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81,9(56,7b7%(51 DOPING Ein Leitprogramm Schwerpunktfach Biologie / Chemie Günter Baars Annette Hählen Thomas Hari Matthias Küng Leitprogramm Doping Vorwort INHALTSVERZEICHNIS L VORWORT EINLEITUNG (WKLNLP6SRUW 'RSLQJ²GHU%HJULII 2.1 Der Ursprung des Wortes Doping 4 2.2 Zur Geschichte des Dopings 4 2.2.1 Doping im Altertum 4 2.2.2 Doping in der Antike 4 2.2.3 Doping im 20 Jahrhundert 8 2.3. Dopingchronologie im Spiegel des Radsports MODUL I: HORMONE IM SPORT: Peptidhormone & Anabolika 9 (LQHUVWHU([NXUV+RUPRQH²%RWHQVWRIIHXQVHUHV.|USHUV (LQ]ZHLWHU([NXUV%LRWUDQVIRUPDWLRQDXVK\GURSKREZLUGK\GURSKLO i) Biotransformation: aus hydrophob wird hydrophil 20 ii) Phase 1: Oxidative und reduktive Prozesse 21 iii) Phase 2: Konjugation mit polaren Substanzen 22 1. Steroidhormone: „natürliche Anabolika“ 24 1.1 Steroide: Das Grundgerüst der Steroidhormone 25 1.2 Die sechs verschiedenen Familien von Steroidhormonen 25 1.2.1 Cholesterin: Die Vorstufe der sechs Steroidhormone 25 1.2.2 Wirkungsweise der Steroidhormone 26 1.2.3 Übersicht über die Sexualhormone 28 1.2.4 Androgene 30 1.2.5 Oestrogene 32 1.2.6 Gestagene (Schwangerschaftshormone) 34 1.3 Künstliche Steroidhormone: Anabolika zum Muskelaufbau 35 1.3.1 Medizinische Anwendungen 37 1.3.2 Nebenwirkungen von Anabolika 37 1.3.3 Anabole Wirkstoffe im Sport 38 2. Peptid- und Glykoproteinhormone: wirksam und schwer nachweisbar 2.1 Wachstumshormone (hGH) – alles wächst mit 42 43 2.1.1 Wirkungsspektrum von (h)GH 43 2.1.2 Verwendung im Sport: erhöhtes Wachstumspotential 45 ii Leitprogramm Doping Vorwort 2.1.3 Nebenwirkungen: Der Patient wächst 46 2.2 Erythropoietin (EPO): Das moderne Höhentraining 47 2.2.1 Wirkungsspektrum von EPO 48 2.2.2 Verwendung im Sport: Erhöhung der anaeroben Schranke 48 2.2.3 Nebenwirkungen von EPO: „dickes“ Blut 50 2.2.4 EPO und der Dopingtest: Jeder Test ist irgendwie und irgendwann manipulierbar“ 52 2.3 Das Schwangerschaftshormon (hCG, human Chorionic Gonadotropine) 53 2.3.1 Wirkungen von hCG – Hormonale Regelung der Schwangerschaft 53 2.3.2 Einsatz im Sport: Erhöhung der Testosteronproduktion 55 3. Nachweis von hCG im Urin: Schwangerschaftstest 3.1 Das Prinzip des Nachweises: ELISA 57 53 3.1.1 Grundlagen immunologischer Nachweisverfahren 3.2 Experimentelle Vorschrift 59 60 3.2.1 Nachweis von human Choriongonadotropin (hCG) im Urin: solid phase immunoassay MODUL II: MISSBRAUCHTE MEDIKAMENTE: Diuretika & Analgetika 60 63 Ein erster Exkurs: Recycling oder auf den Müll? Die Niere 63 Ein zweiter Exkurs: Hormone bestimmen, wie oft wir auf die Toilette rennen müssen 77 i) Aldosteron und Angiotensin II 78 ii) Vasopressin 80 iii) Natriuretisches Atriumpeptid (ANF) 82 iv) 82 Zusammenfassung 1. Hilfe beim Wasserlösen – Diuretika 85 1.1 Diuretika – Übersicht und Unterteilung 86 1.2 Wirkung der Diuretika 87 1.2.1 Osmotische Diuretika 88 1.2.2 Diuretika vom Sulfonamid-Typ 88 1.2.3 Kaliumsparende Diuretika 95 1.2.4 Xanthin-Derivate 97 1.3 Anwendung der Diuretika im Sport 100 Ein dritter Exkurs: Aua – das schmerzt 104 i) Was steckt da alles unter der Haut 105 ii) Weiterleitung des Schmerzes 110 iii) Hemmung des Schmerzes 112 iii Leitprogramm Doping Vorwort 2. Wie Schmerzen mit einem Lächeln weggesteckt werden können - Analgetika 2.1 Schmerzmittel 117 2.1.1 Opioid-Analgetika 117 2.1.2 Nicht-opioide Analgetika 126 2.2 Anwendung der Analgetika im Sport 127 3. Praktikumsanleitungen 130 3.1 Untersuchung einer Schweineniere 131 3.2 Temperaturempfinden 131 3.3 Nachweis von Opiaten im Urin 132 3.4 Arbeitsanleitung 132 3.4.1 Dünnschichtchromatographie MODUL III: TATORT SYNAPSE: 133 -Blocker & Stimulantien Exkurs: Der Computer im Mensch - das Nervensystem 135 137 E1.2 Das Neuron 139 E1.2.1 Das Aktionspotential bei langsamen Neuronen 140 E1.2.2 Das Aktionspotential bei schnellen Neuronen 143 143 E1.3.1 Neurotransmitter 147 E1.3.2 Acetylcholin – ein Beispiel 155 E1.4 Aktionspotentiale 158 1. Stimulantien 3 134 E1.1 Einführung E1.3 Die Synapse 2 116 165 1.1 Cocain, „die dritte Plage der Menschheit“ 165 1.2 Amphetamine 167 1.2.1 Amphetamin und Amphetaminderivate 167 1.2.2 Nachweis von Amphetaminen im Sport 171 1.2.3 Ecstasy – ein weiteres Amphetaminderivat 172 1.3 Coffein – ein salonfähiges Stimulans 173 1.4 Die Wirkung von Stimulantien auf molekularer Ebene 175 1.4.1 Die Wirkung von Stimulantien im Gehirn 175 1.4.2 Die Wirkung von Stimulantien auf das vegetative Nervensystem 182 Beta-Sympatholytica – mit Beta-Blockern gegen Prüfungsangst 184 2.1 Auch bronchienerweiternde Asthmamedikamente stehen auf der Dopingliste! 188 Praktikumsanleitungen 191 3.1 Isolation von Coffein aus Schwarztee 193 3.1.1 Extraktion von Coffein, Variante 1 193 3.1.2 Extraktion von Coffein, Variante 2 194 iv Leitprogramm Doping Vorwort 3.1.3 Identifikation des Coffeins mittels Dünnschichtchromatographie 3.2 Physiologische Wirkung von Coffein: Vergleich von entcoffeiniertem und coffeinhaltigem Kaffee 195 196 3.2.1 Leistungssteigerung durch Coffein? 196 3.2.2 Hohe Dosis Coffein 197 MODUL IV: VOLKSDROGEN UND SPORT: ALKOHOL UND CANNABIS 1. Alkohol 200 1.1 Geschichte des Alkohols 201 1.2 Herstellung und physiologische Wirkungen 204 1.3 Auswirkungen auf den Körper 206 1.4 Auswirkungen auf das Gehirn 210 1.4.1 Die Neurotransmitter GABA und Glutamat 212 1.4.2 Der GABA-Rezeptor 212 1.4.3 Der Glutamat-Rezeptor 214 1.4.4 Weitere Transmittersysteme 215 1.5 Langzeitwirkungen 216 1.6 Alkohol und Sport 217 2. Cannabis 220 2.1 Die Pflanze 221 2.2 Geschichte 222 2.3 Chemismus 224 2.4 Biochemie 231 2.4.1 Die Cannabinoidrezeptoren 231 2.4.2 Die Liganden 232 2.4.3 Direkte Wirkungen von THC im Körper 234 2.5 Medizinische Anwendung 235 2.6 Cannabis und Sport 236 3. Praktikumsanleitungen 239 3.1 Destillation von Wodka 240 ANHANG A: LÖSUNGEN ZU DEN AUFGABEN A1 ANHANG B: GLOSSAR B1 ANHANG C: FÜR LEHRKRÄFTE, LITERATURVERZEICHNIS C1 v Leitprogramm Doping Vorwort IMPRESSUM Doping - Leitprogramm für das Schwerpunktfach Biologie / Chemie Herausgeber: Universität Bern, Abteilung für das Höhere Lehramt in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Sport Magglingen. Unter „No Excuses“ erscheinen Lehr- und Informationsmittel mit Anregungen und Erfahrungen zur Gestaltung von Schulunterricht zum Thema Doping in verschiedenen Fächern und fächerübergreifend (Sekundarstufen I und II). Weitere Informationen dazu unter www.no-excuses.ch. Autoren: Günter Baars, Annette Hählen, Thomas Hari, Matthias Küng. © Copyright: Abteilung Höheres Lehramt Universität Bern, 3012 Bern (G. Baars) und Bundesamt für Sport, 2532 Magglingen (M. Kamber). Bestellungen: Als Kopievorlagen in losen Blättern: Günter Baars, Gymnasien Neufeld, Bremgartenstrasse 133, 3012 Bern, e-mail: [email protected]. Preis Fr. 40.Als pdf-File auf der CD-ROM: Doping – Hintergrundinformationen. (Herausgeber Bundesamt für Sport, 2532 Magglingen). Neben dem Leitprogramm beinhaltet diese CD-ROM eine umfangreiche Sammlung von Texten zum Thema Doping. Sie kann Schülerinnen und Schülern als Einstieg für eine Facharbeit dienen oder Lehrerinnen und Lehrern beim Erarbeiten des Themas Doping wertvolle Informationen liefern. Neben der Erläuterung aller verbotenen Substanzklassen im Sport sind auch rechtliche Aspekte, die Dopinganalytik und Argumente gegen Doping beleuchtet. Schlagzeilenartig werden die bedeutendsten Dopingfälle des 20. Jahrhunderts aufgeführt. Informationen unter www.dopinginfo.ch. Bestelladresse: Fachbereich Dopingbekämpfung, Bundesamt für Sport, 2532 Magglingen, e-mail: [email protected]. Artikelnummer 6.03.198 d/f. Preis Fr. 45.- vi Leitprogramm Doping Vorwort VORWORT EIN LEITPROGRAMM DOCH ANDERS ALS DIE BISHERIGEN Das hier vorliegende Leitprogramm „Doping“ erlaubt, wie alle bis heute entwickelten Leitprogramme, ein Selbststudium durch Schülerinnen und Schüler. Es enthält den zu bearbeitenden Stoff, Übungen, Arbeitsanleitungen und Kapiteltests ebenso wie Hinweise auf weiterführende Literatur und Experimente. Normalerweise umfasst ein Leitprogramm ein Fundamentum, das von allen Schülerinnen und Schülern zu bearbeiten ist und ein Additum für die besonders Schnellen und Interessierten. Im Leitprogramm „Doping“ sucht man vergebens diese Gliederung, die in Anbetracht der Komplexität des Themas von den Autoren bewusst vermieden wurde. Die Zeit für das vollständige Durcharbeiten des gesamten Textes wird in den meisten Fällen nicht zur Verfügung stehen. Der Inhalt des Leitprogramms „Doping“ ist deshalb modular aufgebaut, so dass die einzelnen Kapitel unabhängig von den anderen bearbeitet werden können. Hinweise im Text helfen Wissens- und Verständnislücken gezielt mit Hilfe der anderen Kapitel zu schliessen, ohne deren Text vollständig studieren zu müssen. So kann man, je nach der zur Verfügung stehenden Zeit, einen oder mehrere Teile des Programms bearbeiten, um sich im Idealfall einem „echten“ Leitprogramm zu nähern: Ein erstes Kapitel wird bearbeitet, nach bestandenem Test darf das nächste in Angriff genommen werden, die schnelleren Schülerinnen und Schüler bewältigen den gesamten Text, die langsameren den von der Lehrkraft vorgeschriebenen etc. vii Leitprogramm Doping Vorwort "Zeichnungen: Frank Steffen 1 Das vorliegende Material ist urheberrechtlich geschützt. Ein Copyright ist erhältlich durch G. Baars, Abteilung Höheres Lehramt Universität Bern 3012 Bern oder M. Kamber, Sportwissenschaftliches Institut, Bundesamt für Sport 2532 Magglingen 1 Anschrift ist den Autoren bekannt viii Leitprogramm Doping Vorwort ARBEITSANLEITUNG Unterricht diesmal ohne Lehrer!! Sie arbeiten in diesem Programm selbständig. Nach jedem Kapitel findet beim Lehrer eine kurze Prüfung statt, so dass Sie kontrollieren können, ob Sie das Gelernte auch verstanden haben. Sobald Sie die Prüfung bestanden haben, dürfen Sie das nächste Kapitel bearbeiten. Nur Lesen wäre ja langweilig!! Das Programm bietet den Vorteil, dass Sie das Gelernte in Ihrem Tempo durch verschiedene andere Aktivitäten festigen. Es erscheinen deshalb öfters Bilder mit entsprechenden Anweisungen! Sie lösen die Aufgabe Sie kontrollieren selbst, ob Sie das soeben Gelernte auch verstanden haben. Die Lösung befindet sich jeweils am Ende des Kapitels. Oder – Sie arbeiten im Labor Finden Sie jemanden, der gleich weit ist wie Sie. Gehen Sie dann ins Labor und führen Sie das entsprechende Experiment durch. C Chemikerinnen und Chemiker arbeiten nie ohne Labormantel und Schutzbrille!!! Manchmal steht das wichtigste in einem Buch Sie bekommen also Information direkt, ohne Lehrer-Filter! Holen Sie das Buch und lesen Sie den entsprechenden Text. Doch trotz der vielen Hilfsmittel geht es ohne Köpfchen nicht! Dieses Bildchen bezeichnet sogenannte Merksätze, also Sätze, welche Sie sich unbedingt einprägen sollten. ix Leitprogramm Doping Vorwort Einleitung INHALT DES KAPITELS 1 ETHIK IM SPORT - ODER DIE LÖSUNG DER QUADRATUR DES KREISES 2 2 DOPING – DER BEGRIFF 4 2.1 Der Ursprung des Wortes Doping 4 2.2 Zur Geschichte des Dopings 4 2.2.1 Doping im Altertum 4 2.2.2 Doping in der Antike 4 2.2.3 Doping im 20. Jahrhundert 8 2.3 Dopingchronologie im Spiegel des Radsports 9 x Leitprogramm Doping 