Rules of engagement | ein Tag zu viel
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Rules of engagement | ein Tag zu viel
Sarah Mühlhause RULES OF ENGAGEMENT Ein Tag zu viel EIN TAG ZU VIEL K ONSTANZE S EIFERT 1 RULES OF ENGAGEMENT J OERG R EICHARDT 2 Willst du mit mir gehen? Nicole Pietsch EIN TAG ZU VIEL 3 RULES OF ENGAGEMENT Willst du mit mir gehen? Damian. S ein Gang ist aufrecht, seine Schultern breit, der Schritt bestimmt. Er versteckt sich vor der Welt nicht. Damian geht auf das Leben zu und fordert es heraus. Darüber „was Leben heißt“ denkt er nicht nach: Damian lebt. Ist ein Macher, ein Draufgänger in Lebensdingen. Er packt an, greift zu, hält fest, versucht sein zu machen, was er für sich haben will. Damian erfindet keine Ausreden und wägt auch nicht ab. Häuft keine Entschuldigungen an, damit sie etwa den Berg an unterlassenem Handeln vor ihm verborgen halten mögen. Stattdessen handelt er, ist bewegt ununterbrochen und eigentlich die ganze Zeit. Ausruhen ist seine Sache nicht. Er findet Ruhe und zu sich in der Beschäftigung. Über solche Fülle meint er, die Zeit strecken zu können, meint so mehr von ihr haben zu können. Mehr Zeit, mehr Lebenszeit, tiefer, intensiver drin sein in allem und am besten kopfüber. Damian sieht auch aus wie kopfüber. Sein Haar, dunkel und viel, steht ihm wild ab vom Kopf. Oft verirrt sich seine Hand in diesem Haar und rückt es scheinbar nachlässig und zufällig zurecht – um sich dieses Antlitz zu geben. Damian ist auf seine ganz schluderige Art eitel. Er kleidet sich, als wäre ihm egal was er trüge, aber das stimmt nicht. Hauptsache irgendein Hemd, denkt man. Hauptsache irgendeine Hose, so sieht es aus. Aber das stimmt nicht. Sein Hemd steckt Damian nicht in die Hose. Und bügeln lehnt er ab. Trägt er Farbe, dann dunkle; Kleidung hat ihm dienlich zu sein. Trotz seiner Schnelligkeit ist Damian nicht grob. Damian ist Ästhet. Damian ist genau. Damian weiß zu genießen, er legt auch alles an auf den Genuss. Sein Auge erträgt keine Plastikverpackung bei Tisch. Sein Ohr ist empfindlich gegenüber Kaugeräuschen. Er mag nicht im Stehen essen und noch weniger erträgt er es, anderen dabei zusehen zu müssen. Damian hat manchmal etwas Pedantisches an sich. Er ist kein Geistesmensch, aber Kultur ist ihm unentbehrlich. Er atmet sie ein wie Luft, macht dabei auch keinen Unterschied zwischen trivial und hoch. „Mal was Kulturelles machen“, so ein Satz käme ihm nicht in den Sinn. Damian ist kein Grübler. Auch ist er kein Spieler. Ein Unbeschwertes geht von ihm aus. In ihm verbergen sich keine versteckten Tiefen, es riecht da nicht nach Abgrund oder verdrängtem Selbst. Damian ist offen. Er lässt sich lesen, unmit- telbar und fast ganz ohne zu raten. Jedoch, Damian spricht nicht über sich. Wird er wider seines Erwartens zum Thema des Gesprächs, weicht er sofort aus, zieht sich aus der Arena zurück, markiert seine Grenze und zwar unmissverständlich. Bis hier und nicht weiter. Damit stößt er seinem Gegenüber vor den Kopf, aber das ist ihm egal, er nimmt das in Kauf. Damian spricht nicht über sich. Der Teint blass, hell die Haut, lebendig, so lebendig sein Gesicht. Seine Augen sind witzig, sie greifen nach allem, was sie kriegen können. Damian liebt das Sehen. Sein Blick ist klar. Sein Blick ist das Bestechende an ihm, immer schon. Damian ist dominant. Die Wirklichkeit manipuliert, modelliert er sich so zurecht, wie er sie will. Aber er tut das nicht aus Berechnung, weniger noch aus Egoismus. Er bezieht seine Umwelt ein, beziehen tut er sich auf sie, ihr Bestes will er immer nur – und seines. In allem sucht er sein Bestes, Damian. Damian zielt auf das Extrem. Damian ist ganz oder gar nicht. Es ist schwer mit ihm zu sein. Seine Hände sind meist warm, Hände sind das, die greifen. Stehen voreinander. S ie muss raus und zwar unbedingt, denn ihr fällt sonst wirklich die Decke auf den Kopf. Sie hält es zuhause nicht mehr aus, weil ihre Gedanken stehen Stau und sie braucht jetzt Luft, Leben, Menschen um sich. Sonst wird sie seltsam, sie weiß das, kennt das von sich. Nicht einmal eine Jacke nimmt sie mit, so eilig muss sie aus der Wohnung fort, bloß weg hier, von diesem Tisch, von diesen Gedanken und sie überlegt nicht, sondern zieht einfach die Schuhe an, die sie in letzter Zeit immer trägt, die mit dem Absatz. Auch die Tasche lässt sie in ihrer Ecke stehen. Sie will jetzt nichts um sich, vor allem nichts bei sich, keinen Ballast haben, sondern einfach nur gehen. Sie zieht die Tür hinter sich ins Schloss und ist weg. Unten auf der Straße weiß sie nicht wohin. Rechts? Links? Sie geht einfach. Sie kann jetzt keine Entscheidung treffen, ihr Körper muss das alleine tun, muss übernehmen für sie. Sie läuft einfach. Es ist noch wärmer als sie dachte, und es scheint die Sonne. Das 4 Licht tut ihr gut. Auch die Luft. Sie biegt in die Straße ein, die sie mag. Dort kann sie zur Ruhe kommen. Zwischen den konsequent fünfstöckigen Häusern, dort wo kein Baum steht und Kopfsteinpflaster ist. Außerdem fahren hier fast nie Autos. Sie läuft auf der Straße, nie auf dem Bürgersteig. Es käme ihr gar nicht in den Sinn, hier auf dem Bürgersteig zu laufen, hier nicht. Stattdessen Kopfsteinpflaster, das unter ihrem Absatz hallt. Sie hat diesen runden, warmen und auch gleichmäßigen Ton, den ihre Schuhe, auf der Straße spielen und der ihr irgendwie versichert, dass sie ist, gern. Sie denkt beim Laufen nicht. Es geht nichts Besonderes in ihr vor und das ist auch Sinn dieser Sache, denn der Stau in ihrem Kopf soll sich lösen, Luft soll in die Gedanken kommen, Gedankenluft. Wenn sie so läuft und sich reinigt, ist sie still in sich. Und abwesend, sonst wo ist sie dann. Spräche man sie jetzt an, wüsste sie nicht, wüsste sie auf gar keinen Fall, was zu sagen wäre. Überfordert und erschrocken wäre sie. Reagieren, auch noch antworten, das wäre eindeutig zu viel. Sie hätte auch überhaupt keine Lust darauf, das gehörte jetzt alles überhaupt nicht hierher. Und die Häuserfronten sind mit Stuck besetzt. Sind sogar reich verziert mit Stuck. An manchen sind Figuren außen dran. Türsimse werden in dieser Straße von kräftigen Männern getragen, die nackt sind. Sie sieht sowas gern. Die Fenster dekoriert von geometrischem Muster, das bringt in den Überschwall der Muskelmänner Ruhe hinein. Die Fenstergeometrie gleicht das Türenfleisch aus. All das nimmt sie nurvon Weitem wahr und es ist ihr eigentlich auch egal. Sie konzentriert sich auf das Kopfsteinpflaster, passt auf, nicht in die Rillen zu treten, mit ihren Absätzen dort bloß nicht stecken zu bleiben – das ist ihr Spiel. Ihre Hände in den Taschen, man könnte sagen sie schlendert. Jedenfalls läuft sie nicht zielstrebig. Manche Fenster stehen offen und sie guckt in die Wohnungen, das Leben dahinter, weil sie muss sich ja irgendwie ablenken von sich. In einem dieser Zimmer spiel Musik, ansonsten ist sie allein. Ansonsten ist sie allein in der Straße, ihrer Straße, mitten auf der Straße. Ihr schlagender Schritt auf dem Kopfsteinpflaster, kein anderer läuft dort. Wer ist die Frau? Er sieht sie von Weitem, wie sie sich nähert. Sie macht ihn gleich neugierig, er hat einen Blick für sowas. Irgendwas hat sie. Irgendwas geht von ihr aus. Wer ist die Frau? So wie sie, läuft auch er in der Mitte der Straße, auf dem Kopfsteinpflaster läuft er. Willst du mit mir gehen? EIN TAG ZU VIEL Was um ihn herum geschieht, nimmt er schon nicht mehr wahr, nur zu ihr geht sein Blick. Fokussiert sie, ihren Körper. Versucht ihren Körper hinter diesem weiten Hemd auszumachen. Ein Männerhemd? Trägt sie etwa Männerhemden? Jedenfalls ist es weiß und locker in ihre Hose gesteckt. Es versteckt auch ihren Oberkörper nicht, sondern umspielt ihn eher. Er mag jetzt schon, was er darunter vermutet. Seine Hände mögen jetzt schon, was sie unter diesem Hemd erraten. Was macht sie hier? Wo geht sie hin? Ich hab‘ sie hier noch nie gesehen. Er hat es eilig, ist verabredet und fast schon zu spät. Sein Schritt ist schnell. Die Tasche trägt er über der Schulter. Voll sieht sie aus, aber nicht schwer. Wahrscheinlich ist Wäsche drin, Kleidung, Klamotten, Zeugs. Geht er zum Sport? Wo geht er hin? Sie sieht ihn, ihr Blick findet ihn. Jetzt sieht sie mich. Sie guckt mich an. Ihr Blick auf mir mustert mich, oh Gott, sie mustert mich. Ihre Hose ist schwarz und eng. Ihre Hände sind in den Taschen. Sie kann seinen Blick spüren. Jetzt schon, aus der Entfernung schon. Ihr ist, als ob sein Blick sie festnagelte. Er ist groß. Sie erkennt jetzt, dass er größer ist als sie, auf jeden Fall ist er größer. Er kommt ihr entgegen. Er geht auf sie zu. Sie gehen in dieser Straße ohne Bäume aufeinander zu. Sein Hemd steckt nicht in der Hose. Turnschuh hat er an. Das Hemd sieht ungebügelt aus. Ist es ungebügelt? Sie mag das. Auch, dass er die Ärmel hochkrempelt. Auch das Durcheinander seiner Haare. Sie mag das alles jetzt schon. Wer ist der Mann? Beide sind sie neugierig, angespannt, wie ein Bogen gespannt. Alles andere ist unwichtig. Sie hören nur ihre Schritte auf dem Pflaster, hallen sich gegenseitig in den Ohren wieder, sehen nur noch sich. Ihr Klang ist bei ihm schon angekommen, jetzt schon, aus der Entfernung schon ist er da. Er sieht unrasiert aus, überhaupt nicht vorbereitet auf sie, hier, so mitten auf der Straße. Sie auch nicht. Fühlt sich abwesend, denkend, redefeindlich. Wie seh‘ ich überhaupt aus? Was soll das Ganze jetzt? Warum hat sie das Gefühl, dass irgendwas gleich passieren wird? Es bahnt sich etwas an zwischen ihnen. Sie bemerkt seinen Gang. Aufrecht, er federt nicht, wackelt nicht, klebt auch nicht am Boden fest oder ist schwer. Sie mag seinen Gang. In ihren Augen schreitet er. Wer ist die Frau? Sie sieht abwesend aus, oder? Wissen, wer sie ist! Sie ansprechen? An ihr vorüber gehen? Vor ihr stehen bleiben? Nach ihr pfeifen? Sie einfach fragen? Am besten einfach fragen. Weil lieber verlieren, als es nicht versuchen. In seinem Kopf ist Kino und es läuft dort kein Liebesfilm. Szenarien laufen ab, alle möglichen und alle auf einmal. Übereinander und untereinander überlagern sie sich. Er weiß: Ich bin es, der handeln muss. Wenn etwas passieren soll, dann nur durch mich, so ist es doch immer. Er ist es, der handeln muss und die Zeit zum Nachdenken fehlt, denn sie steht schon fast vor ihm. Wer ist die Frau? Sie ist angespannt. Bemüht sich, dass ihr Gang jetzt bitte sicher ist. Am besten entspannt aussehen, und unbeteiligt, vor allem unbeteiligt. Souverän! Stattdessen kann sie den Blick nicht von ihm wenden. Er lächelt, oder? Lächelt er? Sie nicht. Ihr Gesicht bleibt ernst, denkt sie. Dabei sieht sie auffordernd aus. Wenn ich jetzt nicht reagiere, dann ist es zu spät und zwar für immer. Sie steht vor ihm, auf einer Höhe stehen sie jetzt und haben das Kopfsteinpflaster unter sich. Ihre Augen sind groß und grau, und ihr Körper – ich will sie anfassen. Sie sehen sich in die Augen und keiner lächelt, keiner. Sie wendet ihn zuerst ab, ihren Blick von seinem Gesicht. Läuft wortlos an ihm vor- bei. Geht einfach an ihm vorbei ohne Lächeln, ohne Gruß. Sie kann nicht, sie kann sowas nicht. Sie geht an ihm vorbei, er geht an ihr vorbei. Vorbei! schreit‘s in seinem Kopf. Dann nichts mehr. Dann denkt er nicht mehr, agiert kopflos und blind wie in einem Raum von schwarz. Er dreht sich um, dreht sich einfach um, stürzt sich kopfüber in die Situation hinein. Er greift nach ihrem Arm und erwischt ihn gerade noch. Wer bist du? Er fragt das kühl und rundheraus. Er denkt überhaupt nicht nach und versteht auch die Situation nicht. Er hält sie am Arm fest, er macht einfach, blind und kopfüber. Delia, hört sie sich sagen. Ihre Stimme, wie von fern wirft sie ihm ihren Namen ins Gesicht. Ganz selbstverständlich und so wie sie das immer tut. Nicht zart, nicht freundlich, sie nennt einfach ihren Namen, denkt sie. Wer bist du? Delia. Delia. D elia hat langes Haar und trägt es im Mittelscheitel. Das Haar rahmt ihr Gesicht und verdeckt es manchmal. Ihr fallen lange Strähnen übers Gesicht und wärmen es, wenn sie sich bewegt. Wärmen es solange, bis sie das Haar mit der Hand von der