Abendprogramm 6. September 2012– London Symphony Orchestra
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Abendprogramm 6. September 2012– London Symphony Orchestra
Musikfest Berlin 2012 6. September Musikfest Berlin 2012 www.berlinerfestspiele.de 030 254 89 – 100 6. September Aaron Copland M o r t o n F e l d ma n Charles Ives Philharmonie e ma n u e l a x e r n s t s e n ff c h o r London Symphony Orchestra mic h a e l t i l s o n t h o ma s Berliner Festspiele Musikfest Berlin 2012 Inhaltverzeichnis Programm4. Zu den Werken 6. Gesangstext12. Die Komponisten 14. Die Interpreten 20. Musikfest Berlin 2012 34. Impressum 37. B i t t e s c h a lt e n S i e I h r Mob i lt e l e fon vor Beginn des Konzerts aus. Titel: Maler auf der Brooklyn Bridge, 1914. Foto Eugene de Salignac / Courtesy NYC Municipal Archives 3. Musikfest Berlin 2012 6. September Donnerstag, 6. September 2012 20:00 Uhr Philharmonie Einführung 19:00 Uhr mit Martin Wilkening c h a r l es i v es [ 1 8 7 4 – 1 9 5 4 ] aa r o n c o p l an d [ 1 9 0 0 – 1 9 9 0 ] o rc h e st r a l va r i at ion s a symphony: n e w e n g l a n d h o l i d ay s [1957] [1904-1913] m o r t o n fe l d man [ 1 9 2 6 – 1 9 8 7 ] Washington’s Birthday [1909] Decoration Day [1912] The Fourth of July [1911-13] Thanksgiving and Forefathers’ Day [1904] piano and orchestr a [1975] Pause eman u e l a x Klavier e r nst senff c h o r steffen sc h u be r t Einstudierung l o n d o n sym p h o ny o r c h est r a m i c h ae l t i l s o n t h o mas Leitung Gesponsert von 4. 5. 6. September Musikfest Berlin 2012 Music in a New Found L and I. 1930 feierte eines der ältesten Orchester der Vereinigten Staaten, das Boston Symphony, seinen 50. Geburtstag. Die Reihe der Komponisten, an die aus diesem Anlass Aufträge vergeben wurden, liest sich wie ein Who is Who des europäischen Neoklassizismus: Arthur Honegger, Albert Roussel, Sergei Prokofjew schrieben Symphonien, Paul Hindemith seine Konzertmusik und Igor Strawinsky die Psalmensymphonie. Aber nur ein amerikanischer Komponist war in den Jubiläumsprogrammen vertreten: Aaron Copland, der zu Beginn der zwanziger Jahre zur ersten Schülergeneration Nadia Boulangers in Paris gehört hatte und nach seiner Rückkehr in die USA sehr schnell als Orchesterkomponist mit Jazz-Anklängen große Beachtung finden konnte. Seine damals in Boston gespielte Symphonic Ode teilt zwar ihre grellen Dissonanzen und verblüffenden Rhythmen mit den Orchestral Variations, nicht jedoch die ausschweifend assoziative Form, denn in den Variations herrscht stattdessen eine demonstrativ nach außen gekehrte konstruktive Strenge. Wozu dieser Vergleich? Die Orchesterfassung der Variations stammt zwar aus dem Jahr 1957, sie geht jedoch auf die Piano Variations von 1930, dem Jahr des Bostoner Jubiläums, zurück. Dieser Zeitrahmen ist von einiger Bedeutung für das Schaffen Coplands. Denn so wie das Jahr 1930 für ihn den Abschied vom musikalischen Experimentieren markiert, so erfolgt Anfang der fünfziger Jahre wieder eine Wendung zu einer spröderen musikalischen Sprache, zu der auch seine erste Auseinandersetzung mit der Zwölftontechnik gehört. Der Börsenkrach Ende 1929 und die innenpolitischen Verhärtungen in den USA zu Beginn des Kalten Krieges bilden den gesellschaftspolitischen Hintergrund. Dazwischen liegt eine Periode des linken politischen Engagements, der Orientierung auf ein Massenpublikum außerhalb der rein kommerziellen Musik und der außerordentlich erfolgreichen Ballettmusiken zu amerikanischen Themen wie Billy the Kid, Rodeo, Appalachian Spring. Copland wurde lange Zeit seines Lebens von dem tiefsitzenden Gefühl verfolgt, dass zwischen Musik und Alltagsleben eine Kluft liege, sich seine Lebenserfahrung nicht in seiner Musik niederschlage und seine Musik umgekehrt dem Leben nicht nahe komme. Was sollte sich ändern, die Musik oder das Leben? Weihnachten 1930 machte er sich so in seinem Tagebuch Gedanken darüber, wie er näher an die Wahrheit des Lebens herankommen könnte: »Wie vertieft man seine Lebenserfahrung – ein Problem das mich brennend interessiert. Könnte es helfen, eine Woche als Tellerwäscher zu arbeiten, oder eine Gefängnisstrafe abzusitzen? Oder die Methode Gurdjieff?« Solche Fragen weichen in seinen offiziellen publizistischen Statements aber einer eher fassadenhaften Selbstdarstellung eines Komponisten mit gesellschaftlichem Auftrag, etwa wenn er rückblickend doziert: »Mit dem Jahre 1930 begannen die Komponisten in allen Teilen der Welt die Notwendigkeit einzusehen, die von ihrer Kunst während so vieler Jahre des Experimentierens erzielten Gewinne zu sichern und zu festigen… und es wurde klar, dass die neue Musik jeden Stils objektiv in ihrer Einstellung, scharf durchdacht und im Gefühlsausdruck zurückhaltend sein musste.« Die in jenem Jahr zunächst für Klavier geschriebenen Variations lassen sich durchaus auf einige der von Copland genannten Begriffe beziehen. Das aus viertönigen Zellen entwickelte Thema signalisiert konstruktive Objektivität; die zumeist deutlich voneinander abgesetzten Variationen, die sich aber auch zu kleineren Gruppen zusammenfügen können, verraten gedankliche Schärfe; und gewiss wird hier ein direkter Ausdruck von Gefühlen geradezu auffallend vermieden. Auffallend aber deshalb, weil in der Herausstellung des Konstruktiven, der Unnachgiebigkeit im Drehen und Wenden und Neukombinieren der Motivpartikel doch auch eine Heftigkeit spürbar wird, ein eigenes Pathos extrem individuellen Formwillens. Schon in den zahlreichen, präzisen Artikulationsbezeichnungen zeigt sich die Heftigkeit des Tonfalls. Auf der ersten Seite der Partitur beispielsweise trägt fast jede einzelne Note einen Akzent. »Gnadenlose Angriffslust« bescheinigt denn auch der amerikanische Musikschriftsteller Alex Ross dieser Musik selbst noch aus heutiger Perspektive. Und ganz gewiss ist