1. Ethik Vorwort im Sport - oder die Lösung der Quadratur des Kreises Seit mehreren Jahren fällt das Wort Doping, wenn von Radsport die Rede ist – und umgekehrt. Spitzenfahrer wie Richard Virenque (FR), Alex Zülle, Laurent Dufaux (beide SUI), Marco Pantani (It) und wie sie alle heissen, haben 1998 „Dopinggeschichte“ geschrieben. Aber auch in anderen Sportarten, wie Leichtathletik, Schwimmen, Schneesport oder Fussball greifen immer mehr Sportler zu unerlaubten „Stärkungsmitteln“. Und es sind bei weitem nicht nur die Spitzenathleten, die versuchen ihre Leistungsgrenze künstlich zu erhöhen. Um sich am Tag „X“ - nach langer Vorbereitung - fit zu fühlen, greifen auch viele Hobby- und Breitensportler zu „aufbauenden“ Präparaten. Dabei kann selbst ein „harmloses“ Schmerzmittel gegen Kopf- oder Menstruationsbeschwerden die Grenze der Legalität sprengen. Vielfach ist die Einnahme von leistungssteigernden Mitteln gepaart mit einem allgemein risikoreichen Verhalten und mit wenig Rücksicht auf die eigene Gesundheit. Die „Dopingmentalität“ (die Einstellung, Probleme aller Art mit Hilfe von Medikamenten lösen zu wollen) ist auch im täglichen Leben anzutreffen, also nicht nur sportbezogener Natur. Wo sind Ursachen und Motive für Doping? Stammen sie aus dem Sport, oder hat sie der Sport aus der Gesellschaft übernommen? Im Folgenden sind einige Gedanken zu dieser Problematik aufgeführt. Sie sollen zur Diskussion anregen und erheben insbesondere nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Im (Spitzen-)Sport wird Chancengleichheit verlangt, in der Gesellschaft zählt jedoch nur die Leistung, „egal“ mit welcher Hilfe sie erbracht wurde. Doping darf also nicht nur als ein Problem des (Spitzen-) Sports angesehen werden, es ist ein gesellschaftliches Problem schlechthin. Die Diskussion um das Thema Doping findet jedoch ausschliesslich im (Spitzen-)Sport statt. So könnte man denn formulieren, dass alle zwar vom Doping reden, niemand jedoch darüber redet. In den Vereinigten Staaten bedienen sich laut einer Umfrage drei bis sieben Prozent der Jugendlichen Muskelaufbau beschleunigender Produkte (Anabolika)! In der Schweiz ist das Problem weniger dramatisch, obwohl man annimmt, dass besonders bei Knaben die Dunkelziffer des (un-)wissentlichen Dopingmissbrauchs erheblich ist. Das Thema Doping ist aktuell, darüber wird viel geschrieben. Was Doping jedoch wirklich ist, darüber weiss kaum einer Bescheid. Wenn das Magazin „Facts“ über den „Saustall Spitzensport“ schreibt, die ehemalige Zeitung „Sport“ titelt: „99 % aller Radprofis sind gedopt“ oder die Boulevardzeitung „Blick“ schreibt: „Bernard Hinault: Zu viele Esel wollen Rennpferde werden“, so hilft das in erster Linie den Verkaufszahlen der jeweiligen Medien. Die Auseinandersetzung mit dem Thema Doping muss jedoch viel weiter gehen. Es müssen die tieferen Motive für Doping erforscht werden. Eine umfassende Diskussion kann nur dann geführt werden, wenn die Philosophie des heutigen Sportes genauestens analysiert wird: was fühlen Athleten bei Niederlagen, was sind die Konsequenzen von Siegen, wie geht xi Leitprogramm Doping Vorwort man mit dem Misserfolg, aber auch mit dem Erfolg um, wo bleibt die Person im ganzen (Medien)Rummel. Es stellt sich die grundlegende Frage, ob sich der „Dopingsumpf“ über die Grenzen des Sports hinaus breit gemacht hat, oder, ausgehend von unserer Gesellschaft, auf den Sport übergegriffen ist? Hat Ethik im Sport heutzutage überhaupt noch einen Stellenwert? Die olympischen Spiele sind zum „Big Business“ verkommen. Allein die TV-Übertragungsrechte bringen dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) Einnahmen in Milliardenhöhe. 1992 (Barcelona) waren es 696 Millionen Dollar, 1996 (Los Angeles) bereits 895 Millionen und für die Übertragung von Sydney 2000 musste man ca. 1.4 Milliarden Dollar bezahlen. Der olympische Gedanke, „Mitmachen ist alles“, kann bei den genannten Zahlen wohl kaum mehr Gültigkeit haben. Pierre de Coubertin, Begründer der neuzeitlichen olympischen Spiele, baute auf die fünf Grundprinzipien, die etwa mit Harmonie, Selbstverwirklichung, Amateurismus, Fairness und Frieden umschrieben werden können. Diese Tugenden erscheinen im Vergleich zum Gelebten als Heuchelei und Doppelmoral, was freilich auch schon Coubertin vorausahnte. Die Erwartungshaltung, sowie die Personifizierung erzeugen im Athleten einen derartigen Druck, dass er – überspitzt formuliert – zum Sieg verdammt ist. Diese Situation macht ihn empfänglich für soge2 nannte Pyrrhussiege , die, obwohl spektakulär und heroisch, letztlich doch zynisch und kaum zielorientiert sind. Unter diesem Gesichtspunkt drängt sich die Frage auf, ob der Sport alles mitmachen muss, was ihm die Gesellschaft vorgibt. Der Hochleistungssport ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor mit einem hohen Unterhaltungswert, der nationale Identität stiftet. Daneben wird im gleichen Umfeld noch nach der Vermittlung von Tugenden wie Fairness und Harmonie verlangt, Eigenschaften die man zwar sonst nirgends mehr erlernen kann, aber ausgerechnet im späteren, übrigen Leben angewandt werden sollen. In diesem Dilemma zwischen geforderter Effizienz und Ethik oder Moral muss der Sport als Verlierer hervorgehen. Trotz dieser Verlogenheit ist der Sport nach wie vor förderungswürdig. An das „Gute“ im Sport glauben heisst Freude an der Bewegung als solche zeigen und nicht nur nach Bestleistungen streben. Es bedeutet, auf sich selber zu hören und sich zu vertrauen. Gewinnen zu wollen ist per se nichts Schlechtes - die Leistung ist zu fördern, der Betrug jedoch konsequent zu unterbinden. Die Lösung dieses Dilemmas erscheint wie die „Auflösung der Quadratur des Kreises“ – nichts desto trotz ist die Diskussion und das Credo für einen sauberen (Spitzen-)Sport zu unterstützen. Die Lösung dieses Problems – oder Paradoxons? - wird man in diesem Leitprogramm nicht vorfinden – der Diskussion über solche Fragen soll aber im Unterricht angemessene Zeit eingeräumt werden. Daneben soll vor allem das Hintergrundwissen über die verschiedenen Substanzklassen pharmakologisch, physiologisch, aber auch (bio-)chemisch erarbeitet und verstanden werden. Erst so kann eine fundierte Diskussion stattfinden. Der Aufbau ist so gestaltet, dass nach einem einleitenden Kapitel modulartig die folgenden Dopingklassen vorgestellt werden: Anabolika & Peptidhormone, Stimulantien, Narkotika und Diuretika. Als letztes Modul folgt ein Kapitel über Drogen. Dass Doping- und Dro- 2 Pyrrhussieg: ein mit gewaltiger persönlicher Einbusse errungener Erfolg (benannt nach dem griechischen König Pyrrhus, der 280 und 279 v. Chr. die Römer schlug, dabei jedoch grosse Verluste erlitt). xii Leitprogramm Doping Vorwort genmissbrauch nicht weit voneinander entfernt liegen, deutet ein Zitat eines ehemaligen Coachs der Schweizer Fussballnationalmannschaft an. In einem Interview hat Paul Wolfisberg einmal gesagt: „Als Spieler nahm ich Pillen, als Nati-Coach rauchte ich Joints“. xiii Leitprogramm Doping Vorwort Doping – Der Begriff Wer Leistungssport will, bekommt Doping. Gemäss dem Anti-Doping-Code (Kapitel II, Artikel 2) der olympischen Bewegung (vergleiche auch die Website http://www.olympic.org/ioc) aus dem Jahre 2000 wird der Begriff Doping wie folgt definiert (Originalwortlaut): 1. „the use of an expedient (substance or method) which is potentially harmful to athletes’ health and/or capable of enhancing their performance, or 2. the presence in the athlete’s body of a prohibited substance or evidence of the use thereof or evidence of the use of a prohibited method.“ '(58563581*'(6:257(6'23,1* 1869 tauchte in einem englischen Wörterbuch zum ersten Mal das Wort Doping auf, womit eine Mischung von Opium und narkotisierenden Drogen bezeichnet wurde, die für das Dopen von Pferden Verwendung finden sollte. Die Wurzel des heute so gebräuchlichen Wortes lässt sich auf einen von 3 eingeborenen Kaffern im südöstlichen Afrika gesprochenen Dialekt zurückführen, der dann in die Burensprache übernommen wurde. Unter dem Wort „Dop“ verstand man damals einen landesüblichen schweren Schnaps, der bei den Kulthandlungen der Kaffer als „Stimulans“ Verwendung fand. Erst später wurde der Begriff auch auf andere, allgemein stimulierende Getränke ausgedehnt. =85*(6&+,&+7('(6'23,1*6 Doping im Altertum Die künstliche Leistungsverbesserung ist ein uralter Traum des Menschen. Daher lassen sich auch Massnahmen, wie sie heute als Doping bezeichnet werden, in der Sportgeschichte weit zurückverfolgen und ebenso Bestrebungen, solche Methoden auszuschalten. Zum Teil handelt es sich bei den überlieferten Massnahmen um ausgesprochen harmlose diätetische Hinweise oder Methoden zur Verbesserung der Haut- und Muskeldurchblutung. Echt stimulierende Substanzen im Sinne des heutigen Dopings tauchen zum ersten Mal bei den sagenhaften Berserkern der nordischen Mythologie auf, die mit einer aus dem Pilz Amanita Muskaria gewonnenen Droge Bufotenin „ihre Kampfkraft bis auf das 12-fache gesteigert haben sollen“. Doping in der Antike Die Sportler der Antike kannten zwar noch keine anabolen Steroide, Narkotika oder Diuretika, aber einige unter ihnen konnten auch damals der Versuchung unlauterer Mittel nicht wiederstehen und 3 Kaffern [arab., Ungläubige], Bezeichnung für die Südost-Bantu in Südafrika. Die Kaffern wohnen in bienenkorbförmigen Hütten und treiben Hackbau und Viehzucht. 4 Die aufgeführten Zitate stammen aus einem Artikel, erschienen in der Zeitung „die Zeit“ vom 24. Juni 1999. xiv Leitprogramm Doping Vorwort nahmen in Kauf für den Sieg ihre Gesundheit zu riskieren. Damals wie heute spielten die Trainer, in der Antike Lehrer genannt, eine zentrale Rolle. Nicht zufällig bedeutet die wörtliche Übersetzung der griechischen Bezeichnung für Turnlehrer „paidotribes“, Knabenschinder. Schon früh erkannten die Griechen, dass einzelne körperliche Fähigkeiten durch eine abgestimmte Ernährung verbessert werden können. Es entwickelte sich eine medizinische Diätwissenschaft, die prompt von einigen Trainern pervertiert wurde. Angeblich bestand der Speiseplan olympischer Athleten eine Zeit lang ausschliesslich aus frischem Käse, getrockneten Feigen und Weizenbrot, weil der Spartaner Charmides im Stadionlauf 668 vor Christus aufgrund dieses Ernährungsplans gesiegt haben soll. Später - und zum Glück für die Olympiakämpfer - entdeckte Dromeus aus Stymphalos, dass der Verzehr von Fleisch die athletische Verfassung positiv beeinflussen kann. Dromeus siegte zweimal, 484 und 480 vor Christus. Spätestens im 5. Jahrhundert vor Christus wurde auch damit begonnen, je nach Disziplin systematische Ernährungspläne zu erstellen. Die erdrückenden Körpermassen der Schwerathleten etwa wurden durch eine protein- und fettreiche Ernährung erreicht, während Langstreckenläufer mehr Kohlenhydrate zu sich nahmen. Dass man sich in der Antike ausserdem schon Gedanken darüber gemacht hat, ob sexuelle Enthaltsamkeit die sportliche Kondition fördert, sei nur am Rande erwähnt. Die Grundidee des Wettkampfes, der zur Harmonie von Körper und Seele führen sollte, war also bereits in der Antike in Frage gestellt. Der Druck auf den Athleten war immens. Im Gegensatz zu heute kannte man nur Sieger. Silber- und Bronzemedaillen wurden erst viel später eingeführt. Deshalb waren auch Todesfälle keine Seltenheit im Stadion - sei es, dass ein Sportler bis zur totalen Erschöpfung durchhielt oder sei es, dass ein Trainer seinen Schützling nach verlorenem Kampf totschlug, weil der nicht bis zur Selbstaufgabe gekämpft hatte. Es erstaunt deshalb nicht, dass auch kritische Stimmen zum Sport laut wurden. So polemisierte der Philosoph und Theologe Xenophanes bereits um 480 vor Christus gegen die Überschätzung der Olympiasieger; Euripides gab diese Kritik in einer seiner Tragödien wieder: „Es gibt zahllose Übel in Griechenland, doch nichts ist schlimmer als das Pack der Athleten, ihr Training macht sie für ein normales Leben untauglich. Sie dienen nur ihren Kauwerkzeugen und sind Sklaven ihres Magens. Sie glänzen in ihrer Jugend und stolzieren als lebende Denkmäler einher; wenn aber das Alter mit seinen Gebrechen kommt, dann ist es vorbei mit ihnen, und sie sind fadenscheinig wie abgetragene Kleider. Warum nur kommen die Leute aus aller Welt zusammen, um ihre sinnlose Fressucht zu ehren?