Wange streicht und hinterm Ohr versteckt. Ihr Haar wehrt sich dann nicht, ist nicht widerspenstig und auch nicht eigenwillig. Es fällt meist ordentlich von ihr herab und breitet sich aus über Schulter und Rücken; seine Farbe irgendwo zwischen dunkelblond und braun. Ihr Gesicht ist wach, ihre Augen sind wach, blicken groß und grau in die Welt. Es ist auch etwas blau unter das grau ihrer Augen gemischt, die mehr rund sind als mandelförmig. Delia schminkt sich kaum. Haut und Züge sind ebenmäßig und glatt, gehorchen der Symmetrie. Ihre Haut ist auch nicht weiß, sondern unterwandert von einem gelben, warmen Ton. Sie sieht „gesund“ aus, sagt man. Die Lippen schmal, gehen über in leicht nach oben gerichtete Mundwinkel. Das legt in ihren Ausdruck etwas Schelmiges hinein. Ihr Gesicht ist „fröhlich“, sagt man. Ihre Mimik vielfältig, sie begleitet und unterstreicht jedes von ihr gesprochene Wort und es ist, als jagten Mimik und Mund bei ihrem Sprechen manchmal einander hinterher. Delia spricht viel und schnell. Sie spricht mit Begeisterung, ihre Augen leuchten dann, auch sind ihre Hände nie still oder unbeteiligt. Lang und schmal sind sie, schmal und filigran auch der Körper, aber nicht zerbrechlich. Auch nicht klein. Delias Körper ist stolz. Ihre Bewegungen sind, als wären sie zwei: Unvorhergesehen wechseln sie vom Langsamen zum Abrupten, wandeln zwischen zärtlich und hektisch hin und her, gehen über – und zwar unverhofft – vom Streichelnden ins Ungenaue. Ihrem Gegenüber bleibt sie eine Überraschung. Delia ist charmant. Delia liebt das Spiel. Delia zieht 5 die Blicke auf sich und gefällt sich darin. Ihre Garderobe ist kompromisslos. Schwarz oder weiß, selten nur Farbe. Mit solcher Strenge gleicht sie, was verspielt ist an sich, aus. Mit solcher Strenge gibt sie sich Halt. Delia ist elegant. Und sie kann lachen. Wenn sie lacht vergisst sie sich, lacht mit ihrem Körper, legt in ihr Lachen ihre Kraft hinein und verblüfft auch ihr Gegenüber mit ihrem Lachen immer wieder. Delia kann sich mit den Dingen vermischen und eins werden mit ihnen. Gewissenhaft einen Apfel schälen, mit gleichmäßigem Druck über ein Tischtuch streichen, aufmerksam den Ring an ihrer Hand gerade drehen; in unbewachten, verlorenen Momenten kann man ihr dabei zusehen, wie sie sich mit den Dingen vermischt. Etwas von ihr fließt dann in die Welt über. Zärtlichkeit geht von ihr aus und in einem bestimmten Sinne verlangsamt es sich dann. Das hat mit ihrer Sinnlichkeit zu tun. Delia legt sich in die Dinge hinein, ist mit ihnen verbunden, wird angegangen von ihnen. Manchmal auch zu viel. Manchmal ist ihr, als käme die Welt zu nah. Es gibt dann keinen Filter oder Schutz mehr und ausgeliefert sind ihre Sinne an ein Übermaß an Eindrücken. Es gibt Gespräche, die erschöpfen sie. Sie fühlt sich danach leer, weil die Worte so tief hinein gegangen sind in sie. Delia lebt von ihren Sinnen und sie lebt von ihren Gedanken, davon ernährt sie sich. Ihr Futter ist Geistesnahrung. Davon stopft sie ungeniert in sich hinein und manchmal kommt ihr das realer vor, als das Essen draußen, als die Menschen draußen, realer als die Geschäfte, Straßen, Bäume, Hausnummern draußen. Delia hat Phantasie. Ihr Denken trennt nicht strikt zwischen einem Außen und Innen. Ihre Übergänge sind fließend, das verleiht ihr Mut. Sie lebt in Gedankenräumen und ihr ist das bewusst. Sie wehrt sich, wenn man Träumer zu ihr sagt. Delia kann, wenn sie will, unerbittlich sein. Zu ihr gehört die Einsamkeit. Die braucht sie, um sich aus ihrer Vermischung mit der Welt zu lösen. Delia kennt die Mitte nicht. Sie tanzt an der Klippe zwischen Selbstverlust und Ichbesitz, immer. Ist oft fahrig und unruhig, kann sich dann überhaupt nicht leiden. In diesen Momenten durchsuchen ihre Augen rastlos die Welt. Delia ist angetrieben vom Graben in sich. Getrieben von der Lücke zwischen dem schwarz und dem weiß ihrer Kleidung. Getrieben von dem Sprung zwischen achtsam und nachlässig ihrer Bewegung. Getrieben vom Spalt zwischen nur ausgedacht und wirklich da ihrer Gedanken. Sie kennt die Mitte nicht. Delia kann sich mit den Dingen vermischen und eins werden mit ihnen. Liegen ineinander. D anach haben sie sich getroffen, öfter schon. Es kam ganz wie von selbst dazu. Sie mag ihn. Er denkt oft an sie. Um ehrlich zu sein: Er denkt ständig an sie. Und zwar als hätte sie Besitz von seinem Kopf ergriffen, genau so fühlt er sich. Denn ihr Bild ist pausenlos da. Damian malt sich vor allem aus, wie es sein wird mit ihr. Delia weiß schon. Sie weiß, dass es gut wird, hat ein Gespür dafür und sich darin auch noch nie getäuscht. Sie kann sowas fühlen, Körper. Wenn sie ihre Augen schließt, dann ist seiner, dann ist sein Körper sofort da vor ihr. Damian drängelt und schubst sich in ihre Gedanken rein. Ungeniert und mit solcher Präsenz nistet sich dieser Mann in ihrem Kopf ein, dass sie sich ertappt dabei, wie sie aufschreit innerlich. — Was soll das! Damit hat sie nicht gerechnet. Mit so etwas überhaupt nicht. Nicht mit ihm, und dann auch noch jetzt! Jetzt ist er da und sie muss sehen. Gleich treffen sie sich im Restaurant. Damian sitzt schon dort wenn sie kommt, wenn Delia endlich zur Tür reinkommt. Denn sie kommt zu spät. Sie hat es kommen sehen. Wie sie rumgerannt ist, vom Kleiderschrank zum Spiegel, ins Bad und wieder zurück, dabei laut die Musik und nicht wissen, was sie anziehen soll, da war ihr Zuspätkommen schon beschlossene Sache. Aber Delia nimmt sich das heraus. Warum denn auch nicht? Damian rechnet damit schon bevor es passiert, noch vor ihr rechnet er damit und ist trotzdem da, beizeiten. Er wartet und lässt die Zeitung liegen. Er will keine Ablenkung, er will warten. Das Warten begehen. Die Nichtbeschäftigung aushalten. Das Wiestehengelassensein ertragen. Damian lehnt sich auf der gepolsterten Bank zurück und exerziert im Kopf durch, was gleich passieren wird – aber vor allem wie und ob. Auf seinem Gesicht ein Lächeln und man sieht ihm den inneren Vorgenuss förmlich an. Einmal beißt er sich sogar auf die Unterlippe. Er sieht zufrieden aus, so von außen. Damian ist sich seiner sicher. Er zweifelt nicht, er wartet nur ab, aber er weiß schon. Nicht, was es wird. Auch nicht, was er will. Noch weniger, was sie für ihn ist. Und das spielt auch überhaupt keine Rolle. Das sind nur Kompliziertheiten, von denen „die Leute“ immer reden. Er macht sich daraus nichts. Damian will jetzt spielen. Sie riechen, schmecken, erleben endlich, endlich sie kennen und wissen. Endlich sitzt sie bei ihm am Tisch. Delias Frische springt auf ihn über, Damian springt sofort auf sie an. Ihre gemeinsame Wucht erfüllt den Raum, erhebt sich, und zwar ganz von allein, zur Hauptattraktion. Zwischen ihnen knistert es. Dabei reist er sie wieder mit seiner Schnelligkeit mit. Wieder lässt sie sich mitziehen, ist ganz verliebt in seine Schnelligkeit, darin, wie seine Gedanken ihn treiben von einem Punkt zum anderen. Delia ist jetzt schon verliebt in das alles. Merkt auch deutlich, wie sie langsam in ihn hinüber gleitet, wie es sie zu ihm zieht, sie mehr und mehr hineinfließt in ihn und rutscht. Denn sein Wesen entführt sie. Noch sind sie beim Essen. Auch wenn sie mehr sich und ihre Blicke fressen, als was auf ihren Tellern liegt. Der Bauch nimmt nichts auf, auf den achtet jetzt auch keiner. Was weiß schon der Bauch! Ihre Lippen will er, seinen Hals will sie! Aber sie müssen in die Bar. Diese Hürde liegt noch zwischen ihnen, sie beide wissen das und folgen trittsicher der Regel, die nirgendwo steht. Kommst du jetzt mit zu mir? Er fragt das, Damian fragt das: Kommst du mit zu mir? Ja ich gehe mit zu dir. Sie sagt das, Delia sagt das: Ja ich gehe mit zu dir. Und sie gehen. Sie folgt ihm auf seinem Nachhauseweg. Die Treppen hinauf läuft sie hinter ihm und zwar dicht, genauer: sie hält sich an seiner Hosentasche fest. Unten im Hausflur war ein Spiegel. Delia warf sich darin ein Lächeln zu und es lag etwas Siegessicheres in ihrem Blick. Warum Sieg? Was gibt es denn zu gewinnen? Ich dachte, wir pokern immer nur um die Höhe unseres Verlusts. Sie läuft hinter ihm und studiert wie er sich bewegt. Delia beobachtet seinen Nacken. Wird er mir schmecken? Wie wird er schmecken? Ich werde seinen Hals gleich schmecken, gleich, jetzt, am besten sofort. Sie ist unruhig, ist voller Erwartung und gespannt auf ihn. Delia hat sich nichts vorgenommen und verfolgt auch kein Ziel mit diesem Abend – zumindest hat sie sich das bis jetzt immer wieder selbst vorgesagt – sie will sehen, denkt sie. Wenn ich will, kann ich auch einfach wieder gehen, denkt sie. Hinter ihm auf dem Treppenabsatz, Delia ist neugierig, und die Treppe mit braunem Kokos ausgelegt, der den Klang ihres Absatzes verschluckt, ihn in sich aufnimmt, bis nichts mehr von ihm übrig ist – mit Haut und Haaren. Stünde sie jetzt vor ihm, dann könnte sie auf Damians Gesicht dieses Grinsen sehen. Eines, das mehr für ihn allein bestimmt ist, als dass es ihr gälte, oder gar „der Situation“. In diesem Treppenflur ist jeder für sich: Sie rechnen sich noch einmal kurz durch, rücken sich innerlich zurecht und stellen sich auf, bevor sie gleich in- und voreinander Position beziehen. Durchatmen! Damian dreht den Schlüssel im Schloss und bittet sie herein. Damit steht sie ganz plötzlich und auf einmal in seinem Leben drin. Hier ist das also, so sieht das aus, denkt sie – weiß Damian, dass Delia denkt. Sie behält ihre Schuhe an. Sie ausziehen wäre zu viel, sie will sich nicht niederlassen. Sie mag auch nicht sitzen. Stattdessen lehnt sie im Türrahmen und Damian bietet ihr Wein an. Das ist gut. Sie will jetzt auch rauchen, etwas in der Hand haben, und Zeit. Er weiß das, beobachtet sie – Sie hier, tatsächlich! – lässt ihr den Raum, zögert hinaus, aber lässt sie nicht zappeln. Bis er sein Glas abstellt und zu ihr hinüber geht. Sich 6 hinter sie stellt, ganz nah hinter sie stellt, an sie heran. Damian hinter mir, und es ist sein Finger, der sich über meinen Nacken zieht, langsam meine Wirbelsäule hinab und sich auf meiner Hüfte verliert, weil er dort zur Hand wird – Hand, die warm ist – Hand, die den Stoff beiseiteschiebt und sich vorwagt zur Haut, zum Bauch, meine Haut, mein Bauch, ich bin die, auf der seine Finger gehen. Und Haut. Jetzt endlich Haut, ihre Haut, meine Haut – so! Seine Hände greifen nach ihren Schultern, fahren hoch, fahren ihren Nacken hinauf, gehen in ihr Haar, umschließen ihren Kopf. Die Wärme seiner Hände geht über in sie – seine warmen Hände hier auf mir, auf meiner Brust, und das da ist sein Atem an meinem Ohr. Er infiziert sie mit sich. Delia schließt die Augen, senkt den Kopf, bietet Damians Zähnen ihren Nacken an – die zubeißen! sich festbeißen in ihrer Haut. Er riecht sie, versenkt seinen Kopf in ihr, diesem sandigen Geruch. Ihre Arme greifen nach ihm. Ein Körper drückt sich an einen anderen Körper feste ran. Ein Kopf fällt nach hinten und legt sich auf einer Schulter ab, dort dreht er sich zur Seite, dort gräbt er sich in einen Hals hinein, wendet sich zu einem Halse hin, der jetzt gegessen wird, gebissen wird, kennengelernt wird und zwar so richtig – das ist Damian. Er dreht sie um, er muss sie jetzt sehen, ihr Gesicht, auch ihre Lippen, denen muss er was sagen. Ihre Münder treffen sich, sagen sich, erkunden sich – ob sie etwas übrig lassen voneinander? Darum geht es doch gar nicht! Jetzt wird gegessen, ganz vorzüglich gespeist, sich genossen bis zum letzten Tropfen und wieder zurück. Ausgetrunken, es wird solange getrunken, bis sie betrunken sind von sich. Mit Schmatzen und Stöhnen und Lachen und Schreien; das Bett passt jetzt nicht. Auch die Couch geht nicht, an die ist gar nicht zu denken, die steht entschieden außer Frage. Zum alleräußersten Ende ihres Oberschenkels tastet sich seine Hand gerade vor, greift wo es rund wird, packt dort zu. Seine Hand tastet auch nach der schwarzen Wolldecke, die auf dem Sofa immer liegt und die jetzt eilig von ihm dort heruntergerissen wird. Damian zerrt, zuppelt die Decke ungeduldigst auf dem Holzboden zurecht, irgendwie und mit Hast. Die Störung passt ihm nicht. Er will sich jetzt nicht