es kein Werk der »Einsicht« in eine gesellschaftliche Notwendigkeit, wie sie Copland selbst konstatierte, sondern eher ein Stück, das solcher propagierten Einsicht noch einmal die ganze Widersprüchlichkeit schöpferischer Arbeit entgegenhält. Für Copland selbst markiert es als Endpunkt einer Schaffensperiode den Einstieg in eine neue. Die spätere Orchesterfassung verstärkt durch die repräsentative Klanglichkeit jene Ambivalenz zwischen kompromisslosem Konstruktivismus und massentauglicher Begeisterungsfähigkeit. Hier erhalten dann selbst die dissonanten Dreiklangsmischungen des Schlussteiles, in denen die harmonische Vieldeutigkeit des Themas zurückgespiegelt wird, durch den strahlenden Blechbläsersatz etwas Triumphales, einen affirmativen Glanz. Und es verwundert nicht so sehr, dass Copland auch in einer seiner Filmmusiken auf diese in der Gefühlsdarstellung scheinbar so zurückhaltende Musik zurückgreifen konnte. 6. 7. 6. September Musikfest Berlin 2012 II. Während Copland nach der gesellschaftlichen Bedeutung seiner Musik fragte und versuchte, musikalische Entscheidungen, wie etwa das Ende einer Zeit der »Experimente«, explizit und allgemein gültig aus historischen Entwicklungen heraus zu begründen, gewann für Morton Feldman das Komponieren überhaupt erst Sinn in einer Trennung von Geschichte. 1965 hat er diese Erfahrung, die er in den fünfziger Jahren nicht nur mit den anderen Komponisten der New York School um John Cage teilte, sondern auch mit den Malern des abstrakten Expressionismus, so beschrieben: »Zehn Jahre meines Lebens arbeitete ich in einer Umgebung, die weder der Vergangenheit noch der Zukunft verpflichtet war. Wir arbeiteten sozusagen ohne zu wissen, wohin das, was wir taten, gehörte oder ob es überhaupt irgendwo hin gehörte. Was wir taten, geschah nicht im Protest gegen die Vergangenheit. Gegen die Geschichte zu rebellieren ist noch ein Teil von ihr. Wir kümmerten uns einfach nicht um historische Prozesse. Wir waren mit dem Klang selbst beschäftigt. Und der Klang kennt seine Geschichte nicht.« Dass Feldman aber, im Gegensatz zu Cage, dann doch Geschichten mit Klängen erzählt, gehört zu den Paradoxien künstlerischer Arbeit, die er auch denkerisch, in Texten und Gesprächen, immer wieder umkreist und sich dabei auch gegen andere Positionen abzugrenzen versucht. 1984, auf einem Seminar in Frankfurt, fasste er seine Haltung in eine Art Gleichnis: »Ich schaffe keine Musik, sie ist ja schon da, und ich habe dann eben diese Unterhaltung mit meinem Material. Ich bin nicht wie Stockhausen: ›Hier meine Freunde, übergebe ich …‹ Er ist ein großer Mann wie Albert Schweitzer, er spielt auf der Orgel Bach für die Wilden in Afrika. Was mich betrifft, habe ich dieses Gefühl nicht … Einmal fragte mich Stockhausen nach meinem Geheimnis: ›Was ist dein Geheimnis?‹ Und ich sagte, ›ich habe überhaupt kein Geheimnis, aber ich habe einen Standpunkt: Klänge sind wie Menschen. Und wenn du sie schubst, dann schubsen sie zurück. Wenn ich also ein Geheimnis haben sollte, dann dieses: Schubs die Klänge nicht herum.‹ Karlheinz beugte sich nah zu mir und sagte: ›Auch nicht ein kleines bisschen?‹« Morton Feldmans Partitur zu Piano and Orchestra enthält neben der traditionellen Notation kaum zusätzliche Bezeichnungen zu Artikulation oder Dynamik der fließenden Bewegung ihrer zumeist länger gehaltenen Klänge. Es gibt aber eine vorangestellte Vortragsbezeichnung, die neben der Metronomangabe für Viertel= 63-66 etwas Grundsätzliches mitteilt: »extremely quiet, without the feeling of a beat«. Interessant ist, dass Feldman trotz dieser Anweisung zu extrem leisem Spiel die ausgehaltenen Bläserklänge fast immer noch zusätzlich mit einem decrescendo-Pfeil versieht. Solch ein decrescendo aus dem extrem Leisen heraus wird auch vom Klavier verlangt, dessen Repetitionen des Tones ausnahmsweise auch noch durch zusätzliche tenuto-Striche bezeichnet sind. Nur der erste Einsatz der Tuba widerspricht mit einem crescendo jener Geste des immer wieder neu ansetzenden Verklingens, bevor dann, nach 80 Takten des 408 Takte umfassenden Stückes, der Raum der Dynamik sich öffnet und die Entwicklungen in markanten Höhepunkten kulminieren. Anders als in Feldmans späteren, sehr langen Werken, die eine Aufhebung des Zeitgefühls anstreben, erscheint die Zeit hier von ereignishafter Fülle und Zielgerichtetheit – auch wenn die Töne nicht »herumgeschubst« werden, ist eine gestaltende Hand spürbar, desto stärker, je mehr die Musik sich ihrem Ende nähert: in den harmonischen Spannungsbögen, die sich vom immer wieder aufgenommenen Zentralton aus entwickeln, in der Verdichtung oder Ausdünnung der Klangfarben und in den dynamischen Prozessen, durch die am deutlichsten ein Ziel in Feldmans »Unterhaltung« mit seinem Material hervortritt. Auch der Schlussteil ist als ein Zur-Ruhe-Kommen deutlich erkennbar, durch die Verminderung seiner Informationsdichte. Im Wechsel von zwei Klavierakkorden bewegt sich die Musik auf ihr Ende zu, ähnlich dem Beginn mit seinen Repetitionen von Einzeltönen, aber doch auch als Ergebnis eines Prozesses. Das neue artikulatorische Moment, das diesen Schlussteil auszeichnet, sind die kurzen Vorschläge zu den Akkorden in der Klavier-Oberstimme – ein Echo jener dramatisch inszenierten, grummelnden Wechselnotenfigur, die nach dem dynamischen Höhepunkt im dreifachen fortissimo das Ende einleitet. Auch wenn sich Piano and Orchestra somit dem Hörer wie eine musikalische Erzählung in der Zeit entfaltet, stand für Feldman selbst ein anderer Aspekt im Vordergrund seiner Arbeit. Das Stück gehört zu einer ganzen Reihe von Werken für Soloinstrument und Orchester aus den siebziger Jahren, die im Titel lediglich auf die Besetzung verweisen. Es sind Solokonzerte etwa für Flöte, Cello, Oboe oder Violine, allerdings in einem strikt anti-virtuosen Sinn. Das Soloinstrument hat vielmehr die Aufgabe, den Gesamt-Klang der Komposition von einer dominierenden Farbe her zu definieren, und von da aus eine Perspektive auf die anderen Farben des Orchesters zu entwickeln. Die Komposition habe, wie Feldman in jenen Jahren öfter erklärte, für ihn vor allem den Sinn, die Farben des verwendeten Instrumentariums zu artikulieren. Dabei spielen auch die vielen Pausen, die das Partiturbild von Feldmans Musik beherrschen, eine entscheidende Rolle, denn das, was weggelassen wird, bestimmt ebenfalls die Farbigkeit des Erscheinenden. Wilfrid Mellers hat in seinem Buch Music 8. 