“ Die Athleten mussten die Speisen, die angeblich den Aufbau ihrer Körperkräfte förderten, in grossen Mengen und zu regelmässigen Zeiten verschlingen. Bald konnten sie ohne ihre Spezialernährung nicht mehr auskommen. Platon wies darauf hin, dass manche Athleten, wenn sie nur ein wenig von ihrer Lebensweise während des Trainings abwichen, gravierend krank wurden. In die gleiche Richtung zielt die Kritik des Arztes Hippokrates, der den Wettkampfsport, wie er zu seiner Zeit um 400 vor Christus betrieben wurde, eine Schule des Betrugs (!) nannte. Das Wort, das in diesem Zusammenhang in der Antike immer wieder fällt, heisst übersetzt „Zwangsernährung“. „Man kann erkennen, ob die Athleten ein bisschen weniger Speisen zu sich genommen haben, ob sie etwas anderes gegessen oder ein wenig mehr getrunken haben, ob sie ihr Training verkürzt oder geschlechtlichen Umgang gehabt haben. Von all dem bleibt nichts verborgen, wenn der Betreffende auch nur ein ganz klein wenig von der Vorschrift abgewichen ist.“ Auch das intensive und spezialisierte Training gab Anlass zur Kritik. So stellte Sokrates fest, dass Wettläufer starke Schenkel, aber zu schmale Schultern, Faustkämpfer dagegen starke Schultern und xv Leitprogramm Doping Vorwort zu dünne Beine bekämen. Damit beklagte er wohl nicht in erster Linie den Verlust ästhetischer Schönheit, sondern vielmehr eine Deformation der natürlichen Körperkraft. So erstaunt es auch nicht, dass die Worte Sokrates‘ in Platons Gorgias wie eine Vorwegnahme der Vorwürfe gegen heutige Trainer und Sportärzte klingen mögen: „Es geht ihnen nicht um Sport. Sie sind Menschen, die für die Befriedigung von Begierden sorgen, aber nichts wirklich davon verstehen. Sie füllen die Athleten nur an und machen sie massig und dafür werden sie von ihnen auch noch gelobt. Am Ende werden sie ihre Körper völlig verdorben haben. Die Sportler aber werden nicht die, die sie abgeflittert haben, als die Verantwortlichen für ihre Krankheiten und ihre körperliche Schwächung beschuldigen, sondern die, die gerade anwesend sind und ihnen helfen wollen, wenn die damalige Mästung nach geraumer Zeit zu Krankheiten führt, da sie ohne Rücksicht auf die Gesundheit geschah. Sie werden also diese beschuldigen, tadeln und vielleicht sogar tätlich gegen sie werden. Die wahren Urheber ihrer Leiden aber werden sie preisen.“ Internationale Sportveranstaltungen wurden nicht nur in Olympia, sondern auch in Delphi, Korinth und Nemea abgehalten; daneben fanden zahlreiche lokale Feste statt, zu denen – ähnlich wie heute internationale Spitzenathleten gegen ein Startgeld verpflichtet wurden. Dies führte zu einer enormen 5 Belastung der Athleten, da sie sich dauernd in Hochform befinden mussten. Der Arzt Galenos aus Pergamon beobachtete im 2. nachchristlichen Jahrhundert, dass die Gesundheit vieler Athleten gerade wegen ihrer andauernden Belastung sehr labil war: „Die Athleten führen ein Leben wie die Schweine. Ihr ganzes Tun besteht aus Essen, Trinken, Schlafen, Verdauen, sich im Dreck wälzen. Nur die Fleischmasse wird unmässig entwickelt, alle anderen Fähigkeiten gehen zugrunde. Trotz seiner widernatürlichen Kräfte ist ihr Körper unfähig, die Arbeiten eines normalen Menschen zu erfüllen. Er leistet auch Krankheiten nur noch geringen Widerstand.“ Im alten Olympia gab es zudem eine eigene Wettkampfklasse für Kinder. Ehrgeizige Trainer oder Väter liessen Knaben antreten, von denen manche offenbar erst 12 Jahre alt waren. Dazu Aristoteles: „Bis zur Pubertät sollten nur einfache Übungen erlaubt sein, strikte Diät und strenges Training aber verhütet werden, damit die Entwicklung der Knaben nicht behindert wird. Denn es gibt nicht geringen Anlass zu der Annahme, dass zu hartes Training der Grund dafür ist, dass wir in den Listen der Olympiasieger nur zwei oder drei Athleten finden, die als Knabe gesiegt haben und dann auch als Erwachsene noch erfolgreiche Sportler waren. Wenn Knaben in jungen Jahren für Wettkämpfe trainieren, verlieren sie dabei ihre Kraft“ Die Abkehr von der heiligen Idee der Olympischen Spiele der Antike – Gesundheit, Stärkung, Kraft für die alltäglichen Bedürfnisse des Lebens als Bauer, Hirte und Jäger – führten den römischen Philosophen Seneca schliesslich zu der traurigen Bilanz. Das Training allein ist schon eine Marter. Das Ende der antiken Spiele war ein Segen für die Gesundheit der Sportler Ein wesentlicher Unterschied der antiken Praxis zu der unserer Tage besteht freilich darin, dass es damals keinen Katalog von erlaubten und nicht erlaubten Mitteln und Methoden gab, mit deren Hilfe ein Athlet seinem Körper Höchstleistungen abzutrotzen versuchte. Erlaubt war alles. Der Erfolg war das was zählte. Die Kritik der Philosophen und Ärzte verhallte wirkungslos, obwohl Hippokrates wie auch Galenos genügend Hinweise auf Folgeschäden aufzuzeigen versuchten. Ausführliche Überlieferungen, die einer Überprüfung bezüglich der verwendeten Stimulantien standhalten, stammen aus dem süd- und mittelamerikanischen Raum. Zur Leistungssteigerung und bei langen Märschen wurden verschiedene Stimulantien, vom harmlosen Mate-Tee angefangen über 5 Claudius Galenos, neben Hyppocrates der berühmteste Arzt des Altertums, *131 n. Chr. in Bergamos (Kleinasien), ú zu Beginn des 3. Jahrhunderts (wo ist nicht bekannt). xvi Leitprogramm Doping Vorwort Kaffee bis hin zum Kokain, verwendet. Spanische Chronisten berichten über erstaunliche Laufleistungen der Inka, die - Kokablätter kauend - angeblich in 5 Tagen die 1750 km lange Strecke von der lnkahauptstadt Cuzco nach Quito in Equador bewältigt haben sollen. Das entspricht einem Stundenmittel von ca. 15 km/h über eine Zeitdauer von 5 Tagen! Diese Strapazen durchzuhalten ist physiologisch damals wie heute wohl unmöglich. Die Energieproduktion, auch diejenige eines gut trainierten Körpers, reicht für diese Laufleistung nicht aus. In Westafrika waren Kolanüsse schon seit urdenklichen Zeiten bei Märschen und Läufen im Gebrauch gewesen. Laufleistungen von 650 km in 3 Tagen und 3 Nächten (also ein Durchschnitt von etwa 9 km/h) sollen keine Seltenheit gewesen sein... Die koffeinhaltigen Drogen, einschliesslich des Kaffees, erreichten Europa Ende des 16. Jahrhunderts. Belegte Beispiele von Doping im Sport finden sich jedoch erst in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Bei 6-Tage-Rennen, etwa ab 1880, fanden schon alle möglichen Wundermittel Verwendung. Französische Fahrer bevorzugten zur Stimulation Mischungen auf Koffeinbasis, Belgier etherhaltige Zuckerstückchen. Andere Rennfahrer verwendeten alkoholhaltige Getränke, während sich die Sprinter auf die Einnahme von Nitroglycerin spezialisierten. Indem sie Dopingmittel aus Heroin und Kokain herstellten, versuchten sich die Trainer schon damals als ausgesprochene Giftmischer – mit tragischen Folgen: Im Jahre 1886 fiel während der Ausdauerprüfung Bordeaux – Paris der Radrennfahrer Linton tot vom Rad. Der Engländer (bzw. sein „Manager“, ein Besitzer einer grossen Fahrradfirma) hatte mit Aufputschmitteln die persönliche Leistungsgrenze so weit hinausgeschoben, dass sein Organismus der Belastung nicht mehr standhielt. Dieser erste Doping-Todesfall wurde gemäss damaligen Presseberichten durch eine Überdosis der Substanz „Trimethyl“ ausgelöst. Eine Chemikerin stellt sich hier natürlich die Frage, was „Trimethyl“ sein soll, denn eine chemische Verbindung mit diesem Namen existiert nicht! Etwas später wurden Versuche zur Leistungssteigerung bei belgischen und englischen Fussballmannschaften mit Sauerstoff gemacht, wobei die ersten Berichte auf das Jahr 1908 zurückgehen. Im Boxsport traten in dieser Zeit ebenfalls schon Dopingfälle mit Strychnin und Kokain, gelöst in Schnaps, sowie zum ersten Mal das Problem des Doping „to loose“ auf, wobei dem Gegner leistungshemmende Mittel verabreicht wurden. So behauptete 1910 James Jeffrie nach einem k.o. durch Jack Jonssons, dass ihm Drogen in seinen Tee gegeben wurden. Mittlerweile ist diese Art von Doping, auch als „Paradoping“ oder „negatives Doping“ bezeichnet, zu einer beliebten Ausrede für überraschende Niederlagen geworden. Im Humansport figurieren solche Praktiken jedoch nicht unter Doping, sondern stellen ein kriminelles Delikt, nämlich Körperverletzung, dar. Das Paradoping findet man heute vorwiegend im Pferdesport, um Rennergebnisse zu manipulieren und damit Wettquoten zu beeinflussen. Die Gegner durch Verabreichung von Beruhigungsmittel (Sedativa) einzuschläfern, um leichtere Siege davonzutragen, ist jedoch keine Erfindung der Neuzeit. Es wird berichtet, dass der karthagische Feldherr Maharabal bei einer Strafexpedition gegen ein „trunksüchtiges“ Afrikanervolk die Alraunwurzel als Kriegswaffe verwendete. Dieser grosse Stratege führte einen Scheinrückzug aus und liess ein wohl sortiertes Weinlager, mit Alraunauszügen vermischt, in die Hände der Feinde fallen. Diese betranken sich und wurden vom Alkohol und von den Alkaloiden derartig schläfrig und unzu- xvii Leitprogramm Doping Vorwort rechnungsfähig, dass sie im Gegenangriff leicht besiegt wurden. Alraun enthält u.a. die wirksamen Alkaloide Atropin, L-Hyoscyamin und L-Scopolamin. Das Pferdedoping, wie auch das Doping von Hunden, hat durch seine Verbreitung und konsequente Anwendung wahrscheinlich entscheidende Schrittmacherdienste für das heute im Humansport beobachtete Doping geleistet. Aufgabe Einleitung 1 Schlagen Sie in einem Lexikon; bzw. ihrem Biologiebuch (oder Internet) zum besseren Verständnis des Textes folgende Begriffe nach: Alraunwurzel, Alkaloide 'RSLQJNRQWUROOHQ 1910 wurde in Österreich erstmals Doping bei Pferden „wissenschaftlich“ nachgewiesen. Der russische Chemiker Bukowski entdeckte damals nach einer „geheimgehaltenen Methode“ im Pferdespeichel verschiedene Alkaloide. Die heutigen Sportler müssen allerlei Kontrollen über sich ergehen lassen, die unter anderem auch teuer sind. Die Dopingkontrollen bei den Olympischen Spielen in Atlanta sollen mehr als zwei Millionen Dollar gekostet haben. Sie basieren heute fast ausnahmslos auf der Methode GC/MS (Gaschromatographie mit anschliessender Massenspektrometrie). Doping im 20. Jahrhundert Als Pierre de Coubertin im Jahre 1896 die Olympischen Spiele in Athen neu ins Leben rief, ahnte er zumindest, dass er damit nicht nur eine „Schule für edle Gesinnung und moralische Reinheit“ geschaffen hatte: „Der gesunde Menschenverstand genügt, um zu wissen, dass die antiken Spiele auch ihre ärgerlichen Zwischenfälle, ihre dunklen Perioden hatten.