ablenken lassen von diesem lebendigen Körper unter seinen Händen, kann Blick und Mund nicht lassen von ihrer endlich für ihn nackten Brust. Aber er will auch, dass sie es schön haben. Damian lädt Delia zu sich auf die schwarze Decke hin ein. Sie folgt ihm. Blickt, während sie sich hernieder kniet zu ihm, sich vornüber beugt zu ihm, auf Knien und Händen ist vor ihm, ihm in die Augen. Nicht einen Zentimeter erlauben sich seine Augen von ihr zu verpassen. Damian saugt sie förmlich in sich auf und dann wieder Küsse. Ihre Zungen begaffen gierig diesen immer noch neuen Besuch – sie können sich gut leiden. Damian. Er will unter ihr liegen, ganz von ihr zugedeckt sein, auf mir soll sie sitzen, ich zieh dich zu mir ran, auf mich rauf, in mich rein zieh ich dich, komm! Delia spürt ihn hart und warm unter sich und wie er sich gegen ihre Lippen drückt, diesen Mund, sie weiß jetzt auch wie er schmeckt, wie er riecht, wie er sich anfühlt in ihrer Hand, ihrem Mund, zwischen ihren Lippen, auf ihrer Zunge, die sich an ihm auf und nieder reibt und nur ihre Zähne wollen nichts von Alexander Simon RULES OF ENGAGEMENT Willst du mit mir gehen? EIN TAG ZU VIEL ihm wissen, die halten sich vorerst lieber versteckt, obwohl. Seine Lippen kennen ihre Zähne schon. Dort festgebissen haben sie sich nämlich, haben gesaugt und alles rot gemacht. Spuren, Zeichen, Beweise hinterlässt Delia auf seinem Körper, aber das ist nur fair, weil auch ihrer bleibt von seiner Begierde nicht verschont. Sie schenken sich auf dieser schwarzen Decke nichts. Damian greift nach ihr, es verlangt ihm nach ihr, zieht sie immer wieder zu sich ran, so! zieht sie zu sich ran und seine Finger können nicht lassen von diesem warmen Mund, dann Schenkel, dann Hüfte Rücken Busen Arm Hals Gesicht Haar aber vor allem krallen sich seine Finger hinten fest, Hinten. Dort, wo seine Zunge vorher war. Damian zieht Delia auf seinen harten Schoß. Sie beide glühen. Halten es nicht mehr aus, sterben wenn sie sich jetzt nicht versenken ineinander. Seine Finger und Zähne vergraben sich in ihrem Fleisch, tief stößt er sich dabei in sie hinein. Delia bäumt sich auf, Delia sitzt auf ihm, Delia drückt zieht stößt zwingt ihn tief und tiefer in sich hinein, bis sie ganz ausgefüllt ist von ihm. Ihn spürt, fühlt, hat – endlich – und das überall denn bis an ihr hinterstes Ende dringt er vor, ist in ihr dort, wo sie selbst nie hinkommen würde, nie. Mit ihren Händen stützt sie sich auf seinen Schultern ab, nah am Hals, drückt ihn zu Boden, drückt ihn in die Decke, weiß gar nicht mehr wohin mit ihrer Kraft, führt darum ihre Finger zu seinem Mund aber – der Schmerz seiner Zähne erhöht nur ihre Lust. Damian ist könnte er einen klaren Gedanken fassen, dann Das hätte ich nicht gedacht! Er findet sie Sie ist von ihm Gegenseitig bringen sie sich um den Verstand. Überwältigen, reduzieren sich auf dieser schwarzen Decke, die hier in der Mitte des Zimmers auf goldbraunem Holzboden liegt, geradewegs und rundheraus und ohne schlechtes Gewissen oder Scham auf – Körper. Nichts anderes zählt. Nichts ist von Bedeutung außer ihr Rhythmus und wie heiß, wie weich, wie eng, wie tief, wie rot es in dir ist. Delia. Nichts, nur dieses Stechen, nur wie du dich hineinstößt in mich und mich anfüllst von innen mit diesem heißgeliebten Schmerz. Damian. Sein Stoßen hallt auf dem Boden wieder, knallt, aber ihr Stöhnen ist lauter als der Lärm auf dem Holz und die Striemen auf seinem Bauch sind rot – ihre Hand, Finger, Nägel ziehen sich dort gerade entlang, ganz verzückt. Sie sind nur Gier. Sind nichts anderes als Lust. Bis er sie an den Punkt bringt, da sie zusammenbricht auf seiner Brust. Bewegungslos, ein einziges Atembündel, wie in eine andere Welt geworfen liegt sie auf ihm. Hört, wie laut und schnell sein Herz ihr entgegenschlägt. Spürt, wie warm und langsam es herausläuft aus ihr, leise an ihrem Bein entlang. Damian leckt sie von seinen Lippen ab, riecht sie von seiner Hand herunter, vergräbt sich in ihrem Haar, betrinkt sich mit ihrem Duft. Kleider liegen auf dem Boden. Komm rüber, nimmt er ihre Hand, dort ist mein Bett. Und sie läuft hinter ihm her, ganz nah an ihn gedrückt. In dieser Nacht schläft Delia wenig. Sie findet keine Ruh. Wälzt sich stattdessen neben ihm, der schon schläft. Sie versucht müde zu sein, sie versucht es wirklich, doch mehr als eine halbe Stunde Schlaf hier und da schafft sie heute Nacht nicht. Sie beobachtet, in dem bisschen Licht, das ihr die Nacht nur lässt, seine Schulter. Schulter, nach der sie gerade noch gegriffen hat. Sie waren wie Körper, die sich kennen, die keine Überraschung für sich sind, irgendwie. Obwohl das nicht sein kann. Delia träumt wirr. Sie berühren sich im Dunklen nicht. Nicht jetzt. Nicht, bis sie wach wird und sich zu ihm dreht. Nicht, bis sie sich an ihn drückt, sich auf ihn legt und küsst. Er soll jetzt wach werden. Er soll jetzt mit ihr sein und noch viel mehr soll er in ihr sein. In ihr will sie ihn jetzt spüren, jetzt. Damian. In mich sollst du gehen, da sein sollst du dort für mich, und durch mich. Er ist es. Er dreht sie um auf den Bauch. Und sein Gewicht legt er auf ihr ab, sein ganzes Gewicht legt er auf ihr ab, er ist jetzt in ihr – in mir – und sie sind fast bewegungslos, denn mehr brauchen sie nicht, mehr bloß nicht, sie schlafen ja beide fast noch. Und ihre Arme greifen nach seinem Bett, an dem sie sich festhält jetzt. Er sieht ihren Rücken, ihr Kopf fällt vornüber, gibt ihm ihren Nacken preis und Damian beißt dort hinein, aber ohne Gewalt, tut das jetzt wo er sich hineinstößt in sie, eingeht in sie, eindringt. Wieder eindringt in sie und wie tief er das tut. Um sie herum kaltblaues Morgenlicht, darin liegen sie ineinander, ihre Körper in Schweiß. Delia bleibt nicht zum Frühstück und seine Tür fällt erst ins Schloss, als sie auf dem Treppenabsatz schon nicht mehr zu sehen ist. Ich ruf dich an, küsst sie ihn zum Abschied und lacht und sie freut sich darauf. Ich ruf dich an. Gehen miteinander. D a stehen sie also. Und was sollen sie jetzt mit sich machen? Wie umgehen miteinander? Sollen sie überhaupt zusammen gehen? Finden sie das gut? Möglichkeiten gibt es! Die fächern sich auf zwischen Weiter und Schluss: Ist es aus zwischen ihnen, hier und sofort und am ersten Morgen schon? Geben sie sich nur eine Nacht? Oder denken sie vielleicht an lebenslänglich? Dabei weiß es Delia doch schon. Dabei ist sie doch längst verführt, ist längst hingerissen von der Lebensmöglichkeit, die sich da vor ihr auftut mit ihm. „Ich will mehr“, weiß Delia und meint damit: Ich will dich mehr sehen und immerzu nur bei dir sein. Gib mir mehr von deiner Zeit. 7 Ich will mehr als deinen Körper allein. Ich will auch mehr von dir wissen. Gib mir ganz viel von deinen Gefühlen ab. Ich will nämlich mehr von deinem Leben als nur ein Treffen hier und da. Ich will nämlich mehr mit dir teilen als mich nur manchmal in der Nacht. In deine Tage, deinen Alltag will ich rein, weil mehr Platz soll darin für mich sein. Ab jetzt! An mich denken sollst du mehr und mehr. Genau das wünsch ich mir von dir, dass du mich einbeziehst in dich. Ich will in dich einziehen. Einen Platz sollst du mir frei machen und zwar am besten dort, ganz nah an deinem Herzen dran. Delia weiß, „Ich will mehr.“ Und, will er mehr von ihr? Und, willst du mehr von ihr? Aber wie wollt ihr das denn machen? Durch welche Hintertür wollt ihr das Mehr denn herein lassen? Wie wollt ihr ihm Anstellung geben zwischen euch Zweien, die ihr doch eben noch so gut ohne den Anderen wart? Wie geht ihr denn vom Ich zum Wir? Kommunikation. Transparenz. Kompromiss. Wahrhaftigkeit. Ja. Aber! Wie geht man denn vom Ich zum Wir? Damian hat bei ihr heute Nacht geschlafen. Er tut das jetzt öfter, mehrmals die Woche sogar. Nein ich bin ehrlich: Damian schläft fasst jede Nacht bei mir. Manchmal schlafe ich auch bei ihm, aber eher selten. Wir sind mehr bei mir, als bei ihm. Das hat sich so eingependelt, irgendwie. Damian muss aufstehen. Aber Delia darf heute früh noch liegen bleiben, ausnahmsweise. Damian geht in die Küche und nimmt sich was er braucht aus ihren Schränken heraus. In seinen Handgriffen die Sicherheit und Selbstverständlichkeit, die nur Wiederholung und Routine dir gibt – er findet sich bei ihr zurecht wie blind. Der Kühlschrank, Kaffee mit Milch und ohne Zucker, das muss sein, da macht er auch wenn er bei ihr ist keine Ausnahme. Vor der Wohnungstür liegt die abonnierte Zeitung. Damian verlässt sich darauf. Er holt die Zeitung herein und liest sie am Küchentisch. Er liest nicht lange, nur die Überschriften und manchen Artikel quer, weil er muss gleich los. Keine Frage, Delias Wohnung gehört jetzt auch ihm. Sie wollen das so. Obwohl, eigentlich ist es uns einfach so passiert. Wir sind da irgendwie so reingerutscht. Delia war halt immer da. Damian war halt immer da. Nachdem er gefrühstückt und sich von seinen Sachen, denen ein fester Platz in ihrem Schrank gehört, genommen hat, tritt er zu Delia ans Bett, beugt sich herab und gibt ihr einen schnellen Kuss – sie schaut auch kaum auf. Bis später, ich ruf dich nachher an. Und hab einen schönen Tag. Dann nimmt er seinen Schlüssel, an dem auch ihr Schlüssel hängt, und geht. Bis zum Abend wo sie sich wiedersehen, diesmal bei ihm, hat sie ihn bestimmt schon dreimal angerufen. Ohne genau zu wissen warum. RULES OF ENGAGEMENT Das sind Gespräche zwischendurch: Delia sitzt dabei am Computer. Ihren Kopf hat sie auf die Hand und den Ellenbogen gestützt. Ihre Augen starren auf den Bildschirm und nehmen nichts richtig wahr. Mit der rechten Maustaste öffnet und schließt Delia Computerfenster oder sieht schnell bei ihren Emails nach, immer wieder. Und ohne es zu merken. Ja bis später, ich dich auch. Bei diesen Gesprächen zwischendurch ist sie nie ganz bei der Sache, Damian auch nicht. Sie sind bei sich zugegen, sagen wir, nur mit einem Ohr. Am Abend klingelt sie bei ihm. Die Tür aufschließen, dazu hat Delia keine Lust und auch findet sie in ihrer Tasche, in die sie schnell geworfen was sie braucht wenn sie bei ihm schläft heut Nacht, ihren Schlüssel nicht. Wer ist da? Dann geht für Delia unten die Haustüre auf. Seine Wohnungstür lässt Damian, solange sie noch im Treppenflur, offen und unbewacht stehen. Er geht sodann wieder seiner Beschäftigung, aber nicht Delia auf der Treppe entgegen. Es fällt die Türe ins Schloss und zwar mit Knall. Delia hat mit dem Fuß nach ihr getreten. Hi. Einen schnellen Kuss schenken sie sich. Sie steht vor ihm, ist ein wenig ratlos. Fühlt sich unwohl ob der Frage, was sie denn jetzt hier bei ihm machen soll. Später wenn sie kochen, erzählen sie sich ihren Tag. Fallen ineinander. Aber Damian ist abwesend am Abendbrottisch. Er ist auch gereizt. Harsch reagiert er auf Fragen, Kommentare, überhaupt auf alles was von ihr kommt. Ihr Wesen reizt ihn heute, stachelt ihn an und er hat das Gefühl, es nicht ertragen zu können, heute nicht! Damian isst. Mit jedem Bissen wird Delia, die ihm gegenüber sitzt, mehr zur Angriffsfläche, ja sie wird für ihn freies Feld, auf dem man losfeuern kann – muss. Damian muss aufpassen heut. Muss sich zurück halten, sonst. Dabei kann sie ja gar nichts für seine Wut, sie hat ja gar nichts gemacht. Trotzdem ist Wut da – Aggression – weißer, unbestimmter Druck, den er in seiner Mitte spürt, der immer mehr aufsteigt und sich an seiner Kehle zu schaffen macht, Druck, der seine Stimme weiß einfärbt. Seine Worte, insofern Damian an diesem Abendbrottisch heute überhaupt etwas zu sagen hat, kommen so trocken gefeuert wie Gewehrschüsse raus. Damian muss aufpassen, dass nicht. Er weiß das. Die Stimmung ist also angespannt. Das ist in letzter Zeit immer wieder so. Sie gönnen einander kaum noch Ruhephasen, die zwei. Sind stattdessen immer zum Sprung und Angriff bereit, sitzen, wie man sagt, auf einem Pulverfass. Delia erzählt von ihrem Tag. Sie hat eigentlich keine Lust das zu tun, tut es aber trotzdem. Um die Stille zu brechen, um das Essen erträglich zu machen, um das Bild zu wah- ren, um Unterhaltung zu sein, um sich selbst nicht so sehr weh zu tun erzählt Delia von ihrem