9. 6. September Musikfest Berlin 2012 in a New Found Land diesen Mut zum Weglassen auch als eine spezifisch amerikanische Raum-Erfahrung verstanden, wenn er, mit Blick auf Feldmans frühe Werke, schreibt: »Musik scheint bis fast zur Auslöschung verschwunden zu sein; doch das Wenige, was bleibt, ist von exquisiter Musikalität; und auf jeden Fall zeigt es die amerikanische Faszination von Leere, die von jeder Angst befreit ist.« III. Der Stimmungsumschwung zugunsten eines neuen, populären und soziale Relevanz beanspruchenden Klassizismus, den Copland für das Jahr 1930 diagnostizierte und zugleich proklamatorisch umsetzte, bewirkte für die just in diesem Moment nach langer Verspätung beginnende Rezeption von Ives’ Musik eine paradoxe Situation. Hatten seine Kompositionen zuvor, in einer nur scheinbar aufgeschlosseneren Zeit, so gut wie keine öffentlichen Aufführungen erfahren, so fanden nun zwar tatsächlich einige Uraufführungen von Orchesterstücken statt. Diese waren jedoch das Ergebnis von Initiativen, wie der von Edgar Varèse und Henry Cowell gegründeten Pan American League of Composers, deren Anfänge noch auf die späten zwanziger Jahre zurückgingen, und jetzt, wo sie in einem veränderten Gesellschaftsklima zur Entfaltung kamen, weitgehend folgenlos blieben und auch bald im Geldmangel der wirtschaftlichen Krisenzeit ihr Ende fanden. 1931 aber führte der Dirigent Nicolas Slonimsky einige Orchesterwerke von Ives zum ersten Mal auf: in Boston die Three Places in New England und in San Francisco bzw. Havanna zwei Stücke der Holidays, nämlich Washington’s Birthday und Decoration Day. Mit letzterem ging Slonimsky auch auf Europa-Tournee, so dass das Stück in Berlin zu hören war, lange bevor es in New York, Ives’ Heimatstadt, zum ersten Mal erklang. Eine Gesamtaufführung der vier Stücke als A Symphony: New England Holidays fand erst 1954, wenige Monate vor Ives’ Tod, in Minnesota statt. Dies war gleichzeitig die Uraufführung der Sätze The Fourth of July und Thanksgiving and Forefathers’ Day. Die Entstehungszeit dieser Stücke fällt im Wesentlichen in die Jahre zwischen 1904 und 1913. In seinen Memos, Lebenserinnerungen, die er bald nach jener Serie verspäteter Uraufführungen zu diktieren begann, bezeichnet Ives die Holidays als »Erinnerung eines Mannes an bestimmte Feiertage seiner Kindheit, und nicht so sehr gegenwartsbezogene Schilderung dieser Feiertage«. Dieser Gestus der Erinnerung wird im wesentlichen durch den Rückgriff auf vorgeformtes Material getragen – Lieder, Tänze und Märsche, die aus der Sicht von Ives’ kleinstädtischer Kindheit in Neu England den Klang der siebziger und achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts bestimmt hatten. Im Bezug auf Feiertage werden die persönlichen Erinnerungen auch ins Allgemeine vermittelt und potenziert, denn die hier gemeinten Feiertage stellen ja selbst Tage der Erinnerung dar, wie sie zyklisch Jahr für Jahr wiederkehren. Allerdings stellt Ives die Feiertage eigentlich weniger von ihrem Anlass her dar. So warnt er in seinen Memos ironiegeladen vor dem Missverständnis, zu glauben, Washington’s Birthday zum Beispiel »gebe vor, von Washington zu handeln, oder von seinem Geburtstag, oder von ›diesen unseren Vereinigten Staaten‹ – oder von einer Rede Senator Plattreifens!« Was Ives’ musikalisch erinnert, ist vielmehr das Feiern dieser Tage selbst, in der Stimmung der Jahreszeiten, der Wahrnehmung des Raumes und der Menschenmassen, des Ablaufs der ernsten und heiteren Rituale, die zu einem großen Teil von Musik getragen werden. Und so erscheinen auch die vielen zitierten Melodien, selbst da, wo sie größeren Raum einnehmen, wie der Zapfenstreich und der durch triolischen Schwung mitreißende Marsch des Second Regiment Quickstep im Decoration Day weniger als zu hörende, sondern als bereits gehörte Musik. Als solche werden die Melodien durch allerlei Anlagerungen der Klangumgebung, Irregularitäten einer gleichsam in ihrer Einmaligkeit zitierten Aufführung und collageartige Überlagerungen verschiedener Themen nicht in ihrer Idealgestalt, sondern als konkretes, sozusagen erlebtes akustisches Phänomen wieder erinnert. So ist es immer auch die Erinnerung selbst, die aus Ives’ Musik spricht. Eine Pointe seiner Zitattechnik in den Holidays ist darüberhinaus, das Ives hier nicht nur fremde Musik zitiert, sondern mit dem Rückgriff auf eigene Jugendwerke in Thanksgiving auch in der eigenen kompositorischen Geschichte gräbt. Diesen Tag, den einzigen religiösen des Zyklus‘, hatte er sehr früh schon musikalisch selbst als Organist mitgestaltet. Und eine zweite Pointe liegt darin, das Ives auch selbsterfundene Pseudo-Zitate einsetzt. So ist eine weit ausgesponnene, sentimental-elegische Weise in Washington’s Birthday, die von einer einzelnen, völlig desorientierten Geige konterkariert wird, wohl eine Stilkopie aus Ives eigener Feder. Auf solche Art identifiziert sich der Komponist gleichsam im Erinnerungsprozess mit den Musikern, die in seinen Erinnerungen an kalte Februarabende einst in einem großen überhitzten Tanzlokal wetteiferten. Den Hörer mag das Wissen um solch ein mystifizierendes Pseudo-Zitat aber auch darauf hinweisen, dass es generell nicht um den Anspruch geht, diese Musik erst durch die Identifizierung von Zitaten verstehen zu können. Auch die Programm-Notizen, mit denen Ives seine Stücke erläuterte, spiegeln keineswegs direkt die musikalischen Gedanken wieder. »Dies ist reinste Programmusik – und auch reinste absolute Musik – ›Wer bezahlt, der hat die freie Wahl‹«, schreibt Ives, Mark 10. 