“ Das Interesse der Humanmedizin an leistungssteigernden Medikamenten, Wirkstoffen und Drogen war bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts gering. Erste umfangreiche Untersuchungen über leistungssteigernde Wirkungen, in diesem Falle von Phosphorverbindungen, machte 1919 der Biochemiker Emden. Die typischen Dopingmittel waren Amphetamin und Methamphetamin. Das Amphetamin (oder Benzedrin) durchlief erst 1934 die klinische Prüfung und zwar als Mittel zum Abschwellen entzündeter Schleimhäute (Schnupfentherapie). Die stimulierende Wirkung wurde jedoch schnell erkannt und genutzt. Methamphetamin (oder Pervitin) kam in Deutschland in den Kriegsjahren 1939 bis 1945 bei Nachtjägern und bei extremen Belastungen zum Einsatz. Die Verwendung der sogenannten Weckamine Amphetamin auf alliierter Seite und Methamphetamin auf der deutschen Seite machten diese Medikamente, sowie ihre euphorisierende und stimulierende Wirkung in breiten Bevölkerungsschichten bekannt. Als Folge davon häuften sich nach dem 2. Weltkrieg etwa ab 1950 die Dopingfälle dramatisch - vor allem im Radrennsport. Die Einnahme stimulierender Mittel, zum Teil in Verbindung mit stark wirkenden Narkotika, war im Berufsradsport so verbreitet, dass in den Jahren 1960 bis 1967 bei wichtigen Radrennen kein Berufsradrennfahrer ungedopt an den Start ging. Vielfach wurde schon im Training geschluckt, um sich an die „Renndosen“ zu gewöhnen. xviii Leitprogramm Doping Vorwort Aber auch andere Sportarten „machten von sich reden“: 1961 wurden bei 27% der kontrollierten Profifussballer in Italien Amphetaminpräparate gefunden. Auf Befragen gaben 97% an, schon Stimulantien im Training und im Wettkampf benutzt zu haben. Der entscheidende Anstoss für die energische Bekämpfung des Dopings waren die Todesfälle des britischen Radrennfahrers Tom Simpson und des deutschen Boxers Jupp Elze. Durch den tragischen Tod des ehemaligen Rad-Weltmeisters Tom Simpson im Jahre 1967, welcher auf einer Bergetappe über den Mont Ventoux bei der Tour de France - miterlebt von Hunderten von Journalisten und Millionen von Fernsehzuschauern - tot zusammenbrach (die Obduktion ergab eine Mischung von Amphetaminen und Alkohol), veranlasste den Internationalen Radsportverband (UCI) dazu, erste Anti-Doping-Richtlinien aufzustellen. Diese Richtlinien, verbunden mit einer geeigneten, empfindlichen und spezifischen Analytik, gestatteten es, in den nachfolgenden Jahren den Missbrauch von Stimulantien und Narkotika praktisch vollständig zu unterbinden. Bei den Dopingkontrollen anlässlich der Spiele der XX. Olympiade, 1972, München, waren nur 7 positive Fälle bei 2079 untersuchten Proben zu verzeichnen. In den darauffolgenden Spielen in Montreal überführte man bei rund 1800 Kontrollen gerade einmal 3 Athleten (Stimulantien) und 1980 in Moskau wurden sogar keine positiven Dopingbefunde publik. Die Dopingskandale, die jedoch in diesen Tagen wieder das Sportgeschehen dominieren, sind indes nicht nur „ärgerliche Zwischenfälle“ im Sinne Coubertins. Letztlich ist der internationale Wettkampfsport in all seinen Auswüchsen – trotz Kontrollen - zu dem zurückgekehrt, was auch im alten Olympia als gut und heilig galt. Das „altius – forti“ (Weiter - schneller – höher), der Gedanke des Leistungssports hat eine achtenswerte Idee schon damals korrumpiert. '23,1*&+5212/2*,(,063,(*(/'(65$'632576 1886 während der Ausdauerprüfung Bordeaux – Paris brach der englische Radfahrer Linton tot zusammen. 1924 In den Trikottaschen von Henri und Francis Pélissier fand man Chloroform, Kokain und „Dynamit“-Pille. Der französische Journalist Albert Londres schrieb darauf den berühmten Artikel „Les Forçats de la route“ (die Zwangsarbeiter der Strasse). 1927 Der Jahreskongress des deutschen Ärztebundes tagte und hielt folgendes fest: „Da bei den Profisportlern der Schwerpunkt nicht im sportlichen, sondern im sozial-beruflichen Erfolg liegt, lässt sich Doping in deren Fall durchaus verteidigen, nur im Amateurbereich ist eine künstliche Leistungssteigerung in jedem Fall zu verbieten.“ 1959 Nachdem man bei Charly Gaul (Luxemburg) Pillen beschlagnahmt hatte, wurden erste Rufe nach Kontrollen bei der Tour de France laut. 1960 Der Italiener Gastone Nenzini gestand, sich männliche Hormone gespritzt zu haben. 1966 Die ersten Dopingkontrollen wurden durchgeführt 1967 An der Tour de France starb der dreissigjährige Brite Tom Simpson am 13. Juli beim Aufstieg zum Mont Ventoux (Provence). Im Trikot des Briten fand man u.a. Amphetamine. xix Leitprogramm Doping 1967 Vorwort das 1. Geständnis. Jacques Anquetil (Frankreich): "Ich ziehe eine Spritze Koffein 3 Tassen Kaffee vor." 1969 Superstar Eddy Merckx geriet unter Verdacht. Aber erst 1988 gab der Belgier zu: "Auf Amphetamine folgten Cortison, Anabolika, dann Verschleierungsmittel." 1978 gab Michel Pollentier (Belgien) Fremdurin ab. 1980 wurde Dietrich „Didi“ Thurau dreimal positiv getestet. Tour-Aus! 1987 "Didi" wurde erneut erwischt und ausgeschlossen. Diesmal wegen Anabolika. 1988 Pedro Delgado (Spanien) gewann „gedopt“ die Tour de France, weil die Mittel "nur" auf der IOC-, nicht aber auf der UCI-Liste standen. 1990 Francesco Moser: "Ich habe mit Doping experimentiert." John van der Velde gab darauffolgend zu: "Es ist jeden Tag dasselbe: Eine Injektion am Morgen, abends Pillen." 1991 wurde das Profi-Team PDM vergiftet. Unsachgemässe Lagerung von Dopingmitteln. 1997 wurde der Usbeke Dschamolidin Abduschaparow wegen Einnahme von Clenbuterol und Bromantan von der Tour ausgeschlossen. Claudio Chiappucci fiel durch den Bluttest. 1998 der Tour-Skandal. Das Festina-Team mit den Favoriten Richard Virenque (FR), Alex Zülle (SUI) u.a. wurde verhaftet. Immer wieder stoppte die französische Polizei das Fahrerfeld. Andere Sportgruppen wurden z.T. ausgeschlossen oder zogen sich z.T. „freiwillig“ zurück. 1999 Marco Pantani (Sieger Giro `98 und TdF `98) verweigerte beim Giro 2 Bluttests durch Italiens NOK. Als Etappensieger musste er antreten und wurde prompt wegen unzulässig hoher Werte ausgeschlossen. 2000 an der Tour de France wurden die Urinproben der Fahrer eingefroren, um nachträglich einen EPO-Nachweis (Urintest) durchführen zu können (ohne Folgen). 2000 An der Sommerolympiade 2000 in Sidney (Aus) wurden erstmals EPO-Urintests direkt durchgeführt. 2000 Der italienische Radprofi Marco Pantani (Sieger Giro `98 und TdF `98) wird wegen Dopingvergehens aufgrund eines bestehenden Gesetzes in Italien zu drei Jahren Gefängnis bedingt verurteilt. 2000 Gerichtliche Aufarbeitung der Tour de France `98 (Betreuer, Trainer und Ärzte verurteilt) xx MODUL I Hormone im Sport ANABOLIKA UND PEPTIDHORMONE Inhalt Ein erster Exkurs: Hormone – Botenstoffe unseres Körpers 14 Ein zweiter Exkurs: Biotransformation: aus hydrophob wird hydrophil 18 1 Steroidhormone: „natürliche Anabolika“ 24 2 Peptidhormone: wirksam und schwer nachweisbar 42 3 Nachweis von hCG im Urin: Schwangerschaftstest 57 „Der Blick leer, die Augen starr...“ Tom Simpson, englischer Radrennfahrer, beim Aufstieg zum Mont Ventoux an der Tour de France 1967. Kurz nachdem diese Aufnahme gemacht wurde, brach der damalige Tour-Favorit tot zusammen. In seinen Taschen fand man u.a. Amphetamine und Schmerzmittel. MODUL I: Hormone im Sport Exkurs 1: Hormone – Botenstoffe unseres Körper Allgemeines Thema Das Thema dieses Moduls sind Hormone im Sport oder genauer Steroid- und Peptidhormone. Sie erfahren in den entsprechenden Kapiteln, warum man zur Leistungssteigerung überhaupt Hormone verwendet und welche (Neben-)Wirkungen sie in unserem Körper hervorrufen können. Dazu braucht es ein vertieftes Wissen über gewisse biochemische Abläufe, die Sie sich zuerst aneignen müssen. Lektionsablauf Lesen Sie zuerst die Lernziele und dann den Theorieteil genau durch. Danach führen Sie mit einer Kollegin oder einem Kollegen die vorgeschriebenen Experimente sorgfältig aus. Wenn Sie nicht sicher sind, fragen Sie Ihre Lehrkraft nach den zu treffenden Vorsichtsmassnahmen. Nach jedem Abschnitt hat es kleinere Aufgaben. Sie sollen von Ihnen alleine gelöst werden. Die Lösung zu allen Aufgaben finden Sie im Anhang A. Bearbeiten Sie dieses Kapitel so lange, bis Sie sich sicher fühlen. 13 MODUL I: Hormone im Sport Exkurs 1: Hormone – Botenstoffe unseres Körper EIN ERSTER EXKURS: HORMONE – BOTENSTOFFE UNSERES KÖRPERS Inhalt EIN ERSTER EXKURS: HORMONE – BOTENSTOFFE UNSERES KÖRPERS 14 LERNKONTROLLE EXKURS 1 17 Lernziele 1. Sie wissen was man unter Hormonen versteht und kennen deren Einteilung 2. Sie kennen die oberste Instanz der Hormonsteuerung und wissen wo diese lokalisiert ist 14 MODUL I: Hormone im Sport Exkurs 1: Hormone – Botenstoffe unseres Körper Bei einzelligen Organismen (z.B. Bakterien) antwortet die ganze Zelle auf einen Reiz aus der Umgebung. Signale innerhalb dieser Zelle können wegen der Kürze des Wegs durch Diffusion chemischer Stoffe weitergegeben werden. Die Entwicklung vielzelliger, arbeitsteilig organisierter Lebewesen aus dem Zusammenschluss von Einzellern ist in der Evolution ein ungeheurer Fortschritt gewesen. Eine seiner wesentlichen Voraussetzungen ist die Fähigkeit der Signalübermittlung von Zelle zu Zelle bzw. von Organ zu Organ. Die Signale werden in Form chemischer Verbindungen, der Hormone, als Vermittler übertragen. Grundsätzlich sind Hormone extrazelluläre Signalmoleküle. Da alle Hormone mehr oder weniger zur selben Zeit im Blut zirkulieren, muss sichergestellt sein, dass sich Zielzelle und Hormon gegenseitig erkennen und so die gewünschte intrazelluläre Antwort ausgelöst wird. Die Zielzellen besitzen dazu spezifische Bindungsstellen, sogenannte zelluläre Rezeptorproteine, mit denen das jeweilige Hormon in Wechselwirkung tritt. Die Affinitäten dieser -8 Rezeptoren für das Hormon müssen äusserst hoch sein, da die Hormonkonzentrationen nur 10 bis -12 10 -1 mol⋅L betragen. Meist löst der durch die Reaktion von Hormon mit Rezeptor entstandene Hormon-Rezeptorkomplex die Bildung eines intrazellulären Signalmoleküls aus. Der Mechanismus, mit dem dies geschieht, wird als Signaltransduktion bezeichnet. Die Einteilung der grossen Zahl der Hormone kann natürlich nach den verschiedensten Gesichtspunkten erfolgen. Möglich wäre z.B. eine Einteilung nach funktionellen Aspekten: Gruppe I&II: Gruppe III: Gruppe IV: Gruppe V: Gruppe VI: Hormone, die Wachstum und Differenzierung beeinflussen. Hormone, die für die schnelle Umstellung des Stoffwechsels verantwortlich sind. Hormone, welche die Funktion des Magen-Darm-Kanals regulieren. Hormone, die in den Stoffwechsel von Phosphat und Calcium eingreifen. Hormone für die Regulation des Stoffwechsels