 7 Patienten (Tag2)
Clonidin-Medikation, in der CC-Allel-Gruppe 1 Patient. Diskus­
sion: Die Anwesenheit des T-Allels des GNB3-Gens hat einen starken Einfluss auf die Pulsrate im Opiatentzug. Ein Drittel der TAllel-Träger erhielt Clonidin zur Reduktion der sympathischen
Hyperaktivität. Ohne diese Intervention wäre der Effekt ggf. noch
ausgeprägter gewesen. In der Summe scheint das GNB3-Gen ein
vielversprechender Prädiktor der zu erwartenden Entzugssymptomatik von Opiatabhängigen in der Entgiftungsbehandlung zu sein.
Literatur: Lieb B, Bonnet U, Specka M, Augener S, Bachmann HS,
Siffert W, Scherbaum N. Intensity of opiate withdrawal in relation
to the C825T-polymorphism of the G protein beta 3 subunit gene.
Prog Neuropsychopharmacol Biol Psychiatry 2009; 33(4): 663-667.
004
Pharmakogenetik der Alkoholabhängigkeit: Rückfallprädiktion
und Therapieresonse
Falk Kiefer (ZI für Seelische Gesundheit, Suchtklinik, Mannheim)
Mittwoch, 25. 11. 2009, 08.30 – 10.00 Uhr, Saal 6
BS-002 Symposium
Süchtiges Verhalten am Übergang vom Kindes- zum Jugendalter
(DHS und DGKJP)
Vorsitz: J. Böning (Höchberg), R. Schepker (Ravensburg)
001
Süchtiges Verhalten am Übergang vom Kindes- zum Jugendalter:
Aktuelle epidemiologische Datenlage
Ulrike Ravens-Sieberer (UKE Hamburg-Eppendorf, Kinder- / Jugendpsychosomatik)
M. Erhart
Einleitung: Der regelmäßige Konsum psychoaktiver Substanzen
wie Tabak, Alkohol, Cannabis oder Ecstasy stellt eines der wichtig­
sten vermeidbaren Krankheitsrisiken dar. Doch obwohl viele gesundheitsschädliche Konsequenzen hinreichend bekannt sind konsumiert immer noch ein bedeutsamer Anteil der Bevölkerung diese
Substanzen. Auch Kinder und Jugendlichen gehören zu den Betroffenen. In dieser Arbeit werden aktuelle Befunde zur Verbreitung
von Tabak, Alkohol, Cannabis- und Ecstasy bei Kindern und Jugendlichen berichtet.
Methode: Im deutschen Teil der internationalen Studie „Health
Behaviour in School-aged Children (HBSC) 2005/2006“ zur Gesundheit und Gesundheitsverhalten von Schülerinnen füllten über
7000 11-, 13- und 15-jährigen Schülerinnen und Schülern einen
Selbstausfüllfragebogen aus und berichteten Tabak, Alkohol und
Cannabis Konsum. Im Rahmen des BELLA Studienmoduls zur psy­
chischen Gesundheit des bundesweiten Kinder- und Jugend­
gesundheitssurveys (KiGGS) wurden über 2800 Kinder und Jugend­
liche zwischen 11 und 17 Jahren telefonisch und per Fragebogen zu
ihrem Substanzmittelkonsum befragt.
Diskussion / Ergebnisse: Etwa 1 % (0,6 %) der 11-jährigen Jungen
(Mädchen) rauchen wöchentlich. Von den 15-jährigen Jungen
(Mädchen) sind es 16,9 % (22,4 %). Bereits 2,2 % (0,6 %) der 11-­
Jährigen Jungen (Mädchen) konsumieren jede Woche Alkohol. Mit
15-Jahren sind es 24,6 % (14,9 %) der Jungen (Mädchen). Von den
Topic 2 G Psychische Störungen durch psychotrope Substanzen, F1 // Mental disorders due to psychoactive substance use, F1
11-Jährigen Jungen (Mädchen) waren 6,6 % (2,2 %) ein- oder mehrmals in den letzten 12 Monaten betrunken. Mit 15-Jahren sind es
bereits 47 % (46,9 %) der Jungen (Mädchen). Kinder und Jugend­
liche, die regelmäßig Tabak und Cannabis konsumieren, Alkohol
trinken sowie bereits mehrere Alkoholräusche erlebt haben, berichten 2- bis 3-mal so häufig einen schlechteren Gesundheits­
zustand und vermehrtes Auftreten von psychosomatischen Beschwerden als Gleichaltrige mit eher ausnahmsweise Konsum
psychoaktiver Substanzen. Wiederholter Konsum von Marijuana,
Ecstasy, Amphetaminen, Klebstoffschnüffeln oder Medikamentenmissbrauch berichten 4,8 % der 11 bis 17-Jährigen Jungen (Mädchen). Etwa ein Drittel von Ihnen sind in ihrem alltäglichen Wohlbefinden und Funktionieren beeinträchtigt . Die Befunde deuten
auch ohne genauen Nachweis der kausalen Einflussrichtungen auf
die Bedeutung und Notwendigkeit frühzeitige präventiver Maßnahmen zur Eindämmung des Substanzmittelkonsums hin.
002
Untersuchungen zum Einfluss zielgruppenorientierter Werbestrategien auf die Initiierung des Substanzkonsums im Jugendalter
Rainer Hanewinkel (Institut für Therapie- und Gesundheitsforschung
(IFT-Nord), Kiel)
Einleitung: Untersucht wird die Frage, ob ein kausaler Zusammenhang zwischen der Werbung für legale Drogen und der Initiierung
des Substanzkonsums im Jugendalter angenommen werden kann.
Methode: Methodisch hochwertige longitudinale Studien werden
vorgestellt. Die Ergebnisse einer Kohortenstudie mit 3.415 Schülern aus den Bundesländern Brandenburg, Hamburg und Schleswig-Holstein werden ausführlicher dargestellt. Das in dieser Untersuchung herangezogene Werbematerial war „maskiert“, d.h. alle
Hinweise auf Marken- oder Produktnamen waren durch vorherige
Bildbearbeitung gelöscht. Exposition mit Alkohol- und Tabakwerbung wurde erfasst über Wiedererkennung der Werbung und über
korrekte Markenzuweisung.
Diskussion / Ergebnisse: Es zeigt sich, dass (1) ein robuster empirischer Zusammenhang zwischen der Exposition mit Werbung und
dem Konsum legaler Drogen besteht, (2) der Effekt bei erhöhtem
Kontakt größer ist, (3) Jugendliche der Werbung ausgesetzt sind,
bevor sie mit dem Konsum legaler Drogen beginnen, (4) der Zusammenhang wissenschaftlich plausibel erklärt werden und (5)
keine andere Erklärung außer der eines kausalen Zusammenhangs
die Befunde plausibel erklären kann. Zukünftige Forschungsstrategien und präventive Implikationen dieser Forschungsergebnisse
werden diskutiert.
003
Entwicklungspsychologische, soziale und biologische Schutz- und
Risikofaktoren
Rainer Thomasius (UKE Hamburg-Eppendorf, DZSKJ Psychosoziales Zentrum)
M. Stolle
Einleitung: Substanzkonsum und substanzbezogene Störungen im
Kindes- und Jugendalter werden durch ein multifaktorielles biopsychosoziales Modell anhand verschiedener Schutz- und Risikofaktoren beschrieben. Diese beziehen sich auf die Person und das
soziale Umfeld des Jugendlichen sowie gesellschaftliche Rahmenbedingen. Um präventive Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit beurteilen und möglichst spezifisch einsetzen zu können, ist die Kenntnis entsprechender Schutz- und Risikofaktoren obligat.
Methode: Selektive Literaturrecherche unter Zuhilfenahme entsprechender medizinischer, psychologischer und sozialwissenschaftlicher Datenbanken.
Diskussion / Ergebnisse: In der Literatur wird eine Vielzahl von
spezifischen Schutz- und Risikofaktoren in Bezug auf die Entwicklung von substanzbezogenen Störungen berichtet, die jedoch nicht
immer repliziert wurden. Die Befundlage ist darüber hinaus heterogen und die Wechselwirkungen verschiedener Schutz- und Risikofaktoren sind weitest gehend unklar. Die besten Prädiktoren für
kindlichen bzw. jugendlichen Substanzkonsum sind bestimmte
Personen-, Eltern- und Familienmerkmale im Kindesalter, wohingegen im Jugendlichenalter Peer- und sozioökonomische Merk­
male an Bedeutung gewinnen. Der Beginn des Konsums scheint
von den Umfeldbedingungen bestimmt zu werden, demgegenüber
wird die Entwicklung substanzbezogener Störungen (schädlicher
Gebrauch und Abhängigkeit) stark durch genetische Voraussetzungen beeinflusst. Maßnahmen der Verhaltensprävention sollten spezifisch an relevanten Prädiktoren ansetzen. Grundsätzlich gilt, dass
viele Präventionsprogramme noch nicht ausreichend auf ihre
Wirksamkeit überprüft wurden. Evidenz gibt es für kombinierte
Familientrainings mit Kindern in der Präadoleszenz und frühen
Adoleszenz, für interaktive, die Lebenskompetenz aufbauende Programme in der Schule (alle Altersgruppen) sowie für selektive Präventionsmaßnahmen für definierte Risikopopulationen.
004
Behandlungsergebnisse substanzabhängiger Kinder und Jugendlicher in stationärer Behandlung – eine Katamneseuntersuchung
Lutz Wartberg (UKE Hamburg-Eppendorf, Dt. Zentrum für Suchtfragen des Kindes und Jugendalters)
P. M. Sack, E. Thoms, R. Thomasius
Einleitung: Zur Effektivität von kinder- und jugendpsychiatrischen
und psychotherapeutischen Behandlungen auf Spezialstationen für
substanzmissbrauchende Kinder und Jugendliche mit zusätzlichen
psychischen Störungen lagen bisher im deutschsprachigen Raum
keine Forschungsbefunde vor.
Methode: In einer Längsschnittstudie mit vier Messzeitpunkten
(Aufnahme, Entlassung, sechs und zwölf Monate nach Behandlungsende) wurden 71 Patienten in zwei Zentren bezüglich ihres
Substanzkonsums und ihrer psychopathologischen Belastung mit
standardisierten Methoden untersucht.
Diskussion / Ergebnisse: Die Patienten wiesen zum ersten Messzeitpunkt häufig komorbide psychiatrische Störungen auf. Im
Zeitverlauf ergaben sich bei den Patienten zu den Katamnesezeitpunkten signifikant niedrigere Konsumprävalenzen vor allem für
Cannabis, Methamphetamin, Kokain und Heroin. Die Patienten
wiesen sowohl nach Einschätzung der Eltern als auch im Selbsturteil zum vierten Messzeitpunkt eine signifikant niedrigere psychopathologische Belastung als zum Aufnahmezeitpunkt auf. Die
Ergebnisse sprechen für die Effektivität von kinder- und jugendpsychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlungen auf
Spezialstationen für substanzmissbrauchende Kinder und Jugendliche sowohl bezüglich einer Reduktion des Substanzkonsums als
auch zur Behandlung der psychopathologischen Belastung.
Donnerstag, 26. 11. 2009, 08.30 – 10.00 Uhr, Saal VIP 1
BS-005 Symposium
Suchtmittelpolitik, Gesundheit und Ökonomie (DHS e. V.)
Vorsitz: J. Böning (Höchberg), H. Fleischmann (Regensburg)
001
Epidemiologische Daten als Grundlage rationaler Suchtpolitik
Gabriele Bartsch (Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V., Western­
wall 4, Hamm)
Legaler und illegaler Suchtmittelkonsum stellt europaweit ein wesentliches Risiko für schlechte Gesundheit und vermeidbare Todes-
37
Topic 2 G Psychische Störungen durch psychotrope Substanzen, F1 // Mental disorders due to psychoactive substance use, F1
fälle dar. In Deutschland zeichnet sich für die letzten 10 Jahre ein
zaghafter Trend zu einem niedrigeren Konsum, sowohl legaler, als
auch illegaler Substanzen ab, wenn auch nicht für jede Substanz
und jede Altersgruppe. Der insgesamt dennoch sehr hohe Gebrauch schädlicher Substanzen hat gravierenden Folgen für die individuelle Gesundheit wie auch bevölkerungsbezogene negative
Konsequenzen. Eine rationale Suchtpolitik benötigt Daten, auf deren Grundlage sie Strategien und Interventionsmöglichkeiten entwickeln kann, um Veränderungen zu bewirken. Sie beginnt mit
Erkenntnissen (Forschung), wird fortgesetzt mit der Kommunikation dieser Erkenntnisse (Berichterstattung, Information, Aufklärung), entwickelt Ziele und vereinbart Prioritäten (Politik, Öffentlichkeit, Interessenvertreter). Sie mündet bestenfalls in die
Umsetzung Evidenz basierter Interventionen (Politik, Verbände,
Medizin u.a.). Der Vortrag gibt einen Überblick über die Entwicklung suchtmittelbezogener epidemiologischer Daten in Deutschland und verdeutlicht anhand von Beispielen, wie rationale Suchtmittelpolitik umgesetzt werden kann.
002
Werbestrategien und Lobbyarbeit der Suchtmittelindustrie
Hans-Jürgen Rumpf (Universität Lübeck, Psychiatrie und Psychotherapie)
Ziel: Tabak- und Alkoholkonsum werden umfänglich beworben,
um Umsätze zu steigern oder zu halten. Die Suchtmittelindustrie
bedient sich dabei spezifischer Methoden, um Zielgruppen anzusprechen. Ziel des Beitrages ist es, diese Herangehensweisen an
Beispielen aufzuzeigen und deren Auswirkung zu verdeutlichen.
Methode: Literaturübersicht, Sichtung von Werbemaßnahmen.
Ergebnisse: Die Werbestrategien der Alkohol und Tabakindustrie
haben das Ziel, das Image ihrer Produkte zu fördern. Dabei bedienen sie sich Verbindungen zu Sport, Lifestyle und Sexualität. Ins­
besondere wird angestrebt junge Zielgruppen anzusprechen. Das
Beispiel Alkopops verdeutlicht dieses Vorgehen sehr klar. Die Wirkung solcher Werbemaßnahmen wird aus wissenschaftlicher Sicht
beschrieben. Schlussfolgerung: Die Suchtmittelindustrie widersetzt
sich Bestrebungen zur Einschränkung des Konsums und nutzt spezifische Methoden der Werbung. Politische Maßnahmen stellen ein
wichtiges Instrument dar, um eine Reduktion von Konsum und
Folgeschäden zu bewirken.
004
Im Spannungsfeld zwischen Suchtpolitik und Wirtschaftspolitik –
wo bleibt die Ethik der Gesundheitsökonomie
Jobst Böning (Höchberg)
Gesellschaftliche Einstellungsveränderungen und erlebnisorientierte postmoderne Konsumhaltungen mit „life-style“-optimierter
Attacke auf das hedonistische Ego treffen auf einen intensiv beworbenen wirtschaftlichen Suchtmittelmarkt. Trotz seines hohen gesundheitsschädigenden Risikopotentials mit enormen volkswirtschaftlichen Folgekosten für die Gemeinschaft gelten hier bislang
noch weitgehend gewinnorientierte marktwirtschaftliche Wettbewerbsregeln. Die viel beschworenen „Freiheitsinteressen“ des angeblich „mündigen“(?) Bürgers wie die marktradikalen Interessen
der Suchtmittel produzierenden Industrie samt weiterer gewinnbringender „Erlebnismärkte“ berühren sich hier aufs engste und
ergänzen einander in verhängnisvoller Weise. Dabei stehen der individuelle Schaden sowie die finanzielle Ressourcenverschwendung
durch eine sich kontraproduktiv neutralisierende Gesundheitsbzw. Wirtschafts / Finanzpolitik einer verantwortungsethischen Öko­
nomie des Solidarhaushalts entgegen. Wenn beispielsweise 1/3 aller
Alkoholika von schwer schädlich konsumierend Kranken einen
unverantwortlich hohen Marktanteil ausmachen oder der fiskalische Gewinn aus dem Glücksspielmarkt zu etwa 40 % zu Lasten der
meist zudem noch verschuldeten Glücksspielsüchtigen geht, dann
verkehrt sich hier freie (unsoziale) Marktwirtschaft in Ausbeutung
an Menschen in Not. Zu berücksichtigen sind auch die 2,65 Millionen in suchtaffinen Familienverhältnissen mit erhöhtem Risiko
aufwachsenden Kinder und eine hohe Zahl sozial desintegrierter
Jugendlicher, die als benachteiligte und vernachlässigte Hoffnungsträger unserer Gesellschaft zwischen dem wirtschaftsprosperierenden Markt der Suchtmittelindustrie und interessensgeleiteten Medienunternehmen zerrieben werden. Diese jungen Menschen sind
Objekte einer mangelhaft gesteuerten Ordnungs - und Gesundheitspolitik und gleichzeitig Opfer einer verantwortungslosen
Sucht - b.z.w. Suchtmittelpolitik und damit beklagenswerte Subjekte in einer „suchtfreundlichen“ Gesellschaft. Überlebenshilfe der
Solidargemeinschaft darf sich hier nicht in einfacher „Reparatur“
erschöpfen, sondern echte Solidarität muß zukünftig als strukturierendes Prinzip des menschlichen Miteinanders gerade auch im
ökonomischen Bereich verstanden werden.
003
Die Kosten von Substanz- und Glücksspielabhängigkeit
Michael Adams (Universität Hamburg, Institut für Rescht der Wirtschaft)
I. Fiedler
Einleitung: Die Volkskrankheiten des starken Alkohol- und Tabak­
konsums führen jährlich zu gesellschaftlichen Folgekosten im hohen zweistelligen Milliardenbereich. Das pathologische Glücksspiel
führt ersten Studien zufolge zu ähnlichen pro Kopf Kosten wie der
Tabakkonsum, ist aber weniger stark verbreitet.
Methode: Die bisherigen Kostenangaben basieren alle auf der Annahme „rationaler Sucht“ und klammern daher private (vornehmlich intangible) Kosten der Betroffenen und ihrer Familien aus.
Wird diese fragwürdige Annahme fallen gelassen, so erhöhen sich
die gesellschaftlichen Kosten um mindestens um 50 %.
Diskussion / Ergebnisse: Die Problematik von Substanz- und
Glücksspielabhängigkeit wird derzeit stark unterschätzt und eine
Reduzierung des Schadens ist dringend geboten. Drei äußerst wirksame Maßnahmen sind: 1) Angleichung der Alkoholsteuern an den
EU-Durchschnitt, 2) Erhebung einer Steuer auf von Kindern gerauchten Zigaretten, 3) Verbot von Glücksspielautomaten.
38
Donnerstag, 26. 11. 2009, 15.30 – 17.00 Uhr, Saal 3
BS-009 Symposium
Moderne Suchttherapie
(Symposium der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie)
Vorsitz: K. Mann (Mannheim), E. Hoch (Dresden)
001
Spielsucht
Klaus Wölfling (Universitätsklinik Mainz, Psychosomatische Medizin)
Einleitung: Substanzungebundene Abhängigkeitserkrankungen
(Verhaltenssüchte), wie Pathologisches Glücksspiel und Computerspielsucht bzw. Onlinesucht, stehen verstärkt im Fokus des wissenschaftlichen und öffentlichen Interesses. Der hohen Zahl an hilfesuchenden Betroffenen, steht derzeit noch eine vergleichsweise
geringe Anzahl fundierter wissenschaftlicher Studien zu Pathologischem Glücksspiel und Computerspielsucht gegenüber. Die Spielsucht in ihren klinisch auftretenden Formen wie klassische Glücksspielsucht, Online-Glücksspielsucht und Computerspielsucht weist
Topic 2 G Psychische Störungen durch psychotrope Substanzen, F1 // Mental disorders due to psychoactive substance use, F1
immer auch eine hohe Komorbidität mit anderen psychiatrischen
Störungen auf.
Methode: Anfang 2008 starteten im Rahmen der Eröffnung der
‚Ambulanz für Spielsucht‘ an der Universitätsmedizin Mainz Gruppentherapien zur Behandlung der Spielsucht für Jugendliche und
Erwachsene. Im Vordergrund der Psychotherapie steht die individuelle Analyse des Problemverhaltens und seiner aufrechterhaltenden Bedingungen. Das therapeutische Vorgehen lehnt sich dabei an
kognitiv-behaviorale Ansätze zur Behandlung der Internetsucht
an. So werden gedankliche, emotionale, körperliche und verhaltensbezogene Aspekte des Spielverhaltens der Betroffenen in einer
„sekundengenauen“ Analyse beleuchtet. Hauptziel der Behandlung
ist die Erreichung der Abstinenz von dysfunktionalen, online­
bezogenen Verhaltensweisen und ausuferndem Glücksspiel. Parallel dazu soll alternatives Verhalten (wieder-) erlernt werden, wie
z. B. zuvor vernachlässigte Aktivitäten bzw. Hobbys, und die Aufnahme (realer) sozialer Kontakte gefördert werden. Darüber hinaus stellt die Vermittlung funktionaler Stressbewältigungsstrate­gien
einen zentralen Bestandteil des therapeutischen Angebots dar. Die
Therapien setzen auf ein ambulantes Behandlungskonzept, da die
Konfrontation mit den häuslichen Lebensbedingungen und auch
das Erleben von Misserfolgserlebnissen (wie z. B. Rückfälle) direkt
in den therapeutischen Prozess mit einbezogen werden können.
Diskussion / Ergebnisse: Der Vortrag soll einen Überblick über
erste empirische Daten zur Evaluation der Intervention bei Glücksspiel- und Computerspielsucht im Rahmen der Ambulanz für
Spielsucht geben. Dabei sollen Daten einer mehrdimensionalen
Analyse von interventionsbedingten Veränderungen unter Hinblick auf die Eingangs-, Ausgangsuntersuchungen der behandelten
Patienten Aufschluss über Wechselbeziehungen zwischen dem
onlinebedingten Syndrom und der psychischen Hintergrundsymptomatik geben.
002
Tabakentwöhnung in der Psychiatrie
Anil Batra (Eberhard Karls Universität, Psychiatrie und Psychotherapie, Tübingen)
Einleitung: Der Raucheranteil von Patienten mit einer psychiatrischen Störung ist signifikant höher als in der Allgemeinbevölkerung. Insbesondere Patienten mit anderen Suchterkrankungen
(Alkohol- oder Drogenabhängigkeit), schizophrenen Störungen
oder einer depressiven Erkrankung weisen nicht nur eine höhere
Prävalenz des Rauchens, sondern auch ein intensiveres Rauchverhalten auf. Die Tabakentwöhnung gestaltet sich häufig schwierig,
da die individuelle Funktionalität des Rauchens bei diesen Störungsbildern die Aufrechrerhaltung der Abstinenz erschwert.
Methode: Dargestellt werden Daten aus aktuellen Meta-Analysen
zu verfügbaren Raucherentwöhnungsstrategien. Zusätzlich werden
Ergebnisse einer prospektiven Raucherentwöhnungsstudie an Patienten, die ein 6-wöchiges stationäres Alkoholentwöhnungsprogramm durchliefen, vorgestellt. Erfasst wurden dabei soziodemographische, rauchanamnestische und psychometrische Daten zur
psychiatrischen Komorbidität dieser Patienten sowie die kurz- und
mittelfristige Alkohol- und Tabakabstinenz.
Diskussion / Ergebnisse: Jüngere Studien Analysen belegen die Effektivität der Tabakentwöhnung auch bei Patienten mit einer psychiatrischen Störung. Die langfristigen Abstinenzquoten (nach 6 –
12 Monaten) liegen zwischen 10 – 25 %, in Abhängigkeit von der
Intensität des Programms und dem zugrunde liegenden psychiatrischen Störungsbild. In der eigenen Untersuchung zur Behandlung
der alkoholabhängigen Raucher konnten 41 % der Raucher eines
Behandlungsjahrgangs zur Raucherentwöhnungsbehandlung motiviert werden. Davon wurden 26 % der Teilnehmer im Rahmen der
Therapie abstinent. Diskussion: Verschiedene aktuelle Studien und
auch die eigene Untersuchung zeigen, dass ein Behandlungspro-
gramm zur Tabakentwöhnung bei psychiatrischen Patienten interessiert aufgenommen wird und bei psychiatrisch bzgl. der Grunderkrankung stabilen Patienten erfolgreich durchgeführt werden
kann. Die Abstinenzquoten sind verglichen mit anderen Studien
eher geringer anzusetzen, jedoch motivierend für die Implementierung eines Tabakentwöhnungsprogramms in der psychiatrischen
Versorgung.
003
Frühintervention Medikamentenabhängigkeit
Hans-Jürgen Rumpf (Universität Lübeck, Psychiatrie und Psycho­
therapie)
004
Cannabis und psychische Comorbidität
Eva Hoch (Technische Universität Dresden, Psychologie)
Einleitung: Epidemiologische Studien in der Allgemeinbevölkerung belegen eine hohe Komorbidität von Cannabisstörungen und
anderen psychischen Störungen. In diesem Beitrag soll untersucht
werden: 1.) Welche psychiatrische Diagnosen liegen in einer klinischen Stichprobe von Patienten mit Cannabisstörungen vor?
2.) Wie verändert sich die Komorbidität im Rahmen einer cannabisspezifischen Kurzzeittherapie?
Methode: Basierend auf den Daten der randomisiert-kontrollierten
CANDIS-Studie wurden n=122 Patienten (Alter: 16 bis 42 Jahre) in
der Basiserhebung und zu Therapieende mittels eines standardisierten, computerisierten Interviews (M-CIDI; Wittchen und Pfi­
ster, 1997) zu dem Vorliegen psychischer Störungen (DSM-IV) befragt.
Diskussion / Ergebnisse: In der untersuchten Klientel lagen vor
Therapiebeginn zusätzlich zur Cannabisstörung drei weitere psychische Störungen vor. Am häufigsten traten auf: Nikotinabhängigkeit (58,2 %), Alkoholmissbrauch oder -abhängigkeit: (38,5 %), Miss­
brauch oder Abhängigkeit von anderen illegalen Drogen (37,7 %),
Angststörungen (42,6 %), Affektive Störungen (36,9 %) und Somatoforme Störungen (11,5 %). Im Therapieverlauf reduzierte sich die
Anzahl der psychischen Störungen signifikant um die Hälfte. In
keinem einzigen Fall traten neue psychische Störungen auf. Hinweise für eine Verlagerung der Suchtproblematik konnten nicht
gefunden werden.
Donnerstag, 26. 11. 2009, 17.15 – 18.45 Uhr, Saal Prag
ST-008 State-of-the-Art-Symposium
Drogenabhängigkeit
Vorsitz: E. Gouzoulis-Mayfrank (Köln), N. Scherbaum (Essen)
001
Behandlung der Opiat- und der Kokainabhängigkeit
Norbert Scherbaum (Rheinische Kliniken Essen, Suchtklinik)
Die Abhängigkeit von Opiaten bzw. von Kokain wird nach den
suchtmittelübergreifenden Kriterien für das Abhängigkeitssyndrom nach ICD-10 diagnostiziert. Bei leichtem Anstieg in den 90er
Jahren beträgt die Zahl der Opiatabhängigen in Deutschland aktuell ca. 180.000. Heroin ist das am meisten in Deutschland illegal
konsumierte Opiat bei in der Regel intravenöser Applikation. Die
Mehrheit der Opiatabhängigen leidet unter komorbiden sucht­
mittelbezogenen, psychiatrischen und somatischen Störungen
sowie unter zahlreichen psychosozialen Belastungen. Im State-ofthe-Art-Symposium werden medikamentöse und psychotherapeutische Strategien zur Behandlung der Opiatabhängigkeit dargestellt.
39
Topic 2 G Psychische Störungen durch psychotrope Substanzen, F1 // Mental disorders due to psychoactive substance use, F1
Insbesondere the-matisiert werden medikamentöse Strategien der
Opiatentzugsbehandlung, die Opiatblocker-Behandlung (Naltrexonbehandlung), die Substitutionsbehandlung (Differentialindikation der Substitute, Dosierung etc.) sowie die ärztliche Heroinverschreibung. Trotz einer verbreiteten therapeutischen Skepsis ist
festzuhalten, dass viele Elemente der Behandlung Opiatabhängiger,
z. B. die Reduktion des Heroinkonsums in Substitutionsbehandlung, als wirksam belegt sind. Bei der Differentialindikation zwischen therapeutischen Strategien, insbesondere bei der Wahl
zwischen primär abstinenzorientierter Behandlung und Substitu­
tionsbehandlung, erfolgt die Entscheidung jedoch nach klinischem
Ermessen im Einzelfall und letztlich nach Motivation und Präferenz des Patienten. Kokainabhängige (jenseits der komorbiden
Kokainabhängigkeit bei Opiatabhängigkeit) sind im deutschen
Hilfesystem deutlich schwächer vertreten als Opiatabhängige.
Entsprechend sind auch systematische Behandlungsevaluationen
selten. Die Behandlungsprinzipien sind denjenigen der abstinenz­
orientierten Behandlung Opiatabhängiger analog. Trotz zahlreicher
Evaluationen (insbesondere in den USA) ist bis-lang keine Medikation zur Reduktion des Kokainkonsums etabliert.
002
Substanzbezogene Störungen bei Cannabis- und Stimulanzienkonsum
Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank (LVR-Klinik Köln, Allgemeine Psychiatrie II)
Einleitung: Ca. 40 % der 18- bis 20-jährigen in Deutschland berichten über eine mindestens einmalige Erfahrung mit Cannabis,
und bei einer Untergruppe von täglichen oder fast-täglichen Konsumenten treten klinisch relevante Konsummuster eines schäd­
lichen Gebrauchs (bei ca. 8 – 9 %) oder gar einer Abhängigkeit (bei
ca. 4 – 7 % der Konsumenten) auf. Im Vergleich zu Cannabis sind
Amphetamine, Ecstasy und Halluzinogene in der Allgemeinbevölkerung deutlich weniger, aber in bestimmten Szenen bzw. Sub­
populationen stark verbreitet (Partydrogen). Unter diesen Party­
drogen haben Amphetamine das stärkste Abhängigkeitspotential.
Darüber hinaus sind die verschiedenen Substanzen durch ein unterschiedliches Wirkungs- und Komplikationsspektrum gekennzeichnet.
Methode: In diesem Beitrag werden die neurobiologischen Mechanismen der Substanzen, die diagnostischen Kriterien und die Differentialdiagnose der verschiedenen Störungen sowie die pharmakound psychotherapeutischen Möglichkeiten zusammengefaßt und
diskutiert.
Diskussion / Ergebnisse: Komorbide Störungen müssen mittels
Verlaufsbeobachtung von drogeninduzierten Störungen abgegrenzt
werden. Unzureichend gesichert erscheint die Validität der Entität
„amotivationales Syndrom“ durch Cannabis. Sie muss gegen einen
chronischen Intoxikationszustand, das Negativsyndrom einer Schizophrenie, sowie depressive und schwere Persönlichkeitsstörungen
mit Suchtkomorbidität abgegrenzt werden. Hingegen wird das propsychotische Potenzial von Cannabis, vor allem bei frühem und
ausgeprägtem Konsum, durch aktuelle Studien deutlich gestützt.
Die in vielen Studien nachgewiesenen, in der Regel subtilen kognitiven Defizite von Ecstasy- und Amphetaminkonsumenten könnten mit dem im Tierversuch nachgewiesenen neurotoxischen
Potenzial dieser Drogen zusammenhängen. Hinsichtlich dieser
Gefahr verdichten sich die Hinweise aus Längsschnitt- und pro­
spektiven Studien mit Ecstasykonsumenten. Bei den Therapieempfehlungen hinsichtlich Störungen durch Cannabis und Partydrogen
liegt in der Regel ein relativ schwaches Evidenzniveau vor. Immerhin liegen aber inzwischen kontrollierte Studien und Therapieverlaufsstudien vor, die eine Effektivität psychotherapeutischer Interventionen bei der Cannabisabhängigkeit belegen.
40
Freitag, 27. 11. 2009, 17.15 - 18.45 Uhr, Saal 3
ST-015 State-of-the-Art-Symposium
Alkoholabhängigkeit
Vorsitz: K. Mann (Mannheim), A. Heinz (Berlin)
001
Neurobiologie der Alkoholabhängigkeit – neue Erkenntnisse und
therapeutische Implikationen
Andreas Heinz (Charité Campus Mitte, Psychiatrie und Psychotherapie, Berlin)
J. Wrase
In den letzten Jahren konnten wichtige Fortschritte bei der Er­
forschung der neurobiologischen Grundlagen alkoholbedingter
Störungen verzeichnet werden. Sehr gut untersucht sind die Auswirkungen von Alkohol auf die Neurotransmittersysteme. Eine dopaminerge und GABAerge Bahnung trägt maßgeblich zu den Stimulationseffekten geringerer Dosen Ethanols bei, höhere Dosen
vermitteln über eine glutamaterge Hemmung viele der negativen
Wirkungen. Genetische Untersuchungen im Tiermodell und beim
Menschen weisen darauf hin, dass ein veränderter Glutamatumsatz
zur Alkoholabhängigkeit disponieren kann. Zahlreiche Ergebnisse
belegen zudem, dass ein verminderter Serotoninstoffwechsel einen
Risikofaktor für die Entwicklung einer Alkoholabhängigkeit darstellt, da er mit einer verminderten Ausprägung akuter Alkoholwirkungen verbunden ist. Den Betroffenen fehlt so ein Warnzeichen
exzessiven Alkoholkonsums. Chronische Alkoholeinnahme ist von
einer veränderten Zusammensetzung der GABA-A Rezeptoren mit
Änderungen ihrer Sensitivität begleitet, die zur Toleranzentwicklung beiträgt. Bildgebende Studien wiesen zudem eine wichtige
Rolle des Belohnungssystems bei alkoholbedingten Störungen
nach, die dazu führen kann, dass die Patienten vermehrt auf die
unmittelbare, Alkohol assoziierte Belohnung auf Kosten der Erwartung anderer sozialer Verstärker reagieren und Schwierigkeiten
haben, neue Verhaltensweisen zu erlernen. Störungen der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse sind ebenfalls
bei einer Alkoholabhängigkeit nachweisbar und tragen offenbar
zum Alkoholverlangen bei. Ob das derzeit zur Rückfallprävention
zugelassene Medikament Acamprosat vor allem bei Patienten wirkt,
die unter Stressbelastung oder bei negativer Stimmung Alkohol
konsumieren, wird derzeit in klinischen Studien untersucht.
002
Neue Ansätze in der Behandlung von Alkoholproblemen
Karl Mann (ZI für Seelische Gesundheit, Klinik f. Abhängiges Verhalten, Mannheim)
F. Kiefer
Die psychiatrische und psychotherapeutische Betreuung von Pa­
tienten mit Alkoholproblemen bietet neue Chancen für niedergelassene Kolleginnen und Kollegen. Angesichts der Prävalenzzahlen
mit ca. 2 Mio. Abhängigen und weiteren 2 Mio. Betroffenen mit
„schädlichem Gebrauch“ ist der Beratungs- und Behandlungsbedarf enorm hoch und kaum gedeckt. Da sich zugleich die Therapiemöglichkeiten in den letzten Jahren entscheidend erweitert haben
(Mann et al., 2006; Kienast et al. 2007) bietet sich unserem Fachgebiet ein faszinierendes Feld. Es werden Literaturreviews und eigene
Studiendaten vorgestellt. Aufbauend auf den neurobiologischen
Befunden in Zusammenhang mit dem Rückfallgeschehen lassen
sich Therapiestrategien für die Pharmakotherapie und für die Psychotherapie ableiten. Der sowohl in der Postentzugsphase wie auch
in Prärezidiv-Phasen zu beobachtende hyperglutamaterge Zu­stand
ist mit Hilfe von Acamprosat erfolgreich zu behandeln. Von
20 international durchgeführten randomisierten, doppelblinden,
Topic 2 G Psychische Störungen durch psychotrope Substanzen, F1 // Mental disorders due to psychoactive substance use, F1
placebo-kontrollierten Studien zeigten 16 einen eindeutigen Effekt
gegenüber der Placebo-Behandlung. Sollte Acamprosat nicht zum
Ziel führen so bietet sich eine Off-label-Behandlung mit Naltrexon
oder evtl. einem weiteren potentiellen Anticravingmittel an. Neue­
ste Ergebnisse der PREDICT-Studie erlauben auf der Basis genetischer und neurobiologischer Verfahren einen zielgenaueren Einsatz von Naltrexon bzw. Acamprosat (Mann et al. 2009). Die
Psychotherapie stützt sich insbesondere auf die „motivierende Gesprächsführung“. Dabei wird der häufig vorhandene Ambivalenzkonflikt des Patienten aufgegriffen mit dem Ziel einer Verhaltensänderung. Auch hier liegen kontrollierte Studien und Metaanalysen
vor. Psychotherapieverfahren wie das Reizexpositionstraining oder
die kognitive Verhaltenstherapie zeigen positive Effekte zumindest
in Untergruppen der Patienten. Mit der neu konzipierten „alkoholismusspezifischen Psychotherapie“ (ASP) steht ein integrales Verfahren zur Verfügung, in dem die wesentlichen Elemente der motivierenden Gesprächsführung, der kognitiven Verhaltenstherapie
und des 12-Stufen-Programms der Anonymen Alkoholiker zusammengefasst wurde. Das Manual zur Behandlung wurde kürzlich
publiziert (Brück & Mann, 2006). Literatur: Brueck, G. & Mann, K.
(2006): Alkoholismusspezifische Psychotherapie: Manual mit Behandlungsmodulen. Deutscher Ärzteverlag. Kienast, T., Lindenmeyer, J., Loeb, M., Loeber, S. & Heinz, A. (2007): Alkoholab­
hängigkeit – Ein Leitfaden zur Gruppentherapie. Stuttgart: W.
Kohl-hammer. Mann, K., Diehl, A., Hein, J. & Heinz, A. Alkoholabhängigkeit (ICD-10 F1). In: Vorderholzer U, Hohagen F (Hrsg.)
Therapie psychischer Erkrankungen. State of the Art, München,
Jena: Urban & Fischer, 2009, 4. Auflage. Mann, K., Kiefer, F., Smolka, M., Gann, H., Wellek, S. & Heinz, A. (2009): Searching for Re­
sponders to Acamprosate and Naltrexone in Alcoholism Treatment:
Rationale and Design of the Predict Study. Alcoholism: Clin Exp.
Res. Vol. 33,4, 674-683 Mann, K., Loeber, S., Croissant, B. & Kiefer,
F. (2006b): Die qualifizierte Entzugsbehandlung von Alkoholabhängigen: Psychotherapeutische und pharmakologische Strategien.
Deutscher Ärzte Verlag.
Donnerstag, 26. 11. 2009, 08.30 – 10.00 Uhr, Saal Sydney
S-041 Symposium
Psychiatric comorbidity in cannabis use disorders
Vorsitz: U. Preuss (Halle), E. Gouzoulis-Mayfrank (Köln)
001
Cannabis and Depression – Results from randomized-controlled
CANDIS-Study
Eva Hoch (Technische Universität Dresden, Psychologie)
S. Wagner, A. Schwartz
Introduction: Affective disorders are frequent among adolescents
and adults with cannabis use disorders (CUD). The aim of this presentation is to analyze the course of comorbid affective disorders
before, during and after a cannabis-specific intervention.
Method: N=122 subjects with cannabis abuse or dependence
(aged 16 to 44 years) participated in the longitudinal, randomizedcontrolled intervention study CANDIS. Cannabis use disorders,
affective disorders and other DSM-IV mental disorders were assessed with the computerized Composite International Diagnostic
Interview (M-CIDI) at baseline and after treatment completion.
The Beck-Depression-Inventary (BDI) was administered at baseline, after treatment completion and in a 3-month and 6-month
follow-up. Active treatment (AT) consisted of 10 sessions manualized therapy, subjects in a delayed treatment control group (DTC)
started treatment after a waiting period of 8 weeks.
Discussion / Results: About one third (23 %) of the subjects in the
present samle met the criteria of a lifetime major depression, 16 %
of dysthymia. In the past four weeks prior to the baseline assessment, affective disorders were less frequent (major depression: 6 %;
dysthymia: 11 %). 13 % were clinically depressive as measured by
the BDI. From pre to post treatment asessment no change occured
among subjects with a mayor depression diagnosis. In the same period the number of subjects with dysthymia significantly declined
(remission in 8 out of 10 cases). Pre-treatment dysthymia and high
depressiveness rates (BDI) are both associated with a higher risk of
relapse during therapy. High depressiveness rates (BDI) are also associated with decreased abstinence rates after treatment completion.
002
Cannabis use, cognition and psychosis: recent evidence and implications for the treatment of comorbid patients
Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank (LVR-Klinik Köln, Allgemeine Psychiatrie II)
T. Schnell
Introduction: Cognitive deficits are commonly found both in pa­
tients with schizophrenia (SCH) and in people with cannabis use
disorders (CUD). Surprisingly, some small recent studies reported
better cognitive performance in SCH patients with comorbid cannabis use disorders (SCH+CUD) compared to other SCH patients.
The aim of the present study was to investigate the residual impact
of CUD and specific patterns of consumption on cognition in a larger sample of SCH+CUD patients.
Method: We administered a cognitive test battery to 34 SCH and 35
currently abstinent SCH+CUD patients. We explored the asso­
ciation between patterns of cannabis consumption and cognitive
performance. Potential confounds with influence on cognitive ability were assessed and controlled for.
Discussion / Results: SCH+CUD patients had poorer academic
achievements and lower vocabulary scores, but they performed
better in tests of verbal and working memory, visuomotor speed
and executive function (p<.05). More frequent cannabis use was
associated with better performance in attention and working memory tasks. At first glace, these findings appear contraintuitive, as
they might be interpreted as beneficial effect of cannabis use on
cognition in patients with schizophrenia. However, we favorise an
alternative interpretation: In our view, the better cognitive function­
ing of SCH+CUD patients may rather reflect a relatively lower vulnerability to psychosis compared to the SCH group. Lower vulnerability may correspond to a higher level of functioning such as
cognitive ability. This conclusion is consistent with the view of cannabis playing a critical role in the manifestation of psychosis in at
least some of the SCH+CUD patients.
003
Suicidal behavior in cannabis-dependent individuals: results from
the COGA-(Collaborative Study on Genetics in Alcoholism) Sample
Ulrich Preuss (Martin-Luther-Universität, Psychiatrie, Halle)
M. Hesselbrock, V. Hesselbrock
Introduction: Various factors influence suicidal behavior in sub­
stance-dependent individuals, including psychiatric comorbidity,
other substance use and psychosocial characteristics. The aim of
this pro- (5 year follow-up) and retrospective analyses of the COGA
(Collaborative Study on Genetics in Alcoholism) is to identify risk
factors for individuals with cannabis dependence.
Method: Approximately 1600 individuals with DSMIIIR cannabis
dependence were included into the analyses, of whom 21.1 % had
a history of suicide attempts. Characteristics of suicidal behavior,
psychiatric comorbidity and sociodemography were obtained using
41
Topic 2 G Psychische Störungen durch psychotrope Substanzen, F1 // Mental disorders due to psychoactive substance use, F1
the SSAGA (Semi-Structured Assessment on Genetics in Alcohol­
ism) while personality traits including impulsivity were assessed
using the TPQ (Tridimensional Personality Questionnaire).
Discussion / Results: Most important predictors of suicide at­tempts
during the 5-year follow-up were depressive episodes and history of
previous suicidal behaviors. Furthermore, in suicidal cannabis-dependent individuals, the onset of several psychiatric disorder cumulate within three years before the first attempt. Depression and
history of suicidal behavior significantly increase the risk for suicide attempts in cannabis-dependent subjects. This finding parallels
risk profiles for suicidal behaviors in other samples with alcoholand other substance use disorders beside cannabis. The accumulation of various psychiatric disorders within 3 years before first suicide attempts indicates a possible treatment intervention to prevent
subsequent suicide attempts.
004
Personality disorders in a clinical sample of cannabis dependent
young adults
Anna Watzke (Ev. Krankenhaus Bethanien, Fachklinik Gristower
Wiek, Gristow)
C. O. Schmidt, J. Zimmermann, U. Preuss
Method: In total 99 adolescents and young adults, aged 16 – 36
years, diagnosed with a cannabis dependence according to DSM IV
(SCID I), were investigated during their detoxification treatment in
an addiction treatment ward. Subjects were excluded if concomitant alcohol- or other substance dependences were diagnosed. Furthermore, subjects with other current DSM-IV Axis I diagnosis, or
severe somatic or neurological disorders were excluded. Personality
disorders were assessed with the SCID II screening interview.
Discussion / Results: There is evidence of PDs in the vast majority
of the cannabis-dependent young inpatients. Almost 90 % of the
subjects fulfilled the screening criteria of an antisocial PD, more
than half had a paranoid PD and more than a third reported a Borderline PD. More than one third of the sample fulfilled the screen­
ing criteria of three or more PDs. There was no consistent relation­
ships between PDs and concurrent consumption of other drugs,
severity of drug addiction or delinquencies. Diagnosis and treatment of these subjects has to provide not only addiction-specific
approaches but also strategies to improve dysfunctional behavior
caused by personality disorder characteristics.
Cannabis addiction is commonly associated with the presence of
personality disorders (PDs). However, most previous studies focussed on singular disorders like Borderline or Antisocial PDs.
There is little data available on the full range of PDs among cannabis addicted subjects. Even less is known about the prevalence of
PDs among cannabis dependent adolescents and young adults in
inpatient settings. This issue has been addressed with the present
study.
Donnerstag, 26. 11. 2009, 08.30 – 10.00 Uhr, Saal Riga
S-044 Symposium
Neuropsychotherapie der Sucht
Vorsitz: J. Wrase (Berlin), F. Kiefer (Mannheim)
001
Cue reactivity bei Rauchern – überraschende fMRT Ergebnisse und
mögliche Behandlungskonsequenzen
Mira Bühler (ZI Mannheim, Suchtklinik)
Introduction: Drug addiction is characterized by an unhealthy pri-
42
ority for drug consumption with a compulsive, uncontrolled drugintake pattern due to a disturbed motivational system. However,
only some individuals get addicted while others maintain a regular
but controlled drug use. Whether or not the transition occurs,
might dependent on how individuals process drug-related stimuli
(drug cues) relative to non-drug related stimuli (non-drug cues).
Method: To assess cue-elicited mesocorticolimbic brain activation
in the context of nicotine dependence, we conducted several functional magnetic resonance imaging studies. In these imaging studies we assessed processing of drug cues (smoking-related stimuli,
tobacco advertising) and non-drug reward cues (monetary cues,
erotic stimuli, control advertising) in non-smokers, non-dependent
occasional smokers and nicotine dependent smokers.
Discussion / Results: The results of these different imaging studies
all pointed in a similar direction: surprisingly, we found similar or
even less activation in the mesocorticolimbic reward system in response to smoking cues in severe dependent smokers compared to
non-dependent occasional smokers. Furthermore, dependent smokers showed less reactivity of the reward system to non-drug cues
such as monetary cues, control advertising and erotic stimuli than
occasional or non-smokers. Our results are in line with pre­vious
findings suggesting that the mesocorticolimbic system is hypoactive in drug addiction. In addition, our data provide evidence that
cue-reactivity might be a general feature of drug use rather than
being specific to drug addiction. This could also explain the lack of
predictive power of cue-elicited craving on relapse rates. Our results indicate that reducing cue-reactivity could be a suboptimal
strategy in treating nicotine dependence. Implications of this finding on treatment strategies are outlined and potential alter­native
preventive approaches and therapeutic treatments are discussed.
002
Störung des verbalen und visuellen Lernen bei Patienten mit Alkoholabhängigkeit in der frühen Abstinenz
Thorsten Kienast (PUK Charité im SHK, Berlin)
003
Einfluss von Verlangen und Motivation auf die neuronale cue reactivity und Konsequenzen für die Therapie
Tagrid Lemenager (Zi-Mannheim, Suchtforschung)
Introduction: The functional imaging literature on alcohol asso­
ciated cue-reactivity in alcoholics shows a high heterogeneity of
study results. We investigated whether the influence of context- and
emo­tion-related craving in alcohol dependent patients is able to
explain some of these heterogeneous results. In order to do so,
we distin­guished different dimensions of „alcohol temptation“
(craving) and assess the relationship to brain activity.
Method: 53 abstinent alcoholics underwent fMRI while watching
alcohol associated, abstract and neutral stimuli. Contrasts were
created to get evidence on different levels of activation in associa­
tion with alcohol-related stimuli compared to stimuli of neutral
valence. Different context- and emotion-related craving was assessed with four extracted components of the alcohol abstinence
self efficacy (AASE) „temptation“-scale (reward, relief, testing personal control, psychological or physical needs), whose 20 items
were previously subjected to a principle component analysis. Image
processing and statistical analysis were performed using SPM5.
The influence of the four components on neural cue-reactivity was
assessed by using a multiple linear regression analysis.
Discussion / Results: The results indicate that different motivationrelated craving is able to explain some of the heterogeneous study
results in neural cue-reactivity. Individualized psychotherapeutic
interventions based on these results will be discussed.
Topic 2 G Psychische Störungen durch psychotrope Substanzen, F1 // Mental disorders due to psychoactive substance use, F1
004
Implikationen von Neurobiologischen Theorien für die Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen
Jana Wrase (Charité Berlin, Psychiatrie, CCM)
Freitag, 27. 11. 2009, 15.30 – 17.00 Uhr, Salon 13/14
S-120 Symposium
Migration und Sucht – Unterscheiden sich Gruppen mit und ohne
Migrationshintergrund in suchtrelevanten Faktoren?
Vorsitz: M. Odenwald (Konstanz), W. Höcker (Reichenau)
001
Erklärungsmuster süchtigen Verhaltens bei deutschen, russlanddeutschen und türkischen Jugendlichen
Andreas Heinz (Charité Campus Mitte, Psychiatrie und Psychotherapie, Berlin)
S. Penka, M. Schouler-Ocak, U. Kluge, H. Heimann
Einleitung: Unterschiedliche Auffassungen in Bezug auf die Entstehung, Definition und Behandlung von Erkrankungen werden als
„Erklärungsmodelle“ bezeichnet und sind individuell wie kulturell
geprägt. Neben Erfahrungen von Diskriminierung und Informa­
tionsdefiziten können unterschiedliche Erklärungsmodelle für Abhängigkeitserkrankungen eine wesentliche Zugangsbarriere zum
Suchthilfesystem darstellen. Bedeutsam ist, dass Therapeuten und
Patienten dieselben Wörter benutzen können, dass diese aber je
nach Kontext bzw. „Erklärungsmodell“ etwas anderes bezeichnen.
Unterschiede in den Erklärungsmodellen können deshalb je nach
kultureller und sozialer Prägung die Kommunikation zwischen Migranten und deutschen Professionellen im Gesundheitssystem erheblich erschweren.
Methode: Wir untersuchten solche Unterschiede im Verständnis
von psychischen und Sucht-Erkrankungen bei türkisch-stämmigen, russlanddeutschen und deutschen Jugendlichen. Dazu wurden
die einschlägigen Begriffe im Sinne einer freien Nennung (Free
listing) bei über 200 Jugendlichen erfragt und die jeweils 50 häufig­
sten Begriffe anschließend bei jeweils 20 Personen pro Gruppe mittels des „Pile Sort“ Verfahrens individuellen Krankheitskonzepten
zugeordnet. Zudem wurden qualitative Interviews durchgeführt.
Diskussion / Ergebnisse: Die Ergebnisse zeigen, dass Migranten
aus der ehemaligen Sowjetunion mehr noch als deutsche Jugend­
liche eine Stigmatisierung und soziale Marginalisierung fürchten,
wenn sie psychiatrische oder psychotherapeutische Einrichtungen
aufsuchen. Deutsche und russlanddeutsche Jugendliche sahen gerade Ess-Störungen als besonders „peinlich“ und stigmatisierend
an, was bei türkisch-stämmigen Jugendlichen nicht der Fall war.
Informationen über moderne Krankheitskonzepte und ihre Therapieoptionen, die Arbeitsweisen der Therapeuten und die ärztliche
Schweigepflicht erscheinen hier besonders wichtig. Die Beschäftigung des Gesundheitssystems mit transkulturellen Aspekten kann
die Erfahrungen der Migranten produktiv in das therapeutische
Setting einbeziehen und die Wahrnehmung gesellschaftlicher, kultureller und individueller Unterschiede erleichtern.
002
Stationäre und ambulante Suchtpatienten mit Migrationshintergrund im Landkreis Konstanz – wie unterscheiden sie sich von Patienten ohne Migrationshintergrund? Eine kontrollierte Studie
Michael Odenwald (Universität Konstanz, Fachbereich Psychologie)
W. Höcker, R. Hoffmann, S. Knüppel, C. Becker, B. Rockstroh, T. Elbert
Einleitung: In Deutschland leben 6,7 Mio. Ausländer und 15,3 Mio.
Menschen mit Migrationshintergrund. Baden-Württemberg hat im
Bundesvergleich die zweithöchste Rate von Ausländern (11,9 %)
und Menschen mit Migrationshintergrund (25 %). Obgleich Experten davon ausgehen, dass diese Gruppen der Bevölkerung mindestens gleich häufig von Suchtproblemen betroffen sind, findet
sich eine Unterrepräsentanz unter den Klienten von ambulanten
und stationären Suchthilfeeinrichtungen, auch im Landkreis Kon­
stanz. Man geht daher von Zugangsbarrieren dieser Personen­
gruppe zur Suchthilfe aus. Wir berichten hier von einer laufenden
Gruppenvergleichsstudie im Landkreis Konstanz, welche relevante
Unterschiede zwischen deutschen und nichtdeutschen Suchtpa­
tienten aufdecken soll.
Methode: In einem „matched pair design“ werden in verschiedenen stationären Behandlungseinrichtungen jeweils ein vergleich­
barer Suchtpatient aus der Gruppe der Deutschen ohne Migrations­
hintergrund, der (Spät-)Aussiedler und Nicht-EU-Ausländer
rekrutiert. Mittels des Addiction Severity Index und anderen standardisierten Instrumenten werden sowohl prädisponierende Variablen, als auch die Eckpunkte der Suchtentwicklung, die Motivation
zur Teilnahme an der Therapie und die aktuelle Psychopathologie
erhoben.
Diskussion / Ergebnisse: Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass
vor allem zwischen den Nicht-EU-Ausländern und die anderen
beiden Gruppen Unterschiede angetroffen werden. Die Ergebnisse
werden im Zusammenhang mit der Fragestellung diskutiert, wie im
kommunalen Suchthilfeverbund die Patientengruppe mit Migra­
tionshintergrund besser in die Suchthilfestrukturen integriert werden kann.
003
Werden Menschen mit Migrationshintergrund anders pharmakotherapiert?
Marc Ziegenbein (Med. Hochschule Hannover, Klinik für Psychia­
trie)
Einleitung: Sowohl biologische als auch kultur- und migrationsspezifische Faktoren ebenso wie das Integrationsniveau mit dem
vorherrschenden Akkulturationsstil determinieren das Spannungsfeld, in dem sich Diagnostik und Therapie bei psychischen Erkrankungen von Menschen mit Migrationshintergrund bewegen.
Methode: Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass es große kulturelle Unterschiede im Hinblick auf die Anwendung, Dosierungen und
Nebenwirkungsprofile von Psychopharmaka gibt, was alle Sub­
stanzklassen von Antipsychotika bis hin zu Antidepressiva betrifft.
Nahezu alle Psychopharmaka wurden in Nord Amerika sowie West
Europa entwickelt und in Studien getestet, wobei es sich bei den
Probanden in den Zulassungsstudien in der Regel um „young,
white males“ handelt. Diese Punkte sollen im Rahmen des Vortrages kritisch diskutiert werden. Zudem sind Kenntnisse über pharmakogenetische Besonderheiten bei Menschen aus fremden Kulturen in diesem Zusammenhang unerlässlich. Nach Darstellung der
Grundlagen der metabolischen Elimination von Psychopharmaka
und Beschreibung der grundsätzlichen pharmakologischen und
klinischen Effekte bei sehr langsamen Metabolisierern und extrem
schnellen Metabolisierern, werden die klinischen und praktischen
Therapiekonsequenzen aus den derzeitig zur Verfügung stehenden
Untersuchungen über die Genetischen Polymorphismen vorgestellt.
43
Topic 2 G Psychische Störungen durch psychotrope Substanzen, F1 // Mental disorders due to psychoactive substance use, F1
Diskussion / Ergebnisse: Insbesondere vor dem Hintergrund dieser biologischen- und soziokulturellen Faktoren stellt sich die Frage
nach der Notwendigkeit einer kultursensiblen Psychopharmakotherapie.
004
Delinquenzmuster und Einfluss von Substanzkonsum bei Straf­
tätern mit und ohne Migrationshintergrund in der Schweiz
Jérôme Endrass (Amt für Justizvollzug Zürich, PPD, Schweiz)
Einleitung: Mehr als die Hälfte der Gefängnis-Insassen im Kanton
Zürich hat einen Migrationshintergrund. Offizielle Rückfallstatistiken werden grundsätzlich nur für Schweizer Straftäter ausgewiesen, da Gewalt- und Sexualstraftäter mit Migrationshintergrund
nach der Strafverbüssung häufig ihr Aufenthaltsrecht in der Schweiz
verlieren.
Methode: Seit 2000 läuft im Kanton Zürich eine longitudinal an­
gelegte Untersuchung mit einer repräsentativen Stichprobe von Gewalt- und Sexualstraftätern (N=469). Nach der einmaligen Erhebung soziodemographischer, deliktspezifischer und psychiatrischer
Merkmale wird die Legalbewährung periodisch überprüft.
Diskussion / Ergebnisse: 44 % der im Kanton Zürich administrierten Gewalt- und Sexualstraftäter weisen einen Migrationshin­
tergrund auf. Die Prävalenz von Straftätern mit Migrationshin­
tergrund unterscheidet sich jedoch stark in verschiedenen
Deliktgruppen. Gleiches gilt für die Prävalenz des Missbrauchs illegaler Substanzen. Multivariable Analysen weisen darauf hin, dass
sich Straftäter mit Migrationshintergrund durch eine Reihe von
Merkmalen von Schweizer Straftätern unterscheiden. Neben einer
Häufung von Gewaltdelinquenz (gegenüber Sexualdelinquenz)
kann bei Straftätern mit Migrationshintergrund gegenüber Schweizer Straftätern eine höhere Prävalenz eines Missbrauchs illegaler
Substanzen dokumentiert werden. Dieser Zusammenhang hält
auch einer statistischen Überprüfung mit multivariablen Modellen
stand. Neben den Deliktmustern von Straftätern mit Migrationshintergrund wird auch die Schwierigkeit der Überprüfung der
Legalbewährung bei Migranten diskutiert.
Freitag, 27. 11. 2009, 15.30 – 17.00 Uhr, Saal Istanbul
WSy-010 Weiterbildungssymposium
Akutbehandlung der Alkoholabhängigkeit
Vorsitz: C. Fehr (Mainz), I. Vernaleken (Aachen)
001
Symptomorientierte Alkoholentzugsbehandlung
Christoph Fehr (Universitätsmedizin Mainz, Klinik für Psychiatrie)
D. Sommerlad, M. Lorscheider
Einleitung: Die Akutbehandlung alkoholabhängiger Patienten
zählt mit einer Häufigkeit von ca. 35 % aller Behandlungsfälle zu
den häufigsten Aufgaben der an der Pflichtversorgung teilnehmenden Psychiatrischen Kliniken und Abteilungen. Ein großer Anteil
notfällig aufgenommenen alkoholabhängigen Patienten entwickelt
innerhalb weniger Stunden ein überwachungs- und behandlungsbedürftiges Alkoholentzugssyndrom. Dem Management und der
pharmakologischen Behandlung eines Alkoholentzugsyndroms
kommt daher im klinisch-psychiatrischem Alltag eine wichtige Bedeutung zu.
Methode: Die Evidenzlage der Alkoholentzugsbehandlung wurde
durch eine systematische Literaturrecherche mit den Begriffen
„alcohol withdrawal“, „treatment“, and „review“ ausgewertet. Relevante Originalarbeiten wurde durch ergänzende Recherchen mit
44
den Begriffen „alcohol withdrawal“ und „clinical trial“ identifiziert.
Die zentralen Ergebnisse der wichtigsten Studien werden durch klinische Fallbeispiele anschaulich gemacht werden.
Diskussion / Ergebnisse: Die symptomorientierte Behandlung des
Alkoholentzugssyndroms kann gegenüber einer fest dosierten
Behandlung als effektivere, verträglichere und sichere Methode gelten. Hierzu sollte ein standardisierter Fragebogen, wie z. B. der in
Mainz entwickelte Alkohol-Entzugs-Symptombogen (AESB) eingesetzt werden. Langwirksame Benzodiazepine stellen nach den
Ergebnissen nordamerikanischer Studien die sichersten und wirksamsten Substanzen zur Behandlung eines Alkoholentzugssyndroms dar. Für den Einsatz von Clomethiazol sprechen umfang­
reiche klinische Erfahrungen in Deutschland; die Evidenzlage ist
jedoch weniger befriedigend. Antiepileptika, wie Carbamazepin,
Levetiracetam oder Valproat können eine sinnvolle Alternative für
die Alkoholentgiftung insbesondere in der ambulanten Behandlungssituation darstellen.
002
Behandlung des Alkoholentzugsdelirs
Ingo Vernaleken (RWTH Aachen, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie)
Patienten mit einer Alkoholabhängigkeitserkrankung sind eine der
größten Patientengruppen in psychiatrischen Kliniken, ob sie nun
primär wegen der Suchterkrankung oder wegen der häufig komorbiden psychischen Erkrankungen aufgenommen werden. Darüber
hinaus sind Alkoholabhängigkeitserkrankungen zu einem beträcht­
lichen Anteil auf somatischen Stationen zu finden. Die konsilia­
rische Betreuung dieser Patienten stellt den Psychiater zusätzlich
vor praktische Behandlungs- aber auch Infrastrukturprobleme.
Dies ist insbesondere beim bereits beginnenden oder vorhandenen
Delir gültig. In aller Regel ist unabhängig von den Komorbiditäten
bzw. den primären Behandlungszielen des Patienten ein professioneller Umgang mit der Entzugssymptomatik notwendig. Obgleich
diese Situation zu den häufigsten psychiatrischen Behandlungslei­
stungen zählt und andererseits eine inadäquate Versorgung zur
Gefährdung des Patienten (Krampfgeschehen, Delir) führen kann,
finden sich häufig klinikintern keine klaren oder aber wenig taug­
liche Prozeduren zur Entzugsbehandlung. Im Falle eines Delirs gilt
dies im verstärkten Maße. In dieser Fortbildungsveranstaltung sollen zunächst verschiedene standardisierte Verfahren zur Entzugsbehandlung vorgestellt werden und klinisch-praktische Ergebnisse
präsentiert werden, die sich auf die Vermeidung von deliranten Zuständen beziehen. Insbesondere soll aber in dieser Fortbildung auf
Klinik, Verlauf und Behandlung des Alkoholentzugs-Delirs ab­
gehoben werden. Auch klinisch relevante Probleme und Komplika­
tionen durch Komorbiditäten und / oder der Konsiliarsituation
werden thematisiert.
003
Evidenzbasierte Behandlung des Wernicke Korsakow Syndroms
Daniel Sommerlad (Universitätsmedizin Mainz, und Psychotherapie
Klinik für Psychiatrie)
Einleitung: Das Wernicke-Korsakow-Syndrom (WKS) ist eine
neurologisch-psychiatrische Spektrumserkrankung, die pathophysiologisch auf einen Vitamin B1-Mangel zurück geführt werden
kann. Ätiologisch sind häufig alkoholabhängigen Patienten betroffen, das Syndrom kann jedoch auch i. R. schwerer körperlich konsumierender Erkrankungen oder bei Malnutrition auftreten.
Methode: Der Vortrag präsentiert die Ergebnisse einer systematischen Medline-Recherche, sowie die Analyse eines vorhandenen
Cochrane-Reviews. Ziel ist die Erarbeitung eines evidenzbasierten,
klinisch praktikablen Vorgehens zur Vitaminsubstitution bei Pa­
tienten mit drohendem, vermutetem oder nachgewiesenen WKS.
Diskussion / Ergebnisse: Das WKS ist ein klinisch unterdiagnosti-
Topic 2 G Psychische Störungen durch psychotrope Substanzen, F1 // Mental disorders due to psychoactive substance use, F1
ziertes, vielgestaltiges Krankheitsbild, das von mono- oder oligosymptomatischem Beschwerden bis hin zu schweren Verläufen mit
Todesfolge reichen kann. Bei insgesamt schlechter Datenlage bezüglich Applikationsform und Dosierung erscheint die Evidenz zur
Behandlung eines manifesten WKS mittels hochdosierter intra­
venöser Gabe am besten validiert, während die Prophylaxe in Tablettenform erfolgen kann.
Donnerstag, 26. 11. 2009, 10.30 – 12.00 Uhr, Saal VIP 2
FW-005 Forschungsworkshop
Nikotinabhängigkeit: Einflussfaktoren auf den Verlauf über die
Lebensspanne und aktuelle Therapieansätze
Vorsitz: B. Schneider (Frankfurt am Main), T. Bronisch (München)
001
Rauchen sagt Suizidideen und Suizidversuche voraus. Ergebnisse
einer epidemiologischen prospektiven Studie von Jugendlichen
und jungen Erwachsenen über 10 Jahre
Thomas Bronisch (Max-Planck-Institut, Psychiatrie, München)
M. Höfler, R. Lieb, P. Zimmermann, H. Pfister, M. Ising
Einleitung: Die zeitliche Beziehung zwischen Rauchen und Suizidalität ist nicht klar. Unsere Studie befasst sich mit den Assoziationen zwischen Rauchen und Suizidalität und ihrer zeitlichen Abfolge.
Methode: Baseline, vier Jahres- und zehn Jahres-Daten der „Early
Developmental Stages of Psychopathology (EDSP) study“ werden
präsentiert, einer prospektiven longitudinalen Studie von Adoleszenten und jungen Erwachsenen aus München. Wir erfassten Rauchen (gelegentlich und regulär), Nikotinabhängigkeit, Suizidideen
und Suizidversuche mit dem standardisierten Munich-Composite
International Diagnostic Interview (M-CIDI).
Diskussion / Ergebnisse: In der vier Jahres Katamnese waren Sui­
zid­ideen und Suizidversuche streng assoziiert mit gelegentlichem
und regulärem Rauchen und Nikotinabhängigkeit zur Baseline
(Odds ratios [OR] 1.4 bis 16.4). In den prospektiven Analysen erhöhte vorhergehendes gelegentliches und reguläres Rauchen und
Nikotinabhängigkeit das Risiko für neues Auftreten von Suizid­
ideen (OR 1.5 bis 2.7) und vorhergehendes reguläres Rauchen und
Nikotinabhängigkeit erhöhte das Risiko für neu auftretende Suizidversuche (OR 3.1 bis 4.5). Vorher bestehende Suizidalität zeigte
hingegen keine Assoziation mit nachfolgendem Rauchen oder Nikotinabhängigkeit. Die Assoziationen blieben stabil, auch wenn die
Probanden, die die DSM-IV-Kriterien für eine Major depression
erfüllten, ausgeschlossen wurden. Die Ergebnisse der 10 Jahres Katamnese zeigen eine Dosisi-Abhängigkeit, d. h. je länger das Rauchen andauert desto höher ist die Wahrscheinlichkeit für Suizideen
und Suizidversuche, wohingegen Raucherstopp innerhalb von 4
Jahren zu keinem erhöhten Risko für Suizidideen in der 10 Jahreskatamnese führen. Das untersuchte Sample ist begrenzt auf eine
Alterskohorte von 14 bis 24 Jahre. Suizide konnten im Zehnjahreszeitraum nicht beobachtet werden. Das Vorhandensein von Assoziationen zwischen vorhergehendem Rauchen and nachfolgender
Suizidalität, im Kontext einer fehlenden Assoziation zwischen vorgehender Suizidalität und nachfolgendem Rauchen, lässt die Annahme zu, dass eine eigenständige Entwicklung von Rauchen zur
Suizidalität besteht.
002
Zusammenhang zwischen Nikotin- und Alkoholkonsum und Suizidmortalität in der Allgemeinbevölkerung: Ergebnisse aus der
MONICA / KORA-Augsburg Kohortenstudie
Barbara Schneider (Goethe-Universität, Psychiatrie und Psycho­
therapie, Frankfurt am Main)
J. Baumert, A. Schneider, B. Marten-Mittag, C. Meisinger, N. Erazo,
K.-H. Ladwig, f. t. KORA Investigators
Einleitung: Zusammenhänge zwischen Rauchen und risikoreichem Alkoholkonsum einerseits und Suizidmortalität andererseits
wurden wiederholt nachgewiesen. Jedoch gibt es bisher kaum Untersuchungen über das Ausmaß des Zusammenhangs zwischen
risikoreichem Alkoholkonsum und Rauchen und Suizidmortalität
in der Allgemeinbevölkerung.
Methode: In einer prospektiven bevölkerungsbezogenen Kohortenstudie, die auf drei unabhängigen bevölkerungsbezogenen Quer­
schnittsstudien basiert, wurden 12888 Personen (6456 Männer,
6432 Frauen; Alter zwischen 25 und 74 Jahren bei der Erstunter­
suchung) bis zum 31.12.2002 nachuntersucht. Standardisierte
Sterblichkeitsverhältnisse (SMR) wurden für alle Todesursachen
und für Suizid berechnet. Mittels Cox proportional hazard Regressionsanalyse wurden Hazardratios (HRs) zur Berechung von relativen Risiken für Tod infolge Suizids bei ‚Rauchen‘ und ‚Alkoholkonsum‘ bestimmt. ‚Rauchen‘ wurde kategorisiert in ‚gegenwärtig
regelmäßiges Rauchen‘ vs. ‚gegenwärtig nicht regelmäßiges Rauchen‘ und ‚Alkoholkonsum‘ in ‚wenigstens risikoreicher Alkoholkonsum [Männer: > 60 g / die, Frauen: > 40 g / die]’ und ‚weniger‘.
Diskussion / Ergebnisse: Nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 12,0 +/- 4,4 Jahren [Mittelwert +/- SD] and 154275 Personenjahren waren 1449 Personen verstorben, davon 38 durch Suizid.
Verglichen mit der Allgemeinbevölkerung war die Suizidmortalität
für risikoreichen Alkoholkonsum (SMR = 2,23, 95 % CI 1,07 – 4,09)
und für Rauchen (SMR = 2,14, 95 % CI 1,27 – 3,38), besonders
stark jedoch beim gleichzeitigem Vorliegen von Rauchen und risikoreichem Alkoholkonsum erhöht (SMR = 4,52; 95 % CI 1,95 –
8,90). Beim internen Vergleich prädizierten Rauchen und risikoreicher Alkoholkonsum ebenfalls Suizid (Rauchen: HR = 2,51, 95 %
CI 1,31 – 4,83, risikoreicher Alkoholkonsum: HR = 2,30, 95 % CI
1,10 – 4,80), auch nach Adjustierung für andere Variablen und
in multivariaten Analysen. ‚Komorbidität’ von risikoreichem Alkoholkonsum und Rauchen erhöhte weiter das Suizidrisiko (HR =
5,40, 95 % CI 2,28 – 12,75). Obwohl die Mechanismen, die der Beziehung zwischen Rauchen, Alkoholkonsum und Suizid zugrunde
liegen, nicht geklärt sind, konnten in dieser großen, repräsentativen
Studie die bekannten Zusammenhänge zwischen Alkoholkonsum,
Rauchen und Suizid bestätigt werden.
003
Risikoprofile für suizidales Verhalten bei Alkoholabhängigen und
gewohnheitsmäßigem Tabakkonsum
Ulrich Preuss (Martin-Luther-Universität, Psychiatrie, Halle)
M. Hesselborck, V. Hesselbrock
Einleitung: Die Alkoholabhängigkeit und gewohnheitsmäßiges
Rauchen treten sehr häufig gemeinsam auf und erhöhen möglicherweise beide das Risiko für suizidales Verhalten. Ziel dieser
Auswertung der COGA (Collaborative Study on Genetics in Alcoholism) Stichprobe ist es, den Einfluss beider Störungsbilder auf
suizidale Verhaltensweisen und psychiatrische Komorbidität retround prospektiv über 5 Jahre zu untersuchen.
Methode: Eigenschaften des Rauch- und Trinkverhaltens sowie
psychiatrischer Komorbidität und Suizidalität wurden mittels eines
strukturierten Interviews (Semi-Structured Assessment on Genetics on Alcoholism) erfasst. Die Stichprobe wurde hinsichtlich Alkoholabhängigkeit und gewohnheitsmäßigem Rauchen und nur
hinsichtlich ihres Rauchverhaltens alleine in jeweils 4 Gruppen
45
Topic 2 G Psychische Störungen durch psychotrope Substanzen, F1 // Mental disorders due to psychoactive substance use, F1
unterteilt.
Diskussion / Ergebnisse: In Analyse 1 wurden n = 3907 und in
Analyse 2 n = 7332 Personen einbezogen. Beide Diagnosen waren
signifikant mit suizidalen Verhaltensweisen und erhöhter Suizidalität assoziiert während die Kombination von Alkoholabhängigkeit
und gewohnheitsmäßigem Tabakkonsum das Risiko für Suizidversuche gegenüber der Alkoholabhängigkeit alleine nicht signifikant
erhöhte. Beide Störungsbilder erhöhen das Risiko für suizidale
Verhaltensweisen in retro- und prospektiven Auswertungen der
COGA-Stichprobe. Da zusätzliches Rauchen bei Alkoholabhängigen keinen signifikanten Effekt aufwies, ist zu vermuten, dass beide
Störungen auf einem jeweils unterschiedlichen Weg signifikanten
Einfluss auf suizidale Verhaltensweisen ausüben.
004
Angepasste Entwöhnungstherapien für unterschiedliche Rauchersubtypen: Eine randomisierte kontrollierte Studie
Anil Batra (Eberhard Karls Universität, Psychiatrie und Psychotherapie, Tübingen)
S. E. Collins, M. Schröter, I. Torchalla, G. Buchkremer, S. Eck
Einleitung: Die Stärke der Tabakabhängigkeit (FTND), soziodemo­
graphische Faktoren oder die Einstellung zum Tabakverzicht wurden in der Literatur als Abstinenzprädiktoren beschrieben. In einer
Studie zur Identifikation potentieller Rückfallprädiktoren nach
einer leitliniengerechten Behandlung abstinenzwilliger Raucher
waren subklinische psychopathologische Auffälligkeiten, u. a. im
Sinne einer subklinischen Depressivität als Rückfallprädiktoren
identifiziert worden (Batra et al, 2008) Ziel: In der Folgestudie sollte eine Ergänzung der Standardtherapie um Therapiebausteine vorgenommen werden, die sich an den Merkmalen der identifizierten
Subgruppen („stark abhängige Raucher“, „depressive Raucher“,
„Raucher mit erhöhten Werten für novelty seeking u. a. psychopathologischen Merkmalen“ orientierten. Beispielsweise wurde die
Therapie der Gruppe, die aufgrund von Merkmalen einer subklinischen depressiven Symptomatik als „depressive Raucher“ bezeichnet wurde, um medikamentöse und kognitiv-psychotherapeutische
Behandlungsmodule ergänzt. Diese sollten eine Verbesserung der
Emotionsregulation über die Einführung angenehmer Tätigkeiten
sowie die Vermittlung kognitiven Techniken zur Verbesserung der
Wahrnehmung und Kontrolle depressiver Kognitionen bewirken.
Die Effektivität der subgruppenadaptierten Entwöhnungsbehandlung wurde im randomisierten Vergleich zur leitliniengerechten
Standardtherapie überprüft.
Methode: Patienten und Methode: N = 193 Raucher (Durchschnittsalter TeilnehmerInnen: 45.97 J., SD = 10.51 Frauen: 54,4 %)
wurden randomisiert einer Standard- oder risikogruppenspezifisch
modifizierten Gruppentherapie zugewiesen. Bestimmt wurden die
selbstberichtete 7-Tages- und kontinuierliche Abstinenz am Ende
und 1, 6 und 12 Monate nach Therapie (Batra et al. 2008).
Diskussion / Ergebnisse: Die modifizierte Therapie führte bei der
Gruppe depressiver Patienten zu einer signifikanten Erhöhung der
Abstinenzraten, sie erreichten in der modifizierten Therapie ungefähr 3mal höhere Wahrscheinlichkeiten als die depressive Raucher
in der Standardtherapie (29 % vs.12 % kontinuierliche Abstinenz;
PP: OR = 2.92, p = .03; KA: OR = 3.35, p = .02). Für die depressive
Gruppe waren diese Raten über die 12-monatige Katamnese stabil
und zeigte keine signifikante Änderung (ps > .05). Diskussion: Für
die Teilgruppe der depressiven Patienten konnte bestätigt werden,
dass subgruppenspezifische psychotherapeutische Vorgehensweisen bei psychopathologischen Auffälligkeiten das Potential für eine
Erhöhung der Erfolgsaussichten nach Abschluss einer Tabakentwöhnungsbehandlung bieten.
46
Donnerstag, 26. 11. 2009, 15.30 – 17.00 Uhr, Salon 21
FW-008 Forschungsworkshop
Die tiefe Hirnstimulation als innovative Behandlungsoption therapieresistenter stoffgebundener Abhängigkeiten?
Vorsitz: U. J. Müller (Magdeburg), J. Kuhn (Köln)
001
Zigarettenkonsum als ein Beispiel für stoffgebundene Abhängigkeit und deren Modulierbarkeit durch Tiefe Hirnstimulation des
Nucleus Accumbens
Jens Kuhn (Universitätsklinikum Köln, Psychiatrische Klinik)
W. Huff, J. Klosterkötter, D. Lenartz, E.-H. Kim, R. Bauer, V. Sturm
Einleitung: Die Tiefe Hirnstimulation (THS) ist als Therapieoption
bei Bewegungsstörungen etabliert. Erfolgreiche Behandlungen von
Patientengruppen mit therapieresistenten Depressionen, Zwangsstörungen sowie dem Tourette-Syndrom lassen eine zukünftige Indikationserweiterung erwarten. Neuerdings wird auch ein Nutzen
der THS bei Abhängigkeitserkrankungen für möglich gehalten. So
könnte die elektrische Modulation des Ncl. Accumbens, die Schlüsselstruktur des sog. Belohnungssystem, zur Abstinenzerhaltung
beitragen.
Methode: Die Erstbeobachtung eines Patienten mit Alkoholabhängigkeit, der durch THS des Ncl. Accumbens sein Suchtverhalten
veränderte, veranlasste uns, den Behandlungsverlauf von 10 Pa­
tienten mit Nikotinabhängigkeit retrospektiv zu erfassen. Da diese
Patienten ebenfalls mittels dieser innovativen Behandlungsmethode jedoch bei differenten primären psychischen Störungen (z. B.
Tourette-Syndrom, Zwangsstörung) therapiert wurden, erhoben
wir ihr momentanes Rauchverhalten und retrospektiv ihr Rauchverhalten vor der Initiierung der tiefen Hirnstimulation. Zur Anwendung kamen der Fagerström Test für Nikotinabhängigkeit und
zusätzliche einfache Fragen zur Abstinenzmotivation.
Diskussion / Ergebnisse: Drei männlichen Patienten gelang es, ihren Konsum nach der THS des NAc beim ersten Abstinenzversuch
und ohne weitere Unterstützung zu beenden. Frühere diesbezügliche Versuche waren stets rasch gescheitert. Diese 30 % Abstinenzrate innerhalb der kleinen Studiengruppe liegt deutlich über der
allgemeinen Abstinenzrate. Die genauere Analyse ergab u. a. dass
diese drei Patienten einen höheren Motivationsgrad aufwiesen als
der Rest der Probanden. Die erzielten Resultate waren zwar aufgrund der kleinen Patientengruppe nicht signifikant, unterstreichen aber unter Berücksichtigung anderer erster kasuistischer
Behandlungsergebnisse von Alkoholabhängigkeit mit THS den potentiellen Nutzen dieser Methodik im Kontext von stoffgebundenen Abhängigkeiten. Insbesondere rechtfertigen die angeführten
klinischen Ergebnisse die Notwendigkeit einer wissenschaftlichen
Erforschung der THS des NAc zur Behandlung von Abhängigkeiten.
002
Lokale Feldpotentiale störungsspezifischer Funktionen des Nucleus accumbens bei Alkoholsucht
Marcus Heldmann (Universitätsklinikum Magdeburg, Neurologie)
H. J. Heinze, B. Bogerts, J. Voges
Neurobiologische Modelle zum Erwerb und zur Aufrechterhaltung
von Substanzabhängigkeit messen dem Nucleus accumbens (NAcc)
eine zentrale Bedeutung bei (A. E. Kelley, 2004; J. Everitt und T. W.
Robbins, 2005). Entsprechend ist dieser Kern des ventralen Striatums bei dem Ansatz, Alkoholsucht mit Hilfe der tiefen Hirn­
stimulation zu therapieren, bevorzugte Zielregion. Ein operantlerntheoretischer Ansatz zur Erklärung des Erwerbs und der
Aufrechterhaltung von Substanzabhängigkeit ist das Modell der
Topic 2 G Psychische Störungen durch psychotrope Substanzen, F1 // Mental disorders due to psychoactive substance use, F1
Anreizsalienz von Everitt und Robbins (1993, 2003, 2008). Wesentliche Voraussetzung bei diesem Modell ist die Beteiligung des NAcc
an der Kontrolle von Handlung, der Antizipation von Belohnungsreizen und der Verarbeitung substanzspezifischer Hinweisreize. Es
sollen die Ergebnisse von 3 Patienten vorgestellt werden, bei denen
im Zuge der Implantation von Elektroden zur Tiefen Hirnstimulation (THS) bei therapieresistenter Alkoholsucht in den Tagen 2 – 5
postoperativ externalisierte Elektroden verwendet werden konnten, um die Beteiligung des NAcc an verschiedenen kognitiven Mechanismen zu untersuchen. Die stimulus- und reaktionsbezogene
Mittelung lokaler Feldpotentiale (LFP) zeigt eine differentielle Beteiligung des NAcc an den postulierten kognitiven Mechanismen.
Diese Effekte sollen hinsichtlich eines kognitiv orientierten Erklärungsansatzes für die Wirkmechanismen der THS bei therapieresistenter Alkoholsucht diskutiert werden.
003
Tiefe Hirnstimulation bei Abhängigkeitserkrankungen – Erfahrungen und Perspektiven aus Sicht der funktionellen Neurochirurgie
Volker Sturm (Klinikum Universität zu Köln, Klinik für Stereotaxie
und Funktionelle Neurochirurgie)
004
Klinische Erfahrungen und Wirksamkeit der tiefen Hirnstimula­
tion bei therapieresistenter Alkoholabhängigkeit – Ergebnisse der
ersten fünf Patienten mit bis zu zwei Jahren Stimulationszeit
Ulf Joachim Müller (Universitätsklinikum Magdeburg, Psychiatrie)
B. Bogerts, J. Voges, H.-J. Heinze, I. Galazky, M. Heldmann, V.
Sturm
Einleitung: Nur knapp der Hälfte der Patienten mit Alkoholabhängigkeit gelingt es, langfristig abstinent zu bleiben. Ein dsyfunktionales Belohnungssystem des Gehirns, insbesondere Dysfunktionen
des Nucleus Accumbens scheinen bei der Therapieresistenz eine
zentrale Rolle zu spielen. Jüngst wurde berichtet, dass es nach Tiefenhirnstimulation (THS) des Nuclues Accumbens in der Behandlung einer schwersten Angststörung zu einer unerwarteten und
völligen Remission der sekundären Alkoholabhängigkeit gekommen war. Basierend auf diesem Bericht sowie den Erkenntnissen
über die Bedeutung des Nucleus Accumbens bei Alkoholabhängigkeit wurden an unserer Klinik seit September 2007 bisher fünf
Patienten auf der Grundlage eines individuellen Heilversuches operiert und eine Behandlung mittels THS des Nucleus Accumbens
durchgeführt.
Methode: Eingeschlossen wurden 5 männliche Patienten mit einer
langjährigen therapieresistenten Alkoholabhängigkeit. Die stereotaktische Operation mit bilateraler Implantation der Elektroden in
den Nucleus Accumbens erfolgte in Vollnarkose.
Diskussion / Ergebnisse: Zum Zeitpunkt der Beitragseinreichung
liegen follow-up Ergebnisse von bis zu 22 Monaten vor. Vier der
Fünf Patienten sind seit Operation abstinent. Der fünfte Patient
weist eine deutliche Reduktion der Trinktage und Trinkmenge auf.
Neben der Darstellung der angeführten klinischen Ergebnisse wird
im Vortrag vor allem auf die unmittelbaren und anhaltenden positiven Effekte der THS auf das Craving-Verhalten eingegangen.
Diese Auswirkungen werden auch anhand von Situationsbeschreibungen präsentiert, um – losgelöst vom klinischen Alttag und Ratingskalen – die Auswirkungen der THS im Alltag aus Sicht der
Patienten verständlich darzustellen. Zusätzlich werden die Auswirkungen der THS auf das private und berufliche Leben der Patienten
vorgestellt. Basierend auf diesen Ergebnissen und Erfahrungen sollen die ursprünglichen Ein- und Ausschlusskriterien des individuellen Heilversuches kritisch betrachtet werden und hinsichtlich
zukünftiger klinischer Studien mit den Teilnehmern diskutiert
werden.
005
DBS bei Alkoholabhängigkeit: Wann ist es ethisch vertretbar?
Matthis Synofzik (Universität Tübingen, Hertie-Institute)
Einleitung: Die tiefe Hirnstimulation (deep brain stimulation,
DBS) hat sich bei verschiedenen neurologischen Erkrankungen
(z. B. Morbus Parkinson, essentieller Tremor oder segmentale Dystonie) und neuerdings auch bei einigen psychiatrischen Erkrankungen (z. B. Major Depression oder Zwangserkrankungen) als innovative Behandlungsoption erwiesen. Bereits bei der Anwendung
bei neurologischen Erkrankungen treten jedoch ethische Probleme
auf, die bislang nur in Ansätzen systematisch ethisch reflektiert
wurden, z.B. die individuelle Güterabwägung zwischen DBS-induzierten Nutzeffekten und DBS-induzierten physischen oder psychischen Schädigungen, oder eine potentielle Fehlfokussierung auf
die Verbesserung motorischer Parameter unter Missachtung der
Lebensqualität und des psychosozialen Gesamtbefindens des Pa­
tienten. Diesen ethischen Problemen kommt bei der Anwendung
von DBS bei psychiatrischen Erkrankungen noch einmal eine besondere Gewichtung zu.
Methode: Im Rahmen einer kombinierten ethisch-konzeptuellen
und empirischen Analyse wird hier exemplarisch die Anwendung
von DBS bei Alkoholabhängigkeit und anderen stoffgebundenen
Abhängigkeiten untersucht.
Diskussion / Ergebnisse: Durch eine Analyse und Extrapolation
der ethischen Probleme von DBS bei M. Parkinson, Depression
und Zwangserkrankungen lassen sich grundlegende ethische Probleme bei diesem neuen DBS-Anwendungsfeld bereits antizipieren
und strukturieren. Hierzu werden ethische Kriterien und ein Entscheidungsalgorithmus vorgeschlagen, die eine spezifische Diskussion der jeweiligen ethischen Probleme bei einem individuellen
Patienten erleichtern könnten. Auch könnten sie eine ethisch fundierte Entscheidungsfindung ermöglichen, welche die sich kontinuierlich verändernde Evidenzlage für DBS bei Abhängigkeiten zu
berücksichtigen vermag.
Freitag, 27. 11. 2009, 13.30 – 15.00 Uhr, Halle 11.1
P-002 Posterpräsentation
Alkoholabhängigkeit 2
Vorsitz: F. Kiefer (Mannheim)
001
Aktivität der sezernierten Sphingomyelinase bei Patienten mit
Alkoholabhängigkeit
Johannes Beck (Psychiatrische Uniklinik, Molekulare Neurobiologie,
Erlangen)
M. Reichel, C. Mühle, S. Bleich, J. Kornhuber
Einleitung: Sphingomyelinasen katalysieren die Hydrolyse des
Plasmalipids Sphingomyelin und stellen somit Schlüsselenzyme bei
der Regulation der kritischen Ceramid-Konzentration dar. Erhöhte
Enzymaktivitäten wurden für die saure Sphingomyelinase (acid
Sphingomyelinase, ASM), die neutrale Sphingomyelinase (nSMase)
sowie für die sezernierte Sphingomyelinase (sSMase) auch im Zusammenhang mit psychiatrischen und neurologischen Erkrankungen berichtet. Mehrere in vitro Untersuchungen legen zudem den
Verdacht nahe, dass Alkohol zu einer Aktivierung der ASM und
der nSMase führen kann. Keine Hinweise gibt es bislang auf eine
alkohol-induzierte Erhöhung der sSMase-Aktivität. Wir haben in
einer ersten Arbeit die Aktivität der ASM in den Blutzellen von alkoholkranken Patienten untersucht und gefunden, dass die EnzymAktivität bei akuter Intoxikation signifikant erhöht ist und während
47
Topic 2 G Psychische Störungen durch psychotrope Substanzen, F1 // Mental disorders due to psychoactive substance use, F1
der frühen Abstinenz abnimmt. In einem zweiten Schritt soll nun
die Aktivität der sSMAse bestimmt werden. Obwohl beide Enzyme
durch das gleiche Gen kodiert werden und sich nur aufgrund der
post-translationalen Regulation in ihrer Lokalisation unterscheiden (ASM: Lysosom; sSMAse: Extrazellularraum), gibt es bislang
keine in vivo Daten zum Verhältnis der beiden Enzymaktivitäten
oder Hinweise auf eine Ko-Regulation. Die Untersuchung soll die
Hypothese untersuchen, dass lang anhaltender Alkoholmissbrauch
zu einer Veränderung des Sphingolipid-Stoffwechsels führt und
dass die psychiatrischen Konsequenzen der Krankheit zum Teil auf
diese Veränderungen zurückzuführen sind. Die Bestimmung der
Enzym-Aktivität aus Plasma stellt dabei eine wesentliche Erleichterung hinsichtlich der Anwendbarkeit und Durchführbarkeit solcher Untersuchungen dar.
Methode: Die Aktivität der sSMase wurde aus dem Plasma von
27 Patienten mit Alkoholkrankheit während des klinischen Entzugs mittels eines fluoreszenz-basierten Verfahrens bestimmt.
Blutentnahmen erfolgten am Tag der stationäre Aufnahme (Tag 0),
an den ersten beiden Tagen des Entzugs (Tag 1, Tag 2) sowie nach
Abschluss des klinischen Aufenthaltes (zwischen Tag 7 und 10).
Diskussion / Ergebnisse: Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass
die Aktivität der sSMase bei Patienten mit Alkoholkrankheit zu Beginn des klinischen Entzugs deutlich erhöht ist und im Laufe der
Therapie abfällt.
002
Belohnungslernen bei Binge-Trinkern und Alkoholabhängigen
Yvonne Paelecke-Habermann (Institut für Psychologie, Klinische Psychologie und Psychotherapie, Halle (Saale))
Einleitung: Chronischer und abhängiger Alkoholkonsum gehen
mit charakteristischen Veränderungen des Dopamin-(DA)-Stoffwechsels im Belohnungssystem (BRS) einher (Volkow et al., 2002).
Die drogentypisch sensitisierte DA-Reaktion im Nucleus accumbens (NAc) führt zu einer erhöhten Erregbarkeit des BRS bezüglich
aller Alkoholcues. Gleichzeitig kommt es zu einer Reduktion der
DA-Transmission in weiteren Strukturen des BRS (z. B. Striatum,
orbitofrontaler Kortex, OFC). Dies bewirkt eine reduzierte Ansprechbarkeit des BRS auf substanzunabhängige Belohnungscues.
Folglich sollten alkoholabhängige Patienten Defizite im impliziten
und expliziten Belohnungslernen zeigen. Eine offene Frage ist außer­
dem, ob sich diese Defizite auch bei sog. Binge-Trinkern finden.
Methode: 24 Alkoholabhängige (DSM-IV), 35 Binge-Trinker (> 6
Monate mind. 2x monatl. > 4 alk. Getränke / 2h) und 50 nach WHO
unauffällige Konsumenten. AVs: Ein substanzbezogener Aufmerksamkeitsbias wurde über eine Emotionale Stroop-Aufgabe erfasst.
Zur Erfassung des impliziten Belohnungslernens wurde eine probabilistische Klassifikationsaufgabe ohne Lernanweisung mit monetärem Feedback (nach Knowlton et al., 1996) eingesetzt. Das explizite Belohnungslernen wurde über ein go / no go-Kartenspiel mit
expliziter Lernanweisung und Feedback via Belohnung und Bestrafung operationalisiert. KV: Über das SKID werden komorbide
Achse-I-Störungen ausgeschlossen. Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnisleistungen, Aufmerksamkeit und Exekutivfunktionen werden
umfassend neuropsychologisch getestet.
Diskussion / Ergebnisse: Die Ergebnisse zeigen deutliche Beeinträchtigungen im impliziten und expliziten Belohnungslernen bei
Alkoholabhängigen sowie einen Aufmerksamkeitsbias für Alkoholcues. Auch die Binge-Trinker weisen tendenzielle Defizite im
impliziten Belohnungslernen auf, d. h. dass Binge-Trinken als ein
Risikofaktor für die Entwicklung einer Abhängigkeit zu betrachten
ist.
48
003
Low D2 / D3-receptor availability in detoxified patients with
alcohol addiction compared to healthy subjects – PET study with
[18F] fallypride
Michael Paulzen (Universitätsklinikum Aachen, Psychiatrie und Psychotherapie)
K. Spreckelmeyer, J. Van Waesberghe, M. Zalewski, T. Baltus, M.
Raptis, F. Rösch, I. Vernaleken, W. Schäfer, G. Gründer
Introduction: Chronic alcohol intake seems to be associated with
changes in central DA D2-receptor availability. Aim of the present
study was to quantify striatal and extrastriatal D2/3 receptor avail­
ability in detoxified patients with alcohol addiction and healthy
controls.
Discussion / Results: Preliminary analysis of baseline-data from 12
patients and 12 controls revealed a statistically significant decrease
in D2/3 receptor availability in patients with alcohol addiction. The
preliminary analysis shows that the reported reduction in D2/3 receptors is not restricted to the (ventral) striatum, but comprises
extrastriatal brain regions such as the thalamus and cortex as well.
This suggests a more general dysfunction of dopaminergic systems
in alcoholism than previously thought.
Method: [18F]fallypride positron emission tomography (PET) was
used to compare 12 detoxified male patients with alcohol addiction
and 12 healthy controls. All subjects underwent two dynamic PET
scans whereas the first scan comprised a baseline assessment of
D2/3 receptor availability.
004
Fähigkeit zur Erzeugung konstanter Blutalkoholspiegel während
Computer-assistierter Selbstinfusion von Ethanol (CASE): Ein Marker für geringes Suchtrisiko?
Inge Maria Mick (Uniklinikum Dresden, Psychiatrie)
S. O´Connor, V. Vitvitsky, P. Winiecki, K. Mann, U. S. Zimmermann
Einleitung: Experimente mit oraler Selbstverabreichung von Alkohol erbrachten aufgrund der hohen Variabilität der Blutalkoholkonzentration (BAK) häufig keine positiven Ergebnisse. CASE umgeht die hierfür ursächlichen interindividuellen Unterschiede in
der Absorptions- und Eliminationsphase des Alkohols und es ist
daher möglich, genauere Aussagen über das Selbstverabreichungsverhalten der Probanden zu treffen.
Methode: Es wurden 23 gesunde junge Erwachsene (Alter zwischen 20 und 21 Jahren; positive oder negative Familienanamnese)
eingeschlossen. CASE steuert die intravenöse Verabreichung einer
6 %igen Alkohollösung auf der Grundlage eines pharmakokinetischen Modells über zwei Infusionspumpen. Die Veränderung im
Blutalkohol sowie deren zeitlicher Verlauf sind bei jedem Probanden exakt gleich (Anstieg von 0,075‰ innerhalb von 2,5min nach
jeder einzelnen Anforderung durch die Probanden). So lange die
Versuchsteilnehmer keinen Alkohol anfordern, wird die Infusion
so gesteuert, dass der Blutalkohol kontinuierlich um 0,01‰ / min
abfällt. Die bisher zur Auswertung genutzten Ergebnisvariablen
waren die Mittel- und Maximalwerte der BAK und die Anzahl der
Alkoholanforderungen, welche eng miteinander korrelieren. Wir
werteten die Daten zusätzlich hinsichtlich Phasen stabiler BAK
(Plateaus) aus, um zu prüfen, ob die Probanden in der Lage waren,
während der Selbstverabreichungsphase eine stabile Alkoholexposition zu erreichen und aufrecht zu erhalten.
Diskussion / Ergebnisse: Während 33 von 46 Experimenten erreichten die Probanden ein stabiles Plateau und hielten dieses für
mindestens 30 Minuten während der Selbstverabreichungszeit aufrecht. Weil BAK nach jeder Alkoholanforderung schnell ansteigt
und schnell wieder abfällt, solange keine weitere getätigt wird, ist
dies nur möglich, wenn die Probanden die entstehenden Alkoholwirkungen subjektiv deutlich wahrnehmen. Probanden mit einer
positiven Familienanamnese gelang es deutlich schlechter, ein Pla-
Topic 2 G Psychische Störungen durch psychotrope Substanzen, F1 // Mental disorders due to psychoactive substance use, F1
teau aufrecht zu erhalten als denjenigen mit einer negativen Familienanamnese. Phasen mit stabiler BAK können nur mit der CASE
Software gut nachgewiesen werden und zeigen wahrscheinlich ein
geringes Suchtrisiko an.
005
Schwere zerebrale und extrazerebrale Alkoholfolgen bei einer
jungen Patientin: Asymptomatische pontine Myelinolyse und Pankreasinsuffizienz
Nadine Osterfeld (Universitätsklinik Ulm, Psychiatrie III)
M. Kölle, S. Arda, R. Freudenmann
Einleitung: Die Konsummuster bei Suchterkrankungen unterliegen einem häufigen Wandel. Im Bereich des Alkohols etwa werden
die Kriterien des schädlichen Gebrauchs oder der Abhängigkeit
von immer jüngeren Patienten und gerade jungen Frauen erfüllt.
Problematisch sind „Modeerscheinungen“ wie das Binge-drinking
oder Flatrate-Parties. Es kommt bei bisher nicht-typischen Patientengruppen wie jüngeren Frauen immer häufiger zu ausgeprägten
Alkoholfolgeerkrankungen. Dies soll hier anhand eines Fallberichts
veranschaulicht werden.
Methode: Wir berichten den Fall einer 30-jährigen Patientin mit
einer schweren nur 8-monatigen Alkoholabhängigkeit. Die aus
Moldawien stammende Patientin hatte bei starkem Heimweh begonnen täglich ca. 250 – 500ml Wodka bzw. andere hochprozentige
Getränke zu konsumieren. Innerhalb von 6 Monaten kam es zu einer schweren akuten Pankreatitis mit Entwicklung eines pankreo­
priven Diabetes mellitus. Nach ca. 1,5 Monate Abstinenz kam es zu
einem Rückfall und sie stellte sich in unserer Klinik zur qualifizierten Entzugsbehandlung vor. In der organischen Diagnostik zeigte
sich zusätzlich eine exokrine Pankreasinsuffizienz (Elastase im
Stuhl unter der Nachweisgrenze) und überraschend eine ausgeprägte Pontine Myelinolyse (Grösse 1,9 x 1,6 x 2,1 cm). Diese war
vermutlich zuvor im Rahmen der Pankreatitis vermittelt durch eine
Hyponatriämie von 126 mmol / l erworben worden (entzündliche
und andere typische Ursachen wurden ausgeschlossen). Dieser Befund war bemerkenswert, weil die Patienten keinerlei neurologische Symptomatik hatte.
Diskussion / Ergebnisse: Der vorliegende Fall zeigt, dass sich
schwere zerebrale und extrazerebrale Alkoholfolgeschäden schon
bei jungen Frauen ohne körperliche Symptomatik und nach vergleichsweise geringen Alkoholmengen entwickeln können. Hintergrund dafür ist vermutlich die geringere Detoxifikationskapazität
der hepatischen Alkohol-Dehydrogenase, während über eine erhöhte neuronale Vulnerabilität wenig bekannt ist. Aller Voraussicht
nach wird die Anzahl der schweren Folgeerkrankungen bei Frauen
steigen. Die als riskant angesehenen Alkoholmengen am Tag werden ständig nach unten korrigiert, so dass eine effizientere Prävention wünschenswert ist. Wir empfehlen vor diesem Hintergrund
bei jungen Frauen mit einer Alkoholanamnese eine gezielte, aber
angemessene Abklärung auf Alkoholfolgeerkrankungen stärker in
Betracht zu ziehen.
006
Geschlechtsunterschiede bei Alkoholabhängigkeit: Stress und
Coping vor und nach Entzugsbehandlung
Ursula Bayer (UPK, Basel, Schweiz)
U. Gerhard, G. Wiesbeck, M. Walter
Einleitung: Weibliche und männliche Alkoholabhängige bilden
keine homogene Gruppe hinsichtlich ihrer Entwicklung der Abhängigkeit und des Rückfalls. Sowohl Stress als auch Stressverarbeitung stellen wichtige prädiktive Faktoren für den späteren Verlauf
der Alkoholerkrankung dar.
Methode: Soziale Daten, Daten zum Trinkverhalten, Stress-coping
Mechanismen und Cortisol-Konzentrationen im Plasma und Liquor wurden bei insgesamt 130 Alkoholpatienten (F35 und M95)
vor und nach abgeschlossener Entzugsbehandlung erhoben.
Diskussion / Ergebnisse: Weibliche Alkoholabhängige sind signifikant älter bei Erstdiagnose und konsumieren signifikant weniger
Alkohol als männliche Alkoholabhängige im Vergleich. Sie sind zudem häufiger in die Kindererziehung eingebunden und wohnen
seltener alleine. Während sich die Cortisolkonzentrationrn zwischen weiblichen und männlichen Patienten vor und nach Entzugsbehandlung nicht unterscheiden, zeigten die weiblichen Alkoholabhängigen nach der Entzugsbehandlung signifikant höhere
Werte für negative Stress-Coping-Mechanismen.
007
Die Ausprägung von Schuld- und Schamgefühlen und beeinflussende Faktoren bei alkoholabhängigen Frauen und Männern
Rigo Brueck (Encitas, CA)
B. Abberger, D. Riemann, M. Hornyak
Einleitung: Obwohl die Bedeutung von Scham- und Schuldgefühlen in der therapeutischen Arbeit mit Alkoholkranken offensichtlich ist, gab es bisher keine Untersuchungen zu diesem Thema mit
klinisch relevanten Stichproben. Unsere Studie beschäftigte sich
mit 3 Fragen: Unterscheiden sich alkoholabhängige Patienten von
gesunden Vergleichspersonen in ihrem Scham- und Schulderleben? Unterscheiden sich männliche und weibliche Alkoholabhängige in der Ausprägung ihrer Scham- und Schuldgefühle? Welche
Faktoren nehmen Einfluss auf Scham und Schuld bei Alkoholabhängigkeit?
Methode: 60 alkoholabhängige Patienten (Diagnose nach ICD-10;
30 Männer und 30 Frauen) und 60 gesunde, nach Geschlecht, Alter
und Schuldbildung gematchte Vergleichspersonen beantworteten
den Test of Self-Conscious Affect (TOSCA-3), den Personal Feelings Questionnaire (PFQ-2) und die Experiential Shame Scale
(ESS). Mit weiteren Fragebögen wurde die Schwere des Alkoholkonsums (AUDIT, Alcohol Use Disorders IdentificationTest), des
Alkoholverlangens (OCDS-G, Obsessive Compulsive Drinking
Scale), die Symptomschwere komorbider Störungen (STAI, State
Anxiety Questionnaire; BDI, Beck Depressions Inventar; WURS-k,
Wender Utah Rating Scale-Kurzform; P(T)DS (Teil 3), Posttraumatic Stress Diagnostic Scale; CTQ-SF, Childhood Trauma Questionnaire) sowie deskriptive Daten erfasst.
Diskussion / Ergebnisse: Die alkoholabhängigen Patienten zeigen
deutlich höhere Scham- und nicht-adaptive Schuldwerte als die gesunde Vergleichsgruppe. Alkoholabhängige Männer unterscheiden
sich von alkoholabhängigen Frauen nur in adaptiver Schuld; die bei
den Frauen wesentlich höher ist. Statistisch signifikante Korrelationen zeigen sich zwischen Scham- und Schulderleben, der Symptomschwere komorbider Störungen, der Anzahl der bisherigen
Therapien, einer komorbiden Depression und der Einnahme von
Psychopharmaka. Ein deutlicher Zusammenhang zeigt sich auch
zwischen Scham bzw. Schuld und der Ausprägung von Angst.
008
Ergebnisqualität in der stationären medizinischen Rehabilitation
alkoholabhängiger Spätaussiedler
Peter Missel (AHG Klinken Daun)
I. Malissova, V. Belous, N. Bergemann
Einleitung: Nach den Empfehlungen des Drogen- und Suchtrates
(2008) weisen Spätaussiedler ein erhöhtes Risiko für Alkoholmissbrauch und Alkoholabhängigkeit auf, zudem werde eine Behandlung häufig durch schlechte deutsche Sprachkenntnisse erschwert.
Daher seien spezifische Angebote der Prävention und Behandlung
für diese Patientengruppe zu entwickeln.
Methode: In den AHG Kliniken Daun Am Rosenberg wird seit
mehr als zehn Jahren ein Behandlungsangebot für weibliche und
männliche Patienten ab 18 Jahren mit einem Alkoholabhängigkeitssyndrom und Migrationshintergrund als Aussiedler als Ziel-
49
Topic 2 G Psychische Störungen durch psychotrope Substanzen, F1 // Mental disorders due to psychoactive substance use, F1
gruppenkonzept durchgeführt. Besonderheiten des Programms
sind u. a. die Behandlung in einem zweisprachigen Behandlungs­
team in einem deutschsprachigen Kliniksetting, die Abhängigkeitsbehandlung in einer russischsprachigen oder deutschsprachigen
Bezugsgruppe, die intensive und forcierte Förderung deutscher
Sprachkenntnisse und die Beachtung von interkulturellen Behandlungsaspekten. In den Jahren 2003 bis 2007 wurden 156 Spätaussiedler behandelt. Der Beitrag geht der Frage nach, wie sich diese
Teilstichprobe hinsichtlich Patienten- und Behandlungsmerkmalen sowie hinsichtlich der katamnestischen Erfolgsquoten von im
selben Zeitraum behandelten übrigen Klientel unterscheiden.
Diskussion / Ergebnisse: Die Ergebnisse zeigen, dass Spätaussiedler während der Rehabilitation vergleichsweise häufiger rückfällig
werden, ihre Behandlung aber genau so häufig planmäßig wie die
anderen Patienten beenden. Obgleich Spätaussiedler einen belastenden Migrationshintergrund aufweisen und signifikant häufiger
arbeitslos sind, zeigen sich in den katamnestischen Erfolgsquoten
während eines poststationären 1-Jahres-Zeitraumes nur vergleichsweise geringfügig erniedrigte Behandlungserfolge.
009
Intelligenz und Persönlichkeit als Prädiktoren des Alkoholkonsums nach qualifizierter Entzugsbehandlung
Gerd Weithmann (ZfP Südwürttemberg, Versorgungsforschung,
Ravensburg)
M. Hoffmann, E. Flammer
Einleitung: Mit zunehmendem zeitlichen Abstand zu einer abgeschlossenen Entzugsbehandlung dürfte der unmittelbare Effekt der
Therapie nachlassen und Faktoren, die die Remission (Abstinenz
oder reduzierter Konsum) aufrechterhalten, entsprechend wichtiger werden. Für die Aufrechterhaltung einer Remission ist zum
Beispiel soziale Unterstützung (z. B. durch Partner, Familie, Selbsthilfegruppen) vorteilhaft. Da bei der Stabilisierung der Remission
auch kognitive Bewertungsprozesse eine Rolle spielen, untersuchten wir den Zusammenhang von Intelligenz- und Persönlichkeitsmaßen mit dem Alkoholkonsum zu verschiedenen Zeitabschnitten
nach einer Enzugsbehandlung.
Methode: Der Katamnesezeitraum betrug zwei Jahre. Die kogni­
tive Leistungsfähigkeit wurde während der Entzugsbehandlung
mittels Untertests des Hamburg-Wechsler Intelligenztest für Erwachsene (HAWIE) erfasst, Persönlichkeitsfaktoren mit dem NEOFünf-Faktoren-Inventar (NEO-FFI). Die Stichprobe bestand aus
N =106 alkoholabhängigen Patienten, darunter 19 Frauen (17,9 %).
Das Durchschnittsalter lag bei 44,0 Jahren, (sd = 9,10, Md = 43,0;
Range 26 – 72 Jahre). Die durchschnittliche Behandlungsdauer betrug 25,0 Tage (sd = 5,9), die Dropout-Rate 2,8 %. Durchgängig abstinent im Katamnesezeitraum waren 22 Patienten (20,8 %). Der
Alkoholkonsum wurde alle 3 Monate in face-to-face Interviews erhoben und durch Angaben von Vertrauenspersonen validiert. Als
Maß des Konsums wurde der Prozentanteil abstinenter Tage verwendet (PDA: percent days abstinent).
Diskussion / Ergebnisse: Mit zunehmender Katamnesedauer wurde der Zusammenhang zwischen den Testwerten des HAWIE-Subtests „Bilderergänzen“ und dem Alkoholkonsum enger. Für das
zweite Jahr nach der Entzugsbehandlung ergab sich ein hochsignifikanter Zusammenhang. Teilnehmern mit besseren HAWIE-BE
Scores hatten stabilere Remissionsverläufe. Auch eine Skala des
NEO-FFI (Neurotizismus) zeigte in den ersten Monaten nach der
Behandlung keinen, dann einen zunehmend engeren Zusammenhang mit dem Konsumverhalten. Während für kurzfristige Therapieeffekte kognitive Funktionen und Persönlichkeitsfaktoren offensichtlich weniger relevant sind, sind sie möglicherweise bedeutsam
für die längerfristige Aufrechterhaltung erreichter Besserungen.
50
010
Postakute Behandlung alkoholabhängiger Patienten: Therapiebausteine einer Suchtambulanz
Nina Bernow (Universitätsmedizin, Psychiatrie und Psychotherapie,
Mainz)
B. Hachgenei, K. Lieb, C. Fehr
Einleitung: Die Alkoholabhängigkeit stellt westlichen Ländern
weiterhin eine der häufigsten Ursachen von Tod und vorzeitiger
Behinderung dar. Der Behandlungsweg alkoholabhängiger Patienten ist oft von Zufällen und Therapieabbrüchen gekennzeichnet.
Gleichzeitig zählen alkoholabhängige Patienten zu den häufigsten
Nutzern einer stationären psychiatrischen Versorgung. Zur ver­
besserten Betreuung suchtkranker Patienten und zur verbesserten
Steuerung der vorhandenen Behandlungsressourcen wurde an der
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin
Mainz eine Ambulanz für suchtkranke Patienten eingerichtet.
Neben Beratungsgesprächen, Kurzinterventionen und sozialarbeiterischen Gesprächen finden Einzel- und Gruppenpsychotherapie
statt.
Methode: Im Rahmen des Vortrags werden das Konzept, die Nutzer und die Therapiebausteine der Suchtambulanz vorgestellt werden. Die Einzel- und Gruppenpsychotherapie orientieren sich an
der Alkoholspezifischen Psychotherapie (Brueck and Mann 2006).
Dabei werden Behandlungselemente wie die Kombination von
motivierender Gesprächsführung, kognitiv-behavioralen Interven­
tionen beim Training von Fertigkeiten und die Förderung der Teilnahme an Selbsthilfegruppen kombiniert. Primäres Ziel der ergänzenden offenen Psychotherapiegruppe ist eine Verbesserung des
Umgangs mit Alkohol. Spezifische Verfahren zum Umgang mit
Trinkdruck, mit negativen Stimmungen und negativen Gedanken
werden erarbeitet. Außerdem trainieren die Patienten in Rollenspielen Ablehnungssituationen und lernen mit Rückfällen umzu­
gehen.
Diskussion / Ergebnisse: Erste Daten zur Inanspruchnahme, zum
Patientenkollektiv, zur Zufriedenheit und Symptomverbesserung
werden vorgestellt. Wir erwarten, dass die Patienten von der Einzel- und Gruppenpsychotherapie profitieren, die Trinkmengen reduzieren können und ihre allgemeine Lebenszufriedenheit steigt.
011
Nimmt Alkohol-Craving im Alter ab?
Annelie Hintzen (MHH, Psychiatrie, Hannover)
J. Cramer, D. Karagülle, S. Bleich, T. Hillemacher
Einleitung: Langzeituntersuchungen an Patienten mit impulsivem
Verhalten, wie Borderline-Persönlichkeitsstörung oder Zwangserkrankungen, zeigen eine Abnahme impulsiver Verhaltensweisen
bei zunehmendem Alter der Patienten. Craving bei Alkoholabhängigkeit hat zahlreiche psychopathologische Ähnlichkeiten mit
zwanghaft-impulsiven Verhaltensmustern. Ziel der vorliegenden
Analyse war Hinweise für eine mögliche Abnahme des Craving im
Alter bei alkoholabhängigen Patienten im Rahmen einer Querschnittsuntersuchung zu eruieren.
Methode: Insgesamt 198 alkoholabhängige Patienten (159 Männer,
39 Frauen) wurden zu Beginn der Entzugsbehandlung eingeschlossen. Im Rahmen eines standardisierten Interviews wurden demografische Charakteristika sowie das Ausmaß des Craving mittels
OCDS (Obsessive Compulsive Drinking Scale) am Tag der Aufnahme sowie nach einer Woche erhoben.
Diskussion / Ergebnisse: In der linearen Regressionsanalyse (abhängige Variable: OCDS, eingeschlossene Variablen: Alter, Geschlecht, Dauer der Abhängigkeit in Jahren, tägliche Alkohol-Aufnahme in Gramm) zeigte sich für den Tag der Aufnahme kein
signifikanter Zusammenhang. Für das Craving nach Ende der Entzugsbehandlung (Tag 7) zeigte sich eine hochsignifikante, negative
Assoziation mit dem Alter der Patienten (B = -0.279, T = -4.427,
Topic 2 G Psychische Störungen durch psychotrope Substanzen, F1 // Mental disorders due to psychoactive substance use, F1
p<0.001). Schlussfolgerung: Die fehlende Assoziation zu Beginn
der Behandlung spricht für einen Einfluss anderer Faktoren für die
individuelle Ausprägung des Craving während des akuten Alkoholentzuges. Nach Abschluss der Entzugsbehandlung zeigt sich ein
hochsignifikanter, negativer Zusammenhang zwischen Alter und
OCDS. Die gewonnenen Ergebnisse könnten erste Hinweise für
eine Abnahme des Craving bei älteren Patienten geben. Für diese
Abnahme könnten verschiedene Faktoren wie beispielsweise Veränderungen endokrinologischer Funktionen oder der mesolimbischen Neurotransmitter-Ausschüttung ursächlich sein.
012
Schematherapeutische Modusarbeit bei Patient / -innen mit Alkoholabhängigkeit (SMA)
Jeanette Röhrig (Universitätsklinikum Freiburg, Psychiatrie und Psychotherapie)
S. Wahl, A. Jähne, A. Buchholz, M. Berner
Einleitung: Die Effekte traditioneller Psychotherapien sind bei alkoholabhängigen Patient /-innen trotz Kombinationen mit Medikamenten limitiert. Die Betroffenen zeigen oftmals keine dauer­
hafte Besserung ihrer Symptomatik und erleiden Rückfälle. Ein
Erklärungsversuch geht davon aus, dass bei Patient /-innen mit
Alkoholabhängigkeit hohe Komorbiditätsraten vorliegen (z. B. Persönlichkeitsstörungen mit ca. 50 %), die eine eigenständige und
nicht unerhebliche Komponente im gesamten Störungskonzept
der Patient/-innen darstellen und somit auch spezifische Therapie­
elemente benötigen.