11. 6. September Musikfest Berlin 2012 Twains Huckleberry Finn zitierend, über The Fourth of July , die musikalisch dichteste der Feiertags-Erinnerungen, die mit ihrem unentwirrbaren Knäuel patriotischer Lieder und den Feuerwerksexplosionen dem Unabhängigkeitstag gewidmet ist, jenem Triumph eines Freiheitsdenkens, das Ives auch musikalisch schon sehr früh durch seinen Vater vermittelt wurde und dem er Zeit seines Lebens treu blieb: »Ich erinnere mich deutlich, dass mir bei der Instrumentierung dieses Stücks das Gefühl der Freiheit vorschwebte, welches ein Junge am vierten Juli verspürt – er will tun und lassen, wonach ihm gerade der Sinn steht, und dieser Tag bietet die beste Gelegenheit dazu. Bei der Niederschrift gab ich mich ganz ungezwungen der Erinnerung an lokale Einzelheiten hin und setzte so viele Gefühle und Rhythmen nebeneinander wie es mir gerade gut und recht schien. Ich tat das alles ja im vollen Wissen, dass das Werk nie gespielt werden würde, vielleicht auch nie gespielt werden könnte.« ma rt i n w i lk en i ng Am Ende des Werkes singt ein Chor den ersten Vers des Hymnus Duke Street von Rev. Leonard Bacon (Pastor an der Center Church, New Haven, 1825-66), 1833 zum Gedenken an den 200. Jahrestag der Gründung von Kirche und Stadt geschrieben: O God, beneath thy guiding hand Our exiled fathers crossed the sea; And when they trod the wintry strand, With prayer and psalm they worshipped Thee. O Gott, unter Deiner schützenden Hand Kamen unsere Vorväter über das Meer. Und als sie betraten den schroffen Strand Mit Gebet und Psalmen sie priesen Deine Ehr’. Gebu rtsh aus von Ch a r les I v es Danbury, Connecticut 12. 13. 6. September Musikfest Berlin 2012 aa r o n c o p l an d Werken dieser Zeit zählen das mit Vierteltönen arbeitende Klaviertrio Vitebsk und die Variations für Klavier. Gleichzeitig engagierte sich Copland für die Sache der Neuen Musik in verschiedenen Organisationen, veranstaltete Konzertreihen und schrieb Artikel für Zeitungen und Zeitschriften. Mitte der 1930er Jahre setzte eine Wende in seinem Schaffen ein. Copland machte es sich zum Ziel, den »Common Man«, wie es in einem Werktitel heißt, den einfachen Menschen anzusprechen, ohne seicht oder banal zu werden. Es entstanden zahlreiche sehr erfolgreiche Kompositionen wie die Ballettmusik Billy the Kid oder das Orchesterstück El Salón México, in denen Copland häufig kunstvoll Gebrauch von folkloristischen Elementen macht. Copland wendete sich nun auch der Filmmusik zu und erhielt 1948 einen Oscar. Mit seinen Schriften und später auch mit Fernsehsendungen erreichte er ein breites Publikum, bei dem er um Verständnis für die Neue Musik warb. In den 1950er und 60er Jahren fügte Copland seinem Schaffen eine weitere Facette hinzu und schuf mehrere sperrige Werke, in denen er auf originelle und undogmatische Weise Gebrauch von der Zwölftonmethode machte. Mit beinahe 60 Jahren nahm Copland noch eine Dirigentenkarriere auf, in der zwar das eigene Schaffen im Mittelpunkt stand, die aber keineswegs auf dieses beschränkt war. 1973 gab Copland, der mit zunehmenden Gesundheitsproblemen zu kämpfen hatte, das Komponieren auf, dirigierte aber noch bis 1983. Er starb am 2. Dezember 1990. Aaron Copland (1900–1990) ist ein Komponist mit zwei Gesichtern. Da gibt es auf der einen Seite den Künstler, der sich klar und verständlich ausdrücken will und sich mit leicht zugänglichen Werken an ein großes Publikum wendet. Auf der anderen Seite steht Copland der Avantgardist, der seine Werke aus wenigen Bausteinen aufbaut und schroffe Dissonanzen schreibt, wenn dies der Idee der Komposition entspricht. Das Faszinierende an Coplands Musik ist, dass diese beiden Seiten seines Schaffens nicht voneinander getrennt sind, sondern sich durchdringen. Auch seine entschieden der Neuen Musik zugewandten Werke sind klar und verständlich, wenn man sich auf ihre Klangsprache einlässt. Umgekehrt entbehren seine populären Stücke wie Appalachian Spring keineswegs der inneren Folgerichtigkeit und sind mit großer motivischer Ökonomie gestaltet, wobei Copland auch in diese Kompositionen Elemente der Neuen Musik aufnimmt. Dabei verbindet er in seinem Schaffen Einflüsse von der jüdischen Musik über anglo- und lateinamerikanische Volksmusik bis zum Jazz mit der europäischen Tradition und ist in dieser Vielfalt ein zentraler Exponent der amerikanischen Musik. Im Musikleben der Vereinigten Staaten hat Copland nicht nur als Komponist, sondern auch als Organisator, Publizist und Förderer vieler anderer Musiker tiefe Spure hinterlassen. Geboren wurde Aaron Copland am 19. November 1900 im New Yorker Stadtteil Brooklyn. Seine Eltern waren jüdische Einwanderer aus Litauen, die in New York als Betreiber eines Warenhauses zu Wohlstand gekommen waren. Als Kind fühlte sich Aaron Copland vom Klavier angezogen und erfand erste eigene Melodien. Im Alter von 13 Jahren erhielt er professionellen Klavierunterricht, vier Jahre später kam Unterricht in Komposition hinzu. Entscheidend für sein künstlerisches Leben wurde ein Aufenthalt in Paris von 1921 bis 1924, wo er unter anderem bei Nadia Boulanger studierte und sich gründlich mit der Musik seiner Zeit vertraut machte. Größte Bewunderung hegte Copland für Igor Strawinsky, dessen Schaffen ihn stark beeinflusste. Zurückgekehrt in die USA erlebte Copland 1924 seine erste große Uraufführung, die der Orgelsymphonie, bei der Nadia Boulanger als Solistin mitwirkte. Auch wenn das Werk in konservativ gestimmten Kreisen auf Ablehnung stieß, machte die Uraufführung den jungen Komponisten doch auf einen Schlag bekannt. Im Verlauf der nächsten zehn Jahre schuf Copland stetig neue, der Avantgarde zugeneigte Werke. Manch Kompositionen zeigen sich vom Jazz beeinflusst, doch ist die Anlehnung an das Jazzidiom, anders als etwa bei George Gershwin, nirgends stark ausgeprägt. Zu den bedeutendsten 14. 