von Wasser und Elektrolyten. Eine andere Klassifizierung der Hormone nach ihrer chemischen Struktur ergibt eine Unterteilung in 1. Steroidhormone, 2. von Aminosäuren oder Fettsäuren abgeleitete Hormone, 3. Peptid- oder Proteohormone (proteo Å von Protein). Beziehungen zwischen chemischer Struktur und Stoffwechselwirkung lassen sich bei dieser Einteilung nicht herstellen. Hierarchie der Hormone: Im Gegensatz zum Nervensystem sind Hormone auf eine langsame, kontinuierliche Signalübermittlung spezialisiert. Sie benützen deshalb das Kreislaufsystem zur Überwindung grösserer Distanzen innerhalb des Körpers. Sie stammen aus hormonproduzierenden Zellen und haben entweder eine untergeordnete Hormondrüse oder andere Zellen als Erfolgs- oder Zielorgan. In enger Zusammenarbeit mit den vegetativen Zentren im Gehirn und dem autonomen Nervensystem steuern die Hormone Wachstum, die körperliche und psychische Entwicklung und Reifung, die Fortpflanzungsmechanismen, die Leistungsanpassung, sowie den gesamten Stoffwechsel. In den meisten Fällen geht einer Hormonausschüttung ein nervaler Reiz im Zentralnervensystem (ZNS) voraus. Nervale und hormonelle Schaltstelle und damit zentrale Kontrolle der Hormonausschüttung ist in erster Linie der Hypothalamus. Er wandelt nervale Reize in eine Hormonabgabe aus der Hypophyse, einer Hormondrüse (Hirnanhangdrüse), um, wo spezielle Zellen auf einen Reiz hin Hormone produzieren und ins Blut abgegeben. Die Hypophyse befindet sich im Zwischenhirn unterhalb des Hypothalamus (unterer Teil des Zwischenhirns) und ist somit in enger 15 MODUL I: Hormone im Sport Exkurs 1: Hormone – Botenstoffe unseres Körper Verbindung zum Zwischenhirn. So wird eine enge Beziehung zwischen Nervensystem und Hormonsystem gewährleistet. Die Hypophysenhormone können sowohl direkt in den Stoffwechsel eingreifen, als auch die Tätigkeit anderer Hormondrüsen steuern. Unter Hormonen versteht man physiologische Wirkstoffe, welche in endokrinen Organen (definierte Strukturen des Organismus) produziert werden und über die Blutbahn ihre Erfolgsorgane erreichen und bereits in sehr geringen Konzentrationen deren Stoffwechsel in charakteristischer Weise beeinflussen. 16 MODUL I: Hormone im Sport Exkurs 1: Hormone – Botenstoffe unseres Körper LERNKONTROLLE EXKURS 1 Die folgenden Aufgaben dienen der Überprüfung Ihres Wissens. Sie sollen selbständig testen, ob Sie den Stoff dieses Kapitels verstanden haben. Aufgabe E1.1 Definieren Sie „Hormone“ in eigenen Worten. Welches ist Ihre allgemeine primäre Aufgabe in der Zelle? Aufgabe E1.2 Schlagen Sie in Ihrem Biologie- oder Chemiebuch, bzw. andern Büchern Ihrer Bibliothek folgende Begriffe nach und erklären; bzw. definieren Sie sie in Ihren eigenen Worten: - Fettsäure Aminosäure Peptid Protein Stoffwechsel Aufgabe E1.3 Suchen Sie in Ihrem Biologiebuch oder einem Hirnmodell die Hypophyse und den Hypothalamus. Machen Sie sich eine kleine Skizze. Vielleicht kann Ihnen auch Ihre Biologielehrkraft behilflich sein. Aufgabe E1.4 Unter Normalbedingungen schüttet das Nebennierenmark des Menschen genügend Adrenalin aus, damit seine Konzentration im Blut bei 10-10 mol·L-1 bleibt. Um abzuschätzen, was diese Konzentration bedeutet, tun Sie folgendes: Berechnen Sie den Durchmesser, den ein rundes Schwimmbecken mit einer Wassertiefe von 2 m haben muss, um darin 1 g (etwa einen Teelöffel) Adrenalin in der gleichen Konzentration zu lösen (die molare Masse von Adrenalin beträgt 183.16 g·mol-1). 17 MODUL I: Hormone im Sport Exkurs 2 Biotransformation EIN ZWEITER EXKURS: BIOTRANSFORMATION AUS HYDROPHOB WIRD HYDROPHIL Inhalt EIN ZWEITER EXKURS: BIOTRANSFORMATION - AUS HYDROPHOB WIRD HYDROPHIL 18 i) Biotransformation: aus hydrophob wird hydrophil 19 ii) Phase 1: Oxidative und reduktive Prozesse 20 iii) Phase 2: Konjugation mit polaren Substanzen 21 LERNKONTROLLE EXKURS 2 23 Lernziele 1. Sie verstehen den Begriff der Biotransformation und können ihn in eigenen Worten erklären 2. Sie kennen die verschiedenen chemische Reaktionen, welche in der Biotransformation vorkommen 18 MODUL I: Hormone im Sport Exkurs 2 Biotransformation i) Biotransformation: aus hydrophob wird hydrophil Hydrophobe Substanzen, wie z.B. Steroidhormone (siehe Kapitel 1), lagern sich sehr leicht in Membranen ein. Während des Ausscheidungsprozesses, nach dem Nierendurchgang (glomeruläre Filtration, vergleiche auch Modul 2, Exkurs 1), können solche Stoffe deshalb weitgehend rückresorbiert werden. Die Folge davon ist eine sehr langsame Ausscheidung über den Urin. Um der Gefahr einer Anreicherung im Fettgewebe entgegentreten zu können, besitzt der Organismus ein Enzymsystem, welches hydrophobe Endobiotica und Xenobiotica (körpereigene und körperfremde Substanzen) in wasserlösliche Stoffe umwandelt, die leicht ausgeschieden werden können (Urin, Gallenflüssigkeiten). Zu den ersteren gehören die Steroidhormone, zu den Xenobiotica zählen Pharmaka (z.B. Anabolika) aber auch Konservierungsstoffe, Geschmacksmittel und eine Vielzahl organischer Verbindungen, die z.T. als „Abfallprodukte“ in die Umwelt gelangen. Die Umwandlungsprozesse werden allgemein als Biotransformation zusammengefasst. Die Biotransformation spielt sich vor allem in der Leber ab und lässt sich in zwei Phasen unterteilen (Abb. E2.1). hydrophobe, apolare Verbindungen (Arzneistoff) Phase 1-Metabolit Anknüpfung von -OH, -NH2, -COOH BLUT GALLE Phase 2-Metabolit Konjugation mit Glucuronsäure Sulfat Aminosäuren u.a. hydrophile, polare Metabolite hydrophile, polare Metabolite Ausscheidung durch Niere Ausscheidung durch Intestinaltrakt Abbildung E2.1. Prinzip der zweistufigen Metabolisierung hydrophober, apolarer Verbindungen in der Leber (Biotransformation). - In der ersten Phase modifizieren Enzyme die auszuscheidenden Verbindungen in meist oxidativen, seltener reduktiven oder hydrolytischen Reaktionen mit reaktiven Gruppen wie z.B. -OH, -COOH, -NH2. 19 MODUL I: Hormone im Sport - Exkurs 2 Biotransformation An diese werden dann in der zweiten Phase der Biotransformation stark polare oder stark geladene Gruppen angehängt (konjugiert). Die dabei entstehenden Konjugate sind besonders gut wasserlöslich und können ausgeschieden werden. Die so modifizierten Stoffe gelangen hauptsächlich in die Gallenflüssigkeit, wo sie ausgeschieden werden. Eine Alternative ist die Abgabe ins Blut und die nachfolgende Ausscheidung über die Nieren. Unter Biotransformation versteht man die Bereitstellung und den Abbau (Metabolisierung) eines Stoffes (Xeno- oder Endobioticum) durch enzymatische Umwandlung von hydrophob zu hydrophil. Aufgabe E2.1 Warum ist eine funktionsfähige Biotransformation für unseren Körper lebensnotwendig? ii) Phase 1: Oxidative und reduktive Prozesse Der Ablauf der oxidativen Biotransformation ist äusserst komplex und deshalb hier nur vereinfacht 3+ dargestellt. Im Prinzip erfolgt in dieser Phase eine Reduktion bzw. Oxidation des Fe -Zentralions + des Häms unter NADPH/H - und Luftsauerstoffverbrauch. Ein Sauerstoffatom wird dabei in das Substratmolekül eingebaut, das andere zu Wasser reduziert. Zusammenfassend lässt sich folgende Reaktion formulieren: + P- H + O 2 + N AD P H + H Å P- O H + H 2 O + N AD P + wobei P-H das (reduzierte) Substrat, und P-OH das oxidierte Substrat darstellen. Daneben werden in den Phase 1-Reaktionen reaktive Gruppen wie –NH2, –SH bzw. –COOH gebildet. Aufgabe E2.2 Beantworten Sie mit Hilfe eines Lehrbuchs folgende Kurzfragen: a) Welche Reaktion katalysieren Monooxigenasen? b) Was sind Isoenzyme? c) Schlagen Sie die Lewisformel von NADPH nach und notieren Sie sie sich. Was ist seine Hauptfunktion in der Zelle? 20 MODUL I: Hormone im Sport Exkurs 2 Biotransformation iii) Phase 2: Konjugation mit polaren Substanzen Die Phase 2 wird auch die Konjugationsphase genannt. In ihr werden die in Phase 1 der Biotransformation entstandenen Metabolite über ihre reaktiven Gruppen an polare Substanzen gekoppelt („konjugiert“), wodurch sie sich in ausreichend hydrophile Verbindungen umwandeln. Die wichtigsten dieser Phase 2-Reaktionen sind die folgenden: a) Konjugation mit aktivierter Glucuronsäure: Durch Reaktion mit Glucuronsäure entstehen die sogenannten Glucuronide. Die Kopplung mit der aktivierten Glucuronsäure kann über OH-Gruppen primärer, sekundärer und tertiärer Alkohole, primärer und sekundärer Amine sowie Carboxylgruppen erfolgen (Abb. E2.2). b) Konjugation mit Glycin: Bei der Kopplung von Carboxylgruppen an die Aminosäure Glycin entstehen Säureamide: R R + C O COOH O H OH C C NH2 N H H 3KDVH,3URGXNW *O\FLQ H H + C H2O COOH .RQMXJDWPLW*O\FLQ c) Sulfatisierung: Sulfatisiert werden OH-Gruppen und Aminogruppen. Als Beispiele seien die Östrogene erwähnt, welche als Sulfate ausgeschieden werden: R + C 2- O O O OH S C O O R O 3KDVH,3URGXNW O O 6XOIDW S O + OH O VXOIDWLVLHUWHV.RQMXJDW Zusammengefasst: - - COO COO 8'3 O HO OH O OH UDP O HO +25 oder oder +15 OH 2 5 oder 1+ 5 2 2 & 5 OH ²22&5 Abbildung E2.2. Phase 2-Reaktionen: Biosynthese von Glucuroniden aus “aktivierter” Glucuronsäure (UDPGlucuronat). Den gezeigten Reaktionsweg nennt man auch die Konjugation der Phase 1Metabolite mit Glucuronsäure. 21 MODUL I: Hormone im Sport Exkurs 2 Biotransformation Aufgabe E2.3 Repetieren Sie mit Hilfe Ihres Chemiebuchs die Einteilung von Alkoholen. Was versteht man unter einem tertiären Amin (allgemeine Lewisformel)? 22 MODUL I: Hormone im Sport Exkurs 2 Biotransformation LERNKONTROLLE EXKURS 2 Die folgenden Aufgaben dienen der Überprüfung Ihres Wissens. Sie sollen selbständig testen, ob Sie den Stoff dieses Kapitels verstanden haben. Aufgabe E2.4 Was sind Xenobiotica und wie gelangen sie in unseren Körper? Aufgabe E2.5 Durch welche chemische Reaktion entsteht aus Glucose Glucuronsäure? Aufgabe E2.6 Aspirin (Acetylsalicylsäure, I) wird im Körper schnell zu Salicylsäure (2-Hydroxybenzolcarbonsäure, II) umgewandelt, den eigentlichen Wirkstoff von Aspirin. Die Salicylsäure wird danach in einer Phase 2-Reaktion mit Glycin konjugiert und es entsteht die Salicylursäure (III), das Hauptausscheidungsprodukt von Aspirin. Zeichnen Sie die Lewisformeln aller beteiligter Stoffe I bis III. 23 MODUL I: Hormone im Sport Steroidhormone: “natürliche Anabolika“ 1 STEROIDHORMONE: „NATÜRLICHE ANABOLIKA“ Inhalt 1 STEROIDHORMONE: „NATÜRLICHE ANABOLIKA“ 24 1.1 Steroide: Das Grundgerüst der Steroidhormone 25 1.2 Die sechs verschiedenen Familien von Steroidhormonen 25 1.2.1 Cholesterin: Die Vorstufe der sechs Steroidhormone 25 1.2.2 Wirkungsweise der Steroidhormone 26 1.2.3 Übersicht über die Sexualhormone 28 1.2.4 Androgene 30 1.2.5 Östrogene 32 1.2.6 Gestagene (Schwangerschaftshormone) 34 1.3 Künstliche Steroidhormone: Anabolika zum Muskelaufbau 35 1.3.1 Medizinische Anwendungen 37 1.3.2 Nebenwirkungen von Anabolika 37 1.3.3 Anabole Wirkstoffe im Sport 38 LERNKONTROLLE KAPITEL 1 41 Lernziele 1. Sie sind mit dem chemischen Aufbau von Steroiden vertraut und wissen, wo sie vorkommen 2. Sie kennen die Lewisformel von Cholesterin 3. Sie kennen die Stellung der Steroidhormone 4. Sie kennen die Sexualhormone der Frau und des Mannes 5. Sie wissen, was man unter Anabolika versteht und kennen deren Wirkung im Körper 24 MODUL I: Hormone im Sport Steroidhormone: “natürliche Anabolika“ 1.1 Steroide: Das Grundgerüst der Steroidhormone Steroide gehören in die grosse Klasse der Lipide. Die Steroide nehmen neben der strukturgebenden Aufgabe auch Sonderfunktionen wahr. Chemisch gesehen sind Steroide Derivate der C5-Einheit Isopren (Abbildung 1.1, I) bzw. leiten sich vom Squalen ab, welches aus 6 Isopreneinheiten aufgebaut ist. Das typische Steroidgerüst (Abb. 1.1, II) heisst mit systematischem Namen Perhydro- cyclopentanophenantren. Die im tierischen Organismus wichtigen Steroide tragen je eine Methylgruppe am C-Atom 10 bzw. 13 des Perhydrocyclopentanophenantrens. Mit wenigen Ausnahmen fehlen Steroide bei Bakterien. Das in tierischen Organismen wichtigste Steroid ist das Cholesterin (Abb. 1.1, III), auf welches wir im nächsten Kapitel (1.2.1) näher eingehen werden. Andere wichtige Steroide sind die Gallensäuren und die D-Vitamine (D-Hormone). 