Tag. Damians Antworten sind kurz, seine Rede einsilbig – wenn überhaupt. Und wenn er es sich wirklich eingesteht, dann weiß er: Mich interessiert was sie da sagt nicht, ihren Tag zu hören interessiert mich nicht. Muss ich wissen, wann sie zu Mittag gegessen, wie anstrengend ihre Arbeit, wer sie angerufen, mit wem sie vorhin auf der Straße so nett geredet hat — ? Muss mich das interessieren, etwa? Also zugeschüttet, überhäuft, eingeengt fühlt er sich an diesem Tisch und durch sie. Unwillkürlich fasst er sich an die Kehle wie zum Zeichen seiner Atemnot. Dann lehnt sich Damian auf seinem Stuhl zurück. Streckt seinen Körper so weit, bis die Beine fast ganz gerade sind – er nimmt Distanz. Der Stuhl hebt ein wenig vom Boden ab, er kippelt – oder nimmt er Anlauf ? Die Arme hat er nicht verschränkt, weder hinterm Kopf noch vor der Brust, aber seine Hände hat Damian in den Hosentaschen. Provoziert er, oder nimmt er sich nur zusammen? Ist sie das noch für mich? Damian fragt sich das jetzt. Fragt sich das jetzt, wo er ihr beim Reden zusieht, aber nichts hört von dem, was Delia sagt. Geht es mich an, was sie sagt? Überhaupt: Was geht mich das an? Wo bin ich in dem, was sie da sagt? Überhaupt: Wo bin ich? Und warum ist sie überall? In jedem Winkel von mir hast du dich breit gemacht. Er denkt das, während er ihr gegenüber am Abendbrottisch sitzt. In mich eingedrungen bist du, unmerklich mir unter die Haut gekrabbelt und jetzt kriechst du dort umher, unter meiner Haut, in meinen Gedanken kriechst du rum. Alles dreht sich nur noch um dich; und ich mich nur noch nach deinem Takt, dem ich nur noch ganz antriebslos folge. Delia, und wir zwei waren mal Sinfonie! Ich erinnere mich doch noch ganz genau. Jetzt sind wir Schlaflieder. Schlaflieder! — Und es ist, als ob Damian seine Brille putzte, wenn er nur eine hätte. Plötzlich sieht er, traut sich, vor allem: traut sich zu sehen. Ihm wird darüber regelrecht schlecht. Regelrecht schlecht wird es ihm. Zuschnüren tut sich ihm alles und er kann unter Schmerz nun- 8 mehr nur das eine Wort noch denken, Wort, das sich laut reinhammert in seinen Kopf: Verrat. Verrat an der Liebe, die wir einst mal waren. Weil aller Liebe Ende ist Verrat. Verrat an der Begeisterung, vor der wir einst mal überschäumten. Weil aller Liebe Ende ist Verrat. Verrat an dem Interesse, das wir einst mal füreinander hatten. Verrat an den Plänen, die wir einst mal gemeinsam schmiedeten. Verrat an Weil aller Liebe Ende ist Verrat. Seine Gedanken überholen sich, nichts wird ausformuliert, mehr als Gefühlsbrei und Emotionspampe ist er jetzt nicht. Damian fühlt sich braun und wie Elend – ja genau. Das Weiß seiner Wut ist jetzt elendig braun und dabei ist es noch lange nicht vorbei! Ohne an ihr Anteil zu nehmen und besessen von dem, was sich in ihm verdichtet, beobachtet er Delia wie sie mit ihm an diesem Abendbrottisch isst und spricht. Was ihre Hände dabei machen, wie sie immer wieder in die Haare fahren, sie dann hinterm Kopf zusammendrehen, damit sie nicht in Richtung Essen fallen. Oder wie die Gabel in dem Zeug auf ihrem Teller rumstochert. Er sieht sie an und etwas bereitet sich in ihm vor. Dass sie ihm einmal klarer war, denkt Damian jetzt. Dass ihre Furchen und Risse ihm früher deutlicher in die Augen stachen. Ich fand‘ sie doch mal so eigen. Und was ist jetzt? Es fühlt sich abgefedert an, fühlt sich ausgetreten an wie eine Treppe oder Schuh. Wann hat sie mich das letzte Mal getroffen und zwar so richtig wie ein kalter Schlag? Wann mich zuletzt umgehauen, weil sie einfach meine Delia ist? Delia, wann war das doch gleich? Damians Augen ziehen sich zusammen, seine Stirn faltet, seine Hände krallen sich im Hosentaschenfutter fest, sind fast Faust. Feste aufeinander hat er auch seine Zähne gepresst – wohl um sich mit Worten zurückzuhalten, noch. Wo ist mein Begehren hin, wenn ich sie seh‘ und wo mein Zittern abgeblieben? Wo unsere Unvernunft? Sehnsucht? Ja Delia, wann habe ich dich eigentlich das letzte Mal vermisst? Aber so richtig, so wirklich und bis zum nicht mehr Aushalten vermisst. Delia, deinen Blick auf mir, deine Stimme, oder wenn du über mich lachst. Sie, natürlich merkt sie, dass etwas nicht stimmt und dass hier gerade etwas sehr anders ist. Die zusammengebissenen Lippen hat sie längst ausgemacht in seinem Gesicht. Auch das Stocken beim Atmen gemerkt und wie blass er ist, Damian. Aber sie will noch nichts sagen. Sie will ihn kommen lassen. Denn so wie Damian innerlich zum Sprung ansetzt, geht auch Delia in Deckung. Macht sich klein, um dann hochzuschnellen, ihm ran an den Hals und zum Verteidigungsschlag! – wenn‘s denn sein muss. Sie sind wie zwei Panther, die hungrig Beute wittern. Aber eigentlich sind sie das auch nicht. Eigentlich sind sie wie zwei kleine Kinder, die, wie zwei kleine Kinder die sich nicht mit Worten zu helfen wissen und sich deswegen auf den Boden werfen und schreien. Ivonne Dippmann Nee, alles gut. Wollte nur mal kurz hören. Wo bist du? Zuhause. Und was machst du? Sitz wieder am Computer, muss doch die Sache heut noch fertig kriegen. Und unbedingt was essen, hab tierisch Hunger. Hast du schon was gegessen? Nee noch nich, keine Zeit. Kochen wir heut Abend bei dir? Julia Bräuer EIN TAG ZU VIEL 9 Fruzsina Jesse RULES OF ENGAGEMENT 10 Gero Gries EIN TAG ZU VIEL 11 Jorinde Voigt RULES OF ENGAGEMENT 12 Willst du mit mir gehen? Was hast du denn Damian, du guckst so komisch? Nichts. Es ist nichts. Nun sag doch mal. Es ist nichts. Ach komm ich seh‘ dir doch an, dass was ist. Delia! Ja was denn, ich frag‘ doch nur. Hör auf ! Was soll das denn jetzt auf einmal? Dann sag doch einfach, was du hast! Und mach nicht immer alles mit dir aus. Du weißt wie mich das nervt. Es ist nichts. Nichts. Nur, dass der Radius unseres Pendels immer kleiner geworden ist. Radius unseres Pendels immer kleiner geworden ist – Delia schluckt. Jetzt schnürt sich bei ihr alles zusammen. Jetzt ist sie dran. Er war also der mit dem ersten Stich. Du hast angefangen! Du bist schuld! Radius unseres Pendels immer kleiner geworden ist – Delia schluckt. Es zieht sich in ihr zu, als würden ihr die Eingeweide zerschnitten, als furchte jemand mit dem Messer in ihr rum, und in ihrem Kopf. Als furchte jemand mit dem Messer in ihr rum, wie sie selbst eben noch in ihrem Essen gefurcht hat, so geht es ihr auf diesem Stuhl am Abendbrottisch bei Damian zuhause, Stuhl, an dem sie sich festkrallt, Stuhl, dem sie ihre Nägel ins Holz rammt, weil sie ihm weh tun will, weil es ihr so weh tut was Damian da jetzt sagt über sie. Sie kriegt auch gar nicht alles mit. Bei ihr setzt es wie aus. Mit einem Mal ist Delia auf ihrem Stuhl fast nur noch dieses Reißen im Bauch, das ihr die Kontrolle nimmt und auch die Luft. Dann passiert es also jetzt. Gut, dann ist es eben so und es passiert einfach. Was soll ich da jetzt auch noch machen? Sie war zwar vorbereitet, wusste, wusste auch dass es irgendwann passieren muss, weil alle Zeichen standen doch schon auf Sturm zwischen ihnen – und das seit langem. Aber nun ist sie trotzdem überrascht. Weil auf sowas kann man sich doch nicht vorbereiten, weil sowas trifft dich immer wie der Schlag. Radius unseres Pendels immer kleiner geworden ist – was Damian da sagt haut sie förmlich um. Sie hat große Angst vor dem, was gleich noch niedergehen wird auf sie. Damian steht auf. Delias Blick geht ihm hinterher. Er steht vom Abendbrottisch auf und tritt seinen Stuhl mit dem Fuß hinter sich weg. Delia bleibt sitzen. Sie blickt zu ihm rüber, beobachtet seinen Rücken, beobachtet jede seiner Bewegungen ganz genau. Delia ist auf der Hut. Damian legt seine Hände auf den Hüften ab – er muss jetzt irgendwas anfassen, muss ewas greifen, und wenn er nach sich selber greift. Leicht auseinander seine Beine und durchgedrückt, fast steif, die Knie wirft er den Kopf in den Nacken und blickt mit geschlossenen Augen zur Decke hinauf. Damians Brust hebt sich, so tieft holt er Luft. Er versucht sich zu sammeln, sich eine Auszeit zu gönnen. — Ja, zumindest versucht er es. Sein Ausatmen ist nur noch ein Stoßen, es zischt ihm durch die Kehle. Der Kopf fällt kraftlos nach vornüber auf die Brust und noch immer sind die Augen zu. Bevor er ansetzt zu seinem ersten Schritt. Damian läuft jetzt in der Küche umher. Damian läuft wirr und ziellos in dem dafür viel zu engem Raum umher – Küchenkäfig! – und ist sehr aufgebracht. Ist angezündet wie Feuer, wird gepackt, geschüttelt von Verzweiflung und Rage, die. Wie böse Feindinnen schnüren sie seine Kehle immer enger zu. Sachte Damian! Sei ganz sachte! Delia sieht was passiert. Sie sitzt aufrecht wie nur irgend an ihre Lehne gedrückt. In den hintersten, den allerletzten Winkel ihres Küchenstuhls hier bei Damian zuhause drückt sie sich rein, als ob sie sich dort etwa verstecken könnte. Aber das kann sie nicht! Sie kann sich nicht verstecken. Nein Delia, das geht nicht! Er sieht dich. Das viel zu helle Licht der Küchenlampe, hier direkt überm Tisch, liefert sie aus und sie kann jetzt hier auf gar keinen Fall weg. Verdammt du musst da jetzt durch! Delia kämpft mit sich, und wie. Auch Damian kämpft. Sie sieht das so genau wie ein Adler im Flug. Sieht wie es ihn beutelt, ihn innerlich zerstört was da raus muss aus ihm. Damian spricht. Und Delia ist jetzt nicht Adler sondern Beute. Ich kann das nicht mehr. Ich kann das nicht mehr Delia, und es macht mich ganz krank. Ich finde dich nicht mehr schön. Delia, verstehst du? Ich finde dich nicht mehr schön, dich Delia, dich! Dabei warst du mir das Schönste einst. Das weißt du doch Delia, das hab‘ ich dir doch immer wieder gesagt, oder? Aber jetzt nicht mehr Delia, jetzt sage ich es dir nicht mehr. Ist es dir überhaupt schon aufgefallen? Hast du’s überhaupt schon gemerkt? (Seine Augen sind weit aufgerissen bei diesem Satz.) Oder wann hab‘ ich’s dir das letzte Mal gesagt? Ich weiß ja nicht mal, wann ich es das letzte Mal gedacht habe! Das letzte Mal, Delia, dass ich dich schön gefunden habe, wann war das denn? Jetzt aber finde ich dich nicht mehr schön. Delia, jetzt finde ich in dir nur, nein: Jetzt finde ich in uns nur noch Dinge, die besprochen, Sachen, die geregelt, Besorgungen und Besuche, die gemacht wer- 13 den müssen und Essen, Delia, vor allem Essen, das gekocht werden will. Und es widert mich an. Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr es mich anwidert und wie ich langsam verrückt werde dabei. Verrückt werde ich, hörst du? Und weißt du was? Es kommt noch schlimmer. Es stößt mich auch ab. Es stößt mich ab, wenn ich sehe wie wir gefallen sind. Delia siehst du nicht wie wir gefallen sind? (Er wendet sich ihr zu, guckt nicht mehr zur Wand. Er spricht Delia jetzt direkt an und fordert sie zur Antwort auf. Siehst du denn nicht wie wir gefallen sind?) Wir sind gefallen? Was soll das denn jetzt auf einmal Damian, was meinst du denn damit überhaupt? Gefallen. Wo hast du uns denn gesehen? Auf welchen Sockel hast du uns gesetzt? (Delia dreht ihren Stuhl hinein in den Raum und damit weg vom Tisch. Sie wendet sich ihm zu und zwar mit voller Fläche. Sie wartet. Delia könnte jetzt die Arme vor der Brust verschränken, aber tut es nicht. Sie könnte sich auch nach vorn lehnen und ihre Hände auf die Knie stützen, aber sie tut es nicht. Stattdessen wartet sie in die nach ihrer Frage entstandene Stille hinein. Da ist sie jetzt aber mal gespannt. Damian, da bin ich jetzt aber mal gespannt.) Wir waren doch mal größer als das und auch stärker Delia, erinnerst du dich nicht? Weißt du denn gar nicht mehr, wie viel Kraft wir mal hatten? Wie viel Verve und Energie mal in uns war? Sieh‘ was jetzt ist! Guck was wir jetzt geworden sind! Du weißt nicht, wie wir jetzt sind Delia? Soll ich es dir sagen? Pass auf, ich sag’s dir: Jetzt ist „das Leben“ in uns eingebrochen. In uns eingedrungen ist es, „das Leben“, und hat uns gnadenlos und ohne mit der Wimper zu zucken ausgehöhlt. Und zwar von innen hat es uns ausgehöhlt, Delia, hohl sind wir! Siehst du‘s denn nicht? Hörst du nicht wie hohl wir sind? Hohl ist das! Hohl der ganze Dreck! (Damian ist jetzt ausgesprochen wütend. Salve um Salve kommt