15. 6. September Musikfest Berlin 2012 m o r t o n fe l d man same und leise Klangbild, das in seinem gesamten Schaffen vorherrscht. In den folgenden Jahren verfolgte Feldman den Grundgedanken, alle Elemente des Tonsatzes der Klangfarbe unterzuordnen, auf vielfältige Weise weiter und schuf unter anderem Werke, in denen zwar die Höhe der zu spielenden Töne festgelegt sind, nicht aber ihre genauen Dauern, so dass die Tonhöhen ineinander verschwimmen. Dabei experimentierte Feldman mit verschiedenen grafischen Notationsformen, kehrte immer wieder aber auch zur traditionellen Notenschrift zurück, der er sich von etwa 1970 an ausschließlich bediente. Inzwischen hatte Morton Feldman eine gewisse Bekanntheit als Komponist erreicht, Vortragsreisen nach Europa unternommen und ein Jahr als Gast des DAAD in Berlin gelebt. 1973 erhielt er eine Professur für Komposition an der Universität in Buffalo im US-Bundesstaat New York, die er bis zu seinem Lebensende innehatte. 1977 nahm Feldmans Schaffen eine bedeutsame Wende. Es entstanden außergewöhnlich lange, teils mehrere Stunden dauernde Kompositionen, die sich aus einer Vielzahl von kleinen, geschlossenen Feldern gleichenden Einheiten zusammensetzen, die subtil variiert und auf unvorhersehbare Weise wiederholt werden. In den Stücken aus den letzten drei Lebensjahren verbindet sich dieser Ansatz bei kürzerer Spieldauer mit einer extremen Ökonomie der Mittel. Feldmans Werke der 1977 einsetzenden Schaffensphase wurden rasch als eine der wesentlichen Entwicklungen in der Musik empfunden und brachten dem Komponisten weltweite Anerkennung. Morton Feldman starb am 3. September 1987. Im Mittelpunkt des Schaffens von Morton Feldman (1926–1987) steht ein besonderes Element der Musik: die Klangfarbe. In überwiegend langsamen und leisen Stücken entfaltet Feldman statische, subtil bewegte Klanggebilde und verzichtet weitgehend auf prägnante rhythmische oder melodische Gestalten und eine greifbare Gestik. Dabei beschränkt sich Feldman so gut wie immer auf ein traditionelles Instrumentarium. Morton Feldman wurde am 12. Januar 1926 als Sohn ukrainischer Einwanderer in New York geboren, wo seine Eltern eine Firma für Kinderbekleidung betrieben. Mit zwölf Jahren erhielt Feldman Klavierunterricht und von 1941 an auch Kompositionsunterricht bei dem Avantgardisten Wallingford Riegger. 1944 traf Feldman eine Lebensentscheidung. Er verzichtete auf ein akademisches Studium und begann, in der Firma seines Vaters zu arbeiten, wo er bis zu seinem 44. Lebensjahr angestellt blieb. Daneben nahm er weiterhin privaten Kompositionsunterricht, nun bei dem ebenfalls avantgardistisch gesonnenen Stefan Wolpe. Dieser gab Feldman nicht nur Unterricht, sondern stellte auch den Kontakt zu Edgard Varèse her, der Feldman stark beeindruckte und mit seiner Idee, Musik vom Klang her zu konzipieren, beeinflusste. Einen eigentlich stilistischen Einfluss gibt es dagegen nicht, in der akustischen Erscheinung liegen Welten zwischen den Werken beider Komponisten. Zu Beginn der 1950er Jahre war New York ein Zentrum für avantgardistische Kunst und Musik. Feldman wurde hier zunächst mit John Cage bekannt und durch ihn mit anderen Musikern wie Chris tian Wolff und Earle Brown sowie den Malern des so genannten Ab strakten Expressionismus von Willem de Kooning und Barnett Newman bis zu Jackson Pollock, Mark Rothko und Philip Guston. Der allseitige und umfassende Gedankenaustausch zwischen den Künstlern, an dem Feldman engagiert teilnahm, war für sein Schaffen prägend und führte ihn um die Jahreswende 1950/51 zur Komposition von Stücken, die einen von Grund auf neuen künstlerischen Ansatz zeigen. In ihnen teilte er den Tonraum in eine hohes, mittleres und tiefes Register auf und notierte nur, in welchem Register sich ein erklingender Ton befinden soll, nicht aber die genaue Tonhöhe, weil er die Klangfarbe durch die Angabe der groben Lage eines Tones hinreichend bezeichnet fand. Feldman gab damit die in traditioneller Musik bestehende Vorrangstellung der Tonhöhe auf. Schon diese frühen Kompositionen, in denen sich Feldman als einer der ersten Komponisten nicht mehr der traditionellen Notenschrift, sondern einer grafischen Notationsform bedient, haben das charakteristische lang- 16. 17. 6. September Musikfest Berlin 2012 cHa r l es i v es nötigt werden. Einer Reihe von Sätzen, zu denen auch seine eindrucksvollsten Kompositionen gehören, liegt ein schlagend einfaches Modell zugrunde. Ausgehend von einem leisen Hintergrund verdichtet sich der Tonsatz allmählich, bis schließlich Klanggebilde übereinander getürmt sind, bei denen das Auseinanderhalten einzelner Schichten unmöglich ist und der Klang eine nahezu körperliche Materialität erhält. Ende 1918 forderte die Doppelbelastung als Unternehmer und Künstler seinen Tribut und Ives erlitt einen gesundheitlichen Zusammenbruch. In den folgenden Jahren komponierte er nur wenig, 1927 gab er das Komponieren schließlich ganz auf. Dafür begann Ives nun, mit seinen Werken an die Öffentlichkeit zu gehen. Anfangs ließ er einzelne Stücke im Selbstverlag erscheinen, erste Aufführungen folgten und allmählich stellte sich wachsende Anerkennung ein. 1947 schließlich konnte der lange verstummte Komponist, der sich 1930 aus dem Geschäftsleben zurückgezogen hatte, den Pulitzer Preis für seine 36 Jahre zuvor beendete 3. Symphonie entgegennehmen. Er starb wenige Monate vor seinem 80. Geburtstag, am 19. Mai 1954. Das Schaffen von Charles Ives (1874–1954), einem der großen Pioniere der Neuen Musik, ist