Methode: Die Forschungsgruppe um J. Young konnte in den vergangenen Jahren an Patient /-innen mit Persönlichkeitsstörungen
und chronischen affektiven Störungen eindrucksvoll demonstrieren, dass eine Ergänzung des klassischen Therapieangebots um
schematherapeutische Elemente das Ergebnis psychotherapeutischer Behandlungen verbessern kann. Ähnlich wie die genannten
Störungsbilder ist auch die Alkoholabhängigkeit oft durch einen
fortwährenden Verlauf gekennzeichnet, weshalb hier der Einsatz
schematherapeutischer Interventionen sinnvoll erscheint. Die Dual-Focus-Schematherapie (DFST) nach S. Ball vereint traditionelle,
symptom-fokusierte, kognitiv-behaviorale Coping-Techniken zur
Bewältigung interpersoneller und affektiver Probleme sowie Crav­
ing mit schema-fokusierten Techniken zur Modifikation maladaptiver Schemata und dysfunktionaler Bewältigungsmechanismen,
wie Substanzkonsum. Im Gegensatz zu S. Ball wird in der aktuellen
Schematherapie verstärkt die störungsspezifische Modusarbeit als
richtungsweisend angesehen.
Diskussion / Ergebnisse: Die DFST erscheint als vielversprechende
Ausgangslage zur Erweiterung der bestehenden kognitiv-behavioralen Behandlung alkoholabhängiger Patient /-innen unter Berücksichtigung der gesamten Spanne an Persönlichkeitsstörungen. Wir
schlagen die Weiterentwicklung der bisherigen Arbeiten in mehreren Stufen vor. Im Zentrum der von uns vorgesehenen, auf schematherapeutischer und persönlichkeitsbasierter diagnostischer Evidenz fußenden Modifikationen des Ansatzes von S. Ball steht die
besondere Berücksichtigung des störungsspezifischen ModusKonzepts. Somit ergibt sich ein dem aktuellen Stand von kognitiver
Verhaltens- und Schematherapie entsprechender Ansatz.
013
Therapiemotivation alkoholabhängiger Patienten in qualifizierter
Entzugsbehandlung
Annika Simon (Berolina Klinik Löhne, Psychosomatik, Braunschweig)
W. Schulz
Einleitung: Gegenstand dieser explorativen Querschnittstudie ist
die Therapiemotivation (TM) von alkoholabhängigen Patienten,
die im Frühjahr 2008 in der Psychiatrischen Klinik der Medizini-
schen Hochschule Hannover eine stationäre qualifizierte Entzugsbehandlung begonnen hatten. Die wichtigsten Fragestellungen
bezogen sich auf eine differenzierte Beschreibung der TM, Zusammenhänge mit soziodemografischen und klinischen Merkmalen
sowie auf eine Typisierung der Patienten auf Basis ihres TM-Profils.
Methode: Insgesamt 30 Patienten, davon 21 männlich (70 %), bearbeiteten vier Fragebogen zu den Bereichen allgemeine Psycho­
therapiemotivation (FMP), Symptombelastung (BSI), Schweregrad
der Alkoholabhängigkeit (SESA) sowie einen Fragebogen zur
Suchtanamnese. Auf Grundlage der individuellen FMP-Profile
wurden die Patienten mittels Clusterzentrenanalyse in sich unterscheidende Motivationsgruppen unterteilt.
Diskussion / Ergebnisse: Die allgemeine Psychotherapiemotiva­
tion der Patienten (FMP-Gesamtscore) ist mit einem T-Wert von
36 (SD=5) als unterdurchschnittlich zu bewerten. Für die FMPSubskala Krankheitserleben zeigten sich geringe bis mittlere Zusammenhänge mit der Schwere der Abhängigkeit (SESA) sowie der
Symptombelastung (BSI). Auf Basis des FMP-Profils ließen sich
drei Patientengruppen bilden, die als die Leidenden, die Ambivalenten und die Motivierten bezeichnet wurden.
Freitag, 27. 11. 2009, 13.30 – 15.00 Uhr, Halle 11.1
P-004 Posterpräsentation / Poster Presentation
Nikotin
Vorsitz: A. Batra (Tübingen)
001
Tabakentwöhnung bei Patienten mit psychiatrischer Störung –
Mission impossible?
Stephan Mühlig (Technische Universität, Klinische Psychologie,
Chemnitz)
Einleitung: Nikotinabhängigkeit ist unter Personen mit psychischen Störungen (Bevölkerung) bzw. psychiatrischen Ptn. (klinische Populationen) weit überproportional verbreitet. Die Rauchprävalenz bei psychisch komorbiden Personen (40 – 50 %) ist
ungefähr doppelt so hoch wie in der Allgemeinbevölkerung (25 –
30 %). Die Kausalität des Zusammenhanges zwischen Tabakrauchen und psychiatrischer Komorbidität ist nicht eindeutig geklärt.
Konkurrierende Ätiologiemodelle (primary depression models,
primary smoking models, bidirectional models, common-factor
models) werden derzeit diskutiert. Raucher mit psychiatrischer Komorbidität sind in mehrfacher Hinsicht höher gefährdet: Sie weisen
nicht nur erhöhte physische Morbiditäts- und Mortalitätsraten auf,
sondern auch eine schlechtere Prognose bzgl. ihrer psychischen
Störung. Außerdem beeinträchtigt die Koinzidenz von Rauchen
und psychischer Störung sowohl die Therapieresponse in Bezug auf
die psychiatrische Behandlung als auch bzgl. der Tabakentwöhnungstherapien.
Methode: Systematische Aufbereitung des aktuellen Forschungsstandes zur Prävalentz, Ätiologie und Therapiemöglichkeiten dieser Komorbidität auf Basis einer umfassenden Evidenzrecherche
(Datenbankrecherche: PsycArticles, PsycINFO, Cochrane, Medline, Embase, Web of Science; Handsearch) zu epidemiologischen,
ätiologischen, diagnostischen und therapeutischen Aspekten.
Diskussion / Ergebnisse: Obwohl sehr gute Argumente für eine
forcierte Tabakentwöhnung bei dieser besonderen Risikogruppe
sprechen und die Entwöhnungstherapie innerhalb des psychiatrischen Settings sicherer und fachkompetenter durchgeführt werden
könnte, werden Psychiatriepatienten in der Praxis nur selten Tabak­
51
Topic 2 G Psychische Störungen durch psychotrope Substanzen, F1 // Mental disorders due to psychoactive substance use, F1
entwöhnungstherapien angeboten. Dies ist insofern schwer nachvollziehbar als bereits ausgearbeitete Programme für diesen Bereich
vorliegen und die empirische Befundlage zeigt, dass Tabakentwöhnung unter psychiatrischen Patienten nicht wesentlich weniger erfolgreich ist als unter psychisch gesunden Personen. Gerade die
Tatsache, dass es beim Nikotinentzug bspw. bei Depressionen auch
zu schweren Exazerbationen und Rückfällen kommen kann, spricht
für die Durchführung von Tabakentwöhnungsbehandlungen unter
stationärer ärztlicher Kontrolle. Dabei sind insbesondere spezifische verhaltenstherapeutische Tabakentwöhnungsprogramme für
psychiatrische Patienten in stationären und ambulanten Settings
evidenzbasiert wirksam, auch in Kombination mit medikamentöser Entzugsbehandlung.
002
Nikotinabhängige Raucher: Zusammenhang von Raucherstatus,
Geschlecht und ADHS
Bernadette Hachgenei (Universitätsmedizin Mainz, Psychiatrie und
Psychotherapie)
S. Driess, K. Lieb, C. Fehr
Einleitung: Im Rahmen einer groß angelegten bevölkerungsrepräsentativen Untersuchung der Genetik von nikotinabhängigen Rauchern wurden ebenfalls Daten zum Vorliegen einer möglichen
Aufmerksamkeitsdefizit /-Hyperaktivitätsaktivitätsstörung (ADHS)
der Probanden erhoben. Hier soll der Frage nachgegangen werden,
in welcher Hinsicht sich nikotinabhängige Raucher von Niemalsrauchern in dieser Symptomatik unterscheiden.
Methode: Bei insgesamt 241 Studienteilnehmern (davon 104 nikotinabhängige Raucher und 137 Niemalsraucher; 106 Männer und
135 Frauen) wurde eine mögliche Aufmerksamkeitsdefizit /-Hyper­
aktivitätsstörung in der Kindheit retrospektiv mit der „Wender
Utah Rating Scale Kurzform (WURS-k)“ (Retz-Junginger et al.,
2002) erfasst. Es wurden neben dem Gesamtscore der WURS-k
auch fünf, in einer Faktorenanalyse bestätigte, Faktoren der Skala
betrachtet (Retz-Junginger et al., 2002).
Diskussion / Ergebnisse: In einer univariaten Varianzanalyse zeigte sich ein signifikanter Einfluss (p < 0,0001) sowohl des Raucherstatus als auch des Geschlechts auf den Summenwert der WURS-k.
Nikotinabhängige Männer wiesen die höchsten Werte im Summenscore auf (M: 28,33 SD: 15,50) gefolgt von nikotinabhängigen
Frauen (M: 21,96 SD: 12,82), niemalsrauchenden Männern
(M:19,94 SD: 12,62) und niemalsrauchenden Frauen (M:14,55
SD:10,12). Dasselbe Muster zeigte sich auch in der Betrachtung von
vier der fünf Faktoren, „Aufmerksamkeitsstörung und Überaktivität“, „Impulsivität“, „Protestverhalten“ und „Störung der sozialen
Adaption“, jedoch nicht bei dem Faktor „Ängstlich – depressive
Symptomatik“. Die Symptome einer kindlichen Aufmerksam­
keitsdefizit /-Hyperaktivitätsaktivitätsstörung werden in ihrem
Ausprägungsgrad somit von Geschlecht und Raucherstatus beeinflusst. Beide Faktoren sind jedoch von einander unabhängig, ein
interaktionaler Zusammenhang war nicht nachweisbar.
003
Gestörte Schlafqualität bei Rauchern: Ergebnisse aus dem DFGSchwerpunktprogramm Nikotin
Stefan Cohrs (Charite, Physiologie, Berlin)
A. Rodenbeck, D. Riemann, B. Szagun, T. Wienker, N. Dahmen,
N. Thuerauf, F. Kiefer, J. Gallinat, G. Winterer
Einleitung: Zigarettenkonsum ist ein schwerwiegendes Gesundheitsproblem. Raucher berichten gehäuft über Schlafstörungen, die
wiederum häufiges Symptom psychiatrischer Erkrankungen und
auch ein Risikofaktor für das spätere Auftreten dieser Störungen
sind. Bisher liegen für Deutschland keine Daten zur Häufigkeit von
Schlafstörungen bei Rauchern und deren Modulation durch psychosoziodemographische Variablen vor.
52
Methode: Insgesamt wurde 2087 Probanden (963 Raucher und
1124 Nichtraucher) einer repräsentativen Fall-Kontroll-Stichprobe
in Deutschland hinsichtlich ihres Rauchverhaltens und einer Vielzahl weiterer klinischer Variablen im Rahmen des Schwerpunktprogramms Nikotin der DFG untersucht. Die Schlafqualität der
Studienteilnehmer wurde mittels des Pittsburgh Sleep Quality
Index (PSQI) bestimmt. Dabei handelt es sich um einen von den
Probanden ausgefüllten Fragebogen, der neben dem Gesamtscore
sieben weitere Komponentenscores beschreibt. Ein Gesamtscore
von über 5 gilt dabei als gestörter Schlaf.
Diskussion / Ergebnisse: Signifikant mehr Raucher als Nichtraucher (27,7 % vs 18,3 %; p ≤ 0,0001) weisen eine gestörte Schlafqualität mit einem PSQI Gesamtscore von über 5 auf. Auf Einzelkomponentenebene (jeweils Komponentenwert ≥ 2) weisen Raucher
häufiger eine subjektiv schlechte Schlafqualität (15,6 % vs 10, %;
p ≤ 0,001), eine gestörte Schlaflatenz (22,2 % vs 14,7 %; p ≤ 0,001),
eine verkürzte Schlafdauer von weniger als 6 Stunden (16,4 % vs
7,1 %; p ≤ 0,001) sowie etwas mehr Tagesschläfrigkeit (11,6 % vs
10,1 %; p ≤ 0,005) auf. Ferner zeigt sich ein Trend zu mehr Schlafstörungen (PSQI Komponente 5) bei Rauchern (7,6 % vs 5,2 %).
Kein signifikanter Unterschied findet sich hinsichtlich der Schlaf­
effizienz und des Schlafmittelkonsums. Diskussion: Erstmals liegen
hiermit für Deutschland umfangreiche Daten zur erhöhten Prä­
valenz von Schlafstörungen bei Rauchern in Deutschland vor. In
weiterer Analyse wird der Einfluss verschiedener soziodemographischer Variablen, des Schweregrades der Nikotinabhängigkeit,
der Depressivität (BDI), Ängstlichkeit (STAI), des Alkoholkonsums
und der ADHD-Symptomatik untersucht werden.
004
Wie verändern sich Schlaf und neuroendokrinologische Parameter
von Nichtrauchern durch Nikotingabe? Ergebnisse aus dem DFGSchwerpunktprogramm Nikotin
Andreas Jähne (Uniklinik Freiburg, Psychiatrie)
A. Rodenbeck, S. Cohrs, T. Unbehaun, B. Feige, D. Riemann
Einleitung: Nikotin kann über die Beeinflussung schlafsteuernder
Neurotransmitter (wie Noradreanlin, Serotoninund Acetylcholin)
in die Schlafregulation eingreifen. Untersuchungen zur Schlafsarchitektur können somit einen Beitrag zum Verständnis der Nikotinwirkung auf neuroendokrine Mechanismen und deren physio­
logische Auswirkungen leisten. Es soll geprüft werden, ob bei
gesunden Nichtrauchern spezifische Schlafstörungen durch Nikotin auslösbar sind und wie sich neuroendokrine Marker im Urin
verhalten.
Methode: Es wurden 66 gesunde nicht rauchende Probanden
(<5 Zigaretten lifetime) beiderlei Geschlechts im Alter zwischen 20
und 25 Jahren nach einer Adaptationsnacht polysomnographisch
untersucht. Neben 18 Probanden mit Placebopflaster erhielten je
12 doppelblind, alters- und geschlechtskontrolliert 8,3 mg oder
16,6 mg Nikotinpflaster – tagsüber (07.00 – 20.30, am nächsten Tag
07.00 – 11.00) oder nachts (20.30 – 06.30).
Diskussion / Ergebnisse: Nikotin führte im Vergleich zu Placebo
zu signifikant erhöhter Einschlafzeit sowie vermehrter Wachzeit
nach dem Einschlafen. Die Schlaftiefe und Schlafeffizienz waren
ebenso wie Beinbewegungen unter Nikotin vermindert. Dabei
zeigten sich die größten Effekte unter nächtlicher 16,6 mg Nikotingabe. In der vorläufigen Spektralanalyse zeigte sich unter Tag- und
Nachtapplikation von 8,3 mg Nikotin eine verringerte β- und
α-Power und eine während des ersten Schlafzyklus reduzierte
δ-und θ-Power mit Rebound in den folgenden Zyklen. Bei gesunden Nichtrauchern führte Nikotin somit zu insomnieähnlichen
Schlafmustern mit erhöhter Einschlaflatenz und verminderter
Schlafeffizienz. Die nächtliche Nikotingabe beeinflusste den Schlaf
am deutlichsten. Die Relevanz unserer Ergebnisse sollte im Kontext
von Schlafuntersuchungen bei Rauchern und vor dem Hintergrund
Topic 2 G Psychische Störungen durch psychotrope Substanzen, F1 // Mental disorders due to psychoactive substance use, F1
der gesundheitlichen Folgen des gestörten Schlafes gesehen werden.
005
Polysomnografischer Vergleich des Schlafes von Rauchern und
Nichtrauchern
Thomas Unbehaun (Universitätsklinik Freiburg, Psychiatrie und Psychotherapie)
A. Jähne, D. Riemann
Einleitung: Schlafstörungen führen unter anderem zu vielen ultrakurzen Wachperioden (micro-arousals), die die Tagesbefindlichkeit
reduzieren: Insomnien sind langfristig mit einem erhöhten Risiko
für Depression und verschiedene Abhängigkeitserkrankungen verknüpft. Es liegen bisher nur begrenzte Erkenntnisse über den
Zusammenhang zwischen periodischen Beinbewegungen und
Symptomen eines Restless-Legs-Syndroms als weiterer Ursache reduzierter Schlafqualität und dem Nikotinkonsum als Stimulans des
zentralnervösen Dopaminsystems vor. Es soll geprüft werden, ob
sich die polysomnographisch gemessene Schlafqualität von Rauchern und Nicht-Rauchern unterscheidet.
Methode: Nach einer Adaptationsnacht gewonnene polysomnographische (PSG) Daten von 44 Rauchern (28 Männern und
14 Frauen), die im Mittel 28,5 (18 – 53) Jahre alt waren, seit 10,6
(2 – 35) Jahren täglich rauchten und 19,9 (6 – 45) Zigaretten / Tag
bei einem Fagerströmscore von 6,1 (4 – 9) konsumierten, wurden
mit PSG-Daten von alters- und geschlechtsentsprechenden nichtrauchenden Kontrollprobanden verglichen.
Diskussion / Ergebnisse: Die Raucher wiesen somit im Vergleich
zu Nichtrauchern eine verminderte Schlafzeit, längere Einschlafzeit, höhere REM-Dichte und eine verminderte Schlafeffizienz auf.
Im gesamten Verlauf der Nacht zeigten Raucher mehr Apnoen,
Arousals und Myoklonien als Nichtraucher. Wir fanden eine alterseffektbereinigte Korrelation der Dauer des Tabakkonsums mit der
Einschlafzeit, der Höhe des Myoklonieindex und des Apnoe / Hypopnoeindex. Die Anzahl der täglich gerauchten Zigaretten korrelierte positiv mit der Höhe des Apnoe / Hypopnoeindex und invers mit dem Tiefschlafanteil. Raucher zeigten im Vergleich zu gesunden Nichtrauchern eine deutliche Schlafbeeinträchtigung mit
insomnischen Charakteristika, die über eine erhöhte Aktivierung
der hypothalamisch / hypophysären Hormonachse Einfluss auf andere klinische Parameter, wie vegetative Funktionen, nehmen
könnte. Interessant war der Zusammenhang zwischen Beinbewegungen und Atmungsstörungen mit der Dauer des Tabakkonsums.
Möglicherweise spielen längerfristige Adaptationsprozesse bei der
Ausbildung oder Bewältigung von Schlafstörungen als Folge des
Nikotinkonsums eine Rolle. Inwieweit die Schlafbeeinträchtigung
Einfluss auf Affektivität und Abstinenzerwartung nach Tabakentwöhnung hat, wird in weiterführenden Studien geprüft werden.
006
WIN – Workplace Intervention for Nicotine Dependence: Ein interaktives Selbstmanagement-Programm zur computergestützten
Raucherentwöhnung am Arbeitsplatz
Marion Clepce (Universitätsklinikum Erlangen, Sensorik Psychiatrische Klinik)
K. Reich, A. Alberti, B. Bieber, J. Alberti, A. Goßler, K. Glaser,
N. Thürauf
Einleitung: Mit den neueren gesetzlichen Entwicklungen zum
Nichtraucherschutz am Arbeitsplatz ist das Thema Rauchen im Berufsalltag stärker ins öffentliche Bewusstsein getreten. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist es für Arbeitgeber interessant,
sich mit dem Rauchverhalten der eigenen Mitarbeiter zu beschäftigen. So zeigen Studien zum Beispiel, dass Raucher mehr Fehlzeiten
aufweisen und weniger produktiv sind als Nichtraucher. Aus der
Perspektive der öffentlichen Gesundheitsförderung erscheinen ar-
beitsplatz-basierte Ansätze erfolg versprechend, da so eine große
Anzahl an Personen erreicht werden kann, zudem durch den Einsatz von Computern besonders ökonomisch.
Methode: Beim Projekt WIN ging es um die Konzipierung und
Entwicklung eines interaktiven, computerbasierten Selbstmanagementprogramms zur Raucherentwöhnung für die Implementierung im Intranet von Betrieben. Das Behandlungskonzept beruht
auf einem bestehenden, verhaltenstherapeutischen Gruppenprogramm zur Raucherentwöhnung nach Thürauf et al.
Diskussion / Ergebnisse: Insgesamt ist es gelungen, alle wesent­
lichen Aspekte einer verhaltenstherapeutischen Raucherent­
wöhnungsbehandlung in ein interaktives Intranet-Programm
umzusetzen. WIN ist an den Kriterien einer evidenzbasierten Raucherentwöhnung orientiert, interaktiv und individualisiert. Das
Programm nimmt pro-aktiv regelmäßig von sich aus Kontakt zum
User auf. WIN ist für Raucher und angehende Nichtraucher in allen Stadien der Veränderungsmotivation und des Veränderungsprozesses geeignet. Im Sinne der aktuellen suchtmedizinischen
Perspektive werden User nach einem Rückfall aufgefangen und
wieder in das Programm integriert. Grafisch und sprachlich ist
WIN ansprechend und humorvoll gestaltet, um die Compliance
der User zu verbessern. Für die Interaktion mit dem User kommen
verschiedene Kennfiguren zum Einsatz. Hauptakteur ist ein persönlicher Rauchercoach, der den User humorvoll und kompetent
in die Rauchfreiheit begleitet. Gegenpart ist das Suchtmonster
Nicomo als Personifikation der Ambivalenzen des angehenden
Nichtrauchers. Figuren verschiedener ehemaliger Raucher vermitteln Tipps und Tricks zur Rauchfreiheit, ohne beim User Reaktanz
auszulösen.
007
Rivastigmine reduces tobacco craving in alcohol dependent
smokers
Alexander Diehl (Städt. Klinikum Braunschweig, Psychiatrische Klinik)
H. Nakovics, J. Mutschler, D. Hermann, F. Kiefer
Introduction: Although alcohol-dependent smokers represent an
important group for applying smoking interventions, sufficient
pharmacotherapy has not been established in this high-risk group
so far.
Method: In order to examine the effect of the acetylcholinesterase
inhibitor rivastigmine on tobacco dependence, we performed a
12-week, randomized, placebo-controlled trial. 26 alcohol dependent smokers were randomized to rivastigmine 6 mg / day (n=14)
or placebo (n=12). Assessments on addictive behavior included
carbon monoxide (CO), severity of tobacco dependence (FTND),
daily smoked cigarettes (diaries), and craving for tobacco (QSU)
and alcohol (AUQ).
Discussion / Results: ANOVA revealed a significant treatment-bytime interaction for tobacco consumption and tobacco craving
(each p<.0001). The rivastigmine group showed a decrease in daily
smoked cigarettes (-30 %), in exhaled carbon monoxide (-32 %)
and in tobacco craving (-18 %) whereas controls did not show
significant changes. ANCOVA revealed rivastigmine effects to be
more prominent in smokers suffering from more severe tobacco
dependence. None of the patients developed an alcohol relapse or
an increase in alcohol craving. Our preliminary data indicate an
effect of rivastigmine on tobacco craving and consumption. This
pilot study encourages further investigation of acetylcholinesterase-inhibitors as a promising treatment approach regarding tobacco
dependence.
53
Topic 2 G Psychische Störungen durch psychotrope Substanzen, F1 // Mental disorders due to psychoactive substance use, F1
008
Reward learning, chronic and occasional nicotine use
Yvonne Paelecke-Habermann (Institut für Psychologie, Klinische Psychologie und Psychotherapie, Halle (Saale))
Introduction: Chronic tobacco consume leads to specific neurobiological alterations in dopaminergic reward system; a pattern that
Blum et al. (2000) termed a reward deficiency syndrome. While the
response to primary and secondary reinforcers is strongly attenu­
ated, the reward system simultaneously overresponds to substance
associated cues (Volkow, 2002).
Method: The purpose of our studies was to examine the behavior­al
effects of these neurobiological alterations on reward learning and
decision making. We carried out two behavioral studies within
chronic, occasional, and non-smokers. Study one aimed to test for
differences between dependent and occasional smokers. Study two
aimed to test for differences between abstinent and saturated smokers.
Discussion / Results: Short-term nicotine withdrawal in tobacco
dependence was associated with a deficit in reward learning and
dysfunctional decision making. Nicotine saturation reduced impairments in decision making, but deficits in reward learning remained. Even occasional tobacco consumption was associated with
a reward learning deficit. Our results are in line with a behavior
related reward deficiency syndrome.
Freitag, 27. 11. 2009, 13.30 – 15.00 Uhr, Halle 11.1
P-006 Posterpräsentation
Opiate und andere Suchtmittel
Vorsitz: G. Wiesbeck (Basel, Schweiz)
001
Die missbräuchliche Verwendung von Substitutionsmitteln
Jens Reimer (Psychiatrie Psychotherapie, Uniklinik Hamburg)
C. Wickert, K. Thane, C. Haasen
Einleitung: Seit nunmehr über zwei Jahrzehnten hat sich die Sub­
stitution opiatabhängiger Menschen in Deutschland als ein fester
Bestandteil der suchtmedizinischen Versorgung etabliert. Mit der
ärztlich kontrollierten Abgabe der Ersatzstoffe wird zum einen die
gesundheitliche, psychische und soziale Stabilisierung der Abhängigen bezweckt; zum anderen zielt diese Behandlung auf die Senkung der gesellschaftlichen Kosten ab, die z. B. durch suchtbedingte
Unfähigkeit einer geregelten Arbeit nachzugehen oder Beschaffungskriminalität entstehen. Der medizinische Erfolg und Nutzen
der Substitutionsbehandlung wurde in vielen Untersuchungen belegt (vgl. z. B. Cost-Benefit and Risk Appraisal of Substitution Treatments, Wittchen at al. 2008), zugleich wird der Missbrauch von
Substitutionsmitteln immer wieder als Grund für eine restriktivere
Handhabung der Vergaberichtlinien angeführt.
Methode: Multimethodische Studie mit a) Konsumentenbefragung, b) Analyse polizeilicher / staatsanwaltlicher Ermittlungsakten
bezüglich BTM-Vergehen, c) Todesfallanalyse, d) Integration von
Statistiken und Literatur zur Frage des Umfangs von Substitutionsmittelmissbrauchs.
Diskussion / Ergebnisse: Es zeigt sich, dass über Zweidrittel der
Zugehörigen der Offenen Drogenszenen Erfahrungen im Umgang
mit nicht-verschriebenen Substitutionsmitteln haben (LTP: 66,9 %).
Jeder zehnte Befragte in einer Methadon- / Polamidon-Behandlung
und jeder Dreizehnte in einer Behandlung mit Subutex berichtet
von einem zusätzlichen Konsum nicht-verschriebener Substitu­
tionsmittel. Die Verbreitung und Verfügbarkeit von Substitutions-
54
mitteln auf dem Schwarzmarkt wird allgemein als hoch eingeschätzt. Die Ergebnisse einer Fallanalyse methadonassoziierter
Drogentodesfälle in Hamburg zeigen, dass das größte gesundheit­
liche Risiko von einer Mischintoxikation von Methadon und an­
deren psychotropen Substanzen (vor allem Benzodiazepinen)
ausgeht. Die Substitutionsbehandlung erweist sich als gesundheitsprotektiver Faktor. Drogentodesfälle im Zusammenhang mit Methadon treten am ehesten zu Beginn einer Substitutionsbehandlung
oder kurz nach Behandlungsende ein. Die Ergebnisse aus der Analyse der Daten der Strafverfolgungsbehörden legen den Schluss
nahe, dass die Anzahl regional registrierter strafrechtlicher Verstöße im Zusammenhang der missbräuchlichen Verwendung von
Substitutionsmitteln in keinem erkennbaren Zusammenhang mit
der Anzahl der Substituierten eines Bundeslandes stehen. Als ein
klassisches Kontrolldelikt stehen die Verstöße indes in einem starken Zusammenhang mit der Intensität polizeilichen Verfolgungsdrucks.
002
LSD heute: Ein aktueller Überblick
Annelie Hintzen (MHH, Psychiatrie, Hannover)
T. Passie
Einleitung: Die Pharmakologie von LSD (Lysergsäurediäthylamid)
ist komplex und im Bezug auf die psychischen Wirkungen bis heute nicht abschließend aufgeklärt. LSD wurde vor 70 Jahren entdeckt
und vielfältig in der psychiatrischen und neurobiologischen Forschung wie auch zur Unterstützung von Psychotherapien angewendet. Der in den 1960er Jahren stark zunehmende Gebrauch durch
Laien führte zu einer Illegalisierung der Substanz, was zur Unterbindung weiterer wissenschaftlicher Forschungen führte. Der subkulturelle Gebrauch besteht bis heute in erheblichem Ausmaß fort,
führt aber (durch die jahrzehntelange Assimilation von Erfahrungswissen bei den Benutzern) nur noch sehr selten zu klinisch
bedeutsamen Komplikationen. Beeindruckend ist das Maß der
sachlichen Unformiertheit selbst der Fachöffentlichkeit über die
Wirkungen und möglichen Gefahren von LSD. Aktuell wird LSD
wieder in der Psychotherapie, der Hirnforschung und bei der Behandlung von Cluster-Kopfschmerz angewendet.
Methode: Die Autoren führten eine sehr umfangreiche systematische Literaturrecherche zur Pharmakologie und Psychopharmakologie sowie der aktuellen Epidemiologie von LSD durch (ca. 2.000
Literaturstellen) und fassen die Ergebnisse dieser Recherche im
Hinblick auf klinische Relevanz und mögliche Gefahren zusammen.
Diskussion / Ergebnisse: LSD ist eine praktisch untoxische Sub­
stanz, die bei sachgemäßer Anwendung ein nur geringes Gefahrenpotential birgt. Das Ausmaß des (illegalen) Gebrauchs von LSD
tritt zwar in aktuellen Statistiken (vermutlich aufgrund der geringen Komplikationshäufigkeit) praktisch nicht in Erscheinung, er
besteht jedoch nachweislich in erheblichem Ausmaß bis heute fort.
Der Gebrauch von LSD kann aufgrund der extremen Toleranzentwicklung praktisch nicht zu einem regelmäßigen Missbrauch oder
einer Abhängigkeit führen. Zwar kann eine vorbestehende psychotische Erkrankung durch LSD-Einnahme exazerbieren, aber eine
de-novo-Induktion von Psychosen durch LSD ist nicht belegt. Die
selten auftretende Panikreaktion (sog. „bad trip“) nach LSD-Einnahme ist nur temporär und kann medikamentös behandelt werden (Benzodiazepine). Die aktuellen Forschungen mit LSD in der
Psychotherapie und bei der Behandlung von Cluster-Kopfschmerzen erscheinen vielversprechend.
Topic 2 G Psychische Störungen durch psychotrope Substanzen, F1 // Mental disorders due to psychoactive substance use, F1
003
Verläufe einer erfolgreichen Opiatentgiftung – erste Daten einer
Katamneseerhebung bei Patienten mit Opiatabhängigkeit
Franziska Schober (Universitätsklinik Tübingen, Psychiatrie)
G. Schell, V. Schneider, J. Baumtrog, K. T. Cao-Xuan, A. Batra
Einleitung: Im Rahmen der Tübinger Studie zur Behandlungscompliance opiatabhängiger Patienten wurde einen Monat nach Entlassung eine schriftliche Katamneseerhebung durchgeführt. Hierbei
wurden neben der Erfassung soziodemografischer Daten, Rückfälligkeit und Antreten weiterer therapeutischer Maßnahmen auch
Instrumente zur spezifischen und generalisierten Selbstwirksamkeitsüberzeugung und zu Grundannahmen zu Suchtmitteln und
Craving ausgegeben. Untersucht werden soll, ob erfolgreich entgiftete Patienten einen positiven Verlauf aufweisen.
Methode: Die schlechte Compliance von drogenabhängigen Patien­
ten bei Katamneseuntersuchungen lässt bei Auswahl der Patienten,
die komplett und erfolgreich entgiftet haben, nur eine geringe Fallzahl von n=8 zu. Ausgewertet wurden die Messinstrumente SWE,
HEISA-16, BASA und CBQ, jeweils mit Unterskalen. Anhand von
t-Tests wurden die Daten bei Entlassung und zum Katamnesezeitpunkt auf signifikante Unterschiede untersucht.
Diskussion / Ergebnisse: Sieben der Patienten befanden sich zum
Katamnesezeitpunkt in einer therapeutischen Maßnahme, dieselbe
Anzahl war von Opiaten abstinent. Aufgrund der geringen Fallzahl
ergaben sich keine signifikanten Veränderungen der Skalenwerte
über die Zeitpunkte. Allerdings lassen sich folgende Tendenzen
festhalten: Die generalisierte SWÜ steigt an (MW t2=30,1, MW
t3=36,5, p=,39). Risikosituationen, die im HEISA-16 erfasst werden, werden realistischer eingeschätzt (Skala1: MW t2=74,4,
MW t3=61,3, p=,36; Skala2: MW t2=75,6, MW t3=60,0, p=,34;
Skala3: MW t2=69,4, MW t3=59,4, p=,51; Skala4: MW t2=86,3,
MW t3=70,6, p=,3). Bei den Grundannahmen zu Suchtmitteln
(MW t2=47,9, MW t3=47,1, p=,89) und Craving (Skala1: MW
t2=23, MW t3=24,8, p=,64; Skala2: MW t2=4,6, MW t3=4,8, p=,91;
Skala3: MW t2=8,1, MW t3=8,6, p=,8) ändern sich die Angaben
kaum, was dem Konstrukt der Stabilität von Grundannahmen entspricht. Die Werte der Skalen scheinen positive Erfahrungen mit
der Abstinenz darzustellen. Es bleibt zu prüfen, ob sich bei größerer
Stichprobe signifikante Veränderungen abbilden.
004
Immediate changes in drug craving and appetite-regulating
hormones such as ghrelin, leptin, adiponectin, resistin and insulin
in a sample of opiate dependent patient in opioid maintenance
therapy
Ottokar Stundner (Christian-Doppler-Klinik, Psychiatrie II, Salzburg, Österreich)
N. Thon, E. Haschke-Becher, S. Afazel-Saeedi, F. Wurst
Introduction: Craving is considered to be a major incitement for
drug seeking, consumption and relapse. Several modulators – hormones, paracrines and neural structures – have been reported to
underly the complex biochemical response, including appetiteregulating hormones such as ghrelin, leptin, adiponectin, resistin
and Insulin. Our study focuses on short term regulation of craving
and hormone levels in the context of an opioid maintenance therapy (OMT) setting.
Method: A total of of 17 patients in OMT (4 f, 13 m; median age: 30
years) consented to participate in this study. Craving was assessed
using the general craving scale (GCS) and heroin craving questionnaire (HCQ). Hormone levels were determined using commercially
available test kits (Mediagnost Inc, Germany) Crav­ing scores and
blood hormone levels were determined before and three hours after
administration of the substitution substance.
Discussion / Results: All psychological craving scores showed a
highly significant decrease (r = 0,885; p < 0,01) after intake of the
substitution opioid. Leptin levels also decreased significantly between the two time points (r = 0,989; p < 0,05). Inititially, Insulin
levels and craving for heroin showed a marked negative correlation
(r = -0,535; p < 0,05). Ghrelin and Resistin exhibited a clear, yet not
significant trend to inversely correlate with all craving scores both
before and after substitution. Regarding psychiatric comorbidities,
70 % of the participants (4 female, 8 male) had a score > 11 in the
Beck Depression Inventory (BDI). Conclusion: Our results support
the assumption, that opioid substitution decreases craving for illicit
drugs, even over a very short course of time. Pathways regulating
hunger (Insulin, Ghrelin, Leptin) apparently seem to be involved
005
Assessment of alcohol use among patients in heroin maintenance treatment by direct ethanol metabolites and self-reports
Friedrich Wurst (Christian-Doppler-Klinik, Psychiatrie II, Salzburg,
Österreich)
N. Thon, V. Auwärter, B. Laskowska, M. Yegles, C. Halter, W. Weinmann, G. Wiesbeck, K. Dürsteler-MacFarland
Introduction: Heavy alcohol use may accelerate the progression of
Hepatitis C (HCV)-related liver disease and / or may limit efforts at
antiviral treatment. Since most of the patients in heroin maintenance treatment suffer from Hepatitis C infection, this study was
conducted to identify alcohol intake among these patients at a Swiss
Psychiatric University Clinic.
Method: A convenience sample of 54 patients (16 female, 38 male,
median age 39.5 years) consented to participate in this study.
The Alcohol Use Disorders Identification Test (AUDIT) and selfreported ethanol intake during the previous 7 days were assessed.
In addition, in urine and hair ethyl glucuronide (EtG) were determined using LC-MS/MS and GC/MS.
Discussion / Results: Of a total of 54 patients, 26 reported ab­
stinence from alcohol for the previous 7 days. AUDIT scores were
>8 in 16 male and >5 in 2 female participants. Direct ethanol metabolites were as follows (median, min, max, standard deviation):
UEtG (26 positives; 10, 0.10, 39, 11.65 mg / L); HEtG (12.1, 0, 142,
36.14 pg / mg), no HEtG- data available from 1 participant, 21 participants were abstinent (up to 7 pg / mg), 16 were social drinkers
(up to 50 g / day) and 16 were excessive users (>50 / 60g /d)). Of the
26 participants reporting no alcohol intake during the previous
7 days, 2 were UEtG-positive. Significant correlations were found
for: HEtG and AUDIT (r=0.614, p<0.0001), HEtG and UEtG
(r=0.569, p<0.0001) as well as HEtG and self-reported ethanol intake during the previous 7 days (r=0.582, p<0.0001). Conclusion:
Improved detection of alcohol consumption which is hazardous or
harmful in the context of HCV and opiate dependence would allow
for earlier intervention in this population which is at particular risk
of liver disease and fatal respiratory-depressed overdose. The combined use of self-reports and direct ethanol metabolites seems promising.
006
Startle-Reflex bei antisozialen substituierten heroinabhängigen
Patienten
Marc Walter (Universität Basel, Psychiatrische Klinik, Schweiz)
K. Dürsteler-MacFarland, B. Degen, H. Schächinger, G. Wiesbeck
Einleitung: Die antisoziale Persönlichkeitsstörung gilt als die häufigste komorbide Störung bei heroinabhängigen Patienten. Anti­
soziales und psychopathisches Verhalten ist mit einer fehlenden
emotionalen Reagibilität assoziiert. Derzeit ist es ist unklar, ob substituierte antisoziale heroinabhängige Patienten ebenfalls eine verminderte emotionale Reagibilität aufweisen. Der Startle-Reflex ist
eine motorische Reaktion („Zusammenschrecken“) auf unerwartete sensorische Reize. Beim Menschen erfolgt die elektromyographische Ableitung mittels Oberflächenelektroden über den Mm. orbi-
55
Topic 2 G Psychische Störungen durch psychotrope Substanzen, F1 // Mental disorders due to psychoactive substance use, F1
cularis oculi („Blinkreflex“). Es ist bekannt, dass angenehme Reize
die Startle Amplitude erniedrigen, und unangenehme die Startle
Amplitude erhöhen.
Methode: Die Studie untersucht den affektiv-modulierten StartleReflex bei heroinabhängigen Patienten mit und ohne antisoziale
Persönlichkeitsstörung im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen. 60 Personen (20 antisoziale Heroinabhängige, 20 nicht-antisoziale Heroinabhängige, 20 Gesunde) wurden in einem affektiv-modulierten Startle-Reflex Experiment untersucht. Der Startle-Reflex
wurde nach einem plötzlichen akustischen Reiz abgeleitet (50 ms,
105 dB), gleichzeitig wurden neutrale, angenehme, unangenehme
und Drogen bezogene Bilder den Versuchspersonen präsentiert.
Diskussion / Ergebnisse: Beide heroinabhängige Gruppen zeigten
eine geringere Amplitude des Startle-Reflexes auf alle Stimuli als
die gesunden Personen (p<0.01). Heroinabhängige mit und ohne
antisoziale Persönlichkeitsstörung unterschieden sich nicht. Wie
die gesunden Personen war bei beiden heroinabhängigen Gruppen
eine emotionale Modulation auf die dargebotenen visuellen Reize
gegeben: Emotionale Stimuli mit unangenehmer Valenz erhöhten,
Stimuli mit angenehmer Valenz erniedrigten die Amplitude des
Startle-Reflexes. Die Ergebnisse deuten auf eine entspannende
Wirkung der Opioide bei allen substituierten heroinabhängigen
Patienten hin und zeigen eine erhaltene emotionale Modulations­
fähigkeit bei antisozialen substituierten Heroinabhängigen mit klinischer Relevanz.
007
Einfluss der heroingestützten Behandlung auf den Alkoholkonsum – Ergebnisse der deutschen randomisierten Studie
Jens Reimer (Psychiatrie Psychotherapie, Uniklinik Hamburg)
U. Verthein, C. Haasen, S. Ingo
Einleitung: Alkoholkonsum wird als besonderer Risikofaktor für
die Gesundheit opiatabhängiger Patienten in Methadonsubstitu­
tion angesehen. Methadonsubstitution zeitigt allerdings kaum einen positiven Effekt auf die Verringerung des Alkoholkonsums. In
der Schweizer Studie zur heroingestützten Behandlung opiatabhängiger zeigte sich eine Verringerung des Alkoholkonsums.
Methode: In einer vertiefenden Analyse der deutschen Studie zur
heroingestützten Behandlung wurde der Frage nach der differenziellen Wirksamkeit von methadon- versus heroingestützter Behandlung auf den Alkoholkonsum nachgegangen. Das Ausmaß des
Alkoholkonsums wurde anhand der Parameter Selbstangaben zu
Alkoholkonsumeinheiten, dem Addiction Severity Index Composite Score sowie dem Carbohydrate-deficient Transferrin (CDT)
erfasst.
Diskussion / Ergebnisse: Der größere Effekt der heroingestützten
Behandlung auf die Reduktion des Alkoholkonsums ist möglicherweise auf die höhere Frequenz der Heroinvergabe mit der Anforderung, zu dieser Vergabe nüchtern zu erscheinen, zurückzuführen.
008
GHB / GBL: Rausch-Mittel oder Sucht-Mittel? Und was sind die
Konsequenzen?
Michael Rath (ZfP Südwürttemberg, Sucht, Bad Schussenried)
Einleitung: In den Medien wird GHB (Gamma-Hydroxybuttersäure) bzw. GBL (gamma-Butyrolacton) meist als Party-Droge und
als „K.o.“-Tropfen wahrgenommen. Gleichzeitig gibt es eine in sich
heterogene Szene von Konsumenten, die GBL als Suchtmittel einsetzen. GBL hat eine Reihe von speziellen Eigenschaften: schwer
nachweisbar, relativ billig und über das Internet vergleichsweise
einfach zu beschaffen. Über die Verbreitung von GBL als Suchtmittel gibt es bisher nur lokal begrenzte, dennoch eindrückliche Berichte. Seitens der Politik besteht jedoch wenig Interesse, am rechtlichen Status quo etwas zu ändern.
Methode: In einer Online-Umfrage wurden 120 Kliniken und
56
Fachabteilungen der in der Bundesdirektorenkonferenz (BDK) organisierten Häuser befragt, ob in den letzten 12 Monaten Patienten
mit GBL in der Anamnese gesehen wurden und ob GBL-Entzugsbehandlungen durchgeführt worden sind. Außerdem wurden die
jeweiligen Versorgungsgebiete und ihre Struktur sowie der Versorgungsauftrag erfragt.
Diskussion / Ergebnisse: Der Rücklauf betrug 69 Häuser, entsprechend etwa 60 %. Etwa gleich häufig waren unter diesen Kliniken
und Abteilungen ländlich strukturierte, städtisch strukturierte und
gemischt-strukturierte Versorgungsgebiete. 8 Einrichtungen (12 %)
waren kinder- und jugendpsychiatrisch ausgerichtet. In 75 % der
rückmeldenden Kliniken waren in den letzten 12 Monaten Patienten mit GHB in der Anamnese gesehen worden, in 61 % waren auch
GBL-Entzugsbehandlungen durchgeführt worden. Es ergab sich
folgendes grobes Verteilungsmuster: der Süden scheint stärker betroffen als das übrige Bundesgebiet, ebenso städtisch und vorwiegend städtisch geprägte Regionen; kinder- und jugendpsychiatrische Einrichtungen sehen Patienten mit GHB / GBL anscheinend
ebenfalls öfter. Diese Ergebnisse zeigen, dass GBL als Suchtmittel
– mit regionalen Unterschieden – längst ein bundesweites Phänomen darstellt. Hieraus und aus den Bestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes resultiert für den Gesetz- und Verordnungsgeber eigentlich ein dringender Handlungsbedarf. Besondere Brisanz
ergibt sich dadurch, dass GHB zwar bereits seit 2001 dem Betäubungsmittelgesetz unterstellt ist, die Vorstufe GBL, die sich innerhalb von weniger als einer Minute im Plasma aber zu GHB umwandelt, aber über das Internet weiterhin relativ leicht und zudem noch
sehr billig bezogen werden kann.
009
„A chemical love story“: Treatment of a gamma-butyrolacton
(GBL)-dependent chemistry student with diazepam
Cüneyt Demiralay (Universitätsklinik Hamburg, Klinik für Psychia­
trie)
M. Zorawski, K. Wiedemann, H. Jahn
Introduction: We describe the case of a 25 year old chemistry student and highly experienced drug user with a GBL dependency. He
developed his addiction in a group of chemistry students indulging
in an experimental and recreational use of various substances at the
local chemistry department. The patient was admitted to our inpatient detoxification unit after a 3-year history of increasing dependence on GBL. Before admission he predominately used GBL.
His use had escalated to the point where he was taking 2 ml GBL
every hour, waking up at night to take it. The daily use reached up
to 50 ml without being sufficient to suppress withdrawal symptoms
consisting of agitation, severe tremor, sweating and massive insomnia. To cope with these symptoms, repeated application of diazepam was necessary. In the first 24 h after admission he received several hundreds mg diazepam with persisting insomnia. In the
course of treatment he also needed haloperidol because of delusional symptoms. Under high dose diazepam treatment his symptoms
gradually improved and by the third day of hospitalization delu­
sions, tremor and sweating slowly resolved, while the insomnia
persisted. The patient was commenced on a diazepam reducing regime 1 week after admission from 30 mg over 10 days. Further detoxification was uneventful and after suspension of the diazepam
the symptoms did not recur. He was also treated for depression and
was subsequently discharged in a stable condition 11 weeks after
admission.
Method: case report
Topic 2 G Psychische Störungen durch psychotrope Substanzen, F1 // Mental disorders due to psychoactive substance use, F1
010
Aktuelle Datenlage zu Verhaltenssüchten
Bernhard Croissant (Kliniken Landkreis Sigmaringen, Psychiatrie,
Psychotherapie)
D. Croissant, J. Lorenz, G. Längle
Einleitung: Das Spektrum der Störungsbilder, die unter dem Begriff „Verhaltenssüchte“ zusammengefasst werden, ist groß. Experten zählen vor allem Glücksspielsucht, Kaufsucht, Mediensucht,
Arbeitssucht, Sportsucht und Sexsucht zu diesen exzessiven belohnenden Verhaltensweisen. Die Ursache von süchtigem Verhalten
kann nicht durch einen alleinigen Faktor erklärt werden. Es spielen
sowohl genetische, neurobiologische, psychische als auch soziale
und anthropologische Ursachen eine wichtige Rolle.
Methode: Die Therapie der Verhaltenssucht sollte immer multimodal ablaufen. Verhaltenstherapeutische und kognitive Ansätze sollten dabei kombiniert werden. Im Gegensatz zur Substanzabhängigkeit ist nicht die vollkommene Abstinenz das Ziel einer Therapie,
sondern der kontrollierte Umgang mit den Tätigkeiten. Zudem
sollten Übungen zur Stimuluskontrolle sowie alternative funktionale Stressverarbeitungsstrategien entwickelt werden, zu denen
u. a. systematische Entspannungsverfahren gehören.
Diskussion / Ergebnisse: In diesem Poster werden die Gemeinsamkeiten der Störungsbilder und deren Klassifikation näher beleuchtet und verschiedene Erklärungsansätze lerntheoretischer,
psychobiologischer und kognitiver Art vorgestellt, sowie spezielle
Aspekte der Therapie entsprechend dem aktuellen Stand der Literatur dargestellt.
011
Verbesserte Langzeitgedächtnisleistung durch verstärkte belohnungsanzeigende Stimuli – Eine Pilotstudie
Katrin Charlet (Charité Berlin-CCM-Psychiatrie, AG Emotional
Neuroscience)
T. Wüstenberg, H. Schneider-Hassloff, M. Kensche, B. H. Schott,
J. Wrase, A. Heinz
Einleitung: Nach heutigem Wissen wird die Konsolidierung von
Gedächtnisinhalten, die mit hippokampaler Aktivierung assoziiert
ist, moduliert durch die dopaminerge Innervation mesolimbischer
Hirnareale und deren präfrontaler, glutamaterger Kontrollinstanzen. Die Präsentation belohnungsprädizierender Stimuli bedingt
dabei eine nachhaltigere Enkodierung. Derselbe Mechanismus
wird auch für sucht-assoziierte Stimuli bei alkoholabhängigen Pa­
tienten vermutet, da diese eine besondere Salienz im Vergleich zu
gewöhnlichen Verstärkerreize, wie z. B. Nahrung, Sexualität, Geld,
haben.
Methode: 12 gesunde Probanden wurden mit einem BelohnungsAntizipations-Paradigma auf implizite Gedächtniseffekte hin untersucht. Als belohnungsprädizierende Reize wurden Bilder von
60 Außen- und 60 Innenszenen gezeigt, auf denen zu 50 % alkoholische Getränke bzw. Softdrinks abgebildet waren. Bei rechtzeitiger
und korrekter Lösung einer nachfolgenden Zahlenzuordnungsaufgabe konnten die Probanden in der Belohnungsbedingung 0,5 € je
Durchgang gewinnen (adaptive Erfolgsratenadjustierung auf 66 %).
Nach 24 Stunden schätzten die Probanden ein, wie sicher sie die
Bilder aus dem fMRT-Experiment erinnerten (4AFC recognition
task). Die bekannten 120 Bilder wurden dazu mit 120 unbekannten
Bildern gemischt. Die Datenanalyse erfolgte mit SPM8 und SPSS
14.0.
Diskussion / Ergebnisse: Für die Erinnerungsleitung war auf der
Verhaltensebene kein signifikanter Bedingungseffekt nachweisbar
(Wilcoxon z=-.44, p=.66). Innerhalb der Belohnungsbedingung jedoch wurden die verstärkten Bilder (erfolgreicher Gewinndurchgang) signifikant besser erinnert als die nicht verstärkten Bilder
(Wilcoxon z = +3.06, p = .002). Die BOLD-Response im ventralen,
anterioren Zingulum und dem linken Nucleus accumbens zeigte
einen signifikanten Belohnungseffekt (belohnungsprädizierende
Reize > neutrale Reize, p<0.005 unkorrgiert, Clustergröße >=10 voxel). Weiterhin konnte eine signifikante Korrelation zwischen der
Erinnerungsleistung und der BOLD-Effektstärke im linken Hippocampus (Cornu ammonis, r2=0.67, p<.05 Bonferroni korrigiert für
Cluster) nachgewiesen werden. Eine Interaktion Bedingung x Erinnerungsleistung wurde nicht gefunden. Interessanterweise korrespondieren die Ergebnisse auf der Verhaltensebene nur teilweise mit
der neuronalen Aktivierung. So war konform mit dem Modell von
Lisman & Grace ein Belohnungs- wie auch Gedächtniseffekt nachweisbar, jedoch entgegen der Annahme keine Interaktion. Das
könnte an der geringen Fallzahl sowie der hohen interindividuellen
Varianz in der Gedächtnisleistung liegen.
012
Severe Dependency on Zolpidem used for Treatment of Paraspasticity in a Patient with Multiple Sclerosis
Julia Damm (LMU, Klinik für Psychiatrie, München)
D. Eser, H.-J. Möller, R. Rupprecht
Introduction: Multiple Sclerosis (MS) patients often suffer from
spasticity and need myorelaxation. The use of GABA agonists is a
well established pharmacological treatment. Benzodiazepines
(BZD) are positive allosteric modulators of GABA receptors and
bind nonspecifically to α1, α2, α3, or α5-subunits of these receptors.
The non-BZD hypnotic zolpidem acts selectively via the α1-subunit
of GABA-A receptors and is therefore thought to avoid other BZD
side effects, especially the risk of dependency. At a therapeutic dose
of 5 –10 mg, it lacks anxiolytic, anticonvulsive and muscle relaxant
properties.
Method: This is the first report of development of severe zolpidem
dependency due to an antispastic effect in MS. Our patient, a 49
year old woman with a history of 27 years of MS, did not have any
history of addiction and found out about the myorelaxant effect of
zolpidem by herself and by chance. She increased the dose of zolpidem up to 700 – 800 mg per day to maintain this effect on spasticity, indicating tolerance and finally physical and psychical dependency. She experienced several tonic-clonic Grand mal seizures
after running out of zolpidem, which are well known as withdrawal
symptom after zolpidem dependency.
Discussion / Results: The selective GABAA α1-receptor profile of
zolpidem with a presumed isolated hypnotic effect seems to loose
its selectivity at high doses and then exhibits similar pharmacolo
gical effects as classical BZDs, including muscle relaxant properties
as most relevant in the patient described here. Current research to
receptor subtype selectivity and different types of BZD action in­
dicates that myorelaxant and anxiolytic effects are mediated via
GABAA α2-receptors, and that the GABAA α3-receptor subunit
may additionally contribute to the muscle relaxant action in response to high doses. Zolpidem in very high doses may affect α2receptors and α3-receptors, which most likely explains the observations in our patient.
57
Topic 2 G Psychische Störungen durch psychotrope Substanzen, F1 // Mental disorders due to psychoactive substance use, F1
Donnerstag, 26. 11. 2009, 13.30 – 15.00 Uhr, Halle 11.1
duktion des Risikos beiträgt, während eines Alkoholentzuges einen
Schlaganfall zu erleiten.
P-007 Posterpräsentation
Alkoholabhängigkeit 1
Vorsitz: I. Vernaleken (Aachen)
001
DAT-Methylierung im Alkoholentzug
Kristina Bayerlein (Universitätsklinikum Erlangen, Psychiatrie)
J. Kornhuber, S. Bleich, T. Biermann
Einleitung: Die Epigenetische Regulierung des Dopamin-Transporter-Gens (DAT) durch Promotor-spezifische DNA-Methylierung beeinflusst wahrscheinlich die dopaminerge Transmission im
Alkoholentzug.
Methode: Ziel der Studie war es, epigenetische Mechanismen der
DAT-Regulierung während des Alkoholentzuges in Bezug auf
Craving (Suchtdruck) und Schwere der Entzugssymptome zu untersuchen. Klinischer Anhaltspunkt für die Schwere des Entzuges
war das Ausmaß des Clomethiazol-Bedarfs. Die DNA-Methylierung von 32 männlichen alkoholabhängigen Patienten wurde durch
die Bisulfit-Sequenzierung eines Teils des DAT-Promotors zu zwei
verschiedenen Zeitpunkten während des Alkoholentzuges (Tag 0
und 7) untersucht. Das Ausmaß des Cravings wurde durch die
Obsessive Compulsive Drinking Scale (OCDS; Deutsche Version)
erfasst.
Diskussion / Ergebnisse: Es ergab sich eine signifikante Assozia­
tion der erforderlichen Dosis von Clomethiazol mit dem Methylierungsstatus eines Clusters von 7/31 CPG-Sites innerhalb des analysierten Fragmentes des DAT-Promotors. Weiterhin konnte eine
positive Korrelation des OCDS-Gesamtwertes mit der Methylierung dieses Clusters nachgewiesen werden. Die Ergebnisse zeigen,
dass die epigenetische Regulierung des Dopamintransporters von
Patienten im Alkoholentzug verändert ist. Weiterhin ergab sich ein
Zusammenhang mit dem Ausmaß von Craving und der Schwere
der Alkoholentzugssymptome.
002
Die zerebrovaskuläre Autoregulation im Alkoholentzug und der
Einfluss von Clomethiazol
Karl-Juergen Bär (Bochum)
T. Jochum, M. Reinhard
Einleitung: Die zerebrale Autoregulation (ZAR) hat die Aufgabe,
die konstante Durchblutung des Gehirnes bei systemischen Blutdruckschwankungen zu gewährleisten.
Methode: Zur nicht-invasiven Erfassung der ZAR wurden so genannte dynamische Testverfahren etabliert. Neben der Kreuzspektralanalyse spontaner Blutdruckschwankungen und ihrer Äquivalente im cerebralen Blutfluss, aus der die beiden Parameter Phase
und Gain resultieren, wurden die Korrelationskoeffizienten-Indices
Mx und Dx angewendet.Wir untersuchten 20 Patienten im akuten
Alkoholentzug und 24 h nach der ersten Gabe von Clomethiazol
sowie gesunde altersentsprechende Kontrollpersonen. Die ZAR
wurde ermittelt, indem die Zunahme des zerebralen Blutflusses
nach einer CO2-Inhalation gemessen wurde. 24 h nach der ersten
Einnahme von Clomethiazol wurde diese Messung wiederholt, um
den Einfluss dieses Medikamentes auf die cerebrale Autoregulation
zu untersuchen.
Diskussion / Ergebnisse: Die Ergebnisse zeigen signifikante Gruppenunterschiede der Patienten im Alkoholentzug in den einzelnen
Para-meter der ZVR gegenüber gesunden Kontrollpersonen. Die
Verabreichung von Clomethiazol führt zu einer Re-duktion dieser
pathologischen Veränderungen beschreiben. Dementsprechend
lässt sich schlussfolgern, dass die Gabe von Clomethiazol zur Re-
58
003
Homocystein und CDT als Prädiktoren für Alkoholentzugsanfälle
bei anhängigen Patienten
Julia Cramer (Med. Hochschule Hannover, Zentrum für Seelische Gesundheit)
A. Hintzen, D. Karagülle, H. Frieling, S. Bleich, T. Hillemacher
Einleitung: Im Rahmen der Alkoholentgiftung bei alkoholabhängigen Patienten treten Alkoholentzugsanfälle häufig auf und zählen
hier zu den medizinisch wichtigsten, teilweise auch lebensbedrohlichen Komplikation. Antikonvulsive Medikamente werden zur
Anfallsprophylaxe eingesetzt und senken so das Risiko eines Alkoholentzugsanfalls drastisch. In aktuellen Studien konnte eine Assoziation zwischen erhöhten Homocysteinspiegeln und dem individuellen Risiko für Alkoholentzugsanfälle gezeigt werden. CDT
(carbohydrate deficient transferrin) war in Untersuchungen ebenfalls mit dem Anfallsrisiko assoziiert. Ziel der Untersuchung war es,
beide Parameter bei einer Patientenpopulation bezüglich der Vorhersagequalität zu untersuchen.
Methode: 190 alkoholabhängige Patienten, davon 154 Männer und
36 Frauen, wurden zum Zeitpunkt des Beginns der Entzugsbehandlung in die Untersuchung eingeschlossen. Vor der Untersuchung wurde für jeden Patienten das individuelle Anfallsrisiko,
bestimmt durch das Auftreten von Entzugsanfällen in der Vorgeschichte ermittelt. Homocystein und CDT wurden als relevante
Parameter bei Aufnahme zur Entgiftungsbehandlung gemessen.
Diskussion / Ergebnisse: In der logistischen Regres­sion (abhängige
Variable: Auftreten von Anfällen in der Vorgeschichte, Methode:
Einschluss) zeigte sich für beide untersuchten Parameter ein signifikantes Ergebnis (CDT: B= 0.113, p=0.016, OR=1.119; Homocystein: B=0.047, p<0.001, OR=1.049). Schlussfolgerung: Sowohl Homocystein als auch CDT zeigen einen signifikanten Zusammenhang
mit dem individuellen Anfallsrisiko. Mittels eines kombinierten
Assessments könnte ein Score entwickelt werden, mit dem sich in
Zukunft das individuelle Anfallsrisiko für jeden einzelnen Patienten im Rahmen einer Alkoholentzugsbehandlung abschätzen ließe.
004
Quetiapine vs. Placebo in Alcohol Relapse Prevention – a PilotRct
Bernhard Croissant (Kliniken Landkreis Sigmaringen, Psychiatrie,
Psychotherapie)
J. Böhler, J. Lorenz, A. Diehl, D. Wedekind, K. Mann, U. HavemannReinecke
Introduction: Quetiapine is a novel antipsychotic drug, which is
efficacious in the treatment of schizophrenia and also helps reduce
craving and consumption of stimulants and alcohol. The latter effect was also demonstrated in a case series (Croissant et al. 2006).
Due to Quetiapine´s promising receptor profile, we set out to examine its efficacy in relapse prevention treatment of alcoholic dependent patients suffering from craving and affective symptoms.
Method: The three center pilot-RCT evaluated 40 alcohol dependent patients after withdrawal (Quetiapine vs. placebo). They were
followed up for six months. We used operationalized questionnaires
including OCDS-G, Form 90-CR, Form 90 short form-CR, PSQI,
MADRS, STAI, BDI and FTND. We tested the one sided hypothesis
that it takes longer for the first severe relapse to occur using Quetiapine compared to a placebo. The primary outcome measure is time
to first severe relapse. Further, we tested the two sided hypothesis
that Quetiapine will prolong time until first consumption of ethanol, decrease the number of drinking days and increase the number
of abstinence days, decrease the cumulative amount of ethanol, decrease craving, improve depression symptoms, improve anxiety
Topic 2 G Psychische Störungen durch psychotrope Substanzen, F1 // Mental disorders due to psychoactive substance use, F1
symptoms, improve quality of sleep, avoid deterioration of safety
variables and decrease nicotine addiction.
Discussion / Results: Our pilot study is designed to provide evidence for the efficacy of Quetiapine in alcohol relapse preven­tion.
Alcohol dependent patients after withdrawal should display a decrease in persistant craving and should be less afflicted by sleep disorders, excitement or symptoms of depression or anxiety. The poster provides the rational for conducting this study and describes the
study protocol including the subject‘s characteristics.
005
Why is disulfiram superior to acamprosate in the routine
clinical setting? A retrospective long term study in 353 alcohol
dependent patients
Alexander Diehl (Städt. Klinikum Braunschweig, Psychiatrische
Klinik)
L. Ulmer, J. Mutschler, H. Herre, B. Krumm, B. Croissant, K. Mann
Introduction: To compare the long-term effectiveness of acamprosate (ACP) and disulfiram (DSF) in the treatment of alcohol dependence in regard to differences in the patients‘ characteristics within
a naturalistic outpatient treatment setting.
Method: Retrospective data refers to N=353 alcohol dependent
subjects, being in outpatient aftercare from 2002 to 2007, who received DSF or ACP following an inpatient alcohol detoxification
treatment. Abstinence was assessed by alcohol breathalyzer, physicians‘ rating, patients‘ self report as well as urine and serum analyses.
Discussion / Results: Baseline data in terms of current addictive
behaviour and course of disease differed between both groups to
the disadvantage of the DSF group: Compared to the ACP group
subjects treated with DSF showed a longer duration of alcohol dependence, higher amounts of daily alcohol consumption and more
alcohol detoxification treatments in their history. Kaplan Meier
survival analyses revealed highly significant differences between
both groups in the primary and secondary measures of outcome
(p always <.01). Time elapsed before the first alcohol relapse as well
as adherence to outpatient treatment and cumulative alcohol abstinence achieved within outpatient treatment was explicitly longer in
the DSF group. A longer duration of alcohol dependence predicted
a favourable treatment outcome in the DSF group. Contrariwise, in
the ACP group a shorter duration of alcohol dependence predicted
a better outcome. This study adds to the evidence that supervised
DSF is a very effective component of alcoholism treatment and it
might be more effective than the treatment with ACP particularly
in patients with a long duration of alcohol dependence.
006
Phosphatidylethanol: Normalisation during detoxification,
gender aspects and correlation with other biomarkers and selfreports
Friedrich Wurst (Christian-Doppler-Klinik, Psychiatrie II, Salzburg)
N. Thon, S. Aradottir, S. Hartmann, G. Wiesbeck, O. Lesch, M. Wolfersdorf, W. Weinmann, C. Alling
Introduction: Phosphatidylethanol (PEth) is a direct ethanol metabolite, attracting attention as biomarker of ethanol intake. Aims of
the presented studies are: 1) To further characterise the normalisation of PEth in lager samples and 2) to elucidate potential gender
differences and 3) the correlation with other biomarkers and self-­
reports.
Method: Fifty-seven alcohol dependent patients (ICD 10 F 10.25;
f=9, m=48) at three study sites age 43.56 years, gamma glutamyl
transpeptidase (GGT) 209.61 U / L, mean corpuscular volume
(MCV) 97.35 fL, carbohydrate deficient transferrin (% CDT) 8.68,
1452.29 g ethanol intake in the last 7 days (mean) were included.
PEth was measured in heparinized whole blood with a high pres­
sure liquid chromatography (HPLC) method, GGT, MCV and
% CDT using routine methods.
Discussion / Results: PEth levels of between 0.63 and 26.95 µmol / L
(6.22 mean, 4.70 median, SD 4.97) at day 1 of detoxification were
found. There were no false negatives at day 1. Sensitivities for the
other biomarkers were 40.4 % for MCV, 73.1 % for GGT and 69.2 %
for % CDT, respectively. The correlation between alcohol intake in
the last seven days prior to hospitalisation and PEth was r=.427,
p<0.05. No gender differences were found for PEth levels
at any time point. Conclusion: Our data suggest, that PEth is 1) a
suitable intermediate term marker of ethanol intake in both sexes,
2) sensitivity is extraordinary high in alcohol dependent patients.
The results add further evidence to the data that suggest that PEth
has potential as a candidate for a sensitive and specific biomarker,
which reflects longer lasting intake of higher amounts of alcohol
and seemingly has certain advantages over traditional biomarkers.
007
VEGF-A Serumspiegel im Alkoholentzug
Annemarie Heberlein (Universität Erlangen, Klinik für Psychiatrie)
B. Lenz, H. Frieling, M. Muschler, S. Bleich, T. Hillemacher
Einleitung: Vascular endothelial growth factor A (VEGF-A) gilt als
einer der Hauptregulatoren der Angioneogenese. Besonders in
Hinblick auf die Tumorbildung und das Tumorwachstum wurde
VEGF-A intensiv untersucht. Hier wurde mehrfach beschrieben,
dass hohe Spiegel von VEGF-A einen negativen prognostischen Parameter bezogen auf die Tumorgröße und das Tumorwachstum
darstellen. Neben seiner angioproliferativen Wirkung wurde
VEGF-A jedoch auch mit neuroprotektiven Wirkungen in Zusammenhang gebracht. Zudem wurde auch die Rolle von VEGF-A in
der Immunregulation beschrieben. Auch ein möglicher Zusammenhang zwischen VEGF-A und Depressionen wurde postuliert.
Ziel unserer Untersuchung war es, mögliche Veränderungen der
VEGF-A Serumspiegel bei alkoholabhängigen Patienten im Alkoholentzug zu untersuchen.
Methode: Insgesamt wurden 75 männliche Patienten in die Studie
eingeschlossen, die nach ICD-10 Kriterien unter einer Alkoholabhängigkeit litten und sich stationär zum Alkoholentzug in Behandlung begaben. VEGF-A Serumspiegel wurden an Tag 0, 7 und Tag
14 des Alkoholentzugs untersucht. Gleichzeitig wurden affektive
Veränderungen während des Alkoholentzugs erhoben (BDI, STAI
I+II, Craving: PACS und OCDS). Die Bestimmung der VEGF-A
Serumspiegel erfolgte mit Hilfe des ELISA (R&D). Die statistische
Auswertung erfolgte mit Hilfe von SPSS 17.0.
Diskussion / Ergebnisse: Wir fanden einen signifikanten Anstieg
der VEGF-A Serumspiegel während des Alkoholentzugs von Tag 0
59
Topic 2 G Psychische Störungen durch psychotrope Substanzen, F1 // Mental disorders due to psychoactive substance use, F1
zu Tag 14. An Tag 14 fanden wir eine signifikante Erhöhung
der VEGF-A Serumspiegel im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen (p<0.001) und im Vergleich zu Tag 0 des Alkoholentzugs
(p=0.009). Zudem fanden wir einen signifikanten Zusammenhang
zwischen dem Anstieg der VEGF-A Serumkonzentrationen an Tag
14 und der Alkoholintoxikation an Tag 0 des Alkoholentzugs
(r=0.264, p=0.038). Gleichzeitig fanden wir eine Abhängigkeit der
VEGF-A Serumspiegel an Tag 14 von der Schwere der Alkoholabhängigkeit (SESA-Skala) und dem Grad der Alkoholintoxikation
an Tag 0 des Alkoholentzugs (F=5.656, p=0.006).
über den Untersuchungszeitraum wurden dokumentiert. S100ß
könnte ähnlich dem Homocystein als Verlaufsparameter eines akuten Alkoholentzugssyndroms geeignet sein. Da die Patienten im
Rahmen der qualifizierten Entzugsbehandlung ausreichend medikamentös unterstützt wurden und entsprechend im Mittel nur mäßige Entzugssyndrome boten und die Anzahl der Untersuchten nur
gering war, scheint S100ß als indirekter Marker für Stress und glutamaterge Aktivität im Alkoholentzug möglicherweise von einer
gewissen Relevanz.
009
Erhöhte Schmerzempfindlichkeit im Alkoholentzugssyndrom korreliert mit depressiven Symptomen
008
S100ß und Homocystein im Serum von alkoholabhängigen Patienten im akuten Alkoholentzugssyndrom
Dirk Wedekind (Universität Göttingen, Psychiatrie und Psychotherapie)
K. Neumann, U. Havemann-Reinecke
Einleitung: Erhöhungen von Homocysteinspiegel im Serum sind
bei der Alkoholabhängigkeit und insbesondere im Alkoholentzugssyndrom ein solider Befund. Erhöhungen des Cytokins S100ß zeigen sich bei diversen neuropsychiatrischen Erkrankungen. Aufgrund der engen Verbindung von S100ß mit der ACTH- und
Glutamat-Sekretion, die kausal in neurodegenerative Prozesse bei
der Alkoholkrankheit involviert sein könnten, wird die Hypothese
untersucht, ob parallel zur Homocystein Erhöhung auch S100ß im
Serum beim akuten Alkoholentzugssyndrom erhöht ist.
Methode: 22 Männer und 9 Frauen (Alter 47 ± 9 Jahre) mit einer
Alkoholabhängigkeit ohne relevante Achse-I Komorbidität wurden
zu vier Zeitpunkten, unmittelbar nach Aufnahme zur Alkoholentgiftung, nach 24, 48 und 120 Stunden untersucht. S100ß- und Homocysteinspiegel im Serum wurden gemessen und zu allen Zeitpunkten die Ausprägung des Entzugssyndroms (Wetterling Skala /
AWS) erhoben. Blutethanolspiegel bei Zeitpunkt 1, verabreichte
Medikation zur qualifizierten Behandlung des Entzugssyndroms,
Länge und aktuelle Schwere der Abhängigkeit wurden erfasst.
Diskussion / Ergebnisse: Wie erwartet fand sich eine signifikante
Abnahme der Homocystein Serumspiegel vom Zeitpunkt 0 bis zum
Zeitpunkt 120 Stunden (p< 0.05). S100ß-Serumspiegel zeigten ein
Maximum nach 24 Stunden und nahmen dann ebenfalls bis zum
Endzeitpunkt kontinuierlich und signifikant ab (p<0.05). Beide Parameter korrelierten mit einer signifikanten Abnahme der Entzugssymptomatik (nach AWS, p<0.05) über den Untersuchungszeitraum. Es zeigte sich kein signifikanter Zusammenhang dieser
Variablen zum Geschlecht, verabreichter Entzugsmedikation oder
der Schwere und Dauer der Abhängigkeit. Keine Entzugsanfälle
60
Thomas Jochum (Klinik für Psychiatrie und, Psychotherapie Jena)
K.-J. Bär
Einleitung: Im Tiermodell konnte bereits gezeigt werden, dass der
Entzug von analgetisch wirksamen Substanzen wie Opiode und
Alkohol mit einer erhöhten Empfindlichkeit gegenüber schmerzhaften Stimuli verbunden ist.
Methode: In der vorliegenden Studie untersuchen wir die Reaktion
auf thermale und elektrische Schmerzreize bei 30 männlichen Alkoholikern im akuten Alkoholentzug und einer alterskorreliereten
Kontrollgruppe, wobei die Stimuli jeweils an der linken Hand und
dem Sternum appliziert wurden. Zur Einschätzung der vorliegenden Alkoholentzugssymptomatik wurden wissenschaftlich evaluierte Tests eingesetzt. Ergänzend wurde der BDI Fragebogen angewendet, um den Einfluss der depressiven Symptomatik auf die
Schmerzwahrnehmung zu untersuchen.
Diskussion / Ergebnisse: In unserer Studie zeigten Patienten im
akuten Alkoholentzug eine erhöhte Schmerzempfindlichkeit am
Sternum und der linken Hand. Die Schmerzschwellen und -toleranz unterschieden sich aber nicht bei elektrischer Stimulation. In
unseren Ergebnissen zeigte sich ein deutlicher Einfluss des Affekts
auf die Schmerzverarbeitung. Zusammenfassend, zeigen wir eine
entzugsgetriggerte Hyperalgesie gegenüber Wärmeschmerzreizen
bei Patienten im akuten Alkoholentzug. Weiterhin konnten wir den
Einfluss affektiver Symptome auf die Schmerzwahrnehmung demonstrieren.
010
Niedrige D2/3-Rezeptor-Verfügbarkeit korreliert mit erhöhter
Schmerzsensitivität in entgifteten Patienten mit Alkoholabhängigkeit und gesunden Kontrollen
Katja Spreckelmeyer (RWTH Aachen, Klinik für Psychiatrie)
M. Paulzen, A. Weymanns, S. Oehlschläger, J. Van Waesberghe, R.-D.
Treede, I. Vernaleken, M. Raptis, W. Schäfer, F. Rösch, G. Gründer
Einleitung: Patienten mit Alkoholabhängigkeit zeigen eine höhere
Schmerzsensitivität als gesunde Kontrollen. Zusätzlich verfügen
die Patienten über ein hypoaktives Dopaminsystem. Es gibt Hinweise, dass der Neurotransmitter Dopamin eine wichtige Rolle bei
der Regulation von Schmerz spielt. Ziel der Studie war die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Dopaminausschüttung und
somatosensorischer Wahrnehmung bei Alkoholpatienten und gesunden Kontrollen.
Methode: Zwölf Patienten (nach Entzug) und 12 gesunde Kontrollen nahmen an der standardisierten Überprüfung des Temperaturund Berührungsempfindens mithilfe der Quantitativen Sensorischen
Testung (QST, Treede 2006) teil. Zur Erfassung des Alkoholkonsums bei Patienten (retrospektiv) und Kontrollen wurde der AUDIT
score (Alcohol Use Disorder Identification Test) erhoben. Zehn
Patienten und 10 Kontrollen nahmen zusätzlich an einer Messung
der Dopaminrezeptor-Verfügbarkeit im Positronen-Emissions-­
Tomographen (PET) unter Einsatz des D2/3-Rezeptor sensitiven
Liganden [F18]Fallyprid teil. Berechnung der Bindungspotentiale
(BPND)erfolgte durch das ‚Simplified Reference Tissue Model’.
Topic 2 G Psychische Störungen durch psychotrope Substanzen, F1 // Mental disorders due to psychoactive substance use, F1
Diskussion / Ergebnisse: In beiden Gruppen zeigte sich eine negative Korrelation der Schmerzsensitivität mit dem im AUDIT score
erfassten Alkoholkonsum. Die PET-Messung ergab eine positive
Korrelation zwischen der individuellen Schwelle für Druckschmerz
und der D2/3-Rezeptor-Verfügbarkeit im Thalamus und im Striatum. Die Ergebnisse weisen auf einen direkten Zusammenhang
zwischen Alkoholkonsum und Schmerzwahrnehmung hin. Die
Rolle von Dopamin als Mediator von Schmerz-Regulation wird
durch die Ergebnisse bestätigt.
011
Zusammenhänge zwischen erhöhtem Endorphinspiegel im Entzug, frühen Traumatisierungen und PTSD bei alkoholabhängigen
Patienten
Daniel Lüdecke (Institut für Medizinsoziologie, UK HamburgEppendorf)
H. Menger, K. Homann, J. Schulze-Thüsing, L. Teske, J. Reimer,
J. Hissbach, K. Wiedemann, I. Schäfer
Einleitung: β-Endorphin wird mit den Verstärkereffekten von Alkohol und anderen Suchtmitteln sowie mit Symptomen von Ängstlichkeit und Depression bei alkoholabhängigen Patienten im Entzug in Verbindung gebracht. Darüber hinaus wurden erhöhte
β-Endorphinspiegel bei Patienten mit Posttraumatischer Bela­
stungsstörung (PTSD) gefunden. Trotz der hohen Raten von Traumatisierungen und Posttraumatischen Störungen bei alkohol­
abhängigen Patienten wurden mögliche Zusammenhänge mit
β-Endorphin bei dieser Diagnosegruppe bislang nicht untersucht.
Methode: Bei N=26 Patienten einer Alkoholentzugsstation (27 %
weiblich, 73 % männlich) wurde an Tag 2 (t1) und Tag 14 (t2) ihres
Aufenthaltes β-Endorphin im Plasma bestimmt. Neben Symptomen von Angst (STAI), Depression (BDI) und Posttraumatischem
Stress (PDS) wurden Charakteristika der Alkoholabhängigkeit
(OCDS-d, EuropASI) und frühe Traumatisierungen (CTQ) erfasst.
Diskussion / Ergebnisse: Patienten mit frühen Traumatisierungen
(46 %) zeigten im akuten Entzug (t1) signifikant höhere
β-Endorphinspiegel als nicht traumatisierte Patienten (M=78,1 pg/
ml vs. 56,2 pg/ml; t24=5.07, p<.05; d=.88). Zu diesem Zeitpunkt
fanden sich Korrelationen mit dem CTQ-Gesamtscore (r=.45,
p<.05) sowie den Subskalen „Körperliche Misshandlung“ (r=.52,
p<.01) und „Emotionale Misshandlung“ (r=.46, p<.05). Nach Ende
des Entzuges (t2) waren diese Unterschiede nicht mehr festzustellen. Während Angst, Depression und Craving keine signifikanten
Zusammenhänge mit dem β-Endorphinspiegel zeigten, war dies
für das Ausmaß der PTSD-Symptomatik (PDS) der Fall (r=.51,
p<.01). In einer Partialkorrelation zeigte sich, dass die PTSD-Symptomatik ein wichtiger Mediator für die Zusammenhänge zwischen
frühen Traumatisierungen und β-Endorphinspiegel war. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass bei alkoholabhängigen Patienten
Zusammenhänge zwischen frühen Traumatisierungen bzw. PTSDSymptomen und erhöhtem β-Endorphinspiegel existieren. Analog
zu anderen neuroendokrinen Veränderungen könnten diese Zusammenhänge auf eine erhöhte Reaktivität auf Stress im Rahmen
des akuten Entzuges hinweisen. Künftige Studien zur Bedeutung
von β-Endorphinen bei alkoholabhängigen Patienten sollten potentielle Einflüsse früher Traumatisierungen und posttraumatische
Störungen berücksichtigen.
012
Verlaufsklassifikationen bei alkoholabhängigen Patienten – Zusam­
menhänge zwischen Typ A / Typ B und frühen Traumatisierungen
Juliane Schulze-Thüsing (Uniklinik Hamburg-Eppendorf, Klinik für
Psychiatrie)
L. Teske, K. Homann, C. Haasen, J. Reimer, A. Karow, J. Hissbach,
I. Schäfer
Einleitung: Suchterkrankungen zählen zu den psychischen Störun-
gen, bei denen der Einfluss früher traumatischer Erlebnisse, wie
sexueller Missbrauch und körperliche Misshandlung, auf ihren
Verlauf am Besten belegt sind. Betroffene Patienten weisen unter
Anderem einen früheren Beginn der Abhängigkeit, eine hohe familiäre Belastung mit Suchterkrankungen und ein stärkeres Ausmaß
komorbider psychischer Störungen auf. In gängigen Verlaufsklassifikationen der Alkoholabhängigkeit (z. B. Cloninger 1981, Barbor
1992, Schuckit 1995) wird eine Gruppe von Patienten mit ähnlichen Merkmalen als eigenes Cluster beschrieben. Dabei wurde von
Schuckit diese Patientengruppe als Typ B von Patienten mit späterem Beginn, geringerer familiärer Belastung und geringerer psy­
chiatrischer Komorbidität abgegrenzt (Typ A) und eine höhere genetische Belastung angenommen. In der vorliegenden Studie
wurden Zusammenhänge zwischen diesen Verlaufstypen, frühen
Traumatisierungen und komorbiden posttraumatischen Störungen
untersucht.
Methode: Bei N=120 Patienten mit einer Alkoholabhängigkeit
nach DSM-IV (42 % weiblich, 58 % männlich) wurde während des
qualifizierten Alkoholentzuges ein Interview durchgeführt, in dem
alle Charakteristika zur Subtypisierung des Patientenkollektives in
Typ A und Typ B nach Schuckit (1995) anhand standardisierter Instrumente erfasst wurden (EuropASI, SCID-I/-II, SIGAD, TPQ,
MAST und BSI). Sexueller Missbrauch und körperliche Misshandlung wurde mit Hilfe des STI erfasst, Posttraumatische Belastungsstörungen anhand des SCID-I.
Diskussion / Ergebnisse: Von den untersuchten Patienten wurden
45 anhand der Kriterien von Schuckit als Typ B identifiziert
(36 Männer, 9 Frauen). Patienten dieser Gruppe wiesen signifikant
häufiger frühere Traumatisierungen in der Vorgeschichte auf als
Patienten des Typ A (29,3 % vs. 51,1 %; p=0.01). Im Hinblick auf
das Vorliegen einer aktuellen Posttraumatischen Belastungsstörung
fand sich kein signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen
(p=0.30). Von Bedeutung schienen insbesondere Zusammenhänge
mit weiterer Komorbidität und der Trinkmenge, die signifikante
Zusammenhänge mit frühen Traumatisierungen zeigten. Die Ergebnisse weisen auf Zusammenhänge zwischen frühen Traumatisierungen und den etablierten Verlaufstypen der Alkoholabhängigkeit hin. Neben der Annahme, dass es sich dabei um genetisch
determinierte Subtypen handeln könnte, sollte auch Zusammenhängen mit gravierenden psychosozialen Einflüssen weiter nachgegangen werden.
013
Frühe negative Entwicklungsbedingungen, Krankheitsverlauf und
aktuelle Symptomatik bei Patienten mit Alkoholabhängigkeit
Simon Wiedmann (UKE, Hamburg)
J. Schulze-Thüsing, L. Teske, K. Homann, C. Haasen, J. Reimer,
A. Karow, I. Schäfer
Einleitung: Zahlreiche Studien belegen Zusammenhänge zwischen
belastenden Faktoren in der Kindheit und späteren substanzbezogenen Störungen. Allerdings konzentrierten sich die meisten Untersuchungen ausschließlich auf frühe Traumatisierungen wie sexuellen Missbrauch und körperliche Misshandlung. Ziel dieser
Studie war es, ein breiteres Spektrum belastender früher negativer
Entwicklungseinflüsse und Zusammenhänge mit dem Krankheitsverlauf und der Symptomatik bei alkoholabhängigen Patienten zu
untersuchen.
Methode: In die Studie wurden N=162 konsekutiv zum qualifizierten Entzug aufgenommene Patienten/-innen (70 % männlich, 30 %
weiblich) mit einer Alkoholabhängigkeit nach DSM-IV eingeschlossen. Analog zur „Adverse Childhood Experiences Studie“
(ACE-Studie, Felitti et al. 1998) wurden insgesamt neun belastende
Faktoren in der Kindheit (sexueller Missbrauch, körperliche und
emotionale Misshandlung, physische und emotionale Vernachlässigung, frühe Trennung von und Gewalt zwischen den Eltern, psy-
61
Topic 2 G Psychische Störungen durch psychotrope Substanzen, F1 // Mental disorders due to psychoactive substance use, F1
chische Probleme und Substanzmissbrauch der Eltern) anhand
standardisierter Instrumente erhoben. Verlauf und aktuelle Symptomatik wurden anhand von BDI und EuropASI erfasst. Die Auswertung erfolgte mittels deskriptiver Verfahren und Varianzanalyse.
Diskussion / Ergebnisse: Nur N=12 (7 %) der Patienten berichteten keinen der untersuchten belastenden Faktoren in der Kindheit.
N=76 (47 %) berichteten 1 – 3 Faktoren, N=47 (29 %) 4 – 6 und
N=27 Patienten (17 %) 7 – 9 belastende Faktoren. Frauen wiesen im
Durchschnitt mehr belastende Faktoren auf (M=3,28 vs. F=4,43;
t=-2,85; df=160; p<0,005). Zwischen der Anzahl belastender Faktoren in der Kindheit und dem Verlauf der Abhängigkeit zeigten sich
deutliche Zusammenhänge. So sank pro weiterem belastenden Faktor das Alter bei Beginn der Abhängigkeit um ca. 1 Jahr, der Gesamtscore des EuropASI stieg um 0.01 und die Punktzahl im BDI
um 1.75. Weiter fanden sich in Abhängigkeit von der Anzahl der
belastenden Faktoren im Verlauf mehr Krankenhausaufenthalte
und stationäre Entgiftungen. Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung früher negativer Entwicklungsbedingungen für den Verlauf und die aktuelle Symptomatik bei alkoholabhängigen Patienten. Neben sexuellen und physischen Traumatisierungen scheint
dabei ein breites Spektrum früher belastender Faktoren von Bedeutung zu sein.
014
Welchen therapeutischen Gewinn bietet die Durchführung einer
qualifizierten Entzugsbehandlung bei alkoholabhängigen Patienten? Ein Vergleich zweier Entgiftungsmodelle
Sabine Löber (ZI Mannheim, Suchtklinik)
H. Nakovics, F. Wagner, F. Kiefer, K. Mann, B. Croissant
Einleitung: Während im Rahmen der Reformen des Gesundheitssystems ein erheblicher Druck zur Kostenreduktion und Verkürzung von Liegezeiten besteht, bietet im Bereich der Versorgung
suchtkranker Patienten gerade die Verlängerung der Entgiftungsbehandlung eine Möglichkeit, die Effektivität und Kosteneffizienz
der Behandlung zu erhöhen. Im Rahmen der qualifizierten Entzugsbehandlung wird gegenüber der reinen Entgiftung die Entgiftungssituation genutzt, um eine Veränderungsmotivation aufzubauen, eine Perspektive für die Weiterbehandlung zu erarbeiten
und erste Strategien zur Aufrechterhaltung der Abstinenz zu vermitteln. Dies erfordert die Íntegration psychotherapeutischer Elemente in die Behandlung und eine Dauer der Behandlung von in
der Regel 3 Wochen.
Methode: In der vorliegenden Untersuchung wurden Daten zum
Behandlungserfolg von 56 Patienten erhoben, die an einer reinen
Entgiftungsbehandlung erhoben und dem Therapieerfolg von
61 Patienten, die an einer qualifizierten Entzugsbehandlung teil­
genommen hatten, gegenübergestellt.
Diskussion / Ergebnisse: Es zeigen sich sowohl hinsichtlich der
Rückfallhäufigkeit als auch der Teilnahme an Selbsthilfegruppen
und der Inanspruchnahme weiterer Therapieangebote zur langfri­
stigen Sicherung der Abstinenz deutliche Vorteile für die qualifizierte Entzugsbehandlung. Schlussfolgerung: Auch wenn es sich
hierbei nicht um eine direkte Vergleichsuntersuchung mit randomisierter Zuordnung der Patienten zu den verschiedenen Behandlungsangeboten handelt, unterstützen diese Ergebnisse die Idee
und Konzeption der qualifizierten Entzugsbehandlung.
015
Maladaptive Schemata bei Alkoholabhängigkeit
Nicole Pfaffenberger (Klinische Psychologie, Psychiatrie und Psychotherapie, Innsbruck, Österreich)
A. Hofer, A. Kaufmann, C. Hörtnagl, F. Biedermann, G. Kemmler,
V. Günther, W. W. Fleischhacker
Einleitung: Gängige Therapiemodelle zur Entwöhnungsbehand-
62
lung bei Alkoholabhängigkeit haben nicht zuletzt aufgrund hoher
psychiatrischer Komorbiditätsraten nur eingeschränkte Erfolge zu
verzeichnen. Einen alternativen Behandlungszugang stellt möglicherweise die Schematherapie nach Young dar, die maladaptive
Schemata als Ursache für jene dysfunktionalen Bewältigungsreaktionen versteht, die im DSM-IV als Kriterien von Persönlichkeitsstörungen definiert sind. Somit erscheint eine Veränderung nur
möglich, wenn neben den Reaktionsmustern auch die zu Grunde
liegenden maladaptiven Schemata modifiziert werden. Im Rahmen
einer Pilotstudie wurde untersucht, ob bei alkoholabhängigen Pa­
tientInnen mit und ohne komorbider Persönlichkeitsstörung ein
bestimmtes maladaptives Schema bzw. Schemacluster dominiert.
Methode: 30 PatientInnen wurden am Ende einer elektiven stationären Alkoholentzugsbehandlung in die Studie eingeschlossen.
Neben der Erhebung soziodemographischer Parameter wurden zur
Diagnose komorbider Persönlichkeitsstörungen Strukturierte Klinische Interviews nach DSM-IV für Achse II durchgeführt. Die
Erfassung maladaptiver Schemata erfolgte mittels des Schemafragebogens nach Young (YSQ-S3).
Diskussion / Ergebnisse: An der Untersuchung nahmen insgesamt
7 Frauen und 23 Männer teil, das Durchschnittsalter betrug 44,17
Jahre (± 7,93). Insgesamt fand sich bei 40 % der Befragten minde­
stens eine komorbide Persönlichkeitsstörung, wobei keine spezifische Achse-II-Diagnose herausragte. Maladaptive Schemata ließen
sich bei 70 % der PatientInnen identifizieren. Von den insgesamt
18 vordefinierten Kernschemata dominierten „Verlassenheit“ und
„Pessimismus“ mit jeweils 33,3 % sowie „Überhöhte Standards“
(30 %). In der Behandlung von alkoholkranken Personen scheint
eine Schemadiagnostik in jedem Fall sinnvoll. Auf Grundlage der
erhobenen Daten darf angenommen werden, dass bei ungefähr einem Drittel der PatientInnen sehr tiefliegende Verlustängste sowie
katastrophisierende Grundannahmen vorliegen. Eine spezielle Berücksichtigung dieser Schemata im Rahmen einer psychotherapeutischen Behandlung kann möglicherweise die Abstinenzfähigkeit
Betroffener wesentlich erhöhen.
Donnerstag, 26. 11. 2009, 13.30 – 15.00 Uhr, Halle 11.1
P-009 Posterpräsentation
Therapie/Prävention (F1)
Vorsitz: J. Böning (Höchberg)
001
Strukturelle Hemmnisse in der Substitution und infektiologischen
Versorgung Opiatabhängiger
Jens Reimer (Psychiatrie Psychotherapie, Uniklinik Hamburg)
D. Gansefort, B. Schulte, C. Haasen
Einleitung: Trotz nachgewiesenem Erfolg der Substitutionsbehand­
lung und steigenden Patientenzahlen geht die Zahl aktiv substituierender Ärzte nicht mit der steigenden Nachfrage einher. Erfolgt
keine Zunahme von Ärzten, die sich an der Substitutionsbehandlung beteiligen, wird sich die Versorgungssituation weiter ver­
schärfen. Grundvoraussetzung für eine Trendwende wäre eine Perspektive, die es für die Ärzte lohnenswert macht, sich dieser
anspruchsvollen Patientengruppe vermehrt anzunehmen. Dazu
sind jedoch Lösungsansätze für eine Vielzahl von identifizierten
strukturellen Problemen in der medizinischen Versorgung von
Substitutionspatienten notwendig. Ziel: Identifikation von strukturellen Hemmnissen in der Substitution und infektiologischen Versorgung Opiatabhängiger, um eine Diskussionsgrundlage zur Verbesserung der medizinischen Versorgung Substituierter zu bieten.
Topic 2 G Psychische Störungen durch psychotrope Substanzen, F1 // Mental disorders due to psychoactive substance use, F1
Methode: Deskriptive Expertenbefragung zur Versorgungssitua­
tion Substituierter in Deutschland mittels Fokusgruppenansatz anhand eines strukturierten, anonymen Fragebogens, der im Rahmen
des 17. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin
(DGS) e.V. ausgeteilt wurde. Weiteren DGS-Mitgliedern, die nicht
am Kongress teilnahmen, wurde der Fragebogen postalisch zugesandt.
Diskussion / Ergebnisse: Die fehlende Resonanz sehen die 150 in
der Substitution tätige Befragten in den rechtlichen Rahmenbedingungen, in der Unverhältnismäßigkeit zwischen finanzieller Ver­
gütung und Aufwand sowie in der mangelnden interdisziplinären
Kooperation in der Behandlung von Begleiterkrankungen begründet. Strukturelle Verbesserungsvorschläge zielen entsprechend auf
eine Verbesserung der administrativen und juristischen Rahmenbedingungen (23,8 %), eine bessere finanzielle Honorierung (21,3 %),
eine bessere Vernetzung zwischen den an der Substitutionsbehandlung beteiligten Fachgruppen und auf einen quantitativen Ausbau
der psycho-sozialen Betreuung (jeweils 11 %) ab. Die infektiologische Versorgung wird in einem Großteil der Praxen selbstständig
durchgeführt, Präventionsmaßnahmen zu drogenassoziierten Infektionskrankheiten sind in allen Praxen fester Bestandteil der Substitution. Diskussion: Die strukturellen Hemmnisse in der medizinischen Versorgung Substituierter sind identifiziert und erfordern
eine Anpassung der Rahmenbedingungen und Anreizsysteme, um
diese für die Zukunft sicherzustellen.
002
Genderspezifische Aspekte in der Behandlung Medikamentenabhängiger in einer speziellen Therapiegruppe
Arnold Wieczorek (AHG Kliniken Daun, Klinik Thommener Höhe,
Darscheid)
R. Schulz, N. Bergemann
Einleitung: Schätzungen gehen derzeit in Deutschland von 1,4 bis
1,9 Millionen medikamentenabhängigen Personen aus, wovon ca.
1,1 Millionen abhängig von Benzodiazepinderivaten und 500.000
abhängig von Schmerzmitteln sein sollen (ähnlich hohe Zahl wie
Alkoholabhängige). Insbesondere Frauen nehmen bis zu zweimal
häufiger als Männer psychotrope Medikamente, wie z. B. Beruhigungs- und Schlafmittel, Antidepressiva, Schmerzmittel und Medikamente zur Gewichtsreduktion ein. Aufgrund der in vielen Fällen
wesentlichen Unterschiede der Entwicklungsfaktoren einer Medikamentenabhängigkeit, der zugrunde liegenden Risikofaktoren,
der geschlechts- und altersspezifischen Unterschiede, der zusätzlich voliegenden komorbiden psychischen Störungen wird suchtmedizinisch schon lange die Entwicklung und Implementierung
spezifischer Rehabilitationsangebote für medikamentenabhängige
Personen gefordert, die insbesondere gesplechtsspezifische Unterschiede innerhalb dieser Gruppe angemessen berücksichtigt.
Methode: Auf der Grundlage unserer Basisdokumentation Sucht
werden suchtspezifische, biographische, soziodemographische und
psychosoziale Patientenmerkmale von medikamentenabhängigen
Frauen und Männern der Entlassjahrgänge 2007 und 2008 miteinander und in Bezug auf die Gesamtstichprobe aller behandelten
Patienten verglichen und geschlechtsspezifische Unterschiede herausgestellt. Darüber hinaus erfolgt eine geschlechtsspezifische Auswertung der einzelnen Abhängigkeitsdiagnosen und weiterer komorbider psychischer Störungen.
Diskussion / Ergebnisse: Aufgrund der in vielen Fällen wesent­
lichen Unterschiede • der Entwicklungsfaktoren einer Medikamentenabhängigkeit • der substanzbezogenen Unterschiede • der
zugrunde liegenden Risikofaktoren • der geschlechts- und altersspezifischen Unterschiede • und zusätzlich vorliegenden komorbiden psychischen Störungen ist ein spezifisches Rehabilitations­
angebot für Medikamentenabhängige erforderlich, das auch
geschlechtsspezifische Aspekte angemessen berücksichtigt. Das
rehabilitationsspezifische Angebot für Medikamentenabhängige in
einer speziellen Therapiegruppe bietet eine wirksame Behandlung
für Medikamentenabhängige.
003
Traumatherapie in der stationären Suchttherapie – erste Ergeb­
nisse eines Forschungsprojekts
Martin Zobel (Psychologische Praxis, Koblenz)
P. Missel, C. Quinten, M. Vogelgesang, N. Bergemann
Einleitung: Menschen mit Suchtproblemen berichten überzufällig
häufig von Gewalt- und Missbrauchserfahrungen in Kindheit,
Jugend und im Erwachsenenalter. EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) hat sich als ein therapeutisches Verfahren gezeigt, das sich in besondere Weise zur Behandlung von psychischen Traumata eignet. Die kontrollierte Studie soll zeigen, ob
eine traumafokussierte Behandlung mit EMDR im Rahmen einer
Entwöhnungsbehandlung anderen Verfahren gleichwertig oder
überlegen ist.
Methode: Die Patienten der Behandlungsgruppe erhalten das Angebot einer traumafokussierten Behandlung mit Schwerpunkt auf
der EMDR-Methode, die Patienten der Kontrollgruppe erhalten
andere traumatherapeutische Verfahren. Erhoben werden u. a. typische Traumasymptome mittels SKID, Impact of Event Scale (IES)
sowie die aktuelle subjektive Belastung durch das Ereignis. In einem Prä-Post-Design sollen Gruppenunterschiede vor und nach
sowie ein Jahr nach der Traumabehandlung gemessen werden.
Diskussion / Ergebnisse: In der bisherigen Laufzeit des von der
DRV-Bund geförderten Projekts wurden insgesamt 65 Patientenbehandlungen durchgeführt. Insgesamt zeigen die bisherigen Daten,
dass eine traumafokussierte Behandlung in beiden Behandlungsgruppen messbare positive Veränderungen hinsichtlich der Bela­
stung durch ein traumatisches Ereignis ergab. Bezüglich der PräPost-Differenzen zeigten Patienten in der EMDR-Gruppe eine
höhere Abnahme der Traumafolgesymptome. Die Ergebnisse zeigen, dass auch im Rahmen einer stationären Entwöhnungsbehandlung eine effektive Traumabehandlung durchgeführt werden kann.
Die EMDR-Methode erweist sich dabei nach den bisher vorliegenden Daten als effektiver als andere traumatherapeutische Ver­
fahren.
004
Multimodales Neuroimaging und antipsychotische Therapie mit
Aripiprazol bei substanzinduziertem Dermatozoenwahn
Markus Kölle (Universitätsklinikum Ulm, Psychiatrie III)
A. Huwe, M. Luster, S. N. Reske, M. Spitzer, N. Osterfeld, C. Schönfeldt-Lecuona, R. Freudenmann
Einleitung: Dermatozoenwahn kann als isolierte psychische Störung, als Folge einer gehirnorganischen Veränderung, beispielsweise einer vaskulären Encephalopathie, oder in Form einer substanzinduzierten psychotischen Störung auftreten. Die Pathophysiologie
des Syndroms ist bislang unbekannt. Aktuelle Therapierichtlinien
existieren nicht. Zur Therapie der Störung mit atypischen Antipsychotika existieren Einzelfallberichte.
Methode: Wir berichten den Fall einer 27-jährigen Patientin, die
nach einer etwa ein halbes Jahr dauernden Episode des Konsums
von Amphetaminen einen Dermatozoenwahn entwickelt hatte.
cMRT, EEG und Liquordiagnostik zeigten Normalbefunde. F-DOPA-PET, FP-CIT-SPECT, FDG-PET, und IBZM-SPECT vor Beginn
einer antipsychotischen Therapie bei nachgewiesener Amphetamin-Abstinenz zeigten eine geminderte DOPA-Aufnahme in präsynaptische dopaminerge Neurone sowie eine asymmetrische Be­
legung in Striatum und Thalamus (Nucl. caudatus rechtsbetont,
Putamen und Pallidum linksbetont, Thalamus linksbetont) bei normalem Anreicherungsverhalten an Dopamin-Transportern prä­
synäptisch und D2-Rezeptoren postsynaptisch. Die Therapie mit
63
Topic 2 G Psychische Störungen durch psychotrope Substanzen, F1 // Mental disorders due to psychoactive substance use, F1
Aripiprazol wurde begonnen. Eine Verlaufskontrolle nach zwei
Wochen Therapie zeigte bei einem Aripiprazol-Spiegel im therapeutisch üblichen Bereich eine deutliche klinische Besserung. Eine
IBZM-SPECT zeigte nun erwartungsgemäß eine deutlich reduzierte Bindung an D2-Rezeptoren. Eine FDG-PET zeigte eine jetzt
symmetrische und stärkere Belegung des Nucleus caudatus, eine in
etwa konstante Belegung des Putamen und Pallidum im Vergleich
zur Voruntersuchung sowie eine Umkehrung der asymmetrischen
Belegung des Thalamus mit jetzt rechtsbetonter Anreicherung.
Diskussion / Ergebnisse: Der Fallbericht beschreibt erstmals mittels FDG-PET gemessene Alterationen des Glukosemetabolismus
in dopaminergen Zielgebieten bei substanzinduziertem Dermatozoenwahn sowie deren Veränderung unter antipsychotischer Therapie. Der Fall liefert somit erstmals auf der Basis funktioneller
Neuroimaging-Untersuchungen Hinweise auf eine gestörte Funk­
tion von Thalamus und Striatum als mögliche Ursache der pathophysiologisch bislang nicht verstandenen Störung. Ebenso wird
erstmals die erfolgreiche Therapie eines substanzinduzierten Dermatozoenwahns mit Aripiprazol beschrieben.
005
„Assoziationsspaltung“ eine neue Technik zur Reduktion des
Suchtverlangens
Birgit Hottenrott (Universitätsklinikum Hamburg, Psychiatrie,
Neuropsychologie)
L. Jelinek, R. Veckenstedt, S. Moritz
Einleitung: Die Technik „Assoziationsspaltung“ wurde ursprünglich für Menschen mit einer Zwangsstörung entwickelt. Hier zeigten sich in ersten Studien vielversprechende Ergebnisse (z. B. Symp­
tomreduktion, subjektive Bewertung der Maßnahme). Ähnlich wie
bei der Zwangsstörung, stellen auch bei der Alkoholkrankheit wiederholte, quälende intrusive Gedanken, das sogenannte Suchtverlangen oder Craving, Kernmerkmale der Störung dar, welche auf
Standardinterventionen oft nur unzureichend ansprechen. Um
dem daraus abgeleiteten Bedarf an alternativen Therapien nachzukommen, wurde die Technik „Assoziationsspaltung“ nunmehr für
die Alkoholkrankheit angepasst. Assoziationsspaltung basiert auf
Netzwerkmodellen, und bedient sich des kognitiven Prinzips der
Assoziationsauffächerung. Die Methode zielt auf die Schwächung
Alkohol-bezogener Assoziationen (z. B. Korn – trinken oder
Schnaps – Entspannung) durch die Ausbildung und Stärkung neutraler Assoziationen (z. B. Korn – Getreide oder Schnaps – Schnappschuss).
Methode: Die Technik wurde im Rahmen einer internetbasierten
Machbarkeitsstudie in Selbstanwendung über 4 Wochen an 31 Alko­
holabhängigen evaluiert. Die Probanden wurden über Selbsthilfeforen rekrutiert. Als Outcome-Parameter dienten die Selbstratings
in der Obsessive Compulsive Drinking Scale (OCDS) zum präund post-Zeitpunkt sowie eine subjektive Bewertung der Technik.
Diskussion / Ergebnisse: Nach dem Interventionszeitraums von
4 Wochen gaben 39 % (intention-to-treat Auswertung) bzw. 60 %
(per protocol Auswertung) der Teilnehmer an, von der Maßnahme
profitiert zu haben (mittlerer Symptomrückgang von 32 % im
OCDS-Score). Für Probanden, die keinen Effekt durch die Intervention registrierten, ergab sich hingegen nur ein Rückgang im
OCDS-Score von 5 %. Es wird die Notwendigkeit neuer, niedrigschwelliger Therapieangebote (Selbsthilfetechnik) sowie der mögliche Vorteil einer therapeutengestützten Anwendung der Technik
diskutiert. Zudem wird ein Ausblick auf eine laufende Studie gegeben, in der die Methode als Gruppenintervention bei stationären
Patienten angeboten wird und in ihrer Effektivität einer Kontrollbedingung gegenüber gestellt wird.
64
006
CAN Stop – Entwicklung und Evaluation eines indizierten Präventionskonzepts für Jugendliche und junge Erwachsene mit problematischem Cannabiskonsum
Nina Weymann (UKE, DZSKJ, Hamburg)
C. Baldus, A. Miranda, K. Moré, O. Reis, R. Thomasius
Einleitung: Cannabis ist die von jungen Menschen in Deutschland
am häufigsten konsumierte illegale Droge. Ein junges Erstkonsum­
alter birgt ein erhöhtes Risiko für kognitive, soziale und psychische
Probleme. Um entsprechende Entwicklungen zu verhindern bzw.
aufzuhalten, bedarf es eines niedrigschwelligen indizierten Präventionsangebots, das die Jugendlichen flächendeckend in verschiedenen Settings (Jugend- und Suchthilfe, medizinisches Hilfesystem,
Jugendstrafvollzug) erreicht. Eine Herausforderung bei der Entwicklung einer solchen Intervention besteht in der großen Bandbreite der in diesen Kontexten zu erreichenden Jugendlichen sowie
der den unterschiedlichen Erfahrungs- und Ausbildungshintergründen der Personen, die dort mit den Jugendlichen arbeiten.
Methode: Wir entwickelten mit CAN Stop eine eng manualisierte
Gruppenintervention über 8 Sitzungen. Inhalte sind Psychoedu­
kation, Selbstbeobachtung, Verbesserung der Selbstwirksamkeit,
Umgang mit Stress und Gefühlen, Abgrenzung gegenüber Peers
und Rückfallprophylaxe. Die einzelnen Sitzungen sind klar strukturiert und primär auf durchführende Trainer ohne therapeutische
Ausbildung oder Gruppenerfahrung zugeschnitten. Nach einer
Pilotstudie begann im April 2009 die Datenerhebung der Hauptstudie. 238 Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 14 bis
21 Jahren werden in einem randomisierten kontrollierten Prä-postfollow-up-Design untersucht. Die Teilnehmer berichten soziodemographische Daten, Drogenanamnese, psychosoziale Probleme
(YSR, YASR), Familien- und Peerbeziehungen, Phasen der Ver­
änderungsmotivation, Behandlungszufriedenheit, Abhängigkeitssymptome, Konsumerwartungen, Selbstwirksamkeit und Peer resistance. Die Trainer geben Auskunft über ihren beruflichen
Hintergrund, ihre Einstellung zu Cannabis, ihre Trainingsziele,
füllen einen kurzen Persönlichkeitsfragebogen aus und berichten
über ihre Zufriedenheit mit dem Gruppenverlauf. Strukturdaten
der Einrichtungen werden erhoben.
Diskussion / Ergebnisse: Das Poster stellt den gegenwärtigen Stand
des Projekts vor. Das Studiendesign und die Intervention werden
präsentiert und Ergebnisse der Pilotstudie berichtet. Individuelle
Verläufe der Pilotteilnehmer über die drei Messzeitpunkte (prä,
post und 6 Monats-Katamnese) werden nachgezeichnet.
007
Aspekte der Implementierung des CAN Stop Gruppentrainings für
junge Cannabiskonsumenten in vier verschiedenen Behandlungssettings
Alejandra Miranda (UKE Hamburg-Eppendorf, DZSKJ)
C. Baldus, K. Moré, O. Reis, N. Weymann, R. Thomasius
Einleitung: Das CAN Stop Gruppentraining ist ein niedrigschwelliges Programm für Jugendliche und junge Erwachsene mit problematischem Cannabiskonsum, das in vier verschiedenen Behandlungssettings – der ambulanten Jugend- und Suchthilfe, dem
stationären und dem ambulanten medizinischen Setting sowie in
Jugendstrafanstalten – etabliert werden soll. Strukturierte und störungsspezifische Manuale sind bisher hauptsächlich innerhalb
eines einzelnen Settings, also im ambulanten oder stationären Bereich, evaluiert worden. Die Erfahrungen bei der Implementierung
in den vier unterschiedlichen Behandlungsarmen sollen im Folgenden erläutert werden.
Methode: Zur Rekrutierung der Kooperationspartner aus dem gesamten norddeutschen Raum wurden im September 2008 275 potentielle Kooperationseinrichtungen aus der Jungend- und Suchthilfe, 78 Einrichtungen aus dem ambulanten und 103 aus dem
Topic 2 G Psychische Störungen durch psychotrope Substanzen, F1 // Mental disorders due to psychoactive substance use, F1
stationären medizinischen Setting angeschrieben. Zu 7 Jugendstrafanstalten wurde persönlich Kontakt aufgenommen. Mit allen
Einrichtungen, die ihr Interesse bekundeten, wurde ein persönlicher Termin vereinbart, um die Möglichkeiten der Zusammenarbeit genauer zu erläutern und eine Kooperation zu etablieren. Die
Rückmeldungen der Einrichtung bezüglich der Implementierung
wurden auf qualitativer Ebene gesammelt und werden auf dem
Poster vorgestellt.
Diskussion / Ergebnisse: Der Justizvollzug und die ambulante medizinische Versorgung zeigten das höchste Interesse und die höch­
ste Rücklaufquote in Bezug auf das Zustandekommen eines Kooperationsvertrages. Die hohe Resonanz im Justizvollzug ist zum einen
damit erklärbar, dass es für diesen Bereich kaum strukturierte Angebote gibt, der Bedarf jedoch da ist. Zum anderen ermöglichen die
Gegebenheiten des Vollzugs, nämlich die regelmäßige Anwesenheit der Teilnehmer, eine optimale Durchführung des Gruppentrainings. Die eher geringe Rücklaufquote (5 %) in der Jugend- und
Suchthilfe sowie im stationären medizinischen Setting ist auf eine
Vielzahl an alternativen Angeboten in Bezug auf strukturierte, störungsspezifische Manuale in diesem Bereich zurückzuführen. Des
Weiteren ist eine Implementierung im stationären Bereich aufgrund der hohen Fluktuation der Patienten und des bereits stark
strukturierten Behandlungssettings mit besonderen Schwierig­
keiten verbunden.
008
PFIFF – Projekt für Intervention und Früherkennung alkoholbezogener Störungen in Freiburg – eine Prä-Post Studie zur Verbesserung der Vernetzung von Hausarztpraxis und Suchtberatung
Jeanette Röhrig (Universitätsklinikum Freiburg, Psychiatrie und Psychotherapie)
S. Flaig, S. Wahl, D. Ruf, K. Frick, M. Berner
Einleitung: In der Vergangenheit wurde vor allem die „Versäulung“
unterschiedlicher Sektoren des Suchthilfesystems als wesentliches
Hindernis für eine effektivere und frühzeitige Sekundärprävention
alkoholbezogener Störungen benannt. Das vorliegende Projekt des
AK Suchthilfe Freiburg untersucht im Rahmen einer Prä-PostMessung prospektiv die Effekte eines Angebots zur Verbesserung
der Schnittstelle Hausarztpraxis – Suchtberatung.
Methode: Die vier aktiven Freiburger Suchtberatungsstellen zeichneten von November 2007 bis April 2008 die Zugangswege ihrer
Erstgesprächsklienten und deren Patientencharakteristika auf
(Baselinephase, B). Im April 2008 wurden alle Hausärzte in Freiburg (n=231) eingeladen, sich an dem Projekt zu beteiligen. Dieses
umfasste Zugang zu einer internetbasierten Leitlinie, rasche direkte
Terminvergabe für an die Suchtberatungsstellen überwiesenen Patienten und strukturierte Rückmeldung der Beratungsstellen an die
Hausärzte. Die Teilnahmequote betrug n=23 (10,0 %). Anschließend wurden wiederum über 6 Monate (Mai bis Oktober 2008) die
Erstgespräche der Suchtberatungsstellen dokumentiert (Interven­
tionsphase, I) und die Projektärzte regelmäßig kontaktiert und zur
Überweisung von Patienten motiviert.
Diskussion / Ergebnisse: Die Anzahl der Erstgespräche betrug 186
(B) bzw. 156 (I). Der Anteil der überwiesenen Patienten war dabei
insgesamt 17,3 % (B:10,8 %, n=20, I:25,0 %, n=39, OR 2,8, p=0,001).
Der Anteil der durch Projektärzte überwiesenen Patienten stieg dabei von 10 % (B) auf 33,3 % (I). Von den Projektärzten überwiesen
15 keinen Patienten. Der Anteil der Erstkontakte zum Hilfesystem
stieg von 36 % (B) auf 44 % (I). Bei den von Projektärzten überwiesenen Patienten hatten 9 von 13 (69,2 %) einen Erstkontakt zum
Hilfesystem. In beiden Phasen handelte es sich in rund 85 % der
Fälle um abhängige Patienten. Die Teilnahmequote der Ärzte war
sehr gering. Auch von den Projektärzten war nur ein kleinerer Teil
aktiv. Der Anteil überwiesener Patienten stieg in der Interventionsphase deutlich. Eine höhere Überweisungsrate von missbräuchlich
oder riskant konsumierenden Patienten konnte nicht erreicht werden. Insgesamt konnte durch vergleichsweise wenig Aufwand eine
verbesserte Vernetzung erzielt werden, wobei unspezifische Effekte
nicht auszuschließen sind.
009
Grenzüberschreitendes Netzwerk in der Suchtvorbeugung für die
Euroregion Pomerania – Projektphase III 2009-2012
Jens Langosch (Ev. Krankenhaus Bethanien, Chefarzt, Greifswald)
V. Hausch, J. Niemann, C. Junge
Einleitung: Vor dem Hintergrund zunehmender sozialer Probleme
in der Bevölkerung der Grenzgebiete, konkret in den Regionen
Greifswald, Szczecin und Kolobrzeg haben sich mehrere Projektpartner entschlossen, im Bereich der primären Suchtvorbeugung
als Gegenmaßnahme grenzüberschreitende und koordinierte Netzwerke aufzubauen. Zielgruppe der ersten beiden Projektphasen
waren Schüler der 5. – 6. Klassen sowie der 7. – 9. Klassen beider
Länder. Aus den Befragungen hat sich u. a. ergeben, dass das Einstiegsalter für den Substanzkonsum insgesamt sinkt. Entsprechende Einstellungen bilden sich schon erhebliche Zeit vor dem ersten
direkten Substanzkontakt aus. Die Zielgruppe dieser Projektphase
sind Kinder im oberen Kindergartenalter (Vorschule) und im jüngeren Schulalter (Grundschule). Die konkrete Präventionsarbeit
wird sowohl soziale Faktoren, wie auch familiäre und psychische
Faktoren berücksichtigen.
Methode: Parallel zur Erstellung konkreter Modulinhalte des Projektes, die von verschiedenen Projektpartnern umgesetzt werden,
ist das Ev. Krankenhaus Bethanien für die wissenschaftliche Begleitung zuständig. Die Evaluation erfolgt longitudinal und in Parallelgruppen mit und ohne Intervention. Geplant sind drei Erhebungszeitpunkte (Okt. 2009, Okt. 2010, Okt. 2011). Die Befragungen
richten sich bei den Kindergartenkindern an die Erzieher und die
Eltern, im Grundschulbereich werden neben den Lehrern und
Eltern ebenfalls die Schüler befragt.
Diskussion / Ergebnisse: In der vorherigen Projektphase zeigte
sich nach Auswertung der Daten, dass bereits ein Großteil der
14-jährigen Kontakt zu Nikotin und Alkohol hatte. Positive Alkoholwirksamkeitserwartungen wurden deutlich überbewertet, negative Wirksamkeitserwartungen verharmlost. Zudem zeigte jeder
zehnte Jugendliche ein riskantes Alkoholkonsummuster, so dass
langfristig eine deutliche Suchtgefährdung besteht. Um diese Entwicklung zu bremsen, sollen bei den Kindern über strukturierte
Module protektive Faktoren wie z. B. Frustrationstoleranz und Empathiefähigkeit gestärkt werden. Zudem soll die Einbindung der
Kinder in die Schule und eine sinnvolle Freizeitgestaltung gefördert
werden. Gleichzeitig sollen die Eltern in der Umsetzung erarbeiteter Kompetenzen geschult werden. Die Projektinhalte werden unter wissenschaftlicher Begleitung sowohl in Deutschland als auch
in Polen umgesetzt.