es aus ihm geschossen, trifft auf Delia und das volle Kanone.) Glattgeschliffen hat uns „das Leben“, uns artig und gefügig gemacht in seiner ganzen Übermacht. Übermacht gegen die doch eh keiner ankommt, ist doch wahr! Lebensübermacht an Banalität, Besorgung, Befindlichkeit. Lebensübermacht an Bröckelmist. Kleinkarierter Bröckelmist! Unsere Kraft füreinander haben sie uns genommen, „das Leben“ und „die Zeit“ – was auch immer das heißen soll. Und wir haben es zugelassen. Delia das Schlimmste ist, dass wir es einfach zugelassen haben. (Damian lässt die Arme sinken. Lose und kraftlos hängen die Arme nun an ihm herab.) Bereitwillig, schlaftrunken, faul haben wir uns die Zügel für Leidenschaft und Intensität aus der Hand nehmen lassen von den Herrschaften, ach quatsch: von den Dummköpfen! „Alltag“ und „Realität“ – Dummköpfe sind das doch! Delia weggenommen haben sie uns einander. Und wir haben auch noch zugesehen. Nicht mal gekämpft haben wir. Sehen wir der Sache doch ins Gesicht: Wir haben nicht gekämpft. Stattessen haben wir brav die Köpfe geneigt, haben bereitwillig die Augen geschlossen und uns einlullen lassen von der Bequemlichkeit, vom Komfort, den uns die Sicherheit unseres Beisammenseins zum Fraße vorgeworfen hat. Unterwürfig wurden wir gegenüber der Eintracht, die wir hatten. Und das jeden einzelnen Tag. Und das in jedem einzelnen, unnützen, gedankenverlorenem Telefonat, Delia, wo es doch um Constanze Tonn EIN TAG ZU VIEL RULES OF ENGAGEMENT nichts anderes ging, als uns darüber zu versichern, dass wir nicht alleine sind in der Welt. Existenzversicherung über den anderen am Telefon. Und wir haben gegessen Delia. Bissen für Bissen haben wir uns konsumiert wie man ein fünf Gänge Menü konsumiert, wenn’s dir ausgegeben wird und also gratis ist. Hinein gespachtelt haben wir in uns, was man überall „Beziehung“ nennt. Oder „Partnerschaft“. Aber Partnerschaft sieht doch anders aus, oder Delia? (Er hat sich schon lange zu ihr umgedreht. Seine Arme unterstreichen was er sagt, geben ihm recht, schlagen in die Leere des Raumes rein – sie fuchteln eigentlich nur in der Luft rum. Der Kopf knickt nach rechts ab, bekräftigt, was der ausgestreckte Arm sagt und die offene Handfläche und das Wort: Oder Delia? Sag mir, dass richtige Partnerschaft anders aussieht. Und dass Zusammensein auch anders gehen kann.) Ach, Damian. Und du wolltest also lieber picknicken, ist es das? Im Gras wolltest du dich sitzen sehen, ewig jung, ewig frisch, ewig auf Exzess getrimmt. Dabei die Sonne im Gesicht haben wie ein Königskind. Dabei immer bereit sein zum Sprung hinweg übers Meer oder in den Abgrund hinein. Ist es das Damian? Ist es das was du wolltest? Wolltest du, dass wir Königskinder sind, Auserwählte? Wolltest du dich auf dem Drahtseil tanzen sehen mit mir? Damian antwortet nicht. Das ist ihm jetzt zu viel. Fassungslos steht er ihr gegenüber. Knickt ein, als ob es einen Faustschlag mitten in den Bauch gegeben hätte. Delia lachst du etwa über mich? Es fährt ihm nur so durch den Kopf, blitzschnell. Zu ungeheuerlich der Gedanke, als dass er bei ihm verweilen könnte. Gezielt hat sie. Ins Schwarze hat Delia getroffen. Hundert Punkte. Gewonnen. Hauptgewinn. Super! Er kommt sich ja selbst lächerlich vor. — Und? Sie schweigen. Damian hat nichts zu erwidern. Was soll er denn auch sagen? Königskinder! – der hat gesessen. Er fühlt sich verraten von ihr. Entblößt an einem Punkt ganz tief in sich drin. Königskinder! — Und? Was ist so schlimm daran? Hassen tut er sie dafür, dass sie immer genau weiß, wo sie ihre Schläge platzieren muss, um ihm so richtig eins auszuwischen. Er kommt sich ja selber lächerlich vor. — Und? Er meint das aber ernst! Ja er will etwas Besonderes sein, natürlich will er das, warum denn auch nicht? Er wollte auch, dass sie gemeinsam etwas Besonderes sind – von mir aus Königskinder. Das hatte er sich vorgenommen damals, als sie anfingen Damian und Delia zu werden. Nie im Leben wollte er eine Schablone sein. Wollte nicht so sein wie die, die er tagtäglich draußen sieht. Paarschablonen. Das sind Häufchen, die träge, lasch, sich das Händchen haltend in ihren U-Bahnsitzen hängen. Immer gemeinsam, immer sind sie Wir: Schatz und ich. Schablonen sind das und wenn er sie sieht, dann denkt er bei sich unter Zittern und Anspannung, denkt unter allergrößter Angst ob des Wissens um seine Verantwortung, seine Verantwortung, die einhergeht mit dem lauten Gedanken, der auf ihm lastet und zwar zentnerschwer: Mach! Damian mach! Tu alles dir nur Mögliche und noch darüber hinaus, damit du nicht einer von ihnen wirst. Kein Abklatschbild sein! Kein Wiederkäuer werden! Er denkt das, wenn er die Schablonen sieht und verachtet sich manchmal selbst dabei: Bloß nicht aus Mangel an Phantasie so werden. Nicht Schablone werden und niemals Nachschwätzer der Langeweile sein, die dir aus müden Gesichtern manchmal so gähnend entgegen trieft. Und jetzt steht er hier. Ist erschrocken über das Ungeheuerliche: Womit er sich so lange nur alleine herumgeschlagen hat, und das in jeder Sekunde, die sein Tag ihm dazu ließ, und das in jeder langen Nacht, wo der Schlaf ihn nicht finden konnte, das steht jetzt, seine innerste und allerheimlichste Gedankenmühle, die steht jetzt mit einem mal zwischen ihnen. Er hat es also tatsächlich ausgespuckt. Damian ist darüber erleichtert. Noch viel mehr aber ist er entsetzt. Er fährt sich durch die Haare. Mit den Händen bedeckt er sein Gesicht. Er hält sich die Augen zu. In Gedanken spielt er durch, was passiert ist gerade. Hört sich reden, sieht sich in der Küche laufen, sieht sich dort mit Delia, sieht sich wie im Schraubstock eingespannt im Krieg, der sich so lange angebahnt hat zwischen ihnen. Der in ihrer Mitte gewachsen ist wie eine viel zu reife Frucht – überfällig war das längst. Sie schweigen. Delia, machst du dich etwa lustig über mich? Er wird dieses Gefühl einfach nicht los. Trotzdem, war ich zu hart? Hab‘ ich übertrieben? Nein, das hast du nicht, Damian. Das musste sein, glaub mir. Und ihr seid ja auch noch nicht fertig. Du krabbelst doch schon schon wieder zur Front. Er muss weiter machen, er weiß das ganz genau, ob er will oder nicht. Denn es geht um viel zu viel. Worte steigen auf. Er setzt an, nimmt ins Visier – und spricht. Aber er spricht nicht mehr scharf, er kann ja selbst kaum noch. So etwas wie ein letztes Aufbäumen bekommt er gerade noch hin, aber die übrig gebliebenen Salven tropfen aus seinem Mund nur noch raus, und Delia vor die Füße. Delia, die ganzen Diskussionen immer. Wenn du wüsstest, wie ich ihrer müde bin. Müde unseres verletzten Stolzes, der sich immer wieder in Szene setzen muss, eifersüchtig, und der nicht einfach mal an sich halten kann – seine Klappe soll er halten! Er ist es doch, der uns zum Streit anstachelt, oder? Und dann dein trauriger Blick auf mir. Immer dieser Blick, der deine Enttäuschung über von mir nicht zurückerstattete Liebesmüh nicht bei sich halten kann. Wie schwer du dann aussiehst, Delia. Wie dich dieser Blick dunkel macht und klein. Als ob du dich selbst ausradieren würdest, so siehst du mich manchmal an. Wo ist denn dann dein Rückgrad hin? Du hängst dich an mir auf. Du lässt dich an mir baumeln. Als wäre ich dein Balken, Delia. Als wäre ich der Balken, der den Strick, den du aus deinen nicht erfüllten Erwartungen stetig immer weiter knüpfst, halten muss – und in der Schlinge steckt dein Kopf. (Delia wird schwarz vor Augen. Sie muss jetzt auf der Stelle im Erdboden versinken. Kann mich hier bitte jemand rausholen? Sie weiß, dass sie manchmal, dass sie Damian manchmal so anguckt. Aber er soll das doch nicht wissen! Alles Schwache soll doch ihr Geheimnis sein, eigentlich. Warum redet er darüber? Was fällt ihm eigentlich ein? Damians Stimme ist nicht mehr laut. Es kommt aus ihm ohne Hass heraus. Nur Verzweiflung, die schwingt überall mit, von der ist diese Küche übervoll. Dass man so nackt voreinander stehen kann. — ) 14 Delia, das Schwere zwischen uns und was du manchmal auf mich legst. Wie kannst du denn glauben, dass ich dich tragen kann? Wie kannst du das denn glauben? Ich bin mir doch selbst schon zu viel. Du weißt wie meine eigenen Schritte mich ins Stolpern bringen. Wie es mich aus der Bahn werfen kann, wie ich hadern kann mit allem. Wie soll ich dir da Stütze sein? Dein eigener Kleiderhacken musst du sein, verdammt! Weil sonst erstickt es mich, es erstickt mich dann einfach. Ich weiß auch nicht, wie ich es anders sagen soll. (Geschweige denn, wie man es anders macht. Wie geht man denn vom Ich zum Wir?) Delia, es sitzt mir im Nacken und drückt mir mit kleinen, kalten Händen die Kehle zu. Jeden Tag erwürgt es mich ein bisschen mehr. Und es bist nicht einmal du Delia, es geht gar nicht um dich! Es sind wir. (Damian blickt zum Fenster raus, in die Nacht, ins Haus gegenüber, in Wohnzimmer, die vom Fernseher belebt werden. Sein Blick verliert sich.) Dabei will ich doch einfach nur leben, einfach nur leben will ich doch. (Was er zuletzt gesagt, das hat er nicht geschrien. Ganz leise hat er es gesagt. Ich will doch einfach nur leben. Was er damit meint, weiß Damian selbst nicht so genau. Nein, er kann es nicht definieren. Weiß nur, dass es sich anders anfühlen muss als so. Ich will doch einfach nur leben. Und wieder riskiert Damian in dieser Küche vor Delia unsagbar lächerlich zu sein. Albern, kindisch, ein Traumtänzer eben.) Delia, du weißt doch wie sehr Angst das Grau mir macht. Er kann sich ja selbst kaum mehr reden hören! Es ist doch zum Lachen! Er meint es aber ernst. Damian ist erschöpft. Er kann nicht mehr. Er hat sich an den Rand gebracht. Und jetzt steht er hier. Was er zu Beginn dieses Abendessens an Boden unter sich hatte, ist weg. Um ihn nur noch kaltes Wasser. Damian ist ganz kalt. So ist’s einem wenn man springt. Er steht in der Mitte des Raumes und er steht allein. Seine Kraft hat er verpulvert. Zu beiden Seiten seines gebrochenen Körpers hängen die Arme herab. Wie Fahnen ohne Wind hängen sie herab. Seine Beine sind auch schwach. Damian starrt ins Leere. Sein Blick sieht nichts mehr, ist bewusstlos, bewegungslos, in sich begraben. Damian versteckt sich. Er tut das in der Mitte des Raumes, wo ein hölzerner Dielenboden ist. Und Delia lässt ihn stehen. Natürlich lässt sie ihn stehen. Sie ist doch genau so alleine wie er. Sie ist doch auch gestrandet. Und außerdem hat er sie an die Wand geredet, Damian, in die Ecke hast du sie getrieben. Du bist schuld! Sie muss sich jetzt erst mal wieder abkratzen von dort. Delias Augen sind zu. Sie kann ihn jetzt nicht sehen, nicht jetzt. Leise, mit geschlossenen Augen, auf sich bedacht und tief in sich drin spürt sie den Messerstichen nach, mit denen Damian sie durchlöchert hat. Jede einzelne Wunde läuft sie bis tief zu ihrem Ende hin ab. Alles ist noch so frisch. Sie ist dabei ganz still, auch wenn das seltsam ist. Delia ist nicht nach weinen zumute. Dafür ist hier gar kein Platz, auch keine Kraft. Nein, weinen geht nicht Delia, bitte mach das nicht! So verlierst du dich nur. Schotte dich lieber ab gegen ihn, mach deine Türen zu, und die Fensterläden auch! Delia sitzt auf dem Küchenstuhl. Die Beine angewinkelt, herangezogen ganz nah zu sich. Sie sitzt auf Willst du mit mir gehen? EIN TAG ZU VIEL diesem Stuhl wie eine kleine Kugel. Aber sie ist keine Festung, die Pfeile haben sie trotzdem getroffen. Delia legt den Kopf auf ihren Knien ab, hält ihre Beine umgriffen, nein ihre Schienbeine sind das ja. Sie versteckt sich so gut es eben geht. Klaubt sich zusammen, und die Einzelteile, in die er sie zerlegt hat. Was bleibt ihr denn auch übrig? Soll sie weinen, nun doch? Sich ihm an den Hals werfen? Schreien, Wüten, hysterisch sein? Damian, du bist so gemein zu mir! Nein. Denn Delia weiß ja, wie sehr recht er hat. Sie weiß das alles. Wusste es vielleicht schon vor ihm. Nur noch die Logik des verletzten Stolzes brächte sie auf die Barrikaden gegen ihn. Aber davon will sie nichts mehr wissen. Lieber nackt sein vor ihm, als sich aus Eitelkeit verteidigen! Sie weiß ja wie sehr recht Damian hat, sie ist doch auf seiner Seite. Das alles