unter ungewöhnlichen Umständen entstanden. Denn anders als die meisten anderen Komponisten ging Ives höchst erfolgreich einem Beruf nach, der überhaupt nichts mit Musik zu tun hatte, und komponierte im Wesentlichen in seiner Freizeit. Charles Ives wurde am 20. Oktober 1874 in Danbury, einer etwa 100 Kilometer nordöstlich von New York gelegenen Kleinstadt in Connecticut, geboren und ist damit nur wenige Wochen jünger als Arnold Schönberg. Seinen Musikunterricht erhielt er vom Vater, der eine besondere Ader für ungewöhnliche musikalische Experimente hatte und damit prägenden Einfluss auf die Entwicklung seines Sohnes nahm. Schon mit 14 Jahren konnte sich Ives als Organist der örtlichen Gemeinde betätigen. Als Heranwachsender empfing Ives vielfältige musikalische Eindrücke von den Hymnen des Gottesdienstes über die verbreiteten Lieder Stephen Fosters bis zu Militärmärschen und allerlei populärer Unterhaltungsmusik, die tiefe Spuren in seinem späteren Schaffen hinterlassen haben. Von 1894 an belegte Ives das Studium generale an der Yale Universität, wobei er bei dem klassizistisch orientierten Horatio Parker auch Kompositionsunterricht erhielt. Nach der Beendigung seines Studiums war Ives unschlüssig über seine Zukunft und nahm 1899 eine Stelle in einer New Yorker Lebensversicherung an. Er blieb daneben aber weiter als Organist an großen New Yorker Kirchen tätig. Im Frühjahr 1902 entschloss er sich jedoch dazu, alle kirchenmusikalischen Dienste aufzugeben, um mehr Zeit zum freien Schaffen zu haben. Als sich ihm 1907 die Chance bot, zusammen mit einem Kollegen eine eigene Versicherungsagentur zu gründen, griff Ives zu. Nach desaströsem Beginn entwickelte sich diese Agentur zu einer der erfolgreichsten Versicherungen der Ostküste und verhalf Ives im Laufe der Zeit zu erheblichem Wohlstand. Trotz der Anstrengungen, die der Aufbau der Versicherung mit sich brachte, und obwohl Ives künstlerisch vollständig isoliert war, entstand von 1908 an der wichtigste Teil seines seiner Zeit weit vorausgreifenden Schaffens. Ein wesentliches Charakteristikum seines Stils ist das Zusammenfügen von verschiedenartigen Elementen – das können Melodiefragmente, aber auch ganze Tonsätze sein –, deren Eigengesetzlichkeit strikt gewahrt bleibt. Daraus kann sich die Gleichzeitigkeit und auch der Zusammenprall verschiedener Tonarten, Rhythmen, Taktarten, ja sogar Tempi ergeben, so dass in einigen Werken für einzelne Klanggruppen zusätzliche Dirigenten be- 18. 19. Musikfest Berlin 2012 Interpreten bis zu dessen Tod im Jahr 2001 über viele Jahre ein Duo gebildet; gleichfalls seit vielen Jahren musiziert er gemeinsam mit dem Cellisten YoYo Ma, den Geigern Itzhak Perlman und Jaime Laredo sowie im Klavierduo mit dem Pianisten Yefim Bronfman. Emanuel Ax hat zahlreiche Tonträger eingespielt, von denen mehrere mit dem Grammy ausgezeichnet worden sind. steffen sc h u be r t Steffen Schubert wurde 1969 in Kiel geboren. Er studierte Dirigieren und Klavier in Berlin und Bloomington in den USA und nahm als Liedbegleiter an Meisterkursen von Aribert Reimann und Dietrich Fischer-Dieskau teil. Von 1992 an war Steffen Schubert als Repetitor und Chorleiter an Opernhäusern und Musikhochschulen in Berlin und Salzburg engagiert. Er übernahm Choreinstudierungen unter anderem für die Bayreuther und die Salzburger Festspiele, das Opernhaus Zürich und den WDR. Daneben schloss er das Studium der Biochemie 2005 mit der Promotion ab und war in Berlin und in Boston wissenschaftlich tätig. Seit Dezember 2009 ist Steffen Schubert Künstlerischer Leiter des Ernst Senff Chores. eman u el a x eman u e l a x Der amerikanische Pianist Emanuel Ax wurde 1949 in Lwiw (Lemberg), heute Ukraine, als Sohn jüdischer Eltern geboren. 1961 zog die Familie nach einer Zwischenstation in Kanada nach New York, wo Ax an der Juilliard School studierte. Wettbewerbsgewinne in den 1970er Jahren ebneten ihm den Weg aufs Konzertpodium. Seither ist er in den Musikzentren Europas und der Vereinigten Staaten präsent und wird von herausragenden Orchestern als Solist eingeladen. In der Saison 2011/12 konzertierte Emanuel Ax so unter anderem mit den Orchestern in Boston, Chicago, Los Angeles und San Francisco. In Berlin war er Pianist in Residence bei den Berliner Philharmonikern, mit denen eine fruchtbare künstlerische Partnerschaft besteht. Das Repertoire von Emanuel Ax umfasst neben der Standardliteratur viele Werke der Neuen Musik. Er hat eine große Zahl von Werken uraufgeführt, mehrere selbst in Auftrag gegeben und eng mit Komponisten wie John Adams, Krzysztof Penderecki, Peter Lieberson und Thomas Adès zusammengearbeitet. Ein wesentlicher Teil seines künstlerischen Lebens ist der Kammermusik gewidmet. Emanuel Ax hat mit dem großen Geiger Isaac Stern m i c h ae l t i l s o n t h o mas Michael Tilson Thomas gehört seit langem zu den prominentesten amerikanischen Dirigenten. Er zeichnet sich durch künstlerische Neugier und ein unverkrampftes Verhältnis auch zu populären Musikformen wie dem Jazz aus. Der Dirigent ist ein herausragender Anwalt amerikanischer Musik von Charles Ives über Aaron Copland bis zu Steve Reich und Morton Feldman, aber auch ein viel bewunderter Interpret deutscher Symphonik von Beethoven bis Mahler. Bei drei großen Klangkörpern hat Michael Tilson Thomas zum Teil seit Jahrzehnten wichtige Leitungsfunktionen inne: Er ist Music 20. m ich ael t i l son t homas Kontakt zu renommierteren Orchestern durch Gastdirigate aufrecht erhielt. Es folgten Chefpositionen in Los Angeles und von 1988 an sehr erfolgreich beim London Symphony Orchestra. 