010
Trends in the utilisation of the Cyprus addiction services
Agorastos Agorastos (Universitätsklinikum Hamburg, Psychiatrie und
Psychotherapie)
H. Zurhold, U. Verthein, P. Degkwitz, C. Haasen
Introduction: During the last 20 years there is a clear tendency towards community-integrated care in Cyprus. The increased avail­
ability of differentiated drug treatment services resulted in a growing number of drug users entering treatment.
Method: This evaluation is part of a twinning project between
Cyprus and Germany, aimed at evaluating the governmental drug
services in Cyprus and promoting the improvement and introduction of new drug treatment services, in order to assist the new
Member State in the implementation and harmonisation with the
European Community‘s legislation.
65
Topic 2 G Psychische Störungen durch psychotrope Substanzen, F1 // Mental disorders due to psychoactive substance use, F1
Discussion / Results: The available data show that opiates were of
all clients the substance primary used. Thus, heroin users represent
the main client group requesting for drug treatment. Cannabis
users are the second main client group accounting for one fourths
of all clients, followed by cocaine users. Drug users in need for
treatment predominately request for outpatient psychosocial interventions, while almost half of the clients entered treatment for their
fist time. From 2004 to 2007 the overall number of treatment clients
increased by 75 %. During this period the number of news clients
with primary use of cannabis or cocaine increased significantly. At
the same time there is a considerable decrease of opiate users demanding for treatment the first time. If the drug services will be
further developed and diversified – in particular as regards the in­
troduction of substitution treatment, low-threshold services and
specialized treatment options – the number of clients requesting
treatment might further increase.
011
Ergebniserwartung als Konstrukt zur Erklärung der fehlenden
psychischen Abhängigkeit bei der Einnahme von Barbituraten
und Clobazam als Antiepileptika
Carmen Uhlmann (ZfP Südwürttemberg, Versorgungsforschung,
Ravensburg)
Einleitung: Das Thema Abhängigkeit von Antiepileptika wurde
bisher nicht systematisch erforscht, trotz der Tatsache, dass zumindest Barbiturate und Benzodiazepine ein potentielles Suchtrisiko
bergen. Wir nehmen an, dass es aufgrund der Ergebniserwartungen kaum zu psychischer Substanzabhängigkeit (Kontrollverlust
und „craving“) bei Epilepsiepatienten kommt. Ergebniserwartungen sind seit Marlatt (1985) Gegenstand der Suchtforschung. Ziel
der Studie war, Epilepsiepatienten im Hinblick auf Substanzabhängigkeit und Ergebniserwartung der Medikamenteneinnahme zu
untersuchen.
Methode: Es wurden 100 stationäre Epilepsiepatienten in einem
strukturierten Interview über Erfahrungen und Einstellungen zu
ihrer Antiepileptikaeinnahme in Hinblick auf psychische und
körperliche Abhängigkeitskriterien sowie im Hinblick auf Ergebniserwartungen befragt. Nach der Befragung wurden die Patienten
in eine „high-risk“-Gruppe (Einnahme von Barbituraten und Clobazam aktuell oder in der Vorgeschichte) und eine „low-risk“Gruppe (zu keinem Zeitpunkt Einnahme von Barbituraten und
Clobazam) eingeteilt, um mögliche Unterschiede in den Abhängigkeitskriterien und den Ergebniserwartungen zwischen den Gruppen zu erfassen.
Diskussion / Ergebnisse: Insgesamt berichteten ungefähr 50 % der
Epilepsiepatienten von Entzugssymptomen und einer Toleranzentwicklung, dagegen bemerkten nur 7 % einen Kontrollverlust und
3 % „craving“. In der „high-risk“-Gruppe war ein signifikant höherer Anteil an Patienten mit körperlicher Abhängigkeitssymptomatik als in der „low-risk“-Gruppe, bei den psychischen Abhängigkeitskriterien ergab sich kein Unterschied zwischen den beiden
Gruppen. Die Ergebniserwartung der Medikamenteneinnahme bezog sich eindeutig auf eine mögliche Anfallsreduktion und kaum
auf psychotrope Effekte. Auch hierbei ergab sich kein Unterschied
zwischen der high-risk“-Gruppe und der „low-risk“-Gruppe. Die
66
Studie zeigt, dass physiologische Variablen der Abhängigkeit bei
Epilepsiepatienten häufig vorhanden sind, psychologische Variablen aber nur bei wenigen. Diese Ergebnisse bestätigen unsere
Hypothese, dass Substanzabhängigkeit bei Epilepsiepatienten kein
übergeordnetes Problem darstellt, auch nicht bei der Einname von
Clobazam oder Barbituraten, da Ergebniserwartungen klar auf antikonvulsive und nicht auf psychotrope Effekte bezogen werden.
Ein Model zur Erklärung des Zusammenhangs von Abhängigkeit
und Ergebniserwartung bei der Einnahme von Antiepileptika wird
vorgestellt.
012
Follow-up-Befragung zur Patientenzufriedenheit auf einer Spezial­
station zur Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen
Karel Frasch (BKH Günzburg)
A. Häfele, R. Kilian, A. Hellberg, H. Jahn
Einleitung: Um Aufschluss über Stärken und Schwächen unseres
Therapieangebotes aus Patientensicht unter Längsschnittaspekten
zu erhalten, wiederholten wir eine bereits in 2004 durchgeführte
Umfrage (Häfele, Kilian, Frasch. Psych Pflege 2007; 13: 154-158)
dahingehend, ob bestimmte Aspekte der Behandlung als defizitär
wahrgenommen werden und ob die Beurteilung der Behandlungsqualität durch die Patienten von individuellen Merkmalen beeinflusst wird.
Methode: Analog der Erstbefragung (n=100) wurden diesmal
40 Patienten freiwillig und anonym befragt, wobei der Tübinger
Fragebogen zur Behandlungszufriedenheit TüBB (Längle et al. Psychiatr Prax 2002; 29: 83-89) verwendet wurde. Die statistische
Datenanalyse erfolgte mit Hilfe linearer Regressionsmodelle.
Diskussion / Ergebnisse: Bis auf signifikante Unterschiede hinsichtlich der Geschlechterverteilung (Erstbefragung: 82 % Männer,
Follow-up: 57 % Männer) waren die beiden Gruppen hinsichtlich
wesentlicher Einflussgrößen vergleichbar. Die Regressionsmodelle
für den Einfluss individueller Merkmale auf die Beurteilung der
verschiedenen Dimensionen der Behandlung (Atmosphäre, Behandlungsqualität, Autonomie) erbrachten wie bei der Voruntersuchung keinerlei Hinweise darauf, dass individuelle Merkmale (Geschlecht, Familienstand, Berufstätigkeit, vornehmlich konsumiertes
Suchtmittel) die Beurteilung der Behandlung beeinflussen. Im Vergleich zwischen den beiden Gruppen zeigte sich, dass die Patienten
trotz zahlreicher im Gefolge der Erstbefragung durchgeführter organisatorischer Veränderungen auf der Station die Situation beim
Follow-up nicht signifikant anders beurteilten als bei der Erstbefragung, nämlich bezüglich der Dimensionen „Atmosphäre“ und „Behandlungsqualität“ in etwa auf Höhe des Skalenmittelpunktes und
bezüglich der Dimension „Autonomie“ eher in Richtung „Unzufriedenheit“. Es sollte also noch einmal über die durchgeführten
bzw. weitere Verbesserungsmaßnahmen nachgedacht werden. Wir
danken Lea Kilian für die Eingabe der Daten.
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
Topic: 3 Psychotische Störungen, F2
Donnerstag, 26. 11. 2009, 10.30 – 12.00 Uhr, Saal Madrid
Überblick über den aktuellen Stand des Forschungsfeldes und ein
Ausblick auf mögliche Entwicklungen gegeben werden. Zukunftsweisend sind Ansätze zur Integration von morphologischen Strukturen (Diffusionsbildgebung), funktionellen Aktivierungen, Genetik und Verhaltensdaten aus Phänomenolgie und Testpsychologie.
HS-006 Hauptsymposium
Funktionelle Bildgebung emotionaler, motivationaler und kognitiver Prozesse bei der Schizophrenie
Vorsitz: G. Juckel (Bochum), A. Heinz (Berlin)
001
Reward prediction error und Wahnbildung
Andreas Heinz (Charité Campus Mitte, Psychiatrie und Psychotherapie, Berlin)
A. Beck, U. Lang, J. Wrase, J. Gallinat, F. Schlagenhauf
Einleitung: Zuschreibung von Bedeutung zu ansonsten irrelevanten Reizen könnte ein entscheidender Mechanismus der Wahnentstehung sein, der sich durch eine chaotische oder stress-abhängige
Aktivierung des dopaminergen Systems bei schizophrenen Psychosen erklären lässt (Heinz, Eur Psychiatry 2002; Kapur, Am J Psy­
chiatry 2002).
Methode: Wir untersuchten unmedizierte schizophrene Patienten
und altersgematchte Kontrollpersonen (n=30) mittels funktioneller
Kernspintomographie und einem Gewinnspiel, bei dem man durch
rasche Reaktionen Geld gewinnen bzw. Geldverlust vermeiden
kann.
Diskussion / Ergebnisse: Schizophrene Patienten zeigten eine verstärkte Aktivierung im medialen präfrontalen Kortex bei unerwartetem Geldverlust und eine verminderte Aktivierung im ventralen
Striatum, wenn Geldverlust erfolgreich (versus erfolglos) vermieden werden konnte. Schizophrene Patienten reagierten also jeweils
verstärkt auf negative Ereignisse und vermindert auf die erfolgreiche Abwehr aversiver Ereignisse. Zudem war die Konnektivität
zwischen dem medialen präfrontalen Kortex und dem ventralen
Striatum bei schizophrenen Patienten vermindert. Bei diesen akut
psychotischen und unmedizierten Patienten korrelierte eine verminderte Aktivierung im medialen präfrontalen Kortex bei erfolgreicher (versus erfolgloser) Vermeidung eines drohenden Geldverlustes mit erhöhter Wahnbildung. Schizophrene Patienten zeigten
also eine verminderte Differenz zwischen der neuronalen Aktivierung in Abhängigkeit vom Erfolg ihres Verhaltens bei drohenden
negativen Konsequenzen. Diese Beobachtung passt zu der Annahme einer dysfunktionalen, neuronal kodierten „Bedeutungszuschreibung“ (incentive salience) bei schizophrenen Patienten in
Hirnregionen, die direkt vom dopaminergen Neurotransmitter­
system moduliert werden. Sie zeigen darüber hinaus, dass – anders
als von J. Hughlings Jackson im Konzept der Positivsymptomatik
vor über 100 Jahren postuliert – Wahnbildung nicht immer mit
einer Störung evolutionär alter, subkortikaler Hirnregionen asso­
ziiert sein muss, sondern vielmehr mit einer Störung evolutionär
komplexer, präfrontaler Hirnregionen verbunden sein kann.
003
Neuronale Korrelate von emotionalen und sozialen Interaktionen
Klaus Mathiak (UK Aachen, Psychiatrie und Psychotherapie)
Störungen der Hirnfunktion wie bei Schizophrenie und Epilepsie
führen auch zu Störungen von sozialen Funktionen. Diese können
die Lebensqualität mehr beeinträchtigen als die augenfälligen kli­
nischen Symptome. Bei epileptischen Erregungsstörungen fanden
wir lokalisierte Effekte auf psychosoziale Funktionen, aber wissen
noch wenig über die Komplexität der Netzwerke, die das Sozialverhalten steuern. Die funktionelle Bildgebung kann genutzt werden
um die neuralen Korrelate von Sozialverhalten zu analysieren. Zunächst wurden VR-Stimuli bei Gesunden und Patienten validiert.
Wir nahmen fMRI während der Interaktion mit Computersimulationen oder dargestellten Sozialpartnern auf und erfassten das subjektive Erleben. Korrelationen zwischen BOLD-Signal und
beobachtetem(virtuellen) Verhalten sowie der subjektiven Bewertung wurden errechnet. Virtual reality reproduziert Emotionenserkennung-Defizite bei Schizophrenie und kann auch zur Untersuchung sozialer Interaktionen genutzt werden. In virtuellen sozialen
Interaktionen wie Erfolg oder Versagen reagierten limbische Areale
(ACC, Mandelkerne, Hippocampus, …). Die subjektive Verarbeitung dieser Ereignisse scheint an höhere und neokortikale Struk­
turen, wie orbito-frontaler und rechts temporo-polarer Kortex, gebunden zu sein, letzterer z. B. scheint die negative Verarbeitung von
Versagen zu hemmen und könnte gestörtes Sozialverhalen bei
rechts-hemisphärischen Funktionsstörung miterklären.
004
Mentalisierung bei Schizophrenien – fMRT-Befunde zu unterschiedlichen Entwicklungsstadien
Martin Brüne (LWL Universitätsklinik, Psychiatrie, Bochum)
S. Özgürdal, N. Ansorge, V. Nicolas, M. Tegenthoff, G. Juckel, S. Lissek
Einleitung: Zahlreiche Studien haben belegt, dass Patienten mit
Schizophrenien Störungen der Mentalisierung, d.h., der Fähigkeit,
sich in andere Personen hinein zu versetzen, haben. Ob derartige
Defizite bereits in der Frühphase der Erkrankung bzw im Prodromalstadium vorliegen, ist bislang kaum untersucht worden.
Methode: 30 Patienten mit Schizophrenien in unterschiedlichen
Erkrankungsstadien wurden mittels eines fMRT Paradigmas zur
Mentalisierung untersucht. 10 Patienten hatten schizophrene Prodromalstadien, 10 Erstmanifestationen und 10 chronische Verläufe.
Diskussion / Ergebnisse: Die Aktivierungsmuster zwischen den
Prodromalpatienten und erstmanifestierten Patienten unterschieden sich von denen der chronischen Patienten, nicht aber unter­
einander. Die Ergebnisse legen die Schlussfolgerung nahe, dass sich
bereits im schizophrenen Prodrom Aktivierungsänderungen er­
geben, die auf eine Fehlfunktion des Mentalisierungs„moduls“
hindeuten.
002
Pathophysiologie von Sprach- und Denkstörungen bei Patienten
mit Schizophrenie
Tilo Kircher (Universität Marburg, Psychiatrie und Psychotherapie)
Die funktionelle Magnetresonanztomografie (FMRT) ist ein wichtiges Instrument zur Erforschung der neuronalen Grundlagen schizophrener Störungen. Ein Problem ist die Heterogenität der Störung in Ätiologie, Verlauf und Psychopathologie. Ein möglicher
Ansatz ist daher die Untersuchung von Patientenkollektiven mit
homogener Psychopathologie oder eine Korrelation von Verhaltendaten mit Ergebnissen aus der Bildgebung. In dem Vortrag wird ein
67
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
Samstag, 28. 11. 2009, 10.30 – 12.00 Uhr, Saal 7
HS-022 Hauptsymposium
Neurobiologische Determinanten des Langzeitverlaufs schizophrener Psychosen
Vorsitz: P. Falkai (Göttingen), T. G. Schulze (Bethesda)
001
Parameter in der Bildgebung und ihre Bedeutung für den Verlauf
Gerhard Gründer (Universität Aachen, Psychiatrie und Psychotherapie)
002
Neuropsychologische und psychopathologische Prädiktoren des
frühen Verlaufs
Michael Wagner (Universität Bonn, Psychiatrie und Psychotherapie)
I. Fromann, R. Hurlemann, A. Bechdolf, S. Ruhrmann, R. Pukrop,
J. Klosterkötter, J. Brinkmeyer, W. Wölwer, W. Gaebel, H.-J. Möller,
K. Maurer, H. Häfner, W. Maier
Prospektive Studien haben zahlreiche Risikofaktoren identifiziert,
die mit dem späteren Auftreten einer schizophrenen Psychose assoziiert sind. Genetische und umweltbezogene Ursachenfaktoren bewirken frühe kognitive, Verhaltens- und Erlebnisänderungen bei
später Erkrankenden, die im Kindesalter meist diskret und diagnostisch unspezifisch sind, in der sogenannten Prodromalphase
aber an Intensität zunehmen und sich auch qualitativ verändern
mit dem Auftreten erster positiver psychopathologischer Symptome. Nach einem kurzen Überblick über neuropsychologische und
psychopathologische Risikofaktoren in verschiedenen Altersabschnitten wird der Symposiumsbeitrag Ergebnisse aus dem Früherkennungs- und Frühinterventionsprojekt des Kompentenznetzes
Schizophrenie darstellen und die Frage diskutieren, welche individuellen Faktoren eine klinische Prädiktion des weiteren Verlaufs
ermöglichen. Im Rahmen des Kompetenznetzes Schizophrenie
wurden Rat suchende Patienten anhand psychopathologischer
Symptome klassifiziert als (hypothetisch) psychoseferne Prodrome
(die z. B. Wahrnehmungsveränderungen und Antriebsstörungen
aufweisen) bzw. psychosenahe Prodrome (z. B. bei zeitlich begrenzten halluzinatorische Erlebnissen) und mit einer neuropsycholo­
gischen Testbatterie, teilweise auch mit bildgebenden Verfahren
untersucht. Normabweichungen in diesen Verfahren sowie psychopathologische Symptome wurden in Regressionsanalysen als Prädiktoren einer späteren Erkrankung analysiert. Wie erwartet, prädiziert ist die initiale Ausprägung von positiver und auch von
desorganisierter Symptomatik (SOPS, Scale for the Assessment of
Prodromal Symptoms) ein erhöhtes Erkrankungsrisiko in den
nachfolgenden 24 Monaten. Auch neuropsychologische Beeinträchtigungen, vor allem im Bereich des Gedächtnisses, leisten einen signifikanten Beitrag zur Vorhersage, der aber nur in der Gruppe der psychosefernen Prodrome unabhängig von der Prädiktion
durch psychopathologische Merkmale ist. Klinisch ist dies insofern
bedeutsam, als die diagnostische und prognostische Unsicherheit
bei psychosefernen Prodromen hoch ist (nur etwa 10 % erkranken
inenrhalb von 24 Monaten) und durch die Hinzunahme neuropsychologischer Befunde vermindert werden kann. Neurobiologisch
lässt sich vermuten, dass eine mediotemporale Dysfunktion in der
frühen Prodromalphase zunächst noch kompensiert werden kann,
und dass der Zusammenbruch dieser funktionellen Kompensation
den nahenden Beginn psychotischen Erlebens markiert.
68
003
Strategien zur Identifikation genetischer Prädiktoren des Psychoseverlaufs (Strategies for the identification of genetic predictors of the course of psychosis)
Thomas G. Schulze (NIMH, Genetic Basis of Mood and Anxiety Disorders, Bethesda, USA)
Introduction: Research into the molecular biological basis of psychosis (schizophrenia and bipolar disorder) has reached an important point in time. Genome-wide association studies (GWAS) have
been performed, encompassing several thousands of samples,
which are analyzed jointly in meta- and megaanalyses. GWAS have
identified several novel susceptibility genes for schizophrenia (SZ)
and bipolar disorder (BD). However, variants so far identified account only for a fraction of disease liability. Thus, GWAS based on
single nu­cleotide polymorphisms (SNPs) have to be embedded in a
framework of complementary approaches, the study of candidate
genes and of other sources of variation (e. g. copy number variations) as well as of gene-environment interactions, pharmacogenetics, epi­genomics, imaging, neurobiology, and statistical modeling.
Method: One largely untraveled avenue so far is the study of longitudinal phenotypes. Until now, world-wide efforts have focused on
cross-sectional samples of categorical clinical diagnoses of
ICD-10 or DSM-IV-defined SZ or BD, although it is common clinical knowledge that patients differ widely in several aspects of the
course of their illness. These include individual patterns of relapse,
regain of functioning after an acute episode of illness, level of dis­
ability, cognitive functioning in relation to the duration of illness
among others.
Discussion / Results: A framework is presented that aims at
accommodating the aforementioned approaches.
004
Similarities and Differences Between Bipolar Disorder and
Schizophrenia with Emphasis on the Early Phases of the Illness
Michael Bauer (Uniklinikum Dresden, Klinik für Psychiatrie)
A. Pfennig
Introduction: Schizophrenia and bipolar disorder belong to the
most severe mental disorders that share many similarities, e. g. a
lifetime prevalence of about 1 %. Both disorders are associated with
a recurrent, chronic course, insufficient clinical response, and functional disability in a substantial number of patients. Furthermore,
both disorders have their typical onset early in life (>50 % of patients report their illness onset prior age of 19) and there is empirical
evidence for a long undetected early course. A lag between symptom onset and first diagnosis and treatment lasts typically several
years, therefore, a significant functional impairment renders early
identification and intervention a vital role.
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
Method: The early recognition of mental disorders is a burning issue in clinical research. This is particularly important for bipolar
disorders as they are often diagnosed only years after the onset of
the illness. In schizophrenia, development of specific rating tools in
the clinical prodrome of schizophrenia yielded encouraging results
regarding the potential to reduce pre-illness symptom manifestations and progression to full disorder. Rates of conversion from
prodromal to full psychotic states range from 15 – 40 % over 1 –
2 years. Specific interventions in people at very high risk for devel­
opment of psychosis have resulted in improvement of attenuated
psychotic symptoms and reduced conversion to psychosis. In con­
trast to schizophrenia where emerging data support the benefits of
treatment before full psychotic symptoms have emerged, there has
been relatively little research towards early clinical identification
and intervention in BPD. This general lack of such efforts can be
explained by the fact that, different from psychosis research, the
presence of a mania prodrome has not been generally accepted or
recognized having hindered the development of early symptom detection programs.
Samstag, 28. 11. 2009, 10.30 – 12.00 Uhr, Saal Prag
HS-025 Main Symposium
The second-hit hypothesis of schizophrenia: Validation through­
­out life span
Vorsitz: H. Ehrenreich (Göttingen), P. Falkai (Göttingen)
001
Prenatal stress and childhood trauma in psychosis
Inez Myin-Germeys (Universität Maastricht, Psychiatry and Psychotherapy, The Netherlands)
M. Lardinois, T. Lataster, J. van Os
Introduction: It has been suggested that influences operating early
in life may affect the risk of postpubertal psychosis outcomes. These
factors include both factors that play before and around birth, but
also stress factors in the early ages of childhood. This paper will
investigate 1) whether maternal prenatal behaviour increased the
risk of psychosis; 2) whether childhood trauma increases the risk
for psychosis; and 3) what the underlying mechanism may be.
Method: Two different data sets were used. For the first question, a
longitudinal, population-based cohort study of 963 adolescents
aged 15 – 20 years and their parents were assessed with the Munich­composite International diagnostic interview. For the second question, 270 patients with psychosis, 350 of their siblings and 200
healthy controls were assessed with the Youth Trauma Questionnaire and the PANSS (clinical symptoms) or CAPE (sub-clinical
symptoms). For the third question, a subsample of 60 patients,
60 sibings and 60 controls were assessed with a structured diary,
the Experience Sampling Method, to assess their current stressreactivity in daily life.
Discussion / Results: Stress during the pregnancy, inconven­ience
of the pregnancy and smoking during pregnancy were significantly
associated with increased levels of psychotic experiences in the offspring, independent of confounders. Childhood trauma, and specifically childhood abuse, was significantly more prevalent in the
patients with psychosis, compared to relatives and controls, who
did not differ from each other. In addition, experiences of trauma in
childhood were significantly associated with increased reactivity to
stress in adult life. Experiences early in life may shape vulnerability
for post-pubertal psychosis possibly by sensitizing people to the
stresses of normal life resulting in stronger emotional and psychotic
reactions to stress. Sensitization, both at the psychological and biological level, may thus be a central mechanism underlying the association between stress and psychosis.
002
Molecular mechanisms of decreased Reelin expression in schizophrenia
Michael Frotscher (Universität Freiburg, Abt. für Neuroanatomie,
Freiburg im Breisgau)
Introduction: Expression of the glycoprotein Reelin is significantly
decreased in schizophrenia. Reelin is important for neuronal migration and layer formation during development. Does this imply
that schizophrenia always has a developmental component? Does
Reelin deficiency during development result in malformation of the
neuronal network, eventually leading to disease?
Method: We have recently shown that blocking Reelin function in
the adult induces repositioning of fully differentiated neurons, suggesting a stabilizing effect of Reelin on mature cortical architecture.
Here, we studied a role of Reelin in stabilizing the actin cytoskeleton.
Discussion / Results: We discovered that Reelin stabilizes the actin
cytoskeleton by phosphorylating cofilin, an actin-associated protein. We hypothesize that decreased Reelin expression in the adult
brain causes destabilization of neurons and their processes, leading
to aberrant neuronal repositioning and rewiring, thus contributing
to disease. (Supported by DFG and Hertie Foundation)
003
Cannabis use and the onset of psychosis
Robin Murray (King‘s College, Institute of Psychiatry, London, UK)
There is widespread evidence that people diagnosed as having schizophrenia-like psychoses are more likely to use illicit drugs than the
populations from which they are drawn. Two types of drugs have
been particularly implicated, the amphetamines and cannabis, the
former particularly in Asia and the latter everywhere else. Cannabis
is the most widely abused illicit drug in the world, and has been
causing some concern because of a) the general increase in consumption over the last 25 years, b) increased potency of street preparations available in many countries, and c) decreasing age of first
use. Among those with established psychosis, its consumption results in a worse outcome. In addition, over the past 7 years, a series
of cohort studies have produced evidence that regular use of cannabis increases the risk of schizophrenia in a dose related manner.
Several factors have been suggested as increasing vulnerability
i) variation at the COMT locus ii) having a psychosis prone personality iii) frequent use of skunk and other high potency types. There are also some, not always confirmed, suggestions that initiating
use in early adolescence may carry more risk. This presentation will
address these issues and discuss both clinical and experimental evidence.
004
Determinants of psychotic disorders in old age
Hans Förstl (TUM, Klinikum rechts der Isar, Psychiatrie und Psychotherapie, München)
69
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
Mittwoch, 25. 11. 2009, 08.30 – 10.00 Uhr, Dachgarten
ST-001 State-of-the-Art-Symposium
Pharmacotherapy of schizophrenia
Vorsitz: D. Naber (Hamburg), W. W. Fleischhacker (Innsbruck,
Österreich)
001
Therapeutic effects
Dieter Naber (Universitätsklinikum Eppendorf, Psychiatrie und Psychotherapie, Hamburg)
002
Adverse reactions
W. Wolfgang Fleischhacker (Universitätsklinikum Innsbruck, Biolo­
gische Psychiatrie, Österreich)
Donnerstag, 26. 11. 2009, 15.30 – 17.00 Uhr, Saal 7
ST-007 State-of-the-Art-Symposium
Therapieresistente Schizophrenie
Vorsitz: J. Klosterkötter (Köln), S. Leucht (München)
001
Behandlung der therapieresistenten Schizophrenie – just the evidence-based facts
Stefan Leucht (Klinikum rechts der Isar, TU-München Psychiatrie
und Psychotherapie)
Einleitung: Therapieresistenz ist ein häufiges Phänomen der Schizophreniebehandlung. Obwohl Häufigkeitsangaben aufgrund der
unterschiedlichen verwendeten Definitionen schwierig sind, gehen
Guidelines davon aus, dass etwa 30 % der Patienten nicht genügend
auf eine initiale Behandlung ansprechen.
Methode: In diesem Kontext geht der state-of-the-art Vortrag auf
folgende Punkte ein: 1. Wie lässt sich Therapieresistenz definieren?
2. Welche Faktoren müssen ausgeschlossen werden, bevor man von
Therapieresistenz ausgehen kann? Welche Rolle spielen hierbei
Serumspiegelbestimmungen und schnelle Metabolisierer? 3. Wie
lange sollte man ein Antipsychotikum geben, bevor man von Unwirksamkeit ausgeht und die Medikation umstellt? 4. Was ist die
beste Strategie bei initialer Non-Response – Dosiserhöhung oder
Substanzwechsel? 5. Gibt es Wirksamkeitsunterschiede zwischen
den verschiedenen Antipsychotika? 6. Was ist der Stellenwert von
Clozapin? 7. Welche Evidenz gibt es für verschiedene Augmentierungsstrategien (Benzodiazepine, Mood-stabiliser, Antidepressiva,
EKT)? 8. Was ist die Datenlage über die Effektivität von Antipsychotikakombinationen und welche Kombinationen sind am ehesten geeignet?
Diskussion / Ergebnisse: Am Ende des Symposium werden die
Teilnehmer mit dem aktuellen Stand der Evidenz vertraut sein.
sprechend gehen auch alle gut fundierten Leitlinien zur Schizophrenie-Behandlung national und international auf die damit
verbundenen Schwierigkeiten ein und unterbreiten anhand der aktuellen Studienlage jeweils Evidenz-basierte Vorschläge zum Umgang mit diesem Problem. Interessanterweise wird dabei zumeist
nicht, wie man dies im Hinblick auf die typischen Verläufe der
Erkrankung vermuten könnte, auf die Langzeittherapie Bezug
genommen. Es ist vielmehr die Akuttherapie, die sowohl in den klinischen Studien als auch in den darauf gestützten Leitlinienempfehlungen im Vordergrund steht.
Methode: Zunächst werden der Begriff der Akutbehandlung sowie
das darauf bezogene Konzept der Therapieresistenz nach den geltenden Kriterien definiert. In dem sich anbietenden dreiteiligen
Stufenplan zum Umgang mit diesem Problem geht es im ersten
Schritt darum, echte Therapieresistenz erst einmal festzustellen.
Das setzt die Identifikation und anschließend auch Beherrschung
möglicher kontaminierender Faktoren wie mangelnde Compliance,
fehlerhafte Diagnostik, störende Komorbidität, nicht tragfähige
Therapiebündnisse u. a. voraus. Im nächsten Schritt steht bei Kri­
terien-gerecht festgestellter Therapieresistenz der Einsatz von Clo­
zapin in ausreichender Dosierung und über genügend lange Zeiträume im Mittelpunkt. Versagen die durch die heutige Studienlage
noch gut fundierten Maßnahmen der zweiten Stufe, kann man im
dritten Schritt nur noch auf sehr viel weniger Evidenz-basierte
Strategien zurückgreifen. Die auf dieser Stufe in Betracht kommenden Kombinationstherapien werden in kritischer Bewertung detailliert präsentiert.
Diskussion / Ergebnisse: Insgesamt zeigt sich, dass Therapieresi­
stenz auch unter den heutigen Behandlungsbedingungen weiterhin
häufig vorkommt und noch viel gravierender ins Gewicht fallen
würde, wenn man nicht nur psychotische Symptome, sondern auch
Negativsymptomatik, kognitive und soziale Funktionseinbußen in
das Konzept mit aufnähme. Auch die Ergänzung des Zielkriteriums
Symptom-Remission durch „recovery“ würde uns die Problemlage
noch ungleich schärfer vor Augen führen. Gleichwohl besteht kein
Anlass zu therapeutischem Nihilismus, weil sich das Ausmaß der
Resistenzproblematik sicherlich schon alleine durch eine sorgfäl­
tige und vor allem Individuums-zentrierte Handhabung solcher
Stufenpläne reduzieren ließe.
Donnerstag, 26. 11. 2009, 15.30 – 17.00 Uhr, Raum 43
S-067 Symposium
The relationship between the different psychomotor symptoms
in schizophrenia
Vorsitz: B. Sabbe (Wilrijk, Belgien), M. Morrens (Wilrijk, Belgien)
001
The relationship between the different psychomotor symptom
clusters in schizophrenia
Manuel Morrens (CAPRI, Wilrijk, Belgien)
002
Definition, Ursachen und Überwindungsstrategien der Therapieresistenz
002
Psychomotor slowing and motor fluency deficits in schizophrenia:
A common problem in the allocation of attention for motor planning
Joachim Klosterkötter (Universität zu Köln, Psychiatrie und Psychotherapie)
Einleitung: Resistenz gegenüber den uns heute zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten stellt gerade bei schizophrenen
Störungen weiterhin eine gewichtige Problematik dar. Dement-
Yvonne Delevoye-Turrell (Univ. Lille Nord de France, Laboratoire
URECA, Frankreich)
Introduction: Psychomotor slowing (PS) is a cluster of symptoms
that was already recognized in schizophrenia at the beginning of
the 20th century. Nevertheless, few studies have been dedicated to
70
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
the clarification of the nature and the functional origins of the phenomenon. AIM: Test the hypothesis that PS in schizophrenic patients is correlated to the degree of fluency deficits in motor sequencing in patients with schizophrenia. These motor impairments were
then contrasted to the patients‘ capacity to allocate endogenous attention for the creation of a vivid representation of motor goals.
Method: The Symbol Digit Substitution Test (SDST) was used as an
indicator of PS. Motor fluency was measured in a sequential tapping task using a tactile screen (ELoTouch). Here, the subjects‘ task
was to tap a series of 6 visual targets (placed around a circle) in
rhythm with an alternating (350 / 650ms) rhythmic pattern. Following Gestalt rules, grey lines were used to group the visual targets
two by two, except for the neutral condition for which no lines were
presented. Visual grouping could be congruent or not to the auditory grouping.
Discussion / Results: PS and motor fluency (tap duration) were
correlated in both groups. Performance level in the tapping task
was similar in controls and patients in the neutral condition only.
Controls revealed an increase in performance on congruent trials
and a decrease on non-congruent trials. Patients revealed similar
levels of performance throughout. Conclusion: Results suggest that
schizophrenia is not associated to a simple deficit in processing
speed or in producing single independent actions as in neutral conditions, performance levels were normalised. Nevertheless, results
suggest a planning deficit for actions that require vivid motor representations for fluent control. This may be associated to a dysfunctional mechanism for the endogenous allocation of attention for
motor planning.
003
Action monitoring in depression
Didier Schrijvers (CAPRI, Wilrijk, Belgien)
W. Hulstijn, B. Sabbe
Major depressive disorder (MDD) is characterized by disturbances
of mood and affect, but also by a distinct pattern of psychomotor
and cognitive deficits such as motor retardation and impaired executive functioning. An important aspect of executive functioning is
action or performance monitoring, i. e. a cognitive control process
that involves the continuous evaluation and adjustment of ongoing
actions. A well-known marker for action monitoring is the errornegativity (Ne) or error-related negativity (ERN), an event-related
potential component generated in the anterior cingulate cortex
following erroneous responses. We conducted two experimental
studies in which the integrity of the action monitoring process was
investigated in MDD. The Ne / ERN was measured in a large sample
of severely depressed patients using a speeded two-choice reaction
task and compared with a sample of healthy controls. In the first
study, the Ne / ERN was measured during the early stages of a depressive episode. In addition, it was investigated whether there is a
relationship between this action monitoring and the psychomotor
performance (measured by means of a computerized copying-task
method) in MDD. In the second study, the impact of depressive
symptom reduction on the Ne / ERN was explored, by measuring
the Ne / ERN during the early stages of a depressive episode and
again after 7 weeks of treatment. The findings of both studies will
be presented, discussed and compared with other studies in this
research domain. References: D. Schrijvers, ERA. De Bruijn, Y.
Maas, C. De Grave, BGC. Sabbe, W. Hulstijn (2008). Action Monitoring in Major Depressive Disorder with Psychomotor Retardation. Cortex, 44, 569-579. D. Schrijvers, ERA. De Bruijn, Y. Maas, P.
Vancoillie, W. Hulstijn, BGC. Sabbe (2009). Action monitoring and
depressive symptom reduction in major depressive disorder. International Journal of Psychophysiology, 71, 218-224.
004
A social neuroscience perspective on action monitoring and its implications for cognitive neuropsychiatry
Ellen Debruijn (CAPRI, Wilrijk, Belgien)
Donnerstag, 26. 11. 2009, 17.15 – 18.45 Uhr, Salon 21
S-088 Symposium
Mikro- und makrostrukturelle zerebrale Anomalien bei schizophrenen Patienten
Vorsitz: T. Nickl-Jockschat (Aachen), O. Gruber (Göttingen)
001
Funktionell-bildgebende Untersuchungen zur DyskonnektivitätsHypothese der Schizophrenie
Oliver Gruber (Universitätsklinikum Göttingen, Klinik für Psychia­
trie)
Einleitung: Die Dyskonnektivitäts-Hypothese ist eine der zentralen Modellvorstellungen zur Pathophysiologie der Schizophrenie.
Neben möglichen strukturellen Veränderungen in der Integrität
der weißen Substanz stellen Störungen der Dynamik von funktionellen Interaktionen zwischen Hirnregionen eine zweite mögliche
Ursache für eine gestörte zerebrale Konnektivität bei der Schizophrenie dar.
Methode: In den letzten Jahren wurden verschiedenste Methoden
zur Analyse von funktioneller bzw. effektiver Konnektivität im
Rahmen funktionell-bildgebender Studien des Gehirns eingesetzt.
Hierzu gehören u. a. Pfadanalysen mittels Strukturgleichungsmodellen, Analysen psychophysiologischer Interaktionen sowie lineares und nicht-lineares dynamisch-kausales Modellieren.
Diskussion / Ergebnisse: Die Resultate solcher Studien bei schizophrenen Patienten stellen sich aktuell noch eher heterogen dar, wofür u. a. die Abhängigkeit der Ergebnisse von der Auswahl der experimentellen Interventionen (Aktivierungsaufgaben) verantwortlich
sein dürfte. Es ergaben sich beispielsweise Hinweise auf eine gesteigerte Konnektivität zwischen Thalamus und präfrontalem Kortex
sowie auf eine verminderte Konnektivität zwischen präfrontalem
Kortex und Cerebellum. Andere Resultate können wiederum im
Sinne gestörter Interaktionen zwischen präfrontalen und temporalen Arealen gedeutet werden. Trotz der Heterogenität der Befunde
eröffnen diese kognitiv-neurowissenschaftlichen Methoden erfolgversprechende Perspektiven für die Erforschung der neurobiologischen Grundlagen schizophrener Psychosen.
002
Der Einsatz von cytoarchitektonischen Wahrscheinlichkeitskarten
und DTI in der Schizophrenie-Forschung
Thomas Nickl-Jockschat (Universitätsklinikum Aachen, Klinik für
Psychiatrie)
Einleitung: Strukturelle kernspintomographische (sMRI) Forschungsansätze konnten in der Vergangenheit zahlreiche wichtige
Beiträge auf dem Gebiet der Schizophrenie-Forschung leisten. Vorzüge von sMRI-Studien gegenüber etwa histopathologischen Untersuchungen sind z. B. die Möglichkeiten zur Durchführung pro­
spektiver und longitudinaler Studien, die wichtige Einblicke in die
Dynamik hirnstruktureller Veränderungen im Krankheitsverlauf
bieten können. Allerdings erlaubt die begrenzte Auflösung konventioneller sMRI-Verfahren ohne Anwendung spezieller Methoden
nur sehr begrenzt Rückschlüsse auf die den gemessenen grobmorphologischen Anomalien zugrunde liegenden mikrostrukturellen
Pathologien.
71
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
Methode: Im Rahmen dieses Vortrages sollen zwei Methoden
vorge­stellt werden, die eine Integration mikro- und makrostruktureller Untersuchungen im Bereich der Schizophrenie-Forschung
ermöglichen können. Cytoarchitektonische Wahrscheinlichkeitskarten ermöglichen die anatomische Zuordnung eines bestimmten
Voxels zu dem cytoarchitektonischen Areal, dem dieser am wahrscheinlichsten zugehört. Entsprechend können so innerhalb der
grauen Substanz makroskopische Daten, wie sie etwa im Rahmen
von sMRI-Studien gewonnen werden, histologisch definierten Area­
len zugeordnet werden. Demgegenüber ermöglicht die Technik der
Diffusions-Tensor-Bildgebung (DTI) die Darstellung von Faserbahnen der weißen Substanz.
Diskussion / Ergebnisse: Diese Methoden und ihr Einsatz in der
Schizophrenie-Forschung werden anhand von Ergebnissen einer
Metaanalyse, sowie einer Genomic-Imaging-Studie im Rahmen
dieses Vortrags vorgestellt.
003
Stereologische Untersuchungen am Hippocampus bei Schizophrenie-Patienten
Andrea Schmitt (Universitätsklinikum Göttingen, Klinik für Psychiatrie)
C. Steyskal, H.-G. Bernstein, C. Schmitz, B. Bogerts, P. Falkai
Einleitung: Strukturelle Magnet-Resonanz-Tomographie Untersuchungen und post-mortem Studien zeigen einen Volumenverlust
des Hippocampus, besonders des posterioren Teils, von bei Patienten mit Schizophrenie. Dies ist einer der am besten replizierten Befunde, die zugrundeliegenden Ursachen sind jedoch unklar und
könnten mit Veränderungen zellulärer Subfraktionen zusammenhängen.
Methode: Um dies näher zu untersuchen, führten wir eine stereologische post-mortem Studie des posterioren Hippocampus bei
10 schizophrenen Patienten und 10 gesunden Kontrollprobanden
durch. Dabei wurde neben dem Gesamt-Volumen auch die Zellzahl von Neuronen, Oligodendroglia und Astroglia in den Subfeldern des Cornu Ammonis (CA) 1,2-3, 4 und Subiculum ermittelt.
Dabei bedienten wir uns eines Stereologie-Equipments und systematischer Untersuchung von 20 µm dicken, Cresyl-Violett gefärbten Gesamthirnschnitten mit einem Abstand von 1 mm.
Diskussion / Ergebnisse: Schizophrene Patienten zeigten eine signifikante Abnahme der Anzahl der Oligodendrozyten in CA4 beidseits, während die absolute Anzahl von Neuronen und Astrozyten
nicht verändert war. Die Anzahl der Astrozyten korrelierte mit dem
Alter in beiden Gruppen. Unsere Ergebnisse stützen die Hypothese
einer gestörten Makrokonnektivität in einem Subfeld des Hippocampus, das Verbindungen von granulären Zellen des Gyrus dentatus erhält. Weitere Abnahmen der Anzahl an Oligodendrozyten
wurden in anderen Studien im präfrontalen Cortex schizophrener
Patienten gefunden und weisen zusammen mit Genexpressions­
befunden auf ein Defizit der Myelinisierung von Neuronen hin.
Weitere Studien im anterioren Hippocampus werden derzeit durch­
geführt und können die Befundlage ergänzen.
004
Störungen des Glutamatsystems im Verlauf der schizophrenen
Erkrankungen
Jürgen Gallinat (Charité Campus Mitte, Klinik für Psychiatrie, Berlin)
F. Schubert
Die Glutamathypothese ist ein wichtiger Erklärungsrahmen für das
Entstehen schizophrener Psychopathologie sowie funktioneller
und struktureller zerebraler Störungen bei dieser Erkrankung. Der
Vortrag charakterisiert die Störungen des Glutamatsystems im Verlauf der schizophrenen Psychose, die Beeinflussung durch psychotrope Medikation sowie die Rolle verschiedener Kandidatengene
der Schizophrenie.
72
Freitag, 27. 11. 2009, 08.30 – 10.00 Uhr, Saal 6
S-094 Symposium
Früherkennung von Psychosen im Kindes- und Jugendalter:
Möglichkeiten und Grenzen der Erfassung subjektiver Defizite
Vorsitz: J. Klosterkötter (Köln), F. Resch (Heidelberg)
001
Das Schizophrenia Proneness Instrument, Child and Youth version
(SPI-CY)
Frauke Schultze-Lutter (Universitäre Psychiatrische, Dienste Bern
Kinder- und Jugendpsychiatrie)
E. Koch, F. Resch
Einleitung: Bemühungen um eine Prävention von Psychosen machen aufgrund des frühen Erkrankungsgipfels einen Einbezug von
Adoleszenten unumgänglich; dies umso mehr, als dass erste Ergebnisse darauf hinweisen, dass der vermeintlich negativere Verlauf
von ‚early-onset’-Psychosen möglicherweise durch eine längere
Dauer der unbehandelten Psychose vermittelt ist. Darüber hinaus
gaben erste Studien der ‚ultra-high risk’-Kriterien in adoleszenten
Stichproben Hinweise auf Besonderheiten in dieser Altersgruppe.
Derzeit existieren aber weder Risikokriterien, die um eine Berücksichtigung alters- bzw. entwicklungsbezogener Aspekte in der
Früherkennung bemüht sind, noch war bisher ein spezifisches In­
strument für die Früherkennung von Psychosen im Kindes- und
Jugendalter entwickelt worden.
Methode: Dabei ist für die bisher zur Erfassung von UHR-Kriterien vorgeschlagenen Instrumente eine Überprüfung ihrer Tauglichkeit in adoleszenten Stichproben problematisch, da ihre Entwicklung vorrangig konzeptionell geleitet war und sie nicht auf der
Grundlage von empirischen Daten generiert wurden. Eine Ausnahme repräsentiert das Schizophrenia Proneness Instrument, Adult
version (SPI-A), dessen Subskalen bzw. Dimensionen auf der
Grundlage von Längs- und Querschnittsdaten von adulten Stichproben generiert und validiert wurden.
Diskussion / Ergebnisse: Eine entsprechende Überprüfung der Dimensionen der SPI-A anhand von Querschnittdaten von Kindern
und Jugendlichen mit Schizophrenie (N=32) und anderen nichtpsychotischen Erkrankungen diesen Alters (N=76) hatte jedoch
keine Replikation der dimensionalen Struktur und mit sinkendem
Alter deutlich signifikante Alterseffekte in logistischen Regressions­
analysen ergeben. Daher ist in methodisch gleicher Weise wie bei
der SPI-A eine 54 Items in vier Subskalenumfassende empirisch
basierte Kinder- und Jugendversion mit Hilfe der Faceted Smallest
Space Analysis konstruiert worden, die den Besonderheiten in dieser Altersgruppe Rechnung tragen soll. Des Weiteren sprach für die
Entwicklung eines eigenständigen Instrumentes für Kinder und Jugendliche die Tatsache, dass im Kindes- und Jugendalter die differentialdiagnostische Symptomabgrenzung gegenüber oftmals ganz
anderen Syndromen und Krankheitsbildern als bei Erwachsenen
erfolgen muss. Darüber hinaus ergab sich für jüngere Kinder der
Wunsch nach der Möglichkeit einer Integration von Elternin­
formationen, zumindest soweit dies bei der jeweiligen Symptom­
definition sinnvoll erscheint.
002
Identifizierung von adoleszenten Risikogruppen für psychotische
Merkmale: Erste Anwendungserfahrungen mit der SPI-CY
Petra Walger (Universität zu Köln, Kinder- und Jugendpsychiatrie)
F. Schultze-Lutter
Einleitung: Basissymptome werden als eine Alternative oder Addition zu UHR Kriterien in der Früherkennung schizophrener Psychosen im Erwachsenen- und Jugendlichenalter betrachtet. Erste
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
Studien zeigten bei jugendlichen Probanden mit der Bonn Scale for
the Assessment of Basic Symptoms (BSABS) Unterschiede in der
dimensionalen Struktur und Anzahl von Basissymptomen im
Jugendalter unter 16 Jahren. Deshalb ist ein eigenes Instrument,
das Schizophrenia Proneness Instrument – Child & Youth version
(SPI-CY) entwickelt und in einer klinischen Stichprobe evaluiert
worden.
Methode: 20 nach Alter und Geschlecht gematchte Jugendliche mit
psychosenahen Symptomen (at-risk) wurden mit der SPI-CY und
SIPS untersucht (mean age 15.9; SD=1.5 yrs., 61 % male) und mit
21 stationär behandelten Patienten mit einer nichtpsychotischen
Störung und 20 gesunden Schülern verglichen. 65 % der at-risk
Gruppe erfüllten die Kriterien von attenuierten psychotischen
Symptomen, 5 % berichteten über kurze intermittierende psycho­
tische Symptome, 70 % von kognitiv-perzeptiven Symptomen und
20 % kognitiven Störungen. 10 % erfüllten ultra-high risk Kriterien
und andere Kriterien.
Diskussion / Ergebnisse: Die drei Gruppen unterschieden sich signifikant auf allen Subskalen der SPI-CY und SIPS (Kruskal-Wallis,
df=2, p ≤.001). Post-hoc Paarvergleiche zeigten hoch signifikant
niedrigere Werte von Schülern auf allen Subskalen verglichen mit
beiden klinischen Gruppen (Mann-Whitney, p ≤.008), Vergleiche
der zwei klinischen Gruppe zeigten, dass nur die positiven Krite­
rien der SIPS, aber aller SPI-CY Subskalen bedeutsam höhere Werte in der at-risk Gruppe (Mann-Whitney, p ≤.004) erreichten. Diskussion: Die SPI-CY ist ein hilfreiches Instrument zur Erkennung
und Einschätzung spezifischer Auffälligkeiten aus dem Spektrum
psychotischer Störungen. Es wird sehr gut von den Jugendlichen
angenommen und muss im Weiteren auf die prädiktive Stärke aller
Subskalen (Adynamia, Wahrnehmungsveränderungen, Neurotizismus, Denk- und Handlungsstörungen) in verschiedenen Altersgruppen in Längsschnittstudien untersucht werden.
003
Basissymptome bei ‚Early Onset‘-Psychosen
Eginhard Koch (Universität Heidelberg, Kinder- und Jugendpsychia­
trie)
004
Prävalenz von Basissymptomen in einer gesunden Adoleszentenstichprobe
Benno Graf Schimmelmann (Bern, Schweiz)
H. Meng, F. Resch, E. Koch
Einleitung: Kognitiv-perzeptive ‚Basissymptome‘ werden zunehmend komplementär zu den ‚Ultra-High-Risk‘ Kriterien zur Prädiktion von Psychosen in der prä-psychotischen Phase eingesetzt.
Ziel der präsentierten Studie war die Erfassung der Prävalenz von
Basissymptomen in einer repräsentativen Stichprobe Adoleszenter
aus der Normalbevölkerung (N=96) sowie in Adoleszenten mit
Psychosen (N=87) und nicht-psychotischen psychiatrischen Erkrankungen (N=137)
Methode: Die Bonner Skala zur Beurteilung von Basissymptomen
(BSABS) kam hierfür zum Einsatz. Die drei Gruppen wurden verglichen hinsichtlich der Prävalenz von mindestens einem Basissymptom und der mittleren Anzahl von Basissymptomen in den
BSABS-Kategorien. Die prädiktive Stärke von BSABS-Subskalen
für die Gruppenzugehörigkeit wurde mittels logistischen Regres­
sionsanalysen überprüft sowie Risk Ratios einzelner Basissymp­
tome zur Diskriminierung der Gruppen berechnet.
Diskussion / Ergebnisse: Mindestens ein Basissymptom fand sich
in 30.2 % der Normalpopulation, 81 % der nicht-psychotischen psy­
chiatrischen und 96.5 % der psychotischen Jugendlichen. BSABSSubskalen diskriminierten gut zwischen psychiatrischen (psychotisch und nicht-psychotischen) und nicht-klinischen Jugendlichen
sowie zwischen psychotischen und nicht-psychotischen psychiatri-
schen Jugendlichen. Auf Einzelsymptomebene diskriminierten dabei einzelne kognitive Basissymptome die Gruppen am besten und
werden daher für prospektive Früherkennungsstudien an Jugend­
lichen empfohlen.
Freitag, 27. 11. 2009, 08.30 – 10.00 Uhr, Raum 43
S-104 Symposium
Early indicators of a favourable treatment course in schizo­
phrenia: Recent results from the German Research Network on
Schizo­phrenia
Vorsitz: W. Gaebel (Düsseldorf), H.-J. Möller (München)
001
Response in acute treatment in first-episode schizophrenia and
early indicators
Michael Riedel (Ludwig-Maximilians-Universität, Psychiatrie und
Psychotherapie, München)
R. Schennach-Wolff, A. Mayr, F. Seemüller, M. Jäger, H.-J. Möller
Introduction: Aim was to evaluate response and its early indicators
in acute treatment in patients suffering from first-episode schizophrenia treated with risperidone or haloperidol.
Method: 229 first-episode schizophrenia patients were examined
within a double-blind controlled 8-weeks trial of the German Study
Group on first-episode schizophrenia with biweekly PANSS ratings.
At discharge response was defined according to the definition by
Lieberman et al. in 2003 (PANSS score of ≤3 in PANSS items 1 – 3,
5,6; a 30 % reduction in the PANSS total score from admission to
discharge, CGI severity score of ≤4); early response was defined as
a 20 % reduction at week 2. Sociodemographic, psychopathological
and functional variables as well as the treatment applied were eval­
uated regarding their potential predictive validity for acute treatment response. Univariate tests, logistic regression and CART-analyses were consulted as statistical methods.
Discussion / Results: At discharge, 126 patients (55 %) were treatment responder, 103 (45 %) did not fulfil response criteria with no
significant differences between the risperidone (51 %) and halo­
peridol (49 %) treated patients. Patients with response scored significantly lower on the baseline Hamilton-Depression-Scale (HAMD)
and achieved early response criteria significantly more often. Early
treatment response, a lower PANSS positive and global subscore
and a lower HAMD total score at admission, furthermore better
functioning at admission as well as a shorter duration of untreated
psychosis were revealed to be significant predictors for response in
acute treatment. The significant influence of early response regarding subsequent outcome is highlighted. Depressive symptoms did
not differ between patients treated with risperidone or haloperidol
and should be radically treated as they were among the strongest
influencing factors of acute treatment response. This study was perfromed within the German Research Network on Schizophrenia.
002
Remission in long-term treatment in first-episode schizophrenia
and early indicators
Mathias Riesbeck (Heinrich-Heine Universität, Psychiatrie und Psychotherapie, Düsseldorf)
Introduction: Treatment response and symptom decline is frequent in the acute treatment of the first episode in schizophrenia.
One major aim in the subsequent long-term phase including main­
tained drug treatment is further symptom reduction preferably up
to a complete symptom remission. Based on standardized remissi-
73
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
on criteria recently established by an international working group
(Andreasen et al. 2005) data on frequency of remission in firstepisode schizophrenia will be provided. In addition, predictors for
remission already at the beginning of the long-term treatment will
be identified.
Method: A prospective randomized controlled trial on different
long-term treatment strategies in first-episode patients was conducted within the German Research Network on Schizophrenia
(GRNS). After the acute phase the randomly assigned drug treatment with risperidone or low-dose haloperidol was maintained for
a further 12 months. Rates of Remission according to the standard­
ized remission criteria were assessed. Based on logistic and Coxregression analysis predictors for remission were identified.
Discussion / Results: Complete remission (including a 6 month
time criterion) was observable in (only) about 40 %, mainly due to
a very high drop-out rate in the first post acute year. Accordingly,
complete symptom remission over a shorter period of at least
4 weeks occurred in about 70 %. Identified predictors for remission
include in particularly a favorable treatment response in the pre­
ceding acute treatment and different treatment characteristics
(compliance, participation in a trial with psychological interventions). First episode patients continuing effective drug treatment of
the acute phase are likely to reach complete symptom remission.
On the other side, non-adherence is a major obstacle for accom­
plishing a favorable illness course.
004
Pharmacogenetic indicators for treatment outcome in schizophrenia
Rainald Mössner (Rhein.Friedrich-Wilhelms-Univ., Psychiatrie und
Psychotherapie, Bonn)
Introduction: Elucidation of the factors determining the clinical
response to antipsychotics is of great interest.
Method: We show in two independent schizophrenia patient
samples that serotonin receptors have a pharmacogenetic role. We
found an influence of the functional C-1019G variant of the
5-HT1A receptor on the response of negative schizophrenia symptoms to atypical antipsychotics. Taken together, our study, a study
by Reynolds et al. (Am J Psychiatry 2006), and a risperidone study
from China (Wang et al., J Psychopharmacol 2008) provide ex­
cellent evidence for the importance of the C-1019G variant in the
antipsychotic treatment response in four independent patient samples.
Discussion / Results: Our robust findings may thus aid the design
of tailor-made drug regimens in the future with the long-term aim
of a rational pharmacogenetic drug therapy of schizophrenia.
Freitag, 27. 11. 2009, 17.15 – 18.45 Uhr, Saal Riga
S-125 Symposium
003
Definition and prediction of functional treatment outcome
Rebecca Schennach-Wolff (Ludwig-Maximilians-Universität, Psychia­
trie und Psychotherapie, München)
M. Jäger, F. Seemüller, M. Obermeier, H.-J. Möller, M. Riedel
Introduction: To assess criteria and to identify predictive factors
for functional outcome. The criteria should cover all domains proposed by the Remission in Schizophrenia Working Group.
Method: PANSS-ratings were used to evaluate the symptomatic
treatment outcome of 262 inpatients with schizophrenia spectrum
disorders within a naturalistic multicenter trial. Functional remis­
sion was defined as a GAF score >61 (Global Assessment of Functioning Scale), SOFAS score >61 (Social and Occupational Func­
tioning Scale) and a SF-36 mental health subscore >40 (Medical
Outcomes Study-Short Form Health Survey). Multivariate logistic
regression and CART analyses were used to determine valid clinical
and sociodemographic predictors.
Discussion / Results: In total, 52 patients (20 %) fulfilled the criteria for functional remission, 125 patients (48 %) achieved symptomatic remission and when criteria for functional and symptomatic
remission were combined 33 patients (13 %) achieved complete remission. Younger age, employment, a shorter duration of illness, a
shorter length of current episode, less suicidality, and a lower
PANSS negative and global subscore at admission were predictive
for functional remission. The regression model showed a predictive
value of more than 80 %. A significant association was found between functional and symptomatic remission, indicating reasonable
validity of the proposed definition for functional outcome. The revealed predictors for functional treatment outcome emphasize the
need for psychosocial and vocational rehabilitation in schizophrenic patients. This study was performed within the German Research
Network on Schizophrenia.
74
Neuroimaging of early psychosis: From basic science to clinical
applications
Vorsitz: N. Koutsouleris (München), S. Borgwardt (Basel)
001
Longitudinal trajectory of cortical folding and thickness in subjects at high-risk of psychosis due to familial reasons: Relations to
cognitive, behavioural and clinical outcome
Bill Moorhead (Edinburgh, Kennedy Tower, UK)
H. C. Whalley, A. M. McIntosh, D. G. Owens, E. C. Johnstone, S. Lawrie
Introduction: The aim of this study is to examine the volumetric
changes over time in the frontal and temporal lobes of 162 High
Risk (HR) adults with a family history of schizophrenia, and
36 healthy controls (HC) with no family history of psychosis. The
study lasted 8 years with five sMRI scans taken at 2 yearly intervals.
At first scan the HR were aged 21.2 (2.9) years and the HC were
aged 21.4 (3.7) years. During the study 17 HR subjects developed
schizophrenia and all HC remained well.
Method: We have developed accurate and repeatable machine methods that detect the subtle changes in brain structure that occur
during early adult-life. Using these methods we report differences
in lobar volumes overtime in comparisons of HC subjects with HR
subjects and in comparisons of HR who remain well (HRW) with
those who subsequently become ill (HRI).
Discussion / Results: Comparisons of region of interest (ROI) hand
tracing and machine methods for pre-frontal and temporal lobes
gave ICC >0.84. Comparisons of volumes between time points
using the machine methods for pre-frontal and temporal lobes gave
ICC >0.97. The Mixed Model found a significant Group*Time interaction for left and right temporal lobes, with greater reductions
in the high risk subjects compared to controls. We also found a significant Group*Time interaction for HRW versus HRI, with greater
reductions in the left and right pre-frontal lobes of high risk subjects who subsequently became unwell. Conclusion Our results
indicate that subjects with increased genetic risk of developing
schizophrenia exhibit over time neuro-developmental differences
which are not found in subjects who are not at risk. Our results also
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
indicate that within the at-risk group those who go on to develop
schizophrenia exhibit prior to onset of illness neuro-developmental
changes not evident in the at-risk subjects who remain well.
002
Radiological and gray matter abnormalities in individuals at highrisk of psychosis ­– cross-sectional and longitudinal results
Stefan Borgwardt (Universitätsspital Basel, Psychiatrische Poliklinik,
Schweiz)
003
Multivariate neurodiagnostic procedures may facilitate the early
recognition of the at-risk mental state of psychosis and predict an
ultimate disease transition
Nikolaos Koutsouleris (Psychiatrische Klinik, LMU, München)
Introduction: Biological markers of the at-risk mental state for
psychosis (ARMS) are crucial for early recognition and therapeutic
intervention in ultra-high risk individuals. In this regard, previous
studies showed that the ARMS is associated with subtle neuroanatomical abnormalities found in similar brain regions as in the established disorder. We employed multivariate analysis techniques in
order to investigate whether different ARMS for psychosis and their
clinical outcomes could be reliably diagnosed on the individual
level based on structural brain alterations.
Method: First, a multivariate, multi-group support-vector machine
(SVM) classification analysis was performed on the structural mag­
netic resonance imaging (MRI) data of individuals in early (n=24),
late (n=27) ARMS of psychosis and healthy controls (HC, n=25).
Then, the method’s ability in predicting subsequent transitions to
psychosis based on the baseline MRI data was evaluated in a subgroup of the ARMS population with available clinical follow-up
information (transitions: n=16, non-transitions: n=18) compared
to HC (n=17). The specificity, sensitivity, accuracy, significance and
generalizability of the methodology were evaluated by means of
permutation analysis and five-fold cross-validation.
Discussion / Results: The 3-group, cross-validated classification accuracies of the first analysis were 86 % (HC vs the rest), 91 % (early
at-risk individuals vs the rest), and 86 % (late at-risk individuals vs
the rest). The accuracies in the second analysis were 90 % (HC vs
the rest), 88 % (individuals with transition vs the rest), and 86 %
(individuals without transition vs the rest). These findings suggest
that different ARMS and their clinical outcomes may be reliably
identified on an individual basis by assessing patterns of wholebrain neuroanatomical abnormalities.
004
Abnormal prefrontal activation is directly related to pre-synaptic
striatal dopamine dysfunction in people at clinical risk for psychosis
Paolo Fusar-Poli (Insitute of Psychiatry, London)
The pathophysiology of schizophrenia is incompletely understood,
but two of the most robust abnormalities are elevated striatal dopamine activity and prefrontal cortical dysfunction. To investigate the
relationship between these abnormalities in the prodromal phase of
the illness, we combined functional Magnetic Resonance Imaging
and 18F-Dopa Positron Emission Tomography. When performing
a verbal fluency task, subjects with an At Risk Mental State showed
greater activation in the inferior frontal cortex than controls. Striatal dopamine function was greater in the At Risk group than in controls. Within the At Risk group, but not the control group, there was
a direct correlation between the degree of left inferior frontal activation and the level of striatal dopamine function. The key finding
from the present study is that in individuals at very high risk of
schizophrenia, altered prefrontal activation during a task of executive function was directly related to striatal hyperdopaminergia.
This provides in vivo evidence of a link between dopamine dys-
function and the perturbed prefrontal function which may underlie
the deficits in executive processing evident in people with prodromal symptoms of psychosis. These abnormalities reflect an in­
creased vulnerability to psychosis and predate the first episode of
frank psychosis.
Samstag, 28. 11. 2009, 08.30 – 10.00 Uhr, Saal 2
S-139 Symposium
Der Übergang vom Prodrom zur Psychose: Risiko- und Schutz­
faktoren
Vorsitz: J. Klosterkötter (Köln), W. Maier (Bonn)
001
Persönlichkeitsfaktoren und psychopathologische Frühsymptome
Frauke Schultze-Lutter (Universitäre Psychiatrische, Dienste Bern
Kinder- und Jugendpsychiatrie)
K. Winkler, J. Klosterkötter, S. Ruhrmann
Introduction: Schizophrenie-Spektrums-Störungen – Cluster A-­Per­
sön­lichkeitsstörungen (PS) nach DSM-IV und insbesondere die
schizotypische PS – fanden sich gehäuft bei Personen mit einem
erhöhten symptomatisch definierten Risiko für die Entwicklung
einer ersten psychotischen Episode. Dies überrascht zunächst aufgrund des phänomenologischen Überschneidungsbereichs ins­
besondere der attenuierten psychotischen Symptome (APS) der
‚ultra-high risk’-Kriterien mit Kriterien zur Diagnose der schizo­
typischen PS nicht.
Methode: Zur Klärung, ob Persönlichkeitsakzentuierungen (PA)
oder auch PS geeignet sein können, zwischen klinisch definierten
Risikopersonen mit (N=50) und ohne zwischenzeitlichen Übergang in eine Psychose (N=50) zu unterscheiden, wurden diese anhand einer Selbstbeurteilungsskala für PS verglichen. Die Gruppen
waren hinsichtlich ihrer Risikokriterien (psychosefernes und psychosenahes Prodrom) sowie Geschlecht und Alter parallelisiert.
Diskussion / Ergebnisse: Insgesamt berichteten Personen mit späterer Entwicklung einer Psychose tendenziell mehr PS und ausgeprägtere PA. Hinsichtlich der insgesamt seltenen PS wurde nur die
depressive subaffektive PS nach DSM-IV signifikant; sie fand sich
bei 58 % der Patienten mit und 34 % derer ohne Psychoseentwicklung. Zudem zeigte sich ein Trend für eine häufigeres Auftreten
mindestens einer Cluster-A-PS in den ‚echten Prodromen’ (20 % vs.
8 %). Ein Vergleich der PA zeigte entsprechend signifikant höhere
Ausprägungen der Personen mit Übergang auf der depressiven und
Cluster-A sowie der schizoiden Dimension und zudem einen stati­
stischen Trend für die schizotypische und asthenische Dimension.
Eine weitere Betrachtung der PA ergab, dass dabei ausschließlich
die schizoide PA als möglicher Prädiktor einer Psychoseentwicklung bei Risikopersonen in Frage zu kommen scheint. Die in der
ausgeprägteren Selbsteinschätzung der Personen mit Psychoseentwicklung im Beobachtungszeitraum auf der schizoiden Dimension
zutrage tretende schlechtere soziale Einbindung wird gestützt von
Befunden der genetischen Hochrisikoforschung zu bereits prämorbid bestehenden sozialen Defiziten bei Kindern mit schizophrenem
Elternteil und unterstreicht auch noch einmal den Stellenwert einer
guten sozialen Einbindung als potentiellen Schutzfaktor.
75
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
002
Neuropsychologische Risiko- und Schutzfaktoren
Michael Wagner (Universität Bonn, Psychiatrie und Psychotherapie)
I. Fromann, A. Bechdolf, S. Ruhrmann, R. Pukrop, J. Klosterkötter,
W. Gaebel, W. Wölwer, J. Gaebel, H.-J. Möller, K. Maurer, H. Häfner,
W. Maier
Leistungseinschränkungen in Ausbildung und Beruf, Depressivität
und abgeschwächte Positivsymptome gehen häufig der ersten akuten Phase einer schizophrenen Psychose voraus. Prospektive Untersuchungen zeigen, dass kognitive Einschränkungen bei später
Erkrankten früh auftreten und somit Risikofaktoren darstellen.
Kognitive Einschränkungen könnten bei Personen in fraglichen
Prodromalstadien prognostisch bedeutsam sein. Im Rahmen des
BMBF-geförderten Kompetenznetzes Schizophrenie wurden Rat
suchende Patienten mit bestimmten Symptomen klassifiziert als
(hypothetisch) psychoseferne Prodrome (die z. B. Wahrnehmungsveränderungen und Antriebsstörungen aufweisen) bzw. psychosenahe Prodrome (z. B. bei zeitlich begrenzten halluzinatorische Erlebnissen) und mit einer neuropsychologischen Testbatterie und
psychophysiologischen Paradigmen (u. a. P300, Antisakkaden) untersucht. Normabweichungen in diesen Verfahren wurden mit
Parametern des späteren klinischen Verlaufs (z. B. Psychotische Erkrankung im Follow-Up) korreliert. Verglichen mit parallelisierten
gesunden Kontrollen zeigt sich, dass Personen mit einem psychosefernen Prodrom (n = 116) im Durchschnitt etwas schlechtere Lei­
stungen (~ 0.4 Standardabweichungen) in einer neuropsychologischen Testbatterie erzielen, mit dem deutlichsten Defizit im Bereich
der Visomotorik. Noch deutlicher beeinträchtigt sind Personen mit
einem psychosenahen Prodrom (~ 0.8 Standardabweichungen, n =
89). Besonders die Bereiche Arbeitsgedächtnis, Langzeitgedächtnis
sowie Visomotorik erwiesen sich hier als gestört. Vor allem bei frühen Prodromen waren Gedächtnisdefizite prädiktiv für eine spätere Erkrankung, ferner weisen später manifest Erkrankende initial
eine geminderte P300 Amplitude auf. Gute mnestische und exekutive Funktionen können somit, zumindest im frühen Prodromalstadium, als Schutzfaktoren gegen eine Progression des Krankheitsprozesses gelten.
003
Neurophysiologische Risiko- und Schutzfaktoren
Georg Juckel (Ruhr-Universität, Psychiatrie, Bochum)
Einleitung: Eine erhöhte zentralnervöse serotonerge Aktivität wird
als Risikofaktor in der Pathogenese der Schizophrenie diskutiert.
Dabei stellt sich die Frage, ob bereits im Prodromalstadium der
Erstmanifestation eine erhöhte serotonerge Neurotransmission
vorliegt oder nicht. Die Möglichkeiten der Überprüfung dieser
Hypothese sind jedoch limitiert, da es an validen Indikatoren zur
Bestimmung zentraler serotonerger Aktivität mangelt. Die Lautstärkeabhängigkeit der N1/P2-Komponente akustisch evozierter
Potentiale (LAAEP) ist ein Maß für die Tonlautstärke-abhängige
Aktivität des akustischen Kortex und wird im wesentlichen durch
das serotonerge System moduliert, wobei eine schwache LAAEP
mit erhöhter serotonerger Neurotransmission korreliert und umgekehrt.
Methode: Die LAAEP von schizophrenen Prodromalpatienten,
Patienten mit schizophrener Erstmanifestation, mehrfach manifestierte Patienten und 24 gesunde Kontrollprobanden wurde mittels
33 Elektroden (32 Kanäle) abgeleitet. Jeweils 70 Sinustöne in fünf
verschiedenen Lautstärken (79, 87,5 , 96, 104,5 und 111 dB ) wurden binaural über Kopfhörer dargeboten.
Diskussion / Ergebnisse: Die LAAEP der Prodromalpatienten war
signifikant niedriger als die der gesunden Kontrollen (0.13 µV/dB
vs. 0.18µV/dB, p=0.001), unterschied sich jedoch nicht von den
Gruppen der erstmanifestierten und chronifizierten Patienten mit
einer schizophrenen Störung (0.14 µV/dB, bzw. 0.12µV/dB). Dies
76
kann als erster Hinweis angesehen werden, dass die serotonerge
Neurotransmission bereits im Prodromalstadium vergleichbar erhöht ist wie bei vollmanifestierten schizophrenen Patienten und
muß als eine Risikokonstellation zur Ausbildung einer manifestenSchizophrenie angesehen werden. Eine frühzeitige atypische Medikation mit Einfluß auf das serotonerge System wäre als Schutz stäkrer bei Prodromalpatienten zu diskutieren.
004
Identifikation von Risikofaktoren in einem Mehrebenenansatz
Anita Riecher-Rössler (Universitätsspital Basel, Psychiatrische Poliklinik, Schweiz)
Einleitung: Trotz grosser Forschungsanstrengungen zur Frühdiagnose beginnender Psychosen ist die Methodik zur Identifikation
von Risikoindividuen und zur Prädiktion ihres Übergangs in eine
Psychose noch nicht sehr zuverlässig. Auch gibt es noch kaum Daten zur Langzeitprädiktion. Wir haben deshalb in Basel im Rahmen
der FePsy-Studie (Früherkennung von Psychosen) Individuen mit
einem Risikostatus für Psychosen identifiziert und untersucht, welche klinischen, neuropsychologischen, neurophysiologischen und
Neuroimaging-Auffälligkeiten die spätere Transition in eine Psychose vorhersagen.
Methode: 64 Risiko-Individuen wurden vom 01. 03. 2000 –
29. 02. 2004 in unserer Früherkennungssprechstunde mit Hilfe des
Basel Screening Instruments für Psychosen, BSIP (Riecher-Rössler
et al. 2008) nach den Kriterien von Yung et al. (1998) identifiziert.
53 (83 %) konnten bis zu 7 (im Mittel 5,4) Jahre lang regelmässig
nachuntersucht werden.
Diskussion / Ergebnisse: 21 der 53 Individuen entwickelten tatsächlich eine Psychose (Transitionsrate nach Kaplan-Meier 0.34) –
im Mittel nach 10 Monaten (Varianz 1 – 55). Bei 6 (29 %) der Pa­
tienten erfolgte die Dekompensation erst nach dem 12. Monat. Die
besten Prädiktoren der psychotischen Dekompensation innerhalb
dieser Hochrisikopopulation waren bestimmte „attenuierte“ psychotische Symptome (vor allem Misstrauen), negative Symptome
(vor allem Anhedonie / Asozialität) und kognitive Defizite (vor
allem eine reduzierte Geschwindigkeit bei der Informationsverarbeitung). Unter Einbezug dieser Prädiktoren konnte die prädiktive
Genauigkeit auf 80,9 % gesteigert werden (Sensitivität 83,3 %, Spezifität 79,3 %). Eine weitere Erhöhung der Spezifität konnte durch
EEG-Analysen erreicht werden. Neuroimaging-Analysen zeigten
ebenfalls signifikante Unterschiede zwischen Patienten mit und
ohne späterer psychotischer Dekompensation. Schlussfolgerungen
1. Individuen mit einem Risiko für Psychose sollten über mehr als
12 Monate beobachtet werden. 2. Die Früherkennung von Psychosen kann durch einen schrittweisen Abklärungsprozess verbessert
werden, der zunächst nur ein Screening, im Falle eines Risikos aber
auch weitere Untersuchungsebenen umfassen sollte. Riecher-Rössler et al. (2008): Das Basel Screening Instrument für Psychosen
(BSIP). Fortschr Neurol Psychiatr. 76(4): 207-16 Yung et al. (1998):
Prediction of Psychosis. Br J Psychiatry Suppl 172: 14-20.
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
Samstag, 28. 11. 2009, 08.30 – 10.00 Uhr, Saal 9
S-143 Symposium
Früherkennung und Frühintervention bei schizophrenen Störungen: Entwicklungsstand und Anwendungsperspektiven
Vorsitz: H. Häfner (Mannheim), J. Klosterkötter (Köln)
001
Die Erfassung des Psychoserisikos mit dem Früherkennungsinventar ERIraos. Prodromalsymptome und Risikofaktoren als Indikatoren des frühen Verlaufs der Schizophrenie
Franziska Rausch (ZI für Seelische Gesundheit, Schizophrenieforschung, Mannheim)
K. Maurer, A. Bechdolf, S. Ruhrmann, F. Schultze-Lutter, M. Wagner,
J. Klosterkötter, W. Maier, H. Häfner
Einleitung: Auf Basis der Ergebnisse der Mannheimer ABC-Schizo­
phrenie-Studie (Age, Beginning and Course) und der Kölner Früherkennungsstudie (CER-Studie) zum Frühverlauf der Schizophrenie entwickelten wir ein Früherkennungsinstrument (ERIraos).
Dieses zweistufige Instrument besteht aus einer Checkliste als
Screeninginstrument und einer Symptomliste. Erfasst werden Prodromalsymptome mit leicht erhöhtem Psychoserisiko im Screen­
ingverfahren. Nach Überweisung in fachärztliche Kompetenz
werden mit der ERIraos-Symptomliste auch die Symptome des psychotischen Vorstadiums bis zur Entwicklung der Psychose erfasst.
Zusätzlich werden mit sechs Modulen dispositionelle Faktoren,
etwa familiäre Belastung, und Auslösefaktoren, etwa Cannabismissbrauch, registriert. Ziel der Anwendung von ERIraos ist die
Identifikation von Personen mit einer drohenden Psychose, d. h.
mit einem hohen Risiko zum Übergang in die erste psychotische
Episode. Beide Instrumente erfassen den Trend Zu- oder Abnahme
der Symptome. ERIraos wurde unter Berücksichtigung von Test­
gütekriterien und der Praktikabilität revidiert.
Methode: Mit einer Logistischen Regression wurden die ERIraos
Items mit Vorhersagekraft identifiziert. Eine Faktoranalyse wurde
berechnet um die Symptomdimensionen zu zeigen, welche ein Prodrom charakterisieren. Die Itemauswahl basiert auf den Effizienz­
indices (Sensitivität, Spezifität, Odds Ratios) der Symptome. Die
finale Version beinhaltet die prädiktivsten Symptome für einen
Übergang in die Psychose.
Diskussion / Ergebnisse: Für beide Teilinstrumente – Checkliste
(15 Items) und Symptomliste (50 Items) – erbrachten Faktoranalysen Faktorenlösungen mit einer Einfachstruktur, die ca. 50 % der
Varianz erklären. Ein Vergleich der Symptomprävalenz in der präpsychotischen Prodromalgruppe und der psychotischen Prodromalgruppe und in den Subgruppen mit und ohne Übergänge unterstützte unsere Itemauswahl. 36 % der ausgewählten Symptome
zeigten signifikante Chi²-Werte mit der Übergangsvariable, 74 %
hatten Odds Ratios >2.00. Die finale Version wurde einer Expertenevaluation unterzogen, um deren Durchführbarkeit zu unter­
suchen. Auf Grundlage dieser Ergebnisse stellen wir nun ein Instru­
ment bereit, das für die Anwendung in der Praxis geeignet ist und
eine gute Vorhersagekraft besitzt. Dieses Instrument liefert einen
wichtigen Beitrag um die Diagnose und die Indikation für eine
Frühintervention zu stellen.
002
Hirnstrukturelle und kognitive Defizite im Prodromalstadium der
Schizophrenie
René Hurlemann (Universitätsklinikum Bonn, Psychiatrie und Psychotherapie)
Einleitung: Viele Patienten mit manifester Schizophrenie leiden an
kognitiven Defiziten, die insbesondere das verbale Lernen und Ge-
dächtnis betreffen und mit einer Volumenminderung des Hippokampus korrelieren. Es stellt sich die Frage, ob interkorrelierte
strukturelle und funktionelle Defizite des Hippokampus als Folge
der Schizophrenie in Erscheinung treten oder der Erstmanifesta­
tion der Erkrankung vorausgehen und damit bereits im Prodromalstadium nachweisbar sein sollten.
Methode: Wir kombinierten Hirnvolumenmessungen mit dem
Verbalen Lern- und Merkfähigkeitstest (VLMT), um bei 36 Antipsychotika-naiven Probanden mit klinischen Symptomen eines
psychosefernen oder psychosenahen Prodroms Struktur und Funktion des Hippokampus im Vergleich zu 30 gesunden Kontrollprobanden zu beurteilen.
Diskussion / Ergebnisse: Unsere Daten belegen eine beidseitige
Volumenminderung des Hippokampus bei Probanden mit klinischen Prodromalsymptomen, und zwar unabhängig davon, ob es
sich um ein psychosefernes oder psychosenahes Prodrom handelt.
Bei Probanden mit psychosenahem Prodrom, nicht aber bei Probanden mit psychosefernem Prodrom, korrelierte das hippokampale Volumen mit einer Leistungsminderung im Gedächtnisabruf.
Unsere Befunde implizieren einen Progress struktureller und funktioneller Defizite des Hippokampus entlang einer Zunahme der
klinischen Symptomlast im Prodromalstadium der Schizophrenie.
Da die Größenordnung kognitiver Defizite mit den sozialen und
beruflichen Kompetenzen von Patienten mit manifester Schizophrenie invers korreliert, könnte kognitives Training mit Beginn im
Prodromalstadium der Schizophrenie präventive Behandlungsprogramme möglicherweise sinnvoll ergänzen.
003
Psychologische Behandlungsansätze bei Personen mit erhöhtem
Psychoserisiko
Andreas Bechdolf (Uniklinik Köln, Klinik für Psychiatrie)
Der vorliegende Beitrag gibt eine Übersicht über den empirischen
Stand präventiver psychologischer Interventionen bei Personen
mit erhöhtem Psychoserisiko unter besonderer Berücksichtung der
Studien zur Evaluation Kognitiver Verhaltenstherapie (KVT), die
im Rahmen des Kompetenznetzes Schizophrenie (KNS) durchgeführt wurde. Ausserdem werden Fallbeispiele dargestellt, die die
Anwendung von Frühinterventionsstrategien verdeutlichen sollen.
004
Pharmakotherapeutische Ansätze bei klinisch erhöhtem Risiko für
die Entwicklung psychotischer Störungen
Stephan Ruhrmann (Universität zu Köln, Klinik für Psychiatrie und
Psychotherapie)
J. Klosterkötter
Einleitung: Trotz aller Fortschritte in der Behandlung von Psychosen sind die therapeutischen Optionen vor allem bezogen auf den
langfristigen Verlauf nach wie vor unzureichend. Maßnahmen zur
Senkung der Inzidenz und hierunter vor allem die indizierte Prävention gelten daher als zur Zeit erfolgversprechendste Strategie.
Die aktuell international verwendeten Kriterien zur klinischen Prädiktion von Psychosen werden als ausreichend effizient angesehen,
um kontrollierte pharmakologische Präventionsstudien in diesem
Bereich zu rechtfertigen.
Methode: Die Publikationen zu den verfügbaren pharmakologischen Studien bei klinisch erhöhtem Psychoserisiko wurden zusammengestellt und einer kritischen methodischen Analyse unterzogen.
Diskussion / Ergebnisse: Die Zahl der Präventionsstudien ist nach
wie vor klein, was auch daran liegt, dass solche Studien nur mit einem sehr hohen Zeitaufwand von mehreren Jahren durchführbar
sind, mit entsprechenden Implikationen auch für die Kosten. Initial
überlegen erscheinende Effekte der pharmakologischen (wie auch
der kognitiv-behavioralen) Interventionen traten in inzwischen
77
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
vorliegenden Folgeuntersuchungen zum Langzeitverlauf weniger
deutlich zu Tage. Allerdings beruhten diese Studien bereits initial
auf relativ kleinen Stichproben. Die daraus resultierenden Einschränkungen der statistischen Aussagekraft wurden durch unvollständige Nachuntersuchungen noch weiter verschärft. Trotz verschiedener Limitationen deuten die verfügbaren Ergebnisse darauf
hin, dass eine frühzeitige pharmakologische Intervention sowohl
symptomatisch als auch präventiv wirksam werden kann. Die Studiendesigns müssen aber in methodischer Hinsicht weiterentwickelt werden. Neben biometrisch angemessenen Stichprobengrößen bedarf es auch verbesserter Strategien zur Risikoanreicherung.
Der im Kompetenznetz Schizophrenie erstmals verfolgte risiko­
adaptierte Interventionsansatz sollte im Sinne einer weiteren Dif­
ferenzierung der Präventionsmaßnahmen und damit einer ver­
besserten Kosten-Nutzen-Relation für die Betroffenen ebenfalls
intensiv weiterentwickelt werden. Die gegenwärtig allenthalben
verfolgte Strategie, die von einer zeitlich begrenzten Intervention
über das Ende dieser Intervention andauernde, langfristige Präventionseffekte erwartet, muss revidiert werden. Ansätze, wie sie zur
Rückfallprophylaxe von Psychosen oder bei chronischen Risikokonstellationen etwa in der inneren Medizin angewendet werden,
könnten auch in der Prävention von Psychosen zu einer langfristigen Aufrechterhaltung der günstigen Interventionseffekte führen.
Samstag, 28. 11. 2009, 08.30 – 10.00 Uhr, Saal VIP 1
S-146 Symposium
Genetic determinants of cognitive dysfunction in schizo­
phrenia
Vorsitz: H. Ehrenreich (Göttingen), P. Falkai (Göttingen)
001
Complexines
Hannelore Ehrenreich (MPI für experimentelle Medizin, Klinische
Neurowissenschaften, Göttingen)
002
Modulation of cognition and schizophrenia psychopathology by
the BDNF genotype
Thomas Wobrock (Universitätsmedizin Göttingen, Psychiatrie)
T. Schneider-Axmann, P. Falkai
Introduction: Cognitive dysfunction is a strong predictor of outcome in schizophrenia regarding social functioning and life quality.
There is growing knowledge that the neurotrophin brain-derived
neurotrophic factor (BDNF) has a major role for neuronal survival
and differentiation in the developing nervous system as well as in
neuroregeneration and learning. The BDNF Val66Met Polymorphism, relatively common in the Caucasian population, seems to
mediate cognitive function and brain morphometry in healthy subjects as well as in schizophrenia patients.
Method: 43 first-episode patients (FE-SZ) and 27 healthy control
subjects (HC) were recruited between 2003 and 2006 undergoing
standardized psychopathological ratings (e.g. PANSS), neucogni­
tive assessment (e.g. VLMT) and genotyping regarding the BDNF
Val66Met polymorphism. In 22 FE-SZ psychopathological rating
was repeated at one year follow-up to determine the course of schizophrenia.
Discussion / Results: FE-SZ with Val / Met genotype showed significantly lower performance on verbal learning memory (-17 %,
VLMT, sum of trials 1 – 5) than FE-SZ carrying the Val /Val variant.
The difference in healthy control subjects between BDNF Val66Met
78
variants regarding cognition was not significant. Further more during the one year follow-up patients carrying the Val / Met variant
showed less improved psychopathology (e. g. PANSS negative sum
score). In conclusion, the BDNF Val66Met polymorphism had influenced cognition, psychopathology and course in our sample of
first-episode patients, which may be linked to impaired neuroplasticity in Met carriers.
003
Genetic disruption of NCAM polysialylation causes pathological
brain development and may lead to schizophrenia
Herbert Hildebrandt (MHH Hannover, Institut für Zelluläre Chemie)
Introduction: The neural cell adhesion molecule NCAM is a cellsurface glycoprotein that is uniquely modified by the carbohydrate
polysialic acid (polySia), which is added to NCAM by two polysialyl­
transferase enzymes. Abnormal levels of NCAM or polySia as well
as polymorphisms in NCAM and one of the polysialyltransferase
genes have been related to schizophrenia. As shown in mice most,
if not all, NCAM carries polySia during brain development. A complete loss of polySia by simultaneous deletion of both polysialyltransferases causes a severe malformation of major brain axon tracts
like anterior commissure, corpus callosum and internal capsule.
Method: By different combinations of wild-type and mutant Ncam
and polysialyltransferase alleles we obtained a range of mice with
varied levels of total and polySia-free NCAM.
Discussion / Results: Morphometric analyses revealed that the extent of the axon tract deficiencies in these mouse lines correlated
strictly with the level of NCAM erroneously devoid of polySia dur­
ing brain development. Since polySia is also present during interneuron migration and maturation, we comparatively analyzed the
composition of selected interneuron populations in the prefrontal
cortex and the hippocampus of the different polysialyltransferasedeficient mouse lines. Immunofluorescence and co-localization
studies of major interneuron markers revealed pronounced alterations of different GABAergic interneuron subtypes in the prefrontal
cortex of mice with reduced polySia levels. Alterations of GABAergic interneuron populations as well as disturbed cortical connections in mice with incomplete polysialylation of NCAM resemble
those seen in schizophrenic patients. Our study therefore highlights
the importance of this unique glycosylation for proper brain development and proposes a mechanism how genetic interference with
the complex coordination of NCAM polysialylation may lead to a
neurodevelopmental predisposition to schizophrenia.
004
Catechol-O-methyltransferase (COMT)
Andreas Meyer-Lindenberg (ZI für Seelische Gesundheit, Mannheim)
Introduction: Genetic variation in Catechol-O-methyltransferase
(COMT) has been studied extensively using both behavioural and
neuroimaging methods. Since dopamine transporters are scarce in
prefrontal cortex, COMT is a critical determinant of prefrontal dopamine flux. COMT has been proposed as a schizophrenia susceptibility gene. The COMT gene is located at 22q11.2, a region that
has been implicated in schizophrenia by linkage. In behaviour, pleiotropic action of a functional Val158Met (rs4680) polymorphism
on executive cognition and emotional stability has been described
and proposed to be of evolutionary significance (the “warrior /
worrier”-hypothesis).
Method: We use multimodal neuroimaging to investigate the effects of genetic variation in COMT on neural sytems for executive
cognition and meta-analytic techniques to assess effect sizes for
genetic variation across studies.
Discussion / Results: Convergent evidence shows abnormal
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
signal-to-noise in prefrontal cortex in carriers of COMT risk alleles
and haplotypes that follow an inverted-u-shape, and changes in
midbrain dopamine synthesis. A similar phenomenon, regionally
differentiated, is observed in brain structure. Interactions with
other risk alleles, both dopaminergic (AKT1) and glutamatergic
(GRM3) can be demonstrated. Meta-analytically, we demonstrate
significant association between the COMT genotype and prefrontal
activation, with large (d=0.73) effect size without evidence for publication bias. Strong and opposing effects were found for executive
cognition paradigms and emotional paradigms, providing metaanalytical evidence for a neural substrate for the pleiotropic behav­
ioural effects of COMT. Therapeutic trials can target genetic variations in COMT in a personalized medicine approach towards
precognitive therapy in schizophrenia. COMT remains one of the
best-studied functional genetic variants linked to schizophrenia
and cognitive function. Further work should exploit these results in
controlled clinical trials, and further elucidate mechanisms of epistasis and gene-environment interaction.
Mittwoch, 25. 11. 2009, 08.30 – 10.00 Uhr, Raum 44
WSy-001 Weiterbildungssymposium
Leitlinienentwicklung bei psychiatrischen Erkrankungen
Vorsitz: P. Falkai (Göttingen), W. Gaebel (Düsseldorf)
001
S3 Leitlinie Persönlichkeitsstörungen: Eine integrative Aufgabe
Sabine C. Herpertz (Klinik für Allgem. Psychiatrie, der Universität
Heidelberg)
In einer Kooperation der Fachgesellschaften DGPPN, DKPM,
DGPM, DGP und DGKJP wurden neue S2-Leitlinien zur Behandlung von Persönlichkeitsstörungen erstellt. Ziel der Leitlinien war
die Beschreibung des aktuellen Stands in der Diagnostik und Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Persönlichkeits­
störungen. Um psychotherapeutisch arbeitenden Kollegen nicht
unterschiedliche Behandlungsmodelle ohne didaktische Aufarbeitung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden für anstehende
therapeutische Entscheidungen zur Verfügung stellen zu müssen,
war es Zielsetzung unseres Expertengremiums, zunächst über die
Therapieschulen hinweg, empirisch begründete oder – wo fehlend
– im Konsensusprozess entwickelte therapeutische Interventionen
darzustellen. Im Einzelnen wurden die wichtigsten Elemente der
Therapieplanung, die therapeutische Beziehungsgestaltung, das Behandlungssetting, die Behandlungsziele sowie spezifische Behand­
lungsfoci diskutiert und miteinander verglichen. Daran schloss
sich die Erläuterung schulenspezifischer Veränderungsstrategien
unter Festlegung des Evidenzgrades nach Sichtung der gesamten
Studienlage an. In diesem Symposium wird der Prozess der Leit­
linienentwicklung dargestellt und exemplarisch auf die Borderline
Persönlichkeitsstörung eingegangen.
002
S3 Leitlinie Demenz: Eine integrative Leistung zwischen Neuro­
logie und Psychiatrie
Frank Jessen (Universitätsklinikum Bonn, Psychiatrie und Psycho­
therapie)
Leitlinien sind wesentlich für die Qualitätssicherung der Patientenversorgung. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psycho­
therapie und Nervenheilkunde (DGPPN) hat in einem Gemeinschaftsprojekt mit der Deutschen Gesellschaft für Neurologie
(DGN) Leitlinien zur Diagnostik, Therapie und Prävention von
Demenzen entwickelt. Nach der Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlicher Fachgesellschaften (AWMF) gibt es ein gestuftes System der
Qualität von Leitlinien. Die Leitlinie der DGPPN und der DGN zu
Demenzen entspricht der höchsten Stufe, die mit S3 bezeichnet
wird. Diese Stufe beinhaltet eine systematische Evidenzrecherche
als Grundlage der Leitlinienaussagen sowie einen formalen Konsensprozess über die Leitlinienaussagen und die Empfehlungsstärken durch alle Gesellschaften und Verbände, die in der Behandlung
und Betreuung von Demenzkranken aktiv sind. Das Entwicklungsverfahren der vorliegenden Leitlinie erfolgte unter Einhaltung dieser formalen Prozesse und unter Einbindung der für die Thematik
relevanten ärztlichen und nicht-ärztlichen Gesellschaften und Berufsverbände sowie der Deutschen Alzheimer Gesellschaft. Der
Entwicklungsprozess und Inhalte der Leitlinie werden vorgestellt.
003
S3 Leitlinie Schizophrenie: Wenn die Atypika nicht wären
Thomas Wobrock (Universitätsmedizin Göttingen, Psychiatrie)
P. Falkai
Einleitung: Nach der Behandlungsleitlinie Schizophrenie der
DGPPN auf dem Entwicklungsniveau der ersten Stufe (S1) der
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftliche Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) aus dem Jahr 1998 wurde versucht, mit der
S3-Therapieleitlinie 2006 eine höhere Evidenzbasierung bei Einhaltung eines aufwändigen formalen Konsensusverfahrens zu erreichen. In der Leitlinie nimmt die Pharmakotherapie einen breiten
Raum ein (1).
Methode: Die Entwicklung der Leitlinie wird dargestellt und die
damalige Evidenz für die Empfehlung von Antipsychotika der
zweiten Generation versus Neuroleptika der ersten Generation dargelegt („Atypika versus Typika“). Unter Berücksichtigung neuerer
Studien wird versucht, die damaligen Empfehlungen kritisch zu
hinterfragen und zu diskutieren.
Diskussion / Ergebnisse: Die überwiegende Anzahl der Empfehlungen lässt sich auch im Jahr 2009 aufrechterhalten, wobei hinsichtlich der Empfehlungen der Bevorzugung atypischer Neuro­
leptika eine noch differenziertere Bewertung angebracht ist,
insbesondere was die Überlegenheit in Bezug auf Negativsymptomatik und kognitive Symptome anbelangt. Die Grenzen von Leit­
linien werden hier dezidiert aufgezeigt. Literatur: 1: Deutsche
Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde
(DGPPN) (Hrsg.) S3 – Praxisleitlinien in Psychiatrie und Psychotherapie. Band 1, Behandlungsleitlinie Schizophrenie. Leitlinienprojektgruppe: W. Gaebel (federführend), P. Falkai, S. Weinmann,
T. Wobrock. Steinkopff-Verlag, Darmstadt, 2006
004
S3 Leitlinie Depression: Grenzen und Möglichkeiten einer multidisziplinären Leitlinie
Mathias Berger (Universitätsklinikum Freiburg, Psychiatrie und Psychotherapie)
Einleitung: Depressive Störungen zählen mit einer Lebenszeit­
prävalenz von 16 – 20 %, einer hohen Rezidiv- und Chronifizierungsneigung sowie einer hohen Beeinträchtigung der Lebensqualität zu den epidemio-logisch und gesundheitspolitisch relevantesten
Erkrankungen. Zugleich stehen eine Reihe wirksamer Therapie­
verfahren zur Verfügung. Evidenzbasierte Behandlungsleitlinien
geben Praktikern Hilfestellungen bei der Indikationsstellung und
prognostischen Beurteilung einer Therapiemethode.
Methode: 2005-2009 koordinierte die DGPPN, gemeinsam mit der
AWMF und dem ÄZQ, die Erstellung ei-ner S3- und einer Nationalen VersorgungsLeitlinie zur Diagnostik und Therapie der unipolaren depressiven Störung. Nationale und internationale evidenzbasierte Leitlinien wurden über Synopsen inhaltlich zusammengeführt,
wobei die Guideline des National Institute for Clinical Excellence
79
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
(GB) als zentrale Quellleitlinie diente. Nach „Kreuzvalidierung“
mit weiteren Leitlinien, der Analyse systematischer Übersichts­
arbeiten / Metaanalysen wurden die Empfehlungen für Deutschland durch Experten aus 31 Berufsgesellschaften und Fachgesellschaften konsentiert.
Diskussion / Ergebnisse: Eine transnationale Übertragung von Emp­
fehlungen sowie deren strikte Evidenzbasierung sind nicht ohne
weiteres möglich. Unterschiedliche Evidenzbasierungsgrade einzelner diagnostischer und therapeutischer Verfahren und Versorgungssystemspezifische Faktoren erschweren die Konsentierung.
Aufgrund häufig diskutierter Probleme, z. B. fehlende Akzeptanz
durch Leistungserbringer oder Einschränkung der „Therapiefreiheit“, dürfen Leitlinien nicht als Richtlinien für therapeutisches
Handeln mit entsprechenden gesundheitspolitischen und juristischen Konsequenzen verstanden werden. Vielmehr müssen therapeutische wie auch patientenrelevante Faktoren und soziokulturelle
Aspekte bei Diagnose- und Therapieentscheidungen berücksichtigt
werden. Das Ungleichgewicht hinsichtlich der Verfügbarkeit von
guten Studien in unterschiedlichen Bereichen der Depressions­
behandlung, kann zudem zu einer Übergewichtung einzelner Bereiche gegenüber anderen Ansätzen (z. B. pharmakotherapeutische
vs. psychotherapeutische und soziotherapeutische Ansätze; stätionäre vs. ambulante Versorgung) führen. Die verfügbare Evidenz
belegt die Wirksamkeit und Nachhaltigkeit der Depressionsbehandlung. Leitlinien sind ein geeignetes Instrument, die Wirksamkeit einzelner Ansätze über explizite Therapieempfehlungen transparent zu machen und so die Evidenzbasierung der Versorgung zu
verbessern. Eine zukünftige Aufgabe ist es, die Leitlinien zur Diagnostik und Behandlung von Depressionen regelhaft in der Versorgung zu verankern.
Mittwoch, 25. 11. 2009, 08.30 – 10.00 Uhr, Salon 13/14
FV-002 Research Workshop
Schizophrenia and dementia
Vorsitz: T. Schläpfer (Bonn), F.-G. Pajonk (Liebenburg)
001
The relevance of doses for comparing Haloperidol, Risperidone
and Olanzapine
David Fischer-Barnicol (UPK-Basel, Allgemeine Psychiatrie, Schweiz)
H. Koch, S. Lanquillon, E. Haen, S. Leucht, G. Stoppe
Introduction: When testing the effectiveness of different Anti­psy­
cho­tics in terms of their blocking Dopamin-D2-Rezeptor in clinical
studies it would be of high practical relevance to know which doses
of the drugs tested would result in equivalent blocking of Dopamin-D2-Rezeptor. The study aimed to find clinically applicable
dose equivalents for Haloperidol, Risperidone and Olanzapine.
Method: As the occurrence of EPS correlates closely with a block­
ade of about 80 % or more of Dopamin-D2-Rezeptor the propor­
tion of patients developing EPS in relation to various doses of
either Haloperidol (n=5252), Risperidone (n=5017) or Olanzapine
(n =5029) was calculated. The retrospective, observational study
included 20.252 inpatients from 20 hospitals with a diagnosis of
Schizophrenia, Schizoaffective or Delusional Disorder (ICD10 F2025). The prescription of anticholinergic medication against EPS was
utilized as surrogate parameter for the occurrence of EPS. OR, RR
and NNH under different doses of AP were calculated and data
entered into a probit model to predict the risk of EPS over a con­
tinuous dose range. For filtering the data ToscanaJ (FBA) was used.
Discussion / Results: 1.) Same doses of Risperidone and Halo­
80
peridol induced the same proportion of EPS, reflected in a constant
dose ratio of both drugs of ~ 1:1 over the whole dose range. 2.) Over
whole dose range was no linear relation between Olanzapine on
one hand and haloperidol and risperidone on the other hand.
3.) The results were corroborated by the probit analysis. Conclusions: Previous clinical trials comparing Olanzapine, Risperidone
and Haloperidol found higher risks of EPS for Haloperidol. As these trial compared Haloperidol and Risperidone at a dose ratio of
2.5:1 the differences of EPS risks appear to have been largely due to
dosing artefacts but do not reflect genuine pharmacological differences of D2R blocking properties. We propose a new model to
calculate dose equivalents for the EPS-risks of Antipsychotics.
002
ASPM haplotype involved in human evolution is associated with
schizophrenia
Micha Gawlik (Universität Würzburg, Klinik für Psychiatrie)
M. Knapp, B. Pfuhlmann, G. Stöber
Introduction: Evolution of modern humans was driven by a strong
enlargement of brain size yielding to an extension of cognitive performance. A central regulator of neural stem cell proliferation and
cerebral neurodevelopment is ASPM (abnormal spindle-like, microcephaly-associated) with two major haplogroups (called D and
non-D), where haplogroup D is thought to be positively selected
in modern human evolution. At the ASPM gene locus haplogroup
D and non-D are discriminated by allele nt44871A/ G (coding for
S2562G) and the close-by nt45126C /A (rs3762271; L2647I).
Method: The family-based association study included 241 index
cases with ICD 10 schizophrenia and their biological parents. All
index cases were unrelated and of German Caucasian descent. To
asses the normal distribution of ASPM alleles in a non-selected
European population, we included 188 German volunteers (56 %
males) from the blood donor centre at the University of Würzburg.
Allelic discrimination was performed with TaqMan® SNP geno­
typing assay.
Discussion / Results: In the total sample no transmission distor­
tion was apparent, but analysis by gender revealed that haplo­group
non-D (nt44871A) was significantly over-transmitted to male cases
(p= 0.020; Table 1). Heterozygous parents passed haplogroup nonD preferentially to males and haplogroup D to females (heterogeneity χ² = 4.41, p=0.036). Furthermore, hap-logroup non-D was
significantly over-transmitted from heterozygous mothers to male
off-spring, indicating imprinting effects (p= 0.033). The genotype
relative risk was OR 1.16 at a bi-allelic marker locus under the
presumption of a multiplicative model of transmitted alleles among
heterozygous parents.In conclusion, outside the context of microcephalic states distinct ASPM haplogroups may account for subtle
effects in the early neurodevelopmental delays of individuals at risk
for schizophrenia, particularly among males.
003
Suicidality in first-episode schizophrenia
Eva Ceskova (Masaryk University, Dep. of Psychiatry, Brno, Tsche­
chien)
R. Prikryl, T. Kasparek, M. Vecerova
Introduction: The suicide rate in schizophrenia is high, with the
risk being highest early in the course. Since 1996 we have recorded
in our database more than 160 males with first-episode schizophrenia who have been observed longitudinally from the first index
hospitalization. The aim of the study was to evaluate suicidality in
this special subpopulation.
Method: Males, consecutively hospitalized with the first-episode
schizophrenia (according to ICD10), who were reassessed up to
10 years after the first hospitalization for the first episode schizophrenia were included. We evaluated psychopathology using
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
PANSS and potential markers of the disease (neuropsychological
profile, neuroendocrinological parameters, neurological soft signs,
data from structural and functional brain imaging). We have focused on an analysis of available data in patients who committed
suicide, especially on psychopathology.
Discussion / Results: 7 / 162 (4.3 %) of patients included up till now
in our database committed suicide. 3 patients within 1 year, 2 within
4 years, 1 within 5 year and 1 within 9 years after the index hospitalization. The patients committed suicide by hanging (n=4), shoot­
ing themselves (n=1) jumping from height (n=1), drowning (n=1).
In all patients the suicide was related to symptoms (mostly negative
ones), in both continuing symptoms from the index hospitalization
or relapses during the course of illness. In 1 case the course was
more like as a schizoaffective disorder with predominant manic
symptoms and drug abuse. In 2 cases previous suicidal ideas and
intents were observed. CONCLUSION: Most of com­pleted suicides
in first-episode schizophrenia are associated with insufficient symptoms control which may induce hopelessness, the important risk
factor for suicide across diagnoses. Prevention of suicide in first
episode schizophrenia is likely to result from early aggressive treatment of symptoms. Grant provided by MSMT Czech Republic:
(MSM0021622404)
004
Pre-morbid motivational abilities and apathy and depression:
Predictive of the progression of dementia?
Moyra Mortby (Universität Zürich, Psychologisches Institut, Schweiz)
A. Maercker, S. Forstmeier
Introduction: Predictors of conversion rates from Mild Cognitive
Impairment (MCI) to Alzheimer’s disease (AD) have been independently associated with pre-morbid motivational abilities and
apathy and / or depression presence. To date, moderating effects of
pre-morbid motivational abilities on apathy and depression for the
progression of cognitive impairment have not been established.
Forstmeier and Maercker (2007, 2008, 2009) proposed that high
motivational abilities (motivational reserve (MR): Motivational Reserve Model) attenuate cognitive impairment through later onset
and more rapid AD progression. Pre-morbid motivational abilities
can be estimated through individual occupational history using the
Occupational Information Network (O*NET) database which provides detailed information on worker characteristics.
Method: The current research used the Aging, Demographics, and
Memory Study (ADAMS) a subsample (N = 856) of the US-representative Health and Retirement study (HRS) above the age of 70.
ADAMS participants were screened into one of 3 groups: normal
cognition, cognitive impairment but not demented, or dementia
(and subtype) based on dementia screenings in 2001 and 2003
(Time 1). Follow-up assessments were collected in 2003 and 2005
(Time 2) (N = 252). Using this sample, the current research con­
sidered the moderating effects of MR on levels of apathy and / or
depression in the progression of cognitive impairment.
Discussion / Results: The following questions were examined:
1) Does MR differ amongst the 3 groups at time 1? 2) Do the groups
differ in terms of presence of apathy and/or depression at time 1
and time 2? 3) How do the groups change between time 1 and 2 for
cognitive level, apathy and depression? 4) Does the differential
change in cognition in the 3 groups relate to apathy and / or depression and MR? In accordance with the conceptual model of MR,
high MR was expected to moderate both cognitive decline and the
relationship between apathy and/or depression and cognitive de­
cline after controlling for age, gender and education.
Donnerstag, 26. 11. 2009, 08.30 – 10.00 Uhr, Salon 21
FV-003 Sitzung Freier Vorträge
Psychotische Erkrankungen 3
Vorsitz: R. Rupprecht (München), L. Tebartz van Elst (Freiburg)
001
Quetiapin bei schizophrenen Störungen in der Lebensspanne:
Optimierung durch therapeutisches Drug Monitoring?
Matthias J. Müller (Vitos Gießen-Marburg, KPP Gießen und Marburg)
C. Hiemke
Einleitung: Quetiapin wird häufig auch bei älteren Menschen
mit psychotischen Störungen eingesetzt. Pharmakodynamik und
-kinetik können sich mit höherem Lebensalter ungünstig verändern und zur Verstärkung von unerwünschten Wirkungen (z. B.
Sedierung) und Interaktionen führen. In einer naturalistischen
Studie wurde bei Patienten schizophrenen Störungen die Altersabhängigkeit von dosisbezogenen Quetiapinserumspiegeln und die
Beziehung zu klinischen Wirkungen untersucht.
Methode: Während der klinischen Routinebehandlung wurden bei
143 Patienten mit schizophrener Störung (ICD-10) unter Therapie
mit Quetiapin (antipsychotische Monotherapie, nicht retardierte
Formulierung) und steady-state-Bedingungen) Serumkonzentra­
tionen bestimmt (HPLC-Methode). Zur klinischen Beurteilung
wurden CGI (Besserung unter Therapie, 1 – 5) und UKU (Nebenwirkungen, 0 – 3) durch den behandelnden Arzt erfasst.
Diskussion / Ergebnisse: Das mittlere Alter (N=143, 61 % Frauen)
betrug 39+/-15 Jahre (18 – 85, 13 % >60J.); 57 % der Patienten erhielten eine Komedikation (u. a. 34 % Antidepressiva, Valproin­
säure 14 %, Benzodiazepine 20 %). Die mittlere Quetiapintagesdosis betrug 497+/-253mg (50 – 1200mg), die Serumkonzentrationen
lagen bei 133+/-125ng/ml (Range 11 – 844; therapeutischer Bereich
70 –170; Dosis-Spiegel-Korrelation r=0.46, P<0.001). Die klinische
Response war im Mittel „mässig“ (2.0+/-0.82), die Nebenwirkungen sehr gering (0.4+/-0.6). Häufigste Nebenwirkungen waren Sedie­
rung (22 %), EPS (5 %)und Unruhe (3 %). Die mittlere Dosierung
bei Pat. >60 J. war signifikant (P<0.01) niedriger (298+/-245 mg)
als bei Patienten bis 40J. (540+/-253 mg) und zwischen 40 und 60 J.
(510+/-215 mg), während die mittleren Serumspiegel nahezu identisch waren (133 – 137 ng / ml). Dosiskorrigierte Serumspiegel
waren insbesondere bei älteren Frauen deutlich höher und mit dem
Auftreten von EPS assoziiert (P<0.05). Klinische Besserungen zeigten keine signifikante Altersabhängigkeit. Quetiapin wurde bei schizo­
phrenen Störungen über einen breiten Altersbereich eingesetzt, die
dosis-korrigierten Serumspiegel steigen im höheren Lebensalter,
insbesondere bei Frauen, an und sind bei einigen Patienten mit erhöhtem Nebenwirkungs- und Interaktionsrisiko verbunden. Zur
Vermeidung können Serumspiegelbestimmungen empfohlen werden.
002
Schizophrene Patienten zeigen einen Anstieg der Aktivität im dorsalen anterioren Cingulum nach Umstellung von typischen Antipsychotika auf Aripiprazol
Florian Schlagenhauf (Charité Universitätsmedizin, Klinik für Psy­
chiatrie, Berlin)
M. Dinges, A. Beck, J. Wrase, J. Gallinat, G. Juckel, A. Heinz
Einleitung: Eine verminderte Arbeitsgedächtnisleistung ist ein
zentraler neurokognitiver Befund bei Patienten mit Schizophrenie.
Dieses Defizit wurde wiederholt mit einer gestörten Funktion des
frontalen Kortex verbunden, wobei ein hypodopaminerger Zustand
im mesokortikalen dopaminergen System als ursächlich postuliert
81
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
wurde. Der partielle Dopaminagonist Aripiprazol führte in tierexperimentellen Studien zu einer Erhöhung der frontalen Dopaminkonzentration. Der Einfluss von Aripiprazol auf die frontale Hirnaktivierung bei schizophrenen Patienten wurde allerdings bisher
nicht untersucht.
Methode: Die BOLD-Antwort während einer Arbeitsgedächtnisaufgabe („n-back“) wurde in einer longitudinalen fMRT-Studie bei
elf Patienten mit Schizophrenie vor und nach Umstellung von typischen Antipsychotika auf Aripiprazol gemessen. Eine gesunde
Kontrollgruppe wurde zu korrespondierenden Zeitpunkten untersucht. Den Probanden wurde dabei eine Reihe von Stimuli präsentiert, wobei sie angeben mussten, ob der gerade präsentierte Stimulus identisch ist mit dem Stimulus, der n-Schritte zuvor in der
Sequenz gezeigt wurde. Die Daten wurde mit SPM 5 in einem
2 x 2 x 2 Design (Gruppe x Messzeitpunkt x 2-back vs. 0-back) ausgewertet.
Diskussion / Ergebnisse: Die Patienten zeigten weniger richtige
Antworten verglichen mit den Kontrollen beim ersten Messzeitpunkt und eine trendweise Normalisierung beim zweiten Messzeitpunkt. Die gesamte Gruppe wies signifikanten Aktivierungen in
fronto-parietalen Bereichen für den Kontraste ‘2-back > 0-back Bedingung‘ auf. Am ersten Messzeitpunkt wiesen die Patienten mit
Typika eine Minderaktivierung im dorsalen anterioren Cingulum
(dACC) auf, welche nach Umstellung auf Aripiprazol nicht mehr
bestand. Dies war durch eine signifikante Aktivitätszunahme in der
Patientengruppe bedingt, wohingegen die Gesunden keine Änderungen zeigten, was sich in einer signifikanten Interaktion zwischen Gruppe und Messzeitpunkt ausdrückte. Diese Studie zeigt
erstmalig, dass der partielle Dopaminagonist Aripiprazol zu einer
Aktivitätszunahme im kognitiven Anteil des ACC bei Patienten mit
Schizophrenie führt, was ein Korrelat für seine postulierten günstigen Wirkung auf kognitive Defizite darstellen könnte.
003
Integrierte Neurokognitive Therapie (INT) für schizophren Erkrankte: Katamneseergebnisse einer internationalen Multicenterstudie
Daniel R. Mueller (Universität Bern, Universitätsklinik UPD Bern,
Schweiz)
V. Roder, S. J. Schmidt
Einleitung: Kognitive Funktionsdefizite schizophren Erkrankter
sind heute als eines der zentralen pharmakologischen und psy­
chotherapeutischen Interventionsziele anerkannt. Die NIMHMATRICS-Initiative hat konsensorientiert sechs neurokognitive
und fünf sozialkognitive Funktionsbereiche definiert, die zur Behandlung schizophren Erkrankter relevant erscheinen. Eine kon­
sequente Umsetzung dieser kognitiven Funktionsbereiche in ein
umfassendes Psychotherapiekonzept ist bislang ausstehend. Vor
diesem Hintergrund haben wir als Weiterentwicklung der kognitiven Unterprogramme des Integrierten Psychologischen Therapieprogramms (IPT) einen neuen kognitiv-behavioralen Gruppentherapieansatz entwickelt, die Integrierte Neurokognitive Therapie
(INT). Das ressourcenorientierte Vorgehen der INT beinhalten
motivationsfördernde edukative Elemente, PC-gestützte Restitu­
tion und das Etablieren von Kompensationsstrategien zur Opti­
mierung des kognitiven Funktionsniveaus in allen MATRICSDimensionen. Mit dem stringenten Einbezug des individuellen
Alltagserlebens wird eine Generaliserung der Effekte über die Therapie hinaus im sozialen Kontext angestrebt.
Methode: Die Evaluation der INT erfolgt in einer randomisierten
internationalen Multicenterstudie mit ambulanten oder teil­
stationären Patienten mit einer Schizophreniediagnose nach DSMIV-TR. Als Kontrollbedingung dient die Standardbehandlung
(TAU). Die Therapiephase dauert 30 Sitzungen (à 90 Min.) während 4 Monaten. Die Testbatterie umfasst die Primärbereiche Neu-
82
rokognition und soziale Kognition, sowie zusätzlich Symptomatik,
Lebensqualität, psychosoziales Funktionsniveau und Selbstwirksamkeitserwartung. Testerhebungen erfolgen vor und nach der Behandlungsphase sowie nach einer Einjahreskatamnese.
Diskussion / Ergebnisse: Insgesamt liegen die Daten von 152 Pa­
tienten vor. Die geringe Anzahl von Studienabbrechern von 9 %
sowie die sehr hohe Teilnahmefrequenz an den Sitzungen weist auf
eine hohe Therapieakzeptanz seitens der Patienten hin. Die INTGruppe konnte die im Vergleich zu TAU während der Therapiephase erzielten positiven Effekte während der Einjahreskatmnese
aufrechterhalten oder zusätzlich verbessern: signifikante Katamneseergebnisse konnten in den neurokognitiven Bereichen Aufmerksamkeit, verbales Gedächtnis und Problemlösen, sowie in den so­
zialkognitiven Bereichen Emotionswahrnehmung und soziale
Attribution nachgewiesen werden. Diese positiven Testergebnisse
wurden durch die signifikante Verbesserung der durch die INTPatienten selbsteingeschätzten kognitiven Leistungsfähigkeit im
Alltag bestätigt. Zusätzlich zeigten sich signifikant überlegene INTEffekte in den Sekundärbereichen Negativsymptomatik, psycho­
soziales Funktionsniveau und Selbstkonzept.
004
Kognitive Mechanismen psychotischer Symptome
Anne-Kathrin Fett (Universität Maastricht, Psychiatrie & Neuro­
psycholgie, Niederlande)
L. Krabbendam, J. van Os
Einleitung: Die Entstehung und Aufrechterhaltung von psychotischen Symptomen wird unterschiedlichen kognitiven Domänen
zugeschrieben. Soziale Kognition wird überwiegend mit positiven
Symptomen, Neurokognition mit negativen und desorganisierten
Symptomen in Verbindung gebracht. Die Zusammenhänge zwischen Kognition und psychotischen Symptomen sind jedoch überwiegend moderat, was eher auf zwei unabhängige Konzepte schließen lässt. Die jetzige Studie untersucht den Zusammenhang
zwischen kognitiven Defiziten und psychotischen Symptomen und
ermittelt ob dieser auch in gesunden Individuen mit genetischem
Risiko für psychotische Erkrankungen vorliegt.
Methode: 949 Patienten mit nicht-affektiver psychotischer Störung,
985 Geschwister von Patienten und 576 gesunde Probanden wurden im Rahmen der niederländischen GROUP Studie rekrutiert.
Kognitive Funktionen wurden mittels einer umfangreichen Testbatterie (IQ, verbales Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Mentalisieren,
Emotionserkennung) gemessen. Psychotische Symptome wurden
anhand der PANSS erhoben. Die Zusammenhänge zwischen psychotischen Symptomen und kognitiver Performanz wurden mit
linearen multilevel Regressionsanalysen analysiert.