hätte auch aus ihrem Mund kommen können, denkt sie. Natürlich hätte sie das gekonnt, sie steht ihm da in nichts nach, denkt sie. Unter Krämpfen unterzeichnete sie jedes einzelne Wort, das er zu ihr gesprochen hat. Ihr hätte es dabei fast die Hand verbrannt, aber das macht nichts. Unter Krämpfen. Jedes einzelne Wort. Denn Delia kennt den Kampf in- und auswendig, machen wir uns doch nichts vor. Den Kampf irgendwie man selbst zu sein. Und dann auch noch zu zweit. Und dann auch noch zu zweit. Wir haben uns vermischt und sind dabei ertrunken ineinander, das ist uns passiert, denkt Delia und rollt dabei, kleine Kugel die sie ist, auf ihrem Stuhl ein klein wenig vor und zurück. Wer soll denn jetzt das erste Wort wieder sprechen? Nach einer Weile verlässt Delia ihren Küchenstuhl und betritt Land. Sie ist die mit dem ersten Schritt. Sie stellt sich zu Damian, aber berührt ihn nicht. Ihre Hände und Arme hat sie fest um sich selbst und ihren Körper geschlungen. Nur ihre Stirn legt sie auf seiner Schulter ab. Mehr muss auch nicht sein. Sie will ihm nur zeigen, dass sie, ja, dass sie versteht und auch schätzt, dass, zumindest irgendwie. Ich kann das aber alles noch gar nicht einordnen, Damian. Nun stehen sie beide, die Hände um den eigenen Körper gelegt, miteinander schweigend in dieser Küche. Neben ihnen der immer noch gedeckte Tisch. Essensreste. Überreste. Stumme Zeugenschaft. Und wie Kriegsverletzte, die sich gegenseitig stützen müssen, schleppen sie sich durch ihren Trümmerhaufen. Das auf einmal gebrochene Schweigen hallt noch nach. Erzittern tun sie auch vor ihrem geplatzten Glück – in die Luft hat es sich gesprengt. Zaghaft, schüchtern und unendlich vorsichtig stochern sie in den Scherben rum, begutachten die Überreste ihres Weltuntergangs, suchen. Ob da vielleicht doch noch etwas ist zwischen ihnen? Ob nicht doch noch irgendwas von ihnen übrig ist? Ein bisschen Hoffnung. Ein kleiner Weg. Ein wenig Zukunft. Aber das können sie doch jetzt noch nicht sagen! Die Wunden bluten ja noch. Gemeinsam räumen sie den Tisch ab. Sie sprechen dabei kein Wort, sondern hängen ihren Eindrücken nach, jeder für sich. Sie sind ganz schüchtern miteinander. Wo vorher Vertrauen und Selbstverständlichkeit war, regiert plötzlich eine ganz eigentümliche Höflichkeit zwischen ihnen. Versehentlich, auf dem Weg zur Spüle, stoßen sie gegeneinander. — Entschuldige, sagt Delia. Dabei huscht ein Blick über ihn hinweg, der ängstlich ist, der sich von links unten nach oben in den rechten Augenwinkel stielt, der aber vor allem stirbt noch bevor er richtig angekommen ist. Auf ihren Lippen gibt ein zittriges Lächeln sein Bestes, wirklich. Normalerweise gehen sie robuster miteinander um. Delia ist verunsichert. In ihrem Kopf nistet sich die Gedankenschleife ein. Er hat gesagt, er kommt sich vor wie der Balken, der meinen Kopf in der Schlinge tragen muss. Dass er meinen Blick nicht ertragen kann. Dass kalte Kinderhände ihn erwürgen. Dass alles hohl ist. Aber was will er denn? Wie stellt er sich das denn vor? Delia wirft Essensreste weg. Keiner hat heute aufgegessen. Wie in Zeitlupe kratzt sie mit dem Messer das Essen vom Teller runter. Eigentlich ist sie ganz wo anders. Und Damian wäre lieber gern allein. Ihm ist nach lauter Musik, trinken, rauchen, was auch immer. Hauptsache er spürt sich wieder. Er muss aus dieser Küche raus, er erträgt den Raum nicht mehr. Ich kann ihr doch nicht sagen, dass sie jetzt bitte gehen soll, oder? Damian sitzt an seinem Computer. Delia sitzt auf der Couch. Sie tut nichts. Das Buch liegt ungeöffnet neben ihr – als ob sie jetzt lesen könnte! Er fühlt sich von uns erstickt. Sie starrt ins Leere. Ihre Füße hat sie auf der Couchtischplatte und wieder sind ihre Beine angewinkelt. Sie hat sich vorhin noch einen Tee gemacht, an dem nippt sie jetzt. Obwohl sie keinen Durst hat und auch nur, weil sie die Wärme braucht. Außerdem hat er keinen Wein mehr, sie hat gefragt. Er findet mich nicht mehr schön. Sie hält die Teetasse mit beiden Händen umgriffen, stellt sie auf ihrem Bauch ab. Bei ihm ist es immer so kalt. Sie sprechen nicht. Jeder hat in seiner eigenen Welt genug mit sich zu tun. Wie zwei Magnete, die irrtümlich aufeinandergeprallt sind und sich jetzt umso gründlicher voneinander abstoßen. Irgendwann ist auch mal Schluss. Vielleicht sollte ich einfach gehen? Klar ist, dass sie unbedingt aus dieser Wohnung muss. Sie stellt die warme Tasse auf den Tisch und nimmt die Füße von dort weg. Ganz gerade sitzt Delia – der Rücken durchgedrückt, die Beine im rechten Winkel – auf dem Couchrand und blickt zu Damian rüber. Der ist beschäftigt. Der hat sie ausgeblendet aus seinem Geschehen, wie schon gesagt: Er wäre jetzt lieber gern allein. Ich kann sie doch nicht ernsthaft bitten zu gehen, oder? Bitte Delia, ich will alleine sein, ich brauch‘ meine Ruhe, nur heute mal. Delia spürt, was er sich nicht zu sagen traut. Sie ist hier jetzt zu viel, ist hier unerwünscht, punkt. Damian, ich glaube ich gehe jetzt besser. Oder? Das hat sie ganz leise gesagt. Langsam sieht er zu ihr rüber. Delia steht auf und packt ihre Sachen, viel ist es ja nicht. Sie lässt sich Zeit, zieht jeden Handgriff unnütz in die Länge. Vielleicht kommt er ja doch noch und nimmt sie in den Arm. Sicher, dass du gehen willst? Ganz egal was Damian, sie braucht doch nur irgendeine Reaktion von dir! Aber Damian reagiert nicht. Aber Damian hält sie nicht auf. Sieht ihr stattdessen stumm dabei zu, wie sie sich und ihre Sachen zusammensucht. Schuhe, Jacke, Tasche – und Delia ist bereit zum Gehen. Seit der Küche haben sie nicht miteinander gesprochen. Jetzt stehen sie im Flur und 15 Damian nimmt sie in den Arm. Fährt ihr mit beiden Händen durchs Haar und über den Kopf, so wie er das manchmal tut. Endlich, denkt sie. Fühlt das Warme seiner Lippen auf ihrer Stirn – aber keinen Kuss. Er riecht nur in ihr Haar. Zug um Zug saugt Delia seine Nähe in sich ein. Nichts verschütten! Ihre Hände halten sich an seinem Pullover fest. Die beiden sind ganz leise, hier im Flur. In ihrer Umarmung liegt weder Abschied noch Endgültigkeit – erst mal sind sie nämlich noch ganz benommen. Können kaum glauben, was sie eigentlich getan haben. Es ist nun kein Geheimnis mehr – und im Angesicht dieser Ungeheuerlichkeit fehlen ihnen die Worte. Auch Damian fühlt sich unsicher an. Delia merkt das, weil sein Körper krampfig ist, jedenfalls steifer als sonst. Und unter ihrer Haut sitzt die Angst. Sie schimmert durch ihre Augen, blitzt Damian entgegen. Der sieht das natürlich. Sie hat bestimmt genau so Angst wie ich. Mach’s gut. Und schlaf schön. Du auch. Komm gut nach Hause. Und pass auf dich auf. Rufst du mich an? Na klar. Und dann ist Delia weg. Er macht die Tür hinter sich zu und bleibt im Flur kurz stehen, unschlüssig. Was soll ich denn jetzt machen? Er setzt sich auf die Couch, hält inne. An irgendeinem Punkt hat Damian wahrscheinlich auch den Kopf geschüttelt, oder mit den Achseln gezuckt. Und jetzt? — Noch im Treppenhaus entscheidet sich Delia, diesmal zu Fuß nach Hause zu gehen. Sie braucht das jetzt. Frische Luft, Kälte, das Gefühl von Wirklichkeit, Bäume sehen, den schwarzen Himmel sehen, Schritte hören, in die Nacht hineinlaufen, in erleuchtete Fenster blicken, den Wind im Gesicht haben, den Schal über die Nase ziehen weil’s so kalt ist draußen. Ich muss aus meinem Kopf raus! — Sie läuft und läuft, es ist doch weiter als sie dachte. SMaria Meerwein RULES OF ENGAGEMENT 16 Jenny Schily EIN TAG ZU VIEL 17 Fruzsina Jesse RULES OF ENGAGEMENT 18 Endlich Wochenende. EIN TAG ZU VIEL Endlich Wochenende. D ie rechte Hand umgreift das Messer, es ist silbern. Sie könnte mit dem Messer auch einfach eine feine Scheibe abschneiden. Stattdessen stochert die rechte Hand mit dem Messer in der Butter rum. Regelrechte Krater furcht die rechte Hand mit ihrem Messer in die Butter rein. Setzt mit dem Messer von Neuem an und immer wieder von Neuem, weil das Butterstück, das es jetzt endlich abgetrennt, aufgespießt hat, fällt vom Messer ab, immer wieder, fällt in seinen Schoß zurück, klatscht also auf das große Butterstück rauf, in dem seit seinem Fehlen ein Krater klafft. Die linke Hand hält kein Messer. Sie greift das auf die zerkraterte Butter gefallene Butterstück mit Zeigefinger und Daumen und hält das Butterstück, das schon dreimal vom Messer in der rechten Hand Gefallene, mit Zeigefinger und Daumen umgriffen. Es fühlt sich kalt an. Es beginnt zu schmelzen. Es hinterlässt zwischen den Fingern seine schlierige Spur. Den Fingern wird das Feuchtkalte zwischen sich unangenehm, zur Zumutung fast. Sie schütteln es von sich, angewidert von dem Gefühl, das es ihnen gibt, und drücken es in den weichen Brötchenteig rein. Der Teig ist weiß. Er sieht trocken aus, als müss- te man viel trinken, um ihn runter zu bekommen. Oder als bräuchte er viel von der Butter auf sich, um im Mund erträglich zu sein, machbar. Das Brötchen ist aufgeschnitten, halbiert in zwei Hälften, es liegt nur eine Hälfte auf dem Teller. Der Teller ist auch weiß. Die Brötchenhälfte liegt dem weißen Teller auf, auf dem auch Krümel liegen. Kleine, gelbbraune Krustensplitter liegen, die vom Brötchen, als es festgehalten von der linken und zerteilt von der rechten Hand mit dem silbernen Messer in ihr, abgesprungen sind. Als die andere Brötchenhälfte, jetzt nicht mehr zu sehen, in den Mund gegangen und von Zähnen durchteilt, sind auch seine Krümel, das heißt gelbbraune Krustensplitter von ihm, auf den Teller gefallen. Darum liegt die Brötchenhälfte auf dem weißen Teller inmitten lauter Krümel. Der Zeigefinger drückt das Butterstück, das unter seiner Berührung schmilzt, in den weißen und löchrigen Brötchenteig rein. Es hinterlässt auf seiner Haut eine kalte Spur, oder einen Film. Der Zeigefinger ist jetzt feucht von der kalten Butterstückspur auf ihm. Das Butterstück klebt jetzt auf dem weißen, löchrigen Brötchenteig, sieht wie hingekliert aus, da fährt die rechte Hand mit dem Messer in es rein, zerteilt es mit seiner Spitze, der Messerspitze, spreizt es auseinander, macht es breit und flach und das nur, um seine Fläche zu vergrößern. Das Messer bügelt das Butterstück platt, also verteilt es auf dem weichen, löchrigen Brötchenteig. Das Messer drückt das Butterstück in den weichen, löchrigen Brötchenteig und zerfurcht, wie zuvor das große Butterstück, auch diesen. Auf dem Teller hat die Brötchenhälfte jetzt in der Mitte einen Krater, einen Krater wie auch die Butter von der Wucht des Messers einen Krater hatte, der von einer dünnen, 19 ungleichmäßigen Butterschicht bedeckt ist. Kann ich das Salz haben, bitte? Es steht direkt vor dir. Ich habe nicht gesehen, dass das Salz direkt vor mir steht. Die rechte Hand greift nach dem durchsichtigen, kegelförmigen Salzstreuer und zwar mit Schwung. Er ist bis knapp unter die Hälfte mit weißem Zeugs hgefüllt, das unter der Bewegung der rechten Hand zur Seite kippt und am Innenrand des duchsichtigen, kegelförmigen Salzstreuers einen aufgeschütteten Haufen bildet. Hier, dein Salz. Danke. Sie beobachtet wie er hastig das Salz auf die Brötchenhälfte unter ihm schüttet. Die Hälfte fällt daneben auf den weißen Teller und mischt sich unter die gelbbraunen Krümel auf ihm. Es fällt auch Salz neben den Teller, auf die weiße Tischdecke. Die hatte sie vorher noch gebügelt. Sie kann diese brüsken Bewegungen von ihm nicht ertragen, fühlt sich von ihnen angegriffen, auch wenn sie ihr nicht gelten. Ihr Körper verkrampft sich, wenn sie seine Hände so beim Zupacken sieht. Findet ihn, wie er vor ihr das Salz auf seine Brötchenhälfte schüttet, grob und unansehnlich. Seine Hände agieren in allem wie ein Schlachter, der die vor ihm aufgereihten Kadaver zerteilt, findet sie und kann sich nicht helfen. Sie findet ihn roh. Ihr vergeht der Appetit. Keine Falten in der Tischdecke, doch man sieht, dass sie schon oft gewaschen wurde, weil sie hat einen Graustich. Jetzt liegen Salzkörner auf der Tischdecke und sie fragt ihn, ob er ihr den Kaffee reichen kann, bitte. Kannst du mir den Kaffee reichen, bitte? Die linke Hand schiebt die Glaskanne, in der der Kaffee und auf