18 12 19 11 1 2 A 3 10 B II 8 D 14 16 15 7 5 4 I C 9 17 13 6 HO III IV Abbildung 1.1. (I) Isopren als Grundeinheit der Lipide vom Typ Isoprenoide (Isoprenderivate); (II) Squalen (die einzelnen Isopreneinheiten sind durch gestrichelte Linien voneinander abgesetzt), direkte Vorstufe des Steroidgerüstes (III, Sterangerüst). Bei den in tierischen Zellen vorkommenden Steroiden sind die C-Atome 10 und 13 mit je einer Methylgruppe substituiert, deren C-Atome die Nummern 18 bzw. 19 tragen; (IV) Struktur des Cholesterins. Die Hydroxylgruppe repräsentiert die polare Kopfgruppe. Zur Speicherung und zum Transport des Steroids wird durch Kondensation dieser Hydroxylgruppe mit einer Fettsäure ein Steroidester gebildet. 1.2 Die sechs verschiedenen Familien von Steroidhormonen 1.2.1 Cholesterin1: Die Vorstufe der sechs Steroidhormone Cholesterin (Abb. 1.1, III) kommt in grosser Menge in allen tierischen Zellen, besonders im Nervengewebe und in der Nebennierenrinde vor. Alle Zellen des Organismus, mit Ausnahme der Erythrocyten (rote Blutkörperchen), sind zur Biosynthese imstande, wenn auch die Leber die grösste Kapazität hierfür aufweist. Cholesterin ist ein essentieller Bestandteil sämtlicher zellulärer Membranen mit Ausnahme der Mitochondrialen. Es ist die Muttersubstanz für die Biosynthese der zahlreiche Vertreter umfassenden Stoffgruppe der Steroidhormone, die in der Nebennierenrinde, sowie in den Gonaden gebildet werden. 1 Cholesterin ist von allen kleinen Molekülen in der Biologie das mit den meisten Auszeichnungen bedachte. 13 Nobelpreise wurden an Wissenschaftler verliehen, die dem Cholesterin einen grossen Teil ihrer Karriere gewidmet haben. Seit seiner Isolation aus Gallensteinen im Jahre 1784 hat Cholesterin eine fast hypnotische Faszination auf Wissenschaftler aus den unterschiedlichsten Gebieten der Naturwissenschaften und der Medizin ausgeübt. 25 MODUL I: Hormone im Sport Steroidhormone: “natürliche Anabolika“ Im Blutplasma findet sich Cholesterin als Bestandteil der sogenannten Lipoproteine (Lipid + Protein = Lipoprotein). Seine Konzentration im Blutserum (= Plasma nach Abtrennung der gerinnbaren -1 Bestandteile) beträgt normalerweise etwa 5 mmol·L (= 214 mg pro 100 mL). Ein erhöhter Cholesterinspiegel ist ein Risikofaktor für Arteriosklerose und Herzinfarkt. Vom Gesamtcholesterin liegen 2/3 als Ester von höheren ungesättigten Fettsäuren vor. Die Ausscheidung von Cholesterin erfolgt vor allem durch die Leber. Dort werden 80 % zu Gallensäuren oxidiert; ein Teil des Cholesterins gelangt unverändert in die Galle und kann dort Gallensteine bilden. Ausserdem wird Cholesterin direkt über die Darmschleimhaut (Mukosa) in den Darm ausgeschieden. Aus Cholesterin werden im Säugerorganismus sechs verschiedene Gruppen von Steroidhormonen gebildet, nämlich Cortisol, welches u.a. den Glucose-Metabolismus reguliert, Aldosteron und Calcitriol, die das Elektrolytgleichgewicht des Körpers beeinflussen, und schliesslich die Sexualhormone, zu denen Progesteron, Testosteron und Östradiol gehören. Die genannten Steroidhormone bilden jeweils eine Familie von Steroiden ähnlicher Struktur und bestimmter biologischer Wirkung. An der Wirkung orientierend, benutzt man häufig – sozusagen als Oberbegriff für die oben genannten Steroide – die Bezeichnungen Glucocorticoide (Cortisol), Mineralcorticoide (Aldosteron), Calciole (Calcitriol), Gestagene (Progesteron), Androgene (Testosteron) und Östrogene (Östradiol). Steroidhormone sind also grosse, vom Cholesterin abgeleitete Moleküle. Ihr Grundkörper besteht, wie bei Cholesterin, aus 17 C-Atomen, die zu einem kompakten Vierringsystem miteinander verknüpft sind. Kleine Unterschiede in den chemischen Gruppen, die am Kohlenstoffgerüst hängen, bewirken die unterschiedlichen Funktionen der Steroidhormone Die Steroidhormone werden alle in einem bestimmten Gewebe produziert und mit Blut zu ihren Zielgeweben transportiert, wo sie an hochspezifische Rezeptorproteine binden und Veränderungen in der Genexpression und im Stoffwechsel auslösen. Aufgrund der sehr hohen Affinität des Rezeptors für das Hormon reichen sehr niedrige Hormonkonzentrationen (schon 10 -9 -1 mol·L = 1 nmol!) aus, um beim Zielgewebe die Wirkung auszulösen. Aus Cholesterin Steroidhormonen: entstehen Cortisol, sechs (Regulation Gruppen des von Glucose- Metabolismus), Aldosteron und Calcitriol (Beeinflussung des Elektrolytgleichgewichts) und die Sexualhormone Pro- gesteron, Testosteron und Östradiol. 1.2.2 Wirkungsweise der Steroidhormone Wie erwähnt, erreichen Steroidhormone ihre Erfolgsorgane auf dem Blutweg und werden dabei durch ein spezifisches steroidbindendes Protein (Abb. 1.2, I) transportiert. Am Erfolgsorgan wird das Steroidhormon von einem zytoplasmatischen Rezeptorprotein (Abb. 1.2, II) übernommen, das mit dem Steroidhormon unter Konformationsänderung reagiert. Der so „aktivierte“ Steroidhormon-RezeptorKomplex (Abb. 1.2, III) gelangt in den Zellkern, wo er sich an ein Chromatinprotein mit spezifischen Akzeptoreigenschaften heftet (Abb. 1.2, IV), welches dabei von der DNA abgelöst oder in seiner Konformation verändert wird. Dies kann als Genaktivierung (Å RNA- und Proteinbiosynthese) 26 MODUL I: Hormone im Sport Steroidhormone: “natürliche Anabolika“ interpretiert werden (Abb. 1.2, V). Der aus Steroidhormon, zytoplasmatischem Rezeptor und Chromatinprotein bestehende Dreierkomplex gelangt anschliessend ins Zytoplasma, wo das Hormon – vermutlich nach chemischer Veränderung – die Zelle verlässt und der zytoplasmatische Rezeptor zur Wiederverwendung zur Verfügung steht. ZELLE des ERFOLGORG ANS BLUT Zytoplasmatischer Rezeptor Aktivierter HormonRezeptorKomplex ZELLKERN Akzeptorregion IV II Protein III DNA V STEROIDHORMON Proteinbiosynthese RNA I Steroidbindendes Blutplasmaprotein Abbildung 1.2. Mechanismus der Steroidhormon-Wirkung. Erklärungen (I bis V) im Text Als Regulatoren des Zellstoffwechsels, des Wasser- und Elektrolythaushalts, des Wachstums, der sexuellen Entwicklung und der Sexualfunktionen sind die Hormone lebenswichtige endogene Wirkstoffe, deren völliges Fehlen in vielen Fällen zum Tode führt. Die z.T. bessere Wirksamkeit synthetischer Steroidhormone beruht auf ihrer erfolgreichen Konkurrenz um die Bindung zum zytoplasmatischen Rezeptor. 27 MODUL I: Hormone im Sport Steroidhormone: “natürliche Anabolika“ Die Wirkung von Steroidhormonen läuft über die Aktivierung bzw. Hemmung der Expression von Genen bzw. Proteinen. Aufgabe 1.1 Erklären Sie Ihrer Kollegin bzw. Ihrem Kollegen die Abbildung 1.2 in Ihren eigenen Worten. 1.2.3 Übersicht über die Sexualhormone Die Ausbildung und Funktion der Fortpflanzungsorgane und die Entwicklung der sekundären Geschlechtsmerkmale stehen beim Menschen und allen höher organisierten Tieren unter hormoneller Kontrolle. Neben ihren geschlechtsspezifischen Wirkungen lassen die Sexualhormone aber auch Wirkungen auf den Allgemeinstoffwechsel und auf das psychische Verhalten erkennen. Im weiblichen Organismus werden zwei physiologisch verschieden wirkende Typen von Steroidhormonen gebildet, die Östrogene (Follikelhormone) und die Gestagene (Corpus-Luteum-Hormone). Dagegen wird im männlichen Organismus nur eine Gruppe von Sexualsteroiden synthetisiert, nämlich die Androgene (Abb. 1.3). Zu den Sexualhormonen der Frau gehören die Östrogene (Östradiol-17β, Östron) und Gestagene (Progesteron), zu denjenigen des Mannes die Androgene (Testosteron, 5-αDihydrotestosteron). 28 MODUL I: Hormone im Sport A Steroidhormone: “natürliche Anabolika“ OH OH 17 17 3 3 5 O O H 17β-Hydroxy-5α-androstan-3-on (5α-Dihydrotestosteron) Testosteron ANDROGENE DES M ANNES B OH 17 O H 17 3 HO 3 HO Oestron Oestradiol-17β OESTROGENE C H3C O C 17 3 O GESTAGENE Progesteron Abbildung 1.3. Übersicht über die Sexualhormone von Mann und Frau. Es sind jeweils nur die wichtigsten Vertreter dargestellt. Weitere Erklärungen im Text. 29 MODUL I: Hormone im Sport Steroidhormone: “natürliche Anabolika“ 1.2.4 Androgene Androgene sind chemisch charakterisiert durch eine Steroidstruktur mit 19 C-Atomen. Sie tragen an beiden Enden eine funktionelle Gruppe, eine Oxo-Gruppe am C-3 und eine Hydroxylgruppe am C-17. Das wichtigste Androgen des Säugetiers ist das Testosteron. Die Biosynthese von Testosteron geht wie bereits erwähnt (1.2.1) vom Cholesterin aus. Im Hoden wird auch noch ein zweites Androgen produziert, das 5α-Dihydrotestosteron (5α-DHT). In den Zielgeweben des männlichen Organismus gibt es als aktive Hormone das Testosteron, das 5α-DHT, und in wenigen Fällen das Östradiol (!), welche alle teils im Hoden, teils erst am Wirkungsort aus den im Blut zirkulierenden Vorstufen von Androgenen synthetisiert werden. Ausscheidung nach Konjugation (Sulfat, Glucuronsäure) H3C O H3C OH Progesteron (ein Gestagen) O O HO Androstendion 4 (∆ -Androsten-3,17-dion) O Pregnandiol 4 (∆ -Androsten-3,17-diol) Oestrogene OH OH 5 α-DHT Testosteron (ein Androgen) O O H O HO H Ausscheidung nach Reduktion, Hydroxylierung und Konjugation (Sulfat, Glucuronsäure) Androsteron (5-α-Androstan-3a-ol-17-on) Schwachandrogen Abbildung 1.4. Vereinfachtes Schema der Biosynthese der Androgene. 30 MODUL I: Hormone im Sport Steroidhormone: “natürliche Anabolika“ Biologische Funktion der Androgene Androgene sind für die Bildung, den Erhalt und die Funktion der männlichen Geschlechtsorgane und -merkmale verantwortlich. Neben dieser genitalen zeigen sie jedoch auch eine ausgeprägte anabole Wirkung (aufbauender Stoffwechselweg). Ihre Zielgewebe sind die folgenden: Testosteron: Muskel, embryonale Gewebe, Spermatogonien, Knochen, Fettgewebe, Niere, Gehirn, Immunsystem, Speicheldrüsen 5α-DHT: Prostata, Samenbläschen, externe Genitalien, Haut, Haarwurzeln Genitale Wirkung der Androgene: Die vom fötalen Hoden gebildeten Androgene sind für die sexuelle Differenzierung der inneren und äusseren Geschlechtsorgane zum männlichen Phänotypen erforderlich. Zusätzlich ist auch die Prägung des „psychischen Geschlechts“ (männliche Verhaltensweisen) geprägt durch Androgene in der Embryonalentwicklung. Während der Pubertät steuern Androgene zudem die Ausbildung der sekundären Geschlechtsmerkmale, während sie im erwachsenen Organismus für die Reifung der Spermien verantwortlich sind. Zusätzlich sind Libido, sowie männliche psychische Charakteristika und Stimmungslagen androgenabhängig. Aufgabe 1.2 Zählen Sie einige Charakteristika des männlichen psychischen Geschlechts auf. Anabole Wirkung der Androgene Androgene fördern den Proteinaufbau und erhöhen die Stickstoffretention. Diese anabole Wirkung zeigen auch synthetische Steroide, die durch chemische Umwandlung des Testosteron-Grundtypus erhalten wurden. Einige solcher Strukturen weisen eine merklich verminderte androgene Wirkung auf, wie z.B. das unten abgebildete 1-Methyl-17β-hydroxy-androst-1-en-3-on. OH OH CH3 O Abbildung 1.5. 