Diskussion / Ergebnisse: In den Resultaten zeigte sich, dass sich
die Gruppen signifikant in IQ unterschieden. Andere kognitive
Tests ergaben keine weiteren Leistungsunterschiede zwischen Geschwistern und Kontrollen, beide Gruppen erzielten jedoch signifikant bessere Testergebnisse als Patienten. In der Patientengruppe
fanden sich signifikante Zusammenhänge zwischen negativen und
desorganisierten Symptomen und IQ, Aufmerksamkeit und Mentalisieren (beta = .07 bis .31, p <.02), während Emotionserkennung
nur mit desorganisierten Symptomen assoziiert war (beta =.14,
p <.01). In der Geschwistergruppe fanden sich signifikante Zusammenhänge zwischen subklinischen positiven und desorganisierten
Symptomen und IQ, zwischen negativen, sowie desorganisierten
Symptomen und Mentalisieren und zwischen desorganisierten
Symptomen und verbalem Gedächtnis (beta = .14 bis .22, p <.05).
Bei Kontrollen wurden keinerlei Zusammenhänge zwischen subklinischen Symptomen und kognitiver Performanz gefunden. Die
Ergebnisse deuten auf generelle Zusammenhänge zwischen kognitiven Defiziten und dem Schweregrad der psychotischen Symptome hin, nicht aber auf spezifische Zusammenhänge zwischen so­
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
zialer Kognition und positiver Symptomatik oder Neurokognition
und negativer/desorganisierter Symptomatik. In der Geschwistergruppe wurden Zusammenhänge zwischen Kognition und sub­
klinischer Symptomatik gefunden, welche auf potentielle Endo­
phaenotypen deuten können.
005
Copingstrategien bei wahnhaftem Erleben: Diagnostik und Behandlung – Ergebnisse einer multizentrischen Studie
Sarah Cristina Zanghellini Rückl (Universitätsklinik Heidelberg)
N. Gentner, L. Büche, A. von Bock, A. Barthel, H. Vedder, M. Bürgy,
K.-T. Kronmüller
Einleitung: Copingstrategien besitzen gerade bei chronischem
Wahn eine hohe Bedeutung für die Behandlung aber auch für die
Chronifizierung der Symptomatik. Bislang existieren nur wenige
Instrumente zur standardisierten Erfassung von Copingstrategien
bei psychotischen Störungen. Ziel der Studie war die Ermittlung
der zentralen Copingdimensionen beim Wahn, sowie die Untersuchung des Zusammenhangs von Coping und Wahnsymptomatik.
Methode: Multizentrisch wurde eine Stichprobe von N=200 wahnhaften Patienten aus dem schizophrenen und affektiven Spektrum
erhoben. 33 unterschiedliche Copingstrategien wurden bezüglich
Vorkommen und Intensität von geschulten Experten eingeschätzt.
Damit können globale Indizes der Breite des Copingrepertoires
aber auch der Intensität ihres Einsatzes gebildet werden. Zudem
wurden zahlreiche psychopathologische Fremdratings zur Abbildung der psychischen Symptomatik angewendet.
Diskussion / Ergebnisse: Auf der Grundlage von 33 Copingstrategien konnten faktorenanalytisch 6 zentrale Copingdimensionen
identifiziert werden: medizinische Inanspruchnahme, Ablenkung,
ressourcenorientiertes Coping, kognitives Coping, depressives
Coping und symptomatisches Coping. Das Instrument zeigte gute
psychometrische Kennwerte für Reliabilität und Validität. Es fanden sich für die Copingstile Unterschiede zwischen den Geschlechtern und zwischen den einzelnen psychiatrischen Diagnosen. Je
stärker der Wahn ausgeprägt war, umso weniger Copingstrategien
wurden von den Patienten angewendet. Es ergaben sich zudem
signifikante Unterschiede in den Copingdimensionen zwischen
den verschiedenen Wahnthemen. Insgesamt sprechen die Ergebnisse dafür, dass Coping bei Wahn einen vielversprechenden Forschungsbereich darstellt, der sowohl mit klinischen als auch mit
psychometrischen Fragestellungen weiter untersucht werden sollte.
Die ermittelten Copingdimensionen stellen dabei auch eine Grundlage dar, therapeutische Ansätze in diesem Bereich weiter zu ent­
wickeln und zu differenzieren und die Prognose gerade von chronisch wahnkranken Patienten weiter zu verbessern.
006
Soziale und klinische Prädiktoren für die stationäre Wiederaufnahme in die Psychiatrie bei Patienten mit chronischer Schizo­
phrenie: Eine Langzeitanalyse
Ingeborg Warnke (PUK Zürich, Public Mental Health, Schweiz)
C. Nordt, V. Ajdacic-Gross, A. Haug, H.-J. Salize, W. Rössler
Einleitung: In den letzten Jahren ist in Deutschland ein deutlicher
Anstieg der stationären Aufnahmen in die Psychiatrie festzustellen.
Dies ist zu einem grossen Teil auf Wiederaufnahmen zurückzuführen. Insbesondere Patienten mit schwerer psychischer Störung haben ein hohes Wiederaufnahmerisiko. Aufgrund des Kostendrucks
im Gesundheitswesen ist es erforderlich, vermeidbare Wiederaufnahmen zu verhindern und die betroffenen Patienten im Rahmen
von ausserstationären Angeboten zu versorgen. Dies setzt umfassendes Wissen über die Prädiktoren von Wiederaufnahmen voraus.
Ziel dieser Studie ist es, mögliche klinische und soziale Einfluss­
faktoren auf die Wiederaufnahme zu untersuchen.
Methode: Über einen Zeitraum von 12 Monaten nach Klinikent-
lassung wurden die Daten von 103 Patienten mit chronischer Schizophrenie erhoben. Das Untersuchungsgebiet war die Stadt Mannheim. Mögliche Prädiktoren der Zeit bis zur nächsten stationären
Aufnahme in die Psychiatrie wurden mit dem statistischen Verfahren „time hazards model“ (Survivalanalyse) untersucht. Es wurden
zeitabhängige und zeitunabhängige Variablen in die Analysen einbezogen (z. B. auch der Versorgungsbedarf, der mit dem “MRC
Needs for Care Assessment (NCA)“ gemessen wurde).
Diskussion / Ergebnisse: Knapp 50 % der Patienten hatten eine
Wiederaufnahme im Untersuchungszeitraum. Insbesondere in den
ersten Wochen nach Klinikentlassung bestand ein hohes Wiederaufnahmerisiko in die Psychiatrie. Vorhandener Versorgungsbedarf erhöhte das Wiederaufnahmerisiko, während Medikamentencompliance das Risiko deutlich reduzierte. Weiterhin zeigte sich ein
Interaktionseffekt der Variablen Zeit und soziale Unterstützung.
Das Risiko einer Wiederaufnahme reduzierte sich bei Patienten mit
viel sozialer Unterstützung im Laufe der Zeit. Damit tragen klinische und soziale Faktoren zur Wiederaufnahme bei und liefern
Hinweise für präventive Massnahmen.
Freitag, 27. 11. 2009, 08.30 – 10.00 Uhr, Salon 20
FV-008 Sitzung Freier Vorträge
Psychotische Erkrankungen 1
Vorsitz: I.-G. Anghelescu (Berlin), C. Mulert (München)
001
Der COMT Val108 / 158Met Polymorphismus und Volumina im
medialen Temporallappen bei Patienten mit Schizophrenie und
gesunden Kontrollen
Stefan Ehrlich (Harvard Medical School, Massachusetts General Hospital Charité – Universitätsmedizin, Charlestown, Massachusetts, USA)
E. Morrow, J. Roffman, A. Lundquist, B.-C. Ho, T. White, V. Calhoun,
R. Gollub, D. Holt
Einleitung: Veränderungen der Anatomie und Physiologie des
Hippocampus und der Amygdala bei Patienten mit Schizophrenia
korrelieren mit Defiziten bei der Emotionsverarbeitung. Möglicherweise handelt es sich bei der fortschreitenden Atrophie von
Hippocampus und Amygdala um einen der wichtigsten pathophysiologischen Prozesse bei Schizophrenie. Der funktionell relevante
Val108 / 158Met Polymorphismus, im Catechol-O-methyltrans­
ferase (COMT) Gen hat ebenfalls einen Einfluss auf die Funktion
der o.g. Hirnregionen. Auswirkungen auf die Hirnstruktur dagegen
sind weitesgehend unklar. In der vorliegenden multizentrischen
Studie wurde der Einfluss des COMT Val108 / 158Met Polymorphismus auf Volumina von Amygdala und Hippocampus bei Pa­
tienten mit Schizophrenie und gesunden Kontrollen gemessen.
Methode: Bei 98 Patienten mit Schizophrenie und 114 gesunden
Kontrollen wuden T1-gewichtete MRT und Genotyp-Daten erhoben. Die Volumina von Amygdala und Hippocampus wurden mit
einer atlas-basierten Software (Freesurfer) automatisch bestimmt.
Die Anzahl der COMT met Allele wurde als additiver Effekt modelliert und Alter, Geschlecht, intrakranielles Volumen und
Studien­zentrum dienten als Kontrollvariablen.
Diskussion / Ergebnisse: Es zeigte sich ein robuster linearer Zusammenhang zwischen dem COMT Val108 / 158Met Polymorphismus und Amygdala- sowie Hippocampus-Volumina. Nach Ergebnissen des statistischen Modells war das Met-Allel jeweils mit einem
44.4 mm3 höherem Volumen der rechten Amygdala, 64.6 mm3
höherem Volumen der linken Amygdala und 93.0 mm3 höherem
Volumen des rechten Hippocampus signifikant assozziert. Ein Ein-
83
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
fluss auf das Volumen des gesamten Gehirns oder präfrontaler
Regionen bestand dagegen nicht. Diese Assoziationen zeigten sich
sowohl bei Patienten als auch bei gesunden Kontrollen. Möglicherweise führen eine geringere COMT Aktivität (Met Allel) und die
daraus resultierenden erniedrigten extrazellulären Dopaminspiegel
zu Veränderungen während der Hirnentwicklung und -reifung.
002
Oberflächenbasierte Detektion und Quantifizierung der kortikalen Ausdünnung bei ersterkrankten Patienten mit Schizophrenie
und Bezüge zur Ausprägung der Negativsymptomatik
C. Christoph Schultz (Friedrich-Schiller-Universität, Universtiäts­
klinik für Psychiatrie, Jena)
K. Koch, G. Wagner, M. Roebel, I. Nenadic, C. Schachtzabel, H. Sauer,
R. Schlösser
Einleitung: Oberflächenbasierte MRT-Studien zeigen, dass Patienten mit Schizophrenie insbesondere fronto-temporal eine kortikale
Ausdünnung gegenüber gesunden Kontrollprobanden aufweisen.
Studien zur kortikalen Ausdünnung bei ersterkrankten Patienten
mit Schizophrenie nutzen überwiegend ROI basierte Auswertestrategien und nur vereinzelt Analysen, die den gesamten kortikalen
Mantel abdecken. Bisher gibt es zudem keine Studien die bei Erst­
erkrankten die kortikale Ausdünnung automatisiert, d. h. ohne manuelles Tracing exakt quantifizieren und daher ein genaues Abbild
liefern, wie stark die unterschiedlichen Hirnregionen von der kortikalen Ausdünnung betroffen sind. Darüberhinaus ist es unklar,
inwieweit die kortikale Ausdünnung bei Ersterkrankten in Verbindung mit der Ausprägung der Psychopathologie steht.
Methode: Wir untersuchten 54 Patienten, die erstmalig an einer
Schizophrenie erkrankt waren und 54 gesunde Kontrollen (nach
Alter und Geschlecht gematched) mittels 1,5 T hochauflösender
MRT. Die kortikale Dicke wurde als kürzeste Distanz zwischen der
Grenze graue / weiße Substanz und der pialen Oberfläche automatisiert (FreeSurfer software) berechnet. Kortikale statistische Maps
wurden erstellt, um signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen darstellen zu können. Wir führten ein automatisches Clustering durch, um die kortikale Ausdünnung exakt und ohne manu­
elles Tracing errechnen zu können. Zusätzlich teilten wir die
Patientengruppe in zwei Subgruppen auf, die sich in der Stärke der
Negativsymptomatik signifkant unterschieden (median split).
Diskussion / Ergebnisse: Erstkrankte wiesen im Vergleich zu den
gesunden Kontrollen eine kortikale Ausdünnung in mehreren Hirn­
arealen auf: ventrolateral, dorsolateral präfrontal, orbitofrontal, anteriores Cingulum, temporaler und inferior parietaler Cortex. Die
stärkste kortikale Ausdünnung zeigte sich orbitofrontal (7,1 %),
während die anderen Hirnregionen eine Ausdünnung zwischen
4,4 % und 5,7 % aufwiesen. Im Vergleich der beiden Subgruppen
der Patienten mit Schizophrenie, zeigten die Patienten mit stärkerer Negativsymptomatik einen dünneren ventrolateralen und orbitofrontalen Cortex. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß sich
eine signifikante kortikale Ausdünnung in verschiedenen Hirnregionen bereits bei Ersterkrankten feststellen läßt. Zudem zeigt sich
ein Zusammenhang zwischen der kortikalen Ausdünnung und der
Stärke der Negativsymptomatik. Kortikale Ausdünnung scheint
somit nicht Ausdruck von Krankheitsprogression oder Artefakt
neuroleptischer Medikation zu sein, sondern ein genuiner Link zu
neuropathologischen Prozessen der Schizophrenie.
003
Die periodische Katatonie: Identifizierung neuer Loci in einer genomweiten Assoziationsstudie mit DNA-Pooling
Gerald Stöber (Universität Würzburg, Klinik für Psychiatrie)
D. Schanze, A. Ekici, S. Uebe, M. Gawlik, B. Pfuhlmann, A. Reis
Einleitung: Das Krankheitsbild der periodischen Katatonie (MIM
605419) zeigt einen schubförmigen Verlauf mit psychomotorischen
84
Erregungen mit grimassierenden Gesichtsbewegungen, Parakinesen sowie akinetischen Zustandbildern mit steifer, maskenartiger
Mimik, motorischen Iterationen und Stereotypien. In genomweiten
Kopplungsstudien hatten wir in Mehrgenerationenfamilien eine
signifikante Kopplung auf Chromosom 15q15 aufdecken können,
bei Evidenz für genetische Heterogenität. In der 10Mbp großen
Kandidatenregion hatten wir krankheitsassoziierte Punktmuta­
tionen weder in kodierenden Regionen noch hoch-konservierten
Bereichen finden können. In einem nächsten Schritt führten wir
eine genomweite Assoziationsstudie mit Einzelmarker-(SNP)Microarray und DNA pooling (SNP-MaP) mit 500K SNP Affy­
metrix Arrays durch.
Methode: In drei biologischen Replikaten poolten wir DNA von
245 Fällen (n= 84, 84, 77) und 217 Kontrollen in zwei Replikationssätzen (n= 108, 108). Ebenso wurden für jeden Pool technische Replikate durchgeführt. Die Daten der Arrays wurden mit einer modifizierten Version von GenePool (Pearson et al. 2007) ausgewertet
und mit dem Graphikprogramm GPGraphics (Uebe et al. 2009)
visualisiert. Die Mittelwerte der relativen Allelsignalwerte aus den
technischen Replikaten wurden jeweils zwischen Fallpool und
Kontrollpool verglichen. Mit einem 5-SNP Sliding Window-Verfahren wurden Cluster potentieller assoziierter Loci definiert, wenn
sie sich in allen biologischen Replikaten nachweisen ließen. Die
Daten aus dem SNP-MaP wurden in potentiell assoziierten Loci
nachfolgend mit SNP-Analyse mit TaqMan Assays verifiziert. In
einer erweiterten Stichprobe (344 Fälle; 585 Kontrollen) wurden
fünf ausgewählte Loci untersucht, in zwei Loci fanden sich signifikante Assoziationen auf dem Einzelmarkerniveau (p= 0.0002) und
Haplotypniveau (P= 0042), auch nach Korrektur mit Permutationsanalyse (Pc= 0.0007; Pc= 0.023).
Diskussion / Ergebnisse: Die Studie zeigte zum einen die Reliabilität des DNA-Pooling Ansatzes für genomweite Assoziationsanalysen (GWAS) und zum anderen die Möglichkeit, mit DNA-Pooling
und genomweiten SNP-Microarray Analysen genetische Loci auch
bei komplexen Krankheiten zu detektieren. Die mit periodischer
Katatonie assoziierten Loci aus der GWAS werden derzeit weiter
analysiert.
004
Faszilitierte synaptische Plastizität an subikulären Synapsen im
MK-801 Modell der Psychose
Julia Bartsch (Charité Universitätsmedizin, Klinik für Psychiatrie
und Psychotherapie, Berlin)
J. Behr
Einleitung: Wegen der guten Wirksamkeit von DopaminrezeptorAntagonisten in der Behandlung der Schizophrenie wurde über
Jahrzehnte eine Überfunktion des Dopaminsystems für die Symptome der Erkrankung verantwortlich gemacht. Aufgrund klinischer
und experimenteller Daten wird allerdings zunehmend eine Unterfunktion der glutamatergen NMDA-Rezeptoren als weitere mögliche Ursache der Schizophrenie gesehen. Dementsprechend versuchen neuere Schizophreniemodelle beide Konzepte zu integrieren.
Die Applikation des NMDA-Rezeptorantagonisten Phencyclidin
(PCP) verursacht beim gesunden Menschen eine Vielzahl an schizophrenieähnlichen Symptomen und führt bei Patienten mit Schizophrenie zu einer Exazerbation der Erkrankung. Da die Applikation von PCP sowie des verwandten Rezeptorliganden MK-801
z. T. vergleichbare Symptome beim Tier verursachen, dienen PCPund MK-801-behandelte Tiere als valide Tiermodelle der Schizophrenie.
Methode: In der vorliegenden Studie untersuchten wir, ob diese im
Tiermodell beobachtbaren Symptome mit Veränderungen der sy­
naptischen Plastizität im Hippokampus einhergehen. 3 bis 6 Wochen alten Wistar-Ratten wurde einmalig intraperitoneal MK-801
(5mg pro kg Körpergewicht) appliziert. 24 Stunden später wurden
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
an hippokampalen Hirnschnitten Einzelzellableitungen durchgeführt. In allen Regionen des Hippokampus untersuchten wir die
Induktion von synaptischer Langzeitpotenzierung.
Diskussion / Ergebnisse: Die mit MK-801 behandelten Ratten
zeigten Verhaltensauffälligkeiten, die innerhalb von 24 Stunden
rückläufig waren. Auf zellulärer Ebene beobachteten wir selektiv im
Subikulum, nicht aber in der Area dentata, der Area CA3 und CA1
eine D1 / D5-dopaminrezeptorabhängige faszilitierte synaptische
Plastizität, die mit einer Aktivierung der cAMP-Proteinkinase
A-Signalkaskade einherging. Das Subikulum ist die wesentliche
Ausgangsstruktur des Hippokampus und nimmt eine Schlüsselfunktion in der Informationsverarbeitung vom Hippokampus zur
ventralen tegmentalen Area (VTA) ein. Es aktiviert die dopaminerge Schleife, woraufhin unter Freisetzung von Dopamin selektiv im
Bereich der CA1-Subikulum Synapse eine Potenzierung des hippokampalen Ausgangs möglich ist. Die von uns im MK-801 Modell
gesehene faszilitierte synaptische Plastizität könnte somit zu Symptomen der Schizophrenie beitragen, die mit Störungen im Hippokampus-VTA-Regelkreis in Verbindung gebracht werden.
005
Psychose als Resultat einer Gen-Umweltinteraktion des COMT
Val158Met Polymorphismus und Stress: Eine Experience Sampling
Studie
Dina Collip (Eschweiler)
R. van Winkel, O. Peerbooms, J. van Os, I. Myin-Germeys
Einleitung: Verschiedene Studien ergaben Hinweise auf Gen-Umweltinteraktionen in der Entstehung von psychotischen Störungen.
Insbesondere der Cathechol-O-Methyltransferase Val158Met Polymorphismus (COMT) ist ein vielversprechender Kandidat, der die
genetischen Effekte von Stress auf Psychose zu moderieren scheint.
In Bezug auf die Richtung des Effekts von COMT Val158Met ergeben sich jedoch widersprüchliche Resultate. Während diverse Studien Val/Val Genotypen ein gesteigertes Psychoserisiko zuordnen,
zeigen Ergebnisse aus anderen Studien, dass Met/Met Genotypen
eine höhere Stress-Psychosereaktivität besitzen. Die jetzige Studie
versucht diese Gen-Umwelt-Interaktion im Kontext des alltäglichen Lebens, und deren dynamische Effekte, aufzudecken.
Methode: Bei 89 Patienten mit nicht-affektiver psychotischer Störung und 127 gesunden Probanden wurde an 6 aufeinanderfolgenden Tagen die Experience Sampling Methode (ESM) angewandt.
Mit dieser strukturierten Tagebuchmethode wurden Stress und sowohl emotionale, als auch psychotische Erfahrungen des täglichen
Lebens ermittelt. Mit linearen multilevel Regressionsanalysen wurden Moderationen von stressinduzierten psychotischen Phänomenen durch den COMT Val158Met Genotypen geprüft.
Diskussion / Ergebnisse: In der Patientengruppe zeigte sich eine
signifikante Interaktion zwischen COMT Val158Met Genotype
und Stress (χ2 (2) = 9.41, p<0.00), jedoch nicht in der Kontrollgruppe (χ2 (2) = 4.53, p=0.10). Patienten mit dem Met / Met Genotyp zeigten mehr psychotisches Erleben in Reaktion auf alltägliche
Stressoren. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass, in der Patientengruppe, der COMT Val158Met Polymorphismus psychotische
Stressreaktionen moderiert und sind daher ein
006
Membranbiochemie des “At Risk Mental State” – Therapeutische
Implikationen
Stefan Smesny (Universitätsklinikum Jena, Klinik für Psychiatrie)
B. Milleit, M. Schäfer, C. Milleit, M. Otto, U.-C. Hipler, H. Sauer,
P. Amminger
Einleitung: Störungen im Ab- und Umbau von Membranlipiden
wurden bei Schizophrenie vielfach repliziert („Membranlipidhypothese). Verminderte mehrfach ungesättigte Fettsäuren in Blutzellmembranen, gesteigerte Phospholipase A2-Aktivität (PLA2) und
gestörte Hautrötung auf Niacin-Stimulation bilden periphere Korrelate dieser Störung. Durch add-on Substitution von Omega-3
Fettsäuren (Eicosapentaensäure, EPA) bei schizophrenen Patienten
konnten Verbesserungen der psychischen Symptomatik, sowie
auch eine Normalisierung dieser peripheren biologischen Abweichungen erzielt werden. Durch Untersuchungen bei 59 Risikoprobanden, 31 unmedizierten ersterkrankten schizophrenen Patienten
und 31 gesunden Kontrollprobanden sollte in dieser Studie geklärt
werden, ob bereits im „at risk“ Stadium psychotischer Erkrankungen ähnliche Abweichungen wie bei Patienten nachweisbar sind
und ob mittels Substitution von EPA hierauf Einfluss genommen
werden kann.
Methode: Untersuchungen der Niacin-Hautsensitivität erfolgten
mittels Methylnicotinat in vier Konzentrationsstufen und über vier
5minütige Intervalle mittels einer visuellen 7-Punkt Rating-Scale.
Die Untersuchung des Fettsäureprofils in Erythrozytenmembranen
erfolgte gaschromatographisch, die Bestimmung intrazellulärer
Kalzium-unabhängiger PLA2 Aktivität im Blutserum mittels eines
fluorometrischen Assays. Zur Risikobeurteilung bei „at risk“ Pa­
tienten kam die CAARMS, zur Beurteilung der Psychopathologie
bei bereits Erkrankten die BPRS und PANSS zur Anwendung. Die
Gabe von EPA erfolgte doppelblind und Placebo kontrolliert.
Diskussion / Ergebnisse: Ersterkrankte Patienten zeigten in Übereinstimmung mit Vorbefunden eine verminderte Niacin-Haut­
rötung. Bei „at risk“ Patienten konnte hingegen eine gesteigerte
Rötungsreaktion festgestellt werden. Bei Risikoprobanden fanden
sich Assoziationen zwischen der Niacin-Sensitivität und solchen
Omega-6 Fettsäuren, die als Prostaglandin-Vorstufen dienen. Diese
Omega-6 Fettsäuren waren auch mit der PLA2-Aktivität assoziiert.
Unter Gabe von EPA kam es zu einem Anstieg der Omega-6 Fettsäuren und einer Verminderung der PLA2-Aktivität. In der EPAVerumgruppe kam außerdem seltener zur akut psychotischen Exacerbation. Die Ergebnisse deuten bereits bei Risikoprobanden auf
Veränderungen im Abbauweg der Membranlipide hin und unterstützen den postulierten Zusammenhang mit verändertem Fettsäureprofil und Prostaglandin-vermitteltem Signalling. EPA greift in
diese biochemischen Interaktionen erkennbar ein und senkt das
Risiko einer psychotischen Exacerbation.
Freitag, 27. 11. 2009, 15.30 – 17.00 Uhr, Salon 15/16
FV-012 Sitzung Freier Vorträge
Psychotische Erkrankungen 2
Vorsitz: D. Rujescu (München), U. Lang (Berlin)
001
Untersuchung der Beziehung zwischen Neurokognition, sozialer
Kognition und psychosozialem Funktionsniveau bei schizophren
Erkrankten mittels Strukturgleichungsmodellen
Stefanie Schmidt (UPD Bern, Therapieforschung, Schweiz)
D. Müller, V. Roder
Einleitung: Bei Patienten mit der Diagnose Schizophrenie konnten
neuro- und sozialkognitive Defizite nachgewiesen werden, die für
die psychosoziale Funktionsfähigkeit und die Therapieansprechbarkeit eine beeinträchtigende Rolle spielen. Empirische und theoretische Befunde deuten darauf hin, dass es sich bei dem Bereich
der sozialen Kognitionen um ein von neurokognitiven Funktionen
getrenntes Konstrukt handelt, das aber bedeutsame Zusammenhänge mit der Neurokognition und dem psychosozialen Funk­
tionsniveau aufweist und daher die Beziehung zwischen diesen
vermitteln könnte.
85
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
Methode: Ziel dieser Studie war es, mittels der Anwendung von
Strukturgleichungsmodellen (SEM) zunächst zu untersuchen, ob
Neuro- und soziale Kognition besser als zwei getrennte Konstrukte
oder als ein Ein-Faktoren-Modell modelliert werden sollten. Im
nächsten Schritt wurde sowohl im Quer- als auch im Längsschnittmodell die Hypothese geprüft, dass es sich bei der sozialen Kognition um eine Mediatorvariable der Beziehung zwischen Neurokognition und psychosozialem Funktionsniveau handelt. Im Rahmen
einer internationalen Multicenterstudie wurde dafür eine umfangreiche neuro- und sozialkognitive Testbatterie erhoben. Für die
Auswertungen gelang es eine große Stichprobe von 141 (Querschnitt) bzw. 61 (Längsschnitt) ambulanten oder teilstationären
Patienten mit der Diagnose einer Schizophrenie nach DSM-IV-TR
oder ICD-10 zu gewinnen.
Diskussion / Ergebnisse: Konfirmatorische Faktorenanalysen führ­
ten zu dem Ergebnis, dass ein Zwei-Faktoren-Modell einem EinFaktorenmodell aufgrund des besseren Modellfits und der günstigeren Fit-Indizes vorzuziehen ist. Evidenz fand sich zudem für die
Funktion der sozialen Kognition als Mediatorvariable. So wies das
Mediatormodell eine gute Passung mit den Daten durch den insignifikanten χ²-Tests und gute Fit-Indizes auf. Der vorher signifikante und direkte Effekt der latenten Variable Neurokognition auf das
psychosoziale Funktionsniveau wurde im Mediatormodell vollständig durch die soziale Kognition vermittelt und erreichte nicht
mehr das Signifikanzniveau. Dies war sowohl für das gegenwärtige
als auch das prospektive Funktionsniveau nach 15 Wochen zutreffend. Aus diesen Ergebnissen lassen sich klinische Implikationen
für die therapeutische Umsetzung in integrierte Ansätze, die neuround sozialkognitive Defizite und Ressourcen anzielen, ableiten.
002
Videobasierte Erfassung von motorischem Ausdrucksverhalten
und Psychopathologie bei schizophrenen Störungen
Zeno Kupper (Universitätsklinik, und Poliklinik für Psychiatrie, Bern,
Schweiz)
F. Ramseyer, S. Kalbermatten, H. Hoffmann, W. Tschacher
Einleitung: Das motorische Ausdrucksverhalten ist durch schizophrene Störungen deutlich betroffen. Auffälligkeiten im nonverbalen Verhalten wurden seit jeher als diagnostisch wichtig eingestuft.
Sie weisen deutliche Beziehungen zu negativen Symptomen und zu
Einschränkungen im Funktionsniveau auf. Allerdings sind tradi­
tionelle Methoden zur Bewegungsmessung teuer, zeitaufwändig
und außerhalb von experimentellen Settings oft nicht anwendbar.
Obwohl nonverbales Verhalten und die Motorik allgemein als klinisch und theoretisch wichtig eingestuft wurden, waren daher empirische Zugänge meist auf einschätzungsbasierte Verfahren beschränkt.
Methode: Die Motion Energy Analyse (MEA) bezieht sich auf eine
neuartige Methode, durch die Körperbewegungen objektiv aufgrund gewöhnlicher Videoaufnahmen quantifiziert werden können. In der vorliegenden Studie wurden kurze Rollenspielsequenzen mit 30 stabilisierten Patienten mit schizophrenen Störungen
analysiert. Korrelationen zwischen den Bewegungsparametern
(prozentualer Anteil der Zeit mit Bewegung und Bewegungsgeschwindigkeit) und Symptomeinschätzungen aus unabhängigen
PANSS-Interviews wurden berechnet. Die Bewegungsarameter erwiesen sich als ausgesprochen reliabel über 14 Szenen pro Patient.
Diskussion / Ergebnisse: Sowohl reduzierte Bewegung als auch
reduzierte Bewegungsgeschwindigkeit korrelierten mit negativen
Symptomen und mit bestimmten allgemeinen Symptomen, z. B.
Depression und motorischer Verlangsamung. Patienten die in weniger als 20 % der Zeit Bewegung zeigten, wiesen mit einer hohen
Wahrscheinlichkeit Negativsymptome auf. Misstrauen korrelierte
mit eingeschränkten Kopfbewegungen, während der Ausdruck von
ungewöhnlichen Denkinhalten mit verstärkter Ausdrucksmotorik
86
korrelierte. Insgesamt fand sich eine deutliche und theoretisch
sinnvolle Übereinstimmung zwischen den objektiven Bewegungsparametern und den Symptomprofilen. Die MEA-Methode er­
möglicht die Quantifizierung nonverbalen Verhaltens und von
Körperbewegungen allgemein basierend auf gewöhnlichen Videoaufnahmen. Motorisches Ausdrucksverhalten scheint ein vielversprechender Marker für die Ausprägung von Symptomen schizophrener Störungen zu sein.
003
Störung kortikaler Mechanismen langsamer Augenfolgebewegun­
gen bei schizophrenen Patienten. Eine event related fMRT-Studie
Matthias Nagel (Universität Lübeck, Psychiatrie und Psychotherapie)
A. Sprenger, F. Binkofski, R. Lencer
Einleitung: Die Störung der langsamen Augenfolgebewegungen
stellt ein häufiges neurophysiologisches Defizit bei schizophrenen
Patienten dar. Die Patienten zeigen verlangsamte Augenfolgegeschwindigkeiten und vermehrt Aufholsakkaden im Vergleich zu
Normalprobanden. Ziel der Studie war es, die kortikalen geschwindigkeitsabhängigen Pathomechanismen dieses Defizits zu unter­
suchen.
Methode: Eingeschlossen wurden 20 männliche Normalprobanden
und 19 Patienten mit der Diagnose einer Schizophrenie nach DSMIV. Die Patienten waren auf eine Dauermedikation bestehend aus:
Quetiapin (7), Amisulprid (5), Olanzapin (4), Ziprasidon (2), Abilify (1) eingestellt. Ausschlusskriterium war die Einnahme von Risperidon, Clozapin oder Lithium. Das Paradigma bestand aus einem
Zielpunkt, der sich in einem Winkel von 40° horizontal von rechts
nach links bewegte (Richtung: balanciert). Der Zielpunkt wurde
mit vier verschiedenen Geschwindigkeiten präsentiert (5, 10, 15,
20°/s). Die Probanden hatten die Aufgabe, dem Zielpunkt mit den
Augen kontinuierlich zu folgen. Wir wählten ein event related design und die Auswertung der Bildgebungsdaten erfolgte mit SPM2.
Die Augenbewegungen wurden im MRT aufgezeichnet. Bei der
Auswertung wurde die Geschwindigkeit des Zielpunktes mit der
Aktivierung der kortikalen Areale korreliert. (MRT: 3Tesla, 38 x
3 mm, 158 Volumes *4 sessions, TR 2,62) .
Diskussion / Ergebnisse: Bei beiden Gruppen war das frontale
Augenfeld (FEF), der intraparietale sulcus (IPS) und V1 sowie V5
aktiviert gleichermaßen aktiviert, was gegen ein Perzeptionsdefizit
in diesen Arealen spricht. Beim Vergleich beider Gruppen war das
Putamen (Abb. 2) und das supplementäre Augenfeld (SEF) und das
Cerebellum (Abb. 3) bei den Normalprobanden stärker aktiviert als
bei den Patienten. Die verminderte SEF Aktivierung bei den Patien­
ten lässt auf eine frontale Dysfunktion einschließlich Prädiktion
und Lernen schließen. Die Minderaktivierung des Putamens könnte dafür sprechen, dass bei den Patienten eine Defizit im Bereich
der Feedback- Schleife zwischen vom FEF e Putamen e Thalamus
e FEF besteht. Die Minderaktivierung im Cerebllum spricht für
das Konstrukt der kognitiven Dysmetrie von Adreasen.
004
Selbstwahrnehmung, Emotion und Gedächtnis bei Schizophrenie
Katharina Pauly (RWTH Aachen Universität, Psychiatrie und Psychotherapie)
T. Kircher, J. Weber, F. Schneider, U. Habel
Einleitung: Der „Selbstreferenz-Effekt“ umschreibt die Tatsache,
dass Informationen, welche man zuvor auf die eigene Person bezogen hat, besser erinnert werden können. Bei Patienten mit Schizophrenie kann es zu einer veränderten Selbstzuschreibung eigener
Gedanken und Handlungen kommen. Dies könnte sich auch abträglich auf den Selbstreferenzeffekt auswirken. Einen Einfluss
kann aber auch die emotionale Konnotation des Materials haben.
Die neuralen Korrelate solcher potentiellen Effekte sind bisher
nicht hinreichend geklärt.
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
Methode: 15 Patienten mit Schizophrenie sowie 15 gesunde Kon­
trollen mussten in zwei Bedingungen angeben, ob gewisse positive
oder negative Persönlichkeitseigenschaften auf sie zutrafen oder
nicht bzw. ob dies für eine nahestehende Person der Fall war. Eine
lexikalische Aufgabe diente als Kontrollbedingung. Eine nicht angekündigte Wiedererkennungsaufgabe schloss an das Paradigma
an. Mittels ANCOVAs wurde der Einfluss der Faktoren Gruppe,
Emotion und Referenz untersucht. Die Symptomausprägung der
Ich-Störungen wurde korreliert mit dem Anteil an korrekt wiedererkannten zuvor selbstbezogener Wörtern. Jeweils 12 weitere Pa­
tienten und Gesunde führten das Experiment in einem 1,5 T Kernspintomographen durch.
Diskussion / Ergebnisse: Verglichen mit Gesunden zeigten Patienten mit Schizophrenie einen negativen Bias bei der Einschätzung
ihrer eigenen oder einer nahestehenden Person. Adjektive konnten
nach vorhergehendem Bezug auf eine Person (Selbst, Anderer) besser erinnert werden als lexikalisch verarbeitete Wörter, was für eine
höhere Verarbeitungstiefe spricht. Die Patienten gaben bei der
Wiedererkennungsaufgabe weniger korrekte Antworten und das
Ausmaß der Ich-Störung korrelierte negativ mit dem Prozentsatz
richtig erinnerter zuvor selbstbezogener negativer Persönlichkeitseigenschaften. Symptome, die sich abträglich auf die Selbstzuschreibung selbst-generierter Gedanken oder Handlungen auswirken, beeinträchtigen somit auch das selbstreferentielle Gedächtnis.
Die Ergebnisse aus der assoziierten fMRT-Untersuchung legen insbesondere verminderte medial präfrontale Aktivierungen bei schizophrenen Patienten nahe, während der Präsentation zuvor auf
sich selbst bezogener Stimuli. Danksagung: Unterstützt vom
START-Nachwuchsprogramm der Medizinischen Fakultät der
RWTH Aachen University (112 / 05) und der DFG (IRTG 1328,
KFO 112).
005
Die Mismatch Negativity bei Patienten mit Erstmanifestation einer
Schizophrenie und Personen mit klinisch erhöhtem Psychoserisiko
Mitja Bodatsch (Universität zu Köln, Psychiatrie und Psychotherapie)
S. Ruhrmann, M. Wagner, J. Brinkmeyer, I. Frommann, F. SchultzeLutter, R. Müller, W. Wölwer, J. Klosterkötter, A. Brockhaus-Dumke
Einleitung: Störungen kognitiver Funktionen lassen sich vor und
nach Erstmanifestation der Schizophrenie nachweisen, wobei sowohl höhere kognitive Fähigkeiten als auch frühe sensorische Verarbeitungsprozesse verändert sind. Die Elektroenzephalographie
(EEG) erlaubt über Ereignis-korrelierte Potenziale (EKP) einen
Einblick in die frühe sensorische Prozessierung. Die sog. Mismatch
Negativity (MMN) wird als Ausdruck der präattentiven Reizverarbeitung verstanden und als ein Indikator der automatischen, kontext-abhängigen Informationsverarbeitung und des auditorischen
sensorischen Gedächtnisses konzeptualisiert. An der Generation
der MMN sollen primäre auditorische und frontale Kortizes beteiligt sein. Eine Beteiligung des Glutamat- / N-Methyl-D-Aspartat(glu / NMDA)Systems wird hypostasiert.
Methode: Die MMN bei Personen mit Verdacht auf ein frühes
(EIPS, n=23) oder spätes (LIPS, n=45) Prodromalstadium für die
Entwicklung einer psychotischen Störung (gemäß den Kriterien
des Kompetenznetzes Schizophrenie) sowie bei unmedizierten
ersterkrankten Patienten mit einer Schizophrenie (n=26) wurde
mit der MMN bei gesunden Kontrollprobanden (n=52) verglichen.
Die Risikopersonen (n=47) wurden über 2 Jahre nachverfolgt. Zur
Untersuchung wurde ein auditorisches odd-ball-Paradigma verwendet. Die EEG-Aufzeichnung erfolgte mit Cz als Referenzelektrode bei einer Aufzeichnungsrate von 250 Hz (Impedanz <5kΩ).
Die Stimuli wurden randomisiert über Kopfhörer präsentiert. Die
Re-Referenzierung erfolgte auf verbundene Mastoide. Differenzen
der MMN wurden mit GLM für Wiederholungsmessungen über
die Elektroden F3, Fz, F4, C3, Cz und C4 gerechnet.
Diskussion / Ergebnisse: In unserer Untersuchung war die MMNAmplitude bereits in putativen Vorstadien einer Psychose signifikant gegenüber gesunden Kontrollen vermindert. Hierbei zeigten
Probanden, die die Kriterien für ein mögliches frühes Prodrom einer psychotischen Störung erfüllten, gegenüber Gesunden eher geringe Veränderungen der MMN-Amplitude. Hingegen zeigten sich
signifikante Reduktionen der MMN-Amplitude bei Erfüllung der
Kriterien für ein mögliches spätes Prodrom psychotischer Störungen und bei erstmanifesten Patienten mit Schizophrenie. Auch bei
Patienten mit späterem Übergang in die Psychose fanden wir
gegenüber gesunden Kontrollen signifikant verminderte MMNAmplituden. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die MMN
zumindest bei erstmanifester Schizophrenie und in späten Risiko­
stadien einen Indikator der progressiven Störung basaler Informationsverarbeitungsprozesse darstellt.
006
Defizite inhibitorischer Handlungskontrolle bei Schizophrenie
Simon Eickhoff (Universitätsklinikum Aachen, Psychiatrie und Psychotherapie)
M. Dafotakis, S. Behrwind, E. Cieslik
Einleitung: Die Klinik schizophrener Patienten ist außer durch
produktiv-psychotisches Erleben stark durch die als Negativsymptome zusammengefassten Krankheitsfolgen bestimmt. Diese sind
dabei im Krankheitsverlauf stabiler als psychotische Symptome
und zeigen oft eine stetige Progredienz, welche eine bedeutende
Rolle für die sozio-ökonomische Prognose darstellt. Die vorliegende Studie untersuchte die inhibitorischen Handlungskontrolle schizophrener Patienten mit dem Ziel einer Differenzierung zwischen
psychomotorischen und kognitiven Defiziten.
Methode: Eingeschlossen wurden bisher 18 stationäre Patienten
(mittleres Alter: 36 ± 12 Jahre) mit remittierter chronischer paranoid-halluzinatorischer Schizophrenie (F20.0), sowie eine Gruppe
alters- und geschlechtsentsprechender gesunder Kontrollprobanden. Alle Patienten wurden mit atypischen Neuroleptika behandelt,
waren frei psychischer Komorbidität und für mindestens ein halbes
Jahr abstinent von illegalen Drogen. Patienten und Kontrollen
führten ein computerisiertes Stimulus-Response-Kompatibilitätsparadigma durch. Hierbei musste auf einen lateralisierten visuellen
Stimulus entweder mit der gleichseitigen oder der entgegen gesetzten Hand motorisch geantwortet werden.
Diskussion / Ergebnisse: In der kongruenten Aufgabe war die Fehlerrate der Patienten signifikant gegenüber der Kontrollgruppe erhöht, die Reaktionszeiten waren nicht signifikant unterschiedlich.
Beide Gruppen waren in der inkongruenten Bedingung signifikant
langsamer, was die die Unterdrückung reflexiver Handlungen und
die motorische Umorientierung widerspiegelt. Diese Wechselko­
sten waren über beide Gruppen identisch. Die Zunahme der Fehlerrate durch inkongruente Stimuli war jedoch bei den Patienten
signifikant höher als bei gesunden Probanden. Es kannte weiterhin
gezeigt werden, dass diese höhere Fehlerrate nicht durch eine erhöhte Impulsivität bedingt war, da Patienten und Kontrollen gleichermaßen auf inkongruente Stimuli schneller falsch als richtig
antworteten. Unsere Untersuchungen weisen darauf hin, dass ein
Aspekt der schizophrenen Negativsymptomatik eine differenzierte
Schwierigkeit in der adäquaten Berücksichtigung des Kontextes
(kongruenter oder inkongruenter Tastendruck) bei reaktiven Hand­
lungen zu sehen ist. Diese scheint dabei weder auf einem generellen
psychomotorischen Defizit zu beruhen, noch durch erhöhte Impulsivität bedingt zu sein, sondern könnte, wie frühere Ergebnisse aus
Antisakkadenparadigmen, auf eine Problematik bei der zentralen
Integration von Informationen hinweisen.
87
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
Freitag, 27. 11. 2009, 13.30 – 15.00 Uhr, Halle 11.1
P-008 Posterpräsentation / Poster Presentation
Psychotische Störungen 2 (Symptome / Komorbidität)
Vorsitz: F.-G. Pajonk (Liebenburg)
001
Kardio- respiratorische Kopplung kennzeichnet eine Suppression
der vagalen Aktivität in der akuten Schizophrenie
Sandy Berger (Uniklinik Jena, Psychiatrie)
J. Peupelmann, T. Rachow, V. Yeragani, K.-J. Bär
Einleitung: Veränderungen der Amygdala-Aktivität bei Patienten
mit Schizophrenie können Atmungsmuster und in der Folge auch
kardiovaskuläre Parameter beeinflussen. Daher war das Ziel unserer Studie, die Atmung und die Herzfrequenzkomplexität sowie die
Kopplung zwischen beiden Signalen zu untersuchen.
Methode: Wir schlossen 25 unmedizierte Patienten mit einer paranoiden Schizophrenie sowie 25 gesunde Kontrollprobanden in
unsere Studie ein. Bei den Teilnehmern beider Gruppen führten
wir ein EKG durch und erhoben die Atmungssignale. ApEn (approximate entropy) wurde sowohl für die Herzfrequenz (ApEnRR) als
auch für die Atemfrequenz (ApEnResp) berechnet. Anschließend
wurde cross-ApEn berechnet, welcher als nicht-linearer Parameter
die Kopplung zwischen diesen beiden Signalen widerspiegelt. Zusätzlich korrelierten wir die autonomen Parameter mit psychopathologischen Items aus SAPS (scale for the assessment of positive
symptoms), SANS (scale for the assessment of negative symptoms)
sowie PANSS (positive and negative syndrome scale).
Diskussion / Ergebnisse: Sowohl die Herz- als auch die Atemfrequenz war in der Gruppe der schizophrenen Patienten gegenüber
den Kontrollprobanden signifikant erhöht. Dagegen fanden wir in
der Patientengruppe einen signifikant verminderten ApEnRR sowie einen signifikant reduzierten cross-ApEn. Signifikante Korrelationen konnten zwischen Negativsymptomen und ApEnRR sowie
ApEnResp und zwischen ApEnResp und Positivsymptomen gefunden werden. Diese Ergebnisse weisen auf eine reduzierte Kopplung
zwischen Herzfrequenz und Atmung bei akut schizophrenen Pa­
tienten hin. Wir nehmen an, dass eine verminderte vagale Aktivität
im Hirnstamm dafür verantwortlich sein könnte. Außerdem zeigen
sie einen signifikanten Zusammenhang zwischen Positivsymptomen und der Regelmäßigkeit der Atmung, repräsentiert durch
ApEnResp, was eventuell einen direkten Einfluss von höheren Gehirnregionen auf die Regulierung der Atmung im Hirnstamm
widerspiegelt. Unsere Ergebnisse repräsentieren somit eine verminderte Inhibition der Kontrolle über den Hirnstamm während
der akuten Phase der Schizophrenie.
002
Verzerrter Attributionsstil bei Menschen mit Schizophrenie: Eigenschafts- oder Episodenmarker?
Sarah Randjbar (Universitätsklinik Hamburg UKE, Klinische Neuropsychologie W37)
R. Veckenstedt, F. Vitzthum, D. Roesch-Ely, U. Pfüller, S. Moritz
Einleitung: Zahlreiche Studien können einen veränderten Attri­
butionsstil bei Menschen mit Schizophrenie bestätigen. Mehrfach
wurde gefunden, dass Menschen mit paranoider Schizophrenie
dazu neigen, andere Personen für negative Ereignisse verantwortlich zu machen und teilweise positive Ereignisse verstärkt sich
selbst zuschreiben (sog. selbstdienlicher Zuschreibungsstil). Dem
gegenüber mehren sich Hinweise, die auf ein Gefühl des Kontrollverlustes bei akut paranoid wahnhaften Patienten deuten, d. h. eine
Tendenz positive wie negative Ereignisse external (andere Personen / Umstände) zu attribuieren. Im Rahmen der kognitiven Wahn-
88
forschung wird verzerrten Attributionsstilen eine wichtige Rolle
bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von Verfolgungswahn
zugesprochen. Allerdings ist die bisherige Studienlage noch sehr
uneinheitlich und die Frage, ob solche Veränderungen ein überdauerndes Merkmal (sog. Vulnerabilitätsindikator) oder einen Episodenmarker darstellen, ist noch nicht abschließend geklärt, ebenso wenig wie die Spezifität für Verfolgungs- vs. andere Wahnideen.
Ziel der vorliegenden Studie ist, den Attributionsstil im Hinblick
auf die veränderte Wahnsymptomatik longitudinal zu betrachten.
Zudem soll der Zusammenhang verschiedener Attributionsstile
und der akuten schizophrenen (Positiv-)Symptomatik sowie unterschiedlichen Wahnthemen genauer beleuchtet werden.
Methode: Zur Beantwortung der Fragestellung wurden 76 Patienten mit einer Störung aus dem schizophrenen Formenkreis und
30 gesunden Kontrollen eine modifizierte Version des Internal,
Personal and Situational Attributions Questionnaire (IPSAQ) zu
drei Untersuchungszeitpunkten (t0 = baseline, t1 = nach 4 Wochen,
t2 = nach 6 Monaten) vorgelegt. Die aktuelle Symptomatik der
Patienten wurde mit der Positive and Negative Syndrom Scale
(PANSS) sowie den Psychotic Symptom Rating Scales (PSYRATS)
erhoben.
Diskussion / Ergebnisse: Der Zusammenhang zwischen dem Attributionsstil und der akuten Wahnsymptomatik wird sowohl im
Querschnitt als auch im Längsschnitt analysiert. Die Ergebnisse
werden dargestellt und therapeutische Implikationen für die Behandlung werden abgeleitet.
003
Voreiliges Schlussfolgern bei Schizophrenie: Eine Untersuchung
der „liberal acceptance (LA)“- Hypothese mit einer neuartigen
Variante des Kugelparadigmas
Florian Scheu (Psychiatrische Uniklinik HD, Sektion Exp. Psycho­
pathologie, Heidelberg)
S. Moritz, J. Aghotor, R. Veckenstedt, U. Schweiss, V. Woerner,
U. Köther, M. Hoelzel, M. Weisbrod, D. Roesch-Ely, U. Pfüller
Einleitung: In einer Vielzahl empirischer Studien mit dem probabilistischen Kugelparadigma („beads task“) wurde nachgewiesen,
dass schizophrene Patienten im Vergleich zu gesunden Kontrollen
weniger Informationen heranziehen, um sich für eine der vorgegebenen Antwortalternativen zu entscheiden. Diesem sog. „jumping
to conclusions (JTC)“-Bias (Tendenz zu voreiligem Schlussfolgern)
wird im Rahmen kognitiver Theorien eine bedeutsame Rolle bei
der Entstehung und Aufrechterhaltung von Wahn zugeschrieben.
Die genauen Ursachen dieser kognitiven Verzerrung sind jedoch
bis heute unklar. Eine von unserer Arbeitsgruppe vorgeschlagene
Hypothese erklärt den JTC-Bias mit der Existenz einer liberaleren
Akzeptanzschwelle (LA). Nach dieser Hypothese genügt schizophrenen Patienten eine geringere subjektive Wahrscheinlichkeit,
um bestimmte Erklärungen als plausibel zu betrachten und zu
akzeptieren. Die LA-Hypothese trifft weiterhin die Vorhersage,
dass schizophrene Patienten den JTC-Bias nicht generell zeigen,
sondern nur unter besonderen Aufgabenbedingungen. Während
schnelle Entscheidungen nur unter geringer Ambiguität erwartet
werden, können bei hoher Ambiguität hingegen mehrere Antwortalternativen die liberale Akzeptanzschwelle überschreiten und dadurch eine frühe Entscheidung verhindern.
Methode: Um die Vorhersagen der LA-Hypothese zu überprüfen,
wurde eine neuartige und ökologisch validere Variante des klassischen Kugeltests entwickelt (Schafe-Test). Der Schafe-Test ermöglicht einen systematischen Vergleich des Entscheidungsverhaltens
in Abhängigkeit zweier Ambiguitätsdimensionen (Diskrepanz vs.
Anzahl der Antwortalternativen) und Ambiguitätsgrade (gering vs.
hoch). Mit dem Schafetest wurden 64 Patienten mit einer schizophrenen Spektrumsstörung (ICD-10: F2x) sowie 30 gesunde Kon­
trollprobanden untersucht.
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
Diskussion / Ergebnisse: Bei einer Zwischenauswertung einer Substichprobe von N=30 Schizophrenen und N=15 Gesunden zeigten
die vorläufigen Ergebnisse eine gegenüber den Gesunden signifikant erniedrigte Akzeptanzschwelle für schizophrene Patienten.
Ebenfalls hypothesenkonform war bei Schizophrenen eine geringere Akzeptanzschwelle mit schnelleren Entscheidungen und hohe
Ambiguität mit zögerlicherem Entscheidungsverhalten assoziiert.
Endgültige Ergebnisse werden auf dem Poster präsentiert.
004
Non-literal Language Comprehension in Schizophrenia: A review
of articles published between 1977 and 2009
Phöbe Schmierer (Stuttgart)
A. M. Rapp
Introduction: Deficits in the comprehension of non-literal lan­
guage (i. e. proverbs, metaphors, irony, sarcasm, and metonymies)
are a hallmark symptom of schizophrenia. The purpose of this study was to review articles on non-literal language comprehension in
schizophrenic patients. The reported data is part of a larger review
that examines published articles since 1931.
Method: The databases PubMed and PsychINFO were searched
systematically for articles reporting data on the comprehension of
non-literal language in schizophrenic patients.
Discussion / Results: 68 articles published between 1977 and 2009
were located. The reviewed studies comprise samples from 14 countries. Most samples (35) are from the USA. 28 samples are European, 4 Asian, and 1 is Australian. The majority of the studies (57 %)
examined English native speakers. 15 % examined German native
speakers. 44 studies used proverbs as stimuli, 16 studies metaphors,
11 irony, 4 idioms, 2 sarcasm, and 1 metonymies. 9 studies (13 % )
assessed the comprehension of more than one type of non-literal
language in their samples. Discussion: Despite decades of research
on non-literal language comprehension in schizophrenic patients,
there is still a severe lack of data. Most studies have focused on proverb comprehension in English or German speaking subjects. For
example we didn‘t find any studies on African or South American
patients and almost no studies on idiom, sarcasm or metonymy
comprehension. In addition to filling these gaps, future research
should adopt a longitudinal perspective and investigate non-literal
language comprehension over the course of the subjects‘ premorbid, acute and post-acute phases. Furthermore, the results are discussed in the context of recent studies on the function­al neuroanatomy of non-literal language comprehension. Newer research
suggests that different types of non-literal language in­volve different cognitive processes and have distinct neural correlates. Therefore, more studies that investigate different types of non-liter­al
language comprehension in the same sample are needed.
005
Aggression und Suizidalität bei schizophrenen Patienten mit komorbiden substanzbezogenen Störungen
Florian Gal (HSK, Psychiatrie Evangelische Stiftung, Hamburg)
U. Verthein, J. Reimer, A. Karow, I. Schäfer
Einleitung: Bei Patienten mit schizophrenen Störungen finden sich
hohe Raten komorbider substanzbezogener Störungen. Zahlreiche
Studien belegen, dass Patienten mit dieser Doppeldiagnose zusätzliche klinische Probleme aufweisen, etwa eine schwerere Symp­
tomatik und mehr suizidale Verhaltensweisen. Auch ein höheres
Ausmaß an Fremdaggression wurde wiederholt für Patienten mit
komorbider Substanzproblematik berichtet. Allerdings wurden
entsprechende Studien häufig im forensischen Kontext durchgeführt und erfassten gravierende, strafrechtlich relevante Verhaltensweisen. Ziel dieser Untersuchung war es deshalb, neben Sui­
zidalität auch mildere Formen aggressiven Verhaltens, die im
klinischen Alltag häufiger anzutreffen sind, bei Patienten mit und
ohne komorbide Suchtproblematik zu untersuchen.
Methode: N=247 stationär behandelte schizophrene Patienten
(n=174 mit und n=73 ohne komorbide substanzbezogene Störungen nach ICD-10) wurden anhand eines strukturierten klinischen
Interviews zu fremdaggressivem und suizidalem Verhalten befragt.
Der Substanzmissbrauch stellte sich wie folgt dar: Alkohol (47,7 %),
Cannabis (26,4 %), polyvalent (17,2 %), sonstiger (8,7 %). Zur
Fremdbeurteilung aggressiven Verhaltens wurden zudem Teile der
„Brief Psychiatric Rating Scale“ (BPRS) und die „Nurses‘ Obser­
vation Scale for Inpatient Evaluation“ (NOSIE) eingesetzt. Beide
Gruppen wurden in Bezug auf fremdaggressives Verhalten und
Suizidalität miteinander verglichen.
Diskussion / Ergebnisse: Während sich bezüglich fremdaggressiven Verhaltens anhand der verschiedenen Instrumente keine Unterschiede zwischen Patienten mit und ohne komorbide substanzbezogene Störung zeigten, waren in Bezug auf Suizidalität deutliche
Unterschiede festzustellen. Unter den Doppeldiagnosepatienten
fanden sich auf der Grundlage des klinischen Interviews signifikant
häufiger Suizidgedanken (χ²=7.0, df=2, p=0.03), Suizidpläne
(χ²=10.97, df=2, p=0.004) und Suizidversuche (χ²=6.75, df=2.00,
p=0.03) in der Vergangenheit. Die Ergebnisse weisen darauf hin,
dass aggressive Verhaltensweisen, wie sie im klinischen Alltag anzutreffen sind, bei Doppeldiagnosepatienten überschätzt werden
könnten. Autoaggression im Sinne von Suizidgedanken, -plänen
und -versuchen scheint hingegen bei Doppeldiagnosepatienten
weitaus stärker ausgeprägt zu sein und sollte bei dieser Patientengruppe besonders sorgfältig berücksichtigt werden.
006
Emotionswahrnehmung und -erleben bei schizophrenen und depressiven PatientInnen
Helmut Schöggl (Medizinische Universität Graz, Österreich)
A. Drekonja, B. Tschiggerl, R. Ille, H.-P. Kapfhammer, A. Schienle
Einleitung: PatientInnen mit schizophrenen und depressiven Erkrankungen zeigen vielfach Beeinträchtigungen bei der Interpretation emotionaler Gesichtsausdrücke sowie dem Emotionserleben,
z. B. weniger intensives Emotionserleben und Defizite bei der Kategorisierung von Basisemotionen. Bei beiden psychischen Störungen wurde ein erhöhter Angst- und Ärgerlevel nachgewiesen, bei
schizophrenen PatientInnen auch erhöhte Ekelempfindlichkeit.
Methode: Untersucht wurden 12 PatientInnen mit der Diagnose
einer paranoiden Schizophrenie, 12 PatientInnen mit depressiver
Episode sowie 12 psychisch gesunde Kontrollproband­Innen (KG)
mit vergleichbarem Alter, Geschlechterverteilung und sozioökonomischem Hintergrund. Als Stimulusmaterial wurden Bilder mit
affektiver Mimik (Basisemotionen: Angst, Ekel, Ärger, Traurigkeit,
Freude, Überraschung) und affektiv neutrale Gesichter sowie emotionsrelevante Szenen (Angst, Ekel, Freude) und affektiv neutrale
Bilder auf einem Computerbildschirm präsentiert. Die erlebte bzw.
bei den Gesichtern wahrgenommene Intensität der sechs Basisemotionen wurde auf visuellen Analogskalen bewertet. Zusätzlich
wurde eine Fragebogenbatterie zur Erfassung von Ekelempfindlichkeit, Ekelsensitivität, Ängstlichkeit, Angstsensitivität, Eigenschaftsärger, Ärgerausdruck und Depressivität vorgegeben.
Diskussion / Ergebnisse: Schizophrene und depressive PatientInnen gaben höhere Ängstlichkeit, Angstsensitivität, Ekelsensitivität
und Depressivität an als Personen der KG. Depressive PatientInnen
erreichten außerdem höhere Werte beim Eigenschaftsärger, Ärgerausdruck und der Ekelempfindlichkeit. Alle Gruppen bewerteten
die Zielemotionen bei affektiven Gesichtern gleich intensiv, Freude
wurde aber intensiver wahrgenommen als negative Emotionen.
Depressive bewerteten glückliche Gesichter als weniger glücklich
als die KG, ärgerliche, angeekelte und traurige Gesichter wurden als
intensiver und ängstlicher wahrgenommen. Neutrale Gesichter
wurden von Depressiven als ärgerlicher und stärker angeekelt in-
89
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
terpretiert. PatientInnen beider Gruppen erlebten die affektiven
und neutralen Szenen intensiver als die KG. Depressive erlebten bei
angstauslösenden Szenen Angst stärker und bei neutralen Szenen
alle negativen Emotionen intensiver als Schizophrene und Personen der KG. Bei beiden PatientInnengruppen lösten angst- und
ekelinduzierende Szenen intensivere negative Emotionen aus als
bei der KG. Depressive und in geringerer Ausprägung auch schizophrene PatientInnen nahmen Emotionen affektiver Mimiken als
intensiver wahr und erlebten affektive Szenen intensiver. Dies resultiert aus intensiverer Wahrnehmung und intensiverem Erleben
negativer Emotionen.
007
The importance of Self and Object representations in development of the SCH process-case report
Jelena Kostic (Clinical Centre Nish, Child & Adolescent Psychiatry,
Serbia)
D. Krasic, L. Milosavljevic
Introduction: If we start from the standpoint that the primary deficit in schizophrenia is the deficit in the forming and maintaining
of the Self and Object representations, then we clear the path to
observing the process of Sch. through specific structural termsspecific models and shapes of the internalization deficit and con­
sequential structural variability.
Method: We tried to display the specific influence of the developmental deficit on the Sch. process by presenting the case of a 17 year
old female patient diagnosed with hebephrenic schizophrenia. By
observing the patient‘s life history, we interpreted her psychological
development through early introjective configurations, the identification process, the phase of forming realistic im­ages of the self and
the outer world and the forming of the Ego identity. The current
state is explained through deficit Ego disfunctions.
Discussion / Results: The patient‘s growing up in an unstable and
disturbing primary family group, with a mother suffering from Sch.
psychosis and a grandmother addicted to alchoco, as well as her
living in different foster families for several years, caused pathological modifications in the introjective process and forming of a confused Ego identity. Fragility, non-differentia­tion and polarisational
exclusiveness of mental representations (conditioned by the char­
acteristics of the primary object relations) form an insecure mental
structure which the patient uses to shape her perception of herself
and the world. This can be phenomenologically recognised in the
direct and inner presentation of the devil and god as clear and utterly sharp opposites. CONCLUSION: The shizophrenic process is
connected to the developmental deficit which is conditioned by the
failure to organize and integrate the inherent structures forming
the core of individual self-organiza­tion. This essentially directs development toward the shizophrenic process. It also unstabilizes and
specifically alters the integration and organisation of both the perceptual-conceptual functions and cognitive and affective functions.
Thus, the Sch. process causes disorganisation on all the three baseline levels of psychological organization.
008
Autobiographische Gedächtnisdefizite bei chronisch schizophrenen Patienten in höherem Lebensalter
Marc Montgomery Lässer (Universitäts-Klinik für, Allgemeine Psy­
chiatrie Sek. Gerontopsychiatrie, Heidelberg)
U. Seidl, L. Schmid, C. Herold, J. Schröder
Einleitung: Gedächtnisdefizite gehören zu den auffälligsten neuropsychologischen Begleitsymptomen schizophrener Erkrankungen.
Im Zentrum unseres Forschungsprojektes steht das autobiographische Gedächtnis. Das autobiographische Gedächtnis stellt das
höchst entwickelte Gedächtnissystem des Menschen dar und trägt
Wesentliches zu unserer Persönlichkeitsentwicklung und zur Stär-
90
kung unserer Ichstrukur bei. Eine Reihe von Befunden bestätigen
ausgeprägte Defizite schizophrener Patienten beim Erinnern autobiographischer Gedächtnisinhalte. Es gibt aber nur wenige Erkenntnisse zu autobiographischen Gedächtnisdefiziten und deren
neurokognitiven Grundlagen bei chronisch schizophrenen Patienten in höherem Lebensalter. Grundlegend neue Erkenntnisse hierzu sollen mit diesem Forschungsprojekt gewonnen werden.
Methode: Aktuell wurden je 30 chronisch schizophrene Patienten,
gesunde Kontrollen und depressive Kontrollprobanden untersucht.
Zentrales Instrument unseres Projektes stellt das Bielefelder autobiographische Gedächtnisinterview (BAGI) dar, welches durch
Verfahren zur Erfassung wesentlicher neurokognitiver Leistungsbereiche ergänzt wird. Das BAGI erlaubt es sowohl semantische als
auch episodische Gedächtnisleistungen über fünf Lebensabschnitte
hinweg zu erfassen.
Diskussion / Ergebnisse: Erste Ergebnisse zeigen eine im Vergleich
zu den beiden Kontrollgruppen deutlich verminderte autobiographische Gedächtnisleistung der chronisch schizophrenen Patientengruppe. Werden Ereignisse erinnert sind diese sowohl unspezifischer, als auch detailärmer als bei den Vergleichsgruppen. Im
Gegensatz zu diesen episodischen Gedächtnisinhalten zeigen sich
persönliche semantische Gedächtnisinhalte von der Erkrankung
nur relativ moderat betroffen. Zusammenhänge zwischen autobiographischen Gedächtnisleistungen und neurokognitiven Parametern zeichnen sich vordergründig in exekutiven und metakogni­
tiven Leistungsbereichen ab. Im Allgemeinen zeigt die chronisch
schizophrene Patientengruppe ein deutlich beeinträchtigtes neurokognitives Leistungsprofil mit Schwerpunkten beim verbalen Gedächtnis und in frontal-exekutiven Leistungsbereichen. In unserem
laufenden Forschungsprojekt soll nun die Stichprobe auch auf junge Patienten ausgedehnt und mit dem Einsatz bildgebender Verfahren strukturelle Korrelate autobiographischer Gedächtnisleistungen bei schizophrenen Patienten identifiziert werden.
009
Vergleich kognitiver Dysfunktionen bei schizophren Ersterkrankten mit und ohne komorbidem Cannabismissbrauch
Berend Malchow (Universitätsmedizin Göttingen, Psychiatrie und
Psychotherapie)
P. Falkai, O. Gruber, T. Schneider-Axmann, T. Wobrock
Einleitung: Kognitive Defizite werden bereits bei ersterkrankten
schizophrenen Patienten im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen beschrieben. Gleichzeitig weisen ersterkrankte schizophrene
Patienten (FE-SZ) eine hohe Komorbidität mit einem Substanzmissbrauch (15 – 65 %), darunter insbesondere Cannabis, auf. Ob
kognitive Dysfunktionen zwischen ersterkrankten schizophrenen
Patienten mit und ohne Cannabiskonsum in der Vorgeschichte unterschiedlich ausgeprägt sind, ist nur wenig untersucht worden.
Methode: 51 FE-SZ und 52 gesunde Kontrollen wurden mit einer
standardisierten neuropsychologischen Testbatterie (WST, RWT,
VLMT, SOPT, WCST, TOL, TAP, ZVT) untersucht. Die FE-SZ wurden dann in die Subgruppe der Patienten mit (SZ-SUD, N = 22)
und ohne Cannabismissbrauch in der Vorgeschichte (SZ non-SUD,
N = 29) unterteilt und die neuropsychologische Leistung verglichen
(ANOVA, bzw. Mann-Whitney-U Test).
Diskussion / Ergebnisse: Es zeigte sich auch nach Bonferroni-Korrektur in fast allen neuropsychologischen Variablen ein signifikant
schlechteres Abschneiden der FE-SZ im Vergleich zu den Kontrollprobanden, die neuropsychologische Leistung der FE-SZ mit und
ohne Cannabismissbrauch war nicht unterschiedlich. Eine Wiederholung der Analyse mit einem für Alter und Geschlecht gematchten Sample führte zu den gleichen Ergebnissen. Damit führt Cannabismissbrauch in der Vorgeschichte nicht zu ausgeprägteren
kognitiven Defiziten bei schizophren Ersterkrankten.
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
010
Gegen die Wand? Voreiliges Schlussfolgern und Unkorrigierbarkeit bei Schizophrenie: Eine Längsschnittuntersuchung
Ruth Veckenstedt (Uniklinik Hamburg Eppendorf, AG Klinische Neuropsychologie)
S. Randjbar, F. Vitzthum, D. Roesch-Ely, U. Pfüller, S. Moritz
Einleitung: Angefangen mit den inzwischen häufig replizierten
Befunden zum voreiligen Schlussfolgern (jumping to conclusions
bias, JTC-Bias) wurden bei schizophrenen Patienten in den letzten
Jahren zahlreiche weitere Denkverzerrungen festgestellt und mit
der Entstehung und Aufrechterhaltung von Wahnideen in Verbindung gebracht. Dazu zählt auch eine mangelnde Korrigierbarkeit
von (Fehl-) Urteilen bei bestehenden Gegenbeweisen (bias against
disconfirmatory evidence, BADE). Bis heute gibt es eine uneinheitliche Befundlage bezüglich der Frage, ob die gefundenen kognitiven Auffälligkeiten einen Episodenmarker darstellen, der nur oder
akzentuiert bei aktuellem Wahnerleben oder aber einen Eigenschaftsmarker, d.h. eine die psychotische Episode überdauernde
Neigung. Erste Längsschnittuntersuchungen konnten Hinweise auf
verändertes Schlussfolgern auch in Remission finden (Peters &
Gartey, 2006). Zur mangelnden Korrigierbarkeit liegen bis heute
keine longitudinalen Daten vor. Ziel der aktuellen Studie ist es, die
beschriebenen kognitiven Verzerrungen longitudinal zu untersuchen, um mögliche Zusammenhänge untereinander sowie mit der
Veränderung der schizophrenen Symptomatik (v. a. Wahn) festzustellen.
Methode: Es wurden 76 Patienten mit einer Störung aus dem schizophrenen Formenkreis mithilfe eines BADE Paradigmas zu drei
Zeitpunkten untersucht (t0 = baseline, t1 = nach 4 Wochen, t2 =
nach 6 Monaten). Darüber hinaus wurden Daten von 30 gesunden
Kontrollprobanden zum Zeitpunkt t0 und t1 erhoben. Das BADEParadigma ermöglichte die Messung der Unkorrigierbarkeit
(BADE) und des voreiligen Schlussfolgerns (JTC-Bias). Zur Diagnosesicherung wurde das Mini International Neuropsychiatric Interview (MINI) verwendet. Die aktuelle Symptomatik der Patienten wurde mit der Positive and Negative Syndrom Scale (PANSS)
sowie den Psychotic Symptom Rating Scales (PSYRATS) erhoben.
Diskussion / Ergebnisse: Ergebnisse zum voreiligen Schlussfolgern
und zur Unkorrigierbarkeit werden sowohl im Querschnitt (im
Vergleich zur gesunden Kontrollgruppe) als auch im Längsschnitt
(Zusammenhang zur Entwicklung der Wahnsymptomatik) berichtet. Die Ergebnisse werden diskutiert und etwaige therapeutische
Implikationen für die Behandlung schizophrener Patienten abgeleitet.
011
Motorische und kognitive Leistungsmerkmale schizophrener Pa­
tienten
Simon Eickhoff (Universitätsklinikum Aachen, Psychiatrie und Psychotherapie)
S. Behrwind, M. Dafotakis
Einleitung: Die Klinik schizophrener Patienten ist außer durch
produktiv-psychotisches Erleben stark durch die als Negativsymptome zusammengefassten Krankheitsfolgen bestimmt. Diese psychomotorischen und kognitiven Einbußen zeigen oft eine stetige
Progredienz, welche eine bedeutende Rolle für die sozio-ökonomische Prognose spielt. Das Ziel der vorliegenden Studie ist eine weitere Differenzierung psychomotorischer und kognitiver Komponenten der schizophrenen Negativsymptomatik.
Methode: Eingeschlossen wurden bisher 18 stationäre Patienten
(mittleres Alter: 36 ± 12 Jahre) mit remittierter chronischer paranoid-halluzinatorischer Schizophrenie (F20.0), sowie eine Gruppe
alters- und geschlechtsentsprechender gesunder Kontrollprobanden. Alle Patienten wurden mit atypischen Neuroleptika behandelt,
waren frei psychischer Komorbidität und für mindestens ein halbes
Jahr abstinent von illegalen Drogen. Patienten und Kontrollen
führten eine Testbatterie durch, welche sowohl aus Aufgaben zur
handmotorischen Grundschnelligkeit (Fingertappen) und Koordination (zehnmaliges abwechselndes Antippen 30 cm entfernt liegender Punkte) als auch aus kognitiven Leistungstests (Trailmarking-Test, HAWIE-R Zahlentest, Mehrfachworttest-B) bestand.
Diskussion / Ergebnisse: Patienten und Kontrollen unterschieden
sich nicht im Alter (p>0.64), der eigenen (p>0.41) oder elterlichen
(p>0.60) Schulbildung. In der handmotorischen Grundschnelligkeit zeigten Patienten und Kontrollen ebenfalls keine signifikanten
Unterschiede (p>0.76). Für die Bewältigung der motorischen
Schnelligkeits-Koordinationsaufgabe brauchten die Patienten jedoch signifikant länger (p<0.02). Weiterhin zeigten schizophrene
Patienten auch eine signifikant schlechtere Leistung im Trailmarking-Test (TMT-A: p<0.02; TMT-B: p<0.002). Statistisch war die
Leistung im Mehrfachworttest bei Patienten nur als Trend verringert (p=0.06). Während das reproduktive Kurzzeitgedächtnis (Zahlen vorwärts nachsprechen) nicht signifikant beeinträchtigt war
(p>0.27), zeigten sich deutliche Einbußen wenn Manipulationen
von Gedächtnisinhalten erforderlich waren (rückwärts nachsprechen, p < 0.001). Die hier gefundenen Ergebnisse sprechen gegen
eine weitgehend undifferenzierte Abschwächung psychomotorischkognitiver Leistungen bei chronischer Schizophrenie. Vielmehr
wird deutlich, dass Schizophreniepatienten vor allem dann Lei­
stungseinbußen zeigen, wenn mehrere Aufgabenkomponenten
gleichzeitig beachtet werden müssen. Eine mögliche pathophysiologische Erklärung für die vorliegenden Befunde findet sich in der
Dyskonnektionshypothese mit der postulierten zentralen Desintegration als zugrunde liegendem Pathomechanismus der Schizophrenie.
012
Gestörte Temperatursensitivität bei schizophrenen Patenten mit
einer Negativsymptomatik
Christian Geretsegger (Paracelsus Med. Privatuniv., UK f. Psychia­
trie / Psychotherapie 1, Salzburg, Österreich)
G. Bernatzky
Einleitung: Es ist eine gängige klinische Beobachtung, dass Patienten mit psychotischen Erkrankungen eine gestörte Temperaturund / oder Schmerzempfindung haben, tragen häufig im Sommer
dicke und im Winter dünne Kleidung. In einer Pilotstudie versuchten wir diese klinische Beobachtung an schizophrenen Patienten zu
objektiviert.
Methode: In einer Testanordnung mit einer Marstockthermode
nach dem Peltier-Prinzip wurden Temperatur- und Schmerzschwelle von Patienten und gesunden Probanden computerkon­
trolliert erfasst. Die Untersuchten hatten einen Knopf zu drücken,
wenn sie am Daumenballen eine Veränderung der Temperatur ausgehend von 32 °C verspürten bzw. wenn sie einen Schmerz (aus­
gehend von 40 °C) verspürten. Ausgeschlossen waren Personen
mit Substanzmissbrauch, Neuropathie, Diabetes, Schilddrüsenfehlfunktion oder Einnahme von analgetisch wirkenden Substanzen.
Die Diagnostik erfolgte nach ICD 10, als Ratingskala wurde die
PANSS verwendet.
Diskussion / Ergebnisse: Es wurden 30 Gesunde und 72 Schizophrene untersucht, wobei Untergruppen nach Crow (Typ I ­– Positiv-, Typ II – Negativsyndrom) gebildet wurden. Im Vergleich aller
Schizophrener mit den Probanden zeigten sich Unterschiede im
t-Test in der Warm- (p=0,000) und Kaltschwelle (p=0,008), jedoch
nicht für die Schmerzschwelle, die Patienten zeigten sich weniger
sensitiv für Temperaturveränderungen (+1,24 vs. +2,01 °C bzw.
-0,86 vs. -1,47 °C). Vergleicht man die Probanden mit den beiden
Gruppen der Schizophrenen (Crow-Typ I vs. II), so zeigen sich in
allen drei Parametern keine Unterschiede zwischen Probanden und
Patienten mit einem Positivsyndrom (Typ I), jedoch Unterschiede
91
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
für die Warm- (p=0,001) und Kaltschwelle (p=0,008) zu den Pa­
tienten mit einem Negativsyndrom (Typ II). Diese Ergebnisse bleiben unverändert, wenn man die Patienten in die Untergruppen mit
und ohne antipsychotische Medikation unterteilt, jeweils bestehen
wiederum nur Unterschiede für die Warm- und Kaltschwelle für
Patienten mit einem Negativsyndrom. Ebenso bestehen die gleichen Unterschiede zwischen den Patienten mit einem Positiv- und
Negativsyndrom. Zusammengefasst kann man feststellen, dass Patienten mit einem Negativsyndrom eine im Vergleich zu Gesunden
und zu Schizophrenen mit einem Positivsyndrom veränderte Temperatursensitivität, nicht jedoch Schmerzsensitivität haben.
013
Prädiktoren des metabolischen Syndroms bei Patienten mit Schizophrenie – Ergebnisse aus einer deutschen Beobachtungsstudie
Susanne Kraemer (Lilly Deutschland, Medizinische Abteilung, Bad
Homburg)
A. Minarzyk, C. Beal, H.-P. Hundemer, T. Forst, D. Kopf
Einleitung: Verschiedene Studien haben erhöhte Prävalenzen kardiovaskulärer Risikofaktoren bei Patienten unter Antipsychotikatherapie beschrieben. In dieser Beobachtungsstudie wurden bei
unterschiedlich medizierten Schizophreniepatienten die Prävalenz
des Metabolischen Syndroms (MetS) an Baseline sowie nach 3 Monaten erfasst und prognostische Faktoren für die Entwicklung des
MetS untersucht.
Methode: Dokumentiert wurden erwachsene Schizophreniepatien­
ten, die entweder erstmalig ein- oder auf ein anderes Medikament
umgestellt wurden. Zur Diagnose des MetS (gemäß National Cholesterol Education Program) wurden klinische und Laborpara­meter
erhoben. Patienten mit vollständigen Daten für eine MetS-Diagnose an beiden Visiten (476 von 642) wurden deskriptiv analysiert.
Danach wurde die Prävalenz des MetS inklusive der 95 % Konfindenzintervalle (KI) in den folgenden Behandlungskohorten berechnet: Olanzapin (Olz, N=206, Risperidon (Risp, N=69), Quetiapin (Quet, N=33), sonstige Atypika-Monotherapie (Atyp, N=72),
Typika (Typ, N=16) und Kombinationstherapie (Komb, N=80).
Mögliche prädiktive Faktoren für MetS wurden durch logistische
Regression mit schrittweisem Einschluss der Kovariablen ermittelt
und unter Angabe von p-Werten und Odds-Ratio (OR) berichtet.
Diskussion / Ergebnisse: Insgesamt lag die Prävalenz des MetS an
Baseline bei 40,3 % [KI 35,90; 44,90], nach 3 Monaten bei 42,7 %
[KI 38,16; 47,23] und unterschied sich somit nicht signifikant. In
den Behandlungskohorten lagen die Raten an Baseline zwischen
30,4 % [KI 19,92; 42,69] (Risp) und 68,8 % [KI 41,34; 88,98] (Typ)
und nach 3 Monaten zwischen 38,4 % [KI 31,68; 45,36] (Olz) und
68,8 % [KI 41,34; 88,98] (Typ). An Baseline signifikant mit MetS
assoziiert waren die Faktoren somatische Begleiterkrankung
(p<0,0001, OR 4,09) und Rauchen vs. Nichtrauchen (p=0,0098 OR
0,53); nach 3 Monaten waren es: „weiblich vs. männlich“ (p<=0,0185;
OR 0,56), „Rauchen vs. Nichtrauchen“ (p<=0,049; OR 0,60) und
erhöhte CRP-Werte (p<=0,0062; OR 2,00).
014
Suizidalität und depressive Symptome und deren mögliche genetische Assoziation und Einfluss auf das Therapieoutcome bei schizophrenen Patienten
Rebecca Schennach-Wolff (Ludwig-Maximilians-Universität, Psy­
chiatrie und Psychotherapie, München)
P. Zill, B. Bondy, F. Seemüller, M. Obermeier, R. Musil, I. Spellmann,
M. Jäger, H.-J. Möller, M. Riedel
Einleitung: Ziel der Untersuchung war es Suizidalität und Depressivität und deren mögliche genetische Assoziation und Einfluss auf
das Therapieoutcome bei schizophrenen Patienten zu analysieren.
Methode: 339 stationäre Patienten mit einer Erkrankung aus dem
schizophrenen Formenkreis wurden im Rahmen einer Multizen-
92
ter-Studie des Kompetenznetzes Schizophrenie untersucht. Zweiwöchentliche Ratings mittels der Positive and Negative Syndrome
Scale (PANSS), der Hamilton Depression Scale (HAMD, der Calgary Depression Scale (CDS) und der Udvalg for Klinske Undersogelser Scale (UKU) wurden durchgeführt. Response wurde als 20 %
Reduktion im PANSS Gesamtscore von Aufnahme bis Entlassung
definiert und Remission anhand der Konsensuskriterien der Remission in Schizophrenia Working Group. 139 Patienten wurden
zusätzlich für 13 Gene, die mit Depressivität und Suizidalität assoziiert sind, genotypisiert.
Diskussion / Ergebnisse: Suizidale Patienten (22 %) erzielten signifikant höhere Werte in der PANSS Negativsubskala, dem PANSS
Krankheitseinsichts-Item, der CDS- und der HAMD Skala bei Aufnahme und Entlassung. Diese Patienten entwickelten signifikant
mehr Nebenwirkungen bei gleicher antipsychotischer Behandlung
wie die nicht suizidalen Patienten. Es zeigten sich keine signifikanten Unterschiede im Outcome zwischen suizidalen und nicht suizidalen Patienten. Eine signifikante Assoziation wurde zwischen dem
5-HT1A-1019C / G Polymorphismus und depressiven Symptomen
und Suizidalität gefunden (p=0.008, 0.007).
015
Selbst- und Fremdgefährdung stationärer Patienten mit psychotischen Störungen
Detlef Degner (Universität Göttingen, Psychiatrie und Psychotherapie)
D. Miketiuk, E. Rüther, U. Reulbach
Einleitung: Patienten mit einer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis haben im Vergleich zur Normalbevölkerung ein
deutlich erhöhtes Risiko für selbstverletzendes Verhalten, Suizidversuche und Suizide. In dieser klinischen Beobachtungsstudie
wurden alle stationären Patienten mit Schizophrenien in einem definierten Zeitraum von sechs Jahren zum Zeitpunkt der Aufnahme
und der Entlassung eingeschlossen.
Methode: Zwischen 1999 und 2004 wurden insgesamt 518 stationäre Patienten (52,3 % Frauen, 47,7 % Männer) mit einer Haupt­
diagnose einer psychotischen Störung (ICD-10: F20 bis F29) der
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Göttingen aufgenommen. Das mittlere Alter bei Aufnahme lag bei
41,0 (SD:14,5) Jahren (Frauen: 43,8 Jahre, SD:15,1; Männer: 37,9
Jahre, SD:13,1). Als Auswertungsgrundlage wurde die einheitliche
Basisdokumentation (BADO) herangezogen.
Diskussion / Ergebnisse: Bei 18,7 % aller Patienten wurde in der
Vorgeschichte mindestens ein eindeutiger Suizidversuch dokumentiert (Frauen: 21,8 %, Männer: 15,4 %). Bei 4,1 % der Patienten
führte ein Suizidversuch unmittelbar im Vorfeld zur stationären
Aufnahme (Frauen: 5,2 %, Männer: 2,8 %). Während des stationären Aufenthalts kam es bei 1,7 % aller Patienten zu Suizidversuchen
oder selbstschädigenden Handlungen (Frauen: 2,2 %, Männer: 1,2 %).
Bei 7,1 % der Patienten gingen fremdaggressive Handlungen der
stationären Aufnahme voraus (Frauen: 5,5 %, Männer: 8,5 %). Während des Aufenthaltes wurden bei 5,8 % der Patienten fremdaggressives Verhalten dokumentiert (Frauen: 5,5 %, Männer: 6,1 %). Eine
standardisierte Erfassung der Eigen- und Fremdgefährdung bei
Patienten mit psychotischen Störungen ist sowohl vor, als auch
kontinuierlich während einer stationären Behandlung erforderlich,
insbesondere auch nach Einführung der modernen atypischen Antipsychotika. Die einheitliche Basisdokumentation (BADO) kann
dazu wichtige prognostische Hinweise liefern und als erster Schritt
dienen, sollte aber durch weitere (suizidspezifische) Dokumenta­
tionssysteme ergänzt werden.
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
016
Prävalenz und zeitliche Entwicklung von Persönlichkeitsstörungen bei Patienten mit Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis
Katrin Schroeder (UKE, Psychiatrie, Hamburg)
A. Hoppe, B. Andresen, C. G. Huber
Einleitung: Während bei Patienten mit Erkrankungen aus dem
schizophrenen Formenkreis den maladaptiven Persönlichkeitsdimensionen traditionell wenig Relevanz zugemessen wurde, wächst
in letzter Zeit das Interesse an komorbiden Achse-II-Störungen bei
diesem Patientenklientel (Newton-Howes et al. 2007). Dabei sind
die Angaben zur Prävalenz von Persönlichkeitsstörungen mit 4,5 %
bis 100 % sehr heterogen. Bezüglich des zeitlichen Verlaufs der
Ausprägung von Persönlichkeitsstörungen liegen Arbeiten in klinischen (Shea et al, 2002; Zanarini et al, 2003; Grilo et al, 2004) und
in nicht-klinischen (Lenzenweger, 1999, Johnson et al, 2000) Populationen vor, die eine Besserung der Persönlichkeitsstörungssymptomatik zeigen. Ziel dieser Arbeit war, Prävalenz und Verlauf von
maladaptiven Persönlichkeitszügen bei Patienten mit einer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis zu untersuchen.
Methode: Einschlusskriterien waren das Vorliegen einer schizophrenen oder schizoaffektiven Störung nach DSM-IV-TR mit mehr
als einer Krankheitsepisode, ein Fehlen von Akutsymptomatik (alle
PANSS-Items ≤ 4, maximal 5 Items = 4) und ein Alter von 18 bis
65 Jahren. Persönlichkeitsmerkmale wurden mit Hilfe des SKIDII–Interviews erhoben. Zusätzlich zum aktuellen Status wurden die
Patienten retrospektiv zu ihrer Einschätzung des prämorbiden
Zustandes vor Auftreten der Achse-I-Störung befragt.
Diskussion / Ergebnisse: 45 Patienten (18 Frauen) mit einem Durch­
schnittsalter von 37 Jahren wurden untersucht. Nach kategorialer
Auswertung des SKID-II zeigte sich eine Prävalenz von 17,7 % für
alle Persönlichkeitsstörungen. Der Vergleich der Persönlichkeitsstörungs-Traits zwischen prämorbidem und aktuellem Zustand
ergab für alle Persönlichkeitsstörungen eine hochsignifikante Zunahme der Symptomatik im Erkrankungsverlauf (p<.001, t-Test für
verbundene Stichproben). Eine maßgebliche Konfundierung der
Ergebnisse durch den aktuellen psychopathologischen Befund lag
nicht vor. Im Gegensatz zur aktuellen Datenlage, die eine Verminderung der Ausprägung der Persönlichkeitsstörungssymtomatik in
verschiedenen Populationen zeigt, geben die Patienten retrospektiv
einen signifikanten Anstieg der Ausprägung der maladaptiven Persönlichkeitstraits im Verlauf der Achse-I-Störung an. Diesem Ergebnis sollte im Rahmen der psychiatrisch-psychotherapeutischen
Behandlung Rechnung getragen werden.
Freitag, 27. 11. 2009, 13.30 – 15.00 Uhr, Halle 11.1
P-010 Posterpräsentation / Poster Presentation
Psychotische Störungen 3 (Therapie)
Vorsitz: D. Rujescu (München)
001
Patientenpräferenzen in der Schizophrenietherapie: Eine ConjointAnalyse
John FP Bridges (Johns Hopkins Bloomberg School, Department of
Health Policy, Baltimore)
E. T. Kinter, A. Schmeding, L. Slawik
Einleitung: Mithilfe einer Conjoint-Analyse sollen patientenrelevante Attribute und Ziele der Schizophrenietherapie identifiziert
und anschließend bewertet werden. Denn ein an den Bedürfnissen
der Schizophreniepatienten orientiertes Behandlungsangebot kann
dazu beitragen – etwa durch Stärkung der häufig geringen Therapieadhärenz – den Therapieerfolg zu verbessern. Dieser Anspruch
setzt aber voraus, dass die aus Patientensicht relevanten Therapieeigenschaften und deren relative Bedeutung für die Patienten (Pa­
tientenpräferenzen) bekannt sind. Deren systematische Analyse
kann auch einen Beitrag zur gesundheitspolitischen Forderung
leisten, bei der Bewertung von Therapieoptionen das Kriterium der
Patientenrelevanz zu beachten.
Methode: Auf Basis von Patienten-Fokusgruppen (N=30), Einzelinterviews (N=25) und Literaturrecherche wurden sieben Ziele
bzw. unterstützende Attribute der Schizophrenietherapie mit jeweils zwei Ausprägungen identifiziert, die aus Patientensicht die
wichtigsten Merkmale der Behandlung der Schizophrenie darstellen. Die Attribute wurden im Conjoint-Fragebogen zu unterschiedlichen Patientenprofilen kombiniert und in acht Paarvergleichen
einander gegenübergestellt. Aufgabe der befragten Patienten war es
zu entscheiden, welcher der Patienten ihrer Meinung nach in einer
besseren Situation ist. Die Datenauswertung erfolgte mittels logistischer Regressionen.
Diskussion / Ergebnisse: Die Conjoint-Aufgaben wurden von 101
Schizophrenie-Patienten beantwortet. Alle sieben Attribute wurden als sehr wichtig eingestuft. Die höchste Relevanz für die Patienten haben die Therapieziele und -merkmale „Unbeeinträchtigte
körperliche Beweglichkeit (kein EPS)“ (p<0,001), „Bewältigung
täglicher Aufgaben“ (p<0,001), „Unterstützung durch den Arzt“
(p<0,001), „Fähigkeit, klar zu denken“ (p<0,001) sowie „Mühelose
Aufrechterhaltung sozialer Aktivitäten“ (p<0,001). Die Therapieziele „Beeinträchtigung durch Krankheitssymptome“ (p<0,01) oder
„Erleiden eines Rückfalls“ (p<0,04) wurden von den Patienten als
weniger wichtig bewertet. Schlussfolgerung: Die Studie zeigt, dass
sich Conjoint-Analysen auch bei Patienten mit Schizophrenie eignen, um patientenrelevante Therapieeigenschaften zu identifizieren
und analysieren. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die vom
Patienten wahrgenommenen relevanten Therapieziele nicht nur die
klinischen Parameter, sondern auch Attribute wie die verbesserte
Funktionalität und Kognition, sowie die ärztlichen Unterstützung
sind.
002
Akzeptanz und Umsetzung von Empfehlungen zur Rückfallver­
hütung – Entwicklung der Compliance Selbst-Rating Instrumente
CSRI-E und CSRI-K
Susanne Jaeger (ZfP Südwürttemberg, Versorgungsforschung Standort Weissenau, Ravensburg)
R.-P. Gebhardt, C. Pfiffner, W. Bayer, P. Weiser, H. Wiesner, T. Steinert
Einleitung: Compliance ist im Allgemeinen definiert als Ausmaß
der Übereinstimmung des Patientenverhaltens mit den therapeutischen Empfehlungen. Rating-Skalen zur Erfassung von Com­pliance
bei schizophren Erkrankten konzentrieren sich dabei fast ausschließlich auf Einstellungen und Verhalten bezüglich antipsychotischer Medikation. Empfehlungen zur Rückfallverhütung betreffen
hingegen zusätzlich ein breites Spektrum gesundheitsfördernder
Maßnahmen von einer stressfreien Lebensführung bis zur Nutzung
tagesstrukturierender Angebote. Unser Ziel war daher die Entwicklung von Selbstbeurteilungsinstrumenten zur Erfassung von Compliance in diesem umfassenden Sinne. Entwickelt wurden zwei
kurze Fragebögen mit einer jeweils 5-stufigen Skala zur Erhebung
von Compliance-Einstellungen (CSRI-E) und Compliance-Verhalten (CSRI-K). Letzterer fragt zusätzlich nach der Freiwilligkeit in
der Umsetzung therapeutischer Empfehlungen.
Methode: Die Items der beiden CSRI wurden anhand der meistgenannten Empfehlungen zur Rückfallverhütung in Manualen zur
Psychoedukation konstruiert. Die Untersuchungsstichprobe bestand aus 374 Patienten (F20.x und F25.x), die während eines Klinikaufenthaltes rekrutiert und über 2 Jahre halbjährlich nachbe-
93
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
fragt wurden. Zum Entlasszeitpunkt füllten sie das CSRI-E aus, bei
den Katamnesen jeweils das CSRI-K. Die psychometrischen Eigenschaften jedes Instruments wurden per Item- und Faktorenanalysen bestimmt und Zusammenhänge mit weiteren behandlungsund krankheitsrelevanten Merkmalen untersucht.
Diskussion / Ergebnisse: Die Faktorenanalyse mit den Items des
CSRI-E ergab einen einzigen Faktor. Die Itemanalyse zeigte eine
gute interne Konsistenz. Der Summenscore des CSRI-E korreliert
z.B. mit Item g12 der PANSS (Mangel an Urteilsfähigkeit und Einsicht) und mit der Medication Adherence Rating Scale. Zudem unterschieden sich regulär und entgegen ärztlichem Rat Entlassene
signifikant hinsichtlich ihres zuvor erzielten Scores. Die Faktorenanalyse mit den Items des CSRI-K bei der 6-Monats-Katamnese
ergab zwei Faktoren, die als Compliance-Verhalten und Freiwilligkeit der Behandlung interpretiert werden konnten. Die interne
Konsistenz beider Subskalen erwies sich als ausreichend. Zwischen
den Summenscores der 8 spiegelgleichen Items von CSRI-E und
CSRI-K zu Einstellungen hinsichtlich gesundheitsfördernder Lebensführung bei Entlassung und zum Handeln entsprechend dieser
Einsichten im Laufe der kommenden 6 Monate zeigte sich ein positiver Zusammenhang.
003
Therapieziele in der Schizophreniebehandlung – Wichtigkeit aus
Sicht von Ärzten, Patienten, Angehörigen und Kostenträgern
Olaf Kuhnigk (UKE, Klinik für Psychiatrie, Hamburg)
L. Slawik, A. Schmeding
Einleitung: Zwischen der Patientenakzeptanz für Depotmedikationen und Verschreibungsraten besteht in Deutschland eine Lücke.
Basierend auf dem Therapieansatz des „shared-decision-making“,
Auswirkungen einer Erkrankung auf Ange­hörige und Kosten / Nutzen-Abwägungen bei bekanntermaßen geringeren Rehospitalisierungsrate bei Depotmedikation ist die Kenntnis der Wichtigkeit
der Therapieziele aus Sicht von Ärzten, Patienten, Angehörigen sowie Kostenträgern unseres Gesundheitssystems sowohl für die individuelle Therapieplanung, als auch gesundheitspolitisch von Bedeutung. Zielstellung: Aufbauend auf vorliegenden Ergebnissen zur
Wichtigkeit von Therapiezielen von Ärzten und Patienten verfolgt
die Folgestudie das Ziel, Beurteilungen von Angehörigen und Ko­
stenträgern (Vertreter von Krankenkassen und Kassenärztlichen
Vereinigungen) zur präferierten Verabreichungsform, priorisierten
Therapiezielen und deren Erfüllungsgrad zu erfassen. Die Ergebnisse aller 4 Gruppen werden miteinander vergleichen.
Methode: 345 Teilnehmer (niedergelassene Ärzte / Klinikärzte:
n=160; Schizophreniepatienten: n=105; Angehörige: n=50; Kostenträger: n=30) wurden anhand eines dreiteiligen Fragebogens telefonisch oder in persönlichen Einzelinterviews befragt: 1. zur präferierten Verabreichungsform aus Patientensicht; 2. zur Priorisierung
von 20 Therapiezielen einem Ranking und einer Gewichtungsaufgabe (5-Punkte-Likert-Skala); 3. zur Bewertung der Erreichungsgrade aller Therapieziele (5-Punkte-Likert-Skala). Berechnet wurden Häufigkeitsverteilungen, Mittelwerte, Standardabweichungen,
und t-Tests.
Diskussion / Ergebnisse: 41 % der Patienten würden ein Depot
gegenüber einer oralen Medikation präferieren, Ärzte schätzen diesen Anteil als signifikant geringer ein (18 %, p < 0.05). , Angehörige
meinen daß 28 % ein Depot bevorzugen würden, Kostenträger nehmen 23 % an. Für alle 4 Gruppen gehören Verringerung krankheitsbezogener Symptome und Verbesserung kognitiver Leistungen zu den fünf wichtigsten Therapiezielen. Gefragt nach nach dem
Erreichungsgrad der Therapieziele weisen Angehörige die größte
Variabilität in der Bewertung auf. Kostenträger beurteilen den Erreichungsgrad über alle Therapieziele im Mittel kritischer als andere Gruppen. Schlussfolgerungen: Vorliegende Ergebnisse zeigen,
dass Ärzte, Angehörige und Kostenträger die Präferenz einer neu-
94
roleptischen Depotmedikation von Patienten unterschätzen. Trotz
Gemeinsamkeiten weisen die Beurteilungen der 4 Gruppen unterschiedliche Wichtigkeiten in den Behandlungszielen auf. Diese
Kenntnis sollte unter Beteiligung aller aufgegriffen werden, um die
Entwicklung neuer Versorgungskonzepte in der Schizophrenie­
behandlung zu unterstützen.
004
Clinical Analysis of the Treatment of Schizophrenia (CATS):
Erfassung von Sexueller Funktion
Marion Lautenschlager (Charité, Psychiatrie, Psychoseambulanz,
Berlin)
M. Deuschle, N. Bergemann, T. Dembler, M. Franz, J. KammererCiernioch, F. Lederbogen, M. Weisbrod
In der Behandlung und Therapie von schizophrenen Psychosen
wird der Erfassung und Diskussion von Störungen der sexuellen
Funktion bisher selten viel Zeit eingeräumt. Den sexuellen Funktionsstörungen kommt sowohl eine Bedeutung als Symptom der Erkrankung zu, als auch als häufige pharmakologische Nebenwirkung
und damit eine Bedeutung für die Adherence und Compliance des
Patienten mit der Therapieform. Im Rahmen der pharmakoepidemiologischen Studie CATS wird bei Patienten mit Psychosen auf
freiwilliger Basis eine Erfassung der sexuellen Funktion und Zufriedenheit durchgeführt. In der hier vorgestellten ersten Zwischenauswertung hatten von 690 eingeschlossenen Patienten 431 an
zwei Zeitpunkten der Befragung teilgenommen (davon hatten 308
(71 %) die Diagnose Schizophrenie ( ICD10 F20), 116 weiblich / 192
männlich). Von diesen Patienten machten 112 (25,9 %) Angaben
im ASEX-Fragebogen, der fünf generelle Basisfunktionen sexuellen
Erlebens erfasst. Den ausführlicheren Fragebogen von Derogatis
mit 25 Fragen zu verschiedenen Domänen sexuellen Erlebens (von
sexuellen Gedanken und Fantasien, Erregung, Erfahrungen, über
Orgasmusfähigkeit bis hin zu Verlangen und Partnerschaft) beantworteten 66 (15,3 %). Einen weiteren Fragebogen zur detaillierten
Erhebung der Sexualanamnese beantworteten 119 (27,6 %). Diese
Auswertung der ersten Stichprobe korreliert eine Reihe von Parametern aus dem Bereich der sexuellen Funktion (Alter der ersten
Erfahrungen, traumatische Erlebnisse, aktuelle Zufriedenheit, In­
teresse an Sex, Zufriedenheit mit der aktuellen Partnerschaft) mit
Parametern der Erkrankung (Diagnose, BPRS, GAF, CGI ) und Parametern des Erlebens der Patienten (Lebensqualität, Nebenwirkungen). Diskutiert werden die Randbedingungen der Durchführbarkeit einer detaillierten Sexualanamnese im klinischen Alltag
und ihre Bedeutung für eine Bewertung der aktuellen Symptomatik
als auch der gewählten Therapieform.
005
Umsetzung neuropsychologischer Befunde der Schizophrenie in
der Praxis am Beispiel von Psychoedukation bei akut psychotischen Menschen
Daniel Nischk (ZP Reichenau, Allgemeinpsychiatrie)
J. Rusch
Die neuropsychologische Forschung hat das Wissen über die Genese der Schizophrenien nachhaltig erweitert und zur Entwicklung
einer Vielzahl spezifischer Interventionen geführt. Die Umsetzung
neuropsychologischer Befunde in den stationären Alltag stellt hingegen ein bislang vernachlässigtes Forschungsgebiet dar. In diesem
Beitrag wird zunächst aus der Analyse der Defizite im Sprachverständnis schizophrener Menschen die Notwendigkeit der Anpassung der Kommunikation an die Defizite schizophrener Menschen
als grundlegende Voraussetzung für effektives zielorientiertes therapeutisches Handeln abgeleitet. Danach wird exemplarisch anhand psychoedukativer Maßnahmen erläutert, auf welche Weise
solche Gruppeninterventionen an die neuropsychologischen Defizite akut psychotischer Menschen angepasst und so erfolgreich
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
durchgeführt werden können. Dargestellt werden darüber hinaus
die Ergebnisse einer Studie, die die Effektivität eines modifizierten
psychoedukativen Gruppenprogramms für Menschen mit akuten
Psychosen untersucht hat.
006
Clinical Analysis of Treatment of Schizophrenia (CATS): Modul
Kognition – Erfassung von exekutiven Kontrollfunktionen
Daniela Roesch-Ely (Uniklinik Heidelberg, Allgemeine Psychiatrie
Exp. Psychopathologie)
K. Rodewald, M. Deuschle, F. Lederbogen, J. Kammerer-Ciernioch,
N. Bergemann, M. Lautenschlager, M. Franz, J. Gross, M. Brosz, M.
Weisbrod
Einleitung: Der Fokus der Diagnostik und Behandlung schizophrener Psychosen liegt auf Positivsymptomen wie Wahn, Halluzinationen und psychomotorische Erregung, die das klinische Bild
bestimmen. Bei der Behandlung dieser sogenannten Positivsymptome wurden in den letzten Jahrzehnten, nicht zuletzt durch die
medikamentöse Behandlung mit Antipsychotika der ersten und
zweiten Generation, bedeutsame Fortschritte erzielt. Kognitive Beeinträchtigungen sind zunächst weniger eindrücklich, finden sich
aber bei der überwiegende Mehrheit der Erkrankten in erheblicher
und beeinträchtigender Ausprägung. In den letzten Jahren wurde
erkannt, dass kognitive Störungen von entscheidender Bedeutung
für den Verlauf und die Prognose der Erkrankung sind, daher wurde ihnen im klinischen Alltag zunehmend Aufmerksamkeit zuteil.
Methode: CATS bietet die Möglichkeit, an einer umfangreichen
und unausgelesenen Gruppe von Patienten, die an einer schizophrenen Psychose leiden, in einem naturalistischen Ansatz die Bedeutung kognitiver Defizite für das Ansprechen auf die Behandlung
zu untersuchen. Das Kognitionsmodul von CATS erfasst die für
Alltagsfunktionen besonders relevanten exekutiven Leistungen wie
Arbeitsgedächtnis (phonologisch), kognitive Flexibilität (Konzeptwechsel-TMT-B) und geteilte Aufmerksamkeit (Dual Task). Die
Entwicklung der kognitiven Testbatterie für CATS zielte auf eine
unkomplizierte Handhabung und eine kurze Bearbeitungszeit. Untersuchungsverfahren wurden an den Palm adaptiert und, wenn
möglich, die automatisierte Auswertung implementiert.
Diskussion / Ergebnisse: Im Rahmen der CATS- Studie wurden
bisher über 400 Patient / innen eingeschlossen. Ziel der KognitionsModul ist die miterhobenen Variabeln wie Psychopathologie, Art
der Medikation, Nebenwirkungsprofil, Krankheitsdauer, Bildung
u. a. mit kognitiven Leistungen in Verbindung zu setzten.
007
Neuroplastcity-Based Training may improve Verbal Processing
and normalize Sensory Gating in Schizophrenia
Brigitte Rockstroh (Universität Konstanz, Abtl. Psycholgie)
T. Popov, T. Jordanov, T. Elbert, M. Merzenich
Introduction: The present study examined effects of computerbased cognitive exercises (CE, Posit Science, SF), which emphasizes
auditory discrimination and verbal memory within a training setting considering principles of neuroplasticity with the aim of improving signal-to-noise ratio of auditory/verbal processing in schizophrenia. Effects of CE were compared to a standardized German
cognitive training (CogPack, Markersoftware).
Method: In an ongoing study, to date 15 patients (F20.0 ICDdiagnoses) completed CE (20 sessions within 4 weeks), 10 patients
Cogpack (12 sessions within 4 weeks). Before and after training
performance in word memory (VMLT) and fluency (RWT) were
assessed, and auditory sensory gating (P50 ratio in paired-click
task) was determined from magnetoencephalography).
Discussion / Results: Sensory gating ratio (SGR), which was abnormal prior to trainings in patients (n=27) relative to matched
controls (n=24, p< .01) and did not differ between patient groups
before training (F<1), decreased in the course of CE but not after
Cogpack (training x pre-post, p< .01). Performance in verbal memory tasks improved more after CE than after Cogpack (training x
pre-post p< .001), and SGR reduction after CE was significantly related to verbal memory improvement (r> .5, p< .05) Trainings did
not affect psychopathology (BPRS, BDI, GAF) or word fluency. Results indicate the possibility of training-induced neural reorganisation in schizophrenia with an impact on auditory / verbal processing.
008
Kurz- und mittelfristige psychopathologische Entwicklung bei
schizophrenen Patienten mit hohen vs. niedrigen Selbstmanagementfähigkeiten und Ressourcen
Julia Aghotor (Universitätsklinik Heidelberg, ZPM)
S. Moritz, U. Pfüller, V. Wörner, R. Veckenstedt, M. Weisbrod, D.
Roesch-Ely
Einleitung: Es gibt eine Vielzahl an möglichen Gründen dafür, ob
eine Behandlung für einen Patienten erfolgreich ist oder nicht. Eine
große Bedeutung kommt in der Psychotherapieforschung dabei
den persönlichen Ressourcen der Patienten zu. Im Allgemeinen bezeichnen Ressourcen das positive Potential eines Patienten, das für
die Lebensbewältigung zur Verfügung steht, also Persönlichkeitsfaktoren, Fähigkeiten und Fertigkeiten, aber auch Aspekte der Lebenssituation (z. B. soziale Unterstützung). Werden sie aktiviert,
entwickelt bzw. erweitert sich die Selbstmanagementfähigkeit. In
der klinischen Praxis ergibt sich aus der Interaktion von Therapie
und Patientenressourcen der Spielraum, in dem eine Behandlung
wirksam werden kann. Der Fragebogen zur Erfassung von Ressourcen und Selbstmanagementfähigkeiten (FERUS) von Jack, M.
(2007) basiert auf dem salutogenetischen Modell nach Antonovsky
(1987) sowie dem Selbstmanagementkonzept von Kanfer, Rein­
ecker und Schmelzer (1996) und berücksichtigt weitere Theorien
aus der Psychotherapieforschung. Neben der Erfassung der Ressourcen „Veränderungsmotivation“, „Selbstverbalisation“ und „soziale Unterstützung“ beinhaltet der FERUS eine Skala zur Selbstmanagementfähigkeit (Subskalen „Coping“, „Selbstbeobachtung“,
„Selbstwirksamkeit“ und „Hoffnung“). Der Fragebogen liefert mit
seiner dimensionalen Struktur nicht nur diagnostische, sondern
auch verlaufsrelevante Informationen für den Behandlungsprozess.
Ziele: Es soll überprüft werden, ob eine differentiell stärkere Ausprägung von Selbstmanagementfähigkeit und Ressourcen mit einem schnelleren bzw. stärkeren Rückgang psychopathologischer
Symptome bei schizophrenen Patienten einhergeht als bei Personen mit einer geringen Ausprägung. Weiterhin soll die Entwicklung dieser Fähigkeiten und Ressourcen über einen Zeitraum von
sieben Monaten untersucht werden.
Methode: Seit zwei Jahren werden in unseren Einrichtungen Pa­
tienten mit einer schizophrenen Spektrumsstörung untersucht:
Über einen Zeitraum von sieben Monaten werden zu drei Testzeitpunkten neben neuropsychologischen Daten (d2, TMT etc.), vor
allem psychopathologische Veränderungen (PANSS, PSYRATS)
erhoben. Die Erfassung der Selbstmanagementfähigkeiten und
Ressourcen erfolgt über eine Kurzform des FERUS mit 38 Items.
Diskussion / Ergebnisse: Erste Daten und vorläufige Ergebnisse
werden präsentiert.
009
Individuelle Nachbereitung des Metakoginitiven Trainings (MKT+)
für Menschen mit Schizophrenie: ein Fallbericht
Francesca Vitzthum (Hamburg)
R. Veckenstedt, S. Moritz
Einleitung: Der Goldstandard in der Behandlung von Schizophrenie ist weiterhin die psychopharmakologische Therapie mit Neuroleptika, welche bei vielen Patienten Effekte bezüglich der Positiv-
95
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
symptomatik erzielt. Studien konnten allerdings belegen, dass
psychotherapeutische Verfahren über die Gabe von Medikamenten
hinaus positive Auswirkungen auf die Symptomatik haben. Das
von unserer Arbeitsgruppe entwickelte Metakognitive Training
(MKT) stellt einen neuen Ansatz dar. Das Gruppentraining setzt
bei spezifischen Denkverzerrungen an, welche die Entstehung und
Aufrechterhaltung von Wahnideen begünstigen können. Eine Weiterentwicklung des MKT, das so genannte Metakognitive Training
+ (MKT+) konzentriert sich im Einzelsetting noch stärker auf die
individuelle Symptomatik eines Patienten, um individuelle Wahnideen zu bearbeiten und noch effektiver einem Rückfall entgegenzuwirken. MKT und MKT+ formen ein aufeinander abgestimmtes
Trainingspaket.
Methode: Der Fallbericht fand im Rahmen einer verblindeten, randomisierten Therapiestudie (MKT vs. Kontrollintervention CogPack) statt. Er handelt von einem 44-jährigen Patienten, der aufgrund einer akuten psychotischen Episode stationär aufgenommen
wurde, wobei es sich um die vierte Episode seit der Diagnose vor
acht Jahren handelte. Der Patient nahm über einen Zeitraum von
vier Wochen, 2-mal wöchentlich an allen acht möglichen MKTGruppensitzungen teil. Eine Sitzung dauerte ca. 50 Minuten. Nach
jeder Gruppensitzung, fand ein Einzelgespräch mit einem Therapeuten mit gleichem zeitlichen Umfang statt. Zur Erfassung der
Symptomatik dienten zum Prä- und Postzeitpunkt die Positive and
Negative Syndrome Scale (PANSS) und die Psychotic Symptom
Rating Scales (PSYRATS).
Diskussion / Ergebnisse: Der Patient zeigte eine deutliche Reduk­
tion der schizophrenen Symptomatik zum Postzeitpunkt um mindestens 4 Punkte auf allen fünf Faktoren nach van der Gaag in der
PANSS, sowie einen kompletten Rückgang der Wahnüberzeugung
auf 0 % in den PSYRATS. Diese Einzellfalldaten geben einen ersten
Hinweis auf die Wirksamkeit der neuen psychologischen Intervention MKT+, die zu einer Verbesserung der Lebensqualität, sowie
einer Reduktion der Rückfallquote führen soll. Anderseits weisen
sie erneut darauf hin, wie unverzichtbar die Verbindung von psychopharmakologischer und psychologischer Therapie in der zeitgemäßen Behandlung von Schizophrenie ist.
010
Individualisiertes Metakognitives Training (MKT+) für schizophrene Patienten: Erfahrungen zu Machbarkeit und Wirksamkeit
Steffen Moritz (Universitätsklinikum Hamburg, Klinik für Psychia­
trie)
R. Veckenstedt, S. Randjbar, F. Vitzthum
Einleitung: Das Individualisierte Metakognitive Training (MKT+)
für schizophrene Patienten stellt eine Ergänzung und Weiterentwicklung des von unserer Arbeitsgruppe entwickelten Metakog­
nitiven Trainings (MKT) dar (www.uke.uni-hamburg.de/mkt.de).
Das MKT+ richtet sich vorrangig an Psychologen und Psychiater
und dient der individuellen Nachbereitung der MKT-Gruppenmodule. Wie das Gruppen-MKT setzt das MKT+ bei dysfunktionalen
Denkverzerrungen an (cognitive biases), die in der Grundlagenforschung mit schizophrenen Symptomen, v. a. Wahnideen, in Zusammenhang gebracht werden (v. a. monokausale Attribution, voreiliges Schlussfolgern, Defizite der sozialen Einfühlung). Das Training
ist theoretisch fundiert und erleichtert durch den hohen Grad von
Strukturiertheit die Vorbereitung, Durchführung und Gestaltung
der Therapie. Das MKT+ geht im Unterschied zum Gruppentraining auf individuelle Wahnideen und andere Positivsymptome der
Betroffenen ein und greift hierbei auch bewährte Techniken der kognitiven Verhaltenstherapie auf. Negativsymptome und Depression
finden ebenfalls Berücksichtigung. Durch Arbeitsblätter, Hausaufgaben und eine Abschlussmappe, welche die wichtigsten Folien
bündelt, soll erreicht werden, dass die Patienten die Lernziele über
die Therapiestunden hinaus verinnerlichen.
96
Methode: Im Rahmen einer randomisierten, kontrollierten Studie
werden 60 Patienten entweder dem MKT / MKT+ oder der Kon­
trollintervention CogPack zugewiesen. Das Assessment ist ver­
blindet. Erhoben werden Psychopathologie (PANSS, PSYRATS),
kognitive Verzerrungen (u. a. voreiliges Schlussfolgern mit dem
Kugeltest, Attributionsstil mit dem IPSAQ) und neuropsychologische Parameter. Wahnideen stellen den primären Zielparameter
des Trainings dar. Die Nacherhebung findet vier Wochen später
statt (maximal jeweils 8 Gruppen- und Einzelsitzungen). Die Auswertung erfolgt über intention-to-treat Analysen.
Diskussion / Ergebnisse: Nach vorläufigen Ergebnissen an bislang
40 Patienten kommt es in der MKT/MKT+ Gruppe zu einer sub­
stantiellen Reduktion der PANSS Wahnsymptomatik (d = .52), insbesondere von Größenideen (d = .82), sowie einer Reduktion der
PSYRATS-Wahnüberzeugung (d = .78) im Vergleich zur CogPackGruppe. Das CogPack Training zeigte keine Überlegenheit bezüglich kognitiver Funktionsparameter wie Exekutivfunktionen und
Aufmerksamkeit.
011
Kontinuität in der Psychotherapie bei schizophrenen Störungen
mit Positivsymptomatik
Ute Jakobi (Universitätsklinik, Allgemeine Psychiatrie, Tübingen)
A. Wittorf, S. Klingberg
Einleitung: Im Rahmen der BMBF-geförderten POSITIVE-Studie
(Klingberg et al.), einer laufenden randomisierten multizentrischen
Studie zur Behandlung der Positivsymptomatik mit entweder kognitiver Verhaltenstherapie oder supportiver Therapie bei schizophrenen Störungen sollen für n=167 abgeschlossene Therapien
Prädiktoren für den Therapieabbruch bzw. den Verlauf der Therapie gefunden werden. Für diese Patienten liegen unten beschrie­
bene Messungen komplett vor.