deren Boden sich braune Kaffeepampe, in der sich also der Kaffeesatz sammelt, zur Mitte des Tisches hin. Hier. Die linke Hand zieht sich zurück, SPaul Langmead RULES OF ENGAGEMENT 20 Endlich Wochenende. EIN TAG ZU VIEL hebt die Glaskanne, in der der Kaffee, nicht an und schenkt auch keinen in ihre Tasse ein. Kannst du mir einschenken, bitte? Sie will, dass er ihr einschenkt. Sie will, dass er sich die Mühe macht und den Kaffee in ihre Tasse schüttet. Sie besteht darauf, weil sie will, dass er sich bemüht um sie. Die rechte Hand greift also zum Henkel der gläsernen Kaffeekanne, in der sich unten der Kaffeesatz, hebt sie an und neigt sich, den Henkel fest umgriffen, soweit nach vorn über, bis die braune Flüssigkeit aus der Kanne läuft und in ihre Tasse klatscht. Bis der Kaffee in ihre Tasse klatscht. Stellt dann die Kanne zurück auf die weiße Tischdecke, die nicht eine Falte hat, zwischen sie beide. Die gläserne Kaffeekanne, in der sich unten der Kaffeesatz und die einen schwarzen Henkel hat, steht jetzt zwischen ihnen beiden auf dem weißen Tischtuch. Sie soll verdammt solchen Gesten keinen Wert beimessen. Es ist ihm völlig egal, ob er ihr den Kaffe in die Tasse klatschen lässt, oder ob sie das selbst tut. Es kümmert ihn nicht. Es bedeutet ihm nichts. Es ist kein Liebesbeweis, er beweist ihr seine Liebe so nicht, so doch nicht. Sie macht darin Zeichen seiner Anerkennung ihrer aus, seiner Aufmerksamkeit. Sie fühlt sich von ihm umsorgt, wenn er ihr den Kaffee einschenkt, wenigstens wahrgenommen, wenn er solche Dinge für sie tut. Sie verlangt, dass er ihr Aufmerksamkeit schenkt und mit ihr spricht. Sie will sprechen und es ist ihr auch egal worüber, Hauptsache es hört die belastende Stille auf. Hauptsache nicht mehr ihre Wut, wenn sie ihn nicht ertragen und sich nicht beherrschen kann. Wie sie ihn dann hasst. Sie müssen doch irgendetwas teilen. Die rechte Hand greift nach der Brötchenhälfte, die ein Krater ist, in dem eine ungleichmäßige Butterschicht klebt und auch Salz, und führt sie zum Mund, der sich öffnet und Zähne zeigt. Zahnreihen, die sich voneinander trennen und nach der Brötchenhälfte packen, sich auf die Brötchenhälfte stürzen, die ein Krater mit unregelmäßiger Butterschicht und auch Salz ist, erstechen einen Teil der Brötchenhälfte, die Zähne beißen zu, beißen etwas von ihr ab, was dann im Mund verschwindet und hinter den Zähnen ist das Abgebissene jetzt weg. Die rechte Hand legt nach dem Biss die lädierte Brötchenhälfte zurück auf den Teller unter ihr. Sie soll verdammt aufhören in ihn hineinzulesen, was dort nicht ist. Er will nicht sprechen. Er hat nichts zu sagen, ihr hat er nichts zu sagen, schon lange nicht mehr, weil sie ödet ihn an und manchmal schnürt sich ihm alles zu bei ihrem Anblick, das heißt ihrem leidenden, anklagenden Blick auf ihm. Er findet sie schwer und erstickend, sie zu sehen heißt Tonnen auf den Schultern zu haben und ihre Vorwürfe scheppern in seinen Ohren, selbst wenn sie nichts sagt scheppert es. Was machst du heute? Ich weiß es nicht. Gar nichts. Lesen vielleicht. Ich weiß nicht, was ich heute mache. Gar nichts. Mich ausruhen. Die linke Hand greift nach der Tasse, in der ist eine braune Flüssigkeit. Sie hebt die Tasse an den Mund, dessen Lippen sich öffnen und dann die Tasse umschließen. Der Tassenrand ist kalt, er hinterlässt einen Moment kalt auf der Innenseite der Lippen, im Mund. Die Flüssigkeit ist heiß und braun und sie berührt die Zunge, fließt auf ihr lang bis zu ihrem Ende hin und stürzt dann die Kehle hinab. Sie nimmt einen Schluck Kaffee. Was machst du heute? Sie weiß nicht, was sie heute macht. Sie hat keine Pläne. Sie würde etwas mit ihm machen, vielleicht. Müssen sie doch mal wie- 21 der Zeit miteinander verbringen, als Paar. Sie weiß nicht, was sie heute tut. Sie weiß nicht, wie sie den Tag heute füllt, hat absolut keine Ahnung und er kommt ihr unendlich lang vor, der Tag macht ihr Angst. Sie weiß nicht, was sie alleine machen soll. Ich habe zu tun, so viele Sachen, um die ich mich kümmern muss. Die Brötchenhälften gegessen, der Kaffee getrunken stehen sie auf und räumen wortlos den Tisch ab. Jeder geht seiner Wege dann, in der gemeinsamen Wohnung. Auf der weißen Tischdecke ohne Falte liegen Brötchenkrümel, auch Salz. Sonst nichts. Jana Arnhold RULES OF ENGAGEMENT 22 Simona Wieserska EIN TAG ZU VIEL 23 Ivonne Dippmann RULES OF ENGAGEMENT 24 Komm! wir erobern jetzt die Welt. EIN TAG ZU VIEL Komm! wir erobern jetzt die Welt. * Weißt du noch unseren Anfang? Da habe ich mich dir mit meiner ganzen Kraft in die Arme geschmissen. Aufrecht, Ungestüm, Unbedingt und mit voller Wucht sind wir ineinander gestürzt. Nichts zurück behalten, alles war Angebot, was zählte war unser Spiel. Ich habe alles gesetzt und verloren. Dich. Und mich dazu. * heute verstehen bitte : Endgültig. Endgültig. Endgültig. Endgültig ! Für immer. Niemals wieder! * Verletzlichkeiten verdrängen die Kraft. Vorsichtigkeiten zügeln den Mut. Empfindlichkeiten deckeln die Lust. Es kommt der Punkt, * Da verdient die Liebe ihren Namen nicht Du brichst ein, mehr. brichst immer wieder in mein Leben Was bleibt sind Vernünftigkeiten. ein. Ruhig alles langsam angehen! Einbrecher! Bloß nicht zu viel investieren! Lässt meine Ruhe mitgehen, Pass auf dich auf! mich im Chaos zurück. Was bleibt sind Rationalitäten, Sie sind die Rüstung der Verletzten. Irgendwann wird selbst die Liebe fahl. * Dann genieß mich doch einfach. * T’as oublié mon anniversaire, tu sais? Non, je n’ai pas oublié. Je ne savais pas trop quoi faire. J’espère que c’était une bonne journée. Laufe neben dir und spreche nicht, denke nicht, atme nicht, meine Vorsätze bleiben irgendwo hinter mir zurück. Nach etlichen Tränenschüben Und einem Gespräch, das nicht geführt wurde, verlassen wir uns unter Küssen und zum letzten Mal. * Parfois, je me confonds avec le monde. * Nehmt was ihr braucht, ein Gesicht ist immer ein Angebot. Offerte. Pickt euch heraus was ihr wollt, Rosinenpicker! es geht doch eh nur um euch. Sucht im Andren euer Ich, damit es bloß zum Du nicht kommt. Ich ist immer die sichere Seite, bestimmt! * Hast du jemals versucht mich wirklich zu Du hast mich zwischen den Fertigen warten sehen? lassen. Ist dir nicht langweilig vor lauter Ich? Ich dachte du würdest nicht kommen, zu unserem Abschied. Da dein Gesicht inmitten der Anderen. Ich sehe dich und kann nicht mehr atmen. * Ich kann nicht mehr atmen, verstehst du? Ich. Alles zieht sich zusammen so sehr muss ich Ich. Ich. Ich. dich. Du Ichblinder. 25 RULES OF ENGAGEMENT * Wunschzettel ans Ich : - Kein Wunschzettel. - Ich will niemanden brauchen. - Mich an keinen abgeben. - Meine Egoismen nicht an dir austoben, du sollst nicht Spielball meiner Ängste sein. - Mein Ich-leben verteidigen, gegen mich. - Fröhlich sein. Machst du mit? * Einmal Vergessen bitte. Sonst noch einen Wunsch ? Nein danke, das war‘s. * Und wovor hast du Angst? Vor den Schritten nach vorn, vor den Schritten auf dich zu. Weil sie könnten dir ja zeigen, du bedeutest mir was. Jeder Schritt auf dich zu lässt mich meine Kleider verlieren, meinen Schutz. Jeder Schritt auf dich zu, einer weg von mir, denke ich, fühlt es sich. Angst dir zu zeigen du bedeutest mir was, und warum? Weil ich dann schwach aussehe. Weil du dann siehst, ich brauche wen. Weil du dann siehst, ich bin nicht stark. Weil ich dann in deinen Händen liege, mich nicht mehr verteidigen kann, sondern offen und blank nicht mehr zurück kann von dir, nicht mehr weg kann von dir, sondern dir und deinen Launen, deiner Gunst jetzt ausgeliefert bin. Will nicht mehr als bei dir bleiben. Nicht mehr mit meinem Schweigen sein. Aber es geht nicht, er kommt nicht über die Lippen. Der simple, so banale Satz wird konsequent und eiskalt von meiner Stille verschluckt, weil ich bringe es nicht über mich dir zu gestehen: verlangt es so. Ich gehe, weil ich denke mein Bild von mir verlangt es so. Also gehe ich. Gehe gegen mich an. Laufe meinem Verlangen zuwider. Renne mich in mir irre, wund und roh. Dabei bohrt sich die Maske, die ich meine dir vorhalten zu müssen, blutig und mit Stacheln in mein Gesichtsfleisch hinein. Du weißt nichts davon. Weil ich bin still, obwohl ich dir ins Gesicht schreien müsste, mit dir teilen! Stattdessen gehe ich. Meinen Tag, meinen strengen Ich-Tag, den Lasse dich. will ich heut am Liebsten an den Nagel hängen. Will aus dem Ich-Tag heut einen Du- Du bist verwirrt aber gefasst, denn du musst Tag mit Dir machen, eben bei dir sein. mich ja ziehen lassen, kannst auch nicht einfach sagen, Kann dir dieses Einfache nicht sagen. Du weißt nichts davon. Nein Bitte Warte Und Bleib Ich Will Dass Du Bei Mir Bleibst Stattdessen gehe ich, Du sagst, Gut. überlasse dir von mir nicht mehr, denn mein Ich ruf dich an. Schweigen. Nehme meine Sachen, Und rufst nicht an. mein Gesicht, meine Haltung, mein Bild und gehe. Ich gehe, weil ich denke ich muss gehen. Ich gehe, weil ich denke dein Bild von mir verlangt es so. Ich gehe, weil ich denke mein Bild von dir 26 Wir. EIN TAG ZU VIEL Wir. W ie geht’s dir mit ihm? Ach, uns geht’s gut, danke. Wirklich? Jaja, wirklich, echt. Es ist manchmal schon fast unheimlich, wie gut wir uns verstehen, ich wundere mich ja selbst. Wir streiten fast nie. Also ich meine, klar haben wir schon ab und zu kleine Auseinandersetzungen. Sowas bleibt ja in der besten Beziehung nicht aus, sowas ist ja ganz normal in einer Partnerschaft. Und wenn man dann auch noch zusammen wohnt und sich jeden Tag sieht, dann sind so kleine Reibereien ja normal. Aber meist sind das wirklich nur Kleinigkeiten, nicht der Rede wert. Im Großen und Ganzen streiten wir eigentlich nie. Und er ist auch wirklich immer so süß zu mir, liest mir quasi jeden Wunsch von den Augen ab. Er will einfach, dass es mir gut geht und ich glücklich bin, und es geht ihm auch nur gut, wenn es mir gut geht. Er ist so zuvorkommend, liebevoll zu mir. Langsam haben wir auch unsere kleinen Routinen gefunden, unseren Rhythmus, sind mittlerweile ein richtig eingespieltes Team geworden. Wir ergänzen uns so gut. Er setzt mich jetzt morgens immer auf der Arbeit ab, ist ja auch wirklich viel praktischer so. Den Zweitwagen, also mein altes Auto, das haben wir jetzt nämlich verkauft, lohnt sich ja auch gar nicht in der Stadt. Außerdem haben wir fast den gleichen Arbeitsweg, da können wir ruhig auch zusammen fahren, haben wir uns gedacht, ist eh viel schöner. Denn da haben wir immer noch einen kleinen Moment nur für uns, bevor die Arbeit, also bevor der Tag so richtig anfängt. Auf dem Rückweg holt er mich dann auch immer vom Büro wieder ab. Echt? Jaja, klar! Manchmal muss ich dann zwar ein bisschen länger machen und auf ihn warten, wenn es sich bei ihm im Büro nach hinten verschiebt, wenn noch was Dringendes auf den Tisch kommt und so, aber das mache ich gern, das stört mich wirklich überhaupt nicht. Und außerdem mag er es nicht, wenn ich die U-Bahn nehme, denn man weiß ja nie, was da für Gestalten unterwegs sind, sagt er, und er könnte es sich auch nie verzeihen, wenn mir etwas zustoßen würde, denn er kann sich nicht mehr vorstellen, ohne mich zu leben, sagt er. Er sagt, ich sei sein Ein und Alles. Ist es nicht rührend wir er sich um mich sorgt? Und nach der Arbeit, da gehen wir manchmal noch was essen. Oder ich koche was für uns, aber meist nur eine Kleinigkeit, einen Salat oder so, nichts Besonderes, abends soll man ja eh nicht mehr so schwer essen, wegen der Verdauung und so, und außerdem träumt man dann schlecht. Doch, wir verstehen uns wirklich gut, alles Bestens. Ach ja, und letzten Samstag waren wir auch mal wieder aus, mit unseren Freunden. Erst waren wir im Theater und haben dort dieses Stück von diesem neuen jungen Regisseur gesehen, und dann sind wir alle noch schön essen gegangen, zu viert. Ein richtiger Pärchenabend, sozusagen. Die beiden sind auch wirklich so nett, wir verstehen uns so gut und haben so viel Spaß zusammen. Am Sonntag sind wir dann rausgefahren, einfach mal raus aus der Stadt, spazieren gehen, Natur sehen, mal so richtig die Seele baumeln lassen und sich entspannen. Unser Urlaub ist