1995 wechselte er dort in das Amt des Ersten Gastdirigenten, um die Leitung des San Francisco Symphony zu übernehmen. Schon vorher hatte Michael Tilson Thomas eine wichtige Initiative zur Förderung des musikalischen Nachwuchses ergriffen und 1987 das New World Symphony gegründet, das er bis heute leitet. Im vergangenen Jahr hat diese Institution, die sich mit den europäischen Spitzenjugendorchestern vergleichen lässt, in Miami in einem spektakulären Bau des Architekten Frank Gehry einen idealen, ungemein vielseitig nutzbaren Veranstaltungsort erhalten. Michael Tilson Thomas hat in seiner langen Karriere zahlreiche – häufig preisgekrönte – Tonträger eingespielt. Ein breites Publikum erreicht der Dirigent daneben durch Fernsehsendungen und internetbasierte Formate, in denen sein besonderes Talent zum Tragen kommt, anschaulich und erhellend über klassische Musik zu sprechen. Director des San Francisco Symphony, Künstlerischer Leiter des New World Symphony und Erster Gastdirigent des London Symphony Orchestra. Michael Tilson Thomas wurde 1944 in Los Angeles in eine Familie von Künstlern hineingeboren und studierte von 1962 an in seiner Heimatstadt Klavier, Dirigieren und Komposition. Schon in dieser Zeit arbeitete er bei der Vorbereitung von Uraufführungen mit Aaron Copland, Igor Strawinsky und Pierre Boulez zusammen und kam als Klavierbegleiter mit Größen wie Jascha Heifetz und Gregor Piatigorsky in Kontakt. 1969 sprang Michael Tilson Thomas kurzfristig für den erkrankten William Steinberg bei einem Konzert des Boston Symphony Orchestra ein, das ihn vorher schon zum Assistenzdirigenten berufen hatte. Dieses Konzert brachte dem jungen Dirigenten den Durchbruch. Er wurde zum Ersten Gastdirigenten des Boston Symphony Orchestra ernannt, arbeitete mit zahlreichen großen europäischen und amerikanischen Orchestern zusammen und begann, die ersten Schallplatteneinspielungen zu machen. Seine Amtszeit als Chefdirigent beim Buffalo Philharmonic Orchestra von 1971 bis 1979 erlaubte es ihm, in Ruhe künstlerisch zu reifen, während er den 21. Interpreten Musikfest Berlin 2012 Dieter Hansen, Gert Hellwig, Detlev Hesse, Christoph Hoff, Henning Krafft, Johannes Krieg, Jochen Langeheinecke, Alexander Lust, Djordje Papke, Harry Schöppe, Gerd Schrecker, Immanuel Tschernik, Jan Wuttig London Symphony Orchestra seit über 50 Jahren musiziert, davon 11 Jahre als Chefdirigent, und ihm auch weiterhin eng verbunden bleibt. In vielen Bereichen leistet das London Symphony Orchestra Pionierarbeit. So trat es bereits 1906 als erstes britisches Orchester im Ausland auf und unternahm 1912 auch die erste Amerikatournee eines europäischen Orchesters. Kurz darauf entstanden die ersten Schallplatteneinspielungen. Seither hat das London Symphony Orchestra eine erstaunliche Zahl an Aufnahmen gemacht: Die Diskographie hat einen Umfang von annähernd 1000 Seiten. Mit der erfolgreichen Gründung des orchestereigenen Labels LSO Live im Jahr 2000 hat das London Symphony Orchestra einen neuen Weg gefunden, seine weltweite Hörerschaft anzusprechen und damit anderen Orchestern einen Weg gewiesen. Inzwischen sind weltweit über 70 Einspielungen von LSO Live verfügbar. Mit außerordentlichem Engagement widmet sich das London Symphony Orchestra der musikalischen Bildungsarbeit. Mit den verschiedenen Projekten, Workshops und besonderen Konzerten seines Bildungsprogramms LSO Discovery erreicht es jedes Jahr mehr als 60.000 Menschen – vom Kleinkind bis zum Erwachsenen. Zu seinen Initiativen zählen etwa LSO On Track, eine Langzeitförderung für junge Musiker aus dem Londoner Osten, und sein Centre for Orchestra, das sich auf Orchesterausbildung, Forschung und berufliche Entwicklung von Orchestermusikern konzentriert. Seit 2003 hat LSO Discovery einen eigenen Standort gefunden: LSO St Luke’s, ein spektakulär umgewidmeter Kirchenbau aus dem 18. Jahrhundert, in dem nun eine beispielhafte Mischung aus öffentlichen und privaten Veranstaltungen für Musikliebhaber jeglicher Couleur ihren Platz findet. Bei seinen vielfältigen Bildungsangeboten wird das London Symphony Orchestra von wichtigen kulturellen Einrichtungen wie BBC Radio 3 und Fernsehen, dem Barbican Centre und der Guildhall School unterstützt. l o n d o n sym p h o ny o r c h est r a er nst senff chor Sopran: Sabine Born-Warmuth, Alexandra Broneske, Renate Ebling, Sylke Eichhorn, Rosemarie Funke, Nicola Gericke, Constanze Gerlach, Anna Gleiß, Renate Grossman, Bettina Hengelhaupt, Eva Hoffmann, Antje Holmgren, Susanne Ibe, Valerie Krupp, Barbara Mercks, Karin Müller, Antje Roterberg-Alemu, Gundula Schorr, Ina Seidelmann, Mareile Siegele, Anka Sommer, Kathrin Stoppel, Henrike Topp, Birgitt Vogt, Einat Ziv Alt: Barbara Alberts, Estrelita AlvaresSpandöck, Dinah Backhaus, Beate Binder, Susanne Bohrmann-Fortuzzi, Katharina Brause, Lisinka Diestel, Constanze Eckels, Sabine Engel, Dagmar Giese, Bettina Gross, Marianne Günther, Sigrid Höhne-Friedrich, Anna-Maria Holst-Otto, Angelika Krönert, Bettina Kühnl, Oda Mauruschat, Ulrike Petzold, Renate Putzar, Kathrin Schneider, Mechthild Witulski Tenor: Wilhelm Gernm, Holger Gläser, Harald Hodeige, Gerhard Kletscher, Andreas Putzar, Georges Reichrath, Jörg Ritter, Alfred Schubert, Peter Thiel, Angelo Valtchev, Roland Bärmann, Heinz Bühl, Helmut Deschner, Klaus-Dietrich Siebert, Wolfgang Tuchscherer, David Wesseler, André Wößmann, Benedictus Youn Bass: Holger Bentert, Eberhard Bock, Hennig Diekow, Horst Dittmann, Heinz Fehrs, Thomas Feindt, Patrick Fretzdorff, Alfred Fritz-Jatzky, e r nst senff c h o r Der Ernst Senff Chor Berlin ist ein halbprofessionelles Ensemble, dessen Besetzung je nach den musikalischen Erfordernissen zwischen 20 und 120 Sängerinnen und Sängern variiert. Alle Mitglieder des Chores haben eine fundierte Gesangsausbildung, die meisten üben Singen aber nicht als Beruf aus. Der Chor wurde 1966 von Ernst Senff gegründet, seinerzeit Chorleiter an der Deutschen Oper Berlin und Professor an der West-Berliner Musikhochschule. Bereits zwei Jahre später trat er im Rahmen der Berliner Festwochen gemeinsam mit den Berliner Philharmonikern auf. Seither ist der Ernst Senff Chor als verlässlicher Partner für alle großen Berliner Orchester ein unverzichtbarer Bestandteil des Musiklebens der Stadt. Zudem arbeitet der Ernst Senff Chor regelmäßig mit vielen auswärtigen Orchestern zusammen und wird zu Konzerten in ganz Deutschland eingeladen. Auch mit den Chören der Deutschen Oper Berlin und der Komischen Oper, die häufig durch Mitglieder des Ernst Senff Chores verstärkt werden, besteht eine enge Kooperation. Die hohe Qualität des Ernst Senff Chores spiegelt sich auch in seiner Diskographie wieder, die Aufnahmen mit Dirigenten wie Riccardo Chailly, Claudio Abbado, Bernard Haitink und James Levine umfasst. 