1-Methyl-17β-hydroxy-androst-1-en-3-on, ein Anabolikum Künstliche, anabol wirksame Steroide – allgemein bekannt als ANABOLIKA – sind für therapeutische Zwecke wertvoll. Sie werden leider aber auch in der Viehzucht und im Sport zur Erzielung von Höchstleistungen missbraucht. 31 MODUL I: Hormone im Sport Steroidhormone: “natürliche Anabolika“ Androgene sind die männlichen Sexualhormone. Das wichtigste Androgen ist das Testosteron. Neben ihrer genitalen (androgenen) Funktion, wirken sie durch vermehrte Nukleinsäuren- und Proteinsynthese allgemein anabol auf den Stoffwechsel. Wirkung von Testosteron (anabol). - Positivierung der Stickstoffbilanz, Erhöhung der Masse der Skelettmuskeln. - Erhöhte Anzahl roter Blutkörperchen, und erhöhte Hämoglobinkonzentration. - Abnahme des Körperfettanteils. - Erhöhung der Kalziumeinlagerung in die Knochenmatrix. - Erhöhte Speicherung von Wasser und Elektrolyten. Wirkung von Testosteron (androgen). - Wachstum und Entwicklung des Penis, der Prostata und der Samenbläschen. - Entwicklung der sekundären männlichen Geschlechtsmerkmale (Behaarung, tiefe Stimme). - Verstärkte Libido (Sexual- und Geschlechtstrieb). 1.2.5 Östrogene Diese Gruppe von Steroiden mit 18 C-Atomen ist chemisch charakterisiert durch einen aromatischen Ring und die phenolische Hydroxylgruppe am C-3. Von den im Eierstock (Ovar) gebildeten Östrogenen sind mehr als 20 wirksame Vertreter bekannt. Unter ihnen nimmt das Östradiol-17β als physiologisch wichtigstes und effektivstes Derivat ein Sonderrolle ein. Weiter erwähnenswert ist das Östron, welches ca. ¼ der Wirksamkeit des Östradiols besitzt. Vorstufe der Biosynthese bildet das Testosteron, welches am C-17 oxidiert wird (Abb. 1.6). 32 MODUL I: Hormone im Sport Steroidhormone: “natürliche Anabolika“ Progesteron O Androgene Androstendion 4 (∆ -Androsten-3,17-dion) O OH 3 HO NADP O NADPH Oestradiol-17β 4 (∆ -Androsten-3,17-dion) HO Oestron OH Ausscheidung nach Reduktion, Hydroxylierung und Konjugation (Sulfat, Glucuronsäure) OH 3 Östriol HO Abbildung 1.6. Die Biosynthese der Oestrogene ausgehend vom Progesteron. Aufgabe 1.3 Bestimmen Sie in den beiden Abbildungen 1.5 und 1.6 (Biosynthese der Androgene, bzw. Oestrogene) mithilfe von Oxidationszahlen, ob es sich bei den jeweiligen Reaktionen um Oxidationen oder Reduktionen handelt. Biologische Funktionen der Östrogene Genitale Wirkungen Östrogene regen das Wachstum von Ovar, Tube, Vagina und Uterus sowie der weiblichen sekundären Geschlechtsmerkmale an. Des weiteren ist Östradiol für den normalen Ablauf der Genitalzyklen verantwortlich, die als Brunstzyklen oder Menstruationszyklus auftreten. 33 beim Menschen (und Affen) als MODUL I: Hormone im Sport Steroidhormone: “natürliche Anabolika“ Extragenitale Wirkungen Östrogene bewirken keine oder nur eine schwache proteinanabole (proteinaufbauende) Wirkung auf Muskeln, Nieren und Leber, fördern aber die Entwicklung des subkutanen Fettgewebes in einer für den weiblichen Körper topographisch adäquaten Form. Diese lipidanabole (fettaufbauende) Wirkung kommt auch beim männlichen Organismus nach Kastration zum Ausdruck oder kann durch Östrogengaben hervorgerufen werden. Östrogene bewirken bei rasch anwachsendem Gewebe (z.B. Tumor) und an den männlichen Fortpflanzungsorganen eine Zellteilungshemmung (Mitosehemmung), die sich für eine Therapie des Prostatacarcinoms ausnützen lässt. Die feminisierende Wirkung begrenzt jedoch die Anwesenheit der Östrogene im männlichen Körper. Daneben fördert Östradiol 2+ den Einbau von Ca -Ionen in Knochen. Die vor allem bei Frauen verbreitete Osteoporose welche sich in Knochenbrüchigkeit und Knochenschwund äussert, ist denn auch häufig eine Folge eines abnehmenden Östrogenspiegels nach der Menopause. 1.2.6 Gestagene (Schwangerschaftshormone) Unter den über 40 verschiedenen Gestagenen, die bisher isoliert wurden, ist das Steroidhormon Progesteron das wichtigste und wirksamste. Es entsteht im Gelbkörper und in der Plazenta aus Cholesterin durch chemische Umwandlung. Progesteron wird nur in bestimmten Phasen des Menstruationszyklus und in der Schwangerschaft gebildet. Als Hauptausscheidungsprodukt findet man im Harn die Glucuronide von Pregnandiol (Abb. 1.5). Biologische Wirkung der Gestagene Genitale Wirkungen Das Progesteron reguliert die Uterustätigkeit und die Entwicklung der Brustdrüsen und spielt somit eine entscheidende Rolle bei der Einnistung des befruchteten Eis in der Uterusschleimhaut sowie der Aufrechterhaltung einer eingetretenen Schwangerschaft (u.a. Drüsenbildung in Brüsten). Extragenitale Wirkungen Gestagene bewirken eine – wenn auch schwache – Mobilisierung von Gewebsproteinen. In hohen Dosen wirkt Progesteron daneben katabol. Östrogene gehören zu den weiblichen Sexualhormonen. Die wichtigsten Östrogene sind Östradiol, Östron, und Östriol, wobei die biologische Aktivität in der genannten Reihenfolge abnimmt. Zusammen mit den Gestagenen steuern sie alle Vorgänge der weiblichen Reproduktion. Daneben zeigen sie eine lipidanabole Wirkung. Der wichtigste Vertreter der Gestagene ist das Progesteron, welches sich vom Testosteron ableitet. 34 MODUL I: Hormone im Sport Steroidhormone: “natürliche Anabolika“ Hormonelle Empfängnisverhütung In empfängnisverhütenden Präparaten, der sogenannten „Pille“, sind die Hormone Östradiol und Progesteron bzw. chemisch ähnliche Moleküle enthalten. Die Konzentrationen in diesen Präparaten sind so gewählt, dass zwar der Aufbau der Uterusschleimhaut normal verläuft, die Ausreifung eines Eis sowie der Follikelsprung aber verhindert werden. Dadurch wird dem Ovar (Eierstock) eine Befruchtung „vorgetäuscht“ und verhindert, dass eine neue Eizelle heranreift – derselbe Prozess, der auch bei einer normalen Schwangerschaft ablaufen würde. Aufgabe 1.4 (für Interessierte) a) Besuchen Sie auf dem Internet die folgende Adresse und führen Sie das Lernprogramm zum Menstruationszyklus der Frau durch: http://www.eduvinet.de/mallig/bio/geslech0/0geshl2.h tm#1. (Lernprogramm) b) Erklären Sie den Menstruationszyklus Ihrer Kollegin bzw. Ihrem Kollegen. 1.3 Künstliche Steroidhormone: Anabolika zum Muskelaufbau Anabolika sind muskelaufbauende Präparate. In der Dopingliste sind unter Anabolika Anabole Steroide und β2-Agonisten aufgeführt. Anabole Steroide sind in ihrer Struktur und Wirkung dem männlichen Sexualhormon Testosteron verwandt. β2-Agonisten sind Wirkstoffe, welche zur Behandlung von Asthma und in der Tiermast eingesetzt werden. Die synthetische Herstellung eines sogenannten Testosteronderivats (Testosteronabkömmlings) gelang erstmals im Jahr 1953. Eine neue Ära für den Leistungssport hatte begonnen. Aufgabe 1.5 Erläutern lehrbuchs Sie die mittels eines Begriffe Antagonisten. 35 Biologie- Agonisten, oder Biochemie- β2-Agonisten und MODUL I: Hormone im Sport Steroidhormone: “natürliche Anabolika“ Wirkungen Anabolika wirken anabol und genital (gleichbedeutend mit androgen). Anabol bedeutet allgemein aufbauend, z.B. Muskelaufbau und Kraftzunahme. Genital heisst aufbauend im Bereich der Geschlechtsorgane und der männlichen Merkmale wie Körperbehaarung und tiefer Stimme. Durch chemische Veränderungen am Testosteronmolekül wurde und wird versucht, den anabolen Effekt von Androgenen zu verstärken und gleichzeitig die genitale Wirkung zu verringern, um so zu Präparaten mit vorwiegend anabolen, d.h. die Proteinbildung fördernden Eigenschaften zu kommen. Solche anabolen Wirkstoffe werden von Athleten in der Trainingsphase verwendet, um einen besseren Muskelaufbau und eine bessere Leistung zu erzielen. In Tabelle 1.1 sind einige „gebräuchliche“ Anabolika aufgeführt. St ru kt u rf o rm el Na me ( i nt e rn at ion al) Han de l sp räp a r at ® Nandrolondecanoat Deca-Durabolin Closteobolacetat Steranabol Metenolonacetat Primobolan Stanozolol Stromba O C C9H19 O ® O O O C CH3 ® O Cl O O C CH3 CH3 ® O H OH CH3 ® HN N H Tabelle 1.1. „Gebräuchliche“ Anabolika Die Hoffnungen, dass sich die genitale Wirkung stark verringern würde, hat sich jedoch nur sehr bedingt erfüllt. Bis jetzt konnte kein Anabolikum (Einzahl von Anabolika) hergestellt werden, welches 36 MODUL I: Hormone im Sport Steroidhormone: “natürliche Anabolika“ ausschliesslich anabole Effekte aufweist. Die genitalen Nebenwirkungen sind für die Patienten meist von so einschneidender Natur, dass Anabolika in der Medizin heute mit grösster Vorsicht eingesetzt werden. Die in Tabelle 1.1 aufgeführten Anabolika weisen allesamt nicht zu vernachlässigende genitale Wirkungen auf. 1.3.1 Medizinische Anwendungen Die dem Arzt für die Therapie zur Verfügung stehenden Anabolika unterscheiden sich im Wesentlichen durch das Verhältnis von anaboler zu genitaler Wirkung. Erst seit 1950 sind systematisch Androgenabkömmlinge entwickelt und klinisch erprobt worden, bei denen die geschlechtsspezifische gegenüber der anabolen Wirkung zurücktrat. Neben der positiven Proteinbilanz weisen Anabolika weitere Wirkungen auf. So werden eine gesteigerte Bildung von Mucopolysacchariden und eine Retention (Zurückhaltung) von Kalium-, Calcium- und Phosphat-Ionen, sowie Kreatinin beobachtet. Anabolika setzt man dann ein, wenn diätetische Massnahmen nicht mehr ausreichen, um ein Proteindefizit zu beseitigen. Die Ursachen für einen solchen Mangel sind mannigfaltig; sie können beinhalten - Tumore, - chronische Infektionskrankheiten (z.B. nach Operationen, im Alter), - destruierende Knochenprozesse und - Muskelschwund. Daneben werden Anabolika bei HIV-Patienten, Osteoporose, schlecht heilenden Knochenbrüchen, nach Röntgenbestrahlungen sowie in der Geriatrie verabreicht. 1.3.2 Nebenwirkungen von Anabolika Da die eindeutige Abtrennung der genitalen Wirkungen nicht gelang, ist die Einnahme von Anabolika mit einschneidenden, teilweise irreversiblen Nebenwirkungen (abhängig von Dosis und Dauer) verbunden. Man unterscheidet fünf Hauptgruppen von Nebenwirkungen: Leber Vor allem bei oral eingenommenen Anabolika werden die Leberenzyme geschädigt. Dies kann zu chronischen Entzündungen der Leber und schlimmstenfalls zu Leberkrebs führen. Hormone Der körpereigene hormonelle Regelkreis wird durch Anabolika gestört und teilweise abgeschaltet. Der Körper produziert somit weniger körpereigene Hormone und Peptidhormone. Blutfette Anabolika bewirken eine Verschlechterung der Blutfettwerte und können so zu einem erhöhten Herzinfarktrisiko führen. Herz-Kreislauf Erhöhte Wassereinlagerung führt zu einem höheren Blutvolumen und damit zu erhöhtem Blutdruck. Dies kann Herz-Kreislaufschäden bewirken. Psyche Aggressives Verhalten wird gefördert. Andere Nebenwirkungen sind: Akne, Überbeanspruchung von Bändern und Sehnen. 