ja jetzt auch schon wieder so lange her. Wie die Zeit vergeht! Unterwegs haben wir dann dieses kleine Café gefunden, stell dir vor, die hatten sogar selbstgebackenen Apfelkuchen, meinen Lieblingskuchen, weißt du doch. Und auf dem Rückweg sind wir dann noch schnell bei seinen Eltern vorbei gefahren, nur kurz Hallo sagen. Die freuen sich doch immer so wenn sie uns sehen, die beiden. Ich sag dir, die sind wirklich allerliebst zusammen, noch so fit für ihr Alter, so voller Tatendrang. Und jetzt, wo die Kinder aus dem Haus sind und sie auch nicht mehr arbeiten müssen, genießen die beiden ihr Leben noch mal in vollen Zügen. Wir haben dann alle noch zusammen Abendbrot gegessen und sind dann aber nach Hause gefahren, weil 27 es war schon spät und stadteinwärts ist sonntags abends ja auch immer Stau, und außerdem muss man am nächsten Morgen ja auch wieder früh raus, ins Büro. Schön! Mensch, das hört sich ja alles wirklich richtig gut an, rundherum zufrieden siehst du aus. Beneidenswert! Ja! Ist es auch! Es ist wirklich gut mit uns. Wir sind glücklich zusammen. Wir verstehen uns gut, kommen gut miteinander aus, wir lachen viel, kümmern uns umeinander, machen eigentlich alles zusammen, können über alles offen reden, er versteht mich, wir vertrauen uns, sind uns treu, wir lieben uns. Wir sind glücklich miteinander, wir lieben uns. Und der Sex? Ach, na der ist natürlich auch gut. Aber du weißt ja wie das ist, irgendwann ist das mit dem Sex gar nicht mehr so wichtig, dann rücken andere Sachen in den Vordergrund, Wichtigeres. Und außerdem haben wir beide auch gerade so viel zu tun im Büro. Da ist man froh, wenn man abends dann seine Ruhe hat und einfach zusammen einschlafen kann. Du kennst das doch, du weißt doch wie das ist. Ich weiß wie das ist, verstehe. Irgendwann ist man froh, wenn man seine Ruhe hat. Sarah Mühlhause RULES OF ENGAGEMENT 28 Ichbruchstück. EIN TAG ZU VIEL Ichbruchstück. I ch habe keine Lieblingsfarbe. Mit zwölf wurde ich am Knie operiert. Seitdem renne ich nicht gern. Wenn ich das Rennen vermeiden kann, renne ich nicht. Hohe Schuhe machen mir Angst. Ich rauche. Aber nicht viel. Ich kann Leute nicht verstehen, die viel rauchen. In der U-Bahn sitze ich in der Mitte oder am Gang. Wenn ich am Fenster sitze, fühle ich mich eingesperrt von der Person neben mir. Ich mag es nicht, wenn ich aufstehe und mich an Beinen vorbeidrängeln muss. Ich weiß, wie ein Blick aussieht, der bricht. Das ist ein Moment, in dem die Augen des Gegenübers ihren Ausdruck ändern, weil sie nach innen blicken auf die Verletzung, aber den Stich nicht zeigen wollen. Ich kann mit Menschen brechen. Ich habe oft mit Menschen gebrochen. Ich bin aus ihrem Leben verschwunden, oder sie aus meinem. Es passiert mir, dass ich Kleidung kaufe und sie nicht anziehe. Mein Kleiderschrank ist voll. In der Stadt mich zu orientieren fällt mir schwer. Wenn ich an einen neuen Ort muss, bin ich nervös. Ich versuche mir das nicht anmerken zu lassen. An meine Kindheit erinnere ich mich jeden Tag. Wie mein Kuscheltier roch, weiß ich noch genau. Der Spielplatz, auf den ich immer gegangen bin, war gleich bei uns um die Ecke. Als Kind bin ich einmal umgezogen. Ich bin nicht verheiratet. Ich will auch nicht heiraten. Das Wort Heirat bringe ich mit Nachttischlampe in Verbindung. Ich habe keine Kinder. Ich habe lange keinen interessanten Menschen kennengelernt. Es wird immer schwieriger, jemanden zu finden, mit dem ich richtig sprechen kann. Die meisten Gespräche enden im Kompromiss. Ich lebe mit meiner Freundin zusammen. Sie ist meine erste richtige Beziehung. Ich frage mich, ob ich andere Frauen haben werde. Ich weiß, wie Liebe sich anfühlt. Es passiert mir, dass ich vergesse, wo ich am Vorabend das Auto geparkt habe. Ich gehe allein in Bars. Es stört mich nicht, das allein zu tun. Ich bin gern allein. Ich habe das Gefühl mich zu verlieren, wenn ich mit vielen Menschen gleichzeitig zusammen bin. Ich trinke allein. Es stört mich, wenn Paare zeigen, dass sie ein Paar sind. Zärtlichkeit gehört für mich nicht in die Öffentlichkeit. Kaffee trinke ich schwarz und mit Zucker. Ich trinke zum Frühstück einen Kaffee und einen nach der Arbeit. Der Kaffee ist das erste, was ich mache, wenn ich nach Hause komme. Weihnachten ist mir die schlimmste Zeit. Ich weiß nie, was ich verschenken soll. Die Geschenke, die ich bekomme, gefallen mir selten. Ich sehe darin Dinge, die meine Wohnung zustellen. Es fällt mir schwer, mich dafür höflich zu bedanken. Beim Sex habe ich es lieber, wenn das Licht aus ist. Ich mag meinen Körper nicht sehr. Meinem Freund sage ich, dass es für mich im Dunklen intensiver ist. Ich bin verheiratet. Ich habe eine Tochter. Sie ist neun Jahre alt. Sie spielt viel mit Playmobil und nicht gern mit Puppen. Ich habe Angst, abends nicht einschlafen zu können. Ich setze mich unter Druck aus Angst, am nächsten Morgen müde zu sein und den Tag nicht zu schaffen. Ich koche gern. Essen ist mir wichtig und ich gebe Geld dafür aus. Ich esse jeden Tag einmal warm. Ich mag kein helles Licht. Ich verstehe Menschen nicht, die sagen, ohne Musik nicht leben zu können. Ich finde das übertrieben. Ich erinnere mich genau an meinen Schulweg. Wenn ich auf meinem Schulweg allein durch die Straßen gelaufen bin, habe ich mich groß gefühlt, wie die Erwachsenen. Ich bin gern zur Schule gegangen. Die meisten Menschen langweilen mich. Ich buche keinen Pauschalurlaub. Unsere erste Wohnung war winzig. Für Möbel hatten wir kein Geld. Die erste Zeit schliefen wir mit der Matratze auf dem Boden. Wir rauchten die ganze Zeit. Wenn ich an mein Leben denke, ist sie immer da. Sie ist Teil all meiner Erinnerungen. Ich esse nur rote Marmelade. Bei gelber Marmelade denke ich, sie schmeckt sauer, obwohl das nicht stimmt. Pflanzen gehen bei mir ein. Ich vergesse ihnen Wasser zu geben. Ich habe kein Glück mit Pflanzen. Ich weiß noch nicht, was ich nach der Schule machen werde. Ich kann mir noch kein Leben vorstellen. Ich will Kinder haben, das weiß ich. Ich lese jeden Tag Zeitung. Die Meinungsseite und den Feuilleton lese ich nicht. Ich kaufe mir die Zeitung für den Politikteil. Seit meiner Führerscheinprüfung bin ich nicht einmal Auto gefahren. Es ist mir peinlich. Ich schäme mich deswegen vor anderen und vor mir selbst. Ich mag Frauen mit langen Haaren. Kultur ist mir nicht wichtig. Ich finde sie entbehrlich. Ich glaube nicht an Gott. Ich trage meist Turnschuhe. Ich achte auf mein Äußeres. Ich will dabei nicht übertrieben wirken. Ich möchte mich nicht für meine Entscheidungen rechtfertigen. Im Café bestelle ich Milchkaffee oder Cappuccino. Ich entscheide mich spontan. Hinterher weiß ich oft nicht, was ich gesagt habe. Ich schaue jeden Tag fern. Ich brauche das, um mich entspannen zu können. Ich weiß nicht, was ich abends sonst machen soll. Meine Frau geht einkaufen und ich regle das Finanzielle. Wir haben zwei Kinder. Wäre es nach mir gegangen, hätten wir nur ein Kind. Ich verreise nicht gern. Ich bin nicht gern von zuhause weg. Ich brauche meine Routinen. Ohne meine Routinen habe ich das Gefühl, alles bricht über mir zusammen. Meine Arbeit hat mir immer Spaß gemacht. Ich hätte gern Sex mit einer Schwarzen. Mein erstes Tagebuch war rosa und hatte eine Katze auf dem Einband. Ich schwimme gern. Es fällt mir schwer, mich durchzusetzen. Jedes Jahr will ich mindestens einmal verreisen. Ich habe Angst vor dem Alter. Neben meiner Wohnung ist ein Park. Ich telefoniere nicht gern. Wenn mein Mann geschäftlich unterwegs ist, habe ich Angst, dass er mich betrügt. Ich 29 könnte ihm das nicht verzeihen. Ich würde mich dann trennen. Eindringling. bohren. Langsam sich tiefer graben, vorwärts. Immer dort, wo’s weh tut. Störenfried. durcheinandergewürfelt. Alles anfassen und jede Figur an einen anderen Platz stellen, bis das Spiel nicht mehr das selbe ist und keiner sich mehr zurechtfindet in ihm. Fremdling. anders. Vorher waren die Gedanken so nicht, Richtungswechsel jetzt, weil eine neue Idee hat sich unter ihnen breit gemacht. Schleicher. stückchenweise. Was klein war erst und nur als Ahnung da, wächst langsam und stetig. Die Ruhe geht mit dem Zweifel, sie ist dann dahin. An ihrer statt: Unruhe. Ist das Unvermögen still zu stehen, an einen Punkt zu kommen, Halt zu machen. Zweifel verbietet den Gedanken ihren Frieden. Zweifel peitscht die Gedanken übers Feld. Zweifel treibt die Gedanken von einem Ort zum andren hin. Zweifel frisst Sicherheit auf. Zweifel nimmt Gewissheit fort. „im Dunklen tappen“ „in der Luft hängen“ „hin und her gerissen sein“ Es hat etwas von Schwanken oder schwindelig sein, wenn Zweifel das Feste schwinden macht. Überzeugungen werden porös. Meinungen werden aufgeraucht. Am Wissen wird feste genagt. Man spricht dann im Allgemeinen vom Scherbenhaufen, Trümmerfeld, du kennst dich nicht mehr aus in dir. Erkenntnis: Grundfeste sind nicht fest. Verlieren der Orientierung bei Wegbrechen der Wegmarken. Infizierung hinterlässt dauerhafte Schäden. Was einmal zerschlagen wird nie mehr wieder ganz gesund. Vom Zweifel angesprungen, Wie im freien Fall, Nur noch nach unten, Wo soll das enden? 1. Was, wenn ich mich selbst belüge? und den Beruf, den ich ausübe, nicht leiden kann, die Frau, mit der ich verheiratet bin, nicht liebe, die Kinder, die meine sind, mich nichts angehen, die Freunde, die ich so nenne, mir fremd sind, das Glück, welches ich doch habe, mein Unglück ist. Nicole Pietsch RULES OF ENGAGEMENT 30 Volha Aliseichyk EIN TAG ZU VIEL 31 Sarah Schönfeld RULES OF ENGAGEMENT 32 Hejer Denguir EIN TAG ZU VIEL 33 Anu Koski RULES OF ENGAGEMENT 34 LOVE LETTER La Notte - Michelangelo Antonioni „La notte“ from Michelangelo Antonioni ends with Lidia reading out a love letter that Giovanni wrote to her just before they got married. Lidia reading out : „When I awake this morning, you were still asleep. As I awoke I heard you gentle breathing. I saw you closed eyes beneath wisps of stray hair and I was deeply moved. I wanted to cry out, to wake you, but you slept so deeply, so soundly. In the half light your skin glowed with life so warm and sweet I wanted to kiss it, but I was afraid to wake you. I was afraid of you awake in my arms again. Instead, I wanted something no one could take from me, mine alone...this eternal image of you. Beyond your face I saw a pure, beautiful vision showing us in the perspective of my whole life...all the year to come, even all the years past. That was the most miraculous thing: to feel for the first time, that you had allways been mine. That this night would go on for ever united with your warms, your thought, your will. At that moment I realized how much I loved you, Lidia. I wept with the intensity of my emotions. For I felt that must never end, we would remain like this all our lives not only close, but belonging to each other in a way that nothing could ever destroy, exept the apathy of habit, the only threat. Then you awakend and, smiling, put the arms around me, kissed me and I felt there was nothing to fear. We would always be as we were at that moment bount by stronger ties than time and habit.“ Giovanni: „Who wrote this letter?“ Lidia: „You did.“ 35 Franziska Petri RULES OF ENGAGEMENT 36 RULES OF ENGAGEMENT Joerg Reichardt Atelier Anklamer Str. 7 D-10115 BERLIN www.joergreichardt.de Photographie © Joerg Reichardt Berlin, 2011 PERSONEN Volha Aliseichyk Alexander Simon Anu Koski Constanze Tonn Franziska Petri Fruzsina Jesse Fruzsina Jesse Gero Gries Heger Denguir Ivonne Dippmann Ivonne Dippmann Jana Arnhold Jenny Schily Jorinde Voigt Julia Bräuer Maria Meerwald Nicole Pietsch Nicole Pietsch Pau Langmead Sarah Mühlhause Sarah Mühlhause Simona Wieserska Sophie Ratschow Yasmin Yazdani Sarah Schönfeld RULES OF ENGAGEMENT J OERG R EICHARDT Photographie K ONSTANZE S EIFERT Texte Personen Volha Aliseichyk Jana Arnhold Julia Bräuer Ivonne Dippmann Gero Gries Hejer Denguir Fruzsina Jesse Anu Koski Paul Langmead Maria Meerwein Sarah Mühlhause Franziska Petri Nicole Pietsch Sophie Ratschow Jenny Schily Alexander Simon Constanze Tonn Jorinde Voigt Simona Wieserska Yasmin Yazdani Ein Tag zu viel