Methode: Basierend auf den Baseline-Messungen der Symptomatik (PANSS), der demographischen Variablen, der ComplianceEinschätzung und der Einschätzung der therapeutischen Beziehung in der ersten Sitzung mit einem Stundenbogen werden auf
der Grundlage einer logistischen Regression Prädiktoren für den
Therapieabbruch und den Verlauf der Therapie untersucht. Die abhängige Variable ist operationalisiert als die Anzahl der abgeschlossenen Sitzungen, erfasst über die vom Therapeuten nach jeder Therapiesitzung ausgefüllten Stundenprotokolle. Acht Prädiktoren
(drei PANSS-Werte, Geschlecht und Familienstatus (single oder
geschieden vs verheiratet, mit Partner), der Compliancewert in Bezug auf die Medikamenteneinnahme, und die Einschätzung der
therapeutischen Beziehung aus Patienten- und Therapeutensicht in
der ersten Sitzung sollen die zu prädizierende Variable Anzahl der
abgeschlossenen Therapiesitzungen vorhersagen. Bei einer mittleren erwarteten Effektstärke, einem Alphaniveau von .05, einem
Betafehler von .20 und acht unabhängigen Variablen müssen mindestens 112 Fälle in die Untersuchung eingehen, um den Beitrag
zum Modell für jede unabhängige Variablen bestimmen zu können. Bei einem N von 167 kann diese Bedingung als erfüllt angesehen werden. Die oben genannten Prädiktoren wurden bis auf die
Einschätzung der therapeutischen Beziehung in bisherigen Studien
bei schizophrenen Patienten als Prädiktoren für Therapieabbrecher
bestätigt. Die Einschätzung der therapeutischen Beziehung hat sich
hingegen als Prädiktor für das Outcome erwiesen. Der prädiktive
Wert für die Anzahl abgeschlossener Sitzungen bzw. Therapieabbrüche ist hingegen weitgehend ungeklärt.
Diskussion / Ergebnisse: Die Daten liegen vor und werden bis zur
Kongresseröffnung als Poster eingereicht werden.
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
012
Clinical Analyses of Treatment of Schizophrenia (CATS): Kosten
der Versorgung
Hans-Joachim Salize (ZI für Seelische Gesundheit, Versorgungsforschung, Mannheim)
S. Kief, B. Nils, M. Deuschle, M. Brosz, M. Franz, G. Jan, J. Kammerer-Ciernioch, M. Lautenschlager, F. Lederbogen, M. Weisbrod
Einleitung: Die Kosten der Versorgung von Patienten mit Schizophrenie zählen trotz der anhaltenden Kostendebatte im Gesundheitswesen immer noch zu den selten erfassten und analysierten
Komponenten der Schizophreniebehandlung. Aus den wenigen
deutschsprachigen Kostenstudien ist bekannt, dass die Pro-Kopf
Versorgungskosten der Schizophrenie neben denen der demenzieller Erkrankungen zu den höchsten innerhalb des psychiatrischen
Störungsspektrums zu zählen sind. Während die mittleren direkten
Kosten pro Patient und Jahr sich bis auf ca. 18.000 € summieren
können, ist die Schwankungsbreite der Durchschnittskosten jedoch
aufgrund des episodischen und hochindividuellen Verlaufs der
Schizophrenie ausgesprochen groß. Individuelle Kostenvorher­
sagen sind daher auf der Grundlage der bisher publizierten Datenbasis kaum möglich.
Methode: Die vorliegende pharmakoepidemiologische Studie CATS
hat zum Ziel anhand einer vorläufigen Stichprobengröße (n > 400),
die weit über den bisher im deutschsprachigen Raum durchgeführten Kostenstudien liegt, die direkten Kosten der Versorgung (sta­
tionär, ambulant, rehabilitativ-komplementär) von Patienten mit
Störungsbildern aus dem schizophrenen Formenkreis, die sich in
der Regelversorgung von bundesweit mehr als 54 Zentren befinden, zu bestimmen. Die Kostendaten werden anhand von klinischen, psychopathologischen, soziodemographischen und weiten
Kontextvariablen unterschieden und mit weiteren Zielkriterien der
CATS-Studie korreliert
Diskussion / Ergebnisse: Durch die Stichprobengröße, das breite
Einzugsgebiet und das naturalistische Design bilden die Daten die
bundesdeutsche Versorgungsrealität von Patienten mit Schizophrenie weit deutlicher ab, als die selektiven und von regionalen Versorgungsbedingungen und -besonderheiten geprägten Kostenstudien,
die bisher vorgelegt worden sind, und tragen so zu einer erheb­
lichen Erweiterung der gesundheitsökonomischen Evidenz im Bereich der Schizophrenie bei.
013
Response in der stationären Regelversorgung von Patienten mit
der Diagnose Schizophrenie
Arne Wolter (Johanna-Odebrecht-Stiftung, Ev. Krankenhaus Bethanien, Greifswald)
J. Zimmermann, J. Langosch, N. R. Krischke
Einleitung: Der Begriff Response wird vornehmlich in klinischen
Studien verwendet und betrifft die Abnahme der Zielsymptomatik
innerhalb eines vordefinierten Zeitraums. Leucht et al. (Psychopharmacol 2006,39:161-70) empfehlen, die Höhe der Reduktion
der Psychopathologie, welche zwischen 20 % und 50 % liegen kann,
an den Chronifizierungsgrad der Stichprobe anzupassen. So reiche
für stärker chronische Patientenstichproben bereits eine Symptomreduktion von 20 % als Responsedefinition aus, während für Stichproben akut kranker, nicht-therapierefraktärer Patienten eine
50 %-Reduktion empfehlenswerter sei. In der vorliegenden Studie
soll die Häufigkeit von Response in der stationären Regelversorgung untersucht werden, um sie mit den Ergebnissen klinischer
Studien zu vergleichen.
Methode: In die Analyse wurden 183 Patienten einbezogen. Als
Responsedefinitionen wurden die in der Literatur gängigen Definitionen einer Abnahme der Zielsymptomatik (PANSS) um 20 %,
30 %, 40 % und 50 % verwendet, da die Stichprobe aus der stationären Regelversorgung stammt und somit sowohl Patienten mit chro-
nischen Verläufen als auch mit Erstmanifestationen und nichttherapierefraktären Symptombildern enthält. Darüber hinaus
wurden die einzelnen auf Faktorenanalysen basierenden PANSSSyndrome „Positivsyndrom“, „Negativsyndrom“, „Kognitives Syndrom“, „Feindseligkeitssyndrom“ und „Depressives Syndrom“ untersucht.
Diskussion / Ergebnisse: Die Häufigkeiten von Response in der
PANSS-Gesamtscore liegen für die 20 %-Definition bei 44.8 %, für
die 30 %-Def. bei 23.5 %, für die 40 %-Def. bei 11.5 % und für die
50 %-Def. bei 2.7 %. Die höchsten Raten an Response werden im
Positivsyndrom erzielt und die niedrigsten im Negativsyndrom.
Dennoch liegt der Anteil von Respondern auch im Positivsyndrom
nur knapp über 50 % und verringert sich bis hin zur 50 %-Def. auf
gut 20 %. Damit sind die Häufigkeiten von Response erheblich
geringer als die in klinischen Studien aufgeführten Raten von 50 %
– 80 %. Besonders stark fallen diese Unterschiede bei zunehmender
Enge der Responsedefinition aus.
Donnerstag, 26. 11. 2009, 13.30 – 15.00 Uhr, Halle 11.1
P-011 Posterpräsentation / Poster Presentation
Psychotische Störungen 1
Vorsitz: W. Wölwer (Düsseldorf)
001
Antisocial behaviour, excitement, and treatment outcome in a
prospective cohort of 52 first-episode patients with early-onset
and adult-onset psychosis followed-up for 12 months
Christian G. Huber (UKE Hamburg, Klinik für Psychiatrie)
K. Meister, D. Schöttle, K. Schroeder, D. Naber, B. G. Schimmelmann,
M. Lambert
Introduction: Antisocial behaviour and aggression are increased
in patients with psychotic disorders. There is recent evidence that
earlier age at onset may be associated with childhood antisocial behaviour in bipolar I disorder. However, there are currently no published data concerning the relationship of age at onset, antisocial
behaviour and the clinical course in first-episode non-affective psychosis.
Method: The current study assessed the association of age at onset
with pre-treatment antisocial behaviour and its risk factors, as well
as its influence on baseline values and course of clinical parameters
in a prospective sample of 52 first-episode patients with early-onset
and adult-onset psychosis followed up for 12 months.
Discussion / Results: 26 patients conformed to the criteria of earlyonset psychosis. Early age at onset was associated with pre-morbid
antisocial personality traits (p=.004), a history of legal involvement
(p=.005), higher rates of lifetime substance use disorder (SUD;
p=.002) and a lower pre-morbid level of social functioning (p=.024).
Early-onset patients had significantly higher levels of excitement as
measured by PANSS-EC over the course of observation (p = .005;
hp2 = .178), and these differences remained significant after remission. PANSS-EC was significantly correlated to pre-morbid anti­
social personality traits, involuntary treatment, lifetime SUD, and
low pre-morbid psychosocial functioning. PANNS-EC at 12 months
significantly predicted level of functioning at 12 months follow-up
(p < .001). Excitement has to be considered a trait variable that is
more prominent in early-onset psychosis. This study provides evidence that pre-morbid personality is an important factor for functional outcome in first-episode psychosis, and that special­ized services for first-episode psychosis should also target coping with
antisocial behaviour and substance abuse.
97
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
002
Suicide in a prospective cohort of patients with schizophrenia
treated with sertindole or risperidone
Dieter Naber (Universitätsklinikum Eppendorf, Psychiatrie und
Psychotherapie, Hamburg)
M.-A. Crocq, M. H. Lader, A. Mittoux, P. Tanghoj, F. Thibaut, J. Peuskens, B. Everitt, R. D. Mann, N. D. Moore
Introduction: Death by suicide and suicide attempts was analyzed
in treated patients with schizophrenia who were randomly assigned
to treatment with sertindole (4,905 patients) or risperidone (4,904
patients) in a randomized, prospective parallel-group open-label
study with blinded classification of outcomes (SCoP study). The exposure was 6,978 and 7,975 patient-years (mean number of days:
489.6 and 564.0) in the sertindole and risperidone groups, respectively. Suicide mortality rate in the study was fairly low (0.14 and
0.26 / 100 patients / year with sertindole and risperidone as only
randomized treatment (ORT)).
Method: A small number of patients received additional antipsychotic as add-on therapy (whole randomized treatment + 30 days
(WRT+30d) (361 [7.3 %] in sertindole group, 424 [8.6 %] in risperidone group)).When these were included the suicide mortality
rates were 0.19 and 0.26 / 100 patients / year with sertindole and risperidone respectively.
Discussion / Results: There was a tendency for sertindoletreated patients to have a lower risk of death by suicide than risperidone-treated patients (ORT: HR [95 %CI]: 0.50[0.22-1.10],
p=0.09; WRT+30d: HR [95 %CI]: 0.66[0.33-1.32], p=0.24). Suicide
attempts were reported by psychiatrists. Cox‘s proportional hazards
model analysis of time to first suicide attempt showed a significantly lower risk of suicide attempt for sertindole-treated patients than
for risperidone-treated patients (ORT: HR [95 %CI]: 0.62[0.400.96], p=0.03, WRT+30d: (HR [95 %CI]: 0.67[0.45-0.99], p=0.04).
This clinically relevant reduction in the risk of fatal plus non-fatal
suicide attempts with sertindole is more pronounced in high-risk
patients‘ effect and early on, during the first 12 months of treatment. The mechanism of protection from suicide is unknown, but
may be due to sertindole‘s specific pharmacology profile.
003
Outcome of the Sertindole Cohort Prospective (SCoP) Study:
All-Cause Mortality
Dieter Naber (Universitätsklinikum Eppendorf, Psychiatrie und Psychotherapie, Hamburg)
J. Peuskens, P. Tanghoj, A. Mittoux
Introduction: Sertindole is an efficacious atypical antipsychotic
with good tolerability. Known dose-dependent QT-prolongation
gave rise to cardiac safety concerns, and therefore, a post-marketing
surveillance study, SCoP (Sertindole Cohort Prospective), was initiated to confirm that under normal conditions of use, sertindole is
not associated with excess mortality rate compared to that of other
atypical antipsychotics.
Method: This was a prospective, randomised (1:1), partially blind­
ed, active-controlled, multinational study, conducted under normal
conditions of use. Primary endpoint was all-cause mortality. In­
clusion criteria were deliberately broad to ensure high external validity. For sertindole and risperidone, titration and maintenance
dosages and patient management was left to discretion of investigators, in accordance with national SPCs. An Independent Safety
Committee classified the events, using blinded data, and providing
advice to the Independent Management Committee overseeing the
study. Patients inclusion criteria were diagnosis of schizophrenia,
≥18 years of age, based on patient‘s clinical status, a new or a change
in antipsychotic treatment was indicated and met all other criteria
set out in national SPCs for both sertindole and risperidone. Addon antipsychotic therapy was allowed. Patients were monitored for
98
entire study duration, including after they started add-on therapy
or discontinued study drug.
Discussion / Results: SCoP study is one of the largest post-market­
ing surveillance studies ever conducted in schizophrenia research.
A total of 9809 patients were treated and accrued approximately
15,000 patient years of exposure (PYE) at 594 sites in 38 countries.
The all-cause mortality rate for all patients in the study was very low
(0.8/100 PYE) and the estimated mortality ratio, was MR = 1.081
indicating that sertindole is not associated with excess mortality
when compared with risperidone. Withdrawal due to serious adverse events (2 % and 1 %, respectively) and lack of efficacy (8 %)
were low for both sertindole and risperidone. In conclusion, sertindole offers a safe and efficacious alternative to other atypical antipsychotics.
004
Zusammenhänge zwischen Neurokognition und Social Outcome
bei Ersterkrankten Schizophrenen in einer 15-Jahre-KatamneseStudie
Susanne Pechler (Isar-Amper-Klinikum, Allgemeinpsychiatrie, München-Haar)
M. Albus, T. von Tiedemann, W. Hubmann, F. Mohr, P. HinterbergerWeber
Einleitung: In der Verlaufsbeobachtung der neuropsychologischen
Defizite bei Patienten mit Erkrankungen aus dem Spektrum der
Schizophrenien können Zusammenhänge zwischen neurokogni­
tiven Defiziten und dem social outcome dieser Patientengruppe
gezogen werden.
Methode: Im Rahmen der 15-Jahre Katamnese-Studie im matchedpair Design wurden zum Indexzeitpunkt, t5 und t15 Daten des social outcome erhoben in den Bereichen Arbeit, Wohnen, Beziehung
und Lebensqualität. Als Skalen des social outcome wurden u. a.
die Multi Dimensional Scale of Independent Functioning (MSIF),
die Münchner Lebensqualitätdimensionenliste (MLDL) sowie die
Strauss Carpenter Scale verwandt. Die neuropsychologische Testbatterie umfasste die Bereiche Verbale Intelligenz (VBI), Räum­liche
Orientierung (SPT), Wortflüssigkeit (VBF), Semantisches Gedächtnis (SEM), Visuelles Gedächtnis (VIM), Behaltensrate (DEL), Kurz­
zeitgedächtnis (STM), Visuomotorische Verarbeitung und Aufmerksamkeit (VSM), Verbales Lernen (VBL) sowie Abstraktion /
Flexibilität (ABS).
Diskussion / Ergebnisse: Bereits in den Daten der 15-JahreKatamnese konnte dargestellt werden, dass 2 / 3 der Patienten bezüglich des social outcome deutliche Defizite aufwiesen. Auch in
der neuropsychologischen Testung wurde zum Zeitpunkt t5 eine
signifikant schlechtere Testleistung bei an Schizophrenie erkrankten erzielt als in der gesunden Kontrollgruppe. Betrachtet man die
bisher erhobene Teilstichprobe zum Zeitpunkt t15 so zeigt sich insgesamt bezüglich der neuropsychologischen Ergebnisse sowie der
social outcome Kriterien keine signifikante Verschlechterung gegenüber t5. Zu beiden Erhebungszeitpunkten besteht unter Berücksichtigung der laufenden Datenerhebung ein signifikanter Zusammenhang zwischen social outcome und neurokognitiven
Leistungen.
005
Persönlichkeitsdiagnostische Merkmale von Patienten mit anhaltenden wahnhafte Störungen
Frank Pillmann (Martin-Luther-Univ. Halle, Klinik für Psychiatrie)
T. Wustmann, A. Marneros
Einleitung: Unter anhaltenden wahnhaften Störungen wird eine
Gruppe von psychotischen Erkrankungen verstanden, die durch
die Entwicklung eines in der Regel meist chronisch verlaufenden
Wahns charakterisiert ist. Bei der Genese des Wahns spielen biologische, kognitive und affektive Faktoren eine Rolle, oft aber auch
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
biographische und Persönlichkeitsaspekte.
Methode: Eine Gruppe von 34 stationär behandelten Patienten mit
anhaltenden wahnhaften Störungen wurde im Mittel ca. 10 Jahre
nach Beginn des Wahns nachuntersucht. Aspekte der Persönlichkeit wurden mit Hilfe eines halbstrukturierten Interviews erfasst,
aber auch mit standardisierten Selbstbeurteilungsinstrumenten,
u. a. mit dem NEO-Fünf-Faktoren-Inventar, dem Inventar Klinischer Persönlichkeitsakzentuierungen und dem Attributionsstil­
fragebogen für Erwachsene.
Diskussion / Ergebnisse: Es ergab sich in den verwendeten Instrumenten ein relativ konsistentes Persönlichkeitsbild. Bei unauffälligen Werten im Hinblick auf emotionale Stabilität waren die Patienten im Vergleich zu Normkollektiven introvertierter und weniger
offen. Schizoide und zwanghafte Persönlichkeitszüge dominierten.
Es fanden sich Hinweise auf einen globalen Attributionsstil. Im
Unterschied zu der Mehrzahl psychiatrischer Störungsbilder sind
anhaltende wahnhafte Störungen somit nicht mit erhöhten Neurotizismuswerten assoziiert. Erhöhte Introversion und zwanghafte
bzw. schizoide Persönlichkeitszüge können als teilweise Bestätigung klassischer Konzepte der Wahnentwickung diskutiert werden,
in denen eine charakterogene Disposition zur Wahnbildung postuliert wurde.
006
Functional outcomes of naturalistically treated patients with
schizophrenia
Ilja Spellmann (Psychiatrische Klinik der LMU, Ambulanz, München)
R. Schennach-Wolff, M. Obermeier, M. Jäger, H.-J. Möller, M. Riedel
Introduction: Despite its raising attention in the literature and ob­
vious implications for research and clinical practice the development of remission criteria for functional disability in schizophrenia
remains elusive. However, studies with a more naturalistic design
may constitute a better tool for the evaluation of functional outcome and might help to further define thresholds in terms of remission and recovery than randomized controlled trials (RCT‘s).
Therefore, aims of this analysis within a multicenter naturalistic
trial were in particular to examine what proportion of patients
achieve functional outcome criteria and to identify clinical and
sociodemographic predictive factors for functional remission.
Method: Multicenter trial conducted in 12 psychiatric hospitals in
Germany. Patients (n=400) met DSM-IV criteria for schizophrenia.
The GAF and SOFAS scales were evaluated with respect to functional outcome, whereas PANSS scores were rated as clinical outcome
measures. All rating scales were administered at admission, dis­
charge and after a time period of one year as follow-up visit. The
aim was to define functional remission according to the components of „functional outcome“ by the Remission in Schizophrenia
Working Group. Functional remission thresholds were defined
according to a GAF score of ≥ 61 points and a SOFAS score
≥ 61 points.
Discussion / Results: At the one-year follow-up-visit 130 pa­tients
were left for analysis according to both functional remission considered rating-scales (GAF and SOFAS). Of these 70 patients (53.9 %)
fulfilled criteria for functional remission at discharge and 81 pa­
tients (62.3 %) at the one-year follow-up visit. The strongest predictors for functional remission were: low PANSS negative (p<0.001)
global (p=0.002) and total (p<0.001) scores, younger age (p<0.01)
and a shorter duration of treatment (p=0.002). In this study we could
show a significant increase of functional parameters from admis­
sion to discharge and within a treatment period of one year. We
further could identify some clinical and sociodemographic predictors for functional remission.
007
Prävalenz, klinische und soziodemographische Merkmale von
anhaltenden wahnhaften Störungen
Tobias Wustmann (MLU Halle-Wittenberg, Klinik für Psychiatrie)
F. Pillmann, A. Marneros
Einleitung: Zu anhaltenden wahnhaften Störungen (AWS) existieren bisher nur wenige empirische Untersuchungen. Das Ziel der
hier vorgestellten Studie war, früher einmal in der Klinik unter der
Diagnose einer AWS behandelte Patienten im Hinblick auf klinische und soziodemographische Variablen zu untersuchen.
Methode: Es wurden alle in einem Zeitraum von 14 Jahren in der
Klinik behandelten Patienten, die die Kriterien der AWS gemäß
ICD-10 erfüllten, für diese Untersuchung herangezogen. Soziodemographische und klinische Variablen wurden systematisch erfasst
und im Zuge einer katamnestischen Untersuchung nach durchschnittlich 10,2 Jahren nach Beginn des Wahns mit standardisierten Instrumenten evaluiert.
Diskussion / Ergebnisse: In dieser Studie stellten 44 Patienten mit
AWS insgesamt 2,46 % aller stationär behandelten Patienten mit
nichtorganischen psychotischen Erkrankungen dar. Beide Geschlechter waren etwa gleich häufig vertreten. Das durchschnitt­
liche Alter beim ersten Auftreten des Wahns betrug 47 Jahre. Die
durchschnittliche Dauer des Wahns in dieser Stichprobe betrug
10 Jahre. Bei der Mehrzahl der untersuchten Patienten (47,7 %)
fand sich als vorherrschendes Wahnthema ein Verfolgungswahn.
Diese Untersuchung stützt an Hand von spezifischen soziodemographischen und klinischen Merkmalen die Berechtigung der AWS
als diagnostische Kategorie.
008
Klinischer Verlauf ersterkrankter schizophrener Patienten: Eine
5-Jahres-Katamnesestudie
Toni Katharina von Tiedemann (Isar-Amper-Klinikum KMO, Haar)
M. Albus, S. Pechler, W. Hubmann, F. Mohr, P. Hinterberger-Weber
Einleitung: In Studien zu Längsschnittverläufen schizophrener
Spektrumserkrankungen zeigt sich eine große Diversität. Es bleibt
zu diskutieren, welche Faktoren diese Diversität bedingen bzw. den
Erkrankungsverlauf beeinflussen. Ziel der vorliegenden 5-JahresLängsschnittstudie ersterkrankter Patienten aus dem schizophrenen Spektrum ist es, den Krankheitsverlauf von Beginn an zu
beschreiben, Einflussfaktoren zu ermitteln und mögliche Kausal­
zusammehänge aufzuzeigen.
Methode: Über einen Zeitraum von fünf Jahren wurden zu drei
Zeitpunkten (erste Episode, nach zwei und nach fünf Jahren) klinische Daten zum Krankheitsverlauf, neuropsychologische Test­
leistungen und Funktionalität in verschiedenen Lebensbereichen
erhoben. Die Stichprobengröße betrug 83 Patienten mit einer
Dropout Rate über fünf Jahre von 30 %. Der Altersdurchschnitt bei
Ersterkrankung lag bei 29,7 Jahren.
Diskussion / Ergebnisse: Fünf Jahre nach der Ersterkrankung liegt
bei 29,6 % der Patienten eine Defizitsymptomatik vor (Schedule for
the Deficit Syndrome, SDS). Bei 43,7 % zeigt sich bezüglich des
Krankheitsverlaufs eine Chronifizierung, 26,8 % werden als teil­
remitiert beurteilt und 29,6 % sind zum Fünfjahreszeitpunkt voll­
remittiert. 71,8 % der Patienten hatte mindestens eine Rückfall,
wobei 50,7 % vor einem Rückfall die Neuroleptika abgesetzt hatten.
Weiterhin zeigt sich nach fünf Jahren bei 2 / 3 der Patienten ein
deutliches funktionelles Defizit in den erhobenen Bereichen Arbeit, Ausbildung und Wohnen (Multidimensional Scale of Independent Functioning, MSIF). Etwa 25 % der Patienten waren in
dem Fünfjahreszeitraum nicht erwerbstätig, während ca. 20 % während des gesamten Zeitraumes in Erwerbstätigkeit standen. Dabei
machen Patienten mit einer Defizitsymptomatik den Großteil der
Gruppe aus, die in den fünf Jahren nicht erwerbstätig war. Patienten mit Defizitsymptomatik zeigen insgesamt eine höhere Rückfall-
99
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
rate und mehr stationäre Behandlungstage, schlechtere neuropsychologische Leistungen und sind kürzer erwerbstätig als Patienten
ohne Defizitsymptomatik. Kein Zusammenhang konnte zwischen
der Anzahl der Rückfälle und neuropsychologischen Leistungen
gefunden werden.
009
Elterlicher Erziehungsstil bei psychiatrischen Patienten – ein Vergleich zwischen Patienten mit Alkoholabhängigkeit und Schizophrenie
Irina Leichsenring (Hamburg)
S. Gusmann, M. Albert, A. Karow, I. Schäfer
Einleitung: Zur Bedeutung des elterlichen Erziehungsstils für psychiatrische Erkrankungen liegen inzwischen eine Vielzahl von Befunden vor. Dabei sind Unterschiede hinsichtlich des erinnerten
elterlichen Erziehungsstils zwischen verschiedenen Diagnosegruppen zu vermuten. Nur wenige Studien stellen allerdings direkte
Vergleiche zwischen Patienten mit unterschiedlichen psychiatrischen Erkrankungen an. Ziel dieser Untersuchung war es deshalb,
Patienten mit zwei unterschiedlichen Störungsbildern, Alkoholabhängigkeit (A) und Schizophrenie (S), hinsichtlich des erinnerten
elterlichen Erziehungsstils zu vergleichen und dabei weitere potenzielle Einflussgrößen, wie Geschlecht, Alter und Bildungsstand, zu
kontrollieren.
Methode: N=156 stationär behandelte Patienten mit einer Alkoholabhängigkeit nach ICD-10 (70 % männlich, 30 % weiblich) und
N=140 stationär behandelte Patienten mit einer Schizophrenie
nach ICD-10 (66 % männlich, 34 % weiblich) wurden anhand des
„Parental Bonding Instruments“ (Parker et al., 1979) untersucht.
Die Ergebnisse für die beiden Fragebogenskalen „Fürsorge“ und
„Kontrolle“ wurden mit den üblichen cut-off-Werten verglichen
und der Einfluss weiterer Variablen untersucht.
Diskussion / Ergebnisse: Beide Störungsgruppen erinnerten suboptimale Erziehungsstile. Einheitlich wurde von beiden Stich­
proben eine geringe väterliche (AB: M=18,64; AV: M=18,94;
SB: M=19,68; SV: M=17,86) wie mütterliche (AB: M=25,23;
AV: M=17,87; SB: M=24,66; SV: M=17,36) Fürsorglichkeit angegeben. Dabei fiel auf, dass die Mütter von beiden weiblichen Stichproben als signifikant weniger fürsorglich beschrieben wurden als von
den beiden männlichen Stichproben. Es fanden sich allerdings auch
störungs- und geschlechtsspezifische Unterschiede: Männliche
Alkoholiker beschrieben ihre Mütter eher als unterkontrollierend
im Vergleich zu der männlichen schizophrenen Stichprobe. Für die
weiblichen Stichproben fand sich die statistische Tendenz, dass die
Mütter der schizophrenen Stichprobe eher überkontrollierend im
Vergleich zu eher „normal“ kontrollierenden Alkoholiker-Müttern
erlebt wurden.
010
Recovery Style von PatientInnen mit einer Psychose
Ingrid Sibitz (Medizinische Universität Wien, Universitätsklinik für
Psychiatrie und Psychotherapie, Österreich)
A. Unger, B. Schrank, M. Amering
Einleitung: Recovery als ein Prozess der Genesung und Wiederherstellung rückte in den letzten Jahren zunehmend ins Zentrum
der Therapie der Schizophrenie. Ziel der Studie war es, den Genesungsstils von PatientInnen mit einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis zu erfassen und Zusammenhänge mit anderen Konstrukten darzustellen.
Methode: 144 PatientInnen füllten ein Fragebogenset aus. Neben
soziodemographischen und klinischen Variablen wurden Daten zu
Krankheitskonzept, Einsicht, Wissen, Empowerment, Selbstwert,
Lebensqualität und Stigma erfasst.
Diskussion / Ergebnisse: Die meisten Befragten wiesen einen in­
tegrativen Genesungsstil auf. Eine Faktorenanalyse bestätigte die
100
Einteilung des Fragebogens zum Recovery Style (RSQ) in 13 Sub­
skalen während die psychometrischen Eigenschaften der Gesamtskala wenig zufrieden stellend waren. Ein größerer Freundeskreis,
höhere Bildung und ein jüngeres Erkrankungsalter sowie ein jüngeres Alter bei der ersten stationären Behandlung waren prädiktiv
für einen integrativen Genesungsstil. Die Erfassung des Ausmaßes
an Integration innerhalb der 13 Subskalen ist von therapeutischer
Relevanz. Eine wiederholte Anwendung des RSQ im Therapieverlauf könnte dazu beitragen, Recovery bei Personen mit Schizophrenie gezielt zu fördern.
011
Recovery bei ehemals stationären Patienten mit Schizophrenie im
2-Jahres-Follow-up
Jörg Zimmermann (Karl-Jaspers-Klinik, Allgemeinspsychiatrie, Bad
Zwischenahn)
A. Wolter, J. Langosch, N. R. Krischke
Einleitung: Der Begriff Recovery ist neben Remission in den letzten Jahren zunehmend stark in den Fokus der Schizophrenieforschung geraten. Dabei wird er in der Regel als Outcome aufgefasst,
der sowohl in der zeitlichen Dimension als auch bezüglich der Berücksichtigung weiterer Funktionsbereiche, über Remission hinausgeht. Diese bezieht sich in der gängigsten Definition von Andreasen et al. (AJP 2005, 162:441-9) ausschließlich auf die psychotische
Kernsymptomatik. In der vorliegenden Studie soll die Häufigkeit
von Recovery in einer naturalistischen Stichprobe ehemals stationärer Patienten dargestellt werden und in Anlehnung an Lambert
el al. (J Clin Psychiatry 2006,67:1690-7) hinsichtlich ihrer Bestandteile – Remission der Symptomatik, Funktionalität und Lebens­
zufriedenheit – differenziert analysiert werden.
Methode: In die Analyse wurden 77 Patienten einbezogen. Die Aus­
schöpfung betrug 69 %. Die Patienten wurden bei Entlassung,
1- und 2-Jahreskatamnese untersucht. Zur Anwendung kamen dabei die PANSS, die GAF-Skala und der SWN-K. Hierbei handelt es
sich um einen Fragebogen mit 20 Items zur Erfassung des subjek­
tiven Wohlbefindens unter Neuroleptikabehandlung. Symptomatische Remission wurde entsprechend den Vorgaben von Andreasen
et al. anhand der PANSS operationalisiert, Funktionelle Remission
mithilfe eines in der Literatur zu findenden Cut-Off-Werts von 61
und höher in der GAF. Eine Remission der Lebenszufriedenheit
trat in Anlehnung an Lambert et al. bei einem Gesamtwert von 80
oder höher im SWN-K auf. Recovery lag dann vor, wenn ein Pa­
tient in allen drei Bereichen zu allen drei Zeitpunkten remittiert
war.
Diskussion / Ergebnisse: Zu allen Zeitpunkten remittierten nur
jeweils gut 10 % der Patienten symptomatisch und funktionell. Ein
Drittel der Patienten remittierte demgegenüber hinsichtlich der
Lebenszufriedenheit. Kein Patient erfüllte die Recovery-Kriterien.
Im Vergleich zur Literatur, in welcher die Häufigkeiten stichproben- und definitionsabhängig zwischen 0 % und 40 % (Lauronen et
al., J Clin Psychiatry 2005,66:375-83), liegt unser Ergebnis im untersten Bereich. Dies dürfte einerseits auf die Negativauswahl von
Patienten innerhalb der stationären Versorgung zurückzuführen
sein und andererseits auf die vergleichsweise relativ enge Definition
von Recovery.
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
Freitag, 27. 11. 2009, 13.30 – 15.00 Uhr, Halle 11.1
P-012 Posterpräsentation
Pharmakotherapie 2 (F2)
Vorsitz: K.-U. Kühn (Bonn)
001
Predictors for treatment response in patients with acute
schizophrenia
Corinna Pick (Janssen-Cilag GmbH, Medizin & Forschung, Neuss)
A. Schreiner, M. Blanc, L. Bidzan, D. Hoeben, L. Hargarter, M.
Lahaye, G. M. Badescu, M. Schmauss, M. Kotler
Introduction: To explore predictors and explanatory variables for
treatment response and dosing of antipsychotic medication in pa­
tients with schizophrenia suffering from an acute episode.
Method: Six-week prospective international, open-label flexible
dose study (PALSCH3018) with oral paliperidone ER in acutely
exacerbated schizophrenia patients. For analysis stepwise logistic
regression was used, taking into account country, age, sex, BMI,
diagnosis, duration of schizophrenia, prior hospitalizations, psychotic symptoms (Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS)),
disease severity (Clinical Global Impression-Severity Scale
(CGI-S)), and patient functioning at baseline.
Discussion / Results: 294 patients were analyzed (53 % male, mean
age 40.3 ± 12.4 years). 80 % of patients completed the study. The
mean dose of paliperidone ER was 7.5 ± 2.1 mg / day. Total PANSS
score improved from 100.2 ± 17.2 (baseline) to 72.7 ± 20.3 (endpoint) (p<0.0001). Significant onset of efficacy was observed from
day 2 of treatment. For most explanatory analyses there were differ­
ences between participating countries affecting antipsychotic dosing, but less so treatment response. After stepwise regression,
lower total baseline PANSS was a predictor for high treatment response, defined as ≥50 % total PANSS improvement (Odds ratio
[OR] 0.98; p<0.05). Higher disease severity in CGI-S was predictive
for a dose increase above 6 mg / day (OR 2.08; p<0.01), and there
was a trend for patients with higher numbers of previous hospitalizations (OR 1.3; p=0.0874). Similarly, a higher number of previous
hospitalizations (OR 1.33; p<0.05) and higher baseline BMI (OR
1.08; p<0.05) were predictive for use of paliperidone ER 9 mg / day
as mode dose during the study. Conclusion: In patients with schizophrenia suffering from an acute episode, psychotic symptoms were
a predictor for treatment response, and disease severity, BMI and
number of previous hospitalizations were predictors for dosing of
paliperidone ER. There were significant differences between countries regarding antipsychotic dosing, which, however, was not associated with significant differences in treatment response.
002
Deskriptive Analyse des Aripiprazol-Arms der ConstaTRE-Studie
zur Rezidivprophylaxe von lang wirksamem Risperidon vs. Que­
tiapin
Corinna Pick (Janssen-Cilag GmbH, Medizin & Forschung, Neuss)
R. de Arce, E. Eding, J. Marques-Teixeira, V. Milanova, E. Rancans,
B. Ibach, A. Schreiner
Einleitung: In dieser offenen, randomisierten klinischen Studie
(ConstaTRE) wurde die rezidivprophylaktische Wirkung von langwirksamem Risperidon (=long acting injectable risperidone
=LAIR) mit oralem Quetiapin und Aripiprazol verglichen. Im Folgenden stellen wir die deskriptive Analyse des Aripiprazol-Arms
vor.
Methode: Klinisch stabile Erwachsene mit Schizophrenie oder
schizoaffektiver Störung, die bisher mit oralem Risperidon, Olanzapin oder einem oralen konventionellen Neuroleptikum behandelt
wurden, wurden randomisiert auf eine Behandlung mit LAIR,
Quetiapin oder Aripiprazol umgestellt. Wirksamkeit und Verträglichkeit wurden bis zu 24 Monate beobachtet.
Diskussion / Ergebnisse: Insgesamt 45 Patienten wurden mit
Aripiprazol 10-30 mg / d behandelt. Bei 27,3 % bzw. 16,5 % der mit
Aripiprazol bzw. LAIR behandelten Patienten wurde ein Rezidiv
beobachtet. Die durchschnittliche Zeit bis zum Rezidiv betrug
147,7 ± 116,3 Tage bei mit Aripiprazol behandelten bzw. 244,9 ±
208.0 Tage bei mit LAIR behandelten Patienten. Eine Vollremission
nach Andreasen et al. erzielten 34,1 % der Aripiprazol-Patienten
und 51,1 % der LAIR-Patienten. Die erzielte Remission konnte bei
86,7 % der Aripiprazolpatienten und 86,2 % der LAIR-Patienten bis
zum Ende der Studie aufrecht erhalten werden. Die CGI (Clinical
Global Impression)-Werte veränderten sich zugunsten der LAIRbehandelten Patienten (-0,55 ± 1.25 vs. 0,03 ± 1.23 für Aripiprazol
bzw. LAIR). Die Verträglichkeit war in beiden Behandlungsgruppen annähernd gleich. Wie zu erwarten, traten Gewichtszunahme,
extrapyramidale Symptome und möglicherweise Prolaktin-asso­
ziierte unerwünschte Ereignisse in der LAIR-Gruppe häufiger auf.
Gastrointestinale Störungen wurden eher von Patienten der Aripirazolgruppe berichtet. In der vorliegenden Studie an klinisch stabilen Patienten mit Schizophrenie oder schizoaffektiver Störung war
die Zeit bis zum Auftreten eines Rezidiv in der Aripirazol-Gruppe
kürzer als bei Patienten unter LAIR-Therapie. Sowohl LAIR als
auch Aripiprazol wurden grundsätzlich gut verträglich.
003
A comparison of paliperidone extended-release (ER) with
risperidone immediate-release (IR): D2-receptor occupancies and
corresponding plasma concentrations
Ludger Hargarter (Janssen-Cilag GmbH, Medizin & Forschung, Neuss)
E. Mannaert, L. Hargarter, A. Mehnert, A. Vermeulen
Introduction: Paliperidone ER (PER) delivers paliperidone using
OROS® technology. Release occurs in a controlled, gradual way
with an ascending pharmacokinetic profile reaching peak at 24 h
after single dose and only small peak-to-trough fluctuations at
steady-state compared to immediate-release (IR) formulations.
This analysis compared pharmacokinetics and receptor occupancies of PER and Risperidon IR.
Method: D2-receptor occupancies and plasma-concentrations of
paliperidone and/or risperidone active moiety (RIS-AM) (sum of
risperidone+paliperidone) derived from four studies with schizophrenic patients and healthy subjects, were combined: 1: doubleblind, parallel-group study, n=113 schizophrenia patients randomized to (a) placebo Day 1, PER 12mg Days 2-6 (n=37); (b) 12mg
PER Days 1-6 (n=38); (c) 2 mg risperidone IR Day 1, 4mg Days
2 – 6 (n=38). 2: Positron Emission Tomography (PET) study in
3 healthy volunteers following single dose of paliperidone IR 1mg.
3: PET Study in 4 healthy volunteers following single oral dose of
PER 6mg. 4: PET study in 8 schizophrenia patients following oncedaily oral risperidone IR 6mg.
Discussion / Results: Concentrations of paliperidone and RIS-AM
increased dose–proportionally across the dose range studied.
RIS-AM mean peak (trough) plasma concentrations were between
15 (8)ng / mL for 1mg and 107 (40)ng / mL for 6 mg (fluctuation
index (FI): 125 %). The FI for PER was significantly lower (38 %)
with mean plasma concentrations between ~8ng / mL (3mg) and
~43ng / mL (15mg). D2-receptor occupancy with RIS-AM fluctuated between 40 – 70 % (1mg), 60 – 85 % (3mg), 80 – 90 % (4mg) and
85 – 93 % (6mg). D2-occupancies with PER were fairly constant:
65 % (3mg), 75 % (6 mg), 84 % (9mg), 87 % (12mg) and 90 % (15mg).
Conclusions: Similar occupancy levels can be achieved with lower
plasma concentrations of paliperidone ER while showing a more
stable D2-binding profile compared to risperidone IR (active moiety).
101
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
004
Plasmakonzentration-Dosis-Quotient und Psychopatholgie schizo­
phren-Erkrankter bei der Behandlung mit Olanzapin und Clozapin
Christian Schmidt-Kraepelin (LVR-Klinikum Düsseldorf, Allgemeine
Psychiatrie 2)
A. Klimke, R. W. Dittmann, D. Naber, M. Lambert, G. Regenbrecht,
J. Cordes
Einleitung: Assoziiert mit verschiedenen Faktoren – wie genetische Disposition, Zigaretten Rauchen oder Begleitmedikation –
zeigt sich unter einer Behandlung mit Olanzapin eine hohe Variabilität des Plasmakonzentration-Dosis-Quotienten (C/D-Quotient).
Daher ist „Therapeutisches Drug Monitoring“ zur Optimierung der
Pharmakotherapie und Verbesserung des Therapierfolges bei Schizophrenie in bestimmten Fällen angezeigt. Wir berichten über den
Zusammenhang von C/D-Quotienten und Psychopathologie aus
einer Subanalyse einer randomisierten, doppelblinden Vergleichsstudie mit Olanzapin und Clozapin (26-wöchig).
Methode: Die Plasmakonzentrationen von Olanzapin und Clozapin
wurden während der 2., 4., 6., 10., 14., 18., 22. und 26. Behandlungswoche erfasst. Die Positive and Negative Symptom Scale
(PANSS) wurde vor Beginn der Behandlung und während der Visiten nach 4,6,14,22 und 26 Wochen erhoben. Der Zusammenhang
zwischen Tagesdosis und Plasmakonzentration sowie C/D-Quotient
und Änderung der PANSS Positiv- und Negativsubskala wurde
durch eine Korrelationsanalyse nach Pearson berechnet.
Diskussion / Ergebnisse: Der Zusammenhang zwischen Plasmakonzentration und Dosis ist in dieser Studie bei Olanzapin (3/7 Visiten; 0,075 bis 0,572; p = 0,675 bis 0,016) geringer ausgeprägt als
bei Clozapin (7/7 Visiten; 0,457 bis 0,588; p 0,032 bis 0,001). Für die
Korrelation zwischen C/D-Quotient und Änderung der PANSSPositivsubskala waren für Clozapin bei 2 von 5 Visiten, für Olanzapin keine signifikanten Korrelationen vorhanden. Durchgängige
Zusammenhänge ergaben sich lediglich bei der PANSS-Negativsubskala für Clozapin (5/5 Visiten), die bei Olanzapin nicht vorhanden waren (0/5 Visiten). Die Ergebnisse reproduzieren die zuvor beschriebene erhöhte Variabilität des C/D-Quotienten von
Olanzapin im Vergleich zu Clozapin. Trotz dieser erhöhten Variabilität ergaben sich bei Olanzapin weniger Zusammenhänge des
C/D-Quotienten mit dem klinischem Ergebnis als bei Clozapin,
was eine gezielte Indikationsstellung für TDM bei Olanzapin befürwortet.
005
Safety, tolerability and efficacy of flexible doses of paliperi­
done ER in non-acute patients with schizophrenia
Andreas Schreiner (Janssen-Cilag EMEA, Neuss)
L. Hargarter, M. Franco, D. Buccomino, E. Lara, F. Kühn, T. Tzotzoras, D. Hoeben, B. Millet
Introduction: To explore tolerability, safety and efficacy of flexible
doses of oral paliperidone ER in adult non-acute patients with
schizophrenia requiring a change in their medication due to lack of
efficacy with their previous oral antipsychotic.
Method: Interim analysis of a prospective 6-month, open-label,
international study (PAL-SCH-3017). Patients completing the first
3 months of this study were analyzed. Endpoints were the change in
the Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS) from baseline
to endpoint, Clinical Global Impression-Severity Scale (CGI-S),
weight change and adverse events (AEs).
Discussion / Results: 81 patients were included (57 % male, mean
age 41.3 ± 13.6 years, 85 % paranoid schizophrenia). 89 % of the
81 patients completed the first 3 months of the study. Reasons for
early discontinuation were lack of efficacy (3.7 %), subject choice
(2.5 %), loss to follow-up (2.5 %) and AE (1.2 %). The mean mode
dose of paliperidone ER was 6 mg / day. Mean total PANSS de­
creased from 82.8 ± 16.0 at baseline to 69.2 ± 19.1 at endpoint
102
(mean change -13.6 ± 15.6; 95 % confidence interval [CI]-17.0;10.1, p<0.0001). The percentage of patients rated mildly ill or less in
CGI-S increased from 19.8 % to 49.4 %. AEs reported in ≥3 % were
insomnia (4.9 %), somnolence (4.9 %), extrapyramidal disorder
(3.7 %), restlessness (3.7 %) and psychotic disorder (3.7 %). Mean
weight change from baseline to endpoint was 0.34 kg (95 % CI
-0.35;1.03, p=0.71). Conclusion: These interim open-label data support results from recent randomized controlled studies that flexibly
dosed paliperidone ER is safe, well tolerated and effective in pa­
tients with schizophrenia requiring a change in medication due to
lack of efficacy with their previous oral antipsychotic treatment.
006
Safety, tolerability and treatment response of flexible doses of
paliperidone ER in acutely exacerbated patients with schizo­
phrenia
Andreas Schreiner (Janssen-Cilag EMEA, Neuss)
G. M. Badescu, V. Jukic, A. Siracusano, V. Maciulis, B. Laffy-Beaufils,
D. Hoeben, L. Hargarter, M. Schmauß
Introduction: To explore tolerability, safety and treatment response of flexible doses of oral paliperidone ER in patients with schizophrenia suffering from an acute episode.
Method: Six-week prospective, open-label, international study
(PAL-SCH-3018). Endpoints were the rate of responders defined as
a ~30 % improvement in the Positive and Negative Syndrome Scale
(PANSS) from baseline to endpoint, the Clinical Global Impres­sion­Severity Scale (CGI-S), weight change and adverse events (AEs).
Discussion / Results: 294 patients were analyzed (53 % male, mean
age 40.3 ± 12.4 years). 80 % of patients completed the study. Most
frequent reasons for early discontinuation were subject choice (9 %)
and lack of efficacy (6 %). The mean dose of paliperidone
ER was 7.5 ± 2.1 mg / day. An improvement of ≥30 % in total PANSS
was observed in 66 % of patients (95 % confidence interval [CI]
61 %; 72 %], with a decrease in mean total PANSS score from 100.2
± 17.2 at baseline to 72.7 ± 20.3 at endpoint (mean change -27.5 ±
20.1; 95 % CI -29.8; 25.2, p< 0.0001) and an onset of efficacy as of
day 2. The percentage of patients rated as at least markedly ill in
CGI-S decreased from 74.1 % to 19.7 %. AEs reported in ≥5 % were
insomnia (23 %, only 5 % assessed as causally related to study medication), tachycardia (9 %), headache (7 %), extrapyramidal disorder
(7 %), and anxiety (5 %). Mean weight gain was 0.6 kg (95 % CI
0.29;0.98) from baseline to endpoint. Conclusion: This flexible dose
study supports data from recent controlled studies that flexibly
dosed paliperidone ER is safe, well tolerated and associated with a
clinically meaningful treatment response in patients suffer­ing from
an acute schizophrenic episode.
007
Predictors for use of benzodiazepines in acutely ill patients
with schizophrenia
Christophe Tessier (Janssen-Cilag France, Issy-Les-Moulineaux,
Frankreich)
L. Hargarter, L. Bidzan, M. Kotler, C. Niolu, D. Hoeben, V. Jukic,
A. Schreiner
Introduction: To analyze predictors for the use of benzodiazepines
(BZDs) in patients with schizophrenia suffering from an acute episode and treated with flexible doses of paliperidone ER.
Method: Six-week prospective international, single-arm, open-­
label study (PALSCH3018) using flexible doses of oral paliperidone
ER. For the analysis of explanatory variables, a stepwise logistic regression was used taking into account country, age, sex, BMI, diagnosis and duration of disease, psychotic symptoms, disease severity,
hospitalization and patient functioning at baseline.
Discussion / Results: 294 patients were analyzed (53 % male, mean
age 40.3 ± 12.4 years). 80 % of patients completed the study. The
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
mean dose of paliperidone ER was 7.5 ± 2.1 mg / day. 211 (71.8 %)
patients temporarily received a BZD during the study, of which 190
(90 %) were newly initiated after enrolment. The most frequently
used BZDs were diazepam (47.4 %) and lorazepam (44.5 %). The
mean daily BZD dose in diazepam equivalents was 14.4 mg (range
1 – 39 mg / day) and the mean duration of BZD treatment was 14.3
days (range 1 – 46 days). There were differences between countries
in terms of BZD use, with higher percentages in Italy (100 %) Croatia (82.6 %) and France (80 %), and a lower proportion in Germany (62.8 %) and Poland (61 %). After stepwise regression, the only
significant predictor for BZD use was a higher disease severity at
baseline as measured by the Clinical Global Impression-Severity
Scale (Chi-Square 17.89; p<0.001). All remaining factors including
participating country, sex, age, duration of illness, body-mass index, psychotic symptoms and patient functioning at baseline were
not identified as significant predictors. Conclusions: Benzodiazepines are frequently prescribed to patients with schizophrenia suffering from an acute episode, with considerable differences between
countries. CGI-S score at baseline was the only significant clinical
predictor for use of BZDs in this study, while other factors like sex,
age or duration of illness were not.
008
Pregabalin in der Therapie schizophrener Psychosen
Mathias Zink (Zentralinstitut für SG, Klinik für Psychiatrie, Mannheim)
S. Englisch, A. Esser, F. Enning
Einleitung: Das GABA-Analogon Pregabalin ist unter anderem als
Antiepileptikum, zur Therapie neuropathischer Schmerzen und
zur Behandlung der generalisierten Angststörung zugelassen.
Häufig treten auch im Verlauf schizophrener Psychosen Krisen mit
relevanter Angst auf. Diese gehen oftmals mit Antipsychotika-­
resistenter, paranoider Symptomatik einher und führen zu sozialem Rückzug oder Vermeidungsverhalten. Diese Untersuchung
dokumentiert Fälle, bei denen Pregabalin zur Augmentation der
antipsychotischen Therapie eingesetzt wurde.
Methode: Patienten mit Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis (N=10), die klinisch relevante Ängste im Sinne einer
komorbiden Angststörung oder therapieresistenter Psychosesymptome zeigten, erhielten als Ergänzung zu ihrer jeweiligen Anti­
psychotika-Therapie Pregabalin in einer Tagesdosis von 150 bis
300 mg. Erfasst wurden Psychosesymptome mittels PANSS (Posi­
tive and Negative Symptoms Scale) und SANS (Scale for the Assessment of Negative Symptoms), Depressivität mittels CDSS (Calgary
Depression Scale for Schizophrenia), Angstsymptome mittels
Penn-State-Worry-Questionaire und HAMA (Hamilton Anxiety
Scale), sowie etwaige Schmerzen und die Schlafqualität.
Diskussion / Ergebnisse: Im Verlauf über 8 Wochen erfuhren diese
Patienten eine deutliche psychopathologische Verbesserung. Die
psychometrischen Skalen dokumentierten Reduktionen hinsichtlich Angst, Positivsymptomatik und Depressivität. Zusätzlich
konnten unter Gabe von Pregabalin Benzodiazepine im Verlauf abgesetzt werden. Im erfassten Kollektiv war die Behandlung gut verträglich. Gut vereinbar mit Daten zu den Antiepileptika Valproinsäure und Lamotrigin konnten hiermit auch für Pregabalin
günstige Effekte im Rahmen der Therapie schizophrener Patienten
nachgewiesen werden. Besonders das Zielsymptom Angst sprach
gut auf die Gabe von Pregabalin an, wobei prospektive Studien mit
großer Fallzahl nötig erscheinen, um Chancen und Risiken dieser
Therapie zu beschreiben.
009
Effectiveness, tolerability and compliance of patients with
schizophrenia under treatment with oral atypical antipsychotics
or risperidone depot in daily routine
Bernd Ibach (Janssen-Cilag GmbH, Medizin & Forschung, Neuss)
B. Diekamp, A. Schreiner
Introduction: This study assessed treatment compliance, effective­
ness, tolerability and safety of second generation antipsychotics
administered orally (oSGA) or by depot injection under daily routine.
Method: Prospective, non-interventional, open-label, 24-months
study (RISSCH4057) in schizophrenic patients (ICD-10 F20.x;
CGI≤5) with monotherapy with an oSGA (either amisulpiride,
aripiprazole, olanzapine, quetiapine, ziprasidone, risperidone) or
injection of risperidone depot (RISdepot). Assessment included
PANSS, CGI-C, SWN-K, compliance (4-point Likert-scale), number of relapses, retention.
Discussion / Results: This interim analysis includes 300 RISdepot
and 159 oSGA patients (ITT; m / f 48 % / 52 %; mean age 42.1 ±
11.51 years; mean duration of disease 8.8 ± 8.1 years). PANSS, CGIC and SWN-K improved in RISdepot and oSGA patients (p<0.001;
no group differences). Compliance to study medication was estimated 75 – 100 % in >70 % of both patient groups. In RIS-depot vs.
oSGA patients retention rates were higher (54.0 % vs. 43.3 %;
p=0.0542), retention time was 277 ± 11 vs. 254 ± 13 days (p=0.0995),
relapse rates / patient / year were 0.15 vs. 0.21 and time to first relapse was 309 ± 7 vs. 290 ± 10 days (p=0.0485). Adverse events (AEs)
were reported in 69.0 % RIS-depot vs. 76.1 % oSGA patients, serious AEs in 19.7 % vs. 19.5 % patients. One RISdepot patient died
with no relationship to the study medication. Most common AEs at
least possibly related to the study medication in RISdepot vs. oSGA
patients were fatigue (12.7 % vs. 16.4 %), disturbance in attention
(12.7 % vs. 13.8), dry mouth (13.0 % vs. 13.2 %), weight increase
(11.0 % vs. 10.1 %), EPS (3.0 % vs. 2.5 %). Serious AEs at least possibly related to the study medication were reported in 6.0 % RISdepot vs. 6.9 % oSGA patients. The trend of these data towards lower
relapse rates and longer retention under RISdepot vs. oSGA indicates that RISdepot therapy may help patients effectively to achieve
stable remission.
010
Erstmanifestation Schizophrenie – die Einstellung der Psychiater
gegenüber der antipsychotischen Depottherapie
Stephan Heres (Klinikum rechts der Isar, Psychiatrie, München)
T. Reichhart, J. Hamann, R. Mendel, S. Leucht, W. Kissling
Einleitung: In einer kürzlich durchgeführten Befragung gaben
Psychiater an, lediglich etwa 35 % ihrer Patienten, die an einer Schizophrenie oder schizoaffektiven Erkrankung leiden, jemals eine
antipsychotische Depottherapie angeboten zu haben. Eine besonders skeptische Haltung war in dieser und anderen Studien in der
Verordnung von Depotpräparaten bei ersterkrankten Patienten zu
erkennen.
Methode: Wir befragten 198 Psychiater hinsichtlich ihrer Bewertung von Einflussfaktoren, die eine Rolle in der Entscheidung
gegen die Depottherapie bei ersterkrankten Patienten spielen
könnten. Darüber hinaus wurden ergänzende Angaben zum Verschreibungsverhalten und der Einschätzung des Rückfallrisikos
ersterkrankter Patienten erhoben.
Diskussion / Ergebnisse: Lediglich drei von zwölf Faktoren waren
aus Sicht der Psychiater in der Entscheidung gegen die Depottherapie bei Ersterkrankten von Einfluss: Die eingeschränkte Verfügbarkeit von Depotpräparaten der sogenannten „Atypika“, die Schwierigkeit, einen Patienten, der niemals einen Rückfall erlebt hat, von
der Depottherapie zu überzeugen und die generelle häufige Ablehnung des Depotangebots durch die Erstmanifestationspatienten.
103
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
Weitere Faktoren, wie z. B. der erhöhte Zeitaufwand oder das häufigere Auftreten von Nebenwirkungen, spielten eine untergeord­
nete Rolle in der Entscheidung.
Donnerstag, 26. 11. 2009, 13.30 – 15.00 Uhr, Halle 11.1
P-013 Posterpräsentation
Psychotische Störungen 4 (Pathophysiologie)
Vorsitz: S. Ruhrmann (Köln)
001
Metabolic parameters in the short- and long-term treatment
with sertindole or risperidone in patients with schizophrenia
(subset of sertindole cohort prospective – SCoP-study)
Wibke Flürenbrock (Lundbeck GmbH, Scientific Unit, Hamburg)
M. de Hert, A. Mittoux, Y. He, J. Peuskens
Introduction: The presence of the metabolic syndrome is an important risk factor for cardiovascular disease and diabetes. Only
limit­ed data is available on the metabolic safety of sertindole.
Method: Study of the short and long term metabolic safety of sertindole in a randomized study compared to risperidone. In a subset
of patients enrolled in the sertindole cohort prospective (SCoP)
study, prevalence and incidence of metabolic syndrome (according
to International-Diabetes-Federation-criteria, IDF) were evaluated.
Discussion / Results: In 261 randomised patients, there were moderate increases in mean weight, BMI, and waist circumference
dur­ing treatment with either sertindole or risperidone; after 12
weeks, increase in weight was 1.3 kg and 1.1 kg, respectively, after
48 weeks it was 3.0 kg and 2.3 kg respectively. Comparable weight
change from baseline to last assessment was reported in each treatment group 1.8 kg and 1.7 kg (up to 60 weeks). Similar proportions
of patients (sertindole: 17 % versus risperidone: 16 %) had weight
increases ≥7 % from baseline to last assessment. Mean changes
from baseline to each assessment in triglycerides, total cholesterol,
HDL-cholesterol, LDL-cholesterol, plasma glucose and blood pressure were small and not clinically relevant in both treatment groups.
No patient in either group met criteria for diabetes type-2 during
the course of the study. At last assessment the prevalence of metabolic syndrome was 17 % in the sertindole group and 26 % in the
risperidone group. The incidence of metabolic syndrome (in pa­
tients without metabolic syndrome at baseline) was 7.1 % in the
sertindole group and 10.5 % in the risperidone group. Conclusion:
Treatment with either sertindole or risperidone up to 12 months
did not appear to be associated with a difference in risk of devel­
oping metabolic syndrome as defined by IDF. In general metabolic
effects of sertindole and risperidone were similar: both treatments
were associated with modest weight gain, and a corresponding increase in BMI and in waist circumference.
002
Attentive Modulation der Präpulsinhibition (PPI) bei schizophrenen Patienten
Karsten Heekeren (Universitätsklinik Zürich, Psychiatrie)
S. Metzler, A. Theodoridou
Einleitung: Der Befund, dass die präattentive Präpulsinhibition
(PPI) des Startlereflexes bei schizophrenen Patienten vermindert
ist, wird durch eine Vielzahl von Studien belegt. Jedoch lässt sich
ein präattentives PPI-Defizit nicht bei allen schizophrenen Patienten nachweisen. Außerdem ist die PPI auch kein rein präattentiver
Prozess, sondern kann bei längeren Präpuls-Puls-Intervallen durch
gerichtete Aufmerksamkeit moduliert werden. Interessanterweise
104
konnte bei schizophrenen Patienten, die eine reguläre präattentive
PPI aufweisen, dennoch eine pathologische Verminderung der attentiven Modulation der PPI gefunden werden.
Methode: In der vorliegenden Untersuchung wurden erstmanifeste
und chronische Patienten mit einer schizophrenen Erkrankung
und gesunde Kontrollprobanden untersucht. Im Gegensatz zu früheren Untersuchungen wurde ein modifiziertes Startle-Paradigma
genutzt, bei dem die Aufmerksamkeit bereits vor dem Auftreten
des Präpulses moduliert und nicht nur auf den Präpuls alleine, sondern auch auf den reflexauslösenden Stimulus gelenkt wird.
Diskussion / Ergebnisse: Während in der gesunden Kontrollgruppe die Fokussierung der Aufmerksamkeit auf die Stimuli bei einem
langen Präpuls-Puls-Intervall (240 ms) zu einer verstärkten PPI
führte, zeigte sich dieser Effekt der Aufmerksamkeitsmodulation
weder bei den Ersterkrankten noch bei den chronischen schizophrenen Patienten. Die gestörte attentive Modulation der PPI
scheint somit bereits früh im Erkrankungsverlauf schizophrener
Psychosen nachweisbar zu sein. Es wäre daher wünschenswert, die
Untersuchung der attentiven Modulation des Startlereflexes auch in
der klinischen Diagnostik einzusetzen. Es muss jedoch bedacht
werden, dass es sich bei dieser Messgröße nicht um einen Biomarker der Schizophrenie handelt, da ein PPI-Defizit auch bei anderen
psychiatrischen Erkrankungen nachgewiesen werden konnte. Dennoch kann – unter Beachtung dieser Einschränkung – eine gestörte
attentive Modulation der PPI eine zusätzliche Information für den
diagnostischen Prozess bieten.
003
Heritability aspects of endocannabinoid functioning in schizophrenia
Carolin Hoyer (ZI Mannheim, Psychiatrie / Psychotherapie)
L. Kranaster, D. Koethe, F. Pahlisch, M. Hellmich, A. Giuffrida,
A. Meyer-Lindenberg, E. Torrey, D. Piomellli, F. M. Leweke
Introduction: Epidemiological and experimental evidence suggests a role for the human endocannabinoid system in the
pathophysio­logy of schizophrenia, underpinned by the fact that
cannabis use is associated with a twofold increase in the risk to suffer from this dis­ease. Moreover, the major psychoactive phytocannabinoid delta-9-tetrahydrocannabinol induces psychotic symptoms in healthy volunteers and schizophrenia patients. In recent
years, we were able to detect an elevation of the endocannabinoid
anandamide in cerebrospinal fluid of acutely schizophrenic pa­
tients, which was inversely correlated to psychopathology. In addition, cerebrospinal anandamide is negatively affected by cannabis
use in these patients. However, it remains conjectural whether anandamide is also modified in relatives of schizophrenic patients.
Method: We investigated levels of anandamide, 2-arachidonoyl­
glycerol (2-AG), palmitoylethanolamide and oleoylethanolamide
in the plasma of 31 twin pairs discordant for schizophrenia as well
as 8 concordant healthy pairs of twins by LC/MS as previously described.
Discussion / Results: There was no significant difference of all investigated eicosanoids within the group of discordant “schizophrenia“ twins. This was also the case for the healthy twin pairs. In contrast, “schizophrenia“ twins showed significantly higher levels of
anandamide and palmitoylethanolamide in plasma when compared to healthy twins (p<0.001). Our data indicate that ananda­mide
and palmitoylethanolamide are modified in schizophrenia patients
as well as in their non-affected monozygotic twins. As we proposed
a model where anandamide counterbalances other neurotransmitter imbalances in people at increased risk for schizophrenia, our
findings may further support a protective role for anandamide in
schizophrenia.
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
004
Veränderung der postischämischen raktiven Hyperämie in der
akuten Schizoprenie
Anna-Karoline Israel (Jena)
T. Rachow, S. Berger, S. Koch, A. Voss, K.-J. Bär
Einleitung: Schizophrene zeigen im Vergleich zur gesunden Be­
völkerung ein zwei- bis dreifach erhöhtes Mortalitätsrisiko. Neben
ungesunden Lebensgewohnheiten, zum Beispiel Rauchen gibt es
Hinweise, dass in der Schizophrenie eine autonome Dysregulation
auftritt, die mit einer erhöhten kardialen Mortalität verbunden ist.
In vergangenen Studien konnte gezeigt werden, dass schizophrene
Patienten eine verminderte vagale Aktivität besitzen. Die Endothelfunktion wurde bei Patienten mit Herzerkrankungen als herausragender Parameter zur Risikostratifizierung identifiziert. Ziel unserer Studie war es, die postischämische reaktive Hyperämie (PORH)
als Marker der Endothelfunktion in der akuten Schizophrenie zu
analysieren.
Methode: Wir untersuchten 20 Patienten (12 Männer, 8 Frauen,
mittleres Alter 31,2 Jahre) mit einer paranoiden Schizophrenie sowie 20 gesunde Kontrollprobanden (age and gender matched) mit
der LDF-Methode (Laser-Doppler Flowmetrie). Dabei wurde besonders der Nikotinkonsum kontrolliert, da Rauchen die PORH
beeinflusst. Die lokale Durchblutung am rechten Unterarm wurde
vor, während (3 min lang) und nach Kompression der A. brachiales
gemessen.
Diskussion / Ergebnisse: In der Gruppe der Schizophrenen war
die maximale postischämische Hyperämie (PORHmax) signifikant
vermindert. Die Zeit bis zur maximalen Hyperämie (Tp) war sig­
nifikant verkürzt. Die Flussgeschwindigkeit vor Ischämie war in
beiden Gruppen gleich. Schlussfolgerungen: Die verminderte
PORHmax weist auf ein deutlich erhöhtes kardiales Risikoprofil
junger Patienten mit Schizophrenie hin. Hierbei wird erstmals Bezug auf die Mikrozirkulation in der Erkrankung genommen. Um
eine kardiale Risikoratifizierung für die Schizophrenie durchzuführen, sollten prospektive Studien diese Methode verwenden.
resistance in schizophrenia that may result in an increased release
of S100B from brain and adipose tissue. Commonly observed
weight gain upon neuroleptic treatment would thus appear on the
basis of an increased metabolic vulnerability in patients due to primary insulin resistance, which is also present independent of medication.
005
Elevated S100B levels in schizophrenia are associated with insulin resistance
Johann Steiner (Universitätsklinikum Magdeburg, Psychiatrie und
Psychotherapie)
M. Walter, A. M. Myint, K. Schiltz, B. Panteli, M. Brauner, H.-G.
Bernstein, M. L. Schroeter, S. Bahn, M. J. Schwarz, B. Bogerts
Introduction: Elevated blood levels of S100B in schizophrenia have
so far been mainly attributed to glial pathology. However, increases
or dysfunction of adipose tissue may be alternatively responsible.
Such explanations would be supported by the increased prevalence
of obesity in schizophrenia but need to be discerned from side effects of antipsychotic medication.
Method: Our study thus assessed S100B in both medicated and
drug free schizophrenic patients along with the body mass index
(BMI), measures of glucose utilization and adipokine levels. Acutely ill schizophrenic subjects showed elevated S100B levels (P=0.012)
and indications of insulin insensitivity as revealed by increased glucose (P<0.001), C-peptide (P=0.002) and C-peptide / glucose ratios
(P=0.006). S100B and BMI were elevated in medicated schizophrenic patients (P=0.041 / P < 0.001), but controls with a BMI ≥ 25
were also found to show increased S100B levels (P=0.025) and
comparable correlations held true when adipokines were considered as predictors of S100B levels. A disease specific increase of
S100B could however be demonstrated for closely BMI-matched
drug free patients (P=0.028). Similarly, the finding of disease-­
related insulin insensitivity persisted when controlling for effects of
medication, smoking or stress.
Discussion / Results: Our results are suggestive of primary insulin
006
A new pathophysiological aspect of S100B in schizophrenia:
Potential regulation of S100B by its scavenger soluble RAGE
Johann Steiner (Universitätsklinikum Magdeburg, Psychiatrie und
Psychotherapie)
M. Walter, H.-G. Bernstein, B. Panteli, M. Brauner, M. Rothermundt,
B. Bogerts
Introduction: Several studies have reported on elevated S100B
serum levels in schizophrenia. Our study thus focused on its scavenger “soluble receptor for advanced glycation end products“
(sRAGE). Given the beneficial role of sRAGE in metabolic and inflammatory diseases, we hypothesized a similar effect in schizophrenia.
Method: Profiles of S100B and sRAGE concentrations during acute
paranoid schizophrenia and during remission were explored. Serum samples from 26 inpatients were investigated on hospital
admission (T0) and after six weeks of treatment (T6) by S100Bimmunoluminometry and sRAGE-ELISA. 32 matched healthy subjects served as controls. Psychopathology was monitored using the
positive and negative syndrome scale (PANSS).
Discussion / Results: S100B (P=0.021) and sRAGE (P=0.020) were
elevated in schizophrenic patients at T0. S100B levels normal­ized
under antipsychotic treatment (P=0.003), while sRAGE levels increased further by T6 (P=0.005). Changes of S100B during treatment correlated inversely with Delta-sRAGE (r= -0.422, P=0.032).
PANSS was negatively associated with sRAGE levels at T0 (positive
105
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
score: r= -0.415, P=0.035; total score: r= -0.395, P=0.046). Our results provide support for a reduction of S100B levels during reconvalescence from acute paranoid schizophrenia that is regulated by
its scavenger sRAGE. This mechanism could provide novel treatment strategies.
Faktoren. Bei den Probanden war der Anstieg signifikant in den
Scores für negative und kognitive Faktoren so wie für die Erregung
(excitement component). Diese Ergebnisse bestätigen die wichtige
Rolle des cholinergen Systems in der Entstehung von Psychose assoziierten Symptomen und möglicherweise auch in der Krankheitsgenese. Weitere Untersuchungen könnten aufschlussreich für
das Verständnis der Pathogenese der Erkrankung und eventuell
auch für neue therapeutische Ansätze sein.
008
Internal capsule size associated with outcome in first-episode
schizophrenia
007
Effekte anticholinerger Stimulation auf die Psychopathologie bei
unmedizierten Patienten mit schizophrenen Störungen und bei
gesunden Probanden
Tanja Veselinovic (UK Aachen, Psychiatrie und Psychotherapie)
M. Komp, H. Janouschek, K. Spreckelmeyer, I. Vernaleken, G. Gründer
Einleitung: Die große Vielfalt der Symptome bei Patienten mit
schizophrenen Störungen lässt sich nicht ausschließlich durch die
Dopamin Hypothese erklären. Insbesondere die neurobiologischen
Grundlagen der Negativsymptomatik und der kognitiven Störungen sind bis heute noch weitgehend unklar. Zahlreiche Untersuchungen sprechen für eine Mitbeteiligung anderer neurotrans­
mitter Systeme, unter anderem auch des cholinergen Systems. Ein
Erklärungsmodell, etabliert von Tandon, betrachtet ein dopaminerg / cholinerges Ungleichgewicht als Grundlage für die Heterogenität der klinischen Symptome. Dabei wird eine verstärkte
cholinerge Aktivität für die Negativsymptomatik mitverantwortlich
gemacht. Ziel dieser Studie ist es die Bedeutung des cholinergen
Systems in der Pathophysiologie der Schizophrenie näher zu untersuchen.
Methode: Bisher wurden zehn unmedizierte Patienten mit einer
schizophrenen Störung (medikati-onsfreies Intervall mindestens
6 Monate) und 11 gesunde Probanden untersucht. Die Psycho­
pathologie wurde mittels des standardisierten PANSS Interviews zu
zwei Zeitpunkten erfasst: das erste mal ohne jeglicher medikamentöser Intervention und das zweite mal nach intravenöser Gabe von
5 mg des subtyp-unselektiven Anticholinergicums Biperiden.
Diskussion / Ergebnisse: Die anticholinerge Intervention verursachte so wohl bei den Patienten wie auch bei den gesunden Probanden einen signifikanten Anstieg der PANSS Werte (Patienten:
von 71,3 ± 19,8 auf 96.9 ± 19.6; p<<0.001. Probanden: von 30 ± 0.3
auf 44.4 ± 8.7; p<<0.001). Der Ausmaß der Veränderung war bei
den Patienten signifikant höher als bei den Probanden (25,6 ± 12,7
resp. 14,3 ± 8,5; p=0,026). Unter Anwendung des 5-Faktoren Models nach Lindemayer, zeigte sich bei den Patienten ein signifikanter Anstieg in allen Bereichen außer im Score für die negativen
106
Thomas Wobrock (Universitätsmedizin Göttingen, Psychiatrie)
O. Gruber, T. Schneider-Axmann, W. Wölwer, W. Gaebel, M. Riesbeck, W. Maier, J. Klosterkötter, F. Schneider, G. Buchkremer, H.-J.
Möller, A. Schmitt, S. Bender, R. Schlösser, P. Falkai
Introduction: Structural brain abnormalities have been consistently described in schizophrenic patients compared to healthy controls. Only few studies focused on the predictive value of brain morphology for the course of schizophrenia in first-episode(FE-SZ)
pa­tients.The aim was to investigate the difference in brain morphology focusing on structures suggested to be relevant for the clinical
course (hippocampus, lateral ventricles) in a sample of FE-SZ pa­
tients well characterized for the outcome over one year. Based on
previous findings of reduced internal capsule volume and cross sectional area in families affected with schizophrenia and in FE-SZ
patients, we decided to include volumetric measurement of the anterior limb of the internal capsule (ALIC).
Method: In a multicentre study 45 first-episode schizophrenia pa­
tients underwent standardized MRI scanning and were followed up
to one year. In 32 FE-SZ volumetric measurement of three regions
of interests (ROIs) potentially associated with disease course, hippocampus, lateral ventricle and the anterior limb of the internal
capsule (ALIC) could be performed. The subgroups of FE-SZ with
good (12 patients) and poor outcome (11 patients), defined by a
clinically relevant change of the PANSS score, were compared with
regard to these volumetric measures.
Discussion / Results: MANCOVA revealed a significant re­duced
maximal cross sectional area of the ALIC in FE-SZ with clinically
relevant deterioration compared to those with stable psychopathology. There were no differences in the other selected ROIs between
the two subgroups. Our results indicate reduced maximal area of
ALIC, which can be interpreted as a disturbance of fronto-thalamic
connectivity. Reduced white fiber structures in this area might increase the risk for a poor outcome in chronic schizophrenic patients and also increase the vulnerability for the onset of schizophrenic psychosis and an unfavourable course in FE-SZ. To our
knowledge this study is the first one investigating the relevance of
white matter structures, especially the ALIC, for the course of firstepisode schizophrenia.
009
Neuropsychologische Korrelate psychopathologischer Syndrome
bei chronisch schizophrenen Patienten in höherem Lebensalter
Lena Anna Schmid (Uniklinik, Gerontopsychiatrie, Heidelberg)
U. Seidl, M. M. Lässer, C. J. Herold, J. Schröder
Einleitung: Die Klassifikation psychopathologischer Symptome
schizophrener Psychosen und deren Assoziation mit kognitiven
Parametern ermöglicht Rückschlüsse auf mögliche pathophysio­
logische Prozesse. Infolgedessen haben sich die verschiedensten
Studien mit diesem Thema beschäftigt. Während die meisten
Unter­suchungen an Ersterkrankten oder chronisch schizophrenen
Pa­tienten in mittlerem Lebensalter durchgeführt wurden, sind Untersuchungen an Patienten in spätem Lebensalter mit langer Krankheitsdauer nur vereinzelt zu finden. Das Anliegen dieser Arbeit
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
ist es den Zusammenhängen psychopathologischer Syndrome mit
neurokognitiven Parametern an einer solchen Stichprobe nachzugehen.
Methode: In unserem Forschungsprojekt sind bereits 50 chronisch
schizophrene Patienten im Alter von durchschnittlich 55 Jahren
und langer Krankheitsdauer erhoben. Neben der Scale for the
assessment of positive Symptoms (SAPS) und der Scale for the assessment of negative Symptoms (SANS) wird eine umfangreiche
neuropsychologische Testbatterie eingesetzt um relevante neuro­
kognitive Domänen zu erfassen.
Diskussion / Ergebnisse: Eine mit Hilfe der psychopathologischen
Parameter durchgeführte Faktorenanalyse bestätigt die Ergebnisse
früherer Studien, die drei Faktoren (negativ, positiv, desorganisiert)
extrahiert haben. Die mittels Clusteranalyse in vier Gruppen (negativ, positiv, desorganisiert, remittiert) aufgeteilte Patientenstich­
probe zeigt signifikante Unterschiede hinsichtlich verschiedenster
neurokognitiver Parameter. Während Patienten mit vorwiegend
positiver Symptomatik geringe neurokognitive Beeinträchtigungen
zeigen, haben Patienten mit negativer und desorganisierter Symptomatik verstärkte Defizite. Dies gibt einen Hinweis darauf, dass
den verschiedenen Symptomdimensionen unterschiedliche pathologische Prozesse zugrunde liegen. In näherer Zukunft soll die vorhandene Stichprobe vergrößert sowie eine weitere Stichprobe mit
jungen, ersterkrankten Patienten erhoben werden, um mögliche
Unterschiede zwischen den Profilen dieser beiden Krankheitsgruppen zu analysieren.
010
Die zentrale serotonerge Funktion bei schizophrener Negativ­
symptomatik
Idun Uhl (LWL-Universitätsklinik Bochum, Psychiatrie)
A. Kulik, P. Roser, C. Norra, W. Kawohl, A. Theodoridou, M. Brüne,
G. Juckel
Einleitung: Die verschiedenen Symptome der Schizophrenie, bei
denen eine Beteiligung zahlreicher Neurotransmittersysteme, v. a.
aber des dopaminergen und des serotonergen, beobachtet werden
kann, verlangen bessere Kenntnis über ihre Ursache. Die Lautstärkeabhängigkeit akustisch evozierter Potentiale (LAAEP) konnte
mittlerweile als gut validierte Messmethode für die zentrale serotonerge Funktion etabliert werden. Dabei zeigt eine hohe LAAEP
eine geringe serotonerge Aktivität an und umgekehrt. In der hier
vorliegenden Studie sollte bei schizophrenen Patienten die serotonerge Aktivität mit Hilfe der LAAEP bestimmt und diese mit verschiedenen psychometrischen Testverfahren ins Verhältnis gesetzt
werden. Patienten mit einer ausgeprägten Negativsymptomatik
sollten eine erhöhte LAAEP i. S. eines verringerten serotonergen
Niveaus zeigen.
Methode: 30 Schizophrene und 30 gesunde Kontrollprobanden,
gematcht nach Alter und Geschlecht, wurden untersucht. Die
LAAEP wurde über ein spezielles Paradigma gemessen. Bei den
gesunden Kontrollprobanden wurde der Mini-SCID für gesunde
Probanden, Beck Depression Inventory (BDI) und Hamilton Depression Rating Scale (HAMD) erhoben. Schizophrene wurden
mittels Positive and Negative Symptom Scale (PANSS), Scale for
Assessment of Negative Symptomes (SANS), Calgary Depression
Scale for Schizophrenia (CDSS-G), BDI, HAMD, Bech Rafaelsen
Melancholie Skala (BRMS) sowie Brief Symptom Inventory (BSI)
untersucht.
Diskussion / Ergebnisse: Es zeigte sich ein Trend hinsichtlich einer
erhöhten serotonergen Aktivität bei Schizophrenen im Verhältnis
zu Kontrollen (p=0.051). Schizophrene Patienten wiesen eine ne­
gative Korrelation der Skala der Negativsymptome des PANSS
(rs=-0.423, p=0.020) und des SANS (rs=-0.373, p=0.042) zur
LAAEP auf. Zu den anderen Untergruppen des PANSS, CDSS-G,
BDI, HAMD, BRMS und BSI zeigte sich keinerlei Korrelation. Die-
se Befunde legen nahe, dass ein Zusammenhang zwischen serotonerger Aktivität und Negativsymptomatik besteht. Daraus kann
geschlussfolgert werden, dass das serotonerge System speziell bei
der Genese der Negativsymptomatik einen bedeutenden Stellenwert einnimmt. Mit Hilfe der hier vorliegenden Erkenntnisse dazu,
dass die Negativsymptomatik v. a. in einer Dysfunktion des serotonergen Systems begründet zu liegen scheint, zeichnet sich ab,
dass auf diesem Wege zielgerichtete therapeutische Interventionen
und genauere Diagnostik möglich sein könnten.
011
Gap-Junction-Proteine Pannexin 1-3: Kandidatengene für schizophrene Psychosen?
Micha Gawlik (Universität Würzburg, Klinik für Psychiatrie)
M. Knapp, B. Pfuhlmann, G. Stöber
Einleitung: Pannexine sind Mitglieder einer neuen Familie von
Gap-Junction Proteine. Diese phylogenetisch hochkonservierten,
hirnexprimierten Gene sind nach neueren Untersuchungen aufgrund ihrer postulierten Funktionsweise als elektrische Synapsen
im ZNS möglicherweise von wesentlicher Bedeutung in der Entstehung schizophrener Psychosen. Die Gene liegen darüber hinaus in
Kandidatenregionen für schizophrene Psychosen auf Chromosom
22q13 (Pannexin 2) und Chromosom 11q21-24 (Pannexin 1 und
3). Diese Regionen sind durch genomweite Kopplungsstudien als
Suszeptibilitätsloci für schizophrene Psychosen seit längerem bekannt.
Methode: Wir untersuchten fünf Single-Nukleotid-Polymorphismen (SNPs) die sich über die chromosomalen Loci auf Chromosom 11q und 22q verteilen: rs1070 und rs 1138800 auf Pannexin 1,
rs4838858 und rs7292533 auf Pannexin 2 sowie rs5771206 auf Pannexin 3 in einer Fall-Kontroll Studie mit 387 Probanden mit schizophrenen Psychosen sowie 288 Kontrollen.
Diskussion / Ergebnisse: Die Allel- und Genotypverteilung zeigten
keinen signifikanten Unterschied zwischen Fällen und Kontrollen.
Wir können daher einen wesentlichen Beitrag der Pannexine zur
Krankheitsentstehung schizophrener Psychosen mit unserer Studie
nicht bestätigen.
012
The biological basis of a psychotic disease a case report
Dragana Krasic (Mental Health Clinic, Child & Adolescent Psychia­
try, Nish, Serbia)
N. Ilic, M. Mitic, N. Klidonas
Introduction: Definition: Psychosis represents a profound disorder
in personality development and organization which results in
changing or losing contact with reality, emotional and cognitive deprivation, changing or losing contact with objects (people or
things), insufficient or biased investment in objects and activities,
as well as perception, thought, attention, will, mobility and speech
impediment. Objective: Genetics‘ part in the onset of a psychosis,
since the grandmother of twins ill with psychosis also had Schizophrenia.
Method: A display of 15 year old, male twins, who showed psy-
107
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
chotic symptoms, one after the other, (the younger twin showed
psychotic symptoms one week after releasing the older one from
the hospital.)
Discussion / Results: Presence of a psychotic disease in the family
gave a biological possibility of its further occurrence, which indeed
manifested in an early onset of psychosis in both twin grandsons of
the ill subject. Patients were bizygotic twins, with lower intellectual
capacities, lower Ego-potentials, and low levels of psycho-social
maturity. Symptoms of depersonalization, cognitive and perceptive
alterations, as well as intense fear, social withdrawal, loss of interest,
and alienation from the outside world were ob­served. After applying neuroleptic therapy, the psychotic symptoms were reduced and
remission was enabled. Conclusion: The biological basis of a psychotic disease is unquestionable in this example of an early onset of
psychosis, in adolescence. Due to the fact that there was no etiological background of psychosis in the environmental factors, further
to the fact that good family relations and a good financial situation
were present in this case, it can be stated that this is a clear evidence
of a genetically conditioned psychosis, presented in the example of
twins.
Donnerstag, 26. 11. 2009, 13.30 – 15.00 Uhr, Halle 11.1
P-015 Posterpräsentation
Pharmakotherapie 1 (F2)
Vorsitz: I.-G. Anghelescu (Berlin)
001
Clozapin Blutspiegelverlauf in der ambulanten Langzeittherapie
Viktoria Tatusch (Psychiatrie, Neurochemisches Labor Universität
Mainz)
H. Saglam, C. Hiemke
Einleitung: Die Therapie von schizophrenen Erkrankungen hat in
Abhängigkeit zur Krankheitsphase unterschiedliche Ziele und
Strategien. Es wurde bereits gezeigt, dass der Erfolg einer Langzeittherapie zum großen Teil von der konsequenten Einnahme der antipsychotischen Medikation abhängig ist (Gilbert et al.1995). Trotz
Pharmakotherapie, aber auch aufgrund mangelnder Therapieadhärenz werden 30 – 40 % der ambulanten Patienten innerhalb eines
Jahres nach Entlassung rückfällig (Davis et al. 1975, Hogarty et al.
1979, Hogarty et al. 1998). Diese Studie untersucht Unterschiede
zwischen rückfälligen und nicht rückfälligen Patienten, die das
frühzeitige Erkennen eines Risikopatienten ermöglichen sollen.
Methode: Die Studie untersuchte ambulante Patienten mit einer
F20 Diagnose (nach ICD-10), die im Zeitraum Januar 2007 bis September 2008 in der Psychiatrischen Institutsambulanz Mainz mit
Clozapin behandelt wurden. Verglichen wurden u. a. Blutspiegelparameter wie Mittelwert und Variationskoeffizient von Patienten, die
in der Studienzeit wieder in die psychiatrische Klinik aufgenommen werden mussten (=Rückfallgruppe) und Patienten ohne Rückfall. Es wurde ein Schwellenwert ermittelt, der rückfällige von
nicht-rückfälligen Patienten trennt.
Diskussion / Ergebnisse: Fünf der 23 eingeschlossenen Patienten
wurden im Studienzeitraum rückfällig (Rückfallrate: 26 %). Beim
Vergleich der jeweils ersten drei Blutspiegel eines Patienten zeigten
sich signifikante Unterschiede in den Variationskoeffizienten der
beiden Gruppen. Bei Patienten, die wieder in die Klinik aufgenommen werden mussten, schwankte der Spiegel mit 37 % deutlich stärker als in der anderen Gruppe mit 13 % (p=0,012). Mit der ROCAnalyse ergab sich ein Schwellenwert von 19,8 % (Sensitivität=100 %,
Spezifität=70,6 %), der rückfällige Patienten von nicht-rückfälligen
108
trennt. Zusätzlich ermöglicht die Beurteilung des Mittelwerts der
ersten drei Spiegel bezüglich des therapeutisch empfohlenen Bereichs (350 – 600 ng / ml) in Verbindung mit einem Variationsko­
effizient von unter 19,8 % eine noch deutlichere Einstufung des
patientenspezifischen Rückfallrisikos (p=0,003). Der behandelnde
Arzt kann demnach einen Clozapin Patienten durch Messung von
nur drei Blutspiegeln schnell einschätzen. Ein Patient der stärkere
Blutspiegelschwankungen als 19,8 % aufweist und dessen Spiegelmittelwert nicht im therapeutischen Bereich liegt hat ein höheres
Risiko in den nächsten zwei Jahren einen Rückfall zu erleiden.
002
Bupropion und die Herausforderung des dopaminergen Paradigmas: Ein Pharmakon zwischen Psychoseinduktion und antidepressiver Therapie bei komorbider Psychose.
Susanne Englisch (ZI für Seelische Gesundheit, Klinik für Psychiatrie,
Mannheim)
A. Eßer, M. Zink
Einleitung: Bupropion, ein selektiver Dopamin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, findet seit 1989 Anwendung als atypisches Antidepressivum und als Nikotinrezeptor-Antagonist als
Mittel zur Rauchentwöhnung. Da schizophrene Patienten überdurchschnittlich häufig rauchen, an depressiven Symptomen sowie
einer Antriebsminderung im Rahmen des schizophrenen Defizitsyndroms leiden, erscheint Bupropion geradezu prädestiniert zur
Therapie dieser Patienten. Dennoch wird es aufgrund seines dopaminergen Wirkmechanismus und hiermit assoziierter Berichte zur
Psychoseinduktion kaum zur antidepressiven Therapie im schizophrenen Patientenkollektiv angewandt.
Methode: Anhand einer systematischen Literaturrecherche via
Medline (OVID), PubMed und Google mit den Suchbegriffen „bupropion“, „elontril“, „wellbutrin“, „zyban“, „schizophrenia“ und
„psychosis“ evaluierten wir die bis incl. 05/2009 verfügbaren Informationen hinsichtlich Bupropion-assoziierter psychotischer Symptome einerseits und erfolgreicher Anwendung der Substanz in Pa­
tienten mit schizophrener Grunderkrankung andererseits. Mehr
als 40 Arbeiten und die Verläufe von mehr als 1000 Patienten konnten ausgewertet werden.
Diskussion / Ergebnisse: Hierbei zeigte sich, dass insbesondere
nach Markteinführung Fälle psychotischer Manifestationen publiziert wurden, welche vorzugsweise bei entsprechend vulnerablen
Individuen dosisabhängige Beschwerden i. S. einer organischen
Psychose hervorriefen. Nach Definition einer Maximaldosis wurden Fälle psychotischen Erlebens insbesondere im Zusammenhang
mit suizidal-intendierten Intoxikationen mit Bupropion in höherer
Dosierung beschrieben. Im Rahmen mehrerer doppelblinder, placebokontrollierter Studien zur Rauchentwöhnung von Patienten
mit schizophrener Grunderkrankung zeigte Bupropion eine gute
Wirksamkeit, ohne bestehende psychotische Symptome zu aggravieren oder solche auszulösen. Gleichzeitig stellte sich bei diesen
Studien als sekundärer Endpunkt eine signifikante Verbesserung
des psychotischen Negativsyndroms sowie potentiell vorhandener
depressiver Beschwerden ein. Die Risiken für einen Stimmungsumschwung in die Manie sowie für Störungen der Sexualfunktion
erscheinen eher gering, und erste klinische Anwendungsbeobachtungen deuten auch bei primär antidepressiver Behandlungsindikation auf eine gute Wirksam- und Verträglichkeit von Bupropion
bei schizophrenen Patienten hin. Zusammenfassend erscheint Bupropion als Antidepressivum auch bei schizophrener Grunderkrankung bei gleichzeitiger antipsychotischer Pharmakotherapie
effektiv und sicher zu sein, jedoch sind in Zukunft weiterführende
und kontrollierte Studien notwendig, um Differentialindikationen
zu erarbeiten.
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
003
Bupropion zur Behandlung therapierefraktärer Depressionen in
schizophrenen Patienten
Susanne Englisch (ZI für Seelische Gesundheit, Klinik für Psychiatrie,
Mannheim)
D. Inta, A. Eßer, M. Zink
Einleitung: Katecholaminerge Neurotransmission spielt eine zen­
trale Rolle in der Behandlung depressiver Affektauslenkungen, und
Bupropion, ein dualer Dopamin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SDNRI), ist ein potentes Antidepressivum. Bei
dopaminergem Wirkmechanismus und wegen Berichten über psychotische Symptome unter Bupropion-Therapie findet es bei Pa­
tienten mit schizophrenen Psychosen jedoch kaum Anwendung.
Methode: Die vorliegende Untersuchung dokumentiert eine Fallserie von fünf Patienten mit schizophrener Grunderkrankung,
welche wir aufgrund anderweitig therapierefraktärer depressiver
Symptome zusätzlich zu ihrer vorbestehenden antipsychotischen
Medikation mit Bupropion in einer Tagesdosis zwischen 150 und
300 mg behandelten. Die Evaluation psychometrischer Daten erfolgte regelmäßig mittels etablierter Instrumente. Hierzu wurden
depressive Symptome mittels HAMD (Hamilton Depression Scale)
und CDSS (Calgary Depression Scale for Schizophrenie) erfasst.
Schizophrene Negativsymptome wurden mit der SANS (Scale for
the Assessment of Negative Symptoms) quantifiziert, und psychotische Symptome bildeten wir mittels PANSS (Positive and Negative
Symptoms Scale) ab. Außerdem wurden Nebenwirkungen erfragt
und mithilfe regelmäßiger Labor-Screenings und EEG-Untersuchungen evaluiert.
Diskussion / Ergebnisse: Während eines Beobachtungszeitraums
von 6 Wochen erfuhren sämtliche Probanden eine signifikante Linderung ihrer depressiven Symptomatik, wohingegen es bei keinem
der Patienten zu einer Aggravation ihrer Psychose kam und sich
statt dessen eine relevante Verbesserung der globalen Psychopathologie und des Negativsyndroms einstellte. Das Nebenwirkungsspektrum war insgesamt gering, jedoch zeigten sich geringfügige
EEG-Alterationen, welche weiterer Beobachtung bedürfen. Angesichts der erfreulichen Wirksamkeit hinsichtlich der Zielsymptome
Depression und Negativsymptomatik scheinen prospektive Studien
mit größerer Fallzahl indiziert, um die Verträglichkeit von Bupropion bei Patienten mit Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis zu evaluieren.
004
Olanzapin-Depotinjektion zur Erhaltungstherapie bei Patienten
mit Schizophrenie: Ergebnisse einer 24-wöchigen, randomisierten
Doppelblindstudie
Holland Detke (Lilly Research Laboratories, Indianapolis, USA)
D. McDonnell, J. Kane, D. Naber, G. Sethuraman, S. Kraemer, D. Lin
Einleitung: Untersucht wurden Wirksamkeit und Sicherheit der
Olanzapin-Depotinjektion (OLAI) in der Erhaltungstherapie bei
Patienten mit Schizophrenie.
Methode: Erwachsene ambulante Patienten, die mit oralem
Olanzapin (OrOlz, 10, 15 oder 20mg / Tag) über 4 – 6 Wochen stabil waren, erhielten über 24 Wochen randomisiert und doppelblind
entweder OLAI in den Dosierungen 150mg / 2 Wochen (N=140),
405mg / 4 Wochen (N=318) oder 300mg / 2 Wochen (N=141); oder
eine unterschwellige Dosierung von 45mg/4 Wochen (N=144);
oder OrOlz in der bisherigen Dosis (N=322). Kumulative Rückfallraten und Zeit bis zum Rückfall wurden mittels Kaplan-MeierAnalyse ermittelt.
Diskussion / Ergebnisse: Nach 24 Wochen waren 93 % der mit
OrOlz behandelten Patienten ohne Rückfall, bei den mit OLAI behandelten Patienten lag die Rate bei 95 % (300 mg / 2 Wochen),
90 % (405 mg / 4 Wochen), 84 % (150 mg / 2 Wochen) und 69 % (45
mg / 4 Wochen), wobei die Dosis 405 mg / 4 Wochen und beide
2-Wochen-Dosen (gepoolt) Nichtunterlegenheit sowohl gegenüber
OrOlz als auch untereinander zeigten. Alle 3 höheren OLAI Dosen
waren bezüglich der Zeit bis zum Rückfall der 45 mg / 4 WochenDosis überlegen (alle p<0,01). Die Inzidenz von Gewichtszunahmen ≥7 % ab Baseline gegenüber OLAI 45 mg / 4 Wochen (8,3 %)
war signifikant größer (alle p≤0,05) für OrOlz (21,4 %), OLAI
300 mg / 2 Wochen (20,7 %), 405 mg / 4 Wochen (15,2 %) und
150 mg / 2 Wochen (16,4 %). Es gab keine signifikanten Unterschiede zwischen OLAI und OrOlz bezüglich Laborparametern, Vitalfunktionen, EKGs oder EPS. Reaktionen an der Injektionsstelle
waren selten (2,8 %) und ohne signifikante Unterschiede zwischen
den Behandlungsgruppen. Bei zwei OLAI-Patienten traten Sedierung und delirante Symptomatik nach möglicherweise versehent­
licher intravasaler Injektion auf. Zusammenfassend war OLAI in
den Dosen 150 mg / 2 Wochen, 405 mg / 4 Wochen und 300 mg / 2
Wochen in der Erhaltungstherapie bei Schizophrenie über 24 Wochen wirksam. Das Sicherheitsprofil entsprach, abgesehen von den
injektionsbedingten Ereignissen, dem von OrOlz.
005
Klinische Prädiktoren der Neuroleptika-induzierten Gewichtszunahme im Langzeitverlauf
Stefan Gebhardt (Psych. Zentrum Nordbaden, AP I / Psychosomatik,
St. 42, Wiesloch)
M. Haberhausen, M. Heinzel-Gutenbrunner, N. Gebhardt, H. Remschmidt, J.-C. Krieg, J. Hebebrand, F. M. Theisen
Einleitung: Ziel der Studie war die Erfassung der prädiktiven Bedeutung klinischer Variablen für die Gewichtszunahme unter
Neuroleptika (NL).
Methode: Retrospektive und Querschnittsdaten von 65 Patienten,
die Clozapin, Olanzapin und / oder Risperidon erhielten. Systematischen Kategorisierung des Langzeit-Gewichtsverlaufs (7,3 ± 9,2
Jahre) einschließlich der Vorbehandlungen mit klassischen NL. Explorative Korrelations- und Regressions-Analyse.
Diskussion / Ergebnisse: Folgende Prädiktoren stellten sich heraus:
(1) erhöhter Body mass index (BMI) vor Ausbruch der Erkrankung
und vor der ersten NL-Behandlung, (2) junges Alter, (3) weibliches
Geschlecht, (4) fehlender Nikotinkonsum sowie interessanterweise
(5) erhöhte BMI-Werte der Eltern. Patienten mit einer Diagnose
aus dem (6) schizophrenen Formenkreis zeigten einen stärkeren
Zusammenhang zwischen prämorbidem BMI und einer Gewichtszunahme unter atypischen NL auf, offensichtlich aufgrund einer
(7) längeren Behandlungsdauer mit Atypika im Vergleich zu anderen Diagnosegruppen. Ein niedriger BMI vor Beginn einer NLBehandlung stand zwar in Zusammenhang mit einer Beschleunigung der BMI-Zunahme bei vulnerablen Personen, nicht jedoch
mit dem Ausmaß der Gesamt-Gewichtszunahme selbst. Die Daten
legen nahe, dass prädisponierende Faktoren i. S. v. klinischen Prädiktoren zur Vorhersage des Gewichtsverlaufes unter NL herangezogen werden können.
006
A flexible-dose study of paliperidone ER in non-acute patients
with schizophrenia previously unsuccessfully treated with oral risperidone
Dagmar Hoeben (Janssen Pharmaceutica N.V., EMEA Medical
Affairs, Beerse, Belgien)
A. Schreiner, L. Hargarter, B. Millet, P. Rocca, M. Lahaye, M. V. Ivanov,
M. Kotler
Introduction: To explore tolerability, safety and treatment response of flexible doses of paliperidone ER in adult non-acute patients
with schizophrenia transitioned due to lack of efficacy of previous
oral risperidone treatment.
Method: Interim analysis of an international prospective 6-month,
open-label study (PAL-SCH-3017). Endpoints were the Positive
109
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
and Negative Syndrome Scale (PANSS), Clinical Global Impres­
sion-Severity Scale (CGI-S), patient satisfaction, adverse events
(AEs), extrapyramidal symptoms (Extrapyramidal Symptom Rat­
ing Scale; ESRS) and weight change.
Discussion / Results: 81 patients were included (52 % female, mean
age 39.8 ± 12.9 years, 74 % paranoid schizophrenia). 84 % of the
patients completed the 6-month study. Reasons for early discontinuation were lack of efficacy (8.6 %), lack of efficacy plus AE (3.7 %),
loss to follow-up, patient choice and AE (1.2 % each). The median
mode dose of paliperidone ER was 6 mg/day. 64.2 % of patients had
a ≥20 % improvement in total PANSS at endpoint. Mean total
PANSS decreased statistically significantly from 82.7 ± 18.1 at baseline to 70.9 ± 25.4 at endpoint (mean change -11.8 ± 19.6; 95 %
confidence interval -16.1;-7.5, p<0.0001). The percentage of pa­
tients rated mildly ill or less in CGI-S increased from 23.4 % to
48.2 % at endpoint. Patient satisfaction rated „good“ or „very good“
at endpoint was 67.5 %. The only TEAE reported in ≥5 % was insomnia (14.8 %). Extrapyramidal symptoms in ESRS decreased
statistically significantly from 2.9 ± 4.3 to 1.5 ± 3.1 (p<0.0001).
Mean weight change from baseline to endpoint was 0.96 ± 3.96 kg
(p=0.066). Conclusion: These data support results from recent randomized controlled studies that flexibly dosed paliperidone ER is
safe, well tolerated and effective in patients previously unsuccessfully treated with oral risperidone.
007
Flexible doses of paliperidone ER in non-acute patients with
schizophrenia switched due to lack of tolerability with their previous oral antipsychotic
Dagmar Hoeben (Janssen Pharmaceutica N.V., EMEA Medical
Affairs, Beerse, Belgien)
A. Schreiner, L. Hargarter, M. V. Ivanov, M. Jasovic-Gasic, F. Kühn,
M. Lahaye, J. Turczynski, L. Helldin
Introduction: To explore tolerability, safety and maintained efficacy of flexibly dosed paliperidone ER in adult non-acute patients
with schizophrenia requiring a change in their medication due to
lack of tolerability with their previous oral antipsychotic.
Method: Interim analysis of a prospective 6-month, open-label, international study (PAL-SCH-3017) after 3 months of paliperidone
ER treatment. Endpoints were the change in the Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS) from baseline to endpoint, Clinical
Global Impression-Severity Scale (CGI-S), Extrapyramidal Symptom Rating Scale (ESRS), weight change and adverse events (AEs).
Discussion / Results: 124 patients were included (62.1 % male,
mean age 39.2 ± 12.3 years, 87.9 % paranoid schizophrenia). 85.5 %
of patients completed the first 13 weeks of the study. Main reasons
for early discontinuation were AE (4.0 %), subject choice (3.2 %)
and lack of efficacy (2.4 %). The average dose of paliperidone ER
was 6.1 ± 2.2 mg / day. A ≥20 % reduction in total PANSS at endpoint was observed in 57.7 % of patients. Mean total PANSS decreased statistically significantly from 67.1 ± 16.6 at baseline to
57.0±13.8 at endpoint (mean change -10.1 ± 16.6; 95 % confidence
interval [CI] -13.1;-7.2, p<0.0001). TEAEs reported in ≥5 % of pa­
tients were insomnia (12.1 %) and anxiety (8.9 %). Total ESRS decreased from 6.1 ± 8.0 at baseline to 3.6 ± 7.0 at endpoint (p<0.0001).
Mean weight change from baseline to endpoint was 0.5 kg (95 %CI
-0.12;1.11, p=0.046). Conclusion: These interim data support results from recent randomized controlled studies that flexibly dosed
paliperidone ER is safe, well tolerated and effective in patients with
schizophrenia requiring a change in medication due to lack of tolerability with their previous oral antipsychotic treatment.
110
008
Wirksamkeit einer postakuten Behandlung mit Risperidon Depot
bei schizophrenen Patienten in psychiatrischen Ambulanzen an
Krankenhäusern
Bernd Ibach (Janssen-Cilag GmbH, Medizin & Forschung, Neuss)
L. Hargarter, G. Juckel, B. Diekamp
Einleitung: Wesentliches Ziel in der ambulanten Therapie schizophrener Patienten ist die Reduktion und Stabilisierung der psychopathologischen Symptome, die Reduktion von Rezidiven, sowie die
dauerhafte Verbesserung der Lebensqualität.
Methode: In der nicht-interventionellen, 52-wöchigen Studie
(RIS-SCH-4091) wurden Patienten in der post-akuten Phase nach
Erstmanifestation oder unmittelbar zurückliegenden Exazerbation
einer schizophrenen Störungen (ICD-10 F20.x; Erkrankungsdauer
≤10 Jahre) unter Monotherapie mit Risperidon Depot (RIS-Depot)
dokumentiert. Erfasst wurden Wirksamkeitsparameter (PANSS,
SWN-K, SF-12) sowie u.a. Therapietreue (4-stufige Skala), Anzahl
der Rückfälle, Krankenhauseinweisungen.
Diskussion / Ergebnisse: Die Interimsanalyse basiert auf 75 Patienten (ITT; m/w 64/36 %; Durchschnittsalter 32,7 ± 9,1 Jahre; mittlere
Erkrankungsdauer 2,7 ± 3,2 Jahre). Die mittlere Beobachtungsdauer betrug 278,8 ± 119,3 Tage. Die mediane Anfangs- und Enddosis
von RIS-Depot lag bei 37,5 mg / 2 Wochen. Über 80 % der Patienten
zeigten unter RIS-Depot eine 75 – 100 % Compliance, bei 63 % war
dies eine Verbesserung gegenüber der vorhergehenden Therapie.
Zu Beobachtungsende zeigte sich eine signifikante Verbesserung
der Krankheitssymptomatik (PANSS Gesamtwert: 31,4 ± 30,0; Differenz gegenüber Baseline), der körperlichen und psychischen Gesundheit (SF-12: 7,6 ± 11,6 bzw. 13,4 ± 12,5) und im subjektiven
Wohlbefinden (SWN-K Gesamtwert: 20,7 ± 23,5) (alle p<0,0001).
Die meisten Patienten (89 %) blieben im Beobachtungszeitraum
rezidivfrei und wiesen keine Hospitalisierung aufgrund einer Psychose (92 %) auf, während 59 % der Patienten in den vorausgehenden 12 Monaten mindestens eine Hospitalisierung aufwiesen. Die
mittlere rückfallfreie Zeit betrug 208,6 ± 5,1 Tage. Bei 38 Patienten
traten 92 unerwünschte Ereignisse (UE) auf. Die häufigsten UEs
in mindestens möglichem Kausalzusammenhang mit RIS-Depot
waren Gewichtszunahme 5,3 %, Ängstlichkeit 4,0 % und EPS 4,0 %.
Die Zwischenergebnisse deuten an, dass Risperidon Depot in der
ambulanten Therapie eine gute Verträglichkeit und hohe Wirksamkeit aufweist. Dadurch ergibt sich eine hohe Compliance, so dass
Patienten von geringen Hospitalisierungs- und geringen Rückfallraten profitieren, die zu einer stabilen Remission, besseren Lebensqualität und einer Reintegration im Alltag beitragen können.
009
Beurteilung der kognitiven Funktion bei Patienten, die von Risperidon auf Aripiprazol mit unterschiedlichen Strategien umgestellt
wurden: Eine offene Studie
Thomas Knödlseder (Mühltal)
T. Sickmann, C. Werner, S. Modell, R. Moghadam, W. Kerselaers,
J.-Y. Loze, W. Carson, J. Lissens, R. Sanchez
Einleitung: Aripiprazol stellt eine wirksame Therapie der Schizophrenie dar. Weniger gut untersucht sind die kognitiven Wirkungen von Aripiprazol bei Patienten mit Schizophrenie. Ziel der Studie war die Beurteilung der Kognition anhand der Kriterien der
Skala für soziale Kognition der „Grupo Español para la Optimización de la Esquizofrenia“ (GEOPTE) und der Kognitionssubskala
der PANSS im Rahmen der Umstellung der Therapie von Risperidon auf Aripiprazol.
Methode: Analysiert wurden die Daten der sekundären Endpunkte
einer 12-wöchigen offenen Aripiprazol-Studie zur kognitiven Funk­
tion. Diese schloss 400 Patienten mit Schizophrenie ein, die Probleme hinsichtlich der Wirksamkeit und / oder Sicherheit einer Risperidon-Therapie aufwiesen. Die Patienten wurden auf eine von zwei
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
Umstellungsstrategien randomisiert: Titration in aufsteigender
Dosierung (5 mg / Tag bis 15 mg / Tag) oder Umstellung auf eine
fixe Dosis (15 mg / Tag). Ab der 6. Woche konnte jeweils eine Dosis­
anpassung im Rahmen von 10 – 30 mg / Tag vorgenommen werden.
Die mittleren Veränderungen der GEOPTE- sowie der PANSSSubskala-Scores wurden unter Anwendung deskriptiver statistischer
Methoden (95 % Konfidenzintervalle) ausgewertet.
Diskussion / Ergebnisse: Die GEOPTE-Skala besteht aus 15 Items.
Sie erfasst Defizite, die von den Patienten oder den betreuenden
Personen wahrgenommen werden. Eine negative Veränderung der
Scores bedeutet eine Verbesserung. GEOPTE-Summenscores und
PANSS-Kognitionssubskalen-Scores nahmen in der 4. und 12. Woche unabhängig von der Umstellungsstrategie ab (LOC). Die Veränderungen der GEOPTE-Summenscores in der 12. Woche gegenüber der Baseline betrugen gemäß der Patienteneinschätzung bei
Dosistitrations- bzw. Fixdosis-Umstellungsstrategie -5,27 (n=194)
bzw. -6,12 (n=191) und -4,17 (n=98) bzw. -7,19 (n=95) gemäß Bewertung durch die Betreuenden. Aripiprazol wurde gut vertragen,
am häufigsten wurde über Schlaflosigkeit als Nebenwirkung berichtet (8,5 %, n=34/399).
Donnerstag, 26. 11. 2009, 13.30 – 15.00 Uhr, Halle 11.1
P-017 Posterpräsentation
Bildgebung, Physiologie, Diagnostik (F2)
Vorsitz: A. Sartorius (Mannheim)
001
„Theory of Mind“ bei Schizophrenie: Eine fMRI-Studie zur Attribution von Überzeugungen
Katrin Arnold (BKR Regensburg, Forschung und Lehre)
M. Sommer, B. Sodian, M. Ziolkowska, K. Eichenmüller, K. Döhnel,
C. Rothmayr, G. Hajak
Einleitung: „Theory of Mind“ (ToM) bezieht sich auf die Fähigkeit,
sich selbst und anderen mentale Zustände wie Wahrnehmungen,
Wünsche, Intentionen, Emotionen und Überzeugungen zuzuschreiben. Diese Fähigkeit ist bei Schizophreniepatienten beeinträchtigt. Neben Verhaltensdefiziten zeigen Schizophrene veränderte neuronale Aktivierungen hinsichtlich der an der ToM
beteiligten Gehirnarealen, v. a. in präfrontalen Regionen. Bislang
ist ungeklärt, welche ToM-Komponenten betroffen sind. Die vorliegende Studie fokussiert eine spezifische ToM-Komponente, die
Zuschreibung von Überzeugungen.
Methode: Die Fähigkeit, mentale Zustände anderer Menschen zu
verstehen, deren Überzeugungen nicht mit der Realität übereinstimmen, wurde anhand von ToM-Bildergeschichten getestet. Mittels funktioneller Magnetresonaztomographie (fMRT) wurden die
neuronalen Korrelate der Überzeugungsattribution bei 13 Schizophreniepatienten im Vergleich zu 13 gesunden Kontrollprobanden
untersucht.
Diskussion / Ergebnisse: Hinsichtlich der Verhaltensdaten ergaben
sich keine Unterschiede zwischen Patienten und Kontrollen. Auf
neuronaler Ebene zeigten die Schizophrenen ein verändertes Ak­
tivierungsmuster. Erwartungsgemäß aktivierten die gesunden
Probanden die zu den klassischen ToM-Arealen zählenden medialpräfrontalen Regionen (BA 10, 6, 8) sowie einen Bereich im
temporoparietalen Kortex (BA 40). Bei den Schizophrenen fehlten
entsprechende Aktivierungen. Sie aktivierten dagegen inferiorfrontale Regionen (BA 44, 45, 47), laterale Anteile des superiorfrontalen Kortex (BA 6) sowie laterale Anteile des dorsalen Präfrontalkortex (BA 9). Die Ergebnisse dieser Studie deuten darauf
hin, dass schizophrene Patienten in der Lage sind, durch einen
Kompensationsmechanismus, der durch ein verändertes neuronales Aktivierungsmuster zum Ausdruck kommt, einfache ToM-Aufgaben zu lösen. Dabei scheinen Arbeitsgedächtnis sowie inhibito­
rische Kontrollfunktionen stärker beansprucht zu werden als bei
Gesunden. Vorhergehende Untersuchungen haben gezeigt, dass der­
artige Kompensationsstrategien bei komplexeren ToM-Aufgaben
nicht mehr erfolgreich sind. Wie durch therapeutische Interven­
tionen die ToM-Fähigkeit und damit verbundene soziale Kompetenzen verbessert werden können, sollte Gegenstand weiterer Forschung sein.
002
Self monitoring deficit might be related to shortening of microstate D – A resting state EEG study in auditory verbal hallucinations
Jochen Kindler (Universitätsklinik Bern, Psychiatrie und Psycho­
therapie, Schweiz)
D. Hubl, W. Strik, T. Dierks, T. König
Introduction: All subjective experiences and eventually resulting
overt behaviour result from an interaction of the subject‘s internal
brain state with environmental stimuli. This is true in normal brain
processes, but also applies to pathological processes. Using EEG,
this study investigated whether abnormal perceptions and cognitions in schizophrenia might be related to abnormal resting states
of the brain. Previous research has shown that a specific class (class
D) of sub-second brain states (so-called EEG microstates) is consistently shorter in productive schizophrenic patients and that the
shortening was correlated to positive psychotic symptoms. The aim
of the present study was to relate microstate class D duration to
spontaneous within-subject fluctuations of auditory hallucinatory
experiences. The hypothesis was that state D is shorter during hallucinations than in the absence of hallucinations.
Method: EEGs of nine right handed schizophrenic subjects with
acute auditory verbal hallucinations (AVH) were recorded. Subjects
were instructed to listen and attend to their voices and to indicate
the beginning and ending of them each by a button press. Off line,
EEG was divided into periods with and without AVH. Microstates
were analysed separately for each period. Mean microstate duration, mean number of microstates per second and percentage of total
analysis time occupied in that state were computed following our
standard procedure.
Discussion / Results: Four microstate classes (A, B, C, and D) accounted for 79.1 % of the data variance. Duration of microstate D
was significantly shorter (p=0.046) in periods with AVH compared
to periods without AVH. For AVH, the common hypotheses sug­
gested deficient self monitoring leading to a misattribution of internal and external stimuli. We hypothesize that microstate D has
relevant self-monitoring functions and its premature termination
may contribute to the erroneous conclusion in AVH that self-generated inner speech comes from an external source. The reduced
stability of resting state networks fits well with the disconnection
syndrome hypothesis of schizophrenia.
003
Urteilssicherheit für emotionale Erkennungsprozesse bei schizophrenen Menschen
Ulf Köther (Uniklinik Hamburg Eppendorf, AG Klinische Neuropsychologie)
F. Vitzthum, R. Veckenstedt, B. Hottenrott, S. Randjbar, L. Jelinek,
S. Moritz
Einleitung: Das Konzept der ‚theory of mind‘ (ToM) hat in der
Psychologie große Bedeutung erlangt und ist als die Fähigkeit definiert, sich die eigenen Gedanken, Gefühle und Intentionen sowie
die anderer Personen zu vergegenwärtigen (Koelkebeck, Abdel-
111
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
Hamid, Ohrmann, & Brüne, 2008). Die starken sozialen und beruflichen Einbußen, denen schizophrene Patienten oft ihr Leben lang
unterliegen, sind eventuell auch durch eine Einschränkung des sozialen Einfühlungsvermögens bedingt und verstärken sich möglicherweise wechselseitig mit schizophrenen Symptomen. In Studien
zum Gedächtnis schizophrener Probanden haben Patienten Fehler
mit einer erhöhten Urteilssicherheit belegt. Richtige Erinnerungen
wurden dagegen im Vergleich zu Gesunden mit geringeren Urteilssicherheiten versehen. Dadurch können Fehler und richtige Einschätzungen schlechter aufgrund der Urteilssicherheit voneinander
unterschieden werden. Dieses Phänomen wird als reduzierte Konfidenzkluft (‚confidence gap‘) bezeichnet. Um die Rolle der ‚theory
of mind‘ bezüglich der Wahnentstehung und –aufrechterhaltung
besser zu verstehen, wurde neben der Fähigkeit des sozialen Einfühlungsvermögens erstmals auch die Urteilssicherheit der Patienten bezüglich ihrer Einschätzung untersucht.
Methode: Es wurden 66 Patienten mit Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis und 30 gesunde Kontrollprobanden mit
dem ‚Eyes-Test Revised‘ untersucht. Die Probanden mussten dem
abgebildeten Augenpaar einer Person eine Gefühlslage zuordnen.
Darüber hinaus sollten die Probanden angeben, wie sicher sie sich
mit ihrer jeweiligen Entscheidung waren.
Diskussion / Ergebnisse: Es konnten grundlegende Defizite der
schizophrenen Patienten für die Affekterkennung bestätigt werden.
Die schizophrenen Patienten wiesen signifikant schlechtere Lei­
stungen im ‚Eyes-Test‘ auf. Weiterhin zeigten sich, abhängig von
der Gruppenzugehörigkeit, unterschiedliche Urteilssicherheiten
bezüglich korrekter und inkorrekter Antworten: Die schizophrenen Patienten unterschieden sich von den gesunden Probanden
dahingehend, dass sie mehr falsche Antworten gaben, die sie mit
einer hohen Urteilssicherheit belegten. Gleichzeitig war die Sicherheit für korrekte Urteile etwas verringert. Sie zeigten also einen
deutlich verringerten ‚confidence gap‘, wie er auch im ‚falsememory‘-Paradigma wiederholt berichtet wurde (z. B. Moritz,
Woodward, & Rodriguez-Raecke, 2006). Damit konnte das erste
Mal ein verringerter ‚confidence gap‘ auch für nicht gedächtnis­
bezogene soziale Funktionen nachgewiesen werden.