22. Das London Symphony Orchestra gehört zu den ältesten Orchestern der britischen Hauptstadt. Es wurde im Jahr 1904 gegründet – und zwar von den Orchestermitgliedern selbst. Es ist damit die erste unabhängige, sich selbst verwaltende Orchestervereinigung Englands und wies damit den Weg für manchen später gegründeten Klangkörper. Das Ethos der selbst ständigen, eigenverantwortlichen Tätigkeit zeichnet das London Symphony Orchestra bis heute aus. Viele ausgezeichnete Musiker werden von ihm angezogen und eine ganze Reihe von Solisten ist aus seinen Reihen hervorgegangen. Seinen Sitz hat das Orchester im Barbican Centre in der Londoner City, wo es in jeder Saison über 70 Konzerte gibt. Etwa die gleiche Anzahl an auswärtigen Konzertauftritten kommt hinzu, so alljährlich in New York und Paris und regelmäßig in den europäischen Metropolen, Japan und Fernost. Schon mehrmals gastierte das London Symphony Orchestra auch beim Musikfest Berlin, zuletzt vor zwei Jahren. Die Liste der Chef- und Gastdirigenten des London Symphony Orchestra ist imponierend, angefangen von der Gründungszeit mit Hans Richter und Arthur Nikisch über Josef Krips und Pierre Monteux bis zu André Previn und Claudio Abbado. Im Jahr 2007 trat Valery Gergiev sein Amt als Chefdirigent an. Als Erste Gastdirigenten amtieren derzeit Daniel Harding und der ehemalige Chefdirigent Michael Tilson Thomas (1987-95). Den Titel eines Orchesterpräsidenten haben die Musiker des London Symphony Orchestra 2007 Gergievs Vorgänger Sir Colin Davis verliehen, der mit dem 23. Musikfest Berlin 2012 Interpreten Besetzung Flöte: Gareth Davies (Principal), Adam Walker (Principal), Julian Sperry Violine I: Roman Simovic (Leader), Carmine Lauri (Co-Leader), Lennox Mackenzie (Sub-Leader), Nigel Broadbent, Ginette Decuyper, Jörg Hammann, Maxine KwokAdams, Claire Parfitt, Laurent Quenelle, Colin Renwick, Sylvain Vasseur, Gerald Gregory, Hilary Jane Parker, Alina Petrenko, Erzsebet Racz, Roisin Walters Piccoloflöte: Sharon Williams (Principal) Oboe: Juan Pechuan Ramirez (Guest Principal), Alice Munday, Joseph Sanders Englischhorn: Christine Pendrill (Principal) Violine II: David Alberman (Principal), Sarah Quinn (Sub-Principal), Miya Vaisanen, Matthew Gardner, Belinda McFarlane, Iwona Muszynska, Philip Nolte, Paul Robson, Sarah Buchan, Caroline Frenkel, William Melvin, Hazel Mulligan, Charlotte Reid, Stephen Rowlinson Klarinette: Andrew Marriner (Principal), Chris Richards (Principal), Chi-Yu Mo Es-Klarinette: Chi-Yu Mo (Principal) Viola: Edward Vanderspar (Principal), Malcolm Johnston (Sub-Principal), German Clavijo, Anna Green, Richard Holttum, Robert Turner, Jonathan Welch, Carol Ella, Arun Menon, Caroline O‘Neill, Fiona Opie, Martin Schaefer Bassklarinette: Lorenzo Iosco (Principal) Fagott: Fredrik Ekdahl (Guest Principal), Joost Bosdijk, Dom Tyler Kontrafagott: Dominic Morgan (Principal) Violoncello: Rebecca Gilliver (Principal), Eve-Marie Caravassilis, Alastair Blayden (Sub-Principal), Jennifer Brown, Mary Bergin, Noel Bradshaw, Daniel Gardner, Hilary Jones, Nicholas Gethin, Deborah Tolksdorf Horn: Timothy Jones (Principal), Jeffrey Bryant, Angela Barnes, Geremia Iezzi, Jonathan Lipton Trompete: Philip Cobb (Principal), Roderick Franks (Principal), Gerald Ruddock, Robin Totterdell Kontrabass: Joel Quarrington (Guest Principal), Colin Paris (Co-Principal), Patrick Laurence, Matthew Gibson, Thomas Goodman, Jani Pensola, Joseph Melvin, Simo Vaisanen l on don sym phony orch est r a Foto Clive Barda Bass-Posaune: Paul Milner (Principal) President Sir Colin Davis, CH Tuba: Patrick Harrild (Principal) Principal Conductor Valery Gergiev Pauken: Nigel Thomas (Principal) Principal Guest Conductors Daniel Harding, Michael Tilson Thomas Schlagzeug: Neil Percy (Principal), David Jackson, Antoine Bedewi, Christopher Thomas, Benedict Hoffnung Conductor Laureate André Previn, KBE Harfe: Karen Vaughan (Principal) Managing Director Kathryn McDowell Director of Planning Sue Mallet Tours & Projects Manager Mario de Sa Tours Manager Miriam Loeben Orchestra Personnel Manager Jemma Bogan Librarian Lee Reynolds Stage & Transport Manager Alan Goode Stage Manager Daniel Gobey Stage & Transport Assistant Brian Hart Klavier: John Alley (Principal) Celesta: Catherine Edwards Posaune: Dudley Bright (Principal), James Maynard, Matthew Knight 24. 25. Musikfest Berlin 2012 Musikfest Berlin Künstlerische Dr . W i n r ich Hopp Leitung Organisationsleitung A n k e Buck en t i n Organisation Ch loË R ich a r dson, I na St effa n P r o g r amm h e f t Redaktion Komponisten- und Künstlerbiographien Mitarbeit Grafisches Konzept Gesamtherstellung Ber n d K rüger Dr . Volk er Rü lk e J u li a n e K au l St u dio CRR, Zü r ich M EDI A LIS Offset druck GmbH, Ber li n © 2012 Berliner Festspiele und Autoren Veranstalter Berliner Festspiele Ein Geschäftsbereich der Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin GmbH Gefördert durch den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien In Zusammenarbeit mit der Stiftung Berliner Philharmoniker Intendant Dr . T homas Ober en der Kaufmännische Geschäftsführung Ch a r lot t e Si eben M e d i e n partn e r Pa r t n e r