004
Verminderte frühe auditorisch evozierte Gamma-Band-Antwort
bei Patienten mit Schizophrenie
Gregor Leicht (Klinik für Psychiatrie, Funktionelle Bildgebung, München)
S. Karch, I. Giegling, V. Kirsch, I. Hantschk, H.-J. Möller, O. Pogarell,
U. Hegerl, D. Rujescu, C. Mulert
Introduction: There is growing evidence for abnormalities of certain GABAergic interneurons and their interaction with glutamatergic pyramidal cells in schizophrenia. These interneurons are critically involved in generating neural activity in the gamma band (30
– 100 Hz) of the electroencephalogram (EEG). One example of
such gamma oscillations is the early auditory evoked gamma band
re­sponse (GBR). Although auditory processing is obviously disturbed in schizophrenia, there is no direct evidence providing a reduced early auditory evoked GBR so far. We addressed two questions:
(1) Is the early auditory evoked GBR decreased regarding power
and phase locking in schizophrenic patients? (2) Is this possible de­
crease a result of reduced activity in the auditory cortex and / or the
anterior cingulate cortex (ACC) which were identified as sources of
the GBR previously?
Method: We investigated the early auditory evoked GBR and its
sources in the ACC and the auditory cortex in 90 medicated p­atients
with schizophrenia and in age-, gender- and education-matched
healthy controls using an auditory reaction task.
Discussion / Results: Patients with schizophrenia showed a sig­
nificant reduction of power and phase locking of the early auditory
112
evoked GBR. This effect was due to a reduced activity in the auditory cortex and the ACC / medial frontal gyrus region (LORETA analysis). Generally, these findings are in line with earlier reports on
the impaired ability of schizophrenic patients in generating gamma
activity. In addition, this is the first study to demonstrate disturbance of gamma activity in auditory processing as assessed by the
early auditory GBR power.
005
Spatial heterogeneity of fMRI indices of dorsolateral prefrontal cortex activation evoked by a working memory task: a com­
parison of patients with schizophrenia and healthy controls
Antonia Lundquist (Massachusetts General Hospital, Psychiatry
Martinos Center, USA, St-Legier, Schweiz)
S. Ehrlich, A. Yendiki, S. Wallace, M. Vangel, R. Gollub
Introduction: Recent studies have shown inefficiency of prefrontal
neural activity in patient with schizophrenia during working memory (WM) tasks. Patients show higher activation as demonstrated
by functional Magnetic Resonance Imaging (fMRI). However, studies using certain group-based analysis methods were unable to
replicate this finding and have at times suggested hypoactivation in
the dorsolateral prefrontal cortex (DLPFC). A possible explanation
for this discrepancy might be spatially more heterogeneous indices
of activation in patients with schizophrenia.
Method: The cohort consisted of demographically matched schizophrenia patients and healthy controls. fMRI data was acquired to
study the activation evoked by a modified Sternberg Item Recog­
nition Paradigm (SIRP) known to induce robust activation of the
brain areas subserving WM (e. g. the DLPFC, the intraparietal sulcus, the insula and the primary motor cortex). The fMRI data was
analyzed with the FMRIB Software Library (FSL). We limited the
analysis to the DLPFC by filtering the data with a region of interest
(ROI) individually defined for each subject based on its own brain
anatomy and conservative Talairach coordinates. For studying the
spatial heterogeneity, we used the centers of gravity (COG) of activation clusters; i. e. a 3 dimensional coordinate (x, y, z) computed
based on the z-values of all voxels constituting a cluster.
Discussion / Results: The paradigm induced activation in the brain
areas known to be involved in WM. In the left hemisphere the
COGs of the activation clusters in the DLPFC had a significantly
greater spatial heterogeneity in patients compared to controls. The
right hemisphere did not show any significant difference between
the two groups. The results were obtained on a subset (47 subjects)
of a 312-subject dataset. The rest of the cohort will be analyzed and
complete findings will be presented at the meeting.
006
Zeitverlauf und Aktivierung während präreflektiver und reflektiver Selbst-Referenz bei schizophrenen Patienten.
Sibylle Metzler (Universitätsklinik Zürich, Psychiatrie, Schweiz)
K. Heekeren, A. Theodoridou
Einleitung: Eine Störung des bewussten Selbsterlebens, wie z. B.
der Verlust des Gefühls der Autorenschaft über eigene Gedanken
und Handlungen, ist ein Kernsymptom der Schizophrenie. Für
handlungsbasiertes Fremdbeeinflussungserleben werden verschiedene zugrundeliegende Mechanismen vermutet. Eine dysfunktionale Repräsentation oder Markierung von Handlung und Gedanken im parietalen Cortex oder in frontalen Arealen zum Zeitpunkt
der Generation kann zum Beispiel zu nicht- oder falschattribuierten Handlungen führen. Erst wenig untersucht ist, ob die gleichen
Mechanismen für sprachliche Phänomene wie Gedankeneingebung oder -entzug gelten. Für die vorliegende EEG Studie wurde
ein sprachliches Design entwickelt, welches erlaubt, präreflektive
und reflektive Aspekte einer Selbst-Referenz (SR) elektrophysiologisch abzubilden. Die Aufdeckung subtiler Veränderungen der sub-
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
jektiven Selbstwahrnehmung kann im diagnostischen Prozess der
Früherkennung von Psychosen wichtige Hinweise liefern, da Störungen der Ich-Funktion einen hohen prädiktiven Vorhersagewert
beinhalten.
Methode: Untersucht wurden rechtshändige Patienten, welche die
Kriterien für eine paranoide Schizophrenie nach DSM-IV erfüllen,
sowie gesunde Kontrollen. Die Probanden lasen Personalpronomen und evaluierten Eigenschaftswörter in Bezug zu sich selbst
(Selbst-Referenz, SR) und zu einer ihnen nahestehenden Person
(Andere-Referenz, AR). Abgeleitet wurde ein 32-Kanal EEG, wobei
später evozierte Potentiale (EVP) von 800ms Dauer nach Reizdarbietung der SR und AR berechnet wurden. Die statistische Auswertung und Quellenlokalisation erfolgte mit Low-resolution brain
electromagnetic tomography (LORETA).
Diskussion / Ergebnisse: Die präreflektive SR führte bei den gesunden Kontrollen zu einer frühen Aktivierung in medialen und
orbitalen Bereichen des Präfrontalkortex sowie zu einer späteren
Aktivierung von rechts parietalen Strukturen, welche bei den schizophrenen Patienten nicht zu sehen war. Im Vergleich zu den Gesunden zeigten Patienten mit deutlichen Ich-Störungen bei der
reflektiven AR eine signifikant stärkere Aktivierung rechts temporoparietal. Über die gesamte Dauer des EVP von 800ms zeigte sich,
dass die schizophrenen Patienten in der präreflektiven wie in der
reflektiven SR signifikant weniger die linke Hemisphäre aktivierten
als die Gesunden.
007
Oszillatorische Korrelate visuomotorischer Integration bei Gesunden und Patienten mit Schizophrenie
Christian Plewnia (Universitätsklinik Tübingen, Psychiatrie und Psychotherapie)
S. Soekadar, A. Rilk
Einleitung: Effektive Verhaltenssteuerung basiert auf der Integra­
tion sowohl lokaler als auch weit distribuierter Neuronenverbände.
Eine wesentliche neurophysiologische Signatur stellt wahrscheinlich die lokale und interregionale Synchronizität oszillatorische Aktivität dar, die anhand aufgabenspezifischer Power (TrPow) und
Kohärenz (TrCoh) quantifiziert werden kann. Diskutiert wird, dass
der Schizophrenie eine Störung der neuronalen Konnektivität zugrunde liegt. Es wird eine EEG-Studie an Patienten mit Schizophrenie und gesunden Probanden vorgestellt, bei der oszillatorische
Korrelate der Bewältigung einer visuo-motorischen Integrationsaufgabe untersucht wurden.
Methode: 9 Patienten mit Schizophrenie und 9 gesunde Versuchspersonen führten eine visuomotorische Integrationsaufgabe durch,
bei der mittels Druck auf einen Kraftaufnehmer ein auf einem Bildschirm dargebotener variierender Istwert kontinuierlich an einen
Sollwert angeglichen wird. Die visuomotorische Integrationslei­
stung wurde anhand der Abweichung zwischen dem Soll- und IstWert bestimmt. Währenddessen wurde ein 28-Kanal EEG abgeleitet. Die Auswertung der EEG-Daten erfolgte hinsichtlich Power
und Kohärenz im alpha-, unteren beta-, und oberen beta-Band.
Diskussion / Ergebnisse: Die visuo-motorische Integrationsleistung
der untersuchten Patienten mit Schizophrenie unterschied sich im
Mittel nicht von der der gesunden Kontrollgruppe. Während der
Durchführung der Aufgabe fand sich erwartungsgemäß in beiden
Gruppen eine negative alpha-TrPow in zentralen und occipitalen
Arealen (Task-Related Desynchronization, TRD). Die globale TRD
war bei Patienten mit Schizophrenie geringer als bei Gesunden und
korrelierte positiv mit der Leistung in der visuomotorischen Auf­
gabe. Die topographische Analyse zeigte bei den Patienten eine aufgabenbezogene Steigerung der Synchronisation im rechten dorsolateralen Präfrontalkortex (DLPFC) welche in der Gesamtgruppe
negativ mit der visuomotorischen Integrationsleistung korreliert
war. Die kortiko-kortikale Kohärenz erhöhte sich in zentralen und
frontozentralen Arealen, insbesondere kontralateral. Bei Patienten
mit Schizophrenie fand sich sowohl ein geringerer Anstieg der Kohärenz während der visuo-motorischen Intgrationsaufgabe, als
auch eine deutlich schlechtere Fokussierung der Topographie des
Anstiegs auf zentralmotorische Bereiche. Diese Befunde geben
neue Hinweise auf eine funktionell relevante, dysfunktionale Synchronisation im Bereich des DLPFC und unterstützen die Hypothese gestörter Konnektivität bei Schizophrenie.
008
Reduziertes Volumen des orbitofrontalen Kortex bei ersterkrankten schizophrenen Patienten mit familiärer Belastung – eine MRvolumetrische Studie
Katrin Radenbach (Universitätsmedizin Göttingen, Psychiatrie und
Psychotherapie)
P. Falkai, K. Meyer, O. Gruber, W. Reith, T. Schneider-Axmann, T.
Wobrock
Einleitung: Volumenreduktionen des präfrontalen Kortex sind bei
schizophrenen Patienten im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen bereits mehrfach beschrieben worden. Der orbitofrontale Kortex (OFC) als Teil des präfrontalen Kortex ist über den vorderen
Schenkel der Capsula interna mit Teilen des temporalen Kortex
bzw. des limbischen Systems verbunden. Bisher gibt es nur wenige
MR-volumetrische Untersuchungen zum OFC bei ersterkrankten
schizophrenen Patienten (FE-SZ).
Methode: 23 FE-SZ und 23 gematchte gesunde Kontrollen wurden
MR-tomografisch untersucht (1.5 Tesla, MPRAGE, 1 cmm3 Voxel).
Die Volumentrie erfolgte mit MRICroN (Ansatz der Region of Interest, ROI), die Intraraterreliabilität war >0.90. Darüber hinaus
wurden standardisiert demografische Variablen und Psychopathologie (PANSS, CGI, GAF) erhoben. Es wurden ein Gruppenvergleich für Gesamthirnvolumen, für absolutes und relatives OFCVolumen durchgeführt (ANCOVA, bzw. Mann-Whitney-U Test).
Diskussion / Ergebnisse: Es zeigte sich kein signifikanter Volumen­
unterschied zwischen FE-SZ und gesunden Kontrollen bezüglich
des absoluten und relativen OFC. Allerdings ergab sich eine signifikante Volumenminderung des rechten OFC bei den FE-SZ mit familiärer Belastung (einem erst- oder zweitgradigen Angehörigen
mit Schizophrenie) im Vergleich zu den FE-SZ ohne familiäre Belastung (absolutes Volumen: p=0.018; Trend für relatives Volumen:
p=0.062). Damit ergibt sich u. a. ein Hinweis auf die Relevanz familiärer bzw. genetischer Einflüsse auf das OFC-Volumen bei schizophren Erkrankten.
009
Kausalitätswahrnehmung: eine kontrollierte Studie zur Neuro­
kognition bei schizophrenen Patienten
Wolfgang Tschacher (Universitätsklinik Psychiatrie, Abt. für Psychotherapie, Bern, Schweiz)
Z. Kupper
Einleitung: Im Verlauf der Erkrankung ändert sich die Kausalitätseinschätzung von Schizophreniespektrum-Patienten oft in charakteristischer Weise, dies abhängig von Positivsymptomatik und
Symptomen kognitiver Desorganisation. Die Wahrnehmung von
Kausalbeziehungen steht in Zusammenhang mit wahnhaften Kognitionen (z. B. Beziehungswahn) und mit der Fähigkeit zur Mentalisierung (‚Theory of Mind‘, ToM). In dieser Studie wurde Kausalitätswahrnehmung als ein prä-attentionaler Prozess untersucht, der
Analogien zur Gestaltwahrnehmung aufweist.
Methode: 31 Patienten (mittleres Alter 27,7 J., 24 Männer) und
31 gesunde parallelisierte Probanden wurden eingeschlossen. Ein
neuropsychologisches Computerparadigma wurde entwickelt, bei
dem zwei identische Scheiben sich vom Rand des Bildschirms mit
konstanter Geschwindigkeit aufeinander zubewegen, sich überdek­
ken und danach wieder voneinander entfernen. Die Überdeckung
113
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
erzeugt ein bistabiles Perzept (die Scheiben werden entweder als
‚voneinander abprallend‘ oder als ‚sich gegenseitig durchdringend‘
wahrgenommen). Die Abprallwahrnehmung, also wahrgenommene Kausalität, wird verstärkt, wenn gleichzeitig zur Überdeckung
ein akustischer Reiz dargeboten wird (intersensorische Integra­
tion). Wir schätzten die Psychopathologie der Patienten mit Hilfe
der Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS) ein; bei Probanden der Kontrollgruppe wurde ein Persönlichkeitsinventar eingesetzt.
Diskussion / Ergebnisse: Positivsymptome waren signifikant mit
erhöhter wahrgenommener Kausalität verknüpft, Desorganisation
mit einer Reduktion von wahrgenommener Kausalität (46 % erklärte Varianz, p<.01, in multipler Regressionsrechnung). Wahrgenommene Kausalität stand nicht in Zusammenhang mit Persönlichkeitszügen. Patienten zeigten im Vergleich zur gesunden
Kontrollgruppe Auffälligkeiten in Bereich der intersensorischen
Integration. Wahrgenommene Kausalität, ein Prozess, der höherer
Kognition wie ToM und sozialer Kognition zugrundeliegt, erwies
sich damit als spezifisch abhängig von Symptomzuständen. Die Befunde sind von möglicher Bedeutung als neurokognitiver Marker
psychotischer Prozesse wie auch als Ziel für kognitive Remedia­
tionstherapie.
010
Regionale Ruhedurchblutung und motorische Aktivität bei Schizophrenen – preliminary Data
Sebastian Walther (Universitätsklinik, Psychiatrie, Bern, Schweiz)
H. Horn, N. Razavi, T. Müller, A. Wopfner, W. Strik, A. Federspiel
Einleitung: Schizophreniekranke zeigen sehr häufig motorische
Symptome. Die Menge der Bewegung variiert zwischen einzelnen
Patienten stark. In früheren Studien konnten wir eine Assoziation
der quantitativen Bewegung mittels Aktometrie und dem PANSS
negative subscore sowie die Abhängigkeit der Bewegungsmasse
von der Schizophreniesubgruppe zeigen. In symptomorientierten
Ansätzen gelang es mittels arterial spin labelling (ASL), für formale
Denkstörungen und Personenverkennungen Regionen im Hirn betroffener Schizophrener zu bestimmen, deren Durchblutung mit
dem Ausmass der Störung korreliert. Wir erwarten eine solche Abhängigkeit ebenso für Bewegungsparameter und bestimmte Hirnregionen, die mit motorischer Planung und Antrieb assoziiert
sind.
Methode: 13 Patientinnen mit einer Schizophrenie (8 Männer,
5 Frauen) im Alter von 32.15 (SD 12.19) Jahren wurden mittels 3T
MRI und Aktometrie über 24h gemessen. Alle Teilnehmer waren
akut stationär behandelt worden und standen unter Antipsycho­
tika. Während des MRI-Scans wurde mittels ASL die Ruhedurchblutung erfasst. Wir werden die Daten zur Ruhedurchblutung mit
den aktometrischen Massen Activity level und Movementindex
korrelieren.
Diskussion / Ergebnisse: Die bislang erhobenen Daten werden
ausgewertet und interpretiert. Aktuell liegen noch keine konkreten
Ergebnisse vor. Die Stichprobengrösse wird wahrscheinlich noch
wachsen.
011
Gestörte Kodierung von Neuheit bei der Schizophrenie
Anna Schulte-Kemna (Otto-von-Guericke-University, Psychiatry,
Magdeburg)
K. Zierhut, H. Schütze, J. Kaufmann, M. Walter, J. Steiner, B. Bogerts,
K. Schiltz
Einleitung: Bei Patienten mit paranoid-halluzinatorischer Schizophrenie sind vielfältige kognitive Störungen bekannt. Darunter
sind Störungen des Gedächtnisses von großer Bedeutung. Diese
sind vermutlich auf eine veränderte neuronale Kodierung von Neuheit (Novelty) zurückzuführen. Ziel dieser Studie war es, die neuro-
114
nalen Korrelate dieser gestörten Kodierung zu erfassen.
Methode: Es wurde bei 25 Patienten mit paranoid-halluzinatorischer Schizophrenie und 25 gesunden Kontrollprobanden im fMRI
untersucht, wie neuronale Aktivität relevanter Hirnstrukturen
(limbische Areale, Hippocampus, Mesenzephalon) durch abgestufte Neuheit moduliert wird.
Diskussion / Ergebnisse: Gesunde Probanden wiesen in den untersuchten Arealen ein neuronales Aktivierungsmuster auf, das die
Neuheit der Reize modellierte. Bei den schizophrenen Patienten
war das Muster nicht nachweisbar. Zusammenfassung: Bei Patienten mit Schizophrenie zeigen sich deutliche Unterschiede bei der
neuronalen Aktivierung in Folge abgestufter Neuheit von Information. Dieser Unterschied spielt eine entscheidende Rolle bei der
defizienten Attribution von Salienz auf relevante Stimuli bei der
Schizophrenie.
012
Strukturelle neuronale Korrelate schizophrener Subtypen – Krossvalidierung Voxel-basierter Morphometrie und manueller Volumetrie
Jakob Siemerkus (Göttingen)
M. Ruhleder, C. Lange, C. Exner, E. Irle, G. Weniger
Einleitung: Mehrere quantitative Metaanalysen konnten bei Patien­
tinnen und Patienten mit Schizophrenie eine Volumenreduktion
mesial temporaler Strukturen feststellen. Ergebnisse manueller
MR-basierter Volumetrie verschiedener Strukturen und deren
Analyse im Kontext der Subtypisierung nach DSM-IV sowie Korrelation mit der psychopathologischen Symptomatik durch unsere
Arbeitsgruppe deuten jedoch auf differenziertere Effekte hin mit
Volumenreduktion des Hippocampus bilateral und des rechten Parietallappens bei paranoider Schizophrenie bei Fehlen eines signifikanten Effektes bei Patientinnen und Patienten mit Schizophrenie
vom undifferenzierten oder desorganisierten Typ. Das Verfahren
der Voxel-basierten Morphometrie zur Aufdeckung signifikanter
Volumeneffekte konnte sich neben der manuell durchgeführten
Volumetrie etablieren. Gleichwohl existieren wenige Daten zur
Krossvalidierung beider Verfahren im Bereich psychiatrischer Forschung. Ziel dieser Studie ist, die Möglichkeit der neuronalen Differenzierung der schizophrenen Subtypen und der psychopatho­
logischen Symptomatik zu evaluieren und durch Vergleich der
Ergebnisse beider Verfahren der Analyse struktureller MR-Bild­
gebung eine orientierende Krossvalidierung durchzuführen.
Methode: Strukturelle T1-MR-Daten von 68 Patientinnen und Patienten mit Schizophrenie (41 paranoid-halluzinatorisch, 10 undifferenziert, 10 desorganisiert) und 40 gesunde Kontrollen werden
mittels Voxel-basierter Morphometrie im Hinblick auf Strukturveränderungen analysiert. Ein Schwerpunkt der Analyse besteht im
Vergleich der Subgruppen und der Korrelation mit psychopathologischer Symptomatik sowie im Vergleich dieser Ergebnisse mit denen manuell durchgeführter Volumetrie verschiedener Strukturen
(Hippocampus, Amygdala, Parietallappen und Temporallappen).
Diskussion / Ergebnisse: Die Ergebnisse werden vergleichend zu
den Ergebnissen der manuell durchgeführten Volumetrie dargestellt und Hypothesen für eventuelle Unterschiede präsentiert. Desweiteren erfolgt eine Darstellung wesentlicher Vor- und Nachteile
beider Verfahren der Analyse struktureller MR-Daten. Diskutiert
werden daneben die Ergebnisse im Hinblick auf Klassifikationen
der Schizophrenie und das Konzept der Schizophrenie als einer differentiellen Entwicklungsstörung.
Topic 3 G Psychotische Störungen, F2 // Psychotic disorders, F2
013
Self monitoring in auditory verbal hallucinations and ego
disturbances
014
Verlaufsdokumentation psychotischer Symptome. Evaluation der
Kurzform des Eppendorfer Schizophrenie-Inventars (ESI-K)
Philipp Homan (Universität Bern, Klinik für Psychiatrie, Bern,
Schweiz)
J. Kindler, T. König, M. Kottlow, D. Hubl
Introduction: Self monitoring is the ability to maintain accurate
and coherent self-referential processing over time. Thus, intact self
monitoring guarantees distinguishing self generated from externally perceived information. Deficits in self monitoring might lead
to psychotic symptoms like auditory verbal hallucinations (AVH;
voices arguing and commenting) as well as ego disturbances (ED;
audible thoughts, thought insertion and thought withdrawal). AVH
consist of two components: an alien and an audible component. In
ED however, the case is more sophisticated: in audible thoughts
(AT), patients hear their own thoughts aloud – knowing these are
their own thoughts. In thought insertion and withdrawal (TI-W),
patients have the feeling of alien influence without an auditory
component, indicating a deficit in self monitoring that is not the
case in AT.
Method: In a retrospective case study all records of the year 2002
and 2007 of the university hospital of psychiatry Bern have been
examined in respect of the occurrence of AVH and ED. Prevalence
of AVH and ED has been evaluated in patients with acute (F23) and
chronic psychosis (F20, F25).
Discussion / Results: A total of 655 records (49 % women) has been
examined. 424 patients suffered from chronic psychosis, 109 pa­
tients were diagnosed with acute psychosis. In the collapsed group
of all patients, 37 % reported AVH; 21.5 % of them expressed ED.
Both symptoms have been found in 12.5. %. In the differential analysis of the ED we found AT in 2.1 % and TI-W in 7.5 %.
Co-ocurrence of AVH and AT was 1,2 %, whereas AVH and TI-W
together were found in 4,9 %.
Reinhard Maß (ZSG Marienheide, Allgemeinpsychiatrie)
P. E. Burek, K. Wolf
Einleitung: Das Eppendorfer Schizophrenie-Inventar (ESI) ist ein
Selbstbeurteilungsverfahren, das auf spezifische subjektiv erlebte
Zeichen und Symptome schizophrener Patienten zielt. Die diagnostische Validität des ESI wurde wiederholt bestätigt. Weniger
bekannt ist die Kurzform ESI-K (20 Items, Beurteilungszeitraum:
die letzten sieben Tage), die speziell zur Verlaufsbeschreibung entwickelt wurde. Kasuistische Hinweise weisen auf eine hohe Sensitivität und Spezifität des ESI-K für Änderungen de psychotischen
Symptomatik hin. Mit der hier dargestellten Studie sollten Validität,
Reliabilität und Änderungssensitivität des ESI-K systematisch im
Setting einer psychiatrischen Routinebehandlung untersucht werden.
Methode: Es wurden 31 schizophrene Patienten in akut-psychia­
trischer stationärer Behandlung untersucht (21 Männer und 10
Frauen, Durchschnittsalter: 35.9 Jahre, Median Krankheitsdauer:
4.0 Jahre, Median Dauer des Aufenthalts bei T1: 13.5 Tage). Alle
Patienten wurden mit Neuroleptika behandelt. Die Patienten füllten das ESI-K viermal mit einem Abstand von jeweils einer Woche
aus (T1 bis T4). Zusätzlich wurden die Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS) und die Clinical Global Impressions (CGI)
zum Vergleich eingesetzt.
Diskussion / Ergebnisse: Die Reliabilität des ESI-K (Cronbach Alpha: .87-.91) liegt zu allen vier Testzeitpunkten leicht über der Re­
liabilität der PANSS (.83-.90). Der Symptomrückgang ist bei allen
drei Instrumenten statistisch signifikant. Prozentual ist die Veränderung beim ESI-K am stärksten (-36.0 %), gefolgt von der PANSS
(-20.7 %) und dem CGI Schweregrad (-8.4 %). Das ESI-K zeigt zu allen
Zeitpunkten signifikante Zusammenhänge mit PANSS und CGI.
115
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
Topic: 4 Affektive Störungen, F3
Donnerstag, 26. 11. 2009, 10.30 – 12.00 Uhr, Saal Istanbul
HS-004 Hauptsymposium
Wirklatenz antidepressiver Therapien: Grundlagen und Mechanismen
Vorsitz: J. Kornhuber (Erlangen), U. Hegerl (Leipzig)
001
Zeitverlauf am Beginn und Ende depressiver Phase
Ulrich Hegerl (Uniklinikum Leipzig, Psychiatrische Klinik)
R. Mergl, M. Strauß, P. Schönknecht
Während bei manchen depressiv Erkrankten sich das Vollbild der
depressiven Symptomatik sehr rasch, zum Teil innerhalb von
24 Stunden entwickelt, ist bei anderen ein Einschleichen über Wochen und Monate zu beobachten. Zur Erfassung dieses bisher nicht
systematisch untersuchten Zeitaspektes des Beginns depressiver
Episoden wurde das Onset of Depression Inventory (ODI)1 ent­
wickelt. Die Untersuchung von Patienten mit uni- und bipolaren
affektiven Störungen ergab, dass ein rascher Depressionsbeginn
von weniger als einer Woche bei 58 % der Patienten mit bipolarer
Störung, jedoch nur bei 7,4 % der Patienten mit unipolarer depressiver Erkrankung zu beobachten war. Diese enge Assoziation zwischen raschem Erkrankungsbeginn und bipolarer Depression wurde in einer Replikationsstudie bestätigt. Zudem wiesen auch, im
Rahmen einer dritten Untersuchung, Patienten mit unipolaren affektiven Störungen mit raschem Erkrankungsbeginn eine doppelt
so hohe Rate von Suizidversuchen in den vorhergehenden 12 Monaten auf als Patienten, bei denen sich die depressive Episode langsam einschleichend entwickelte. Fazit für die Klinik: Bei Patienten,
bei denen sich das Vollbild der depressiven Episode ohne vorhergehendes akutes Lebensereignis innerhalb einer Woche ausbildet, ist
damit zu rechnen, dass eine bisher vielleicht nicht manifest gewordenen bipolare Depression vorliegt. 1 Hegerl et al. 2008: J Clin Psychiatry 69: 1075-1080.
002
Pharmakokinetische Ursachen der Wirklatenz
Johannes Kornhuber (Uniklinikum Erlangen, Psychiatrische Klinik)
P. Tripal, M. Reichel
Die Ursache der Wirklatenz der Antidepressiva ist eine zentrale
Fragestellung der biologischen Psychiatrie und Psychopharma­
kologie. Dazu existieren zwei sich ergänzende Hypothesen. Die
Hypothese der Neuroplastizität geht von langsamen Antidepressiva-induzierten neuronalen biochemischen und strukturellen Änderungen aus. In dem Vortrag wird die zweite Hypothese, die pharmakokinetische Hypothese, fokussiert: Viele Antidepressiva haben
ähnliche physikochemische Eigenschaften; sie sind lipophil und
schwach basisch. Dies erklärt die hohe Gewebebindung solcher
Substanzen. Antidepressiva kumulieren dabei in lipophilen und
sauren intrazellulären Strukturen wie den Lysosomen. Für einige
Antidepressiva (Fluvoxamin, Fluoxetin) konnte die zeitliche Entwicklung der Gehirnkonzentration nach Beginn der Medikation
mit Antidepressiva beim Menschen in vivo mit der Magnetresonanzspektroskopie nachgewiesen werden. Dabei zeigte sich eine
20fach höhere Konzentrationen im Hirngewebe verglichen mit
dem Blut. Antidepressiva kumulieren langsam und erreichen Plateaukonzentrationen erst nach Wochen bis Monaten unter konstanter antidepressiver Therapie. Diese langsame Kumulation kann
Mitursache der Wirklatenz sein.
116
003
Antidepressive Medikation und Nervenwachstumsfaktoren
Andrea Rotter-Neubert (Universitätsklinikum Erlangen, Psychiatrische Klinik)
Einleitung: Zur Behandlung der Depression werden seit Jahrzehnten verschiedene Klassen von Antidepressiva eingesetzt, über deren
Wirkmechanismus jedoch wenig bekannt ist. Einen Erklärungs­
ansatz stellt die Plastizitätshypothese dar, bei der ein Mangel an
neurotrophen Faktoren zur Depressionsentstehung führt. Wir verfolgten die Hypothese, dass die antidepressive Therapie Wachstums­
faktoren moduliert.
Methode: Die neuronale Zellreihe SH-SY5Y wurde mit 16 nM
PMA (phorbol 12-myristate 13-acetate) für 10 Tage behandelt, um
eine Differenzierung zu aminergen Neuronen zu erreichen. Danach
wurde das jeweilige Antidepressivum in gelöster Form zum Medium gegeben. Die Zellen wurden nach 2, 7 und 14 Tagen Inkubation
geerntet, die mRNA wurde aus den Zellen isoliert, in cDNA umgeschrieben und schließlich die Transkription von human BDNF,
CNTF, NGF, bFGF, GDNF, NT-3, Leptin und Creb durch die rtPCR analysiert. Als interner Standard wurde β-Actin verwendet.
Alle PCR-Analysen wurden in Doppelbestimmung durchgeführt,
die mRNA-Vervielfältigungen wurden mit der folgenden Formel
berechnet: mRNA = 2-ΔCT.
Diskussion / Ergebnisse: Die Transkription der Neurotrophine
NGF, NT-3, GDNF, Leptin und BDNF wurde durch PMA-Behandlung während der vierzehntägigen Behandlung kontinuierlich gesteigert, während die Expression von bFGF, CNTF und Creb reduziert wurden. Diese Veränderungen wurden durch die Behandlung
durch Antidepressiva kompensatorisch moduliert. Die Neuro­
trophine NGF, GDNF, NT-3 und BDNF, die zuvor in der PMA-­
behandelten Kontrolle den stärksten Anstieg gezeigt hatten, wurden durch antidepressive Therapie herunterreguliert, wohin gegen
bFGF und CNTF, die zuvor in ihrer Expression reduziert wurden,
nun in ihrer Expression gesteigert wurden. Creb und Leptin wurden durch Antidepressiva vorübergehend moduliert. Tendenziell
haben alle getesteten Antidepressivaklassen eine antagonistische
Regulation auf die Neurotrophinexpression verglichen mit der
Kontrolle. Diskussion: Unsere Ergebnisse legen die Schlussfolgerung nahe, dass Antidepressiva jeweils spezifische Neurotrophine
in ihre Expression beeinflussen und einen regulierenden Effekt auf
zuvor dysregulierten Neurotrophinexpression haben. Diese normalisierende Regulation lässt eine Verbindung zur Plastizitätshypothese wahrscheinlich werden, bei eventuell nicht nur ein Mangel
an neurotrophen Substanzen zur Depressionsentstehung führt,
sondern auch ein dysregulierter Neurotrophinhaushalt vorliegt.
004
Kann die Neurogenese die Wirklatenz erklären?
Barbara Vollmayr (ZI Mannheim, AG Verhaltensbiologie)
Lebenslang werden bei Säugern und auch beim Menschen im
Gyrus Dentatus des Hippocampus neue Neurone gebildet. Diese
reifen innerhalb weniger Wochen und werden in die bestehenden
neuronalen Netze integriert. Die Funktion dieser neu gebildeten
Neurone ist noch nicht geklärt, möglicherweise übernehmen
sie eine Rolle im episodischen Gedächtnis und in der affektiven
Bewertung von Situationen. Antidepressive Behandlung z. B.
mit Serotoninwiederaufnahmehemmern, Trizyklika oder MAOHemmern aber auch nicht-medikamentöse Verfahren wie Elektrokrampftherapie stimulieren die Zellproliferation und die Neurogenese. Einige tierexperimentelle Arbeiten belegen darüber hinaus
sogar die Notwendigkeit einer Stimulation der Neurogenese für
eine antidepressive Wirkung, sodass die Hypothese nahelag, der
antidepressiven Wirkung liege eine Stimulation der Neurgenese zugrunde und die Latenz bis zum Wirkeintritt der Antidepressiva erkläre sich durch die Reifungszeit der neu gebildeten Neurone.
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
Jedoch wurden in den letzten Jahren auch Studien veröffentlicht,
die eine Entkopplung der Neurogenese von der antidepressiven
Wirkung berichten. Außerdem erscheint die Zeit von Wochen bis
Monaten, bis eine nennenswerte Kohorte von neuen Neuronen
Funktionen übernimmt, länger als die Wirklatenz der Antidepressiva, sodass ein einfacher Zusammenhang zwischen Neurogenese
und antidepressiver Wirkung verworfen wurde. Dennoch ergeben
sich aus dem Verständnis der Mechanismen, mit denen antidepressive Behandlung die Neurogenese stimuliert und der Funktion, die
die neu gebildeten Zellen übernehmen, Ansätze zur Entwicklung
neuer antidepressiver Therapien.
Samstag, 28. 11. 2009, 10.30 – 12.00 Uhr, Dachgarten
HS-021 Hauptsymposium
CBASP – klinische Anwendung und neurobiologische Grundlagen
der Psychotherapie chronischer Depression
Vorsitz: F. Hohagen (Lübeck), M. Colla (Berlin)
001
Aktueller Stand der klinischen Therapieforschung bei CBASP
Elisabeth Schramm (Universitätsklinikum Freiburg, Psychiatrie und
Psychotherapie)
002
Evaluation des multidisziplinären stationären CBASP-Behandlungskonzeptes für chronisch depressive Patienten: Erste Ergebnisse
Eva-Lotta Brakemeier (Universitätsklinikum Freiburg, Psychiatrie
und Psychotherapie)
V. Engel, T. Schmidt, M. Hautzinger, E. Schramm, C. Normann
Einleitung: CBASP (Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy; McCullough, 2000) ist die erste speziell für chronisch
depressive Patienten konzipierte ambulante Psychotherapieform,
die sich in Studien im ambulanten Kontext als wirksam erwiesen
hat. Da sich chronisch depressive Patienten jedoch in Deutschland
auch häufig in stationärer Behandlung befinden und dort durch
komplizierte Verläufe einhergehend mit langen Behandlungsdauern, hohen Kosten und Frustrationserlebnissen bei Patienten und
Behandlern auffallen, wurde CBASP in der Abteilung für Psychia­
trie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg als
multidisziplinäres stationäres Behandlungsprogramm modifiziert
(CBASP@5).
Methode: In einer ersten Pilotphase wird sowohl eine Patienten­
evaluation (N = 10) als auch eine Teambefragung durchgeführt.
Die Patientenevaluation erfolgt in Form einer Prä- (Klinikaufnahme), Prozess- (nach 8 Behandlungswochen) und Post-Messung
(nach 12 Behandlungswochen), wobei die depressive und klinische
Symptomatik als auch CBASP-spezifische Fragebögen und psycho­
lo­gische Konstrukte wie die die Lebensqualität und Schemamodi
erfasst werden. Eine historische Kontrollgruppe bestehend aus
chronisch depressiven Patienten, die mit der Interpersonellen Psychotherapie modifiziert für den stationären Kontext behandelt
wurden (Schramm et al., 2008), dient als Vergleichsgruppe. Die
Teamevaluation beinhaltet Fragebögen zur Arbeitszufriedenheit,
Burnout, Arbeitsbedingungen, dem Kenntnisstand zu CBASP,
sowie Erwartungen und Erfahrungen mit dem CBASP-Konzept.
Diskussion / Ergebnisse: Zum jetzigen Zeitpunkt befinden sich
beide Evaluationen in der Durchführung, wobei Ergebnisse im November 2009 vorliegen werden. Erwartet wird eine nachweisliche
Effektivität der stationären CBASP-Behandlung anhand einer sig-
nifikanten Überlegenheit hinsichtlich der Responseraten der
CBASP-Patienten im Vergleich mit den IPT-Patienten. Zudem wird
postuliert, dass sich die Arbeitszufriedenheit im Team verbessert
sowie das Burn-Out Level vermindert. Ab November 2009 wird in
Form einer prospektiven randomisiert kontrollierten Studie die
Effektivitätä der CBASP-Programms weiter untersucht. Das Ziel
der Entwicklung und Evaluation von CBASP@5 besteht darin, die
stationäre Behandlung durch CBASP zu optimieren und die begrenzten störungsspezifischen Behandlungsmöglichkeiten chronisch depressiver Patienten zu erweitern, so dass letztlich die Pa­
tienten, die Behandler aber auch das Gesundheitssastem durch
Senkung der Behandlungskosten profitieren werden.
003
Wahrnehmung interaktioneller Funktionalität: Ein neurobiolo­
gisches Modell zur Ätiologie und Therapie chronischer Depressionen
Knut Schnell (Uniklinik Bonn, Psychiatrie/med. Psychologie)
Einleitung: Eine grundlegende Annahme der Theorie von CBASP
ist, dass Patienten mit chronischen Depressionen die kausale Auswirkung ihres eigenen Verhaltens auf die Reaktionen anderer Menschen nur eingeschränkt erkennen können (perceived functionality). Wesentliche Techniken des CBASP zielen daher darauf ab, für
Patienten die eigene Wirkung sowohl auf das Verhalten des Therapeuten als auch in sozialen Interaktionen außerhalb des Therapiekontextes erkennbar zu machen. Die vorgestellten Studien sollen
mit Hilfe von fMRT-Experimenten untersuchen, ob sich ein funktionelles Modell für die Regulation eigener Affekte durch die wahrgenommene Beeinflussbarkeit emotionaler Reaktionen anderer
Menschen beschreiben lässt. Es soll untersucht werden, wie ein
kortikales System zur Vorhersage affektiver Reaktionen anderer
Menschen in der sozialen Interaktion tatsächlich die Aktivierung
des limbischen Systems bzw. entsprechender neuronaler Systeme
eigener affektiver Reaktionen moduliert d. h. die Aktivierung von
Amygdala und ventralem Striatum beeinflusst.
Methode: Es wurde zunächst eine grundlegende Studie durchgeführt, in der gesunde Probanden mit vorhersagbaren und unvorhersagbaren Partnern interagierten. Hierbei sollten bei jeweils drei
verschiedenen Interaktionspartnern freudige und ärgerliche Reaktionen auf eigene Aussagen vorhergesagt werden.
Diskussion / Ergebnisse: Es ließ sich tatsächlich zeigen, dass die
funktionelle Aktivierung von Amygdala und ventralem Striatum
durch aversive bzw. freundliche Reaktionen von Interaktionspartnern grundsätzlich sowohl durch die Erwartung einer bestimmten
Reaktion als auch durch die Sicherheit der Vorhersage der Reaktion
des Gegenübers moduliert wird. Es läßt sich somit ein therapeutisch relevantes neurobiologisches Modell der Emotionsregulation
durch Wahrnehmung interpersoneller Kausalität formulieren. Dieses Modell wurde weiter in einer vergleichenden Studie von chronisch depressiven Patienten und gesunden Kontrollen untersucht,
deren Ergebnisse ebenfalls vorgestellt werden.
004
Die Emotionen unter Kontrolle bringen: Neurofunktionelle Befunde zur Emotionsverarbeitung bei chronischer Depression
Philipp Klein (Charité – CBF, Psychiatrie und Psychotherapie,
Berlin)
H. R. Heekeren, L. Bazarty, C. Scheibe, M. Colla
Einleitung: Das Cognitive Behavioural Analysis System of Psychotherapy (CBASP) von James P. McCullough ist das erste spezialisierte Psychotherapieverfahren zur Behandlung chronischer Depression. Eine der Grundannahmen von CBASP ist, dass Patienten
mit chronischer Depression aufgrund früherer Lernerfahrungen
besondere Schwierigkeiten haben, emotionale Signale ihrer Mitmenschen zu interpretieren und angemessen darauf zu reagieren.
117
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
In einer vom BMBF geförderten Studie untersuchten wir dieses
Phänomen mit einem Emotionsverarbeitungsparadigma.
Methode: Wir behandelten 12 Patienten mit chronischer Depres­
sion über einen Zeitraum von 12 Wochen mit CBASP. Zu Beginn
und am Ende der Behandlung erhoben wir Verhaltensdaten und
Daten mittels funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT).
Parallel dazu untersuchten wir 12 gematchte Kontrollprobanden.
Allen Teilnehmern wurden Filme emotionaler Gesichtsausdrücke
(glücklich, neutral, ängstlich, traurig) präsentiert. Die Aufgabe der
Versuchsteilnehmer bestand darin, im MRT-Scanner abwechselnd
das Geschlecht oder die Valenz der dargestellten Emotion einzuordnen. Direkt im Anschluss und ausserhalb des Scanners wurden
die Teilnehmer dann gebeten, das Arousal und die Valenz der Emotionen zu bewerten.
Diskussion / Ergebnisse: Auf der Verhaltensebene fanden wir in
einer Vorstudie Hinweise auf eine veränderte Verarbeitung der
emotionalen Gesichter: chronisch depressive Patienten schätzten
die glücklichen Gesichter als weniger positiv und die ängstlichen
und traurigen als weniger negativ ein. Im fMRT fanden wir darüber
hinaus Veränderungen der Aktivität in kortikolimbischen Schleifen, die mit der Verarbeitung emotionaler Gesichter assoziiert
waren. Zusammengefasst fanden wir bei chronisch depressiven
Pa­tienten charakteristische Veränderungen der emotionalen Urteilsverarbeitung, welche sich möglicherweise durch CBASP gezielt
modifizieren lassen.
Freitag, 27. 11. 2009, 17.15 – 18.45 Uhr, Saal Oslo
ST-016 State-of-the-Art-Symposium
Bipolare Störungen
Vorsitz: T. Schläpfer (Bonn), W. Greil (Kilchberg)
001
Neurobiologische Grundlagen bipolarer Störungen
Thomas Schläpfer (Universitätsklinikum Bonn, Psychiatrie und Psychotherapie)
Die nach ICD-10 klare Abgrenzung einzelner Störungskategorien
affektiver Erkrankungen entspricht in neurobiologischer Hinsicht
nicht der Realität. Eine dimensionale Beschreibung der mit der
Störung einhergehenden Dysre­gulationen des Verhaltens, der Kognition und der Emotionen, oder aber eine Beschreibung der
Beeinträchti­gungen auf biologischer Ebene kann zusätzlich wichtige Infor­mation liefern. Aus biologischer Sicht sind psychische Störungen charakterisiert durch Be­einträchtigungen auf der Ebene der
Neurotransmission, der Konnektivität oder der Proteinsynthese.
Heute wird eine multifaktorielle Ätiopathogenese affektiver Erkrankungen angenommen, bei der sowohl genetische, wie auch
biologische und psychosoziale Faktoren interagieren und je nach
individueller Disposition zur Ausprägung von Krankheitssymptomen führen. Die uniforme Prävalenzrate in unterschiedlichen Kulturkreisen, das familiär gehäufte Auftreten und das relativ niedrige
Erstmanifestationsalter bipolarer Störungen im Vergleich zur unipolaren Depression weisen auf eine starke genetische Disposition
und relativ geringere Modulierbarkeit durch äußere Stressoren hin.
Bipolare Störungen gehen mit strukturellen Veränderungen des
Gehirns einher. Bei bipolaren affektiven Störungen werden Auffälligkeiten in der gesamten Kaskade der neuralen Signaltransmission
– von Neurotransmittern und Neuromodulatoren über rezeptor­
gekoppelte intrazelluläre Signaltransduktion bis hin zur Genexpression – beobachtet. Eine adäquate Behandlung führt nicht nur
zu einer Verbesserung der Symptomatik affektiver Störungen, son-
118
dern kann auch mit einer Normalisierung dieser Veränderungen
einhergehen. Eine antidepressive Behandlung erhöht die Anzahl
neu gebildeter Zellen im Gyrus dentatus des Hippokampus. Sowohl
die Anwendung von Elektrokrampftherapie als auch von mehreren
antidepressiven Medikamentenklassen, nicht aber von non-antidepressiven Wirkstoffen (Haloperidol) zur Erhöhung der Anzahl neu
gebildeter Neuronen; diese Wirkung ist also eine gemeinsame und.
spezifische Eigenschaft antidepressiver Therapien. Dieser Effekt
wurde nur nach einer chronischen, nicht jedoch nach einer akuten
antidepressiven Behandlung beobachtet, was mit der klinischen Erfahrung zum Zeitverlauf der Wirkung von Antidepressiva vereinbar ist. Lang anhaltende unbehandelte affektive Störungen können
mit strukturellen Veränderungen und funktionellen Störungen des
Gehirns einhergehen. Das Ziel einer Behandlung besteht darin,
diese Veränderungen rückgängig zu machen. Dieser Prozess kann
langwierig sein, weshalb eine Langzeitbehandlung unumgänglich
ist.
002
Aktueller Forschungsstand der Akut- und Langzeitbehandlung
bipolarer Störungen
Waldemar Greil (Sanatorium Kilchberg, Schweiz)
I. von Stralendorff
Die vorgestellte Übersicht orientiert sich an internationalen
Leit­linien (CANMAT / ISBD 2009). Zur Behandlung der Bipolare
Depression sind weiter Mittel der ersten Wahl die Monotherapie
mit Lithium, Quetiapin und Lamotrigin. Für Lamotrigin liegen jedoch mehrere Negativbefunde vor. Antidepressiva sind weiterhin
umstritten, am ehesten werden SSRI in Kombination mit stimmungsstabilisierenden / antimanischen Medikamenten (Lithium,
Antikonvulsiva, Atypika) empfohlen. Zur Maniebehandlung sind
Kombinationen von stimmunsstabiliserenden Medikamenten (Lithium, Antikonvulsiva) mit atypischen Antipsychotika üblich und
wirksam. Monotherapie wäre aber zu bevorzugen. Zur Rezidivprophylaxe werden als Mittel der ersten Wahl Lithium, die Antikonvulsiva Carbamazepin, Valproat und Lamotrigin (letzere Substanz
nur zur Prävention von Depressionen) sowie die atypischen Antipsychotika Olanzapin, Quetiapin, Risperidon Depotinjektionen
und Aripiprazol (letztere Substanz nur Prävention von Manien) angeraten. Die Arzt-Compliance bzgl. der Leitlinien erwies sich als
günstig für den Verlauf der Erkrankung, erfahrene Ärzte halten
sich jedoch seltener an Leitlinien als weniger erfahrne Ärzte. Fazit:
Lithium ist weiter „Goldstandard“ in der Behandlung der Manie,
der bipolaren Depression und der Langzeitbehandlung bipolarer
Störungen. Auch atypische Antipsychotika kommen als Mittel der
ersten Wahl bei der Manie, der bipolaren Depression und der Langzeitbehandlung in Frage (das gilt vor allem für Olanzapin und
Quetiapin). Antikonvulsiva weisen differenzielle Wirksamkeit auf
den manischen und depressiven Pol auf: antimanische Wirkung
von Valproat, depressionsverhütende Wirkung von Lamotrigin.
Vorsicht mit Antidepressiva, vor allem bei Patienten mit „frequent
cycling“. Neben der medikamentösen Behandlung sind Psychoedukation (auch für die Angehörigen der Patienten), Ernährungsberatung, Sport, Life-Style-Coaching und Psychotherapie hilfreich.
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
Samstag, 28. 11. 2009, 08.30 – 10.00 Uhr, Saal Sydney
ST-021 State-of-the-Art-Symposium
Unipolare Depressionen
Vorsitz: M. Berger (Freiburg), M. Schmauß (Augsburg)
001
Psychotherapie der unipolaren Depression
Mathias Berger (Universitätsklinikum Freiburg, Psychiatrie und Psychotherapie)
Störungsspezifische Psychotherapieformen zur Behandlung unipolarer Depressionen wurden in den letzten Jahren insbesondere als
Augmentation zur Pharmakotherapie oder – wie in der umfassenden STAR-D* Studie – als „second line treatment“ (im Sinne einer
Augmentations- oder switch-Strategie) untersucht. Dabei schnitten
depressionsspezifische Ansätze wie die Kognitive Verhaltenstherapie und die Interpersonelle Psychotherapie ungefähr gleich gut ab
wie medikamentöse Behandlungsstrategien, allerdings mit der zu
erwartenden zeitlich später eintretenden Wirkung (Thase et al.,
2007). Die Remissionsraten in diesen ambulanten Studien sind allerdings nicht zufriedenstellend, so dass wieder mehr über den
Nutzen stationärer Kombinationsbehandlungen nachgedacht werden muss. In einer eigenen Untersuchung ließen sich kurz- und
langfristige Vorteile einer zusätzlich zur Pharmakotherapie erfolgten akuten Psychotherapie im Vergleich zu einer psychiatrischen
Standardbehandlung im stationären Kontext belegen (Schramm et
al., 2007). Als Erhaltungstherapie hat sich – unabhängig von der
Frequenz der Sitzungen – die Fortsetzung der Therapieform bewährt, die für den Patienten schon akut wirksam war (Frank et al.,
2007). In diesem Beitrag wird der neuste Stand der Depressions­
forschung so dargestellt dass ein Transfer der Erkenntnisse in den
Praxisalltag möglich ist.
reichen während der Akuttherapie mit einem spezifischen Antidepressivum über 8 Wochen keine vollständige Remission, ohne dass
vorab Hinweise auf Therapieresistenz in der Anamnese erkennbar
sind. Ein Grund für diese Stagnation liegt darin, dass sich die
grundlegenden Prinzipien der Pharmakotherapie mit Antidepressiva in den vergangenen Jahren nicht geändert haben.
Methode: Es stehen verschiedene medikamentöse Behandlungsstrategien bei Teil- oder Nonresponse auf einen adäquat durchgeführten ersten Versuch mit einem Antidepressivum zur Verfügung:
(1) Wechsel zu einem neuen Antidepressivum aus einer anderen
pharmakologischen Klasse, (2) Wechsel zu einem anderen Anti­
depressivum aus derselben Klasse, (3) Kombination zweier Anti­
depressiva aus unterschiedlichen Klassen, (4) Augmentation des
Antidepressivums mit anderen Wirkstoffen (z. B. Lithium, Schilddrüsenhormone, atypische Antipsychotika) um die antidepressive
Wirkung zu verstärken und (5) Kombination des Antidepressivums
mit Psychotherapie. Diese Strategien wurden in der Vergangenheit
mit verschiedenen Wirkstoffen und Kombinationen angewandt,
aber die meisten wurden nicht streng wissenschaftlich untersucht
oder umfassten nur kleine Studiengruppen. Gegenwärtig gibt es
keine einheitliche Meinung, welche Strategie bei Non-Respondern
bevorzugt werden sollte. Unter den Augmentationsbehandlungen
ist die Lithium-Augmentation die am besten dokumentierte Strategie. In jüngerer Vergangenheit sind eine Reihe grösserer plazebokontrollierter Studien mit atypischen Antipsychotika (insbesondere Aripiprazol und Quetiapin) mit überwiegend positivem Ausgang
publiziert worden. Zahlreiche andere Augmentationsstrategien mit
unterschiedlichen pharmakologischen Profilen und Zielsetzungen
wurden geprüft, unter anderem Metyrapone und Modafinil. Für
die meisten dieser Strategien fehlen allerdings plazebokontrollierte
Studien bei behandlungsresistenten depressiven Patienten. Trotz
geringer Evidenz für die Wirksamkeit, kann aber im Einzelfall die
Anwendung einer dieser Strategien bei Vorliegen von Therapie­
resistenz erfolgreich sein.
002
Pharmakotherapie der unipolaren Depression
Max Schmauß (Bezirkskrankenhaus Augsburg)
Freitag, 27. 11. 2009, 15.30 – 17.00 Uhr, Saal 6
PC-005 Pro-Con-Debatte
Samstag, 28. 11. 2009, 08.30 – 10.00 Uhr, Saal Prag
Lithium versus neue Stimmungsstabilisierer
ST-022 State-of-the-Art-Symposium
Vorsitz: M. Härter (Hamburg)
Chronische und therapieresistente Depressionen
Vorsitz: E. Schramm (Freiburg), M. Bauer (Dresden)
Mittwoch, 25. 11. 2009, 08.30 – 10.00 Uhr, Saal 4
001
Psychotherapie chronisch therapieresistenter Depressionen
S-013 Symposium
Elisabeth Schramm (Universitätsklinikum Freiburg, Psychiatrie und
Psychotherapie)
Die Neuroplastizitätshypothese der Depression
002
Pharmakotherapie chronisch therapieresistenter Depressionen
Michael Bauer (Uniklinikum Dresden, Klinik für Psychiatrie)
Einleitung: Therapieresistenz auf Antidepressiva und andere therapeutische Optionen wird in der Literatur heute nach wie vor
nicht einheitlich definiert. So erschwert etwa das Problem inhomogener Patientenstichproben die Durchführung von aussagekräftigen Studien zur Therapieresistenz wie auch die Interpretation der
erhobenen Befunde. Trotz aller Fortschritte in den Therapiemöglichkeiten, erreichen heute nicht alle behandelten Patienten eine
ausreichende Besserung. Etwa 60 % aller depressiven Patienten er-
Vorsitz: C. Nissen (Freiburg), C. Normann (Freiburg)
001
Synaptische Plastizität und Depression – von Mäusen und Menschen
Claus Normann (Universitätsklinikum Freiburg, Abtl. Psychiatrie
und Psychotherapie)
Einleitung: Synaptische Langzeitplastizität dient zur Anpassung
der Funktion des Gehirns an Umweltbedingungen. Durch Erhöhung (LTP) oder Abschwächung (LTD) der synaptischen Übertragungsstärke wird die Funktion neuronaler Netzwerke moduliert.
Synaptische Langzeitplastizität wird als molekulares Korrelat von
119
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
Lernen und Gedächtnis angesehen. Stress reguliert die synaptische
Plastizität herunter.
Diskussion / Ergebnisse: Verschiedene Befunde legen nahe, dass
eine Störung der synaptischen Plastizität eine wichtige Rolle in der
Pathophysiologie der Depression spielen könnte. So konnten wir
zeigen, dass SSRI-Antidepressiva die LTD über eine Inhibition neuronaler Calcium-Kanäle hemmen. Lithium blockiert die LTD durch
eine Hemmung der Phospholipase C / Proteinkinase C-Kaskade.
Nach chronic mild stress, einem validen Tiermodell der Depres­
sion, kommt es zu einer Faszilitierung der LTD, die durch Gabe von
Antidepressiva verhindert werden kann. Early Deprivation ist ein
Tiermodell früher Traumatisierungen. Dies führt zu einer vorübergehenden Beeinträchtigung morphologischer Plastizitätsformen
(Neuroneogenese, Hippocampus-Volumen), jedoch zu einer bis ins
Erwachsenenalter anhaltenden Beeinträchtigung der funktionellen
Plastizität mit einer Abschwächung der LTP und einer verlängerten
Immobilität im forced swimming Test. Beim Menschen konnten
wir zeigen, dass Antidepressiva und die depressive Erkrankung
eine LTP-ähnliche Form der Plastizität im visuellen System gegensätzlich beeinflussen. Eine Störung der synaptischen Plastizität ist
ein attraktiver Erklärungsansatz für die Pathophysiologie affektiver
Erkrankungen und könnte neue Ansatzpunkte für Erforschung
und Therapie dieser Erkrankungen liefern.
002
Schlafbezogene Methoden zur Messung von Plastizität am Menschen
Reto Huber (Kinderspital der Universität, Zürich, Schweiz)
Einleitung: Es gibt gute Hinweise für einen engen Zusammenhang
zwischen kortikalen plastischen Veränderungen und Schlaf. So
konnten wir zum Beispiel zeigen, dass eine visuomotorische Lernaufgabe (Huber et al., 2004) als auch hochfrequente Transkranielle
Magnetstimulation (Huber et al., 2007) zu einer lokalen Vertiefung
des Schlafes in den beanspruchten Hirnregionen führte.
Methode: Neue quantitative Analysen des Schlaf-Elektroenzephalogramms (EEG) ermöglichen eine detaillierte Erfassung von Änderungen kortikaler Verbindungen und deren Erregbarkeit – beides grundsächliche Faktoren der Plastizität. Zu diesen Analysen
zählen die Beschreibung der langsamen EEG-Wellen im Schlaf als
‚wandernde Wellen‘, welche im Tiefschlaf in regelmässigen Zeit­
abständen entlang den Hauptverbindungen des Kortex rasen
(Massimini et al., 2005; Murphy et al., 2009), oder die Etablierung
der Steilheit dieser langsamen Wellen als Mass der Stärke kortikaler
Verbindungen (Riedner et al., 2007). Grundsätzlich bieten die
Messungen von Plastizität während des Schlafes entscheidende
Vorteile: Neben der einfachen Erhebung großer Datenmengen
ohne Ermüdungserscheinung der Versuchspersonen, sind ins­
besondere die Unabhängigkeit der Daten von der momentanen
kognitiven Aktivität und dem Motivationszustand der Probanden
hervorzuheben. Diese Vorteile kommen besonders bei Kindern
und Patienten zum tragen.
Diskussion / Ergebnisse: Dementsprechend ist eine mögliche Anwendung die Erfassung von plastischen Veränderungen während
der kindlichen Entwicklung. Wir haben Nacht EEG Ableitungen
mit 128 Elektroden bei Kindern und Jugendlichen durchgeführt (220 Jahren, n=48). Auffallend ist der zeitliche Verlauf der Amplitude
der langsamen Wellen, welcher bis hin zur Pubertät zunimmt um
danach bis ins Erwachsenenalter abzunehmen. Gleichzeitig verschiebt sich das maximale Auftreten dieser langsamen Wellen von
okzipitalen zu frontalen Kortexregionen. Diese Befunde scheinen
den zeitlichen Verlauf der kortikalen Verbindungsdichte und die
zeitlich unterschiedliche Reifung verschiedner Kortexregionen zu
widerspiegeln (Yurgelun-Todd, 2007). Wertvolle Hinweise für diese
Hypothese bieten uns die Auswertungen von anatomischen Magnetresonanztomographien.
120
003
Lernen als Modell neuronaler Plastizität bei Depression
Christoph Nissen (Uniklinik Freiburg, Psychiatrie und Psychotherapie)
J. Holz, C. Normann
Einleitung: Die Plastizitätshypothese der Depression postuliert,
dass die klinischen Symptome der Erkrankung auf eine gemeinsame neurobiologische Endstrecke zurückzuführen sind, die Dysfunktion neuronaler Plastizität. Bei Depression könnte synaptische
Plastizität in einem ventral-emotionalen System, welches die Amyg­
dala einschließt, überaktiviert und in einem dorsal-exekutiven Sy­
stem, welches den Hippocampus einschließt, sowie in weiten Teilen
des Kortex unteraktiviert sein.
Methode: In der vorliegenden Studie wurde deklaratives Lernen
(Wortpaar Lernen) als Modell hippocampaler Plastizität, visuellperzeptives Lernen (Texture Discrimination Task, TDT) als Modell
lokaler kortikaler synaptischer Plastizität, und Furchtkonditionierung als Modell synaptischer Plastizität der Amygdala bei 18 stationären Patienten mit unipolarer schwerer depressiver Episode und
25 nach Alter, Geschlecht und IQ abgeglichenen gesunden Probanden untersucht.
Diskussion / Ergebnisse: Die Ergebnisse sind konsistent mit der
Hypothese einer geminderten hippocampalen Plastizität (geminderte deklarative Gedächtniskonsolidierung) und einer gesteigerten Amygdala abhängigen Plastizität (gesteigerte Furchtkonditionierung) bei Patienten mit Depression im Vergleich zu gesunden
Probanden. Anhand der Daten kann keine Aussage bezüglich kortikaler synaptischer Plastizität bei Patienten mit Depression getroffen werden (aufmerksamkeitsabhängige Baselinedefizite in der
TDT Performance bei Patienten mit Depression). Die weitere
Übertragung des aus Tierexperimenten bekannten Plastizitätskonzepts auf depressive Erkrankungen könnte zu einem besseren Verständnis der Pathophysiologie der Depression und zur Entwicklung
neuer Therapieansätze beitragen.
004
rTMS und tDCS: Intermittierende Stimulation und Neuroplastizität
Frank Padberg (Psychiatrie und Psychotherapie, LMU München)
D. Keeser, U. Palm, M. Holzer, C. Mulert, M. Riedel, H.-J. Möller,
O. Pogarell
Einleitung: Die repetitive transkranielle Magnetstimulation
(rTMS) und transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS) zeigen
am Motorkortex über die akute Stimulation hinaus anhaltende
Effekte auf die kortikale Exzitabilität, die abhängig vom jeweiligen
Stimulationsprotokoll über Minuten bis Stunden verlängert werden
können. In den letzten Jahren wurden diese Post-Stimulations­
effekte als Paradigma für kurzzeitige neuroplastische Veränderungen angesehen und insbesondere deren Modulation durch Sub­
stanzen untersucht, die in die dopaminerge oder glutamaterge
Neurotransmission eingreifen. Für nicht-motorische Regionen,
v. a. den präfrontalen Kortex (PFC), als Zielregion für therapeutische Anwendungen von rTMS und tDCS bei Depressionen, fehlen
solche Paradigmen weitgehend und es liegen erst vereinzelte Untersuchungen zu neuroplastischen Prozessen nach rTMS oder tDCS
vor.
Methode: Zunächst soll anhand der Untersuchungen am Motorkortex ein Überblick über Dauer und Modulation von Poststimulationseffekten nach rTMS und tDCS gegeben werden. Anschließend sollen die bisherigen Befunde nach Stimulation nicht
motorischer Areale in diesen Kon-text eingeordnet werden, um
zum Schluss Perspektiven für die Entwicklung der rTMS und tDCS
zu einer wirksamen Intervention bei Depressionen zu diskutieren.
Diskussion / Ergebnisse: Am Motorkortex konnte gezeigt werden,
dass die Poststimulationseffekte stark von den verwendeten Stimu-
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
lationsprotokollen abhängen und psychopharmakologisch moduliert werden können. Für den PFC fanden sich in EEG-Untersuchungen (Grossheinrich et al. Biological Psychiatry 2009; Keeser et
al. submitted 2009) nach Theta Burst rTMS und nach tDCS über bis
zu einer Stunde anhaltende Post-Stimulationseffekte. Nach präfrontaler tDCS zeigten Gesunde und depressive Patienten z.T. divergente Veränderungen sowohl hinsichtlich des EEG-Spektrums als
auch ihrer Lokalisation (sLORETA). Zu länger anhaltenden neuroplastischen Prozessen nach rTMS und tDCS liegen nur vereinzelt
Studien vor, systematische Untersu-chungen zur Entwicklung dieser Veränderungen über die Zeit fehlen bislang. Die Entstehung
und Dynamik neuroplastischer Prozesse nach rTMS und tDCS ist
bislang nur in Ansätzen verstanden, besitzt aber vermutlich eine
große Bedeutung für die therapeutische Anwendung beider Verfahren bei Depressionen. Insbesondere die Interaktion zwischen
rTMS- und tDCS-induzierter Neuroplastizität und spezifischen
Veränderungen von Hirnstruktur und Neuroplastizit bei Depres­
sionen sollte Gegenstand weiterer Forschung sein.
Mittwoch, 25. 11. 2009, 15.30 - 17.00 Uhr, Salon 11/12
S-031 Symposium
Remitted depression: neurobiological and neuropsychological
factors
Vorsitz: D. E. Dietrich (Hannover), M. Rothermundt (Münster)
001
HPA system activity and remission of depression
Michael Deuschle (ZI für Seelische Gesundheit, Mannheim)
Introduction: Depending on the antidepressant and remission,
HPA system activity usually declines during the course of antidepressant treatment. HPA system activiy as assessed by the combined
Dex /CRH test has been shown to be related to the risk for relapse.
However, HPA system activity has rarely been measured in the
long-term course of treatment.
Method: We measured nighttime urine excretion of cortisol for
6 months in a group of depressed patients after discharge from inpatient treatment. Moreover, we assessed stress response in patients
in long-term remission.
Discussion / Results: In the aftermath of inpatient treatment, we
found cortisol excretion still to decline, both in patients with favor­
able and unfavorable course. Also, patients in long-term remission
had low baseline HPA system activity, when compared to healthy
controls. It may be concluded that HPA system activity ameloriates
in the aftermath of an acute episode.
ve treatment. S100B concentration is elevated in acute major depression especially in patients with the melancholic subtype of depression. The S100B concentration at onset predicts the therapeutic
outcome. Discussion: Serum markers indicating neuronal and glial
function can contribute to the assessment of the stage of major depression. They might even be helpful as prognostic markers. However, more studies are needed to finally evaluate the chances and
limitations of these markers.
003
Neurophysiological changes of cognitive function and S100B in
remitted depression
Detlef E. Dietrich (Medizin. Hochschule Hannover, Klinik für Psy­
chiatrie)
Y. Zhang, M. Rothermundt
Introduction: Memory and attentional processes have been shown
to be impaired in depressed patients and may partly even persist in
the remitted state. Part of this variability might be explained by biological factors: S100B is an astroglial calcium-binding protein with
neuroplastic properties and has been shown to be increased in a
subgroup of depressive patients. Its pathophysiologic role in depression, however, is not yet sufficiently understood. Electrophy­
siological techniques, e.g. event-related potentials (ERPs), may be
used to substantiate a possible influence of S100B on cognitive processes.
Method: In the presented investigations, ERPs recorded in a visual
continuous word recognition paradigm and a target evaluation /
response inhibition experiment were therefore investigated in pa­
tients with remitted major depression in relation to serum levels of
S100B.
Discussion / Results: Patients with increased S100B serum levels
showed a normal old / new effect in the recognition memory paradigm and a normal N2- and P3-amplitude in the target evaluation
experiment in contrast to a reduced old / new effect and a re­duced
N2- and P3-amplitude in the patients with lower S100B levels compared to aged matched control groups. The findings provide evidence of a correlation between S100B levels and cognitive processing in patients with recurrent depression and further substantiate
S100B’s role as a marker in the course of affective disorders.
004
The impact of fate and the neuropsychology of depression
Hinderk M. Emrich (Medizin. Hochschule Hannover, Psychiatrie und
Psychotherapie)
Mittwoch, 25. 11. 2009, 15.30 – 17.00 Uhr, Salon 13/14
S-032 Symposium
002
Serum markers as indicators of remission
Matthias Rothermundt (Universitätsklinikum Münster, Psychiatrie
und Psychotherapie)
Introduction: Depression is associated with a volume reduction in
various brain regions positively correlated with increasing duration
of depression. This volume loss is caused by a decrease of glia cell
amount and reduction of neuronal cell size, but not by a decline of
neuronal cell numbers. Glial and neuronal markers might be useful
to indicate cellular changes in a clinical setting.
Method: BDNF as neuronal and S100B as glial cell marker are eval­
uated regarding their potential contribution to evaluate the stage of
disease in major depression.
Discussion / Results: BDNF is decreased in unmedicated pa­tients
with major depression and normalizes after successful antidepressi-
Treatment-resistant depression: Neural modes of action of
up-­to-date treatment strategies from psychotherapy to neuromo­
du­lation
Vorsitz: K. Schnell (Bonn), T. Schläpfer (Bonn)
001
Neuronale Plastizität im Verlauf kognitiv-behavioraler Psychotherapieverfahren bei chronischer Depression
Henrik Walter (Zentrum für Nervenheilkunde, Klinik für Psychiatrie
Medizinische Psychologie, Bonn)
121
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
002
Psychoanalytische Behandlung der chronischen Depression und
ihre neuronalen Korrelate: Eine Verlaufstudie mit der fMRT
Henrik Kessler (Universitätsklinik Ulm, Klinik für Psychosomatik)
003
Treatment-resistant depression (TRD): current pharmacological
treatment options
Mazda Adli (Charité Campus Mitte, Psychiatrie und Psychotherapie,
Berlin)
Although the neurobiological basis of depression is far from being
sufficiently understood thorough considerable progress has been
achieved in the recent years to understand important mechanisms
on genetic, endocrinological and cellular levels which open up potential novel and more specific treatment approaches. However,
today strategies for the treatment of depression comprise a confusing variety of options. About 30 antidepressants are currently on
the market which mainly differ with regard to their side effect profiles. All biological treatment strategies (except for sleep depriva­
tion) show a latency of onset of several weeks and a non-response
rate of about 30 to 50 %. Therefore, in daily routine it has been
shown useful to follow a stepwise sequence of therapeutic strategies
and to perform a standardized evaluation of response at critical decision points to avoid or to overcome TRD. Innovative pharmacological and personalized treatment approaches carry the promise of
shortening treatment duration and increasing response rates in the
near future. As of today, depressive disorders show a good prognosis if the treatment options cover all available strategies and the response to a particular treatment is evaluated based on systematic
treatment algorithms.
004
Deep Brain Stimulation as a putative treatment for treatment-­
resistant depression
Thomas Schläpfer (Universitätsklinikum Bonn, Psychiatrie und Psychotherapie)
Introduction: A substantial number of patients suffering from severe neuropsychiatric disorders do not respond to conventional
therapeutic approaches. Results from functional neuroimaging research and the development of neuromodulatory treatments lead to
novel putative strategies.
Method: Recently, one of those methods, deep brain stimulation
(DBS) has been applied in selected patient with major depression
and obsessive-compulsive disorder and major depression.
Discussion / Results: Different targets have been chosen in a hypothesis-guided way and first results have demonstrated that DBS
might be able to modulate dysfunctional neural networks in both
major depression and OCD. Although DBS is a unique and promis­
ing method for otherwise treatment resistant psychiatric patients,
mandatory treatment standards have to be applied for patient and
target selection.
122
Donnerstag, 26. 11. 2009, 08.30 – 10.00 Uhr, Saal 7
S-037 Symposium
Genetic predisposition and stressors – who will become depressed?
(Referat Neurobiologie und Genetik)
Vorsitz: H. Grabe (Stralsund), M. Rietschel (Mannheim)
001
Depression and Genetic Findings in Genome-wide Analyses
Susanne Lucae (MPI für Psychiatrie, München)
Einleitung: Die Heritabilität der unipolaren Depression wird auf
35 – 40 % geschätzt, allerdings blieb die Suche nach den ursächlich
beteiligten Genen mit Hilfe von Kandidatengen-Analysen bisher
weitgehend erfolglos. Seit wenigen Jahren sind nun genomweite
Analysen technisch möglich.
Methode: Am Max-Planck-Institut für Psychiatrie führten wir eine
genomweite Assoziationsstudie zur unipolaren Depression mit
zwei anschließenden Replikationsstudien durch. In funktionellen
Analysen (mRNA-Expression, Mausmodell) konnte ein interessantes Kandidatengen weiter untersucht und validiert werden.
Diskussion / Ergebnisse: Es wurden bereits einige wenige genomweite Studien zur unipolaren Depression publiziert, andere sind in
Vorbereitung. Es wird die genomweite Analyse zur unipolaren Depression vorgestellt, die am Max-Planck-Institut für Psychiatrie
durchgeführt wurde. Außerdem werden bereits publizierte genomweiten Studien zusammengefasst und diskutiert.
002
Corticosteroid Receptor Gene Variants and Experimental Stress
Reactivity: Implications for the Development of Depressive Disorders
Stefan Wüst (ZI Mannheim, Genetische Epidemiologie)
003
Genetic Findings in Personality as Risk Factors for Affective Disorders
Andreas Reif (Universität Würzburg, Psychiatrische Klinik)
T. Nguyen, A. Strobel, C. Jacob, K.-P. Lesch
Introduction: Neuroticism and related personality dimensions are
etiologically heterogeneous traits with complex genetics. Definition
of clinical phenotypes are not rooted in their neurobiology and respective animal models have considerable limitations. Even more
so, depression is a complex behavior with equally diverse underlying neurobiological underpinnings not readily explained by sim­
plistic models. Formal genetic studies however have consistently
argued for the notion that high levels of Neuroticism as well as
Cluster C personality disorders are risk factors for later-life depression, especially in the presence of adverse life events.
Discussion / Results: Although research on the neurobiology of
those behaviors is still in its infancy, several milestones have already
been reached: Variation in gene expression were confirmed to play
a predominant role in individual differences in complex traits including personality and behavior; gene x environment interaction
were established in humans and the nonhuman primate model;
gene-phenotype correlations were substantiated by func­tional neuroimaging; as well as the notion that both genes and environmental
factor impact on brain development and thus set the stage for the
susceptibility to depression is increasingly appreciated. Investigation of subtle alterations in the expression of genes of the serotonergic pathway, such as the serotonin transporter (5HTT), of correlations
between 5HTT genotype and brain activity, and of environmental
variables interacting with 5HTT variants currently strengthen re-
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
search on the genetics of depression. This is especially noteworthy
as 5HTT as well as other encoding components of the 5HT system,
such as TPH2, are also linked to Neuroticism and Cluster C personal­
ity disorders, suggesting a developmental trajectory from increased
Neuroticism over anxious-fearful personality disorders eventually
leading to clinically relevant major depression. This development
might well be shaped and accelerated by adverse life events To date
however, there are almost no studies which specifically test this hypothesis, as pertinent longitudinal studies are a daunting task which
nevertheless will be accomplished in the near future.
004
Childhood Adversities and Adult Depression – which Genes
Mediate the Risk?
Hans Grabe (Universität Greifswald, Psychiatrie und Psychotherapie,
Stralsund)
H. J. Freyberger, C. Schwahn, H. Völzke, J. Mahler, A. Schulz, C. Spitzer, K. Appel, S. Barnow, A. Teumer
Introduction: Depressive disorders represent a major socioeconomic and therapeutic challenge and are associated with a high degree
of individual burden and distress. The heritability of depression has
been estimated to be 37 %. Previous studies have implicated dysregulations of the HPA-axis in the pathogenesis of depressive disorders. Recently, an interaction between childhood abuse and polymorphisms within the Corticotropin-Releasing Hormone Receptor
Gene (CRHR1) was reported, connecting early life stress and genetic susceptibility to adult depression. We tested the hypothesis of an
interaction of childhood maltreatment and neglect with polymorphisms and haplotypes within the CRHR1 gene in a general population sample.
Method: All participants (n=1638) were Caucasian subjects from
Study of Health in Pomerania (SHIP). The gene by environment
interactions between 34 single nucleotide polymorphisms (SNP) at
the CRHR1 locus and measures of child abuse and neglect (Childhood Trauma Questionnaire) on adult depressive symptoms were
investigated.
Discussion / Results: Physical neglect showed significant (p<0.05)
interactions in 22 of 34 SNPs in the final analyses. Emotional ne­
glect showed a comparable pattern of interactions. These findings
were confirmed in haplotype analyses with distinct haplotypes interacting with physical neglect. However, no interaction was found
between childhood abuse (emotional, physical, sexual) and the
SNPs within the CRHR1 gene.
Donnerstag, 26. 11. 2009, 15.30 – 17.00 Uhr, Saal 6
S-057 Symposium
schen Befindens wie z. B. der Schlaf in der Peripartalzeit oder das
Geburtserleben nur unzureichend kontrolliert.
Methode: In dieser prospektiven Studie wurden N=150 Frauen 4
Wochen vor und nach der Geburt zu ihrem psychischen Befinden
(Depressions-Angst-Stress-Skala), zum Geburtsverlauf und -erleben (Salmon Item List) sowie zum Schlaf (Pittsburgh Schlafqualitätsindex) befragt.
Diskussion / Ergebnisse: Die Korrelationen für prä- und postpartale Angst und Stress liegen – auch nach der Kontrolle des Geburtserlebens und der Schlafqualität – im mittleren bis hohen Bereich.
Darüber hinaus zeigt sich ein Zusammenhang zwischen Angstsymp­
tomen in der Schwangerschaft mit einem depressiven Befinden
nach der Geburt. Die Korrelation depressiver Symptome vor und
nach der Geburt war im Vergleich dazu niedriger. Es erscheint indiziert, Frauen bereits in der Schwangerschaft zu ihrem psychischen Befinden zu befragen und gegebenenfalls frühzeitig (niedrigschwellige) Interventionen einzuleiten.
002
Auswirkungen von Präpartalen Angststörungen und Depressionen auf das Gestationsalter und das Geburtsgewicht
Corinna Reck (Universitätsklinikum Heidelber, Allgemeine Psychia­
trie, Heidelberg)
Einleitung: Die Bedeutung schwangerschaftsassoziierter psychischer Erkrankungen wie Angststörungen und Depressionen werden in Deutschland im Allgemeinen unterschätzt. Über den Eintrag „psychische Belastungssituation“ im Mutterpass scheint die
Beachtung selten hinauszugehen. Dabei scheinen gerade diese Erkrankungen das Risiko für ein niedriges Geburtsgewicht und eine
erhöhte Frühgeburtlichkeitsrate signifikant zu erhöhen.
Methode: In der aktuell noch laufenden prospektiven Heidelberger
Peripartalstudie sollen Zusammenhänge zwischen präpartalen
Angst­störungen / Depressionen und dem Gestationsalter bei Entbindung sowie dem fetalen Geburtsgewicht untersucht werden.
Ziel der Studie ist es, Probandinnen im letzten Trimenon der
Schwangerschaft sowie vier bis sechs Wochen postpartal auf Depressions- und Angstsymptome hin zu untersuchen und Risikofaktoren zu erfassen. Bisher konnten insgesamt 200 Frauen in die Studie eingeschlossen werden. Depressive Symptome werden mit der
Edinburgh Postnatal Depression Scale (EPDS) und mit dem Patient
Health Questionnaire (PHQ) erfasst. Angstsymptome werden
mit dem State-Trait-Anxiety-Inventory (STAI) und dem AnxietyScreening-Questionaire (ASQ) von Wittchen et Boyer (1998) erfasst. Zusätzlich werden klinische und psychosoziale Risikofaktoren erhoben. Die Erfassung der Daten bezüglich des Geburtsgewichts
und des Gestationsalters bei Geburt werden dem Geburtenbuch
der Universitätsfrauenklinik Heidelberg entnommen.
Diskussion / Ergebnisse: Klinische Implikationen der präsentierten Daten werden diskutiert.
Zum Einfluss von psychopathologischen und neurobiologischen
Wirkfaktoren auf den Schwangerschaftsverlauf, das Geburterleben
und die kindliche Entwicklung
003
Auswirkungen prä-, peri- und postnatalen Stresses auf den Schwan­
gerschaftsverlauf und die Selbstregulation des Kindes: Vorstellung der „Pränatalstudie“
Vorsitz: C. Reck (Heidelberg), C. Kirschbaum (Dresden)
Eva Möhler (SHG Kliniken Sonnenberg, Kinder- und Jugendpsychiatrie Psychosomatik und Psychother., Saarbrücken)
001
Verlauf des psychischen Befindens in der Schwangerschaft und
Postpartalzeit
Julia Martini (TU Dresden, Klinische Psychologie)
Einleitung: Bisherige Erkenntnisse zum Verlauf des psychischen
Befindens im Peripartalzeitraum beschränken sich meist auf die
Bereiche Angst und / oder Depression, ohne eine genauere Abgrenzung der Syndrome untereinander und zu Stress vorzunehmen.
Dabei werden wichtige Einflussfaktoren auf den Verlauf des psychi-
004
Auswirkung pränataler Glukokortikoidgaben auf die physiolo­
gische Entwicklung, Gesundheit, Kognition, Konzentration und
Stressreaktivität im Kindesalter
Franziska Rosenlöcher (Technische Universität Dresden, Lehrstuhl
Biopsychologie)
J. Morgner, C. Kirschbaum
Einleitung: Aufgrund seiner hohen Plastizität und Sensitivität ist
123
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
das fetale Gehirn besonders empfindlich gegenüber Umwelteinflüssen. Das endogene Glukokortikoid Kortisol ist maßgeblich an seiner Reifung beteiligt. Während kritischer Entwicklungsphasen des
Gehirns können dessen Ausbildung und Funktion langfristig modifiziert werden. Aus der Literatur ist bekannt, dass pränatale exogene Glukokortikoidgaben oder pränataler Stress, vermittelt über
eine erhöhte Exposition gegenüber mütterlichem Kortisol, die Entwicklung des fetalen Gehirns pathologisch beeinflussen können.
Verknüpfungen mit einer gestörten Hypothalamus- HypophysenNebennierenrinden-Achsen-Regulation, Verhaltensstörungen oder
kognitiven Beeinträchtigungen in der Kindheit werden diskutiert.
Die Befundlage ist allerdings inkonsistent. Im Humanbereich sind
Untersuchungen zu pränatalen Glukokortikoidgaben oft mit Frühgeborenen durchgeführt wurden, was immer mit einer Konfundierung von bereits bekannten Entwicklungsschwierigkeiten bei unreifen Kindern verbunden ist. Ebenso existiert kein einheitliches
Bild, wie lange oder intensiv ein pränataler Stressor wirken muss,
um Entwicklungsbeeinträchtigungen hervorzurufen. In diesem
Projekt wurden Daten von 6 – 10 jährigen Kindern erhoben, welche reif geboren wurden und pränatal Glukokortikoide erhielten
(N = 54) und Kindern, welche pränatal keine Glukokortikoide erhielten (N = 53). Die Untersuchung befasste sich mit der Frage, ob
Unterschiede in der Entwicklung, dem Verhalten, der kognitiven
Leistungsfähigkeit, der Konzentration oder der Stressreaktivität
vorliegen.
Methode: Neben der Durchführung verschiedener psychologischer Testverfahren, wie Intelligenz-, Gedächtnis-, Konzentrationsoder Stresstests, wurden schwangerschaftsbezogene, perinatale und
aktuelle pädiatrische Daten der Kinder mittels medizinischer Unterlagen erfasst. Zudem wurden mit Hilfe eines standardisierten
Elterninterviews die Informationen zum möglichen vorliegen pränataler Stressoren, der kindlichen Entwicklung und dem familiären
Umfeld vervollständigt.
Diskussion / Ergebnisse: Es kann erstmals gezeigt werden, dass
sich pränataler Stress bei reifgeborenen Kindern langfristig auf kognitive Fähigkeiten auswirkt, nicht aber auf die Stressreaktivität
oder das Verhalten. Die Ergebnisse werden im Vortrag vollständig
dargestellt und diskutiert.
Freitag, 27. 11. 2009, 08.30 – 10.00 Uhr, Saal Sydney
S-093 Symposium
Stimulationsverfahren in der Akut- und Erhaltungstherapie von
affektiven Störungen
Vorsitz: E.-L. Brakemeier (Freiburg), M. Bajbouj (Berlin)
001
Antidepressive und kognitive Einflüsse 3 verschiedener Stimula­
tionsintensitäten und Ultrakurz-Stimuli bei rechts unilateraler
EKT: eine randomisierte, doppelblinde Studie
Arnim Quante (Charité Campus BF, Psychiatrie und Psychotherapie,
Berlin)
A. Merkl, E.-L. Brakemeier, F. van Hall, A. Luborzewski, M. Bajbouj
Einleitung: Die Effektivität und die kognitiven Nebenwirkungen
durch EKT hängen von der Elektrodenposition, Frequenz und der
Stimulusintensität ab. Eine hoch dosierte rechts unilaterale EKT
geht mit besseren antidepressiven Effekten einher. Nur wenige Studien haben bisher verschiedene Stimulationsintensitäten, vor allen
Dingen sehr hohe, also über das 6-fache der Krampfschwelle hinausgehende Intensitäten, untersucht. In dieser prospektiven Studie
wurden die antidepressiven und kognitiven Effekte von 3 verschie-
124
denen Stimulusintensitäten untersucht (4-fach, 7-fach oder 10-fach
oberhalb der Krampfschwelle).
Methode: Vorwiegend therapieresistente depressive Patienten, die
eine EKT bekommen sollten, wurden eingeschlossen. Nach Bestimmung der Krampfschwelle erfolgte die Randomisierung der
Patienten in eine der 3 Stimulusintensitäten. Untersucht wurde
über einen Zeitraum von 9 EKT-Sitzungen. Zur Evaluierung der
depressiven Symptomatik und der kognitiven Effekte wurden Depressionsskalen (HAMD-28, BDI) sowie eine neuropsychologische
Testbatterie (VLMT, Wortflüssigkeit) vor der 1. und nach der 9.
EKT angewendet.
Diskussion / Ergebnisse: Insgesamt wurden 49 Patienten eingeschlossen. Die Response-Rate nach 9 EKT-Sitzungen lag insgesamt
bei 48 %. Bezüglich der antidepressiven Effekte und kognitiven
Nebenwirkungen fanden sich keine signifikanten Unterschiede bei
den 3 verschiedenen Stimulusintensitäten. Die Studienergebnisse
werden vorgestellt und diskutiert.
002
Der Einfluss der psychotropen Begleitmedikation auf die Anfallsgüte der Akut-EKT
Alexander Sartorius (ZI Seelische Gesundheit, Mannheim)
B. Bundy, W. Hewer
Einleitung: Eine schwierige Fragestellung bei der Durchführung
der EKT ist die der psychotropen Begleitmedikation. Benzodiazepine, Phasenprophylaktika (ausser Lithium) und Barbiturate (zur
Narkoseinduktion) wirken antikonvulsiv, Antidepressiva und Antipsychotika, sowie Lithium prokonvulsiv.
Methode: In einer prospektiven Untersuchung wurde der Einfluss
dieser heterogenen Begleitmedikation auf die Anfallsgüte an 41 Patienten untersucht. Zur Bestimmung der Anfallsgüte wurden die
motorische Anfallsdauer, die EEG-Anfallsdauer, die iktale Amplitude, der Anfallsenergie-Index, die postiktale Suppression, die
Konkordanz und die Kohärenz des Anfalls, sowie die maximale
Herzfrequenz herangezogen. Die durchschnittliche Äquivalenzdosis innerhalb der letzten 24 h vor einer EKT betrug 11 mg Diazepam, 166 mg Amitriptylin und 274 mg Chlorpromazin. Die Daten
wurden mittels einer multivariaten Regressionsanalyse mit Messwiederholung ausgewertet.
Diskussion / Ergebnisse: Die bereits bekannten und in die Analyse
kovariat eingerechneten Parameter Alter, Stimulationsenergie und
Narkosetiefe zeigten einen signifikanten Einfluss auf die iktalen
Anfallsgütekriterien. Post hoc erwies sich die Gabe atypische Antipsychotika als günstig für eine hohe postiktale Suppression. Haupt­
ergebnis der Studie ist ein fehlender Einfluss sämtlicher psychotroper Begleitmedikation auf die Anfallsgüte.
003
Effektivität drei verschiedener Erhaltungstherapien nach AkutEKT bei schweren Depressionen
Eva-Lotta Brakemeier (Universitätsklinikum Freiburg, Psychiatrie
und Psychotherapie)
A. Merkl, A. Quante, N. Kathmann, M. Bajbouj
Introduction: While electroconvulsive therapy (ECT) in major depression is effective, high relapse rates and cognitive side effects
limit its long-term use. Protocolized continuation treatment after
acute ECT with combinations of C-ECT or psychotherapy and medication may decrease relapse rates and long-term cognitive side
effects.
Method: In a prospective, controlled, long-term study 60 depressed
ECT responders are randomly assigned either to antidepressant
treatment alone, or C-ECT plus medication, or cognitive behaviour­
al group therapy plus medication. Depressive symptoms and cognition are also assessed before, during, immediately after acute ECT
and two, four, six, and 12 months during continuation therapy.
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
Discussion / Results: First results of the ongoing study (N=55)
confirm the high response rates of acute ultrabrief unilateral ECT
in severely depressed patients (67 %). In addition, the use of protocolized continuation therapies markedly reduces relapse rates (25 %
relapse overall) while the two combination groups have siginificantly lower relapse rates than the antidepressant treatment-alone
group. Concerning cognition, analyses comparing cognitive performance during continuation treatment indicate that verbal and
visual short- and long-term memory are either not impaired or
even improved in all three continuation groups. Regarding autobiographical memory, the C-ECT group performances even better
than the two other groups pointing out that there might be no cumulative cognitive deficits following C-ECT. Although these are
only preliminary results, it seems that combining antidepressant
treatment with either C-ECT or C-CBT in the continuation phase
are highly successful to prevent relapse in ECT responders.
004
Intermittierende transkranielle Kortexstimulation (rTMS und
tDCS) für die Akut- und Langzeittherapie von Depressionen
Frank Padberg (Psychiatrie und Psychotherapie, LMU München)
M. Holzer, D. Keeser, U. Palm, M. Riedel, H.-J. Möller, O. Pogarell
Einleitung: Im Gegensatz zur tiefen Hirnstimulation einerseits,
bzw. einer pharmakologischen Stimulation zeichnen sich transkranielle Kortexstimulationsverfahren (repetitive transkranielle Magnetstimulation – rTMS und transkranielle Gleichstromstimulation
– tDCS) und auch die Elekt-rokonvulsionstherapie (EKT) durch
die intermittierende Stimulationsform aus. Deshalb sind die Dauer
der Post-Stimulationseffekte, ihre Summation über die Zeit und Interferenz zwischen einzelnen Stimulationsserien von besonderer
Bedeutung, allerdings noch wenig unter-sucht. Erste Anhaltspunkte können hier die klinischen Erfahrungen zu Dauer und Abklingen der Behandlungseffekte, aber auch Untersuchungen zur Erhaltungstherapie geben.
Methode: Ausgehend von Studien zur Dauer der Post-Stimula­
tionseffekte bei rTMS und tDCS und zu neuroplastischen Verän­
derungen nach transkranieller Kortexstimulation sollen die bis­
herigen Erfahrungen mit rTMS und tDCS in der Akut- und
Langzeittherapie von Depressionen disku-tiert werden. Dies geschieht zum einen anhand eines Literaturüberblicks, zum anderen
auf der Basis eigener kasuistischer Erfahrungen.
Diskussion / Ergebnisse: Bislang fehlen noch größere systematische Untersuchungen zum Aufbau und zur Stabilität antidepres­
siver Effekte über die Zeit sowie zu Erhaltungstherapieansätzen,
zumeist liegen Kasuistiken, kleinere Fallserien und Follow-UpUntersuchungen zu größeren placebokontrollierten Akutstudien
vor. Die bisherigen Daten sprechen dafür, dass die Effekte der
Akutbe-handlung mit TMS und tDCS vorübergehend sind und innerhalb weniger Wochen abklingen. Eine wiederholte Anwendung
von Stimulationssequenzen im Sinne einer Erhaltungstherapie –
analog zur Erhaltungs-EKT – erscheint auf der Basis erster Erfahrungen durchaus vielver-sprechend. Von besonderem Interesse
sind jedoch methodische Weiterentwicklungen, z. B. die sog. ThetaBurst-Stimulation (TBS) mit dem Ziel, die Post-Stimulationseffekte
zu verlängern, um so eine Optimierung der Wirkung über die Zeit
zu erreichen.
Freitag, 27. 11. 2009, 08.30 – 10.00 Uhr, Saal 5
S-101 Symposium
Mood disorders as glial disorders
Vorsitz: M. Schroeter (Leipzig), P. Falkai (Göttingen)
001
Glial Pathology in Mood Disorders – Serum Markers
Matthias Schroeter (MPI, Kognitive Neurologie, Leipzig)
Introduction: Recently, it was shown by histopathological studies
that mood disorders are characterized by disease-specific glial
patho­logy.
Method: To validate this hypothesis in vivo we measured serum
levels of the neuronal marker neuron-specific enolase and S100B, a
protein expressed in astro- and oligodendroglia in the human brain,
in patients with major depressive disorder and age- and gendermatched control subjects. Furthermore, we conducted a systematic,
quantitative meta-analysis of all published studies on S100B involv­
ing 193 patients suffering from mood disorders and 132 healthy
control subjects by calculating effect sizes.
Discussion / Results: S100B was elevated at admission and dis­
charge in the patients with major depression compared with control subjects, whereas there were no significant differences for neuron-specific enolase. During treatment S100B decreased slightly,
although this effect was not significant. It had no significant impact
on neuron-specific enolase. The meta-analysis revealed that serum
levels of S100B are consistently elevated in mood disorders during
acute major depressive or manic episodes. Additionally, it demonstrated that serum S100B decreases during antidepressive treatment
reliably if clinical improvement is sufficient. In conclusion, S100B
may represent a biomarker for mood disorders, particularly major
depression, and their treatment. Together with unaltered levels of
neuron-specific enolase, our results support in vivo the histopathologically generated hypothesis of disease-specific glial pathology in
mood disorders. References Schroeter et al. (2009) Psychiatry Res
167:66-72. Schroeter & Steiner (2009) Mol Psychiatry 14:235-7.
002
Glial Pathology in Mood Disorders – Cell Culture Models and Post
Mortem Studies
Johann Steiner (Universitätsklinikum Magdeburg, Psychiatrie und
Psychotherapie)
H.-G. Bernstein, G. Keilhoff, B. Bogerts
Introduction: As recently reviewed (Rajkowska G & MiguelHidalgo JJ; 2007), a decreased density of GFAP+ astrocytes has
been ob­served in the prefrontal cortex and hippocampus of younger
(≤ 45 years old) depressed subjects. Moreover, a diminished expression of other astrocyte-related proteins (glial glutamate transporter / glutamine synthetase) and a reduced density of oligodendro­
cytes were observed. These findings may be related to an altered
expression of S100B by glial cells, since elevated levels of this protein have been observed in previous serum studies (meta-analysis:
Schroeter ML & Steiner J; 2009).
Method: The density of S100B-immunopositive astrocytes and
oligodendrocytes was assessed in the hippocampus of 17 depressed
patients and 16 matched healthy controls from the Magdeburg
brain collection. In addition, synthesis and release of S100B were
analyzed in C6 and OLN-93 cell cultures with particular focus on
the influence of glucose supply.
Discussion / Results: The density of S100B-positive astrocytes was
reduced in the hippocampus of depressed patients. Synthesis and
release of S100B was increased by deficient energy supply of glial
cells (Steiner J et al.; 2008). This finding is discussed in the context
125
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
of alterations in glutamatergic neurotransmission and disturbances
in cerebral glucose utilization in affective disorders (tripartite synapse, energy-dependent glutamate recycling, involvement of
S100B+ astrocytes).
003
Glial Pathology in Mood Disorders – Pathomechanisms
Matthias Rothermundt (Universitätsklinikum Münster, Psychiatrie
und Psychotherapie)
Introduction: In major depression a reduction of glial cells and a
change in the activation status of astrocytes has been shown recently. This presentation focuses on the potential impact of these
alterations for the pathogenesis of depressive disorders.
Method: Various pathomechanisms relevant for the development
of major depression are assessed with respect to the involvement of
glial cells.
Discussion / Results: Increased levels of inflammatory mediators
as demonstrated in major depression induce microglial activation
interfering with excitatory amino acid metabolism. The loss of as­
troglia disturbs the balance of anti- and pro-inflammatory sub­
stances and further impairs the removal of excitatory amino acids.
This ultimately leads to a disruption of the balance between neuroprotective and neurotoxic factors what might eventually lead to depression. In addition, a change in astrocyte function also interferes
with the kynurenine pathway resulting in an excess of quinolinic
acid which is considered neurotoxic. Furthermore, the kynurenine
pathway is closely linked to serotonin which is regarded as a pertinent transmitter for depression, and to the inflammatory system.
There is increasing evidence that glial dysfunction might be involved in the pathogenesis of depression.
004
Glial Pathology in Mood Disorders – fMRI and MR Spectroscopy In
vivo.
Martin Walter (Otto-von-Guericke-Universtität, Klinik für Psychia­
trie, Magdeburg)
Introduction: Recent imaging studies in major depressive disorder
have pointed out regionally specific disturbances in brain function,
with spatial and functional specificity that exceedes most histological post mortem studies, which normally focus on parts of brain
specimen. The latter methods however provide a more direct insight in impaired cellular and molecular systems, that normally remains invisible to non invasive MR methods.
Method: Multimodal MR studies using task based functional and
resting state MRI and molecular profiling as done with MR spec­
troscopy is proposed to link observables from both approaches and
combine evidences from histological and MR studies.
Discussion / Results: It will be shown how combined MRS-fMRI
studies are usefull in providing a new integrative framework for
molecular hypothesis testing and how specific transmitter systems
may be involved in commonly observed deviant (brain) functions
in MDD.
005
Glial Pathology in Schizophrenia – Degenerative or Adaptive Processes?
Peter Falkai (Universitätsklinikum Göttingen, Psychiatrie und Psychotherapie)
Patients with schizophrenia reveal in vivo and post mortem studies
typical pattern of subcortical atrophy with a focus in frontal-temporal regions including the hippocampus. In a systematic stereological investigation of the posterior hippocampus no change in the
numbers of macroneurons, interneurons and astroglia were found.
However, the circumscribed reduction of oligodendroglia in the
CA4-region was detected. This is in accordance with the published
126
literature demonstrating, that schizophrenia is not a classical neurodegenerative process showing an increase of astroglia. There is
however some evidence for a subtle increase in microglia which is
however unspecific and can be due to several adverse events. A circumscribed reduction of oligodendroglia would well fit to the hypothesis of reduced neuroregenerative capacities in schizophrenia
leading to a functional neuronal network. Reference: Schmitt A,
Steyskal C, Bernstein HG, Schneider-Axmann T, Parlapani E, Schaeffer EL, Gattaz WF, Bogerts B, Schmitz C, Falkai P (2009). Stereologic investigation of the posterior part of the hippocampus in schizophrenia. Acta Neuropathol 117(4): 395-407
Freitag, 27. 11. 2009, 15.30 – 17.00 Uhr, Saal VIP 2
S-116 Symposium
Bedeutung von Früherkennung und Frühintervention für den
Krankheitsverlauf Bipolarer Störungen (Symposium mit der
Deutschen Gesellschaft für Bipolare Störungen e. V.)
Vorsitz: M. Bauer (Dresden), G. Juckel (Bochum)
001
5 Jahre Psychosen Ersterkennungs- und Behandlungsprojekt (PEB):
Was haben wir gelernt?
Martin Lambert (UKE Hamburg-Eppendorf, AB Psychosen)
002
Symptomatische Phasen in der Entwicklung bipolarer Störungen
– Gibt es mehr als ein Prodrom?
Andrea Pfennig (Uniklinikum Dresden, Klinik für Psychiatrie)
003
Hirnmorphologische Veränderungen vor manischen Ersterkrankungen
Andreas Bechdolf (Uniklinik Köln, Klinik für Psychiatrie)
S. Wood, C. Pantelis, P. D. McGorry
Introduction: There is now numerous reports of neuroanatomical
abnormalities in people with bipolar disorder. However, it remains
unclear whether those abnormalities predate the onset of bipolar
disorder.
Objective: To determine whether neuroanatomical abnormalities
in key brain regions predate the onset bipolar disorder. Design:
Cross-sectional magnetic resonance imaging study prior to the
onset of bipolar disorder and prior to the prescription of mood stabilizers or antipsychotics.
Methods: Youth-focussed psychiatric service and university me­
dical setting. Participants: 11 young people clinically at ultra highrisk of development of psychosis (UHR), who all developed bi­polar I or II disorder at follow-up (median time to onset 328 days
– UHR-BP), 11 matched UHR participants, who had no psychiatric
diagnosis after at least 12 months follow-up (UHR-Well) and
11 matched healthy controls (HC).
Discussion / Results: Amygdala, hippocampus, insula, lateral ventricular and whole brain volumes. Results: Amygdala and insula
volume reductions were more pronounced in the UHR-BP than in
the UHR-well and HC group. Lateral ventricle, whole-brain and
hippocampal volumes did not differ between groups. Conclusions:
If these findings are confirmed, they suggest that imaging investi­
gations could help to distinguish people who will subsequently
de­velop fisrt episode mania from those who will not, at least in
symptomatically en­riched samples.
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
004
Differentialdiagnose bipolarer Störungen bei Kindern und Jugendlichen: Was sagt uns die Forschung für die Praxis?
Martin Holtmann (ZI Mannheim, Klinik für Psychiatrie)
Einleitung: Obwohl erste Kranheitszeichen sich bei einem Großteil
der Patienten bereits zwischen dem 15. und 19 Lebensjahr manifestieren, werden bipolare Störungen häufig erst viel später als solche
richtig diagnostiziert. Für den Kinder- und Jugendpsychiater stellt
die differenzialdiagnostische Abgrenzung daher eine besondere
Herausforderung dar.
Methode: Der Vortrag gibt auf der Grundlage der verfügbaren Forschungsbefunde einen Überblick über aktuelle Entwicklungen in
der Differentialdiagnose bipolarer Störungen bei Kindern und
Jugendlichen. Dargestellt werden Daten zu möglichen Vorläufer-­
Erkrankungen, Überlappungen mit / Unterschieden zu anderen
Störungen, Genetik, Komorbidität und Langzeitverlauf.
Diskussion / Ergebnisse: In Deutschland werden bipolare Störungen vor der Adoleszenz praktisch kaum diagnostiziert, während die
Zahlen bipolarer Minderjähriger in den USA rasant steigen. Umstritten ist, ob Irritabilität, schwere Dysregulation von Affekt und
Verhalten („severe mood dysregulation“) und zyklothymes Temperament im Kindes- und Jugendalter ein erhöhtes Risiko für den
Übergang in eine bipolare Störung und damit geeignete Indikatoren in der Früherkennung darstellen. Eine Schlüsselrolle kommt
dem Erkennen hypomaner Symptome als mögliche Vorläufer bipolarer Störungen zu, die bei Jugendlichen mit depressiver Erkrankung aber auch bei externalisierenden Störungen viel zu oft unerkannt bleiben. Eigene Ergebnisse unterstreichen zudem den engen
Zusammenhang von Substanzmissbrauch mit hypomanen Phasen
bei Adoleszenten. Populationsbasierte genetische Studien zeigen
eine Überlappung genetischer Determinanten von bipolaren Störungen, ADHS und Schizophrenie. Frühsymptome bipolarer Störungen und ihre Gemeinsamkeiten und Besonderheiten im Vergleich mit schizophrenen Prodromi bedürfen daher verstärkter
Beachtung. Bei der Diagnostik bipolarer Störungen bei Jugendlichen und Kindern sollte weiterhin vorrangig auf das Auftreten von
abgrenzbaren Episoden mit eindeutigen Stimmungsänderungen
und begleitenden Veränderungen von Kognition und Verhalten geachtet werden, die am ehesten eine Unterscheidung von ADHS,
depressiven Episoden und schizophrenen Störungen erlauben.
Freitag, 27. 11. 2009, 17.15 – 18.45 Uhr, Saal 9
S-126 Symposium
Clinical and neurobiological indicators of psycho- and pharmacotherapeutic interventions in depression
Vorsitz: R. Schlösser (Jena), U. Stangier (Frankfurt am Main)
001
Mindfulness-Based Cognitive Therapy (MBCT) for relapse prevention of depression: Results from a therapy evaluation study
Martin Hautzinger (Universität Tübingen, Klinische Psychologie)
002
Differential effects of serotonergic and noradrenergic antidepressants on affective and cognitive control processes in patients with
depression: an fMRI study
Gerd Wagner (Universitätsklinikum Jena, Klinik für Psychiatrie)
K. Koch, C. Schachtzabel, H. Sauer, R. Schlösser
Introduction: Precise specification of neural mechanisms of antidepressant medication in treatment of Major Depressive Disorder
(MDD) and searching for neurobiological markers for treatment
outcome are both relevant for better understanding and improvement of treatment algorithms. Using fMRI differential effects of
serotonergic and noradrenergic antidepressants on brain activation
were investigated during a cognitive control task. Functional brain
parameters were obtained to predict treatment response particularly with regard to the pretreatment hyperactivity in the rostral anterior cingulate cortex (rACC).
Method: Twenty patients underwent a naturalistic open-label clinical treatment with either the serotonergic antidepressant citalo­
pram (n=12) or the noradrenergic antidepressant rebox-etine
(n=8). FMRI was performed at baseline and after 6 weeks of the
clinical treatment course.
Discussion / Results: There were no significant differences in clinical characteristics, treatment outcome and in baseline fMRI activation between both medication groups. GROUP by TIME interaction revealed significant voxels in the right amygdala-hippocampus
complex indicating a strong BOLD signal decrease in the citalopram group after treatment. No significant relationship was detected
between pretreatment rACC hyperactivity and relative symptom
improvements. These results strongly indicate that serotonergic
and noradrenergic antidepressants have a differential effect on
brain activity, especially on amygdala-hippocampus activity.
003
Cognitive Behavioral Maintenance Therapy (CBMT) vs. Manualized Psychoeducation (MAPE) for relapse prevention of depression: A multi-center study
Ulrich Stangier (Wolfgang v. Goethe Universität, Klinische Psychologie und Psychotherapie, Frankfurt am Main)
M. Hautzinger, A. Barocka, R. Schlösser, T. Heidenreich, C. Ruckes,
R. Serfling, T. Sobanski, R. Erkwoh, H. Berger, J. Röschke, K. Maurer,
A. Stirn, S. Volk, M. Hambrecht, A. K. Risch, C. Hilling
Introduction: The efficacy of different pharmacological maintenance therapies in reducing recurrences has been widely documented. However, in clinical practice, long-term pharmacotherapy
might be associated with prolonged side effects and discontinua­
tion of medication which undermine its effectiveness. Whereas
pharmacological treatments aim at reducing depressive symptoms
on a biological level, cognitive behavior therapy aims at changing
psychosocial vulnerabilities that trigger recurrence of depressive
episodes, such as dysfunctional cognitive styles and ruminating.
Although the benefit of cognitive behavior therapy appears plau­
sible, only few studies have investigated its efficacy in recurrent depression until now.
Method: The major goal of the multi-centre, controlled, randomised trial is to compare the long-term outcome of cognitive-behavioural maintenance therapy (CBMT) plus pharmacological continuation/maintenance treatment (treatment as usual, TAU) versus
manualized psychoeducation (MAPE) plus TAU for out-patients
with recurrent depression. Patients meeting the diagnosis of recurrent depressive disorder (³ 3 major depressive episodes, MDE), currently in remission and exclusion criteria were randomly assigned
to one of the two conditions (CBMT plus TAU or MAPE plus TAU).
186 patients have been recruited from 14 outpatient clinics of psychiatric hospitals and psychological departments in the RhineMain region and Thuringia. The primary outcome measure is time
to first relapse/recurrence, assessed by the LIFE / SCID (Longitudinal Interval Follow-up Evaluation). This will by analyzed using a
Cox proportional hazards regression model using intervention
group and severity of index MDE as predictors.
Discussion / Results: Data are currently analysed and will be presented on the congress.
127
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
004
Gene-environment interactions and their effects on the central
nervous system in depression
Eva Meisenzahl (Universität München, Psychiatrie und Psychotherapie)
Samstag, 28. 11. 2009, 08.30 – 10.00 Uhr, Saal Stockholm 1
S-149 Symposium
Chronotherapeutische Behandlungen der Depression
Vorsitz: A. Wirz-Justice (Basel, Schweiz), D. Riemann (Freiburg)
001
Wie wirksam sind unsere Antidepressiva wirklich?
Ion-George Anghelescu (Charité Berlin, CBF, Klinik für Psychiatrie)
Die Wirksamkeit von Antidepressiva wird im wissenschaftlichen
Kontext als Verum-Plazebo-Differenz in randomisierten, plazebokontrollierten, prospektiven Studien gemessen, d.h. anhand des
prozentualen Anteiles der Patienten, die unter Antidepressiva ansprechen minus dem prozentualen Anteil der Patienten, die unter
Plazebo ansprechen. Das Ansprechen (Response) ist als mindestens
50 %ige Reduktion eines Summenwertes (nicht einzelner Symptome) in einer Schweregradskala definiert. Außerdem kann die Wirksamkeit anhand der Rate an vollständiger Besserung (Remission)
festgestellt werden. Da die Plazebo-Response-Rate in den letzten
50 Jahren ca. 7 % pro Jahrzehnt im Durchschnitt zugenommen hat,
nimmt die Anzahl der Negativstudien unter Antidepressiva zu, die
jedoch nicht alle publiziert werden. Außerdem spielt der Schweregrad der Depression eine Rolle für die Wirksamkeit von medikamentösen antidepressiven Behandlungsstrategien, die bei leichten
Depressionen geringer erscheint, was insbesondere an der guten
Plazebo-Wirkung bei diesen Patienten liegt, die in manchen
Stu­dien bei 50 % der mit Plazebo behandelten Patienten zu finden
ist. Wirksamkeit in der Behandlungspraxis schließt jedoch die
Plazebo-Response mit ein. Dennoch erreichen im Durchschnitt
nur ca. 30 % der Patienten unter dem ersten eingesetzten Anti­
depressivum eine Remission. Ob spezifische Wirkmechanismen
der Antidepressiva, die z. B. chronobiologische Zielparameter beeinflussen, bei bestimmten Patientenmerkmalen und depressiven
Symptomen gegenüber anderen vorteilhaft sind, kann gegenwärtig
nicht eindeutig beantwortet werden.
002
Die heutigen Anwendungen der Lichttherapie: Wie, bei wem, wie
viel und wielange?
Jürgen Staedt (Vivantes Klinikum, Tagesklinik für Psychiatrie Memory Clinic, Berlin)
Einleitung: Störungen des Schlaf / Wach-Rhythmus und der circadianen Synchronisation sind uns aus der klinischen Arbeit mit depressiven Patienten vertraut. In diesem Zusammenhang wissen wir
seit vielen Jahren, dass wir mit chronotherapeutischen Maßnahmen, nämlich der Lichttherapie sehr erfolgreich saisonale Depressionen behandeln können. Auch bei nicht-saisonalen Depressionen
zeigt sich durch das add-on von Lichttherapie ein Benefit in der
Therapie. Zusätzlich stellt sich die Frage, ob im Klinikalltag durch
verbesserte Beleuchtungbedingungen auf Station die Gesundung
von depressiven Patienten gefördert werden kann.
Methode: Zielsetzung war die Überprüfung der Frage, ob es nach
dem Umzug der Spandauer Psychiatrischen Klinik durch die
Ausstattung der neuen Räumlichkeiten mit circadian besonders
wirksamen Osram LUMILUX Skywhite® Leuchtmitteln, zu einer
128
Verkürzung der Liegedauer kommt. Wir entschlossen uns, alle
Patienten mit einer schweren nicht rezidivierenden depressiven
Episode ohne psychotische Symptome (ICD 10, F 32.2) in die retrospektive Analyse einzubeziehen. Patienten, die sich weniger als fünf
Tage in stationärer Behandlung befanden wurden von der Analyse
ausgeschlossen. Es wurden insgesamt die Daten von 391 Patienten
untersucht, hiervon entfielen 137 auf den Zeitraum von April bis
Dezember 2006 und 254 Patienten auf den Zeitraum von April bis
Dezember 2007.
Diskussion / Ergebnisse: Wir fanden bei unseren depressiven Pa­
tienten unter den neuen Beleuchtungsbedingungen eine signifikante Verkürzung der Verweildauer. Allerdings war diese Verkürzung
der Verweildauer unter Berücksichtigung des Alterseffektes nicht
mehr signifikant (p = 0,083), und kann nur im Sinne eines Trends
interpretiert werden. Zusammenfassend deuten diese aus dem klinischen Alltag gewonnenen Daten zumindest trendmäßig an, dass
die Erhöhung der Umgebungslichtintensität sich positiv auf die stationäre Verweildauer auswirken können. Diese Ergebnisse zeigen,
dass es sinnvoll ist, lichttherapeutische Interventionen auch in die
Behandlungskonzepte der nicht-saisonalen Depression zu integrieren. Wichtig für die Wirksamkeit der morgendlichen Lichttherapie
ist aber, das innere circadiane Timing der Betreffenden zu berücksichtigen. Denn bei Frühaufstehern und Morgenmuffeln gibt es ein
jeweils unterschiedliches zeitliches Fenster in der die Lichttherapie
besonders wirksam ist.
003
Schlafentzug (‚Wachtherapie’), Schlafphasen-vorverschiebung:
wie, bei wem, wie oft
Dieter Riemann (Universitätsklinikum Freiburg, Psychiatrie und Psychotherapie)
Einleitung: Die therapeutische Behandlung mit Schlafentzug wurde vor mehr als 40 Jahren erstmalig von den deutschen Psychiatern
Schulte und Tölle beschrieben. Inzwischen konnte weltweit an Tausenden von Patienten belegt werden, dass insbesondere melancholische Patienten mit Morgentief gut von dieser Form von Behandlung profitieren. Kritisch anzumerken bleibt, dass die Effekte des
Schlafentzugs in der Regel nur während und am Tag nach Schlafentzug nachzuweisen sind und dass beim Gros der Patienten nach
der nächsten durchschlafenenen Nacht ein Rückfall in die Depression erfolgt. Insofern eignet sich dieses Behandlungsverfahren nur
als Adjuvans zu den Standardbehandlungen depressiver Erkrankun­
gen. Das schnelle Eintreten der Stimmungsaufhellung und letztendlich der paradoxe Charakter dieses Verfahrens machen es jedoch so interessant.
Methode: Wir analysierten die relevante Literatur im Hinblick auf
verschiedene Formen des therapeutischen Schlafentzugs und in
Kombination mit der sogenannten Schlafphasenverschiebung.
Hierbei wird nach Schlafentzug in der Regel der Schlafrhythmus
„nach vorne“, d. h. in die Nachmittagsstunden verlegt und dann
graduell wieder in die übliche nächtliche Phasenposition zurückverlegt.
Diskussion / Ergebnisse: Etwa zwei Drittel aller Patienten mit
Major Depression zeigen eine kurzfristige Stimmungsaufhellung
nach totalem Schlafentzug, die bei mehr als 80 % der Patienten
nach der nächsten durchschlafenen Nacht rückläufig ist. Der partielle Schlafentzug der 2. Nachthälfte liefert fast gleichwertige Ergebnisse, während Schlafentzug in der 1. Nachthälfte wenig wirksam
ist. Die Kombination von totalem Schlafentzug mit einer Schlafphasenvorverlagerung kann die positiven Schlafentzugseffekte bei
etwa 60 % der Responder über eine Woche stabilisieren. Dies gelang auch mit einer kurzfristigen Vorverlagerung der Schlafphase
über nur drei Tage. Die theoretischen und therapeutischen Implikationen dieser Befunde für die Depressionsbehandlung werden
diskutiert.
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
004
Chronotherapien in Kombination – als Adjuvans oder allein – eine
Antidepressivawirkung innerhalb einer Woche
Anna Wirz-Justice (UPK Basel, Zentrum für Chronobiologie)
Schlafentzug als Antidepressivum ist vor fast 40 Jahren in Deutschland entdeckt worden, wird aber immer noch nicht als Standardtherapie überall in der Praxis integriert. Warum nicht? Vielleicht
weil – obwohl 60 % von Patienten auf Wachtherapie innerhalb
Stunden reagieren – sie oft ein Rückfall nach Erholungsschlaf erleiden. Neue Studien dokumentieren, dass verschiedene Adjuvantien
– SSRI, Lichttherapie, Schlafphasenvorverschiebung (frühe Bettund Wachzeit) diese Rückfall nach Erholungsschlaf vorbeugen
können. Lichttherapie ist als Therapie der Wahl für die Winter­
depression (SAD) anerkannt. Licht wirkt aber auch antidepressiv
bei nicht-saisonale Depressionen (uni- und bipolare), meist als
­Adjuvanz aber auch als Monotherapie. Wir schlagen vor, alle
Kom­binationen von ein- bis mehrfacher Wachtherapie, 3-Tage
Schlafphasenvorverschiebung, sowie optimal getimter Lichttherapie innerhalb eine Woche zu verabreichen1. So angewandt erfüllen
chronotherapeutische Behandlungen mit Licht und Wachtherapie
die Bedürfnisse nach schnell wirksamen und nebenwirkungsarmen
Depressionsbehandlungsstrategien. Insbesondere für Patienten, die
Antidepressivabehandlungen ablehnen oder nicht vertragen, stellen Chronotherapien eine echte Alternative dar. Nebenwirkungen
sind kaum zu erwarten, die Behandlung ist Kosteneffektiv, und
kann die Hospitalisationsdauer verkürzen. Es ist sinnvoll diese
Methoden im psychiatrischen Alltag zu integrieren.
Samstag, 28. 11. 2009, 08.30 – 10.00 Uhr, Saal Madrid
WSy-013 Weiterbildungssymposium
Therapie der postpartalen Depression (Referat Gender)
Vorsitz: A. Kersting (Münster), I. Hauth (Berlin)
001
Psychotherapie der Postpartalen Depression
Anette Kersting (Universitätsklinikum Münster)
Einleitung: Die postpartale Depression gehört zu den häufigsten
psychischen Störungen bei jungen Müttern. Epidemiologische
Studien aus dem angloamerikanischen Sprachraum zeigen, dass ca.
10 % der schwangeren Frauen an einer postpartalen Depression erkranken. Postpartale Depressionen gehen häufig mit Mutter-KindBindungsstörungen einher, die, ebenso wie die typische depressive
Symptomatik, über eine beeinträchtigte Mutter-Kind-Interaktion
die körperliche und die psychische Entwicklung des Kindes beeinträchtigen können. Zur Behandlung der postpartalen Depression
wurden spezifische Psychotherapiekonzepte entwickelt, deren Wirk­
samkeit empirisch nachgewiesen wurde.
Methode: Vor dem Hintergrund einer ausführlichen Literatur­
suche werden psychotherapeutische Behandlungskonzepte zur
postpartalen Depression unter Berücksichtigung der Behandlung
der Mutter-Kind-Interaktion und der empirisch nachgewiesenen
Wirksamkeit dargestellt und kritisch diskutiert.
Diskussion / Ergebnisse: Spezifische, zur Behandlung der postpartalen Depression entwickelte Psychotherapiekonzepte basieren auf
Methoden der psychodynamischen Psychotherapie, der interpersonellen Psychotherapie oder der kognitiven Verhaltenstherapie
und fokussieren in der Regel die Behandlung der Mutter. Die Therapiebausteine spezifischer Psychotherapien zur Behandlung postpartaler Störungen betreffen darüber hinaus neben psychoeduka­
tiven Behandlungselementen Methoden des Stressmanagements
sowie die Unterstützung der mütterlichen Kompetenzen, die Bearbeitung des Rollenwechsels und den Übergang zur Mutterschaft,
der mit der Reaktualisierung unbewusster nicht bewältigter Konflikte einher-gehen kann. Einige Therapiekonzepte kombinieren
die gängigen Psychotherapieverfahren mit einer videogestützten
Mutter-Kind-Therapie, in der die spezifische Situation der MutterKind-Interaktion bearbeitet werden kann. Bisher wurde eine empirische Wirksamkeit nur für wenige dieser Psychotherapiekonzepte
nachgewiesen.
002
Psychopharmaka in der Schwangerschaft und Postpartalzeit
Niels Bergemann (AHG Kliniken Daun)
Viele junge Mütter leiden nach der Geburt eines Kindes unter psychischen Beschwerden. Während fast die Hälfte aller Mütter in den
ersten Tagen nach der Geburt an einer kurzdauernden depressiven
Verstimmung, dem sogenannten postpartalen Blues, leiden, ent­
wickelt etwa 10 bis15 % der Mütter innerhalb der ersten 6 Monate
nach der Geburt eines Kindes eine länger anhaltende Depression.
Allerdings kommt es nicht erst postpartal, sondern häufig bereits in
der Schwangerschaft zu depressiven Störungen. Die Erkrankungsrate in der Schwangerschaft liegt bei etwa 12 bis 13 %. Dies macht
nicht selten eine medikamentöse Behandlung mit Antidepressiva
in der Schwangerschaft erforderlich. Nach einer Einführung in die
Krankheitsbilder der peripartalen depressiven Störungen wird ihre
psychopharmakologische Behandlung dargestellt. Es zeigt sich,
dass zahlreiche Antidepressiva auch in der Schwangerschaft mit einem relativ geringen Risiko eingesetzt werden könnten. Allerdings
ist die Verordnung von Antidepressiva in der Schwangerschaft
immer eine individuelle Risiko-Nutzen-Abwägung zwischen der
möglichen Gefährdung des Kindes durch Reproduktions- oder
fetotoxische Medikamenteneigenschaften und der Gefährdung von
Mutter und Kind durch Nichtbehandlung einer depressiven Erkrankung, die auch mit Suizidalität und Mangelernährung einhergehen kann. Bei einer depressiven Störung in der Schwangerschaft
oder einer bestehenden Rezidivprophylaxe bzw. einer vorangegangenen postpartaler Depressionen ist aufgrund eines hohen Rückfallrisikos die Fortsetzung der antidepressiven Behandlung postpartal indiziert. Hier stellt sich nicht selten die Frage, ob unter einer
psychopharmakologischen Behandlung gleichzeitig gestillt werden
kann. Auch hier gilt eine vorsichtige Risiko-Nutzen-Abwägung –
jedoch mit dem Unterschied, dass in der Schwangerschaft die werdende Mutter mit dem ungeborenen Kind unzertrennbar verbunden ist, in der Stillzeit hingegen können Mutter und Neugeborenes
durch Abstillen ernährungsphysiologisch getrennt werden. Zwar
gibt es mit einer Reihe von Antidepressiva langjährige praktische
Erfahrungen in der Stillzeit, allerdings ist die Anzahl der dokumentierten Fälle für unterschiedliche Antidepressiva noch immer gering. Es werden in diesem Beitrag die physiologischen Grundlagen
erläutert und eine rationale antidepressive Psychopharmakotherapie in Schwangerschaft und Stillzeit umrissen.
003
Die Rolle der männlichen Partner bei peripartalen psychiatrischen
Störungen
Michael Grube (Städt. Kliniken Frankfurt, Psychiatrie und Psychotherapie)
Einleitung: Es existieren einerseits Hinweise auf die erhöhte Belastung und Verunsicherung männlicher Partner von peripartal psychisch dekompensierten Frauen, andererseits sind die männlichen
Partner auch wichtige Bezugspersonen, die zur Stabilität peripartal
erkrankter Frauen beitragen können. Die Frage, worin und wie
männliche Partner von Frauen, die vor kurzem entbunden haben,
selbst zu unterstützen sind, wenn sich eine peripartale Erkrankung
der Partnerin einstellt, ist bislang wenig bearbeitet worden.
129
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
Methode: Konkrete Behandlungssituationen und die praktischen
therapeutischen Erfordernisse werden aus einer klinischen Perspektive fokussiert dargestellt. Die meisten Beobachtungen entstammen stationären Mutter-Kind Behandlungen. Es kommen sowohl
nomothetische als auch ideographische Betrachtungen zur Geltung.
Diskussion / Ergebnisse: Schwerpunktmäßig soll auf folgende
Fragen eingegangen werden: Welche Faktoren verunsichern die betroffenen Männer in ihrer Vater- und Partnerrolle? Gibt es bei den
betroffenen Männern eigene psychiatrische Vulnerabilitäten? Wo
wirken sich potentielle kommunikative Defizite auf die Interaktion
zwischen den Männern und deren Frauen respektive Kindern aus?
Wie sollten Therapeuten mit den betroffenen Männern umgehen?
Welche therapeutischen Angebote sind sinnvoll?
Freitag, 27. 11. 2009, 10.30 – 12.00 Uhr, Raum 44
FW-009 Forschungsworkshop
Neue Behandlungsansätze in der Depressionstherapie
Vorsitz: C. Otte (Hamburg), M. Deuschle (Mannheim)
001
Meta-kognitives Training bei depressiven Patienten
Lena Jelinek (Universitätsklinikum Hamburg, Psychiatrie)
M. Hauschildt, C. Otte, S. Moritz
Einleitung: Eine Reihe dysfunktionaler Denkverzerrungen und
-strategien gelten bei Depressionen als gesichert. Diese beziehen
sich zum einen auf die in der kognitiven Verhaltenstherapie konzeptionalisierten Denkfehler, aber auch auf Verzerrungen die im
Rahmen neuropsychologischer Grundlagenforschung untersucht
werden (z. B. erhöhte Fehlerinnerungen speziell für negatives Material).
Methode: Das Metakognitive Training bei Depression (D-MKT)
versteht sich als eine Variante der kognitiven Therapie. Im Fokus
steht dabei die Modifikation der dysfunktionalen Denkmuster aus
einer metakognitiven Perspektive. Das Training soll den Patienten
ermöglichen, die Denkmuster zu erkennen und zu korrigieren. Zu
diesem Zweck wird versucht, den Teilnehmern Informationen über
die depressiogenen Denkmuster spielerisch zu vermitteln und an
einer Reihe von Beispielen zu veranschaulichen und so praktisch
erfahrbar zu machen. Darüber hinaus stehen dysfunktionale Annahmen über typische depressive Strategien (z. B. „Grübeln hilft
mir Probleme zu lösen“, „in dem ich darüber nachdenke, tue ich ja
was“) sowie die dysfunktionale Strategien selbst (z. B. Grübeln) im
Fokus des Trainings.
Diskussion / Ergebnisse: Im Vortrag werden wir einen Überblick
über die acht Module des Trainings geben sowie erste Pilotdaten
und Erfahrungen mit einer ambulanten D-MKT Gruppe in Hamburg vorstellen.
002
Das Glutamatsystem in der Behandlung der Depression
Michael Deuschle (ZI für Seelische Gesundheit, Mannheim)
G. Paslakis
Einleitung: Intravenös verabreichtes Ketamin in subanästhetischer
Dosis hat einen raschen und anhaltenden antidepressiven Effekt.
Wir untersuchten in einer kleinen Fallserie die Sicherheit, Wirkung
und Wirklatenz von oral verabreichtem S-Ketamin als add-on zu
Venlafaxin.
Methode: Vier Patienten erhielten für 2 Wochen zusätzlich zu einer
Behandlung mit Venlafaxin 1.25 mg / kg S-Ketamin oral als add-on
130
Therapie. Die Tagesdosis wurde auf drei Einzeldosen verteilt.
Diskussion / Ergebnisse: S-Ketamin wurde gut vertragen. Zwei Patienten mit Depression mit somatischem Syndrom sprachen rasch
und anhaltend auf die Behandlung an, während zwei Patienten
nicht ansprachen.
003
Antidepressive Interventionsstrategien innerhalb der HPA-Achse:
Übersicht und neue Ergebnisse
Christian Otte (Universitätsklinikum Hamburg, Psychiatrie)
K. Hinkelmann, S. Moritz, A. Yassouridis, K. Wiedemann, M. Kellner
Einleitung: Bisherige antidepressive Interventionen innerhalb der
Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse beinhalteten den Einsatz von 1) Glucocorticoid-Rezeptor (GR) Antagonisten, 2) Corticotropin-Releasing Hormon (CRH)-Antagonisten
oder 3) Steroidsynthese-Inhibitoren. Darüber hinaus legten prä­
klinische und klinische Studien auch eine Rolle des Mineralocorticoid-Rezeptors (MR) in der Wirkung verschiedener Antidepressiva
nahe.
Methode: Wir untersuchten in einer doppel-blinden, randomisierten Placebo-kontrollierten „proof-of-concept“-Studie mit 64 depressiven Patienten, ob die zusätzliche Gabe von Fludrocortison
(MR-Agonist) oder Spironolacton (MR-Antagonist) während der
ersten drei Wochen der Behandlung den Wirkungseintritt eines
Selektiven-Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmers (Escitalopram)
beschleunigt.
Diskussion / Ergebnisse: Mehr Patienten, die zusätzlich mit Flu­
drocortison behandelt wurden, respondierten nach 7 Tagen ver­
glichen mit der Spironolacton- und Placebo-Gruppe. Innerhalb der
Gruppe der Responder zeigte eine Survival-Analyse ebenfalls einen
schnelleren Wirkungseintritt in der Fludrocortison-Gruppe. Plasma Cortisolwerte sanken unter Fludrocortison, stiegen jedoch
unter Spironolacton. In der Fludrocortison-Gruppe zeigten Non-­
Responder durchgehend höhere Cortisolkonzentrationen als Re­
sponder. Stimulierung von Mineralocorticoidrezeptoren durch
Flu­drocortison scheint den Wirkungseintritt von Escitalopram zu
beschleunigen.
004
Tiefe Hirnstimulation bei depressiven Patienten
Alexander Sartorius (ZI Seelische Gesundheit, Mannheim)
Einleitung: Trotz zahlreicher Fortschritte psychopharmokologischer Therapien schwerer depressiver Episoden bleiben die Ansprechraten mit 60 – 70 % letztendlich verbesserungswürdig. Ins­
besondere ist ein signifikanter Prozentsatz an schwer depressiven
Patienten zu berücksichtigen, die auf keine der bekannten Thera­
pien (inlusive einer Elektrokrampftherapie) eine stabile Response
(bzw. Remission) zeigen.
Methode: Bei diesen Patienten kann unter bestimmten Umständen
eine tiefe Hirnstimulation erwogen werden.
Diskussion / Ergebnisse: Die tiefe Hirnstimulation wird mittlerweile beim bestimmten Formen des Morbus Parkinson als Therapie
der Wahl eingesetzt, da sich Subsyndrome oft dramatisch verbessern lassen und die mit der Operation verbundene Morbidität
(0.5 – 5 %) ein vertretbares Nutzen-Risiko-Profil darstellt. Unter
dieser Voraussetzung wurden bereits kleinere Studien an therapieresistenten, schwer depressiven Patienten durchgeführt. Die beiden
wichtigsten Stimulationsorte waren hierbei das subgenuale Cingulum und der Bereich zwischen ventraler Kapsel und dem ventralen
Striatum. Die beiden Stimulationsorte leiten sich aus den Ergebnissen umfangreicher funktioneller Bildgebungsstudien her. Bisher
wurden für das Cingulum eine Responserate von 12/20 Patienten
und eine Remissionrate von 7/20 Patienten nach 6 Monaten Stimulation berichtet. Für den Bereich ventrale Kapsel / ventrales Striatum lagen die entsprechenden Verbesserungs- / Heilungsraten bei
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
6/15, bzw. 3/15 Patienten ebenfalls nach einem halben Jahr. Einzelne Patienten sprachen jedoch deutlich schneller auf die Stimulation
an. Wie sich aus zahlreichen klinischen und präklinischen Studien
ableiten lässt, könnten auch andere Stimulationsorte wie die Region
der lateralen Habenula in künftigen Studien eine wichtige Rolle
spielen.
005
Off-label Einsatz von Psychopharmaka bei Depression
Ion-George Anghelescu (Charité Berlin, CBF, Klinik für Psychiatrie)
Der Off-label Einsatz von Psychopharmaka spielt gerade im Bereich depressiver Störungen eine große Rolle, da dies in der Praxis
häufig geschieht. Off-label Einsatz beinhaltet juristische, ökono­
mische, aufklärungsrelevante und wissenschaftliche Aspekte. Sich
außerhalb der offiziellen Indikation bei der Behandlung von Depressionen zu bewegen, bedeutet nicht automatisch, keine evidenzbasierte Therapie durchzuführen, jedoch sollte eine willkürliche
Polypragmasie vermieden werden. Off-label Verordnungen betreffen in erster Linie Kombinationsbehandlungen bei unzureichender
monotherapeutischer Wirkung als Augmentation, aber auch bei
spezifischen Subtypen depressiver Erkrankungen einschließlich
bestimmter, im Einzelfall prominenter Symptome. Hierbei kommen insbesondere Antipsychotika und Antiepileptika zum Einsatz,
aber auch Lithium und nicht-psychopharmakologische Arzneien
wie Schilddrüsen-Hormone. Die Wirkstärke der einzelnen Präparate innerhalb einer augmentativen Medikamentenklasse unterscheidet sich möglicherweise, was bislang jedoch nicht sicher belegt ist. Von Seiten der Nebenwirkungsprofile gibt es aber keinen
Zweifel an Unterschieden zwischen den verschiedenen, off-label
eingesetzten Medikamenten. Somit kann der Off-label Einsatz von
Psychopharmaka bei Depression, sofern er vorsichtig und kompetent durchgeführt wird, eine individuell zugeschnittene Therapie
erleichtern, um das Ziel einer Remission zu erreichen.
MCAo mit Citalopram behandelt. Die behaviorale Phänotypisierung erfolgte ab Woche 14 nach MCAo.
Diskussion / Ergebnisse: Nach linkkseitiger MCAo ließ sich re­
liabel ein ‚affektiver Phänotyp‘ nachweisen (‚despair-like‘ sowie
anhedonisches Verhalten). Durch die subakute Gabe des Anti­
depressivums konnte die Ausbildung dieser depressiven Verhaltensmerkmale verhindert werden (Behandlungs-‚validität‘ des
Modells). Die Citaloprambehandlung führte gleichzeitig zu einer
Verringerung des primären Läsionsareals. Über alle Versuchsgruppen fanden wir eine signifikante negative Korrelation zwischen den
Dopaminkonzentrationen im linken Striatum und der Latenz bis
zum Aufgeben im Porsolt Test. Gleichzeitig fand sich eine positive
Korrelation zwischen den linksstriatalen Dopaminspiegeln und der
Latenz bis zur Nahrungsaufnahme im sogenannten ‚Novelty-suppressed feeding‘ Paradigma. Die MCAo führte zu einer signifikanten Abnahme der Dopaminspiegel im ischämischen Striatum und
zum Verlust ipsilateraler Tyrosinhydroxylase + Neurone im Mittelhirn. Die subakute Behandlung mit Citalopram schwächte diese
Effekte ab. Zusammenfassend eignet sich das untersuchte Ischämie­
paradigma zur Durchführung experimenteller Untersuchungen
zur PSD. Die bisherigen Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung
des mesolimbischen dopaminergen Systems für die Entwicklung
affektiver Stigmata. Die subakute antidepressive Behandlung führte
nicht nur zu einer Besserung auf der Verhaltensebene, sondern
auch zu einem verringerten primären Läsionsvolumen und verringerter exofokaler Neurodegeneration im Mittelhirn.
002
Neuroimaging-Befunde zur Rolle der Amygdala bei affektiven
Störungen
Ludger Tebartz van Elst (Uniklinik Freiburg, Psychiatrie und Psychotherapie)
003
Mäuse mit Mutationen des Glucocorticoidrezeptors als Depres­
sionsmodelle
Freitag, 27. 11. 2009, 15.30 – 17.00 Uhr, Salon 21
FW-013 Forschungsworkshop
Hirnstruktur und zelluläre Plastizität als neurobiologische Perspektiven für affektive Störungen
Vorsitz: G. Kronenberg (Berlin), M. Colla (Berlin)
001
Mausmodell für ‚poststroke depression‘
Matthias Endres (Charité Universitätsmedizin, Klinik für Neurologie,
Berlin)
Einleitung: Die ‚poststroke‘ Depression (PSD) ist die häufigste
neuropsychiatrische Komplikation des Schlaganfalls. Sie besitzt
hohe Relevanz für Morbidität und Letalität nach einem ischämischen Hirninfarkt. Trotz ihrer großen klinischen Bedeutung steht
die wissenschaftliche Beschäftigung mit der PSD erst am Anfang,
nicht zuletzt, weil entsprechende Tiermodelle bislang nicht zur
Verfügung stehen. Vor diesem Hintergrund wurde hier unser etabliertes Mausmodell der milden cerebralen Ischämie hinsichtlich
des Auftretens von affektiven Auffälligkeiten sowie diesen zugrundeliegenden pathogenetischen Mechanismen evaluiert und Behandlungseffekte des selektiven Serotonin-wiederaufnahmehemmers Citalopram untersucht.
Methode: 129/SV Mäuse wurden einer 30 min Okklusion der Arteria cerebri media (MCAo) mit anschließender Reperfusion unterzogen. Eine Gruppe der Tiere wurde ab Tag 7 nach MCAo kontinuierlich bis Versuchsende zum Zeitpunkt 16 Wochen nach
Peter Gass (ZI Mannheim, AG Verhaltensbiologie)
Einleitung: Präklinische Tiermodelle für psychiatrische Störungen
zeigen eine wichtige Rolle von Glucocorticoidrezeptoren für emotionales Verhalten. Eine veränderte Signaltransduktion des Glucocorticoidrezeptors wird auch für die Pathogenese / Pathophysiologie der Depression diskutiert. Dies passt gut zu der Tatsache, dass
Glucocorticoidrezeptoren molekulare Mechanismen von physio­
logischen und pathophysiologischen Stressreaktionen steuern.
Methode: Vorgestellt werden Verhaltensdaten und molekulare /
neurochemische Veränderungen bei Mausstämmen, die den Glucocorticoidrezeptor unter- oder überexprimieren.
Diskussion / Ergebnisse: Mäuse mit gezielter Veränderung der Expression von Glucocorticoidrezeptoren zeigen charakteristische
Veränderungen des HPA-Systems, die Aufschluss über die komplexen Regulationsmechanismen dieses Regelkreises geben. Mäuse
mit einer Unterexpression des Glucocorticoidrezeptors zeigen ähnliche Veränderungen im DEX / CRH-Test wie schwer depressive
Patienten. Darüberhinaus zeigen Mäuse mit Unter- oder Überexpression von Glucocorticoidrezeptoren charakteristische Verhaltensveränderungen, die sie als Modelle für affektive Störungen
beim Menschen geeignet erscheinen lassen. Mäuse mit einer Unterexpression des Glucocorticoidrezeptors sind stressempfindlich
und haben eine Prädisposition für die Entwicklung einer „erlernten
Hilflosigkeit“, einem wichtigen Paradigma für depressive Veränderungen sowohl im Tier- wie im Humanbereich. Mäuse mit einer
Überexpression des Glucocorticoidrezeptors erweisen sich dagegen als stressresistent und haben einen Schutz gegenüber depressiogenen Umwelteinflüssen. Die vorgestellten Mausmodelle eignen
sich außerdem, um Glucocorticoidrezeptor-gesteuerte molekulare /
131
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
biochemische Prozesse zu studieren, die Korrelate für pathophysiologische Mechanismen depressiver Störungen darstellen konnten.
Als ein wichtiges Steuermolekül, das in Glucocorticoidrezeptormutanten Mäusen dysreguliert ist, konnten wir das Neurotrophin
BDNF identifizieren.
004
Hippokampale Glutamatspektroskopie bei bipolaren Patienten:
Zusammenhang mit diurnalem Cortisol und Lithiumtherapie
Michael Colla (Charité – CBF, Klinik für Psychiatrie, Berlin)
F. Schubert, G. Kronenberg
Einleitung: Nach mehr als 50 Jahren Verwendung in der klinischen
Psychiatrie stellen Lithiumsalze weiterhin eine besonders effektive
und verbreitete prophylaktische Behandlungsform der bipolaren
affektiven Störung dar. Lithium induziert im Gehirn die Expression
antiapoptotischer und neuroprotektiver Moleküle und fördert im
adulten Gyrus dentatus die Neubildung neuer Nervenzellen. Dagegen werden erhöhte Glucocorticoidspiegel mit Dendritenatrophie,
Exzitotoxizität und vermindertem Hippokampusvolumen in Verbindung gebracht. Störungen der Hypothalamus-Hypophysen-­
Nebennieren (HPA)-Achse sind bei Patienten mit bipolarer Störung gut belegt.
Methode: Hier wurden 21 stabil remittierte bipolare Patienten mit
langjähriger Lithiumbehandlung mit 19 sorgfältig gematchten Kon­
trollprobanden mittels 3T 1H-Magnetresonanzspektroskopie des
linken und rechten Hippokampus verglichen. Die Aktivität des
HPA-Systems wurde anhand von Speichelcortisolmessungen im
Tagesverlauf charakterisiert.
Diskussion / Ergebnisse: Die absoluten Konzentrationen von
N-Acetylaspartat (NAA), Cholin-enthaltenden Verbindungen und
Creatin unterschieden sich nicht zwischen der Patienten- und der
Kontrollgruppe. Dagegen fand sich eine erhöhte Glutamatkonzen­
tration als Effekt des Patientenstatus (Patienten > Kontrollprobanden) sowie der Lateralität (linker > rechter Hippokampus). Ins­
gesamt zeigten die hippokampalen Glutamatkonzentrationen eine
starke Korrelation mit den NAA-Spiegeln. Sowohl über beide Studiengruppen gerechnet als auch speziell in der Patientengruppe
fand sich eine signifikante negative Korrelation zwischen diurnalen
Cortisolspiegeln und hippokampalen Glutamatkonzentrationen.
Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung hippokampaler Plastizität für die bipolare Störung und weisen Glutamat als einen spektroskopischen Marker des zellulären Strukturstoffwechsels aus, der
unter gegensinnigen Einflüssen des Stressystems sowie von Lithium steht.
Donnerstag, 26. 11. 2009, 08.30 – 10.00 Uhr, Saal 2
DF-002 Diskussionsforum
S3-Leitlinie/Nationale Versorgungsleitlinie Unipolare Depression
Vorsitz: M. Berger (Freiburg), G. Ollenschläger (Berlin)
Mittwoch, 25. 11. 2009, 08.30 – 10.00 Uhr, Saal 8
FV-001 Sitzung Freier Vorträge
Affektive Erkrankungen 1
Vorsitz: G. Hajak (Regensburg), C. Krüger (Berlin)
132
001
Neuronale Korrelate der Humorverarbeitung bei depressiven Pa­
tienten
Nils Kohn (Klinik für Psychiatrie, Aachen)
I. Falkenberg, T. Kellermann, V. Markov, J. Wilbers, U. Habel
Einleitung: Anhedonie und niedergedrückte Stimmung sind als
zentrale Merkmale der Depression charakteristisch. Diese Symptomatik hat neben der Beeinträchtigung des alltäglichen Lebens auch
Einflüße auf die Verarbeitung komplexer Situationen, wie beispielsweise kognitive Defizite bei der Humorverarbeitung zeigen (Ükermann et al., 2008). Neuronale Korrelate dieser Defizite sind jedoch
bislang nicht untersucht worden.
Methode: Die Verarbeitung humorvoller Stimuli wurde bei 12 depressiven Patienten und 32 gesunden Kontrollprobanden mittels
3T-fMRT untersucht. Hierzu wurden schwarz-weiß Cartoons und
ähnlich gehaltene neutrale Bilder gezeigt. Diese mussten während
der Scans auf einer 5-Punkte Skala hinsichtlich der subjektiv empfundenen Lustigkeit bewertet werden. Neben dem Kontrast von
Cartoons gegen neutrale Bilder, wurde die empfundene Lustigkeit
in Beziehung zur Hirnaktivierung gesetzt, um die Areale zu ermitteln, die mit Lustigkeit kovariieren.
Diskussion / Ergebnisse: Unsere Ergebnisse zeigen auf Verhaltens­
ebene keine signifikanten Unterschiede in der Lustigkeitsbewertung der Cartoons zwischen depressiven Patienten und gesunden
Kontrollprobanden. Bei gesunden Probanden finden sich stärkere
Aktivierungen in inferior frontalen und parietalen Arealen, die für
die Humorverarbeitung eine wichtige Rolle spielen. Diese Minderaktivierung bei Patienten könnte die berichteten kognitiven Defizite erklären. Patienten zeigen gleichzeitig auch stärkere Aktierungen
in posterioren und anterioren cingulären Arealen, in superior frontalen Arealen und weiteren emotionsassoziierten Arealen, in denen
gerade bei emotionalen Aufgaben häufig veränderte Aktivierungsmuster bei depressiven Patienten gefunden wurden. In einem weiteren Schritt soll die Auswirkung eines Humortrainings auf die
neuronalen Korrelate der Humorverarbeitung untersucht werden.
002
Major Depression im Alter: Einfluss von Dauer der letzten depressiven Episode auf Veränderungen im Hippocampus und kognitive
Funktionen – Unterschiede zwischen frühem und spätem Krankheitsbegin
Martina Ballmaier (Charité, Psychiatrie und Psychotherapie, Berlin)
A. Kumar, E. M. Craciun, A. Heinz, A. Toga
Einleitung: Bei älteren Menschen mit Major Depression ist der
mögliche Einfluss der Krankheitsdauer auf die Struktur des Hippocampus bereits untersucht worden. Ungeklärt bleibt jedoch die
Frage, in wie weit die Dauer der letzten depressiven Episode zu regional spezifischen Anomalien und kognitiven Beeinträchtigungen
führt.
Methode: In der vorliegenden Studie haben wir 24 Patienten mit
frühem Krankheitsbeginn, 22 Patienten mit spätem Krankheits­
beginn (nach dem 60. Lebensjahr) und 34 Kontrollpersonen mit
struktureller Bildgebung untersucht und eine neu entwickelte computerisierte Methode „mesh-based geometrical modeling“ angewandt, um die untersuchten Korrelationen auf hochauflösenden
statistischen „Mappen“ darzustellen. Zusätzlich wurde eine tradi­
tionelle volumetrische Analyse durchgeführt.
Diskussion / Ergebnisse: Für die gesamte Patientengruppe zeigte
sich eine signifikante positive Korrelation zwischen der Dauer der
letzten depressiven Episode und regionalen Veränderungen in spezifischen Subregionen des Hippocampus, insbesondere CA2-CA3
und Subiculum. Diese Korrelation zeigte sich sowohl bei Patienten
mit frühem als auch mit spätem Krankheitsbeginn, wobei in der
letzteren Gruppe die strukturellen Anomalien deutlich ausgeprägter waren (Bild 1). Ganzvolumenmessungen des Hippocampus be-
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
stätigten diese Ergebnisse für die gesamte Patientengruppe und die
Untergruppe mit spätem Krankheitsbeginn, nicht aber für Pa­
tienten mit frühem Krankheitsbeginn. Trotz insgesamt kürzerem
Krankheitsverlauf, korrelierte zudem bei Patienten mit spätem
Krankheitsbeginn die Dauer der letzten depressiven Episode positiv mit der Schwere von Aufmerksamkeits- und Gedächtnisfunk­
tionen. Dies zeigte sich nicht bei Patienten mit frühem Krankheitsbeginn. Unsere Ergebnisse unterstreichen die mögliche Bedeutung
der Dauer der letzten depressiven Episode als kritisches Zeitfenster,
um die unterschiedliche Vulnerabilität des Hippocampus sowie die
Ausprägung von Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen abhängig vom Krankheitsbeginn differenzieren und Risikoprofile wie
auch Therapieoptionen besser definieren zu können. Ballmaier M,
Elderkin-Thompson V, Narr KL, Zoli M, Toga AW, Heinz A, Kumar
A. Index episode duration and regional hippocampal morphology
in elderly depression (submitted). Ballmaier M, Narr KL, Toga AW,
Elderkin-Thompson V, Thompson PM, Hamilton L, Haroon E,
Pham D, Heinz A, Kumar A. Hippocampal morphology and distinguishing late-onset from early-onset elderly depression. (2008) Am
J Psychiatry 165:229-237.
lediglich ein signifikanter Unterschied zwischen die Gruppe der
50 – 59-Jährigen und der 70 – 79-Jährigen (OR=1,548, p=0,035),
für den PHQ-2 zeigten sich signifikante Unterschiede zwischen der
Gruppe der 50 – 59-Jährigen und den 70 – 79-Jährigen (OR=1,762;
p=0,031) bzw. den 80-Jährigen und älteren (OR=2,625, p=,009).
Die Mittelwerte von ADS und PHQ-2 korrelieren lediglich in einem mittleren positiven Wert (r = 0,52). Die ADS findet deutlich
höhere Prävalenzen als der PHQ-2. Dennoch werden je nach
Altersgruppe zwischen 3,6 % und 7,8 % der Stichprobe nur vom
PHQ-2 und zwischen 9,0 % und 14,9 % nur von der ADS als depressiv identifiziert. Die gefundenen Prävalenzen depressiver Beschwerden bei Älteren werden in die vorhandene Befundlage eingeordnet
und die Bedeutung methodischer Aspekte, insbesondere der In­
strumentenwahl, kritisch diskutiert.
004
Exekutive Funktionen bei jugendlichen Patienten mit Affektiven
Störungen
Lea Woldt (Charité, Kinder- u. Jugendpsychiatrie, Berlin)
N. Schneider, A. Korte, J. Bottin, E. Pfeiffer, U. Lehmkuhl, H. SalbachAndrae
Einleitung: Flexibles Verhalten, das Erlernen und das Umlernen
belohnungsassoziierter Stimuli sind vor allem im sozialen Kontext
essentiell. Neuropsychologisch wird versucht, dies u. a. über „object
reversal tasks“ zu erfassen. Diesen Untersuchungen liegen Annahmen zur Bedeutung von Dopamin als zentralem Neurotransmitter
für Lernprozesse, Belohnungsvorhersage und Kognitionen zugrunde (u. a. Kringelbach, 2004; Klein et al., 2007). Bisherige Studien
konnten für Patienten mit Affektiven Störungen (AS) Defizite bezüglich des Umlernens belohnungsassoziierter Stimuli aufzeigen
(z. B. Gorrindo et al., 2005). Ziel unserer Untersuchung ist die
Überprüfung belohnungsassoziierten Lernens bei jugendlichen
Patienten mit AS.
Methode: Bis dato gingen 51 PatientInnen (17 weibliche und
9 männliche Patienten mit AS (MAlter = 15.9 ± 1.1) sowie 15 weibliche und 10 männliche Kontrollpersonen (MAlter = 15.7 ± 1.4)) in
unsere Studie ein. Alle Probanden führten den probabilistischen
Object Reversal Task (pORT; Reischies, 1998) sowie eine neuropsychologische Testbatterie durch.
Diskussion / Ergebnisse: Mittelwertsvergleiche (t-Tests) ergaben
signifikante Unterschiede zwischen Kontroll- und Experimentalgruppe hinsichtlich der Depressivität (AS > KG; T = 5.5, p < .001),
jedoch keine signifikanten Unterschiede bezüglich der erhobenen
Variablen im pORT oder der Arbeitsgeschwindigkeit.
003
Die Prävalenz depressiver Beschwerden bei Älteren in der Bundesrepublik Deutschland – Welche Rolle spielen methodische Aspekte
für die identifizierten Prävalenzen
005
„Heaven meets hell“: Untersuchung der neuronalen Korrelate
affektiver Assoziationen mittels semantischem Priming
Elmar Brähler (Universität Leipzig, Medizinische Psychologie)
T. Gunzelmann, H. Glaesmer
Einleitung: Depressive Beschwerden treten auch bei der älteren
Allgemeinbevölkerung häufig auf. Die Prävalenzraten variieren unter anderem in Abhängigkeit von den methodischen Aspekten der
zu Grunde liegenden Studien zwischen 8 % und 16 %. Es ist außerdem nicht geklärt, ob depressive Beschwerden bei Älteren über die
Altersgruppen zunehmen.
Methode: In einer repräsentativen deutschen Bevölkerungsstichprobe ab 50jähriger (n=1.156) wurden depressive Beschwerden mit
der Allgemeinen Depressionsskala (ADS) und dem 2-Item-Kurzscreener des Patient Health Questionnaire (PHQ-2) mittels Faceto-Face-Befragung erfasst.
Diskussion / Ergebnisse: 15,9 % der untersuchten Personen wurden anhand der ADS, aber 9,6 % mit dem PHQ-2 als depressiv klassifiziert. Die Prävalenzen nehmen über die Altersgruppen kontinuierlich zu. In logistischen Regressionen fanden sich für die ADS
Katharina Saß (RWTH Aachen, Klinik für Psychiatrie)
I. Reinhardt, S. Eskens, S. Gauggel, T. Kircher
Einleitung: Die Wissensorganisation im Rahmen eines semantischen Netzwerks gilt als etabliertes Konzept. Die neuronalen Grund­
lagen dieses Netzwerks sind jedoch erst in Ansätzen verstanden.
Ziele der vorliegenden Studie sind die Untersuchung (a) des Einflusses von emotionalen Assoziationen auf das semantische Netzwerk und (b) der neuronalen Korrelate von affektiven Assoziationen. Weiterführend sollen Panik- und Depressionspatienten
untersucht werden, die eine unterschiedliche Verarbeitung emotionaler Informationen aufweisen.
Methode: Im Rahmen eines semantischen Priming Paradigmas
(SOA = 200 ms) wurden 16 gesunde Probanden an einem 3T-Kernspintomographen untersucht. Folgende Bedingungen wurden präsentiert: (a) positiv, (b) negativ und (c) neutral verbundene Wortpaare, sowie (d) emotional oder (e) neutral unverbundene
Wortpaare und eine (f) Pseudowort-Bedingung.
133
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
Diskussion / Ergebnisse: Auf Verhaltensebene ließ sich ein Primingeffekt für positive und neutrale Wortpaare nachweisen, währenddessen negative Wortpaare nur unter spezifischen Bedingungen einen Primingeffekt zeigten. Auf neuronaler Ebene verursachten
die positiven Wörter Signalveränderungen in rechts fronto-temporalen Regionen (inkl. Hippocampus). Die negativen Wortpaare
führten zu weitläufigen bilateral fronto-parieto-occipitalen Aktierungen. Die neutralen Wortpaare verursachten Aktivierungen in
bilateral fronto-parietalen Regionen. Der Vergleich der emotionalen Bedingungen zeigte eine gemeinsame Aktivierung im Bereich
des linken mittleren temporalen Gyrus, sowie des Precuneus. Gemeinsame Deaktivierungen für alle Bedingungen fanden sich im
rechten inferior und linken superior frontalen Gyrus. Die Ergebnisse der aktuellen Studie zeigen, dass emotionale Assoziationen
eine relevante Rolle im semantischen Netzwerk spielen. Während
positive Assoziationen zu rechtshemisphärischen Aktivierungen
führten, verursachten die negativen Verbindungen weitläufige bilaterale Aktivierungen, was dafür spricht, dass diese „schwieriger“ zu
verarbeiten sind, d. h. negative Assoziationen inhibieren die Optimierung der Wortverarbeitung und benötigen daher mehr Zeit um
verarbeitet zu werden. Gemeinsame Aktivierungen ließen sich
trotz allem in bilateral frontalen Regionen nachweisen, was dafür
spricht, dass alle Beziehungen ein gemeinsames semantisches Netzwerk ansprechen. Für Patienten mit Panikstörung und Depression
erwarten wir hingegen unterschiedliche Aktivierungsmuster vor
allem im Rahmen der emotionalen Stimuli, die mit einer verstärkten Verarbeitung von negativen Wortpaaren einhergehen könnte.
Donnerstag, 26. 11. 2009, 08.30 – 10.00 Uhr, Salon 17/18
FV-004 Sitzung Freier Vorträge
Affektive Erkrankungen 2
Vorsitz: A. Szegedi (New Jersey), D. Riemann (Freiburg)
001
Anhedonie, Fatigue und depressive Verstimmung als Screen­
ingsymptome für Depression bei körperlich Kranken
Ingrid Sibitz (Medizinische Universität Wien, Universitätsklinik für
Psychiatrie und Psychotherapie, Österreich)
P. Berger, M. Freidl, A. Topitz, M. Krautgartner, W. Spiegel, H.
Katschnig
Einleitung: In dieser Studie wurde die Bedeutung von Anhedonie,
Fatigue und depressive Verstimmung, der drei Kernsymptome der
Depression, für die Erfassung einer Depression bei körperlich
Kranken im Allgemeinkrankenhaus erhoben. Auch wurde untersucht, ob Fälle von Depression übersehen worden wären, hätte man
Fatigue nicht erfasst oder wenn man depressive Verstimmung für
ein positives Screening vorausgesetzt hätte.
Methode: Die Symptome wurden mitttels einer modifizierten Version des Patientenfragebogens von Spitzer et al erfasst und im Anschluss daran wurden die PatientInnen mit dem CIDI (Composite
International Diagnostic Interview) zur Erhebung von ICD-10
Diagnosen interviewt.
Diskussion / Ergebnisse: Von den insgesamt 290 PatientInnen
litten 63 (21.7 %) unter einer depressiven Episode. Wurden das
Vorhandensein von mindestens zwei der drei Kernsymptome gefordert (ICD-10 Algorithmus), so fand sich eine Sensitivität von
93.2 % und eine Spezifität von 72.7 %. Bei Anwendung des einfacheren DSM-IV Algorithmus – Anhedonie oder depressive Verstimmung müssen vorhanden sein – zeigte sich eine etwas höhere
Sensitivität von 95.2 % und eine geringfügig niedrigere Spezifität
134
(66.5 %). Eine von fünf Personen mit einer depressiven Episode gab
keine depressive Verstimmung im Screening an. Die Ergebnisse legen nahe, dass im Screening auf Depression bei körperlich Kranken
neben dem Symptom der depressiven Verstimmung die Anhedonie
inkludiert werden soll, während Fatigue ignoriert werden kann. Da
bei einem nicht unerheblichen Teil aller PatientInnen mit Depression die depressive Verstimmung jedoch nicht gegeben ist, ist es
von besonderer Bedeutung, vor allem nicht psychiatrisch tätige
ÄrztInnen darin zu schulen, ihre PatientInnen auf das weniger
offensichtliche Symptom der Anhedonie zu screenen.
002
Stimmungsbeurteilung am Computer – die Hell-Dunkel-Skala
Bernhard Weber (Klinikum Goethe Universität, Psychiatrie und Psychotherapie, Frankfurt)
N. Helbing, P. Fey, J. Fritze, B. Schneider, T. Wetterling
Einleitung: Die Hell-Dunkel-Skala (HDS) soll depressiven Patienten die Möglichkeit eröffnen, auf einem konventionellen PC-Monitor ihre aktuelle Stimmung durch Regulierung der Helligkeit eines
Skalenfeldes intuitiv zu beurteilen. Validität, Reliabilität und Tauglichkeit der HDS wurden untersucht.
Methode: 128 depressive Patienten wurden neben der HDS mit der
Hamilton Depression Rating Scale (HDRS), den Clinical Global
Impressions (CGI), dem Beck-Depressions-Inventar (BDI), den
Profile of Mood States (POMS) mit den Subskalen ,Niedergeschlagenheit‘ (N), ,Mutlosigkeit‘ (MU), ,Tatendrang‘ (T) und ,Missmut‘
(MI) sowie einer Visuellen Analog (Stimmungs-)Skala (VAS) unter­
sucht. Bei 52 Patienten erfolgte eine Wiederholungsunter­suchung
nach 15 Minuten zur Prüfung der Retest-Reliabilität und bei 87 Patienten eine Wiederholungsuntersuchung nach vier Wochen zur
Bestimmung der Änderungssensitivität.
Diskussion / Ergebnisse: Hochsignifikante Korrelationen zwischen
HDS einerseits und BDI (R=0,61), POMS-Subskalen (N: R=0,71;
MU: R=0,53; T: R=-0,57; MI: R=0,44) sowie der VAS (R=0,81) andererseits belegen die Validität der Skala. Mit den Fremdbeurteilungen HDRS (R=0,44) und CGI (R=0,30) korrelierte die HDS
ebenfalls hochsignifikant, aber erwartungsgemäß mit niedrigeren
Koeffizienten. Für Retest-Reliabilität (R=0,83) und Änderungssensitivität (R=0,44) ergaben sich zufriedenstellende Ergebnisse. Eine
Kontrolluntersuchung an 96 gesunden Probanden ergab signifikant
niedrigere Werte als in der Patientengruppe (14,7 ± 15,6 vs. 43,8 ±
23,3; Z=8,95; p<0,000001). Bei geringerer Varianz zeigten sich
niedrigere Korrelationen zu den POMS-Subskalen (N: R=0,37;
MU: R=0,25; T: R=-0,06; MI: R=0,36) und der VAS (R=0,47). Auch
die an 49 der Kontrollpersonen geprüfte Retest-Reliabilität zeigte
mit R=0,64 etwas schlechtere Werte. Die HDS ist als valides und
reliables Instrument zur Selbstbeurteilung der aktuellen Stimmungslage depressiver Patienten am Computer geeignet. Ihre Besonderheiten liegen in der raschen Durchführbarkeit, der automatisierten Auswertung sowie der intuitiv und weniger kognitiv
gesteuerten Dokumentation der Stimmungslage. Für gesunde Personen erscheint die Skala aufgrund von Bodeneffekten nur eingeschränkt tauglich.
003
Wie generalisierbar sind Ergebnisse von randomisierten, Plazebo
kontrollierten Phase-III-Antidepressiva Studien?
Florian Seemüller (LMU, Psychiatrie und Psychotherapie, München)
H.-J. Möller, M. Obermeier, R. Schennach-Wolff, M. Riedel
Einleitung: Aufgrund strenger Ein- und Ausschlusskriterien sind
die Ergebnisse von randomisierten Plazebo kontrollierten Studien
nur begrenzt auf den klinischen Alltag übertragbar. Wie stark der
Einfluss von Ausschlußkriterien auf das therapeutische Ansprechen einer antidepressiven Behandlung ist, wurde bisher noch
nicht untersucht.
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
Methode: Retrospektive Analyse einer prospektiven multizentrischen Follow-Up Studie, die im Rahmen des Kompetenznetzes für
Depression an 1014 depressiven stationären Patienten durchgeführt wurde. Alle Patienten erfüllten ICD-10 und DSM-IV Kriterien für eine Major Depression. Die Patienten wurden psychopathologisch 2-wöchentlich bis zur Entlassung untersucht. Mit Hilfe der
gebräuchlichsten Ein und Ausschlusskriterien wurden 2 Gruppen
gebildet: (1) Patienten die keines der Ausschlusskriterien erfüllen
und somit theoretisch in eine randomisierte, Plazebo kontrollierte
Antidepressiva Studie einschließbar wären (Efficacy-Gruppe). (2)
Patienten, die ein oder mehr Ausschlusskriterien erfüllen und nicht
eingeschlossen werden könnten (Non-efficacy Gruppe). Die Effi­
cacy Gruppe wurde mit der Non-Efficacy Gruppe im Hinblick auf
therapeutisches Ansprechen (Response, Remission, Time to Response, Time to Remission etc.) sowie im Hinblick auf verschiede
soziodemographische und klinische Variablen verglichen.
Diskussion / Ergebnisse: Patienten in der Efficacy-Gruppe waren
älter, wurden häufiger in Universitätskliniken behandelt und wiesen einem signifikant höheren GAF bei Entlassung auf. Es gab keine Unterschiede bezüglich Response- und Remissionsraten, Länge
der Aufenthaltsdauer, HAMD-17 bei Entlassung, Time to Response
bzw. Time to Remission. Möglicherweise sind Ergebnisse aus doppleblinden Plazebo kontrollierten randomisierten „Efficacy“ Studien
besser generalisierbar als bisher angenommen.
Rating Scale (MADRS) und dem Hamilton Depressions Ratingscore (HRDS28) gemessen.
Diskussion / Ergebnisse: Die antidepressive Wirksamkeit der MKT
und EKT war gleich gut und signifikant mit dem Vorteil der MKT
der wenigeren kognitiven Nebenwirkungen und einer schnelleren
Reorientierungsphase nach dem Krampfanfall. Die Einschränkung
besteht darin, dass bisher nur eine kleine Anzahl von Patienten mit
MKT behandelt worden ist.
005
Verminderte Schlafqualität bei kardiovaskulär erkrankten Patienten: Ein Prognosemaß für depressive Symptome
004
Antidepressive wirkung von Magnetkrampftherapie versus Elek­
trokrampftherapie
Sarah Kayser (Universitätsklinik, Bonn, Psychiatrie und Psychotherapie)
T. E. Schlaepfer
Einleitung: Seit fast 70 Jahren wird die Elektrokrampftherapie
(EKT) bei Patienten mit therapieresistenten Depressionen (TRD)
angewandt. Trotz ständiger technischer Verbesserungen hat die
EKT zwei grundlegende Nachteile wie eine hohe Rückfallsquote
und teilweise ausgeprägte kognitive Nebenwirkungen. Obschon
der Wirkmechanismus der EKT noch nicht abschließend geklärt
ist, ist deren gute antidepressive Wirksamkeit unumstritten. Eine
Weiterentwicklung aus der transcraniellen Magnetstimulation
(TMS) ist die Magnetkrampftherapie (MKT). Die Grundidee der
Entwicklung der MKT ist die Hypothese, dass durch ein lokales,
exakt kontrollierbares Auslösen des generalisierten Krampfes solche Nebenwirkungen vermieden werden könnten.
Methode: In einer klinischen Studie an der Universität Bonn sind
mittlerer weile zehn Patienten, die an einer TRD litten, mit der
MKT behandelt worden und mit einer Vergleichsgruppe von zehn
Patienten, die mit EKT behandelt worden, verglichen worden. Die
Schwere und der Verlauf der depressiven Symptome wurden mittels Depressionsratings wie der Montgomery-Åsberg Depression
Christine Norra (Ruhr-Universität Bochum, Psychiatrie Psychotherapie)
M. Böcker, J. Kummer, M. Arndt, E. Skobel, P. Schauerte, S. Gauggel,
T. Forkmann
Einleitung: Schlafstörungen und Herzerkrankungen stehen in einem direkten, bislang nicht eindeutig geklärten Zusammenhang
(Sinha et al., JACC 2004). Zunehmend finden komorbide depres­
sive Störungsbilder aufgrund erhöhter kardialer Mortalität Beachtung wie z. B. bei der Herzinsuffizienz (Norra et al., Int J Cardiol
2008). Obwohl Schlafstörungen bei Patienten mit Depression regelhaft auftreten, ist offen, inwieweit sie auch bei kardiovaskulär
erkrankten Patienten mit depressiven Symptomen einhergehen.
Methode: 204 stationäre Patienten (91f, 113m) wurden konsekutiv
rekrutiert, davon 94 mit unterschiedlichen kardiovaskulären Erkrankungen und 110 Patienten, die wegen einer Depression behandelt wurden. Die ICD-10-Diagnose einer depressiven Episode wurde anhand der Internationalen Diagnostischen Checkliste (IDCL)
gesichert. Alle Teilnehmer erhielten Selbstbeurteilungsinstrumente
zur Einschätzung ihrer Schlafqualität (PSQI) sowie depressiver Beschwerden (BDI).
Diskussion / Ergebnisse: Eine reduzierte Schlafqualität (PSQI>5)
wurde bei 86,4 % der psychiatrischen Patienten mit Depression
ermittelt (Mw+/-Std.: PSQI=11,76+/-4,77, BDI=27,11+/-10,54),
ebenso aber bei 60 % der 80 Kardio-Patienten ohne (PSQI=5,59+/
-3,73, BDI 4,47+/-3,07) und allen übrigen 14 Kardio-Patienten mit
komorbider Depressionsdiagnose (PSQI=12,00+/-3,53, BDI=17,86+/
-4,28); letztere beschrieben ähnlich wie die primär depressiven psychiatrischen Patienten ein in allen Komponenten verschlechtertes
Schlafprofil. In der Gesamtgruppe der Kardio-Patienten prädizieren die Schlafkomponenten „subjektive Schlafqualität“ und „Tagesmüdigkeit“ (r=0,40 bzw. r=0,34) hochsignifikant erhöhte BDI-­
Depressionssyndrome. Schlafstörungsprofile bei Herzpatienten
belegen mehrheitlich deutliche Schlafqualitätseinbußen, sehr ausgeprägt bei zeitgleicher depressiver Episode. Insbesondere die subjektive Schlafqualität und Tagesmüdigkeit könnten Vorhersagema-
135
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
ße für (sub)klinische, depressive Beschwerden darstellen – allerdings
können nur schlafpolygraphischen Daten eine Aussage über ggf.
zugrunde liegende schlafbezogene Atmungsstörungen treffen, die
hier ebenfalls zu Depressivität und Tagesmüdigkeit führen können
(Skobel et al., Eur J Heart Fail 2005). Daher sollten Schlafqualitätserhebungen im kardio-pneumologischen Setting auch als erstes
Screening auf potentielle komorbide und therapiewürdige Depressionen mit angesehen werden.
006
Der Einfluss von Alter, Geschlecht, Rauchen und Komedikation auf
die Serumkonzentrationen von Venlafaxin und O-desmethylvenlafaxin unter naturalistischen Bedingungen
Bruno Pfuhlmann (Universitätsklinikum Würzburg, Psychiatrische
Klinik)
C. Greiner, E. Haen, C. Hiemke
Einleitung: Therapeutisches Drug Monitoring (TDM) ist als Methode zur Optimierung einer antidepressiven Therapie mit Venlafaxin, einem breit eingesetzten modernen Antidepressivum, das als
selektiver Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer
wirkt, etabliert. Insbesondere der Einfluss pharmakokinetischer
Faktoren in der Therapie lässt sich mittels TDM kontrollieren. Ziel
dieser Untersuchung war es, den Effekt von Alter, Geschlecht,
Rauchen und verabreichter psychotroper Komedikation auf die
Pharmakokinetik von Venlafaxin und seines Hauptmetaboliten
O-desmethylvenlafaxin unter klinischen Alltagsbedingungen näher zu beleuchten.
Methode: Alle TDM-Analysen von Venlafaxin, die während der
Jahre 2004-2006 bei einem unselektierten Kollektiv von Patienten
in den psychiatrischen Universitätskliniken Mainz, Regensburg
und Würzburg durchgeführt wurden, wurden retrospektiv ausgewertet. Die Bestimmung der Serumspiegel von Venlafaxin und
O-desmethylvenlafaxin erfolgte in den TDM-Laboratorien der drei
beteiligten Kliniken mittels einer nahezu identischen Hochlei­­
stungs-Flüssigkeitschromatographie (HPLC)- Methode. Pro Patient
wurde nur eine Bestimmung in die Auswertung einbezogen, um
eine Verzerrung der Resultate durch multiplen Einschluss derselben Individuen zu vermeiden.
Diskussion / Ergebnisse: Insgesamt wurden 478 Bestimmungen
ausgewertet (304 Frauen, 174 Männer). Die bei den einzelnen Dosierungsstufen resultierenden Serumkonzentrationen variierten
interindividuell erheblich. Verglichen wurden jeweils dosiskorrigierte Serumspiegel. Frauen wiesen signifikant höhere Spiegel als
Männer auf und Patienten über 60 Jahre höhere Spiegel als jüngere
Patienten. Bei Rauchern wurden dagegen signifikant niedrigere Serumkonzentrationen beobachtet als bei Nichtrauchern. Nur eine
Minderheit von 45 Patienten (9 %) erhielt Venlafaxin in Monotherapie. Eine Komedikation mit anderen Antidepressiva, Antipsychotika oder Stimmungsstabilisierern war generell assoziiert mit einer
im Vergleich zu monotherapeutisch behandelten Patienten niedrigeren O-desmethylvenlafaxin/Venlafaxin-Ratio, was auf einen unter diesen Bedingungen verlangsamten Metabolismus via CYP2D6
hinweist. Die O-desmethylvenlafaxin/Venlafaxin-Ratio verringerte
sich auch mit zunehmender Anzahl von verabreichten psychotropen Komedikamenten. Insgesamt bekräftigen unsere Ergebnisse,
dass TDM ein wichtiges Instrument zur Kontrolle pharmakokinetischer Faktoren in einer antidepressiven Therapie mit Venlafaxin
darstellt und sowohl zur Vermeidung inadäquater Dosierungen als
auch zur Erkennung potentiell problematischer Medikamenten­
interaktionen hilfreich sein kann.
136
Freitag, 27. 11. 2009, 13.30 – 15.00 Uhr, Halle 11.1
P-014 Posterpräsentation
Affektive Störungen 2 (Symptome, Komorbidität)
Vorsitz: H. Himmerich (Leipzig)
001
Das metabolische Syndrom: Eine Verlaufsstudie über akut depressive, stationäre Patienten
Hans-Jörg Assion (GPZ Lippe, Fachklinik für Psychiatrie, Detmold)
N. Richter, G. Juckel
Einleitung: Studien über depressive Störungen zeigen, dass die
Rate eines metabolischen Syndroms bei diesen Erkrankungen
höher ist. Bisher gibt es nur wenige Untersuchungen über die Assoziation mit dem Schweregrad der Depression und bestimmten
Laborparametern.
Methode: Es wurden 60 Patienten mit einer akuten depressiven
Episode untersucht und einer psychometrischen Testung (HAMD,
BDI, GAF, CGI) unterzogen. Es wurde ein Screening gemäß
NCEP-ATP-III durchgeführt und es erfolgten Laboruntersuchungen (CRP, Cholesterin, HDL-Cholesterin, Nüchtern-Glukose, Triglyeride, Leptine). Nach der (Teil)Remission wurden die Patienten
nachuntersucht (n=42).
Diskussion / Ergebnisse: 25 % der Patienten erfüllten die Kriterien
eines metabolischen Syndroms. In dieser Gruppe bestand eine positive Korrelation zwischen den Triglycerid-Werten und der Schwere der Depression. Diese Gruppe der Patienten dürfte von einer
antidepressiven Therapie auch hinsichtlich der metabolischen Situation profitieren.
002
Persistierende nonverbale Gedächtnisbeeinträchtigungen bei remittierter unipolarer Depression – verursacht durch Enkodierungsdefizite?
Andreas Behnken (Universitätklinikum Münster, Klinik für Psychia­
trie)
S. Schöning, J. Gerß, K. Carsten, R. de Jong-Meyer, Z. Peter, V. Arolt
Einleitung: Bei remittierten depressiven Patienten liegen Hinweise
für anhaltende kognitive Beeinträchtigungen in unterschiedlichen
Domänen vor (Austin et al., 2001). Allerdings wurde in bisherigen
Studien nur partiell zwischen unterschiedlichen Gedächtnisfunk­
tionen – Arbeitsgedächtnis, episodisches Gedächtnis, semantisches, verbales oder nonverbales Gedächtnis – differenziert. Nach
Deckersbach und Kollegen (2004) sind Organisationsstrategien
während des Enkodierungsprozesses wichtige Voraussetzungen für
spätere Gedächtnisleistungen. Wir untersuchten im Rahmen eines
größeren Gesamtprojektes den Einfluss von Organisationsstrategien während der Enkodierung auf nonverbale Gedächtnisleistungen
bei remittierten unipolar depressiven Patienten und Kontrollprobanden.
Methode: Eingeschlossen wurden 30 remittierte unipolar depressive Patienten (HAMD < 8) und 30 gesunde, in Alter, Geschlecht und
Bildungsstand vergleichbare Kontrollprobanden. Die nonverbale
Gedächtnisleistung wurde mit dem Rey-Osterrieth-ComplexFigure-Test erfasst, die Organisationsstrategien mit dem Savage
Organizational Score (Savage et al., 1999). Der Einfluss von Organisationsstrategien auf nonverbale Gedächtnisleistungen wurde
mittels multipler Regressionsanalysen und des Sobel Tests (Sobel,
1982) geprüft.
Diskussion / Ergebnisse: Im Vergleich zu gesunden Kontrollen
zeigten remittierte depressive Patienten Einschränkungen in der
nonverbalen Gedächtnisleistung (p = 0,01). Darüber hinaus wiesen
Patienten verminderte Organisationsstrategien während des Lern-
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
vorgangs auf (p = 0,001). Demgegenüber konnten keine räumlichkonstruktiven Defizite beim unmittelbaren Kopieren der Vorlage
festgestellt werden. Die vorliegende Untersuchung gibt Hinweise
darauf, dass Patienten mit remittierter unipolarer Depression persistierende nonverbale Gedächtnisbeeinträchtigungen zeigen, die
durch die Anwendung defizitärer Organisationsstrategien während
der Enkodierungsphase moduliert werden. Entsprechend könnten
diese „sekundären“ Gedächtnisdefizite eher Enkodierungsschwierigkeiten als Retentionsschwächen reflektieren (Shin et al., 2004).
Persistierende neuropsychologische Defizite können den Rehabilitationsprozess beeinflussen und damit eine mögliche Barriere für
die soziale Reintegration darstellen. Unsere Ergebnisse lassen den
Einsatz zusätzlicher therapeutischer Maßnahmen, z. B. Trainings
zur Verbesserung der Organisations- und Gedächtnisfunktionen,
als sinnvoll erscheinen.
003
Spontane und induzierte Rumination im Alltag
Silke Huffziger (ZI Mannheim, AG Verlaufsforschung)
T. Dünkel, U. W. Ebner-Priemer, C. Kühner
Einleitung: Rumination gilt als wichtiger kognitiver Vulnerabilitätsfaktor der Depression. Bisherige Forschungsansätze umfassen
experimentelle Laborstudien, sowie quer- und längsschnittliche
Beobachtungsstudien. Studien, die die Effekte von spontaner und
induzierter Rumination im Alltag erfassen und damit die ökologische Validität des Konzepts bestätigen, fehlen bislang. Die vorliegende Studie verwendet die Methode des Ambulanten Assessments,
um in einer Gemeindestichprobe junger Erwachsener spontane
Rumination und die Effekte induzierter Rumination im Alltag zu
untersuchen.
Methode: 40 junge Erwachsene (50 % Männer; 18 – 25 Jahre) erhielten für zwei Tage (Induktionstag und Nichtinduktionstag) einen Palm, auf dem sie 10 Mal pro Tag spontane Rumination und
Stimmung (Valence, Calmness, Energetic Arousal) einschätzen
sollten. Am Induktionstag erfolgte zusätzlich eine dreiminütige
Induktion eines ruminativen Aufmerksamkeitsfokus mit anschließend erneuter Einschätzung von Rumination und Stimmung (AB /
BA-Crossover-Design). Habituelle Rumination sowie Depressivität
wurden über Fragebögen erfasst (RSQ-D, BDI-II). Analysen erfolgten u. a. mit hierarchisch linearen Modellen.
Diskussion / Ergebnisse: Aggregierte spontane Rumination war
signifikant positiv mit habitueller selbstbezogener Rumination und
Depressivität korreliert. Spontane Rumination war außerdem hoch­
signifikant mit schlechteren spontanen Stimmungswerten (Valence,
Calmness) korreliert, auch unter Kontrolle der Depressivität. Die
Induktion eines ruminativen Aufmerksamkeitsfokus führte zu
einer signifikanten prä-post Zunahme von spontaner Rumination
und einer signifikanten Stimmungsverschlechterung (Reduktion
von Valence und Calmness), diese Effekte wurden nicht durch Depressivität moderiert. Wir identifizierten zudem ein höheres durchschnittliches Ausmaß an spontaner Rumination und geringere
Energetic Arousal Werte am Induktionstag als am Nicht-Induktions­
tag. Diskussion: In einer Stichprobe junger Erwachsener konnten
wir zeigen, dass spontane Rumination im Alltag mit habitueller
selbstbezogner Rumination, mehr Depressivität und schlechteren
spontanen Stimmungswerten assoziiert war. Die Induktion eines
ruminativen Grübelfokus mehrmals am Tag führte zu unmittelbar
höheren spontanen Ruminations- und schlechteren Stimmungswerten und resultierte in durchschnittlich schlechterer Stimmung
im Vergleich zu einem Tag ohne Ruminationsinduktion. Die Ergebnisse bestätigen die ökologische Validität des Ruminationskonstrukts.
004
Defizite der expliziten Erkennung und impliziten Wahrnehmung
positiver Stimuli bei Patienten mit uni- und bipolarer Depression
in Abhängigkeit der Stimulusmodalität
Andrea Knorr (Magdeburg)
B. Wendt, G. Szycik, D. Horn, A. Osoba, C. Metzger, J. Steiner,
B. Bogerts, M. Walter
Einleitung: Eine gestörte Verarbeitung emotional salienter Stimuli
ist für Patienten mit affektiven Störungen gut belegt. Die beschriebenen Abweichungen betreffen hierbei nicht nur die Bewertung
der eigenen Emotionen sondern auch der Emotionen anderer sowie ferner die Zuordnung emotionaler Wertigkeit in sozialen Kontextsituationen. Neben dieser primär evaluativen Funktion gibt es
jedoch zahlreiche Hinweise über eine basale Störung bereits während der Wahrnehmung von Emotionen sowie der Reagibilität auf
affektive Reize. Hierbei ist vor allem ein vermindertes Ansprechen
auf positive Reize und eine Hypereagibilität bei negativen, vor allem angstauslösenden Reizen dokumentiert. Während die neurobiologischen Korrelate dieser Störungen umfassend untersucht
wurden, ist eine modalitätsspezifische Untersuchung eines affek­
tiven Wahrnehmungsdefizites für unterschiedliche sensorische
Sinneskanäle bislang nicht erfolgt. Ebensowenig wurde bislang untersucht, inwiefern die Defizite in der Wahrnehmung und Bewertung für unterschiedliche Emotionen auf die gleiche sensorische
Dysfunktion zurückzuführen ist, oder ob hierfür dimensions- und
modalitätsspezifische Defizite isoliert werden können.
Methode: 20 Patienten mit uni- und bipolarer Depression und
20 gesunde Vergleichsprobanden wurden in einer psychologischen
Testbatterie zur emotionalen Verarbeitung untersucht. Es wurden
sowohl explizit sujektive Bewertungen der Emotionen Trauer,
Freude und Angst erfasst und verglichen als auch deren implizite
Wirkung als Distraktoren in Reaktionszeitexperimenten. Ein emotionaler und eine modalitätsabhängiger Bias wurde durch eine Inkongruenzsituation überprüft. Es wurden akkustische und visuelle
Reize des Magdeburger Prosodiekorpus sowie des International
Affektive Picture Systems (IAPS) verwendet.
Diskussion / Ergebnisse: Es zeigte sich in der Validierung ein besonderer Salienzeffekt bei gesunden für die Emotion Freude, jedoch
nur bei visuellen Stimuli. Bei Patienten ist dieser Interaktionseffekt
vermindert. Depressive Patienten geben an, dass sie freudige Bilder
als weniger positiv empfinden. Dieser subjektive Unterschied zeigt
sich ebenfalls in der behavioralen Erfassung der impliziten emotionalen Salienz positiver Bilder. Diskussion Es konnte gezeigt werden, dass für die gestörte emotionalen Bewertung von Ereignissen
durch depressive Patienten auch ein sensorisches Defizit, vor allem
in der visuellen Modalität, zugrunde liegt.
005
Affektive Störungen in Remission: Hinweise für Zusammenhänge
persistierender neuropsychologischer Auffälligkeiten mit HPAAchsen Dysregulation?
Jan-Philipp Symanczik (Marl)
A. Behnken, M. Zavorotnyy, V. Arolt, P. Zwanzger
Einleitung: Mit einer Prävalenz von bis zu 15 % zählen affektive
Störungen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Zur Symptomatik der affektiven Störungen gehören Konzentrations- und
Gedächtnisstörungen (Beblo & Herrmann, 2000). Darüber hinaus
liegt bei bis zu 60 % akut depressiver Patienten eine Hochregulation
der HPA-Achse vor (Ströhle & Hols-boer, 2003). Kognitive Defizite
scheinen partiell über die postdepressive Episode hinaus zu persi­
stieren (Behnken et al., 2009). Hypercortisolismus als Folge von
chronischem Stresserleben wirkt möglicherweise neurotoxisch und
wurde bei depressiven Patienten assoziiert mit kognitiven Dysfunktionen, insbesondere Gedächtnisstörungen, beobachtet (Egeland et al., 2005). In der vorliegenden Untersuchung wurde auf den
137
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
bekannten Zusammenhang zwischen neuroendokrinologischen
Parametern und neurokognitivem Leistungsvermögen bei Patienten insbesondere im remittierten Zustand fokussiert. Die Erhebung
einer in Alter, Geschlecht und Ausbildung gematchten Kontrollgruppe steht kurz vor dem Abschluss.
Methode: Untersucht wurden 30 remittierte unipolar depressiv erkrankte Patienten im Alter zwischen 18 und 55 Jahren. Obwohl
subjektiv klinisch remittiert, erfüllten 21 Patienten das Remissionskriterium (HRDS ≤ 8). Die Untersuchung der neuroendokrinologischen Parameter erfolgte mittels DEX / CRH-Tests (Holsboer et al.,
1987). Das kognitive Leistungsvermögen wurde durch den Einsatz
einer neuropsychologischen Testbatterie (FAS, LPS, MWT-B, RCFT,
TMT, VLMT, ZN) überprüft. Die Darstellung des zeitlichen Verlaufs der Cortisol-sekretion erfolgte über die Baseline-korrigierte
AUC. Korrelationen wurden mit dem Pearson-Koeffizienten bestimmt.
Diskussion / Ergebnisse: Klinisch remittierte Patienten wiesen
nach einem Zeitraum von mindestens einem halben Jahr nach stationärer Behandlung signifikante Korrelationen zwischen neuropsychologischen Leistungswerten, insbesondere die kognitive Verarbeitungsgeschwindigkeit, das verbale Gedächtnis und die
Fähigkeit, Regeln zur erkennen (induktives Denken) betreffend
und neuroendokrinologischer Achse auf. Unsere Ergebnisse deuten auf einen möglichen prädiktiven Wert der HPA-Achsen Veränderung bei Patienten mit affektiven Störungen als Hinweis auf persistierende kognitive Defizite in stabiler Remission hin.
006
Komorbide Substanzstörungen bei bipolaren Patienten – aktueller
Forschungsstand zu Hintergründen und Therapieansätzen
Stephan Mühlig (Technische Universität, Klinische Psychologie,
Chemnitz)
Einleitung: Bipolare Störungen sind durch eine hohe Komorbidität
mit Substanzstörungen charakterisiert. Komorbide Substanzstörungen bei bipolaren Patienten weisen eine Lebenszeitprävalenz
von 40 – 60 % auf. Die Ursachen, Kauslalitäten und therapeutischen
Implikationen dieser Doppeldiagnose sind noch nicht ausreichend
geklärt.
Methode: Überblick über Prävalenz, Ätiologie und Therapieansätze der Doppeldiagnosen. Systematische Aufbereitung des aktuellen
Forschungsstandes auf Basis einer umfassenden Evidenzrecherche
(Datenbankrecherche: PsycArticles, PsycINFO, Cochrane, Medline, Embase, Web of Science; Handsearch) zu epidemiolo­gischen,
ätiologischen, diagnostischen und therapeutischen Aspekten.
Diskussion / Ergebnisse: Komorbide Substanzstörungen bei bipolaren Patienten sind assoziiert mit ungünstigen Verläufen, schwereren und häufigeren Episoden, mehr Hospitalisationen, niedrigerer
Medikamenten-Compliance und schlechteren Therapieergebnissen, verminderter Lebensqualität und einer erhöhten Suizidrate.
Erste integrierte Therapieangebote zur Behandlung beider Störungen liegen vor, konnten aber noch keine zufriedenstellende Wirksamkeit nachweisen. Schlussfolgerungen: Die ungünstige Langzeitprognose der Doppeldiagnose von bipolarer und Substanzstörung
erfordert eine gezielte Diagnostik und integrative Synchronbehandlung beider Störungen. Da erste spezifische Therapieprogramme bislang nur mäßig überzeugende Ergebnisse lieferten, bedarf
weiterer konzeptueller und Forschungsbemühungen zur Fortentwicklung multimodaler Synchrontherapieansätze.
138
007
Soziale Kognitionen depressiver Patienten
Larissa Wolkenstein (Psychologisches Institut, Klinische und Entwicklungspsych., Tübingen)
M. Schönenberg, M. Hautzinger
Einleitung: Die kognitive Verhaltenstherapie geht davon aus, dass
affektiven Störungen verzerrte Kognitionen zugrunde liegen. Mit
Ansätzen der dritten Welle der Verhaltenstherapie (z. B. CBASP)
rücken nun neben den Emotionen auch die interpersonellen
Schwierigkeiten depressiver Menschen erneut in den Fokus der
Aufmerksamkeit. Es ist bekannt, dass interpersonelle Schwierig­
keiten Auswirkungen auf die Ätiologie und den Verlauf unipolar
affektiver Störungen ausüben können. Darüber hinaus ist bekannt,
dass das Verhalten Betroffener zu interpersonellen Konflikten führen kann. Das Ziel dieser Arbeit bestand darin, zu untersuchen,
inwiefern depressive Patienten in ihren sozialen Kognitionen – die
für die Gestaltung zufriedenstellender Interaktionen vonnöten sind
– beeinträchtigt sind.
Methode: 20 akut depressive Patienten wurden bezüglich ihrer Fähigkeiten, Emotionen aus der Mimik anderer Menschen zu erkennen, sowie bezüglich ihrer Theory of Mind mit gesunden Kontrollprobanden verglichen, die bezüglich des Alters, des Geschlechts
und des Bildungsstandes gematched wurden.
Diskussion / Ergebnisse: Die Ergebnisse werden Vorort präsentiert
und diskutiert.
008
Depression und Aderlass – Ein Fallbericht
Sabine Marek (Evangelische Kliniken, Klinik für Psychiatrie, Gelsenkirchen)
H. Ullrich, E. Papadimou, E. Böing, E. Klieser, E. Klieser junior
Einleitung: Die hereditäre Hämochromatose (HH) ist mit einer
Prävalenz von 3 bis 5 pro Tausend die häufigste genetisch bedingte
Stoffwechselstörung in Populationen europäischen Ursprungs.
Screening bei psychiatrischen Patienten ergibt eine Prävalenz non
1 %, wobei 80 % der hier Betroffenen an einer affektiven Erkrankung leiden. Wir berichten über den Fall einer 69jährigen Patientin, bei der im Rahmen der Routinediagnostik bei Erstmanifesta­
tion einer schweren depressiven Episode eine Hämochromatose
festgestellt wurde, unter deren Behandlung die psychische Erkrankung remittierte.
Methode: Die stationär-psychiatrische Aufnahme erfolgte unter
dem Vollbild einer schweren depressiven Episode. An weiteren
Symptomen berichtete die Patientin über seit einem Jahr bestehende Übelkeit. Im Routinelabor zeigten sich folgende Auffälligkeiten:
GOT 44,40 U/l, GPT 38,10 U/l, CK 179 U/l, LDH 277 U/l,
FT3 1,93 pg / ml, Triglyzeride 209,90 mg / dl, Cholesterin 291 mg /
dl, HDL-Cholesterin 53 mg / dl, LDL-Cholesterin 197 mg / dl. Die
daraufhin durchgeführte Oberbauchsonographie zeigte drei echoreiche Leberherdbefunde, das Abdomen-CT zeigte mehrere, unscharf abgrenzbare kaum vom übrigen Parenchym abgrenzbare
Läsionen. Im MRT-Abdomen fanden sich Hinweiszeichen auf verstärkte Eisenablagerungen.
Diskussion / Ergebnisse: Unter verschiedenen psychopharmakologischen Optionen besserte sich die depressive Symptomatik nur
unzureichend. Die gleichzeitig durchgeführte Somatodiagnostik
erbrachte ein deutlich erhöhtes Ferritin mit 987,30 µg / l, Eisen lag
bei 104 µg / dl, Transferrin bei 157 mg / dl. Der Histopathologische
Befund der Leberpunktion zeigte eine geringgradige Leberzell­
verfettung und um eine deutliche Hämosiderose. Die weitere Diagnostik inkl. Liquor und MRT-Schädel war unauffällig. Die humangenetische Diagnostik zeigte eine homozygote Mutation für C282Y,
die als nahezu beweisend für das Vorliegen der Anlage einer Hämochromatose gilt. Unter wöchentlich durchgeführter Aderlasstherapie besserten sich nicht nur die Laborwerte sondern die affek-
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
tive Symptomatik remittierte komplett. Die nach der Entlassung
stattfindenden familiären Kontakte gaben Anlass zu weiterer Diagnostik innerhalb der Familie, in der sich dann drei betroffene Blutsverwandte als homozygote Merkmalsträgerinnen mit Veränderungen des Eisenstoffwechsels fanden, die bislang klinisch unauffällig
waren.
009
Selbstwirksamkeitserwartung und kognitive Leistungsfähigkeit
depressiver Patienten
Ingrid Schermuly (Universitätsmedizin Mainz, Psychiatrie)
N. C. Schumann-Hahn, H. Bellhäuser, A. Fellgiebel
Einleitung: Kognitive Defizite stellen ein häufiges Symptom depressiver Erkrankungen dar und werden bei bis zu 50 % der Patienten beobachtet. Bis heute ist unklar, ob diese Defizite auf eine di­
rekte Beeinträchtigung der kognitiven Funktionen oder auf den
Einfluss dritter Variablen zurückzuführen sind. So stellen mangelndes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten sowie ein geringer Selbstwert häufige Symptome einer Depression dar. Scheurich et al.
(2008) konnten zeigen, dass die generelle Selbstwirksamkeitserwartung (G-SWE), d. h. die Überzeugung in bestimmten Situationen adäquate Leistungen erbringen zu können, bei Depression
reduziert ist, jedoch in keinem Zusammenhang mit kognitiver
Leistungsfähigkeit stand. Unklar bleibt hingegen, ob die aufgabenspezifische Selbstwirksamkeitserwartung (A-SWE), welche sich auf
die aktuelle Leistungssituation bezieht, in Zusammenhang mit den
erbrachten Leistungen steht.
Methode: 21 Patienten mit Depression wurden mit 15 nach Alter,
Bildung und Geschlecht gematchten gesunden Kontrollen verglichen. G-SWE sowie A-SWE wurden mit Hilfe von Fragebogenverfahren erhoben. Der Zusammenhang zwischen Selbstwirksamkeits­
erwartung, Gedächtnis (AVLT, WMS-R), Aufmerksamkeit (TAP),
Psychomotorik (Hand-Auge-Koordination, TMT) und Exekutivfunktionen (TvL) wurde untersucht.
Diskussion / Ergebnisse: Depressive Patienten zeigten im Vergleich
zu gesunden Probanden eine signifikant reduzierte G-SWE
(p<.0005) sowie eine signifikant reduzierte A-SWE bzgl. den erwarteten Testleistungen (p=.03). Der Zusammenhang zwischen
G-SWE und kognitiver Leistungsfähigkeit unterschied sich nicht
signifikant zwischen gesunden Probanden und Patienten (alle
p>.05). Hingegen zeigte sich bei Patienten ein bedeutsamer Zusammenhang zwischen A-SWE, verbaler Gedächtnisleistung (r=.662;
p=.001) und Aufmerksamkeitsintensität (r=-.662; p=.001), welcher
signifikant stärker ausgeprägt war als bei Probanden (Gedächtnis:
p=.041; Aufmerksamkeit: p=.048). Depressive Patienten zeigten in
der aktuellen Untersuchung eine signifikant reduzierte generelle
sowie aufgabenspezifische Selbstwirksamkeitserwartung. Die bei
depressiven Patienten reduzierte A-SWE bzgl. der Leistung in der
Testsituation, jedoch nicht die reduzierte G-SWE, ging mit bedeutsam niedrigeren Gedächtnis- sowie Aufmerksamkeitsleistungen ein­
her. Diese Daten zeigen erstmals, dass die bei depressiven Patienten
reduzierte aufgabenspezifische Selbstwirksamkeitserwartung mit
einer Leistungsminderung einhergeht und stellen einen bedeut­
samen Beitrag bzgl. der Ätiologie kognitiver Störungen bei Depression dar.
010
Verarbeitung unbewusster emotionaler Information bei Patienten
mit majorer Depression
Philipp Sterzer (Charité Campus Mitte, Psychiatrie, Berlin)
T. Hilgenfeldt, P. Freudenberg, M. Adli
Einleitung: Depressive Patienten nehmen sich selbst und ihre
Umwelt verändert war. So ist depressive Wahrnehmung etwa durch
stimmungskongruente Interpretation und gestörtes Erkennen
emotionaler Reize gekennzeichnet. Solche Wahrnehmungsverän-
derungen werden oft als Folge depressiver Kognitionen interpretiert. Diese Studie untersucht die Verarbeitung emotionaler Reize
bei depressiven Patienten unabhängig von kognitiven Prozessen.
Methode: 20 Patienten mit majorer Depression und 20 alters- und
geschlechtsgematchte Kontrollprobanden nahmen an der Studie
teil. Durch ein Spiegelstereoskop wurden visuelle Reize dichoptisch
präsentiert: Dem einen Auge wurden schnell wechselnde (10 Hz)
kontrastreiche Muster gezeigt, während auf dem anderen Auge ein
Gesicht mit neutralem, ängstlichem, traurigem oder fröhlichem
Ausdruck eingeblendet wurde. Durch die perzeptuelle Dominanz
der kontrastreichen Muster auf dem kontralateralen Auge bleiben
die Gesichter dabei zunächst unsichtbar („continuous flash suppression“) und werden erst nach einigen Sekunden bewusst wahrgenommen. Diese Wahrnehmungslatenz kann als Maß für die Stärke der unbewussten Verarbeitung eines perzeptuell unterdrückten
Reizes herangezogen werden.
Diskussion / Ergebnisse: Bei gesunden Probanden wurden neutrale und ängstliche Gesichter am schnellsten bewusst, während die
Wahrnehmungslatenz für fröhliche Gesichter deutlich länger und
für traurige Gesichter am längsten war. Diese Unterschiede waren
bei depressiven Patienten signifikant geringer ausgeprägt (Interaktion Gruppe x Emotion, p<0.05). Vor allem war im Gegensatz zur
schnelleren Wahrnehmung fröhlicher Gesichter gegenüber traurigen bei Gesunden (p<0.05, post-hoc t-test) ein solcher Unterschied
bei depressiven Patienten nicht nachweisbar (p>0.1). Innerhalb der
Patientengruppe zeigte sich außerdem eine signifikante Interaktion
(p<0.05, ANCOVA) der emotionsabhängigen Wahrnehmungs­
latenzen mit der Therapieresponse, gemessen als die Änderung der
Punktzahl im Beck Depressions-Inventar (BDI) über 4 Wochen. Je
größer die Unterschiede in der Wahrnehmungslatenz zwischen den
Emotionen, desto größer die Änderung im BDI. Bei depressiven
Patienten ist somit bereits die unbewusste – und damit kognitiven
Einflüssen nicht zugängliche – Verarbeitung emotionaler Reize gestört, was auf eine Veränderung basaler sensorischer Prozesse hinweist. Der beobachtete Zusammenhang mit der Therapieresponse
deutet auf die mögliche klinische Bedeutung der Untersuchung unbewusster Emotionsverarbeitung hin. Diese Studie wurde durch
die Deutsche Forschungsgemeinschaft unterstützt.
011
Subjektive und objektive Beeinträchtigung der kognitiven Leistungsfähigkeit bei rezidivierender depressiver Störung
Bernhard Weber (Klinikum Goethe Universität, Psychiatrie und Psychotherapie, Frankfurt)
V. Gapp, A. Frink, S. Schwarz, N. Siregar, A. Schmitt, J. Pantel
Einleitung: Störungen der kognitiven Leistungsfähigkeit gehören
zum Spektrum depressiver Symptome. Sie werden von schwerer
Kranken fast regelhaft in Form von Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen beschrieben. Studien mit objektiven Leistungstests zeichnen hingegen ein eher uneinheitliches Bild. Der Zusammenhang zwischen subjektiver und objektiver kognitiver Störung
erscheint für die Aufklärung dieses Widerspruchs von besonderem
Interesse.
Methode: Im Rahmen einer Studie zur kognitiven Leistungsfähigkeit depressiver Patienten wurde ein Fragebogen zur Selbsteinschätzung der kognitiven Leistungsfähigkeit (FSKL) entwickelt. Er
umfasst 10 Fragen, in denen die Patienten aufgefordert werden,
ihre Leistungsfähigkeit in verschiedenen Bereichen einzuschätzen.
Mit dem Fragebogen wurden 100 Patienten mit rezidivierender depressiver Störung und die gleiche Zahl gesunder Kontrollpersonen
untersucht.
Diskussion / Ergebnisse: Die depressiven Patienten schätzten ihre
kognitive Leistungsfähigkeit signifikant schlechter ein, als die gesunden Kontrollen (FSKL Score 33,7 ± 6,2 vs. 27,3 ± 3,9; Z=-7,25;
p<0,000001). Bei den gesunden Kontrollen fand sich keine Korrela-
139
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
tion zwischen FSKL Score und realer Leistung. Bei den depressiven
Patienten korrelierte hingegen die subjektive Beurteilung signifikant mit verschiedenen Testleistungen. Betroffen waren überwiegend exekutive Funktionen wie der Subtest Intra / Extra Dimen­
sional Set-Shift der Cambridge Neuropsychological Test Automated
Battery (CANTAB; R=0,28; p=0,005), Reaktionsflexibilität (NoGoParadigma; R=0,34; p=0,0006), sensomotorische Interferenz
(R=0,21; p=0,04) und visuomotorisches Pursuit Tracking (R=0,27;
p=0,006) aber auch die Daueraufmerksamkeitsleistung (-Paradigma; R=0,21; p=0,03). Die Profile von subjektiver Leistungseinschränkung und tatsächlicher Testergebnissen ließen sich bezüglich der betroffenen Leistungsbereiche nicht überzeugend zur
Deckung bringen. Auch aus diesem Grund muss offen bleiben, ob
die sensible depressive Selbstwahrnehmung lediglich leichte und
statistisch im Gruppenvergleich nicht eindeutig nachweisbare kognitive Beeinträchtigungen registriert, oder ob die Korrelationen
durch einen hemmenden Einfluss der negativen Leistungserwartung auf die (exekutive) Testleistung. Weitere Untersuchungen sind
erforderlich, um diese Frage zu klären.
Freitag, 27. 11. 2009, 13.30 – 15.00 Uhr, Halle 11.1
P-016 Posterpräsentation / Poster Presentation
Affektive Störungen 3 (Pathophysiologie, -genese)
Vorsitz: S. Rudolf (Lübeck)
001
Pharmacogenetics of depression: The role of norepinephrine
and serotonin transporter gene variants
Anna Baffa Scinelli (Münster)
C. Hohoff, B. Baune, V. Arolt, C. Freitag, J. Deckert, K. Domschke
Introduction: The norepinephrine (NET) and serotonin (5-HTT)
transporter genes constitute promising candidate genes in Major
Depression. A comprehensive set of tagging SNPs covering the
NET gene region as well as 5-HTTLPR and 5-HTT rs25531 polymorphisms were analyzed with respect to antidepressant treatment
response with particular attention gender-effects and subtypes of
melancholic or anxious depression.
Method: 252 unrelated Caucasian patients (f=142; m=110) with
Major Depression were genotyped for NET and 5-HTT polymorphisms. Genotype effects on HAM-D change scores over six weeks
of antidepressant treatment were analyzed using ANOVA with
repeated measures. There was no effect of any of the investigated
eight NET or two 5-HTT polymorphisms on overall treatment re­
sponse. However, stratification for anxious versus non-anxious depression revealed a significantly detrimental effect of the less active
5-HTTLPR S allele (p=0.007) and 5-HTTLPR / 5-HTT rs25531
haplotypes on treatment response in patients with anxious depression.
Discussion / Results: The present findings do not support a major
impact of NET and 5-HTT genes on antidepressant treatment re­
sponse in Major Depression per se. The observed significant in­
fluence of 5-HTT gene variation on antidepressant treatment in
anxious depression, however, points to anxious depression as a potential diagnostic entity of its own requiring specific diagnostic and
therapeutic attention.
140
002
Pain sensitivity in major depression and its relationship to central serotoninergic function as reflected by the neuroendocrine
re­sponse to clomipramine
Bernd Kundermann (Philipps Universität Marburg, Zentrum für
Nervenheilkunde Psychiatrie und Psychotherapie)
J. Hemmeter-Spernal, S. Gebhardt, M. T. Huber, J.-C. Krieg, S.
Lautenbacher
Introduction: Several studies reported a decreased pain sensitivity
in patients with depression, but the underlying neurobiological mechanisms of this phenomenon are unclear. While there is extensive
evidence that the serotoninergic system plays a key role in pain modulation, especially in pain inhibitory mechanisms via descending
pathways, as well as in the pathophysiology of depression, no study
so far has examined its potential relevance in mediating the alteration of pain processing. The present study addresses the question of
whether indices of serotoninergic dysfunction, as investigated by a
neuroendrocine challenge paradigm, are related to pain sensitivity.
Method: Nineteen drug-free inpatients with unipolar major depression underwent a neuroendocrine challenge test by measuring
cortisol and prolactin in response to intravenously administered
clomipramine (12.5 mg). Heat / cold pain thresholds, warmth / cold
detection thresholds, measures of current pain complaints and
mood were assessed the day before and three day after challenge
procedure.
Discussion / Results: When patients were classified in subgroups
based on a median split of their cortisol response values, the lowresponsive group showed significantly elevated heat pain thresholds
and nearly significantly elevated cold pain thresholds compared to
the high-responsive group. No such group differences were found
with regard to somatosensory thresholds, measures of pain complaints and mood. Subgrouping on the basis of prolactin responsiveness did not reveal significant differences in any parameter. In summary, a decreased pain sensitivity was demonstrated in patients
characterized by a reduced neuroendocrine responsiveness to clomipramine, suggesting an involvement of serotoninergic dysfunction underlying altered pain perception in depression.
003
Hyper- oder Hypoaktivität präfrontaler Kortizes bei bipolaren affektiven Störungen? Eine Metaanalyse mit „activation likelihood
estimation“
Mirjana Lewandowski (Göttingen)
E. K. Diekhof, O. Gruber
Einleitung: Funktionell-magnetresonanztomographische (fMRT)
Untersuchungen von Patienten mit bipolar affektiver Störung zeigten konsistent eine Hyperaktivität von Hirnarealen, die affektiven
Verarbeitungsprozessen zugrunde liegen. Im Gegensatz dazu ist die
Literatur in Bezug auf veränderte Aktivierungsmuster in den prä­
frontalen Kortizes weniger einheitlich.
Methode: Um Klarheit über mögliche Fehlfunktionen in Subregionen des präfrontalen Kortex zu erlangen, führten wir eine Metaanalyse mit „activation likelihood estimation“ (ALE) durch. Dazu
wurden im „Web of Science“ und in „MEDLINE“ fMRT-Studien
mit bipolaren Patienten recherchiert. Alle Studien, die signifikante
Aktivitätsunterschiede in präfrontalen Kortizes bipolarer Patienten
in Talairach- oder MNI-Koordinaten angaben, wurden eingeschlossen.
Diskussion / Ergebnisse: In der ALE-Metaanalyse zeigten sich signifikante Hyperaktivität im Broca-Areal und im anterioren Anteil
des rechten Gyrus frontalis medius sowie signifikante Hypoaktivität bilateral im orbitofrontalen Kortex. Eine weitere Analyse der
eingeschlossenen Studien ergab, dass die lateral-präfrontale Hyperaktivität ausschließlich während Arbeitsgedächtnis- und Verba­
lisierungsaufgaben auftrat, wohingegen die orbitofrontale Hypo­
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
aktivität einzig während emotionaler und / oder Stroop-Aufgaben
zu beobachten war. Diese Ergebnisse widersprechen der von einigen Autoren propagierten „Ventral-dorsal-Hypothese, da sie im lateralen präfrontalen Kortex eher Hyper- als Hypoaktivität, im orbitofrontalen Kortex dagegen eher Hypo- als Hyperaktivität zeigen.
Darüber hinaus hängt das Auftreten dieser regional spezifischen
Veränderungen im präfrontalen Aktivierungsmuster bei bipolaren
Patienten in hohem Maße von der Art der verwendeten experimentellen Aufgabe ab, was die Generalisierbarkeit von Ergebnissen
einzelner fMRT-Studien, in denen jeweils nur ein experimentelles
Paradigma Anwendung findet, einschränkt.
004
Serotonin-Transporter-Verfügbarkeit bei Patienten mit depressiver Ersterkrankung und rezidivierender depressiver Episode
Peter Schönknecht (Universitätsklinikum Leipzig, Klinik für Psychiatrie)
K. Nägler, S. Hesse, A. Bresch, E. Hammerstein, O. Sabri, U. Hegerl
Einleitung: Ausgehend von bisherige Studien zur Serotonin-Transporter (SERT)-Verfügbarkeit bei Patienten mit depressiven Sörungen stellt sich die Frage nach dem Zusammenhang von SERTVerfügbarkeit und Erkrankungsphase Patienten mit affektiven
Störungen. In der vorliegenden Studie wurde daher bei Patienten
mit erster depressiver Episode sowie rezidivierender depressiver
Episode die SERT-Verfügbarkeit unter Verwendung von C-II-DASB
Positronen-Emissions-Tomographie (PET) untersucht und mit gesunden Kontrollpersonen verglichen.
Methode: In die Studie wurden 14 Patienten mit leichter / mittelschwerer depressiver Störung (Alter 35 ± 14 Jahre) sowie 10 gesunde Kontrollpersonen (Alter 37 ± 10 Jahre) eingeschlossen. Bei
9 Patienten bestand eine erste depressive Episode. Angewandt
wurden das Beck-Depression-Inventar (BDl) sowie die HamiltonDepressions-Skala (HDRS) sowie eine dynamische PET (460 MBq
C-II-DASB). Die SERT-Verteilungsvolumina (DVR) wurden voxelbasiert (SPM2) sowie unter Verwendung von volume-of-interest
(VOI) analysiert.
Diskussion / Ergebnisse: Das DVR war bei Patienten mit rezidi­
vierender depressiver Episode gegen den Kontrollen signifikant
(p<0.05) im dorsolateralen präfrontalen Kortex (DLF) (right 1.14 ±
0.07 vs. 1.06 ± 0.05) und im Amygdala-Hippokampus-Komplex
(right 1,73 ± 0,20 vs. 2,01 ± 0,32) erhöht und im Hirnstamm erniedrigt (2,06 ± 0,23 vs. 2,56 ± 0,34; p=0.6). Bei den Patienten mit
einer ersten depressiven Episode fand sich gegenüber den Kontrollen ein Trend für ein eine erhöhte SERT-Verfügbarkeit im DLF
(1.10 ± 0.06, p=0.09). Der Schweregrad der depressiven Episoden
korrelierte signifikant (p<0.05) mit der SERT-Verfügbarkeit (DVR)
im Amygdala-Hippokamus-Komplex (rechts r=0.8; links r=0.6),
der linken Insula (r=0.7) und dem linken DLF (r=0.7). Die vorläufigen Befunden zeigen, dass die SERT-Verfügbarkeit bei rezidivierenden depressiven Störungen im DLF sowie im Amygdala-Hippokampus-Komplex erhöht ist, was auf kompensatorische zerebrale
Mechanismen hinweisen kann.
005
Einfluss des BDNF-Val66Met Polymorphismus auf Rumination –
eine Untersuchung an jungen Erwachsenen
Christine Kühner (ZI für Seelische Gesundheit, Psychiatrie und Psychotherapie, Mannheim)
S. Huffziger, C. Esslinger, M. Rietschel
Einleitung: Habituelles Grübeln über depressive Symptome, deren
Ursachen und Konsequenzen, sowie über negative Aspekte des
Selbst gilt als wichtiger kognitiver Vulnerabilitätsfaktor der Depression. Studien an klinischen und nichtklinischen Stichproben zeigen, dass ruminatives Coping im Umgang mit dysphorischen oder
depressiven Symptomen zeitliche Stabilität aufweist und den Symp­
tomverlauf negativ beeinflusst. Weitere Studien legen eine Asso­
ziation zwischen BDNF-Val66Met Locus und depressiven Störungen sowie der Depression unterliegenden Endophänotypen nahe.
In der vorliegenden Studie untersuchten wir Assoziationen des
BDNF-Val66Met Polymorphismus mit Depressivität und habitueller Rumination in einer Gemeindestichprobe junger Erwachsener.
Methode: Im Rahmen einer Untersuchung zu ruminativem Coping wurde bei n=117 jungen Erwachsenen (18 – 25, 60 m) der
BDNF-Val66Met Locus genotypisiert. Die Genotypverteilung
(Met / Met n=5, Val / Met n=33, Val / Val n=79) zeigte keine Abweichung von der Hardy-Weinberg-Verteilung. Das Vorliegen einer
lifetime Major Depression (LTD) wurde anhand eines Kriterien­
fragebogens gemäß DSM-IV-TR erhoben. Insgesamt 33 Probanden
(28.0 %) erfüllten die LTD Kriterien. Aktuelle Depressivität wurde
mit dem BDI-II, habituelle Rumination mit dem Response Styles
Questionnaire (RSQ-D) erfasst.
Diskussion / Ergebnisse: In beiden Gruppen mit und ohne LTD
fand sich keine Assoziation zwischen dem BDNF-Genotyp und
Depressivität. In der Gruppe ohne LTD zeigte sich auch kein Zusammenhang mit Rumination. Dagegen resultierte in der Gruppe
mit LTD eine signifikante Interaktion Genotyp * Ersterkrankungsalter (F(1,32) 5.02, p=.014). Bei Personen mit early onset Depres­
sion (<18) wiesen Met-Träger höhere Ruminationswerte auf, auch
unter Kontrolle aktueller Depressivität. Dieser Effekt wird mit zunehmend liberaler LTD-Definition (Ausschluss Behinderungskriterium, Anzahl geforderter Symptome) schwächer. Unsere Ergebnisse liefern Hinweise auf die mögliche Rolle ruminativen Grübelns
als kognitiver Endophänotyp der Depression. Replikationen an
größeren Stichproben sind notwendig.
006
Die Wirkung von Cortisol auf das deklarative Gedächtnis bei Pa­
tienten mit Major Depression
Kirsten Riedesel (UKE Hamburg-Eppendorf, Psychosomatik)
O. T. Wolf, N. Schlosser, M. Driessen, B. Löwe, K. Wingenfeld
Einleitung: Bei gesunden Probanden konnte gezeigt werden, dass
die einmalige Gabe von Cortisol den Abruf deklarativer Gedächtnisinhalte verschlechtert (Kuhlmann et al., 2005). Da die Major
Depression (MD) zum einen durch eine verminderte deklarative
Gedächtnisleistung (Beblo & Herrmann, 2000), zum anderen durch
eine erhöhte basale Cortisolausschüttung und eine verringerte Feed­
backsensitivität der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse gekennzeichnet ist (Musselmann et al., 1998; Barden,
2004), ergibt sich die Frage welchen Einfluss Cortisol auf das de­
klarative Gedächtnis bei Patienten mit MD hat.
Methode: In einem placebo-kontrollierten cross-over Design untersuchten wir daher 22 Patienten mit einer MD und 32 Kontrollpersonen mit einer aus 21 Wörtern bestehenden Wortliste.
Diskussion / Ergebnisse: Erste Ergebnisse zeigen in der PlaceboBedingung eine verringerte deklarative Gedächtnisleistung von depressiven Patienten im Vergleich zur Kontrollgruppe. Nach Cortisolgabe verschlechterte sich die Leistung der depressiven Patienten
nicht, während die Kontrollprobanden im Vergleich zur PlaceboBedingung deutlich weniger Wörter abriefen. Ähnliche Ergebnisse
konnten kürzlich für das autobiographische Gedächtnis bei de­
pressiven Patienten gezeigt werden (Schlosser et al., in press). Möglicherweise ist die relativ gleich bleibende Leistung depressiver
Patienten unter Cortisol auf eine reduzierte Glucocorticoid-Rezeptor-Sensitivität zurückzuführen.
141
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
007
Evidence for a reduced numerical density of S100B-positive astrocytes in depression
Johann Steiner (Universitätsklinikum Magdeburg, Psychiatrie und
Psychotherapie)
W. Lessel, G. Meyer-Lotz, M. L. Schroeter, H. Dobrowolny, H.-G.
Bernstein, T. Gos, B. Bogerts
Introduction: Several very consistent clinical studies observed
in­creased levels of S100B in affective disorders, as reviewed by
Schroeter ML and Steiner J (2009). These elevations of S100B have
been attributed to astrocytic dysfunction. However, histological
data on human post mortem tissue have not been published yet.
Method: To clarify this question, astrocytic and oligodendrocytic
S100B-expression was analyzed by immunohistochemistry in the
pyramidal layer / alveus of the hippocampus, the mediodorsal thalamic nucleus and the superior temporal cortex of 17 depressed
patients and 16 controls from the Magdeburg Brain Collection.
Discussion / Results: The density of S100B-positive astrocytes was
reduced in the pyramidal layer of the hippocampus and the superior temporal cortex of depressed patients (p < 0.05), but not in the
mediodorsal thalamus. No significant diagnosis related changes
were detected regarding S100B-positive oligodendrocytes. Our histological data provide indeed evidence for a numeral reduction of
S100B-positive astrocytes in depression. This is in line with observations by Rajkowska G and Miguel-Hidalgo JJ (2007), who report­
ed reduced densities of GFAP-positive astrocytes in fronto-limbic
brain regions in major depression and bipolar disorders.
008
Einfluss des Blut-Hirn-Schranke Transporters P-Glykoprotein auf
das HHN-System und die Bedeutung für neuroendokrine Mechanismen affektiver Störungen anhand des mdr1ab(-/-) Mausmodells
Yvonne Schönfelder (Psychiatrie und Psychotherapie, Neurochemisches Labor, Mainz)
C. Hiemke, U. Schmitt
Einleitung: P-Glykoprotein (P-gp, MDR1) zeichnet sich durch seine große Vielzahl an Substraten als einer der wichtigsten Effluxtransporter der Blut-Hirn-Schranke aus und dient hierdurch dem
Schutz des Gehirns vor Intoxikation und der Aufrechterhaltung der
Homöostase. Neben dem bereits gut untersuchten Arzneimitteltransport durch das Protein wird jedoch auch der Eintritt endogener Substrate in das Gehirn durch P-gp kontrolliert, so auch der der
Glucocorticoide. Folglich kann die P-gp Effizienz einen Einfluss auf
die hormonelle Regulation der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden- (HHN-) Achse haben.
Methode: Anhand des von A. Schinkel generierten mdr1ab(-/-)
Mausmodells wurde das Verhalten im Vergleich zu wildtypischen
FVB / N Mäuse in verschiedenen ethologischen Paradigmen untersucht (Aktivität – Open field, Novelty – Enriched Open field, Stress
– Forced swim Test, Ängstlichkeit – Elevated Plus maze, Lokomo­
tion – RotaRod). Der Forced swim Test wurde außerdem unter
Verabreichung von Corticosteron und dem Corticosteron-Synthese
Inhibitor Metyrapone durchgeführt, sowie nach akutem Stress in
Form des Restraint Stress. Weiterhin wurden die Corticosteron­
level basal und nach Stress in Gehirn und Blut der Mäuse quantifiziert.
Diskussion / Ergebnisse: Während Schinkel die Knock-out Mäuse
als physiologisch normal, ohne auffälligen Phänotyp beschrieb,
fanden wir hingegen deutliche Verhaltensunterschiede im Open
field und Forced swim Test, die auf einen Stress- und Novelty-bezogenen Phänotyp der P-gp Knock-out Mäuse hindeuten. Die Quantifizierung der Corticosteronlevel sowie Verhaltensuntersuchungen
unter Verabreichung von Corticosteron und Metyrapone unterstützen die Annahme eines Einflusses von P-gp auf das Stressver-
142
halten. Akuter Stress führte im Forced swim Test zu einer stärkeren
Erhöhung der Immobilitätsdauer der Knock-out Mäuse verglichen
mit wildtypischen Mäusen, was in Verbindung mit erhöhten Corticosteronleveln steht. Eine Störung des HHN-Systems sowie erhöhte Cortisolspiegel stellen darüber hinaus neuroendokrinologische
Befunde bei affektiven Störungen dar. Der mdr1ab(-/-) Mausstamm
könnte daher aufgrund seines stresssensiblen Phänotyps ein
„neues“ Mausmodell für depressionsähnliche Symptome darstellen.
009
Do genetic polymorphisms of known candidate genes predict
re­sponse to treatment/remission in patients with major depres­
sion? – data from a naturalistic study on a large sample of in­
patients with major depression
Richard Musil (Psychiatrische Klinik der LMU, Psychopharmakologie, München)
M. Riedel, M. Obermeier, P. Zill, B. Bondy, F. Seemüller, H.-J. Möller
Introduction: Although the majority of patients improve under
antidepressant treatment, still a substantial proportion of depressed
patients do only partially benefit from antidepressant treatment.
Sev­eral clinical and genetic factors have been identified as possible
predictors for response and remission. Results from pharmacogenetic studies have established polymorphisms in the brain-derived
neurothrophic factor gene (BDNF), the tryptophan hydroxylase
gene (TPH) and the serotonin transporter gene (SERT; SLC6A4) as
related to response to therapy. Our objective was to test, if these
candidate genes would be confirmed as predictors of response / remission in a naturalistic study on a sample of inpatients with major
depression.
Method: From 270 patients (110 male, mean age 44.89 ± 12.40 y)
being participants of a larger naturalistic prospective study genetic
material was available. The patients were hospitalized and met
DSM-IV criteria for major depression. Response was defined as
50 % improvement of the total baseline Hamilton Depression scale
(HAMD-21) score and remission as a score of </=7 at discharge.
Common polymorphisms in the BDNF (Val/Met), TPH1 (A218C)
and SERT (Promotor variable repeats) gene were gentoyped. A linear regression model with age, gender, age at onset and HAMD-21
at baseline as covariates and classification and regression trees
(CART) analyses were conducted.
Discussion / Results: The linear regression model revealed the
TPH polymorphism and the combined TPH and BDNF polymorphisms as possible predictors for response, explaining 8 % of the
variance. The CART-analysis also showed a contribution of the
SLC6A4 promotor polymorphism. There were no significant associations of any genetic polymorphism and remission. Despite of
various limitations, our study might contribute in establishing genetic polymorphisms of known candidate genes as possible predictors of treatment response in inpatients with major depression under naturalistic conditions. Thus, these polymorphisms might help
to further characterize a subgroup of patients with a favourable
overall treatment outcome.
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
Freitag, 27. 11. 2009, 13.30 – 15.00 Uhr, Halle 11.1
P-018 Posterpräsentation
Therapie 2 (F3)
Vorsitz: G. Hajak (Regensburg)
001
Achtsamkeitsbasierte Kognitive Therapie der Depression (MBCT)
– Eine Prozessstudie
Zeno Kupper (Universitätsklinik, und Poliklinik für Psychiatrie, Bern,
Schweiz)
E. Aschwanden, C. Bergomi, W. Tschacher
Einleitung: Die Achtsamkeitsbasierte Kognitive Therapie der Depression (Mindfulness Based Cognitive Therapie for Depression,
MBCT, Segal et al. 2001) hat sich in kontrollierten Studien als eine
wirksame Intervention zur Rückfallprophylaxe erwiesen. Bei
P­atienten mit drei oder mehr depressiven Episoden hat MBCT die
Wahrscheinlichkeit eines depressiven Rückfall halbiert. Die Erforschung von Wirkmechanismen und Veränderungsprozessen wurde
bisher jedoch vernachlässigt.
Methode: In dieser Studie wurden Veränderungsprozesse während
MBCT aufgezeichnet und analysiert. Ein neu entwickelter Frage­
bogen wurde von den Patienten täglich während den 50 Tagen der
MBCT beantwortet. Diese 50 Tagesprotokolle enthielten die Be­
urteilung der Stimmung, Fragen zur Achtsamkeit, Fragen zum Erreichen persönlicher Ziele sowie qualitative Fragen zum Tag und
zu den täglichen Achtsamkeitsübungen. Zusätzlich erfolgte eine
ausführliche Anfangs- und Schlusserhebung. 25 Patienten aus
MBCT-Gruppen sowie 25 Kontrollpersonen konnten eingeschlossen werden. Das Vorgehen erlaubte sowohl Einzellfallstudien mit
Zeitreihenanalysen als auch zusammenfassende Analysen auf
Gruppenebene.
Diskussion / Ergebnisse: Vorläufige Ergebnisse aus Einzelfall­
studien weisen darauf hin, dass die quantitativen und qualitative
Masse übereinstimmende Veränderungen anzeigten. Die Analysen
erlaubten die Identifikation von typischen Veränderungsmustern
während MBCT. Es fanden sich sowohl unspezifische Veränderungen (z. B. verbesserte Stimmungswerte) als auch spezifisch erwartete Veränderungen. Es zeigten sich Hinweise auch eine Reduktion
von Rumination, auf die Abnahme von depressionstypischen kognitiven Mustern und eine Stabilisierung der Stimmungslage. Häufig
erlebten die Patienten sowohl eine vermehrte Akzeptanz ihres Er­
lebens als auch vermehrte Möglichkeiten Erfahrungen und Lebenssituationen konstruktiv zu beeinflussen. Das neue Fragenbogen­
instrument ist als Tagesprotokoll in der klinischen Anwendung der
MBCT gut einsetzbar und ermöglicht mit den hier verwendeten
Auswertungsstrategien ein genaueres Verständnis der Veränderungsprozesse während der MBCT. Diese Ergebnisse können zu
einer verbesserten Indikationsstellung und zu einer Weitentwicklung des Therapieansatzes beitragen.
002
Behandlungsergebnisse stationärer Psychotherapie bei Patienten
mit chronischen Depressionen
Robert Mestel (HELIOS Klinik Bad Grönenbach, QualitätssicherungForschung)
J. von Wahlert, H. Oberdieck
Einleitung: Die Literatur kontrollierter Therapiestudien bei Depressionen deutet schlechtere Behandlungsergebnisse bei Patienten
mit chronischen im Gegensatz zu akuten depressiven Störungen
an.
Methode: Analysiert wurden die Daten von 5.612 Patienten, welche sich von 1993 – 2009 in stationärer psychosomatischer Behand­
lung befanden (10,5 % akut; 89,5 % Reha). Diese Patienten wiesen
alle eine unipolare depressive Störung als Hauptdiagnose auf, 17,6
eine akute Depression, die kürzer als zwei Jahre andauerte und
82,4 % eine chronische Depression von mindestens zwei Jahren
Dauer (Untergruppen: 20 % einphasig F32, 51,4 % rezidivierend
F33 und 11 % Dysthymia). 68,3 % waren weiblich, 42,4 % ledig,
31,3 % verheiratet und das mittlere Alter betrug 42 Jahre (SD: 10).
Die psychotherapeutische Behandlung war integrativ (psychodynamisch-humanistisch). 73,3 % erhielten keine antidepressive Medikation, bei 3,9 % wurden Antidepressiva neu angesetzt, bei 15 %
aufrecht erhalten, bei 2,2 % reduziert, bei 1,1 % erhöht und bei 3,7 %
abgesetzt. 90,9 % beendeten die Behandlung regulär. Für die chronisch Depressiven betrug die mittlere Behandlungsdauer 54,6 Tage,
für die akut Depressiven 51 Tage (p< .05; SD jeweils 20,5).
Diskussion / Ergebnisse: Im VEV-K (Veränderung des Erlebens
und Verhaltens) verbesserten sich die dysthymen Patienten signifikant weniger als die akut Depressiven und die einphasigen chronisch Depressiven. Bei allen vier Vergleichsgruppen zeigte sich ein
gleich starker Rückgang der Depressivität (BDI) während der Behandlung. Die Schwere der Depression reduzierte sich während der
Behandlung in allen Gruppen um etwa 50 % bezogen auf die BDI
Ausgangswerte, die Effektstärken lagen alle um 1 (großer Effekt).
Auf dem GSI (SCL-90-R Breitbandsymptomatik) verbesserten sich
die dysthymen Patienten signifikant weniger als die anderen Gruppen (p< .05). Die durch die Therapeuten eingeschätzte Beeinträchtigungsschwere reduzierte sich in der Gruppe der chronischen
re­zidivierenden depressiven Störungen signifikant weniger als bei
den Akut Depressiven und den einphasig chronisch Depressiven.
Schlussfolgerungen: Aus naturalistischen Daten kann im Gegensatz zu einigen kontrollierten Studien nicht herausgelesen werden,
dass chronisch Depressive weniger von stationärer Psychotherapie
profitieren als akut Depressive.
003
Behandlung von Patienten mit atypischer Depression in der Primärversorgung: Post-hoc Analyse einer randomisierten, kontrollierten Studie zur Wirksamkeit von Sertralin und kognitiver Verhaltenstherapie
Antje-Kathrin Allgaier (Klinikum der Univ. München, Klinik für
Kinder- und Jugendpsychiatrie)
V. Henkel, R. Mergl, M. Hautzinger, R. Kohnen, J. C. Coyne, H.-J.
Möller, U. Hegerl
Einleitung: Obwohl atypische Symptome bei Patienten aus der
Primärversorgung häufig zu finden sind, gibt es nur wenige klinische Studien, die die Wirksamkeit von pharmakotherapeutischen
und / oder psychotherapeutischen Behandlungsansätzen zum Gegenstand haben. Im Rahmen dieser Studie wird die Wirksamkeit
von Sertralin und kognitiver Verhaltenstherapie (KVT) bei Patienten mit atypischen Depressionssymptomen untersucht.
Methode: Die Analysen beinhalten einen doppelblinden Vergleich
von Sertralin und Placebo und einen einfach verblindeten Vergleich von KVT und einer unspezifischen Gruppenpsychotherapie.
Primäre Outcome-Maße sind das Inventar Depressiver Symptome
in der Fremdbeurteilungsversion (IDSC) und die Hamilton Depressionsskala in der 17-Item Form (HAMD-17).
Diskussion / Ergebnisse: In Intent-to-treat-Analysen erreichte die
KVT-Gruppe eine signifikant größere Symptomabnahme auf der
IDSC-Skala (und HAMD-17-Skala) als die Gruppe, die unspezifische Therapie erhalten hatte: p=0.01 (HAMD-17: p=0.01). Der Unterschied zwischen Sertralin und Placebo hingegen erwies sich als
nicht signifikant: p=0.22 (HAMD-17: p=0.36). KVT könnte für Patienten mit eher milden, atypischen Depressionssymptomen eine
wirkungsvolle Alternative zu unspezifischer Gruppenpsychotherapie sein. Auch wenn sich für Sertralin keine Überlegenheit gegenüber Placebo gezeigt hat, wäre der Schluss verfrüht, Antidepressiva
143
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
aus der Gruppe der selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer als wirksame Behandlungsform für atypische Depression auszuschließen.
004
Prädiktoren des Behandlungserfolgs bei rezidivierender Depres­
sion nach kognitiv-behavioraler Erhaltungstherapie vs. manualisierter Psychoedukation
Anne Katrin Risch (Universität Jena, Klin.-Psycholog. Intervention)
U. Stangier, T. Heidenreich, M. Hautzinger, A. Barocka, R. Schlösser
Einleitung: Die unipolare Depression ist nach Schätzung der Weltgesundheitsorganisation die häufigste psychische Störung im Erwachsenalter und gehört zu den Hauptursachen für durch Behinderung beeinträchtigte Lebensjahre (WHO, 2004). Eine Ursache
dafür ist der meist rezidivierenden Verlauf der Störung. Trotz erfolgreicher pharmakologischer und psychotherapeutischer Erhaltungstherapien sind die Rückfallraten hoch. Bisher ist wenig über
die differentielle Wirksamkeit verschiedener Behandlungsformen
bei bestimmten Patientengruppen bekannt.
Methode: Im Rahmen einer multizentrischen, kontrollierten randomisierten Studie zur Langzeitwirkung von kognitiv-behavioraler
Erhaltungstherapie (Cognitive-behavioural Maintenance Therapy,
CBMT) vs. Psychoedukation (Manualized Psychoeducation, MAPE),
wurde daher der Einfluss klinischer (z. B. Anzahl Rezidive, Erst­
erkrankungsalter) und psychologischer (z. B. dysfunktionale Kognitionen, psychologisches Wohlbefinden) Risiko- und Schutzfaktoren auf das Rückfallgeschehen untersucht. Einschlusskriterien für
die Studie waren die Diagnose einer remittierten rezidivierenden
Depression (ICD-10 F33.4) und mindestens 3 depressive Episoden
in der Vorgeschichte. Ausschlusskriterien waren organische psy­
chische Störungen, psychische und Verhaltensstörungen durch
psychotrope Substanzen, Schizophrenie, schizotype und wahnhafte
Störungen; biploare Störungen; geistige Behinderung; akute Suizidalität; schwere komorbide organmedizinische Erkrankungen. Alle
Patienten erhielten eine psychiatrische Routinebehandlung und,
randomisiert zugewiesen, entweder CMBT oder MAPE. Depress­
ive Rückfälle wurden mit dem LIFE/SCID (Keller, 1987) erfasst.
Diskussion / Ergebnisse: Die Ergebnisse der Prädiktoranalysen für
den Zeitraum bis zum 1-Jahres-Follow-up werden bis zum Zeitpunkt des Kongresses vorliegen.
005
Geschlechtsspezifische Unterschiede bei Patienten mit Bipolaren
Manien in der stationären psychiatrischen Versorgung
Rahul Sarkar (Vivantes Humboldt-Klinikum, Psychiatrie und Psychotherapie, Berlin)
M. de Groot, S. Effenberger, P. Bräunig
Einleitung: Die Datenlage bezüglich geschlechtsspezifischer Unterschiede bei der bipolaren affektiven Störung zeigt, dass es signifikante Differenzen zwischen Männern und Frauen im klinischen
Bild, der Prävalenz und des Verlaufes der Erkrankung gibt. Studienergebnisse legen dar, dass Frauen mehr depressive Symptome
während der ersten bipolaren Episode aufweisen, häufiger an Misch­
zuständen leiden, die Dauer zwischen dem ersten Auftreten einer
depressiven Episode und dem ersten Auftreten einer manischen
oder hypomanischen Episode im Vergleich zu Männern größer ist,
dass die Prävalenz von „rapid cycling“ Verläufen bei Frauen erhöht
ist und das Frauen häufiger komorbide Achse-I Störungen aufweisen. Nicht eindeutig hingegen ist die Datenlage ob Frauen mehr
depressive und weniger manische Phasen erleben als Männer und
bezüglich demographischer Variablen.
Methode: Auf Basis einer Kohorte manischer Patienten aus der
stationären Versorgung werden bisherige Erkenntnisse zu Geschlechtsunterschieden Bipolarer Störungen überprüft. In die Untersuchung werden 82 manische Patienten aus einer psychiatri-
144
schen Klinik mit regionalem Versorgungsauftrag einbezogen. Die
retro­spektive Analyse verfolgt das Ziel demografische Variablen
(Alter, Familienstand, Wohnsituation, Arbeitssituation) und klinische Merkmale (Diagnose, Komorbidität, Liegedauer, Rechtstatus
inkl. Fixierung) manischer Patienten auf Geschlechtsunterschiede
zu untersuchen. Es werden nur Patienten mit Manie aus 2 Jahren
(2006 – 2008) berücksichtigt. Die psychiatrische Diagnostik erfolgt
nach den Kriterien der ICD-10.
Diskussion / Ergebnisse: Das Verhältnis von Männern und Frauen
beträgt 2:1 (65,4 % vs. 35,6 %) und kann durch die höhere Prävalenz
von manischen Episoden bei männlichen Bipolaren Patienten erklärt werden. Im Gegensatz zur Annahme Bipolare Frauen leiden
häufiger an psychiatrischen Komorbiditäten, weisen Männer im
Vergleich zu Frauen signifikant häufiger komorbide psychiatrische
Störungen auf (χ2=6.170, p=.013, Cramer‘s V=.28, OR=3.3).
Männer sind ebenfalls häufiger mehrfach psychiatrisch komorbid
(definiert als bipolare Manie und ≥ 2 weitere psychiatrische Diagnosen; χ2=4.190, p=.041, Cramer‘s V=.23, OR=3.5) und weisen
eine deutlich längere Liegedauer in der stationären Versorgung auf
(t=-2.398, df=79, p=.019, d=0.56). Es gibt keine Geschlechtsunterschiede hinsichtlich Alter, Wohnsituation, Rechtsstatus, Fixierung
und Unterbringung.
006
Unerfahrenheit im Umgang mit Computern bei Depression – eine
moderne Variante der sozialen Stigmatisierung?
Bernhard Weber (Klinikum Goethe Universität, Psychiatrie und Psychotherapie, Frankfurt)
V. Gapp, N. Helbing, B. Schneider, T. Wetterling, J. Fritze
Einleitung: Computernutzung ist in vielen Berufen unabdingbar
und durch das Internet haben Computer inzwischen auch einen
wichtigen Stellenwert für die informelle und gesellschaftliche
Teilhabe. Obwohl Einschränkungen in diesem Bereich für psychiatrisch Kranke gravierende Konsequenzen haben können, gibt es
hierzu kaum Daten.
Methode: Im Rahmen einer Studie zur Akzeptanz computerisierter
Tests wurden 73 Patienten mit rezidivierender depressiver Störung
(ICD-10: F33) und 73 nach Alter und Geschlecht gematchte ge­
sunde Kontrollen mit Instrumenten zur Erfassung der PatientComputer-Interaktion untersucht. Es handelte sich in beiden
Gruppen um 46 Frauen und 27 Männer mit einem mittleren Alter
von 49,3 ± 13,5 Jahren. Erfasst wurde die Computererfahrung mit
dem Demographischen Fragebogen zum Umgang mit Computern
(DF, Weil & Rosen, 1995). Zur Messung der Computereinstellung
wurde die deutsche Übersetzung der Groningen Computer Attitude Scale (GCAS, Bouman et al., 1989) verwendet. Da zur Messung der Wahrnehmung der Testsituation kein etabliertes Verfahren vorliegt, wurde ein Patient Computer Questionnaire (PCQ)
selbst entwickelt und validiert.
Diskussion / Ergebnisse: Von den gesunden Kontrollen besaßen
nur 14 % keinen Computer, bei den depressiven Patienten war es
hingegen fast ein Drittel (31 %; Chi2=5,99, p=0,01). Sowohl in der
Computererfahrung (DF; Z=3,26; p=0,001) wie auch in der Computereinstellung (GCAS; Z=2,96; p=0,003) und dem Computererleben in der Testsituation (PCQ; Z=4,75; p=0,000002) schnitten die
depressiven Patienten im Vergleich mit den gesunden Kontrollen
signifikant schlechter ab. Der Befund, dass depressive Patienten im
Vergleich zu alters- und geschlechts-gematchten Kontrollpersonen
weniger Computererfahrung haben und seltener einen Computer
besitzen, wurde bisher nicht berichtet. Die hohe Krankheitsbürde
der Depression (Yach et al., 2004) führt offenbar auch dazu, dass die
Patienten weniger Zugang zu computerunterstützten Technologien
haben. Dem sollte im Rahmen therapeutischer Maßnahmen ent­
gegengewirkt werden.
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
007
Dimensionen von langfristigem Therapieerfolg in der stationären
Depressionsbehandlung
Alessa von Wolff (Universitätsklinikum Freiburg, Psychiatrie und
Psychotherapie)
L. Kriston, L. Hölzel, M. Härter, H. Linster
Einleitung: Unipolare Depressionen gehören zu den häufigsten
Erkrankungen und sind mit schwerwiegenden persönlichen und
volkswirtschaftlichen Folgen verbunden. Wichtig bei der Betrachtung verschiedener Prädiktoren für den Erfolg von stationären Behandlungen ist, dass der Zusammenhang zwischen untersuchten
Variablen und späterem Behandlungserfolg stark davon abhängt,
wie Therapieerfolg definiert (operationalisiert) wird. Ziel der vorliegenden Arbeit war es zu untersuchen, welche Dimensionen von
Therapieerfolg in einer Katamneseerhebung ein Jahr nach der Entlassung aus der stationären Depressionsbehandlung ermitteln werden können.
Methode: Die Untersuchung wurde anhand von routinemäßig erhobenen Daten des Universitätsklinikums Freiburg durchgeführt.
Stationär behandelte Patienten mit einer unipolaren oder rezidivierenden Depression wurden eingeschlossen. Es wurden explorative
und konfirmatorische Faktorenanalysen berechnet.
Diskussion / Ergebnisse: Bei einer Stichprobe von 124 stationären
Patienten mit der Diagnose einer einzelnen depressiven Episode
oder einer rezidivierenden depressiven Störung konnten drei Faktoren von Therapieerfolg ermittelt werden, die sich bezüglich der
Art der Kriterienbildung unterscheiden. Dabei handelt es sich um
die Faktoren Grad der Zielerreichung (z. B. Remission), Differenz
zwischen Anfangs- und Abschlusszustand (z. B. Response) und
Grad der (Patienten-)Zufriedenheit. Zudem implizierten die mittleren Korrelationen zwischen diesen Faktoren, dass ein übergeordnetes Konstrukt Therapieerfolg definiert werden kann. Langfristiger Therapieerfolg kann als übergeordnetes Konstrukt mit drei
untergeordneten Dimensionen betrachtet werden, die sich durch
die Art der Kriterienbildung unterscheiden. Je nach Definition
können unterschiedliche Aussagen über den Erfolg einer Behandlung zustande kommen.
008
Vorhersage von langfristigem Therapieerfolg in der stationären
Depressionsbehandlung
Alessa von Wolff (Universitätsklinikum Freiburg, Psychiatrie und
Psychotherapie)
L. Hölzel, L. Kriston, H. Linster, M. Härter
Einleitung: Unipolare Depressionen gehören zu den häufigsten
Erkrankungen und sind mit schwerwiegenden persönlichen und
volkswirtschaftlichen Folgen verbunden. Dank einem breiten Spektrum psychotherapeutischer und pharmakologischer Interventionen ist die stationäre Behandlung von Depressionen bereits sehr
effektiv. Eine weitere Optimierung, gerade was den langfristigen
Therapieerfolg betrifft, ist dennoch wünschenswert. Dazu ist es
wichtig, Prädiktoren für den langfristigen Erfolg einer Behandlung
zu ermitteln. Ziel der vorliegenden Arbeit war es, für drei verschiedene Definitionen vom langfristigen Therapieerfolg (Katamneseerhebung ein Jahr nach der Entlassung aus der stationären Behandlung) Prädiktoren zu identifizieren. Als mögliche Prädiktoren
wurden soziodemographische und klinische Patientenmerkmals,
sowie behandlungsbezogene Variablen verwendet. Bei den The­
rapieerfolgskriterien handelte es sich um die Veränderung der Depressivität zwischen Aufnahme und Katamnese (BDI), die Lebensqualität zum Katamnesezeitpunkt (WHOQOL-BREF) sowie die
globale Beurteilung der Behandlung durch die Patienten.
Methode: Die Untersuchung wurde anhand von routinemäßig erhobenen Behandlungs- und Katamnesedaten des Universitätsklinikums Freiburg durchgeführt. Stationäre behandelte Patienten mit
einer unipolaren oder rezidivierenden Depression wurden ein­
geschlossen. Für die Vorhersagen wurden Allgemeine Lineare Modelle berechnet.
Diskussion / Ergebnisse: Bei einer Stichprobe von 124 stationären
Patienten konnten für die Vorhersage der drei Therapieerfolgskriterien jeweils unterschiedliche Prädiktoren identifiziert werden. Für
alle Therapieerfolgskriterien ließen sich Modelle zur Vorhersage
identifizieren, die einen Großteil der Varianz in dem Zielkriterium
aufklärten (40,8 % bis 64,7 %). Bei den Prädiktoren handelte es sich
vorwiegend um soziodemografische sowie klinische Patientenmerkmale, wohingegen Merkmale der Behandlung nur unzureichend zur Vorhersage des langfristigen Therapieerfolgs geeignet
waren. Der Zusammenhang zwischen Prädiktoren und späterem
Behandlungserfolg wird stark von der Operationalisierung des
Therapieerfolg beeinflusst. Konsequenzen für eine weitere Optimierung der stationären Depressionsbehandlung werden diskutiert.
009
Sekundärprävention affektiver Störungen bei Älteren mittels
normobarer Oxigenierung oder moderatem Ausdauertraining
(SALOME-Studie)
Gerhard Eschweiler (UKPP Tübingen, Geriatrisches Zentrum)
C. Laske, G. Straten, S. Bosch, J. E. Schaefer, B. Ludescher, A. Hipp,
A. Niess, A. Fritsche, J. Machann, F. Schick
Einleitung: Angesichts der wachsenden Zahl depressiver älterer
Menschen und wachsender Kenntnisse über metabolische und andere somatische Komorbiditäten bei depressiven Störungen sind
innovative Präventionsstrategien erforderlich. Diese nicht-pharma­
kologische randomisierte, prospektive Studie in Kooperation mit
der Sportmedizin, Diabetologie und Radiologie stellt die Frage:
Bietet angeleitete körperliche Aktivität bei rezidivierender depressiver Störung eine bessere Rezidivprävention im Vergleich zu einer
Scheinintervention (Sauerstoffinhalationstherapie)?
Methode: Von 2006 bis 2008 konnten 146 Patienten in der Psychia­
trischen Klinik Tübingen gescreent werden. 61 wurden randomisiert und in die Studie aufgenommen. Die anderen 85 nicht eingeschlossenen Patienten wiesen verschiedene Ausschlußkriterien auf
bzw. lehnten ab. Die Patienten waren im Mittel 62 Jahre alt, wie erwartet überwiegend weiblich und wiesen eine monopolar rezidivierende Depression in der Vorgeschichte auf. Die meisten Patienten
erhielten ein Antidepressivum und teilweise auch Stimmungsstabilisierer. Die Patienten erhielten dreimal pro Woche eine Bewegungsintervention (Nordic Walking) oder eine passive Sauerstoff­
inhalation jeweils in der Gruppe.
Diskussion / Ergebnisse: Während der Studie traten nur wenige
Zwischenfälle mit anschließendem Drop-out auf, die keinen ursächlichen Zusammenhang mit der Bewegungstherapie bzw. der
Sauerstofftherapie aufwiesen. Es traten 3 Rezidive (Relapse) in der
Sauerstoffgruppe (11 %) und 1 in Bewegungsgruppe (4,5 %) in eine
erneute Depression innerhalb der ersten 6 Monate auf. Somit gab es
keinen signifikanten Unterschied im primären Outcome. Die Zeit
bis T1 (6 Monate) erscheint noch zu kurz für eine endgültige
Aussage. Der HAMD besserte sich in der Bewegungsgruppe um
2 Punkte, während er sich in der Sauerstoffgruppe um 1 Punkt abnahm. Als Fazit ist festzuhalten, dass die älteren Patienten nach einer Depression in kleinen Gruppen trainierbar sind und eine hohe
Therapiebindung aufweisen. Es ist zu hoffen, dass bei Entblindung
der 12 Monatsdaten im Herbst 2009 und beim Follow-up nach
24 –36 Monaten ein signifikant besserer psychopathologischer Zustand der Patienten erreicht werden kann. Wir danken der Landesstiftung Baden-Württemberg gGmbH für die großzügige Förderung des Projekts.
145
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
010
Prävention von Depression im Jugendalter: Entwicklung und Evaluation einer Aufklärungsbroschüre. Ergebnisse einer Pilotstudie
Antje-Kathrin Allgaier (Klinikum der Univ. München, Klinik für
Kinder- und Jugendpsychiatrie)
Y. Schiller, B. Saravo, G. Schulte-Körne
Einleitung: Etwa 50 % der depressiven Störungen beginnen bereits
im Kindes- und Jugendalter. Da die ersten Symptome meist unspezifisch sind, werden sie von den Betroffenen selbst und ihren Eltern
oft nicht als mögliche Anzeichen einer beginnenden depressiven
Erkrankung erkannt. Wissenslücken, aber auch Angst vor Stigmatisierung führen dazu, dass Betroffene häufig keine Hilfe in Anspruch nehmen oder sich erst spät in Behandlung begeben. Die
positive Wirkung von Aufklärungskampagnen für die Versorgungs­
situation erwachsener Depressiver zeigt, dass Betroffene früher die
Behandlungsbedürftigkeit ihrer Symptomatik erkennen und professionelle Hilfe suchen. Entsprechende Initiativen, die speziell auf
die Altersgruppe der Jugendlichen abzielen, fehlen jedoch bislang.
Methode: Als erster Schritt zu einer vergleichbaren Initiative für
das Kindes- und Jugendalter wird im Rahmen unseres Projekts eine
Aufklärungsbroschüre zu depressiven Störungen entwickelt, die explizit an Jugendliche adressiert ist. Die Broschüre richtet sich sowohl an Betroffene im Sinne sekundär- und tertiärpräventiver Ansätze als auch primärpräventiv an nicht betroffene Jugendliche.
Ziele sind Wissensvermittlung und Einstellungsänderung im Sinne
eines Abbaus von Vorurteilen. Die Broschüre wird in einer Pilotphase an einer Stichprobe von 100 Münchner Hauptschülern,
Realschülern und Gymnasiasten hinsichtlich Wissenszuwachs,
Verständlichkeit und Akzeptanz in einem Prä-Post-Design mittels
Fragebögen untersucht.
Diskussion / Ergebnisse: Die Broschüre wird derzeit konzipiert
und soll auf dem Kongress vorgestellt und in der Expertenrunde
diskutiert werden. Erste Ergebnisse der Pilotstudie werden berichtet. Dabei werden zum einen Daten zu Vorwissen und Einstellung
zu Depression sowie die Evaluationsergebnisse zum Wissenszuwachs präsentiert. Zum anderen werden die Fragebogendaten zur
Bewertung der Broschüre durch die Zielgruppe dargestellt. Ausblick: Aufbauend auf den Ergebnissen der Pilotstudie und den
Diskussionsbeiträgen der Kongressteilnehmer wird die Broschüre
weiter überarbeitet und an einer repräsentativen Stichprobe von
500 Hauptschülern, Realschülern und Gymnasiasten aus München
Stadt und Land in einem Prä-, Post-, Follow-up-Design evaluiert.
Donnerstag, 26. 11. 2009, 13.30 – 15.00 Uhr, Halle 11.1
P-019 Posterpräsentation
Affektive Störungen 1
Vorsitz: T. Schläpfer (Bonn)
001
Depressive Störungen: Gibt es moderierende Effekte durch adulte
Lebensereignisse bei traumatischen Kindheitserfahrungen?
Katja Appel (Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Psychiatrie und Psychotherapie, Greifswald)
J. Mahler, A. Schulz, H. Völzke, C. Spitzer, H. J. Freyberger, H. Grabe
Einleitung: Frühkindliche traumatische Erfahrungen stellen einen
bedeutsamen Risikofaktor für das Auftreten späterer psychischer
Erkrankungen dar. Interessant ist in diesem Zusammenhang die
Frage, inwiefern diese Assoziation durch das Auftreten adulter belastender Lebensereignisse moderiert wird. In der vorliegenden
Arbeit wird die Interaktion zwischen traumatischen Erlebnissen im
146
Kindesalter und Lebensereignissen im Erwachsenenalter auf die
aktuelle Depressivität einer Allgemeinbevölkerungsstichprobe untersucht.
Methode: In der derzeit laufenden Studie SHIP-LEGENDE (LifeEvents and Gene-Environment-Interaction in Depression) wurden
bei n=1322 Probanden (Stand Juni 2009) (Durchschnittsalter 56,5)
frühkindliche Traumata mit dem Childhood Trauma Questionnaire (CTQ), adulte Lebensereignisse lifetime, der letzten 12 Monate und 5 Jahre mit der Stralsunder Ereignisliste (SEL) und aktuelle
Depressivität mit dem Beck-Depressions-Inventar (BDI-II, revidierte Form) erfasst.
Diskussion / Ergebnisse: In preliminären Analysen zeigte sich die
Assoziation von frühkindlichen Stressoren und aktueller Depressivität als hochsignifikant (p<.001; F=25,712). Ebenfalls sehr bedeutsam war der Zusammenhang zwischen adulten Lebensereignissen
sowohl lifetime (p<.001; F=40.61), als auch innerhalb der letzten
5 Jahre (p<.001; F=40.42) und 12 Monate (p<.001; F=49.37), und
aktueller Depressivität. Die Interaktion zwischen dem Gesamtwert
frühkindlicher Traumata und adulten Lebensereignissen wurde in
keinem Fall signifikant. Bei der Spezifizierung der Traumata zeigten sich folgende signifikante Interaktionseffekte: Emotionale Vernachlässigung in der Kindheit und Ausmaß der Life Events über
die gesamte Lebensspanne (p=.007; F=7.38); sexueller Missbrauch
und belastende Lebensereignisse in den letzten 12 Monaten
(p=.003; F=8.68); sexueller Missbrauch und Lebensereignisse innerhalb der letzten 5 Jahre (p=.005; F=8.05). Sowohl frühkindliche
Traumata als auch adulte belastende Lebensereignisse sind hoch
mit aktueller Depressivität assoziiert. Für den interaktionalen Einfluss dieser beiden Faktoren scheint es wichtig zu sein, welche
frühen traumatischen Ereignisse erlebt werden. Im Besonderen interagiert kindlicher sexueller Missbrauch hochsignifikant mit der
Anzahl der Lebensereignisse in den letzten 12 Monaten und 5 Jahren auf die aktuelle Depressivität. Gleiches gilt für emotionale Vernachlässigung im Zusammenhang mit adulten Lebensereignissen
über die gesamte Lebensspanne.
002
Alexithymie und frühe traumatische Lebensereignisse in einer
nicht-klinischen Stichprobe
Sabine Aust (Freie Universität Berlin, Languages of Emotion Cluster)
E. Alkan-Härtwig, C. Crayen, G. Klann-Delius, I. Heuser, M. Bajbouj
Einleitung: In einer nicht-klinischen Stichprobe wurde der Zusammenhang zwischen Alexithymie und frühen traumatischen
Lebensereignissen untersucht sowie die Eignung der Variable
„Trauma“ zur Differenzierung des Alexithymie-Konstrukts geprüft.
Unter Alexithymie versteht man die beeinträchtigte Fähigkeit eigene Emotionen oder emotionale Aspekte sozialer Interaktion zu
identifizieren, zu decodieren und zu kommunizieren. In neueren
Forschungsarbeiten wird zunehmend gefordert, das Konstrukt
„Alexithymie“ differenzierter zu betrachten, um interindividuellen
Unterschieden besser gerecht zu werden. Der bisher einzige Differenzierungsansatz – die Unterteilung des Konstrukts in eine kognitive und eine emotionale Komponente – findet in empirischen Arbeiten bislang nur wenig Beachtung, was den Bedarf nach neuen
Ansätzen rechtfertigt. Sowohl ätiologietheoretisch als auch mit
Blick auf empirische Vorbefunde aus klinischen Stichproben kann
ein Zusammenhang zwischen Alexithymie und früher Traumatisierung vermutet werden, so dass die Untersuchung der Variable
„Trauma“ als möglicher Differenzierungsparameter vielversprechend erscheint.
Methode: Frühe traumatische Lebensereignisse wurden mittels
Fragebogen (Childhood Trauma Questionnaire; CTQ) und Interview (Early Trauma Inventory; ETI) in einer nicht-klinischen hoch
alexithymen Stichprobe (N = 62) untersucht. Zur Alexithymie-Erfassung wurde zunächst die Toronto-Alexithymie-Skala (TAS-20)
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
als Screeninginstrument verwendet, die weitere Diagnostik erfolgte
mit der deutschen Version des Bermond-Vorst-AlexithymiaQuestionnaire (BVAQ). Zum Ausschluss psychischer Störungen
kam das MINI International Interview zum Einsatz.
Diskussion / Ergebnisse: Es zeigt sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen Alexithymie und dem Erleben früher emotionaler Traumata (CTQ-Subskala „emotionale Vernachlässigung“).
Ein den Zusammenhang moderierender Einfluss psychischer Störungen kann aufgrund der psychopathologischen Diagnostik ausgeschlossen werden. Im Widerspruch zu bisherigen klinischen Untersuchungen zeigt sich kein Zusammenhang zwischen Alexithymie
und körperlichen oder sexuellen Traumata. Hochalexithyme mit
positiver Traumaanamnese unterscheiden sich signifikant von
Hochalexithymen ohne Trauma hinsichtlich der kognitiven Alexithymie-Dimension „Identifizieren“ und der emotionalen Alexithymie-Dimension „Fantasieren“ sowie hinsichtlich des BVAQ-­
Gesamtwertes. Die Variable „Trauma“ scheint sich somit als
Differenzierungsparameter für Alexithymie zu eignen. Als Konsequenz dieser Befunde werden neurobiologische Korrelate der Emotionsverarbeitung bei Alexithymie in Abhängigkeit von frühen
traumatischen Lebensereignissen mittels funktioneller Magnet­
resonanztomographie (fMRT) untersucht.
003
Interaktion zwischen 5-HTTLPR-Polymorphismen und frühen Traumatisierungen bei depressiven Störungen im Erwachsenenalter
Jessie Mahler (Universität Greifswald, Psychiatrie und Psychotherapie)
K. Appel, A. Schulz, D. Rosskopf, H. J. Freyberger, H. J. Grabe
Einleitung: Die Ergebnisse verschiedener Forschungsbemühungen
lassen eine Interaktion von funktionellen Polymorphismen in der
Promoterregion des Serotonintransportergens (5-HTTLPR) und
dem Risiko einer Major Depression infolge belastender Lebensereignisse vermuten. Insbesondere Traumatisierungen im Kindesund Jugendalter stellen einen Risikofaktor für die Ausprägung
einer Major Depression im Erwachsenenalter dar. Jedoch sind die
bisherigen Befunde nicht ganz eindeutig. Angesichts der Befund­
lage geht die vorliegende Arbeit der Frage nach, inwiefern funktionelle 5-HTTLPR-Polymorphismen in der Interaktion mit aversiven
Lebensbedingungen und Traumatisierungen im Kindes- und Jugend­
alter die depressive Symptomatik im Erwachsenenalter moderieren.
Methode: Für n = 1536 Probanden (Stand Juni 2009) der prospektiven, epidemiologischen Allgemeinbevölkerungsstudie Study of
Health in Pomerania (SHIP) wurden in der derzeit laufenden assoziierten, DFG-geförderten Studie SHIP-LEGENDE (Life-Events
and Gene-Environment-Interaction in Depression) psychische Störungen (DIA-X-Interview nach DSM-IV), kindliche Lebensbedingungen (CTQ, Childhood Trauma Questionnaire) und aktuelle
Depressivität (BDI-II, Beck-Depressions-Inventar, revidierte Form)
erfasst. Alle Probanden wurden bezüglich des 5-HTTLPR (s-,
l-Allele) und des A/G-Polymorphismus des SLC6A4 genotypisiert.
Diskussion / Ergebnisse: Signifikante Zusammenhänge zwischen
adulter Depressivität und Missbrauch (emotional: p < .01; körperlich: p < .01; sexuell: p < .01) sowie Vernachlässigung (körperlich:
p < .01; emotional: p < .01) im Kindes- und Jugendalter können in
varianzanalytischen Überprüfungen gezeigt werden. Interaktionsanalysen zwischen frühkindlich emotionalem sowie sexuellem
Missbrauch und dem 5-HTTLPR-Polymorphismus auf Depres­
sivität im Erwachsenenalter ergeben einen signifikanten Effekt
(p < .01, adjustiert für Geschlecht und Alter). Hierbei weisen die
Träger des l-Allels eine höhere Symptombelastung auf. Für körperlichen Missbrauch sowie emotionale oder körperliche Vernachlässigung können keine signifikanten Interaktionseffekte nachgewiesen werden. Inwieweit Zufallseffekte an den Ergebnissen beteiligt
sind, muss kritisch diskutiert werden. Die Analyse der DSM-IV
Diagnosen einer „lifetime depression“ steht noch aus.
004
Die Assoziation zwischen frühkindlichen traumatischen Lebensereignissen und Depressivität – eine allgemeinbevölkerungs­
basierte Studie
Andrea Schulz (Universität Greifswald, FB Psychiatrie Uniklinikum)
K. Appel, J. Mahler, C. Spitzer, H. Völzke, H. J. Freyberger, H. J. Grabe
Einleitung: Besonders frühkindliche kritische Lebensereignisse
werden für eine lebenslang erhöhte Vulnerabilität für psychische
Erkrankungen verantwortlich gemacht. Die vorliegende präliminäre Analyse untersucht den Zusammenhang zwischen dem Erleben
kindlicher Traumata und dem Auftreten depressiver Störungen im
Erwachsenenalter. Es wird angenommen, dass das Erleben frühkindlicher traumatischer Erfahrungen die Vulnerabilität für depressive Störungen erhöht. Mit dem „Childhood Trauma Questionnaire“ (CTQ) werden retrospektiv emotionale und körperliche
Vernachlässigung sowie emotionaler, körperlicher und sexueller
Missbrauch erfasst.
Methode: 1619 Probanden (Stand Juni 2009) (29 – 89 Jahre) der
epidemiologischen Allgemeinbevölkerungsstudie Study of Health
in Pomerania (SHIP) wurden in der Studie SHIP-LEGENDE
(Life-Events and Gene-Environment Interaction in Depression)
hinsichtlich psychischer Störungen (DIA-X), traumatischer Erfahrungen in der Kindheit (CTQ) und aktueller Depressivität (BeckDepressions-Inventar; BDI-II) erfasst.
Diskussion / Ergebnisse: Die präliminären Analysen ergaben, dass
Personen mit traumatischen Erfahrungen im Kindesalter signifikant höhere Werte aktueller depressiver Symptomatik aufweisen als
die Kontrollgruppe (für alle CTQ-Kategorien p < .000). Es zeigt
sich, dass die Assoziation zwischen kindlichen Traumata und Depressivität zusätzlich durch Alter und Geschlecht beeinflusst wird.
Frauen berichten über signifikant mehr aktuelle Depressivität sowie über mehr emotionalen (p < .000) und sexuellen (p < .000)
Missbrauch, während Männer mehr körperlichen Missbrauch (p =
.002) und körperliche Vernachlässigung (p = .002) schildern. Die
Zusammenhänge zwischen kindlichen Traumata und Depressivität
bei jüngeren Personen (bis 56 Jahre) sind hoch signifikant (p < .000),
während bei älteren Männer der Zusammenhang nur beim CTQGesamtwert (r = .108, p = .029) und bei körperlicher Vernachlässigung (r = 150, p = .003) gilt. Bei älteren Frauen lassen sich die beschriebenen signifikanten Zusammenhänge ebenfalls nachzuweisen
(Ausnahme: sexueller Missbrauch). Die teststatistische Überprüfung der DSM-IV Diagnose einer „lifetime depression“ stehen noch
aus. Traumatische Erfahrungen im Kindesalter sind mit Auftreten
und Schweregrad depressiver Symptomatik im Erwachsenenalter
assoziiert. Darüber hinaus deuten die Ergebnisse an, dass bei
einzelnen Traumakategorien (z. B. körperlicher Missbrauch) Geschlecht und Alter in Interaktion einen differenziellen Einfluss auf
das Wirken von kindlichen Traumata auf Depressivität haben.
005
Depressive Störungen: Gibt es interaktive Effekte zwischen negativen Lebensereignissen und Resilienz?
Andrea Schulz (Universität Greifswald, FB Psychiatrie Uniklinikum)
K. Appel, J. Mahler, C. Spitzer, H. Völzke, H. J. Freyberger, H. J.
Grabe
Einleitung: Aus der Life-Event-Forschung ist bekannt, dass kritische Lebensereignisse von großer Relevanz für das Auftreten einer
Depression sind. Allerdings erkrankt nur ein Teil der von kritischen
Lebensereignissen betroffenen Menschen an einer depressiven Störung. Protektiven Faktoren kommen hierbei eine entscheidende
Rolle zu. Als protektiver Faktor wird das Persönlichkeitsmerkmal
Resilienz vermutet. Resilienz beschreibt eine innere psychische
Widerstandsfähigkeit, die dazu führt, dass einige Personen trotz
147
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
ausgeprägter Belastungen und Risiken gesund und unbelastet bleiben. Untersucht wird, ob eine hohe Resilienz protektive Effekte
hinsichtlich der Wirkung negativer Lebensereignisse auf depressive
Erkrankungen im Erwachsenenalter hat.
Methode: 1619 Probanden (Stand Juni 2009) (29 – 89 Jahre) der
Allgemeinbevölkerungsstudie Study of Health in Pomerania (SHIP)
wurden in der Studie SHIP-LEGENDE (Life-Events and Gene-­
Environment Interaction in Depression) hinsichtlich psychischer
Störungen (DIA-X), belastender Lebensereignisse (Stralsunder Ereignisliste; SEL), Resilienz (Resilienzskala-25) und aktueller Depressivität (Beck-Depressions-Inventar; BDI-II) erfasst.
Diskussion / Ergebnisse: Die präliminären Analysen ergaben,
dass kritische Lebensereignisse (F = 51,870, p = .000) und Resilienz
(F = 135,634, p = .000) als Haupt- und Interaktionseffekt (F =
14.202, p = .000) signifikant auf den aktuellen Depressionswert wirken. Personen mit einer Vielzahl negativer Lebensereignisse weisen
höhere aktuelle Depressionswerte (BDI-Wert) auf als Personen mit
wenigen. Darüber hinaus zeigte sich, dass Personen, die eine Vielzahl negativer Lebensereignisse angaben und zusätzlich über eine
hohe Resilienz verfügen, niedrigere Depressionswerte aufweisen
als Personen ohne diesen protektiven Faktor. Die Untersuchung
der DSM-IV-Diagnose einer „lifetime depression“, der aktuellen
Lebensereignisse und Alters- und Geschlechtseffekte werden diskutiert. Kritische Lebensereignisse als auch das Persönlichkeitsmerkmal Resilienz sind mit dem Auftreten depressiver Sympto­
matik im Erwachsenenalter assoziiert. Es bestehen Hinweise, dass
zwar viele kritische Lebensereignisse das Auftreten einer depressiven Symptomatik im Erwachsenenalter wahrscheinlich machen,
dass aber erst das Vorhandensein einer geringen Resilienz diese
Effekte hinsichtlich der Depressionsschwere verstärken.
006
Reproduktive Auffälligkeiten bei Frauen mit bipolarer Erkrankung
vor Therapie mit Phasenprophylaxe
Stephanie Krüger (Charite Berlin, Psychiatrie)
N. Schoofs, F. Chen, R. Pietsch, P. Bräunig
Einleitung: Reproduktive Auffälligkeiten bei Frauen mit bipolarer
Erkrankung werden häufig ursächlich auf die medikamentöse Therapie der bipolaren Erkrankung zurückgeführt. Kaum bekannt ist,
ob Frauen mit bipolaren Erkrankungen per se ein erhöhtes Risiko
für hormonelle Störungen aufweisen und Psychopharmaka dieses
lediglich verstärken.
Methode: 52 Frauen mit bipolarer Erkrankung im gebärfähigen
Alter und ohne psychopharmakogene Medikation wurden in die
Studie eingeschlossen. Die medizinische, psychiatrische und reproduktive (inklusive Premenstruelle Dysphorische Störung, PMDS)
Krankengeschichte wurde erhoben. Blutproben zur Ermittlung der
Sexualhormonspiegel wurden entnommen. Ein gynäkologischer
Ultraschall wurde durchgeführt, um die Diagnose des Polyzystischen Ovar Syndroms, PCOS, stellen zu können. Der aktuelle und
vor Erstmanifestation der Erkrankung bestehende BMI wurde
berechnet. Daten zur Binge-Eating-Störung wurden erhoben.
Diskussion / Ergebnisse: PCOS konnte bei 6 (12,5 %)der Frauen
diagnostiziert werden. In 10 (23,3 %) Fällen konnte in den Blutproben eine Hyperandrogenämie festgestellt werden. Die Kriterien für
Binge-Eating erfüllten 15 (28,8 %) der Frauen, 3 (5,8 %) litten unter
partiellem Binge-Eating. Aktuell lag der durchschnittliche BMI
bei 25 (SD 5,0), während er vor Manifestation der Erkrankung bei
22,7 (SD 4,3) lag. 37 (71,2 %)Frauen litten an einer oder mehreren
Zyklusunregelmäßigkeiten. Von einem stark ausgeprägten PMDS
waren 14 (26,9 %) betroffen.
148
007
Prävalenz depressiver Erkrankungen bei Patientinnen mit Endometriose
Stephanie Krüger (Charite Berlin, Psychiatrie)
L. Schute, A. Ebert, P. Bräuning
Einleitung: Die Endometriose stellt mit einer geschätzten Prävalenz von 10 – 15 % eine häufige Erkrankung von Frauen im reproduktionsfähigen Alter dar. Die hohe Morbidität und die funktionellen und qualitativen Einschränkungen, die sich aus der Erkrankung
ergeben, legen nahe, dass die Prävalenz seelischer Auffälligkeiten in
dieser Patientengruppe hoch ist. Unsere Studie soll zur Klärung der
Prävalenz von depressiven Symptomen bei Patientinnen mit Endometriose beitragen.
Methode: 150 Patientinnen des Endometriosezentrums Stufe III
im Vivantes Humboldt- Klinikum in Berlin, Lehrkrankenhaus der
Charité, mit laparoskopisch diagnostizierter Endometriose, wurden mittels Depressionsskalen (BDI, HAMDS) nach depressiver
Symptomatik befragt.
Diskussion / Ergebnisse: Der Mittelwert für den BDI lag bei 11,4
(Standardabweichung 9,1), und für die HAMDS bei 10,6 (SD 8,1).
Gemäß BDI hatten 47 (31 %) bzw. 25 (17 %) Patientinnen eine
leichte (BDI 11-17) bzw. klinisch relevante (BDI >18) Depression.
Nach der Schweregradeinteilung mit der HAMDS litten 56 (37,3 %)
Patientinnen unter einer leichten Depression (HAMDS 10 – 20), 12
(8 %) unter einer mittelschweren Depression (HAMDS 20 – 30)
und 6 (4 %) unter einer schweren Depression (HAMDS >30). Die
Prävalenz von Depression liegt damit für Endometriosepatien­
tinnen über dem Schnitt der Allgemeinbevölkerung von 10 – 15 %.
Die regelmäßige pharmakologische und psychologische Therapie
dieser Patientinnen hat in das Versorgungssystem bisher jedoch
keinen Eingang gefunden.
008
Psychiatrische Versorgung von psychisch erkrankten Frauen in
Schwangerschaft und Stillzeit: Therapieangebote einer Spezialsprechstunde und Beschreibung der Stichprobe
Karin Metz (Universitätsklinikum Dresden, Psychiatrie und Psychotherapie)
S. Schnoor, J. Junge-Hoffmeister, K. Weidner, J. Sasse
Einleitung: 15 % der Frauen leiden peripartal an einer behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung. Die Versorgungslage
dieser Frauen ist bislang unzureichend, nicht zuletzt aufgrund des
unzureichenden Wissens über die Erkrankungsbilder sowie einer
zurückhaltenden Einstellung bzgl. einer pharmakologischen Behandlung im Rahmen der Schwangerschaft und Stillzeit.
Methode: Ziele des Beitrags sind (1) die Beschreibung der Patientengruppe, die am Universitätsklinikum Dresden die Spezialsprechstunde „Behandlung psychischer Erkrankungen in Schwangerschaft und Stillzeit“ in Anspruch nimmt, sowie (2) die Vorstellung
der pharmakologischen und psychotherapeutischen Behandlungsmöglichkeiten. Zu (1): Im Rahmen einer Querschnittserhebung
werden mithilfe einer standardisierten Fragebogenbatterie im Zeitraum von April bis August 2009 alle Frauen der Spezialsprechstunde (N=50) hinsichtlich soziodemographischer und symptomspezifischer Variablen sowie hinsichtlich der Behandlungsmethoden
erfasst und deskriptiv ausgewertet. Zu (2): Unter Berücksichtigung
der aktuellen Literatur wird ein Überblick über den Wissenstand
der Behandlung psychisch erkrankter Schwangeren und Mütter gegeben.
Diskussion / Ergebnisse: Zu (1): Daten zu Alter, Familienstand,
Geburts- und Schwangerschaftsanamnese, Krankheitsgeschichte,
Störungsbild, Partnerschaft, etc. werden vorgestellt, ebenso wie
Daten zur Art der Medikation und anderen Therapiemethoden. Zu
(2): Es erfolgt eine Darstellung des sinnvollen Einsatzes psycho­
troper Substanzen in diesem besonderen Lebensabschnitt sowie die
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
damit verbundene Nutzen- Risiko- Abwägung. Psychologische Interventionen und deren Effektivität werden erläutert. Ein aktuell
beginnendes Forschungsprojekt zur Verbesserung der Versorgungs­
lage psychisch erkrankter Frauen in Schwangerschaft und Stillzeit
wird vorgestellt.
009
Interdisziplinäre Behandlung bei schweren psychiatrischen Erkrankungen in der Schwangerschaft: Zwei Kasuistiken
Torsten Grüttert (Krankenhaus Maria-Hilf Krefeld, Psychiatrie und
Psychotherapie)
R. Bodden-Heidrich, G. Rogmans, N. Heinzel, A. Horn
Einleitung: Zwei Kasuistiken Rezidivierte schwere depressive Episode in der Schwangerschaft Emotional instabile Persönlichkeitsstörung und Schwangerschaft
Methode: Die 37 jährige IV Gravida III. Para stellte sich in der
12. Schwangerschaftswoche mit schwerer Depression und hoher
Ambivalenz zur Schwangerschaft vor. In den drei vorangegangenen
Schwangerschaften hatte sie jeweils schwere Depressionen jedoch
ohne Behandlung gehabt, worin die hohe Ambivalenz mit Erwägung einer Abruptio bestand. Wir behandelten die Patientin stationär mit täglich stützend supportiver Psychotherapie unter Einbezug der Seelsorge sowie konsiliar fortgesetzter Behandlung bei der
Frauenärztin. Ab der 15. SSW stellten wir sie auf Sertralin ein, wegen der klinisch schweren Symptomatik erhöhten wir die Dosis bis
100 mg. Zur Entbindung reduzierten wir Sertralin und bezogen
auch die zukünftige Hebamme sowie den Kinderarzt im Hinblick
auf die Planung des Stillens mit ein. In der 38. SSW kam es zur
komplikationslosen Spontanentbindung von einem Mädchen. Der
postpartale Verlauf erwies sich bei fortgesetzter Betreuung von der
Frauenärztin und Psychiaterin im Wochenbett als unauffällig.
Diskussion / Ergebnisse: Die 28 jährige III Gravida II Para wurde
in der 13. SSW bei dekompensierter Affektlabilität bei bekannter
emotional instabiler Persönlichkeitsstörung nach Absetzen der
Psychopharmaka (SSRI + Perazin in auswärtiger Behandlung) stationär aufgenommen. Es erfolgte eine hochfrequente psychiatrische Behandlung unter Einbezug eines Fertigkeitentraining (Skills),
Einzelpsychotherapie und sozialpädagogischer Betreuung. Die
Patientin wurde nach 12 Wochen in die ambulante Behandlung unserer Klinik entlassen und wohnt unterdessen in unmittelbarer
Nähe der Klinik, so dass ein hochfrequenter und spontaner Kontakt möglich ist. In beiden Fällen wurde im Rahmen der geburts­
hilf­lichen Betreuung eine pränatale Diagnostik nach Degum II
vor­genommen sowie regelmäßige hochfrequente geburtshilfliche
Schwangerschaftsbetreuung.
010
Risikofaktoren für chronische Depression: eine systematische
Übersichtsarbeit
Levente Kriston (Universitätsklinikum Hamburg, Medizinische Psychologie)
L. Hölzel, C. Reese, M. Härter
Einleitung: Es wird geschätzt, dass bei jedem fünften bis sechsten
Patienten mit einer akuten depressiven Episode auch nach zwei
Jahren noch keine relevante Besserung der Symptomatik eintritt
und sich in Folge dessen eine chronische Depression entwickelt.
Zahlreiche Befunde belegen die negativen Auswirkungen, die eine
chronische Depression auf die Betroffenen, die Angehörigen und
die Gesellschaft hat. Die Risikofaktoren für chronische Depression
wurden in mehreren Studien untersucht, wobei die Ergebnisse dieser Studien in vielen Fallen heterogen und teilweise widersprüchlich ausfallen.
Methode: Es wurde eine systematische Übersichtsarbeit zu Risikofaktoren für chronische Depressionen erstellt, um die vorhandenen
Einzelbefunde zu strukturieren und zu integrieren. Aktuelle Ver-
fahren für die Metaanalyse für Beobachtungsstudien wurden verwendet. Die Datenauswertung wurde mittels Vote-Counting durchgeführt.
Diskussion / Ergebnisse: Es wurden 25 relevante Primarstudien
mit insgesamt 5192 Studienteilnehmern identifiziert und in die sy­
stematische Übersichtsarbeit eingeschlossen. Die Studien wiesen
hinsichtlich der untersuchten Studienpopulationen, der Studiendesigns, der methodischen Qualität, der untersuchten Risikofaktoren
und der Ergebnisse eine große Heterogenität auf. Es konnte für folgende Risikofaktoren empirische Evidenz bestimmt werden: das
Vorkommen von affektiven Störungen in der Familiengeschichte,
jüngeres Ersterkrankungsalter und längere Dauer der depressiven
Episode. Folgende Faktoren traten gehäuft in Verbindung mit chronischer Depression auf: psychische Komorbidität in Form von
Angststörungen, Persönlichkeitsstörungen, Substanzabusus, geringe soziale Integration, negative soziale Interaktion und eine schwächere depressive Symptomatik. Dabei blieb die Richtung des kau­
salen Zusammenhangs aufgrund des Querschnittdesigns dieser
Studien unklar. Die Ergebnisse der durchgeführten systematischen
Übersichtsarbeit belegen die Relevanz einer frühzeitigen Diagno­
stik und Therapie von Depressionen, da eine längere Dauer der depressiven Episode die Wahrscheinlichkeit für eine Chronifizierung
der Depression erhöht. Weitere Forschung insbesondere in Form
prospektiver Kohortenstudien (die die Überprüfung von kausalen
Zusammenhängen ermöglichen) ist nötig, um aussagekräftige empirische Evidenz für die Risikofaktoren für chronische Depression
zu erhalten.
011
Veränderungen im autonomen Nervensystem bei Angehörigen
ersten Grades depressiver Patienten
Sandy Berger (Uniklinik Jena, Psychiatrie)
C. Kletta, S. Schulz, A. Voss, K.-J. Bär
Einleitung: Es ist bekannt, dass depressive Patienten ein erhöhtes
Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen besitzen. Dabei konnte
einerseits eine Reduktion der Herzratenvariabilität und eine verminderte Baroreflexsensitivität, aber auch eine Erhöhung der sympathischen QT-Variabilität gezeigt werden. Ziel dieser Studie war
die Untersuchung erstgradiger Angehöriger depressiver Patienten,
um zu erfassen, ob diese ähnliche Veränderungen der autonomen
Parameter aufweisen.
Methode: Wir schlossen 30 Angehörige ersten Grades (Geschwi­
ster und Kinder) von depressiven Patienten in unsere Studie ein
und verglichen die Ergebnisse mit denen von 30 gesunden Kon­
trollpersonen. Für die Teilnehmer beider Gruppen wurde eine
sensitive autonome Analyse unternommen (Task Force Monitor®,
Austria). Die erhobenen kardiovaskulären Parameter umfassten
die Herzratenvariabilität,die Blutdruckvariabilität sowie die Baroreflexsensitivität und den QTVi (QT variability index).
Diskussion / Ergebnisse: In der Gruppe der Angehörigen konnten
wir eine signifikant erhöhte Herzfrequenz sowie einen erhöhten
QTVi zeigen. Außerdem war der RMSSD (Root Mean Squared of
Successive Difference) der Herzratenvariabilität sowie der RMSSD
des diastolischen Blutdrucks in der Angehörigengruppe signifikant
reduziert. Ein Trend konnte für die Komplexität der Herzratenvariabilität erhoben werden, welche bei den Angehörigen signifikant
niedriger als bei den Kontrollen war. Diese Ergebnisse spiegeln eine
Dysfunktion der kardiovaskulären Regulation bei Angehörigen
ersten Grades depressiver Patienten wider. Insbesondere scheinen
Parameter der Blutdruckvariabilität Unterschiede widerzuspiegeln.
Daneben waren die Herzfrequenz sowie der QTVi als sympathischer Parameter gegenüber der Kontrollgruppe deutlich erhöht.
Diese Daten lassen vermuten, dass die kardiovaskuläre Dysfunk­
tion in der Depression einem genetischen Einfluss unterliegt.
149
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
012
Belastungen und Copingstrategien bei Angehörigen von Patienten mit bipolarer Störung
Sabine Demelbauer (Gießhübl bei Wien, Österreich)
A. Berg, B. Breit-Gabauer, G. Lenz, I. Stampfer
Einleitung: Im Rahmen der Wiener Studie zur Kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) bei bipolarer Störung an der Verhaltenstherapie-Ambulanz der Universitätsklinik für Psychiatrie Wien wurden
100 manisch-depressive Patienten randomisiert entweder mit KVT
(14 Wochen, 1x wö) oder mit 3x Psychoedukation (PE) zusätzlich
zu einer laufenden Phasenprophylaxe behandelt.
Methode: 95 Angehörige erhielten entweder eine eigene 8 Std PEGruppe oder nahmen an der PE-Gruppe der Patienten teil. Die vorliegende Untersuchung befasst sich ausschließlich mit den Ange­
hörigen, deren Belastungen und Copingstrategien zu Beginn der
Studie und drei Monate nach Intervention. Hierfür wurde ein
Angehörigen-Interview zur Erkennung von Frühwarnsymptomen
bei den Patienten und zu den eigenen Copingstrategien entwickelt
(Urteilerübereinstimmung (Cohen‘s κ) zwischen Original- und
Kontrollauswertung sehr zufriedenstellend (alle Werte > ,70); Itemschwierigkeitsindizes (Maximalwert ,25); Reliabilitäten zwischen
-,096 und +,568)).
Diskussion / Ergebnisse: Es zeigt sich für die Gesamtgruppe der
Angehörigen, dass durch die Einbeziehung in den Therapieprozess
die Belastungswerte der Angehörigen signifikant abnehmen (Multivariate Varianzanalyse, p=,032). Teilweise zeigt sich KVT über­
legen zu PE: Angehörige der KVT Gruppe gelingt es signifikant
häufiger die Frühwarnsymptome von Manie zu lernen (Χ² : p=,006),
für Frühwarnsymptome der Depression ist diese Tendenz beobachtbar, aber nicht signifikant (p=,386). Die Angehörigen der KVT
verfügen weiters nach drei Monaten über signifikant mehr positive
Copingstrategien zum Umgang mit Depression beim Patienten
(Multivariate Varianzanalyse für abhängige Stichproben, p=,000).
Bei den Copingstrategien zum Umgang mit Manie bei den Patienten profitieren beide Gruppen in gleicher Weise von der Interven­
tion und es zeigen sich tendenzelle Zeiteffekte (Multivariate Varianzanalyse für abhängige Stichproben (p=,098). Die Ergebnisse
sprechen dafür, dass es von großer Bedeutung ist Angehörige in
den Therapieprozess des Patienten mit einzubeziehen und dass die
Wirksamkeit von KVT der von PE in den untersuchten Bereichen
überlegen ist.
013
Belastungsempfinden von Angehörigen bipolarer Patienten.
Zwischenergebnisse der Multizenterstudie des Arbeitskreises Junge Wissenschaftler der DGBS e.V.
Rita Schmid (Klinik für Psychiatrie, Versorgungsforschung, Regensburg)
M. Schmink, A. Pfennig, H. Spießl, M. Bauer
Einleitung: Nachhaltig wirksame und effiziente Unterstützung
setzt Kenntnis der spezifischen Belastungen der Angehörigen psychisch Kranker voraus. Während im Bereich der schizophrenen
Störungen systematische diagnosenspezifische Untersuchungen
zum Belastungsempfinden und zu Möglichkeiten der Belastungsreduktion der Angehörigen vorliegen, fehlen im deutschsprachigen
Raum Untersuchungen zum Belastungsempfinden von Angehörigen von Patienten mit bipolaren Störungen. Erste angloamerikanische Studien weisen jedoch auf eine spezifische und besonders
hohe Betroffenheit dieser Angehörigen hin. Ebenso gibt es bisher
noch kaum Untersuchungen und Therapiemanuale bzgl. der Möglichkeiten der Belastungsreduktion dieser Angehörigenklientel.
Methode: Auf der Grundlage einer qualitativen Studie (Schmid et
al. 2007) über die spezifischen Belastungen von Angehörigen von
Patienten mit bipolaren affektiven Störungen sowie einer Sichtung
der international am häufigsten eingesetzten Belastungsfragebö-
150
gen, wurde ein Fragebogen entwickelt, der die Belastungen von Angehörigen bipolar Erkrankter erfasst. Dieser Fragebogen wird in
Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Bipolare Störungen (DGBS e.V.) seit Dezember 2008 im Rahmen einer Multizenterstudie bundesweit an zwölf psychiatrischen Universitätskliniken und Fachkliniken eingesetzt. Die Rekrutierung geschieht in
drei Subgruppen: (1) Rekrutierung von Angehörigen, welche in einer Selbsthilfegruppe organisiert und bei der DGBS e.V. gemeldet
sind, (2) Angehörige, die an einer (psychoedukativen) Angehörigengruppe an einer der zwölf kooperierenden Kliniken teilnehmen
und (3) über Patienten auf den Stationen und Ambulanzen der
Studienzentren und somit Angehörige, die weder in einer Selbstnoch Angehörigengruppe partizipieren. Eine Stichprobengröße
von mindestens 500 Angehörigen wird angestrebt.
Diskussion / Ergebnisse: Ergebnisse der 9-Monats-Zwischenauswertung werden vorgestellt und diskutiert. Ziel des Forschungsvorhaben ist einerseits ein umfassendes deutschsprachiges Instrument
zur Erhebung der Belastungssituation dieser Angehörigengruppe
zu generieren und andererseits „Hoch-Risiko-Angehörige“ identifizieren zu können, welche infolge ihrer Überlastung ggf. selbst
gefährdet sind, psychisch zu erkranken. Ferner sollen in einem
zweiten Schritt aus den erhobenen Belastungsfaktoren konkrete
Handlungsbedarfe und mögliche Interventionen zur Belastungsreduktion der Angehörigen von bipolar erkrankten Patienten abgeleitet und in einer nachfolgenden kontrollierten Multizenterstudie
auf ihre Effektivität und Effizienz hin überprüft werden.
Freitag, 27. 11. 2009, 13.30 – 15.00 Uhr, Halle 11.1
P-020 Posterpräsentation / Poster Presentation
Pharmakotherapie (F3)
Vorsitz: G. Laux (Wasserburg)
001
Metaanalyse placebokontrollierter klinischer Studien mit Escitalopram und Agomelatin
Thomas Messer (Bezirkskrankenhaus Augsburg, Psychiatrie II)
J. Schnitker, M. Friede
Einleitung: Bisher liegen keine direkten Vergleichsstudien zwischen Escitalopram und Agomelatin vor. Um die Wirksamkeit und
Verträglichkeit beider Antidepressiva zu vergleichen, wurde eine
indirekte Meta-Analyse placebokontrollierter Studien durchgeführt.
Methode: Mittels Literaturrecherche und des EMEA-Reports zu
Agomelatin wurden placebokontrollierte Akutstudien von Escitalopram (ESC) und Agomelatin (AGO) recherchiert. Metaanalytisch
wurde die Wirksamkeit mittels standardisierter mittlerer Differenzen (SMD)gegenüber Placebo kalkuliert. Die Verträglichkeit wurde
mittels Abbruchraten wegen unerwünschter Ereignisse analysiert.
Diskussion / Ergebnisse: 1. 5 bzw. 6 placebo-kontrollierte klinische
Studien mit ESC bzw. AGO wurden ausgewertet. 2. Die Designs der
Studien unterschieden sich nicht. 3. Auswertung quantitativer Endpunkte (MADRS, HAM-D) bei niedriger Dosierung (ESC: 10mg/d;
AGO: 25mg/d)
Wirkstoff_________SMD______95-CI _________ p-Wert
Escitalopram ______0.319___0.19-0.45 ______< 0.0001
Agomelatin________0.242___0.04-0.27______= 0.0098
Der Vergleich ESC und AGO ist statistisch signifikant (p=0.041).
4. Auswertung quantitativer Endpunkte (MADRS, HAM-D) bei
hoher Dosierung (ESC: 20mg/d; AGO: 50mg/d)
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
Wirkstoff_________SMD_______95-CI_________p-Wert
Escitalopram_____0.459 ____0.32–0.60______< 0.0001
Agomelatin_______ 0.242___-0.09–0.57______= 0.1488
Der Vergleich ESC und AGO ist stati­stisch signifikant (p= 0.016).
5. Die Analyse der Abbruchraten wegen unerwünschter Ereignisse
zeigte
Wirkstoff__________ OR ______95-CI_______p-Wert
Escitalopram______2.90____ 1.28–6.54____= 0.0104
Agomelatin________1.34____0.69–2.63____= 0.3893
Der Unterschied ist nicht signifikant (p= 0.154). Fazit: Diese indirekte Meta-Analyse zeigt im primären Zielkriterium der klinischen
Studien, dass die Effektstärke beim Escitalopram gegenüber Placebo statistisch signifikant der von Agomelatin versus Placebo überlegen ist. Die Verträglichkeit erwies sich als gleich gut.
002
Neuroendokrinologische Wirkungen von Lithium auf den CortisolRegelkreis von depressiv Erkrankten
Patricia Rowena Winkelmann (Universitätsklinikum Dresden, Klinik
für Psychiatrie)
U. Lewitzka, D. Ritter, S. Erbe, T. Bschor
Einleitung: Da die medikamentös antidepressive Behandlung
zur Remission der pathologischen Überstimulierbarkeit des
Hypo­t halamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Regelkreises
(HPA-Achse) im kombinierten Dex / CRH-Test führt, wurde eine
direkte Einwirkung von Antidepressiva auf die HPA-Achse postuliert. Analog sollte geklärt werden, ob die für die Lithiumaugmentation gezeigte Stimulierbarkeit der HPA-Achse auch bei Lithiummonotherapie feststellbar ist.
Methode: Patienten mit Major Depression (unipolar) (SKID I-ge­
sichert) wurden 28 Tage mit Lithiummonotherapie (Serumspiegel
0,6 – 0,8 mmol / l) behandelt. An den Tagen 0 und 28 erfolgte ein
kombinierter Dex / CRH-Test. Als Response wurde eine Reduktion
des HAMD21 um mindestens 50 % definiert.
Diskussion / Ergebnisse: 30 Patienten mit Major Depression
(15 Frauen, 15 Männer, Alter 45,97 ± 10,93) wurden eingeschlossen. 15 Patienten (8 Frauen, 7 Männer) respondierten. Bei 10 kam
es zur Remission (HAMD21<7). Signifikant unterschieden sich
Responder (R) und Non-Responder (NR) hinsichtlich der Anzahl
depressiver Episoden. Bei R betrugen diese 2,80 ± 1,82, bei NR 0,73
± 0,96. Von 9Patienten mit erster Majorer Depression respondierte
nur ein Patient. Vor der Lithiumbehandlung zeigten R (ACTHbasal
14,06 pg / ml ± 1,88) signifikant niedrigere ACTH-Werte als NR
(18,64 pg / ml ± 10,27). Während der Lithiumbehandlung zeigten
sich signifikant erhöhte ACTH- und Cortisol-Werte. Tendentiell
waren ACTH- und Cortisol-Werte bei den R in der Wiederholungsuntersuchung höher. In der getrennten Betrachtung zeigten
sich bei den R unter Lithiumbehandlung signifikant höhere Hormon-Werte. Diskussion: Der Dex / CRH-Test erwies sich als Re­
sponseprädiktor, da sich spätere R durch signifikant niedrigere
ACTHbasal–Werte auszeichneten. Unter Lithiumbehandlung stiegen ACTH- und Cortisol-Werte bei R signifikant. Dies stellt den
Zusammenhang zwischen Rückgang der Überstimulierbarkeit im
Dex/CRH-Test als Voraussetzung für die Besserung der Depression
in Frage. Die HPA-Achsen-aktivierenden Effekte stellen am Ehesten eine direkte Lithiumwirkung auf diesen Regelkreis dar und stehen in Einklang mit Erkenntnissen aus Tierversuchen. Patienten
mit rezidivierender Depression hatten eine deutlich höhere Chance, auf die Lithiumbehandlung anzusprechen. Dieses Ergebnis spiegelt die klinische Praxis wider, in der Lithium eine herausragende
Rolle in der Rezidivprophylaxe affektiver Störungen spielt.
003
The inhibitory effects of antidepressants on neuroinflamma­
tion
Bernhard Baune (James Cook University, Dept. of Psychiatry, Townsville, Australien)
D. Janssen, J. Verster
Introduction: To review the current knowledge on the influence of
anti­depressants on factors of the immune system, such as cyto­
kines.
Method: Systematic review of the literature over the past 20 years
on the influence of antidepressants on cytokines and neuroinflammation.
Discussion / Results: Growing evidence suggests that antidepressants influence cytokine plasma levels. In particular, evidence suggests that, different antidepressants normalize the sensitivity of the
glucocorticoid receptors, which occurs normalization of the hypothalamo-pituitary-adrenocortical (HPA) axis activity and the production of Tumor necrosis factor alpha (TNF-α). Although
different methods of research come with different outcomes it is
thought that antidepressants seem to normalize cytokine levels of
interleukin (IL) 1β, IL-6, TNF- α and interferon gamma (IFN-γ).
It is unclear whether the normalization is a direct effect of the antidepressants, or that cytokine levels normalize after mood improvement. There is almost no literature on the association between polymorphisms of cytokines and the influence on treatment response.
Cytokines are regulated by antidepressants which down regulate
the inflammatory response. The mechanisms by which neuroinflammation is inhibited through antidepressants involves cytokine
pathways.
004
Genexpression in Hypothalamus und Hippocampus nach Behandlung mit Johanniskrautextrakt (STW 3-VI) oder Fluoxetin in einem
Modell für chronischen Stress
Peggy Jungke (University of Florida, Department of Pharmaceutics,
Gainesville, USA)
G. Ostrow, J. Li, C. Kolb, O. Kelber, K. Nieber, V. Butterweck
Einleitung: Johanniskraut ist bei leichten bis mittelschweren depressiven Episoden wirksam, wie jüngst durch eine Cochrane-Analyse bestätigt wurde. Ein wichtiger Risikofaktor für die Auslösung
depressiver Episoden ist chronischer Stress.
Methode: Daher wurde die vorliegende Untersuchung in einem
Modell für chronischen Stress (1 h/d Restraint Stress über 21 Tage
bei männlichen Sprague-Dawley-Ratten) durchgeführt. Untersucht
wurde die Wirkung einer täglichen oralen Behandlung mit einem
Johanniskrautextrakt mit belegter klinischer Wirksamkeit (STW
3-VI, 250 und 500 mg / kg) im Vergleich zu Fluoxetin (10 mg / kg)
und Placebo. Daten zu neuroethologischen und biochemischen Parametern liegen bereits vor. Nunmehr wurde die Genexpression in
Hypothalamus und Hippocampus untersucht, wobei der Affymetrix gene chip Rat Genome 230 2.0 verwendet wurde, der mehr als
30.000 Transkripte erfasst. Die Auswertung der Microarray-Daten
erfolgte mittels Limma Analyse und der PANTHER Database.
Diskussion / Ergebnisse: Erste Ergebnisse aus dem Hippocampus
zeigen, dass chronischer Stress über 21 Tage zu einer differentiellen
Regulation von 256 Genen im Vergleich zur ungestressten Kontrollgruppe führte, während Behandlung mit Fluoxetin bei gestressten Tieren 43 Gene beeinflusste. Nach Behandlung mit 250 mg / kg
STW 3-VI bei chronischem Stress traten Veränderungen bei 140
Genen auf, nach Behandlung mit 500 mg / kg bei 223 Genen. In allen Gruppen wurde eine Reihe von Pathways identifiziert, die Links
zwischen den verschiedenen Hypothesen der Entstehung einer Depression darstellen. Von Genexpressionsprofilen aus dem Hypothalamus dürften künftig zusätzliche Informationen über zerebrale
Mechanismen bei der Depression zu erwarten sein.
151
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
005
Widersprüchliche Evidenz auf höchster Ebene: Gibt es Unterschiede in der Wirksamkeit von neuen Antidepressiva? Eine systematische Gegenüberstellung zweier Metaanalysen
Levente Kriston (Universitätsklinikum Hamburg, Medizinische Psychologie)
L. Hölzel, A. von Wolff, M. Härter
Einleitung: Kürzlich wurden zwei unabhängige Metaanalysen veröffentlicht, die die Wirksamkeit und Sicherheit neuer Antidepressiva vergleichend untersuchten. In den Annals of Internal Medicine
wurde Ende 2008 ein Beitrag publiziert, der zu der Schlussfolgerung kommt, dass die Wirksamkeit neuer Antidepressiva vergleichbar sei. Anfang 2009 folgerte dagegen eine andere Forschergruppe
in The Lancet, dass Unterschiede zwischen den Präparaten existieren. Das Ziel der Arbeit war zu untersuchen, wie die Unterschiede
in den Schlussfolgerungen der beiden Metaanalysen erklärt werden
können.
Methode: Zwei unabhängigen Autoren verglichen die Metaanalysen mit Hilfe des Quality of Reporting of Meta-Analysis (QUOROM) Statements miteinander. Dabei wurden die Arbeiten für
jedes Item der QUOROM Checkliste beschrieben und eine vergleichende Beurteilung getroffen. Die Ergebnise wurde im Rahmen
einer Gruppendiskussion aller Beteiligten konzertiert.
Diskussion / Ergebnisse: Die vorliegende Untersuchung läuft bis
September 2009. Zwischenergebnisse weisen darauf hin, dass beide
Metaanalysen ähnliche Zielsetzungen formulierten und nur leicht
abweichende statistische Methoden verwendeten. Unterschiede
existieren bei der Literaturrecherche und Formulierung der Einund Ausschlusskriterien. Es macht sich jedoch vor Allem ein unterschiedlicher Fokus der beiden Metaanalysen bemerkbar. Dabei
weist die eine Arbeit einen eher globalen und wissenschaftlich gesteuerten Charakter auf, während die andere nach spezifischen und
praxisnahen Empfehlungen suchte. Die Bewertung von Information aus qualitativ hochwertigen Metaanalysen setzt eine Klärung
der eigenen Annahmen, Theorien und Zielsetzungen voraus. Die
Frage „Wer hat recht?“ kann ohne die Berücksichtigung vom Kontext der Fragestellung nicht beantwortet werden. Die Vorstellung
einer „allgemeingültigen Evidenz“ ist aufgrund der Komplexität
der Versorgungsrealität manchmal von geringem Nutzen.
006
Aripiprazol-Monotherapie der akuten Manie bei Bipolar-I-Störung:
eine randomisierte, Plazebo- und Haloperidol-kontrollierte Studie
(CN138-162)
Sabine Marbach (Bristol-Myers Squibb, Neuroscience, München)
M. Ebrecht, C. Werner, S. Modell, A. Dillenschneider, R. Sanchez,
R. D. McQuade, A. Torbeyns
Einleitung: Ziel dieser Studie war die Untersuchung von Wirksamkeit und Verträglichkeit einer Monotherapie mit Aripiprazol im
Rahmen der Akut- und Erhaltungstherapie der Manie bei BipolarI-Störung.
Methode: Eingeschlossen wurden Patienten, die aufgrund einer
akuten manischen oder gemischt-affektiven Episode einer BipolarI-Störung (Young Mania Rating-Skala [YMRS]-Gesamtscore ≥20)
stationär aufgenommen wurden. Die Patienten erhielten doppel­
blind 1:1:1 randomisiert Aripiprazol (15 oder 30 mg / Tag; n=167),
Plazebo (n=153) oder Haloperidol (5 – 15 mg / Tag; n=165) über
3 Wochen, und anschließend weitere 9 Wochen doppelblind Haloperidol oder Aripiprazol. Wirksamkeitsparameter waren die mittlere Veränderung des YMRS-Gesamtscores gegenüber der Baseline
zur 3. (primärer Endpunkt) und 12. Behandlungswoche, die mittlere Veränderung der Bipolar-Version der Clinical Global Impression
Skala (CGI-BP), die Ansprechrate (≥50 % Verbesserung des YMRSGesamtscores) sowie die Remissionsrate (YMRS-Gesamtscore ≤12).
Diskussion / Ergebnisse: Die mittlere Veränderung des YMRS-
152
Gesamtscores war in der 3. Woche (LOCF) unter Aripiprazol
(-12,0; p=0,039) und Haloperidol (-12,8; p=0,005) signifikant
größer als unter Plazebo (-9,7); Verbesserungen wurden bis zur
12. Woche mit Aripiprazol (-17,2) und Haloperidol (-17,8) aufrechterhalten. Der mittlere CGI-BP-Krankheitsschwerescore (Manie) verbesserte sich gegenüber der Baseline bei mit Aripiprazol
(-1,4; p=0,044) und Haloperidol (-1,6; p=0,004) behandelten Pa­
tienten in Woche 3 signifikant stärker als bei Plazebo (-1,2),und
noch deutlicher in Woche 12 sowohl bei Aripiprazol (-1,2) als auch
bei Haloperidol (-2,2). Die Ansprechraten waren in der 3. Woche
unter Aripiprazol (47,0 %; p=0,145) und Haloperidol (49,7 %;
p=0,069) numerisch höher als unter Plazebo (38,2 %) und stiegen
bis zur 12. Woche unter Aripiprazol (72,3 %) und Haloperidol
(73,9 %) an. Die Remissionsraten zeigten ein ähnliches Muster.
Aripiprazol wurde gut vertragen. Extrapyramidale Nebenwirkungen traten unter Haloperidol häufiger als unter Aripiprazol auf
(53,3 % vs. 23,5 %). Nach Woche 12 wurde bei 5,1 % der Patienten
unter Aripiprazol und bei 5,8 % der Patienten unter Haloperidol
eine klinisch relevante Gewichtszunahme beobachtet (n.s.). Ebenfalls in der 12. Woche waren unter Aripiprazol weniger potentiell
klinisch relevante Veränderungen des Prolaktinspiegels zu verzeichnen (22,4 %) als unter Haloperidol (66,2 %).
007
Hoch dosierter Johanniskrautextrakt STW 3-VI ist sicher und effektiv bei leichter Depression in allen Altersklassen – Ergebnis einer
Reanalyse
Jürgen Müller (Steigerwald Arzneimittelwerk, KliFo, Darmstadt)
C. Kolb, O. Kelber, D. Weiser
Einleitung: In einer früher durchgeführten Anwendungsbeobachtung mit hochdosiertem Johanniskrautextrakt (Laif® 900, Tages­
dosis 1x1 Tablette) in 783 hausärztlichen Praxen wurden 4188 Pa­
tienten mit den wesentlichen ICD-10 Störungsbildern leichte
Depression, mittelgradige Depression und Dysthymie über 12 Wochen behandelt. Die Hamilton-Depressionsskala (HAM-D) diente
zur Schweregrad- und Verlaufsbeobachtung (Nervenheilkunde
2004; 23:160-164). In dieser Reanalyse soll untersucht werden, ob
STW 3-VI bei Patienten mit leichter Depression genauso wirksam
ist wie bei Patienten mit mittelschwerer Depression. Dazu wird der
Verlauf des HAM-D-scores hinsichtlich der ICD-10 Störungsbilder
und der Altersklassen untersucht.
Methode: Es wurden Varianzanalysen mit Messwiederholung
(SPSS15.0) teilweise mit Alter, BMI und Geschlecht als Kovariaten
durchgeführt. Wie bei diesem Verfahren vorgesehen, gingen nur
die Patienten in die Reanalyse ein, für die vollständige Daten zu
allen Messzeitpunkten (Beginn, nach 4 Wochen, nach 12 Wochen)
vorlagen.
Diskussion / Ergebnisse: Es gingen 1701 Patienten mit leichter Depression, 1433 Patienten mit mittelgradiger Depression und 194
Patienten mit Dysthymie in die Reanalyse ein (913 Männer, 2415
Frauen). In allen 3 Störungsbildern zeigte sich eine nahezu parallel
verlaufende deutliche Besserung der depressiven Symptomatik,
wobei die mittelgradige Depression und die Dysthymie nahezu
identische Verläufe hatten (leichte Depression: HAM-D-Mittelwerte zu Beginn 13,52, nach 12 Wochen 3,3; mittelgradige Depression:
18,23 vs. 5,52). Geschlechtsunterschiede fanden sich keine. In einer
2. Analyse wurden alle Patienten in 7 Altersklassen eingeteilt (< 18
Jahre, 18 – 29, 30 – 39, 40 – 49, 50 – 59, 60 – 65, > 65 Jahre) Auch
hier zeigte sich der oben beschriebene gleichsinnige Therapieverlauf in allen Altersklassen. Zusammenfassung und Schlussfolgerung: Diese Reanalyse zeigt, dass es weder einen Einfluss des
ICD-10-Störungsbildes (insbesondere leichte – mittelschwere Depression) noch der Altersklasse auf den Behandlungserfolg unter
Johanniskrautextrakt STW 3-VI gibt und belegt somit die Wirksamkeit bei Patienten mit leichter Depression. Diese Untersuchung
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
unterstreicht einmal mehr die aus zahlreichen randomisierten plazebokontrollierten Studien bekannte sehr gute Verträglichkeit und
Wirksamkeit des Johanniskrautextrakts auch im Vergleich zu chemisch definierten Antidepressiva.
008
Augmentationstherapie mit Aripiprazol bei Patienten mit Major
Depression: Eine Subgruppenanalyse gepoolter Daten zur Wirksamkeit
Thomas Sickmann (Bristol-Meyers Squibb, Medizin, Düsseldorf)
M. Ebrecht, W. Christian, S. Modell, G. Rossella, R. McQuade,
J.-Y. Loze, R. Owen, R. Berman
Einleitung: Ziel der Studie war es, eine Subgruppenanalyse zur
Wirksamkeit einer Augmentationstherapie mit Aripiprazol bei Patienten mit Major Depression durchzuführen, die nicht ausreichend
auf eine antidepressive Standardtherapie (ADT) angesprochen hatten.
Methode: In dieser Untersuchung wurden die Daten von drei
doppelblinden, Plazebo-kontrollierten Kurzzeitstudien identischen
Designs (CN138139, CN138163, CN138165) gemeinsam ausgewertet. Die Studien beinhalteten eine 8-wöchige Therapiephase, die
aus der Gabe von Plazebo plus ADT bestand, sowie eine 6-wöchige
doppelblinde Therapiephase, in der eine ADT mit Plazebo oder
Aripiprazol verabreicht wurden. Nur Patienten mit Major Depression ohne psychotische Merkmale konnten in die Studie eingeschlossen werden. Die Charakteristika der Patienten zu Beginn der
drei Studien waren vergleichbar. Als primärer Endpunkt zur Wirksamkeit war die mittlere Veränderung des Gesamtscores der Montgomery Asberg Depression Rating-Skala (MADRS) definiert.
Subgruppenanalysen des primären Endpunkts zur Wirksamkeit
wurden für Alter, Geschlecht, Rasse, ethnische Zugehörigkeit,
MADRS-Response, Anzahl und Auswahl der vorangegangenen
ADT, Dauer der Episode und Einnahme selektiver SerotoninWiederaufnahmehemmer (SSRI) durchgeführt.
Diskussion / Ergebnisse: Im Vergleich zur Plazebogruppe wiesen
die mit Aripiprazol behandelten Patienten in allen Subgruppen
eine stärkere Abnahme des MADRS-Gesamtscores auf. Statistisch
signifikante Interaktionen zwischen Behandlung und Subgruppe
wurden nicht beobachtet, außer in Hinblick auf das Geschlecht
(p=0,039). Dieser Unterschied beruht jedoch vor allem auf den Ergebnissen der CN138139-Studie, während sich hier in den Studien
CN138163 und CN138165 keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern nachweisen ließen. unterschiedlichen Subgruppen von
Patienten hin, die unzureichend auf eine ADT ansprechen.
009
Augmentationstherapie mit Aripiprazol bei Patienten mit Major
Depression: Eine Subgruppenanalyse gepoolter Daten zur Sicherheit und Verträglichkeit
Thomas Sickmann (Bristol-Meyers Squibb, Medizin, Düsseldorf)
M. Weiss, C. Werner, S. Modell, J.-Y. Loze, R. Gismondi, R. McQuade,
W. Carson, R. Berman
Einleitung: Das Ziel dieser Analyse war die Beurteilung der Sicherheit und Verträglichkeit von Aripiprazol als Augmentationstherapie bei Major Depression in unterschiedlichen Patienten-Subgruppen.
Methode: In die Untersuchung flossen die Daten von drei multizentrischen, randomisierten, doppelblinden, Plazebo-kontrollierten Studien (CN138139, CN138163 und CN138165) ein. Eingeschlossen waren jeweils Patienten, die nicht ausreichend auf eine
8-wöchige antidepressive Standardtherapie (ADT) angesprochen
hatten. Die Patienten erhielten im Anschluss zusätzlich zur ADT
für weitere 6 Wochen randomisiert eine adjunktive Therapie mit
Aripiprazol oder Plazebo (n=540). Nur Patienten mit Major Depression ohne psychotische Merkmale wurden eingeschlossen. Um
zu erfassen, ob sich die Nebenwirkungsprofile demographischer
Subgruppen voneinander unterscheiden, wurden die Daten der
drei Studien zur Inzidenz unerwünschter Wirkungen (AE) nach
Geschlecht, Alter und Rasse getrennt dargestellt. Unterschiede
wurden anhand der Odds Ratio (OR) geschätzt und AEs mit einer
Inzidenz ≥5 % in gepoolten Daten der Aripiprazol-Gruppe mit
Hilfe des Breslow-Day-Tests verglichen. Bezüglich des Alters
wurde die AE-Inzidenz für die beiden Gruppen 18 – 50 und 51 – 65
Jahre dargestellt.
Diskussion / Ergebnisse: Die Aripiprazol- und Plazebo-Gruppen
waren zu Beginn der Studien bezüglich des Alters (45,4 Jahre vs.
44,7 Jahre) sowie des Anteils an Frauen (69 % vs. 67 %) und Weißen
(88 % vs. 89 %) vergleichbar. Insgesamt brachen 14,3 % der mit
Aripiprazol und 12,5 % der mit Plazebo behandelten Patienten die
Therapie ab. 65,4 % der mit Plazebo und 82,3 % der mit Aripiprazol
behandelten Patienten berichteten über eine oder mehrere behandlungsbedingte AEs. Die meisten Aripiprazol-bezogenen Nebenwirkungen waren leicht bis mäßig ausgeprägt. Mit Ausnahme von Verschwommensehen, das nur bei weißen Patienten auftrat (p=0,002),
gab es bei der Häufigkeit behandlungsbedingter AEs zwischen den
mit Aripiprazol und den mit Plazebo behandelten Gruppen keine
signifikanten Unterschiede. Dies traf unter Berücksichtigung der
insgesamt mit einer Häufigkeit von ≥5 % vorkommenden AEs
(Breslow-Day-Test) sowohl in Bezug auf Alter und Rasse als auch
auf das Geschlecht zu.
010
Das Metabolische Syndrom als Prädiktor des Ansprechens auf eine
Therapie mit Aripiprazol bei Patienten mit bipolarer Störung
(CN138-010)
Andre Wiesch (Bristol-Myers Squibb, München)
M. Ebrecht, C. Werner, S. Modell, D. Kemp, J. Eudicone, A. Pikalov,
R. Whitehead, R. Baker, J. Chambers
Einleitung: Patienten mit bipolarer Störung leiden häufig an den
Folgen internistischer Begleiterkrankungen, wie z. B. dem metabolischen Syndrom (MetSyn). Da Übergewicht und Krankheiten des
Hormon- und Stoffwechselsystems mit einem schlechteren Outcome korrelieren, führten wir eine Post-hoc-Analyse der Auswirkungen eines MetSyn auf die Stabilisierung unter einer Behandlung
mit Aripiprazol bei Patienten mit Bipolar-I-Störung durch.
Methode: Patienten mit Bipolar-I-Störung, die kurz zuvor eine manische oder gemischt affektive Episode hatten, erhielten in der Stabilisierungsphase eine offene Behandlung mit 15 oder 30 mg / Tag
Aripiprazol (Startdosis 30 mg / Tag) über 6 – 18 Wochen. Patienten,
die die Kriterien der Stabilisierung (YMRS ≤10 und MADRS ≤13
über 6 aufeinanderfolgende Wochen) erfüllten, wurden in eine
doppelblinde Erhaltungstherapiephase eingeschlossen. Die Prävalenz des MetSyn, definiert anhand modifizierter NCEP-III-Kriterien, wurde zu Beginn der Stabilisierungsphase und am Studienendpunkt berechnet. Die prädiktive Aussagekraft des MetSyn auf die
Stabilisierung während der Therapie mit Aripiprazol wurde anhand
der LOCF und dem exakten Test nach Fisher beurteilt.
Diskussion / Ergebnisse: Zum Zeitpunkt der Stabilisierung er­
füllten 45 % (62/139) der Patienten die Kriterien eines MetSyn,
während 55 % (77/139) die Kriterien nicht erfüllten. Am Ende der
Stabilisierungsphase erfüllten 33 % der beurteilbaren Patienten
(46/138) die Kriterien eines MetSyn, 67 % (92/138) jedoch nicht.
Die Anzahl der Patienten mit MetSyn reduzierte sich im Verlauf
der Behandlung mit Aripiprazol signifikant (p=0,01). Am Ende der
Stabilisierungsphase bestand keine Korrelation zwischen dem Ausmaß der klinischen Stabilisierung und der Ausprägung des MetSyn
(p>0,99). Darüber hinaus fanden sich keine Unterschiede bei den
Raten des MetSyn zwischen Patienten, die eine klinische Stabilisierung erreichten, und denjenigen, die keine Stabilisierung erreichten (p>0,99).
153
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
011
Modafinil reduces microsleep during partial sleep deprivation
and improves antidepressant treatment outcome after two weeks
Johannes Beck (UPK Basel, Depressionsforschung, Schweiz)
U. Hemmeter, S. Brand, F. Muheim, M. Hatzinger, E. HolsboerTrachsler
Introduction: Sleep deprivation (SD) can induce a prompt de­
crease in depressive symptoms within 24 hours. Recovery sleep,
naps and even very short episodes of sleep [termed, microsleep
(MS)] during SD have been shown to provoke a rapid relapse into
depression. This study tested the hypothesis that modafinil reduces
MS during SD and augments antidepressant treatment response.
Method: 28 patients with a major depressive episode age 45.1 ±
12.1 years (mean ± SD) were investigated in a double blind placebo
controlled study design. All patients were treated with mirtazapine.
A partial SD (PSD) was performed after one week. Treatment with
modafinil vs. placebo started during PSD and was maintained over
two weeks. Sleep EEG and MS episodes were recorded with a portable EEG. Depression severity was assessed using the Hamilton
Depression Rating Scale (HDRS) during and after PSD and at follow-ups after one and two weeks.
Discussion / Results: Modafinil treated patients showed significantly reduced MS during PSD (11.63 ± 15.99 min) compared to
the placebo group (47.77 ± 65.31 min). After two weeks of treatment, the modafinil group showed a significant reduction in REM
density, accompanied by a 6.4-fold higher chance to improve
HDRS-scores with significant differences between groups X2(1)
=4.25 p<.05).
Donnerstag, 26. 11. 2009, 13.30 – 15.00 Uhr, Halle 11.1
P-021 Posterpräsentation
Therapie 1 (F3)
Vorsitz: H.-P. Volz (Werneck)
001
Die akute Entzündungsantwort auf Sport in der Depression
Silke Böttger (FSU Jena, Psychiatrie, Klinik für Psychiatrie)
H.-J. Müller, K. Oswald, H. Gabriel, K.-J. Bär
Einleitung: Körperliches Training stellt einen zunehmend wichtigen Bestandteil bei der Therapie der Depression dar. So kann Sport
die in der Depression vorkommende autonome und proinflam­
matorische Dysregulation sowie kognitive Fähigkeiten verbessern.
Das Ziel dieser Studie war, erstmals die Entzündungsantwort auf
eine körperliche Ausbelastung (Stresstest) bei Depressiven im Vergleich zu Kontrollprobanden zu untersuchen.
Methode: Es wurden 13 Patienten mit einer depressiven Episode
und 13 alters- und geschlechts-parallelisierte Kontrollpersonen rekrutiert. Mittels spirometrisch gesteuerter Fahrradergometrie wurde ein stufenförmiges Ausbelastungsprotokoll durchgeführt. Vor
und unmittelbar nach der Ausbelastung wurden Entzündungs­
zellen, die pro-inflammatorischen Zytokine Interleukin-1ß (IL-1ß)
und und Interleukin-6 (IL-6) sowie das anti-inflammatorische Interleukin-10 (IL-10) bestimmt.
Diskussion / Ergebnisse: Depressive Patienten zeigten vor der Belastung eine vor allem zellulär geprägte Verschiebung in Richtung
Inflammation, die durch erhöhte Granulozyten-, Lymphozytenund Monozytenzahlen gekennzeichnet war. Insgesamt unterschied
sich die Stress- / Entzündungsantwort im Vergleich zwischen depressiven Patienten und Kontrollprobanden nicht wesentlich. Im
Vergleich zu Kontrollen war jedoch ein signifikanter Anstieg von
154
IL-1ß zu beobachten. Demnach bewirkt eine einmalige körperliche
Belastung bei Depressiven in etwa die gleichen Veränderungen wie
bei Kontrollen, so dass zu überprüfen wäre, inwieweit auch der
anti-inflammatorische Effekt von aerobem Ausdauertraining auch
in der Depression zutrifft und somit möglicherweise den proinflammatorischen Status Depressiver verbessern und dadurch therapeutisch genutzt werden kann.
002
Positive Stimmungsinduktion bei depressiven Patienten: Ein multidimensionaler, vergleichender Ansatz
Irina Falkenberg (Universitätsklinikum Marburg, Psychiatrie und
Psychotherapie)
N. Kohn, U. Habel
Einleitung: Anhedonie, verminderter positiver Affekt und gesteigerter negativer Affekt stellen Kernsymptome depressiver Stö­
rungen da. Darüber hinaus bestehen Störungen der emotionalen
Regulationsfähigkeit, beispielsweise in Form von Stimmungskongruenzeffekten in der Informationsverarbeitung. Bei Gesunden
kann die experimentelle Induktion einer positiven Stimmung die
Informationsverarbeitung verbessern, ob dies jedoch auch für Pa­
tienten mit depressiven Störungen zutrifft, ist nicht bekannt.
Methode: Ziel der vorliegenden Untersuchung war der Vergleich
zweier Methoden zur positiven Stimmungsinduktion (freudige Gesichter vs. witzige Cartoons) in einer Gruppe von je 16 depressiven
Patienten und gesunden Kontrollen, wobei ein multidimensionaler
Ansatz zur Messung emotionaler Reagibilität verwendet wurde
(Selbstbeurteilung, Messung der elektrodermalen Aktivität und
FACS Analyse mimischer Reaktionen).
Diskussion / Ergebnisse: Die Induktion einer positiven Stimmung
war mit beiden Methoden und in beiden Gruppen gleichermaßen
erfolgreich. Allerdings fand sich in der Cartoon-Bedingung eine
Diskrepanz zwischen verminderter mimischer Reaktion und erhöhter autonomer Erregung in der Patientengruppe. Dies lässt auf
eine verminderte Fähigkeit der Patienten, die erlebte Erregung
auszudrücken, schließen.Die hier gewählte Kombination beider
Stimmungsinduktionsmethoden mit dem mehrdimensionalen
Mess­ansatz ermöglichte eine umfassendere Einschätzung der Emotionsregulationsstörungen depressiver Patienten als die alleinige
Selbsteinschätzung und eignet sich auch für die Durchführung weiterführender Untersuchungen zum Einfluss positiver Emotionen
auf die kognitive Verarbeitung bzw. der neuralen Korrelate der
Stimmungsregulation depressiver Patienten.
003
Dissociating the role of appetitive and aversive systems in
the genesis of major depressive disorder
Martin Goelzer (Berlin)
Q. Huys, R. Cools, E. Friedel, A. Heinz, R. Dolan, P. Dayan
Introduction: Anhedonia, considered as insensitivity to rewards, is
one of the central features of major depressive disorders (MDD).
Many accounts put similar emphasis on hyper- and / or hypo-sensitivity to punishments. However, both appetitive and aversive processing systems are complex, involving parallel mechanisms
ranging from innate, instinctive, response mechanisms to highly
adaptive, prefrontal, goal-directed strategies. The relationship be­
tween the processing of rewards and punishments is also unclear.
Method: We have previously suggested that a serotonergic deficit in
instinctive behavioural withdrawal / inhibition may lead to an over­
all inability to avoid courses of actions leading to negative objective
or subjective outcomes (Dayan and Huys 2008). This would drive
an alteration in the statistics of rewards and punishments received,
which in turn could lead to realistic pessimism, as in depression, or
to enhanced anticipation of danger, as in anxiety disorders. Based
on this analysis, we designed a reinforcement learning variant of a
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
standard Pavlovian-instrumental transfer task to assess the contribution of Pavlovian approach and withdrawal to valenced, instrumental, actions. The task admits a detailed, Bayesian, analysis, allowing us a fine-scaled view of any resulting interactions.
Discussion / Results: Preliminary data in healthy human subjects
show conditioned suppression, i. e. aversive Pavlovian values inhibiting appetitively valenced (approach) instrumental actions, as
well as the classical PIT effect where positive Pavlovian expectations potentiate unrelated appetitive instrumental actions. Importantly, we additionally find, in a subset of subjects of subjects, that
aversive Pavlovian values potentiate aversively valenced (with­
drawal) actions. These data will be compared with those of MDD
patients and subgroups of MDD patients responsive to SSRIs. We
hypothesize that an inhibitory deficit will be seen predominantly in
those subjects responding to SSRI treatment, ultimately creating a
fine-scaled diagnostic criterion from a computational theory.
004
Korrelation zwischen Akkulturation und erfolgreicher stationärer
Depressionsbehandlung bei Migrantinnen – Ergebnisse einer Studie
Hamit Ince (Klinikum Wahrendorff, Transkulturelles Zentrum, Hannover)
F. Stepper
Einleitung: Menschen mit Migrationshintergrund erfahren in
Deutschland oftmals keine adäquate Behandlung ihrer körperlichen und psychischen Leiden. Mit der Gründung des Transkulturellen Zentrums für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikum
Wahrendorff wurde ein integratives Angebot geschaffen, welches
versucht, den besonderen Bedürfnissen dieser Patientengruppe
Rechnung zu tragen. Der Behandlungserfolg bei depressiv erkrankten MigrantInnen wurde in dieser Studie überprüft.
Methode: Im Rahmen der Forschung sowie der Qualitätssicherung
wurde in der aktuellen Studie untersucht, inwieweit Depression
und Akkulturation zusammenhängen. Zur Diagnostik wurden
mittels BDI und FRAKK zu Beginn der vollstationären Behandlung
und nach drei Wochen der Therapie Messwerte bei über 30 Pa­
tientInnen erhoben und korreliert, um Zusammenhänge zwischen
den genannten Dimensionen zu finden.
Diskussion / Ergebnisse: Es zeigen sich deutliche Signifikanzen in
Richtung einer Korrelation zwischen Akkulturation und Behandlungserfolg.
005
Die transkutane Vagusnerv-Stimulation – Wirksamkeit in der
Depressions-Behandlung
Thomas Kraus (Frankenalb-Klinik Engelthal, Psychiatrie und Psychosomatik)
E. Hein
Einleitung: In zwei unabhängige fMRI-Studien konnte ein BOLDEffekt in zentralen Gehirnstrukturen durch eine nicht-invasive
elektrische Reizung im äußeren Gehörgang nachgewiesen werden.
Es ergaben sich Hinweise auf die Möglichkeit einer transkutanen
Stimulierbarkeit des Vagusnervs. In einer ersten randomisierten
Pilotstudie zeigte sich eine antidepressive Wirksamkeit bei depressiven Patienten.
Methode: In einer einfach-blinden, randomisierten Placebo kon­
trollieren Bestätigungs-Studie werden nun 20 Patienten mit Major
Depression nach einer Phase der Diagnostik und medikamentösen
Einstellung über 4 Wochen täglich über 16 min stimuliert, hierzu
wird das Gerät NET-2000 verwendet. Parallel dazu werden 20 Pa­
tienten untersucht, die sich mit Hilfe des Geräts NET-1000 täglich
zweimal selbst stimulieren. BDI und HAMD werden 2-wöchentlich
erhoben, tägliche Vorher-Nachher-Messungen erfolgen mit Hilfe
von Analogskalen.
Diskussion / Ergebnisse: Die Daten werden zum Kongress im November 2009 statistisch ausgewertet sein und als Poster präsentiert
werden. Aus der Diskussion der Ergebnisse abzuleiten sind dann
weitere Vorgehensweisen bzgl. Vergleichs-Studien z. B. mit der TMS
und größer angelegten, multi-zentrischen Beatätigungs-Studien.
Ein Wirksamkeitsnachweis könnte einen großen Fortschritt für die
zukünftige Depressionsbehandlung bedeuten und die aktuell verfügbaren nicht-invasiven Behandlungs-Methoden sinnvoll ergänzen.
006
Wirksamkeit der Vagusnervstimulation (VNS) in der Behandlung
der persistierenden Depression mit komorbider Persönlichkeitsstörung – eine Fallserie
Claus Wolff-Menzler (Universitätsmedizin Göttingen, Psychiatrie)
P. Falkai, A. Hasan, T. Wobrock
Einleitung: Die VNS ist bisher das einzige der neueren Stimula­
tionsverfahren in der Psychiatrie, welches von der US-amerikanischen Zulassungsbehörde FDA 2005 als Therapiemethode bei therapieresistenten depressiven Episoden anerkannt worden ist. In der
europäischen Union ist die VNS zur Behandlung von chronischen
oder rezidivierenden behandlungsrefraktären Depressionen oder
bei Patienten, welche eine medikamentöse Behandlung nicht tolerieren, zugelassen (1). Bei der VNS wird durch 2 helikoidale Elek­
troden der linke Vagusnerv im Halsbereich stimuliert. Eine Stromstärke von 0,25 mA, eine Frequenz von 20 – 30 Hz, eine Pulsweite
von 250 – 500 µs sowie eine Stimulation während 30 Sekunden alle
3 – 5 Minuten sind die typischen Stimulationsparameter (2).
Methode: 4 Patienten mit einer schweren rez. depressiven Störung
und komorbider Persönlichkeitsstörung (siehe Tabelle) wurden vor
und nach Implantation eines VNS-Systems psychopathologisch
(CGI, BDI, SDS, HAMD-7) untersucht. Allen gemeinsam war zuvor eine Teilresponse auf Elektrokrampftherapie.
Diskussion / Ergebnisse: Alle 4 Patienten verbesserten sich im Verlauf psychopathologisch, so dass sie innerhalb von 3 Monaten nach
Implantation aus dem vollstationären in ein ambulantes Setting
überführt werden konnten. Psycho-ökonomische Daten (z. B. stationäre Aufnahmen vs. Ambulanzbesuche, Med.-Umstellungen)
nach VNS werden noch nachuntersucht. Sollte sich der erste Trend
bestätigen, so ist durch die VNS eine positive Beeinflussung des
Krankheitsverlaufs und ein deutlicher gesundheitsökonomischer
Nutzen auch bei o.g. Patientenklientel anzunehmen. Literatur:
1:Schläpfer TE. Hirnstimulationsverfahren bei Therapieresitstenz.
Nervenarzt. 2007;78 Suppl 3: 575-81 2: Depression patients‘s man­
ual, Cyberonics 2007
007
Sind Therapiepräferenzen relevant für das Ansprechen depressiver Patienten auf eine Behandlung mit serotonergen Antidepressiva und kognitive Verhaltenstherapie? Befunde aus einer randomisierten kontrollierten Studie mit einem Passungsarm
Roland Mergl (Universität Leipzig, Psychiatrie)
V. Henkel, A.-K. Allgaier, M. Hautzinger, R. Kohnen, J. Coyne,
U. Hegerl
Einleitung: Über den Einfluss von Therapiepräferenzen auf den
Therapieerfolg bei Patienten mit depressiven Störungen ist wenig
bekannt. Wir untersuchten daher bei depressiven Patienten im
Kontext der Primärversorgung, ob sie besser auf eine Therapie ansprechen, wenn sie die von ihnen persönlich präferierte Behandlung erhalten.
155
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
Methode: Im Kontext einer randomisierten, placebo-kontrollierten, zehnwöchigen klinischen Studie mit fünf Armen (Sertralin;
Placebo; kognitive Verhaltenstherapie in Kleingruppen (KVT);
unspezifische unterstützende Gruppentherapie als KVT-Kontrollbedingung; freie Wahl zwischen Sertralin und KVT seitens der Patienten) wurden 146 Patienten mit milden bis mittelgradigen depressiven Störungen untersucht. Medikamentenvertrauen wurde
beim Patientenscreening mittels der korrespondierenden Subskala
einer Krankheitskonzeptskala erfasst, (positive) Einstellungen gegenüber Psychotherapie mittels der einschlägigen Subskala eines
Inventars zur Messung der Psychotherapiemotivation (FMP). Für
die Messung des Behandlungserfolgs wurden die Post-BaselineSummenwerte in der Hamilton-Depressionsskala (HAMD-17) ver­
wendet.
Diskussion / Ergebnisse: Depressive Patienten, die die von ihnen
präferierte Therapie (Sertralin oder KVT) bekamen (N=91), re­
spondierten signifikant besser als Patienten, bei denen dies nicht
der Fall war (N=55) (p = 0.011). Der entsprechende Unterschied
zwischen diesen beiden Gruppen war sowohl im Falle der Psychopharmako- als auch im Falle der Psychotherapie klinisch relevant.
Dieses Ergebnis kann nicht durch Unterschiede im Schweregrad
der Depression bei Studieneinschluss oder unterschiedliche Dropoutraten erklärt werden. Patientenpräferenzen für Pharmako- versus Psychotherapie sollten bei Behandlungsangeboten berücksichtigt werden, weil der Erhalt der präferierten Therapiemodalität
einen zusätzlichen und klinisch relevanten Nutzen für den Therapieerfolg (HAMD-17: + 4 Punkte für Sertralin; + 2 Punkte für die
KVT) mit sich bringt.
008
Verkürzt eine frühzeitige Elektrokrampftherapie bei schweren depressiven Episoden die weitere stationäre Bahandlungsdauer?
Dirk Schwerthöffer (TU-München, Psychiatrie)
F. Wolf, J. Bäuml
Einleitung: Die Elektrokrampftherapie ist bei depressiven Erkrankungen eine effektive, schnell wirksame und gut verträgliche Behandlung. Trotzdem wird sie meistens nur bei Therapieresistenz
eingesetzt. Bei antidepressiven Therapien liegen Hinweise für einen
Zusammenhang zwischen raschem Wirkungseintritt und besserer
Wirksamkeit vor. Wir untersuchten, ob sich durch den frühzeitigen
Einsatz einer EKT eine Verkürzung der weiteren stationären Behandlungsdauer erzielen lässt.
Methode: In einer retrospektiven Analyse wurden die postinterventionellen stationären Behandlungszeiten und CGI-Veränderungen von 34 depressiven Patienten mit frühzeitiger EKT-Anwendung
mit den Daten von 19 Patienten, die nach langer stationärer Vor­
behandlung in externen Kliniken zur EKT zu verlegt wurden, verglichen.
Diskussion / Ergebnisse: Patienten, die frühzeitig eine Elektrokrampfbehandlung erhalten hatten, konnten im Schnitt 57 Tage,
die zu verlegten erst 100 Tage nach der 1. EKT entlassen werden.
Die CGI-Veränderungen waren in beiden Gruppen etwa gleich.
009
Magnetkrampfherapie versus Elektrokrampftherapie – antidepres­
sive Wirkung
Sarah Kayser (Universitätsklinik, Bonn, Psychiatrie und Psychotherapie)
B. H. Bewernick, B. Hadrysiewicz, C. Grubert, A. S. Koch, J. Große
Bley, N. Axmacher, T. E. Schlaepfer
Einleitung: Die Magnetkrampftherapie (MKT) ist eine Weiterentwicklung der repetitiven Transkraniellen Magnetstimulation (rTMS),
um analog zur Elektrokrampftherapie (EKT) unter Vollnarkose
und Muskelrelaxation generalisierte Krämpfe auszulösen. Das
größte Problem der EKT sind die kognitiven Nebenwirkungen. Die
156
Grundidee der Entwicklung der MKT ist die Hypothese, dass durch
ein lokales, exakt kontrollierbares Auslösen des generalisierten
Krampfes solche Nebenwirkungen vermieden werden könnten.
Vorläufige Studien wiesen bei einer kleinen Anzahl von Probanden
auf eine antidepressive Wirkung dieser Therapieform hin (Kayser
et al. 2009). Die EKT ist weiterhin hoch effizient bei Patienten mit
schwerer therapierestistenter Depression (TRD). In dieser Studie
wurden die Depressionratings Montgomery & Asberg Depressionsskala (MADRS) und Hamilton Rating of Depression (HRSD28)
der TRD- Patienten analysiert und mit EKT verglichen.
Methode: 20 Patienten, die an TRD litten, wurden randomisiert
und einem parallelen Studiendesign zugewiesen (je 10 MKT / EKT).
Die Patienten waren bezüglich ihrer demographischen Daten und
Krankheitscharakteristika vergleichbar. Einschlusskriterien waren
unipolare und bipolar II Depression, Dauer ≥ 3 Monate, ≥ 2 adäquate Behandlungsversuche mit verschiedenen Antidepressiva
und Psychotherapie. Folgende Stimulationsparametern bei MKT:
Frequenz 100 Hz, Pulsrate 100 to 600, Amplitude 100 %, Stimula­
tionsdauer 1 bis 6 sek. 2 x pro Woche à 12 Behandlungen. Response
war eine Reduktion um ³ 50 % in der MADRS und HRSD28. Die
prä wurden mit den post Werten verglichen.
Diskussion / Ergebnisse: Responderraten für MKT sind 60 % im
MADRS und 50 % im HRDS28. Bei der EKT 40 % im MADRS und
50 % im HRDS28. Die antidepressive Wirkung der MKT und EKT
sind gleich: signifikante Verbesserung im MADRS bei MKT und
EKT (ANOVA, (F(1;18)=41.1, p<0.001, η2=0.684) und keine signifikanten Unterschiede zwischen MKT und EKT in der Besserung
der depressiven Symptomatik (ANOVA, F(1;18)=1.7, n.s.). Die
gleichen Ergebnisse ergaben sich für HRDS28: signifikante Verbesserung durch MKT und EKT (ANOVA, F(1;18)=31.9, p<0.001,
η2=0.627) und vergleichbare antidepressive Wirkung von MKT
und EKT (ANOVA, F(1;18)=0.01, n.s.).
010
Behavioral and neurochemical effects of brain stimulation in
an animal model for depressive behavior
Erika Toth (Nagoya University, Psychopharmacology, Japan)
R. Gersner, A. Zangen
Introduction: Our aim was to test whether sub-convulsive electrical stimulation (SCES) of the prelimbic cortex (PLC) or nucleus
accumbens (NAC) can induce an antidepressant effect and alter
brain-derived neurotrophic factor (BDNF) levels in reward-related
brain regions.
Method: We used the chronic mild stress (CMS) model in rats
followed by repeated (10 days) application of either ECT or SCES
delivered to specific brain sites by unilateral implantation of an
electrode. We applied a battery of behavioral tests to measure de-
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
pressive-like behavior after completion of active or sham treatment.
Punches of various brain regions were taken for BDNF evaluation
by ELISA.
Discussion / Results: ECT and SCES of the ventral PLC (vPLC)
and NAC, but not dorsal PLC (dPLC), significantly increased sucrose preference in CMS animals. In the sexual behavior test the
number of mounts in CMS animals was significantly lower than
controls. SCES treatment of the NAC increased the sexual drive. In
a sexual partner preference test control animals preferred to mount
more often the new stimulus female compared to their previous sexual partner while CMS did not show such preference. In the exploration test, CMS induced a reduction in the number of center visits,
while ECT (but not SCES) normalized this reduction. Finally, ECT
(but not SCES) induced impairment in the learning and memory as
indicated by the Morris water maze. ECT and SCES increased
BDNF level in dPLC and in the striatum.This study implicates the
ventral PLC and the NAC in the pathophysiology of depressive behavior and suggests that SCES of these regions can induce an antidepressant effect similar to ECT, but without any cognitive impairment. In addition these results suggest that SCES of the NAC is an
effective approach for treating reduced sexual drive induced by
chronic stress.
011
Ein neues Depressionsmodell in Kombination mit IPT, CBASP und
Komplementärmedizin
Benedict Wildeisen (Psychiatrische Klinik Zugersee, F6, Oberwil B.
Zug, Schweiz)
W. Komm
Einleitung: Bis ca. Mitte der 60er Jahre herrschte in der Depres­
sionsforschung das psychoanalytische Denken vor. In den 70er Jahren wurden vor allem lineare Theorien aufgestellt, die experimentell untersucht wurden. Diese Modelle untersuchten meist korrelativ
Wenn-Dann-Hypothesen. Erst in den 80er Jahren wurden eindimensionale Hypothesen durch multifaktorielle, integrative Modelle
ersetzt. Gängige Depressionsmodelle zeigen den Weg in die Depression – aber nicht den Weg aus der Depression. Häufig greifen
diese Modelle nur einen möglichen Aspekt heraus oder sie sind zu
allgemein formuliert (Bsp.: Diathese-Stress-Modell). Die Synergetik wird nicht berücksichtigt und oft werden nur eindimensionale
Wenn-Dann-Erklärungen verwendet. Ausserdem wird Depression
häufig als Variable des Systems und nicht als Zustand des Systems
selbst behandelt.
Methode: Im ersten Teil wird ein neues Depressionsmodell vorgestellt. Anhand dieses Modelles wird gesundes und depressives Verhalten, sowie der Weg in die Depression und insbesondere der Weg
aus der Depression im Computer simuliert. Auswirkungen verschiedener Therapiemöglichkeiten werden diskutiert. Auf die mathematische Formulierung des Modells, insbesondere auf die Differentialgleichung der Depression wird kurz eingegangen.
Diskussion / Ergebnisse: Im zweiten Teil wird die Umsetzung dieses Modelles in Kombination mit IPT, CBASP und Komplementärmedizin auf der Spezialstation für Depressionsbehandlung und
Psychotherapie der Psychiatrischen Klinik Zugersee, Schweiz, vorgestellt und diskutiert. IPT als State-of-the-Art psychotherapeu­
tischer Behandlung episodischer Depressionen und CBASP als
State-of-the-Art psychotherapeutischer Behandlung chronischer
Depressionen werden kurz vorgestellt. Komplementärmedizinische
Massnahmen bieten darüber hinaus Möglichkeiten der interdisziplinären positiven Einflussnahme auf das begleitende somatische
Syndrom und Verbesserung der Lebensqualität (QoL).
012
Treating depression and suicidal crises more effectively via
screening patients for overexcitabilities and the „third factor“
Raphaela Seubert (Schweinfurt)
Introduction: This paper argues that gifted persons who suffer
from depression or suicidal symptoms, should not be offered traditional therapeutic methods only. These methods may not be effec­
tive for these persons in the long run. Instead, these individuals
should be provided with a treatment based on the Theory of Posi­
tive Disintegration (TPD), a theory of personality development
devised by the Polish psychiatrist and psychologist Kazimierz
Dabrowski (1902 – 1980).
Method: The paper describes the TPD and draws implications for
the treatment of gifted patients. Based on empirical observations,
the TPD views depression and suicidal conflicts, if experienced by
„gifted“ persons, not per se as an illness. Instead, it regards these
symptoms as a necessary phase in which given socially / biologically
determined mental structures disintegrate, so that a more conscious
and autonomous personality structure can develop. „Gifted“ means
the respective person possesses (1) an inner autonomous drive to
develop one‘s own personality (called ‚third factor‘), (2) special abilities and talents and (3) overexcitabilities (psychomotor, sensual,
intellectual, imaginational, emotional). The overexcitabilities make
these people especially prone to disintegration. At the same time,
their characteristics can enable these individuals to overcome their
neurotic symptoms and to achieve ‚higher‘ levels of personality
development, characterized by altruism, wisdom and contentment.
Discussion / Results: The main therapeutic intervention following
from the TPD is to help the clients reframe their intense feelings
and inner conflicts as creative and developmental in nature, so that
they can move ahead, not fall apart. In addition, autotherapy should
be applied, which provides the clients with a long-term tool to deal
with possible future symptoms of disintegration. By means of a selfassessment questionnaire, therapists can identify persons who exhibit high overexcitabilities and the „third factor“, and who may
therefore profit from the TPD-approach. Moreover, the ques­
tionnaire provides a basis for empirically testing the therapeutic
effectiveness of the TPD-approach.
013
EEG basierte Vigilanzregulation bei Patienten mit Depressiver
Störung vor und nach therapeutischem Schlafentzug
Elisabeth Arendt (Universität Leipzig, Klinik für Psychiatrie)
Einleitung: In klinischen Studien konnte gezeigt werden, dass
Schlafentzug (SE) einen antidepressiven Effekt bei Patienten mit
depressiver Störung haben kann. Die Freisetzung von adrenergen
Transmittern durch physische Aktivität während des SE könnte einen wesentlichen Einfluss auf den therapeutischen Effekt darstellen. Bei Patienten mit MDD (Major Depressive Disorder) wurde
eine hyperstabile, rigide Vigilanzregulation, d.h. ein langes Verbleiben in hohen Vigilanzstadien (A-Stadien mit hoher Alpha-PowerFraktion) beschrieben (Ulrich 1994). Ziel der Studie ist die Untersuchung möglicher Zusammenhänge zwischen der Stabilität der
Vigilanzregulation, körperlicher Aktivität und klinischen Ansprechen auf SE bei Patienten mit MDD. Angenommen wurde, dass ein
Ansprechen auf SE mit einer hyperstabilieren Vigilanzregulation
vor SE assoziiert ist, die sich SE stabilisiert.
Methode: Bei 23 stationären Patienten mit MDD der Klinik und
Poliklinik für Psychiatrie des UKL wurde ein partieller therapeutischer SE über 22 Stunden ab 01:00 Uhr durchgeführt. Es erfolgte
eine Bestimmung der Vigilanzregulation mittels Ruhe-EEG am
Morgen vor SE, am Morgen nach SE und am nächsten Morgen
nach Schlaf. Die körperliche Aktivität wurde mittels eines Akto­
meters über die Gesamtdauer der drei Tage aufgezeichnet. Ein
157
Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disorders, F3
Fremdrating wurde täglich mittels Hamilton Depression Rating
Scale (HDRS) durchgeführt. Response wurde definiert als ein
Abfall des HRDS-Scores um mindestens 40 % im 21-item HRDS
(ausgenommen item 4,5,6 und 16).
Diskussion / Ergebnisse: 14 von 23 Patienten (60,8 %) mit MDD
respondierten nach SE, gezeigt an einem Abfall des HamiltonScores um mindestens 40 %. Bei den Patienten kam es nach SE zu
einem signifikanten Abfall (p<0.05) der A-Stadien und zu einem
signifikanten Anstieg (p<0.05) der B2/3-Stadien im Sinne einer
Labilisierung der Vigilanzregulation. Ein signifikanter Gruppen­
unterschiede zwischen Respondern und Non-Respondern fand
sich in einer vorläufigen Analyse nicht.
014
Wiener Studie zur kognitiven-psychoedukativen Therapie bei bipolaren Patient / innen: Mögliche Einflussfaktoren auf die Lebensqualität von bipolaren Patient / innen in Remission
Andrea Berg (Institut für Medizinsoziologie, UK Hamburg-Eppendorf, Wien)
B. Breit-Gabauer, S. Demelbauer, G. Lenz, I. Stampfer
Einleitung: Ziel der vorliegenden Studie war die Lebensqualität
von bipolaren (BP I und BP II) Patient / innen vor Beginn einer
kontrollierten kognitiv-psychoedukativen Gruppentherapie genauer zu analysieren.
Methode: Diese Untersuchung ist Teil der Wiener Studie zur kognitiv-psychoedukativen Therapie bei 100 Patient / innen mit bipolarer Erkrankung in Remission. Die Lebensqualität wurde mit dem
WHOQOL-bref erhoben. Die 26-Itemversion erfasst 4 Domänen:
physisch, psychisch, soziale Beziehungen und Umwelt, sowie einen
Globalwert. Die Ergebnisse der 4 Domänen wurden mit der Normbevölkerung verglichen und in zwei Gruppen zusammengefasst: in
jene mit „unterdurchschnittlicher“ („schlechter“) Lebensqualität
und in jene mit „durchschnittlicher“ und „überdurchschnittlicher“
(„guter“) Lebensqualität. Mittels Diskriminanzanalysen und multivariater Mittelwertsvergleiche wurden Gruppenunterschiede bzgl.
verschiedener Krankheitsfaktoren und soziodemographischer Daten geprüft.
Diskussion / Ergebnisse: Die Lebensqualität konnte bei 92 von insgesamt 100 Patient / innen erhoben werden (davon 71 bipolar I und
21 bipolar II Erkrankte). Die Ergebnisse zeigten allgemein, dass
Patient / innen mit bipolarer Störung in den Bereichen physisch,
psychisch und soziale Beziehungen unter dem Konfidenzintervall
der Normalbevölkerung lagen. Multivariate Analysen ergaben signifikante Unterschiede zwischen bipolar I und bipolare II Störung
im Globalbereich und physisch, wobei die Gruppe der bipolar II
Erkrankten niedrigere Lebensqualitätswerte aufwies. Von den
92 Patient / innen fielen 23,9 % in die Gruppe mit „schlechter“ Lebensqualität, in jene mit „guter“ Lebensqualität 76,1 %. Mittels Diskiminanzanalyse konnte bei den Variablen „Krankheitsdauer“ und
„Compliance der letzten 2 Jahre“ zwischen den beiden Lebens­
qualitätsgruppen („gute“ vs. „schlechte“) ein signifikanter Unterschiede gezeigt werden. In einem multivariaten Mittelwerts­
vergleich zeigte sich bei der Anzahl der Krankheitsepisoden
12 Monate vor Studienbeginn ein signifikanter Unterschied, wobei
jene mit „schlechter“ Lebensqualität mehr Krankheitsepisoden berichteten. Tendenzielle Unterschiede finden sich in der „Krankheitsdauer“ und „Anzahl depressiver Episoden 12 Monate vor Studienbeginn („gute“ Lebensqualität bei kürzerer Krankheitsdauer
und weniger depressiven Episoden). Beobachtbare (aber nicht signifikante) Unterschiede zeigten, dass Patient / innen mit „guter“
Lebensqualität bei Beginn der Erkrankung älter waren, länger
Phasenprophylaxemedikamente einnahmen, häufiger Kinder hatten und verheiratet waren. Lebensqualität erwies sich als unabhängig vom Geschlecht, der Arbeitsfähigkeit und der Schulbildung.
158
015
Klinische Endpunkte in der Pharmakotherapie bipolarer Störungen – Welche Parameter werden in welcher Operationalisierung
in randomisiert-kontrollierten Wirksamkeitsstudien eingesetzt?
Stephan Mühlig (Technische Universität, Klinische Psychologie, Chem­
nitz)
S. Fuchs, C. Thüner, A. Pfennig, M. Henke, M. Bauer
Einleitung: Sekundäranalyse von RCT’s zur Wirksamkeit pharmakotherapeutischer Behandlungsmaßnahmen in der Akuttherapie,
Erhaltungstherapie und Rezidivprophylaxe im Hinblick auf die
verwendete Auswahl und Operationalisierung klinischer Endpunkte (Outcomes).
Methode: Auf der Basis einer umfassenden Literaturrecherche im
Rahmen der aktuellen S3-Leitlinienentwicklung zur Therapie bipolarer Störungen wurden n=93 randomisiert kontrollierte Studien
(RCT) zur Wirksamkeit pharmakologischer Studien für die evidenzbasierten Therapieempfehlungen ausgewählt. Diese wurden in
RCT’s zur Akuttherapie vs. Erhaltungstherapie vs. Rezidivprophylaxe der Depression bzw. Manie unterteilt und anschließend sekundäranalytisch nach der o.g. Fragestellung ausgewertet.
Diskussion / Ergebnisse: In der Akuttherapie der Depression werden vorrangig klinische Endpunkte in Form von Response, Remission und Symptomverbesserung (abgebildet anhand von HAM-D,
MADRS, CGI, GAF und YMRS) eingesetzt, weniger häufig der
Switch zwischen (hypo-)manischen und depressiven Symptomen,
Angstsymptomatik oder Schlafratings. Wichtige Outcome-Parameter der Akuttherapie der Manie stellen Response und Remis­sion,
Symptomverbesserung (überwiegend anhand der YMRS, HAM-D
und CGI gemessen) und die Veränderung des Körpergewichtes dar.
Die Effektivität der Rezidivprophylaxe / Maintenancetherapie wird
anhand der Outcome-Parameter Rezidivrate, Symptomverbesserung, (Re)Hospitalisierung und Zeit bis zum Rezidiv bestimmt. Als
übergreifende Outcome-Parameter der Pharmakotherapie der bipolaren Störung werden Studienabbruch-Raten und unerwünschte
Arzneimittelwirkungen genutzt.
Freitag, 27. 11. 2009, 13.30 – 15.00 Uhr, Halle 11.1
P-022 Posterpräsentation / Poster Presentation
Bildgebung, Diagnostik (F3)
Vorsitz: D. F. Braus (Wiesbaden)
001
Darstellung veränderter kortiko-subkortikaler struktureller Konnektivität bei depressiven Patienten
Annemarie Osoba (Universitätsklinik Magdeburg, Klinik für Psychia­
trie)
U. Eckert, D. Horn, T. Malone, J. Kaufmann, B. Bogerts, M. Walter
Einleitung: Es ist bekannt, dass Hirnregionen, die mit dem Krankheitsbild der Depression im Zusammenhang stehen, über verschiedenste Verbindungsnetze verknüpft sind. Genannt seien hierbei
der Hippocampus, der für die Gedächtnisleistung des Gehirns entscheidend ist, der Nucleus accumbens, der eine wichtige Rolle im
„Belohnungssystem“ des Gehirns sowie bei der Entstehung eines
Glücksgefühls spielt und die Amygdala, die an der Wahrnehmung
von Erregungen, insbesondere von af