37 MODUL I: Hormone im Sport Steroidhormone: “natürliche Anabolika“ So werden bei Frauen Stimmveränderungen (Stimmbruch), Klitorisvergrösserung und ein veränderter Menstruationszyklus beobachtet. Daneben fördern Anabolika bei Frauen den Haarwuchs, vor allem an Beinen und im Gesicht (Bartwuchs) und eine Rückbildung der Brüste (Å allgemeine Vermännlichung des Körperbaus). Mit verschiedenen Anabolika laufen Untersuchungen mit dem Ziel der „Pille für den Mann“. Bei hohen Dosen von Anabolika können diese im Körper in weibliche Sexualhormone (Östrogene) umgewandelt werden. Die Folgen sind Akne, Brustwachstum, sowie die Abnahme der Spermienzahl und des Hodenvolumens. Bei Kindern und Jugendlichen erfolgt eine beschleunigte Knochen- und damit Skelettreifung mit anfänglichem Wachstumsschub und anschliessender Verknöcherung der Wachstumsfugen an den Knochenenden. Die Folge davon ist ein gestopptes Längenwachstum. In der Medizin wird Testosteron deshalb bei Jugendlichen zum Beenden von zu starkem Wachstum vor der Pubertät eingesetzt. Bei Knaben kann es zu vorzeitiger Pubertät kommen. 1.3.3 Anabole Wirkstoffe im Sport Im Sport werden Anabolika seit den 50er Jahren in Kraftsportarten zum Kraft- und Muskelaufbau eingesetzt. Heute findet man sie in allen Sportarten, in denen Kraft, Schnelligkeit und Muskelmasse eine Rolle spielten. Sie werden aber auch im Freizeitsport (z.B. Fitnessbereich) und zur vermeintlichen Steigerung der Lebensqualität verwendet. Nicht zuletzt durch die Enthüllungen des Tennisspielers Peter Korda (Cz) und der Marathonläuferin Uta Pippig (D) weiss man, dass Anabolika aber auch im Ausdauersport ihre Verwendung finden. Anabolika im Ausdauersport: Das wichtigste Glied in der Kette... Um die Wirkung von Anabolika in Ausdauersportarten zu verstehen, braucht man einen kleinen Einblick in deren Trainingsprinzipien: Nach jeder Trainingseinheit befindet sich ein Athlet auf einem niederen Leistungsniveau als davor, weshalb er eine Regenerationszeit benötigt. Derjenige, der sich besser und schneller erholt, wird einen höheren Leistungsstand erreichen, da er mehr Trainingseinheiten absolvieren kann. Entscheidend für eine rasche und effiziente Regeneration ist der Testosteronspiegel, wobei sich der Körper umso effizienter regeneriert, je höher er ist. Bereits Trainingseinheiten, die länger als 60 Minuten dauern, führen zu einem merklichen Abfall der Testosteronkonzentration. Trainings- oder auch Wettkampfeinheiten, welche zwischen fünf und sechs Stunden dauern, wie sie bei Leistungssportlern oft vorkommen, haben deshalb eine drastische Einbusse an Testosteron zur Folge. Damit es innerhalb eines Trainingszyklus zu einer vollständigen Erholung des Körpers kommt, müssen Trainingsbelastung und Regeneration gut aufeinander abgestimmt sein. Schwächstes Glied in dieser Kette ist in den allermeisten Fällen dabei die Muskulatur. Übertrainingssymptome Unterversorgungen der Muskulatur sind mit denn auch Sauerstoff meistens (Verhärtungen). die Der Folge Athlet von lokalen muss sein Trainingspensum reduzieren, was zu einer Leistungseinbusse führt. Kann der Sportler aber in dieser Phase höhere Trainingsbelastungen verarbeiten, ohne dabei ins Übertraining abzugleiten, so wird seine Leistungskurve bald steil nach oben zeigen. Und genau hier finden die anabolen Steroide ihren Einsatzbereich. Um eine ausreichend schnelle Regeneration zu gewährleisten, greifen deshalb immer 38 MODUL I: Hormone im Sport Steroidhormone: “natürliche Anabolika“ mehr Leistungssportler zu Anabolika. Durch den dauernden erhöhten Testosteronspiegel kann es zu Adaptionen der Rezeptoren kommen, was eine gesteigerte Dosis zur Folge hat – ein Teufelskreis beginnt. Zu den olympischen Spielen 1976 wurden Anabolika erstmals verboten. Dabei beschränkte man sich auf diejenigen Anabolika, welche der Körper nicht selbst produzieren kann. Es waren dies Nortestosteron, Metandienon und Stanozolol (Tab. 35.1). Das körpereigene Testosteron war also weiterhin erlaubt. Dessen Verbot wurde auf die olympischen Spiele 1984 hin erlassen. 1993 erweiterte man die Palette verbotener Anabolika und benannte sie in anabole Wirkstoffe um. Heute unterteilt man in folgende Unterklassen: a) anabol, androgene Steroidhormone Wirkung wie Steroidhormone; abgeleitet vom Testosteron b) andere anabole Substanzen Diese Substanzgruppe gehört zu den sogenannten β2-Agonisten oder β2-Adrenozeptoragonisten. Durch viele Skandale in der Tiermast ist aus dieser Gruppe das ® Clenbuterol (Fleischertragssteigerung bei Kälbern) der wohl bekannteste Vertreter. β2-Agonisten werden therapeutisch hauptsächlich gegen Asthma eingesetzt. Ihre wichtigste Wirkung ist dabei die über β2-Rezeptoren vermittelte Erweiterung (Dilatation, Erschlaffung) der Bronchien. Was sind β 2-Agonisten? Hinter dem Kürzel „β2“ verbirgt sich ein bestimmter Rezeptortyp. Dabei handelt es sich um einen sogenannten adrenergen Rezeptor, oder in anderen Worten einen Rezeptor für die Hormone (und auch Neurotransmitter) Adrenalin und Noradrenalin. Diese Rezeptorklasse lässt sich, gemäss ihrer Wirkung nach der Bindung ihres Substrates, in vier Unterklassen unterteilen - α1, α2, β1 und β2. Bindet 2 ein β2-Agonist an einen β2-Rezeptor, so löst er dort die gleiche Wirkung wie Adrenalin bzw. Noradrenalin aus. 2 Mittlerweile sind weitere Unterklassen bei den α-Rezeptoren und auch ein β3-Rezeptor gefunden worden. Diese Rezeptoren haben aber im Moment nur theoretische Bedeutung. 39 MODUL I: Hormone im Sport Steroidhormone: “natürliche Anabolika“ Anabolika (Anabole Steroide, β2-Agonisten) sind muskelaufbauende Mittel. Die anabolen Steroide sind in Ihrer Struktur und Wirkung nach dem männlichen Sexualhormon Testosteron verwandt. Sie wirken anabol (Muskelaufbau und Kraftzunahme) und androgen (genital; aufbauend im Bereich der Geschlechtsorgane und der männlichen Merkmale wie Körperbehaarung und tiefe Stimme). Im Sport werden Anabolika seit den 50er Jahren in den Kraftsportarten eingesetzt. Heute findet man sie in allen Sportarten in denen Kraft, Schnelligkeit und Muskelmasse eine Rolle spielen. Sie werden aber auch im Freizeitsport (Fitness) und zur vermeintlichen Steigerung der Lebensqualität verwendet. Allgemeine Nebenwirkungen: Allgemein: Akne, Überbeanspruchung von Sehnen und Bändern Leber: Schädigung der Leberenzyme; evtl. Leberkrebs Hormone: Störung des hormonellen Regelkreises und Herabsetzung der eigenen Hormonproduktion Blutfette: Verschlechterung Å Erhöhung des Herzinfarktrisikos Herz-Kreislauf: Erhöhte Wassereinlagerung führt zu einem erhöhten Blutvolumen und damit zu einem erhöhten Blutdruck Å Erhöhung des Herzinfarktrisikos Psyche: Aggressives Verhalten wird gefördert. Andere spezielle Nebenwirkungen: bei Frauen: hormonelle Störungen, Vermännlichung (tiefe Stimme, Körperbehaarung, Rückbildung des Busens, Störung der Monatsregel) bei Männern: gestörte Hodenfunktion, Verkleinerung der Keimdrüsen, Impotenz/Unfruchtbarkeit. bei Jugendlichen: Wachstumsstop (Verknöcherung), Akne 40 MODUL I: Hormone im Sport Steroidhormone: “natürliche Anabolika“ LERNKONTROLLE KAPITEL 1 Die folgenden Aufgaben dienen der Überprüfung Ihres Wissens. Sie sollen selbständig testen, ob Sie den Stoff dieses Kapitels verstanden haben. Aufgabe 1.6 Hormone lassen sich nach ihren physikalischen Eigenschaften in zwei Gruppen einteilen (siehe auch Einleitung dieses Kapitels). Die einen (z.B. Adrenalin) sind sehr gut wasserlöslich, aber relativ unlöslich in Lipiden; bei den anderen (z.B. Steroidhormonen) sind die Verhältnisse genau umgekehrt. Die meisten wasserlöslichen Hormone dringen in ihrer Funktion als Aktivitätsregulatoren der Zellen nicht in das Zellinnere ein. Die fettlöslichen Hormone dagegen entfalten ihre Wirkung im Zellkern. Welcher Zusammenhang besteht bei den beiden Hormonklassen zwischen Löslichkeit, Lokalisierung der Rezeptoren und Wirkungsweise? Aufgabe 1.7 Viele Spitzensportlerinnen nehmen „die Pille“. Können Sie einen Grund nennen? Hinweis: Die Einnahme hat nichts mit Doping zu tun und ist selbstverständlich legal. Aufgabe 1.8 Ein Athlet nimmt zur Leistungssteigerung das Mittel Stanozolol. Welche Sportarten könnte dieser Athlet betreiben und welche Nebenwirkungen hat er zu befürchten? 41 MODUL I: Hormone im Sport Peptid- und Glykoproteinhormone – wirksam und schwer nachweisbar 2 PEPTID- UND GLYKOPROTEINHORMONE – WIRKSAM UND SCHWER NACHWEISBAR Inhalt 2 PEPTID- UND GLYKOPROTEINHORMONE – WIRKSAM UND SCHWER NACHWEISBAR 2.1 Wachstumshormone (hGH) – alles wächst mit 42 43 2.1.1 Wirkungsspektrum von (h)GH 43 2.1.2 Verwendung im Sport: erhöhtes Wachstumspotential 45 2.1.3 Nebenwirkungen: Der Patient wächst 46 2.2 Erythropoietin (EPO): Das moderne Höhentraining 47 2.2.1 Wirkungsspektrum von EPO 48 2.2.2 Verwendung im Sport: Erhöhung der anaeroben Schranke 48 2.2.3 Nebenwirkungen von EPO: „dickes“ Blut 50 2.2.4 EPO und der Dopingtest: „Jeder Test ist irgendwie und irgendwann manipulierbar“ 52 2.3 Das Schwangerschaftshormon (hCG, human Chorionic Go-nadotropine) 53 2.3.1 Wirkungen von hCG – Hormonale Regelung der Schwangerschaft 53 2.3.2 Einsatz im Sport: Erhöhung der Testosteronproduktion 55 LERNKONTROLLE KAPITEL 2 56 Lernziele 1. Sie wissen, was man unter Peptidhormonen versteht und kennen den Unterschied zu den Steroidhormonen 2. Sie kennen das hGH und seine (Neben-)wirkungen 3. Sie wissen, was EPO ist und kennen die Probleme beim Nachweis 4. Sie kennen das hCG und seine (Neben-)wirkungen 42 MODUL I: Hormone im Sport Peptid- und Glykoproteinhormone – wirksam und schwer nachweisbar Die Hormone der Hypophyse und des Hypothalamus, welche die Freisetzung der Steroidhormone regulieren, sind selbst keine Steroidhormone. Sie gehören der zweiten wichtigen Klasse der Hormone an: der Klasse der Peptid- und Glykoproteinhormone. Während die Steroidhormone alle demselben Molekül abstammen (Cholesterin), hat jedes Peptidhormon ein spezifisches Vorläufermolekül – das Prohormon. Prohormone sind lange Aminosäurenketten (Peptide), welche die Sequenz des Peptidhormons ein- oder mehrere Male enthalten. Daneben kommen noch viele weitere Sequenzen vor, welche direkt nichts mit dem Peptidhormon zu tun haben. Die Spaltung des Prohormons durch spezifische Enzyme setzt das Peptidhormon frei und aktiviert es damit. Aufgabe 2.1 Insulin ist ein typischer Vertreter der Peptidhormone mit Vorläuferstufen (Präpro- und Pro-Insulin). Schlagen Sie in Ihrem Biologiebuch o.ä. diesen Sachverhalt nach. Als Dopingmittel spielen vor allem das Wachstumshormon (Human Growth Hormone; hGH), das Schwangerschaftshormon Choriongonadotropin (Human Chorionic Gonadotropin; hCG) und das Erythropoietin (EPO) eine Rolle. Diese drei Substanzen sind nach IOC-Anti-Doping-Code verboten. Der Nachweis ist aber oft problematisch, da die endogenen (selbst produzierten) Hormone kaum von den exogenen (künstlich verabreichten) Hormonen unterschieden werden können. 2.1 Wachstumshormone (hGH) – alles wächst mit (andere Namen: Human Growth Hormone, hGH; Somatotropin; somatotropes Hormon, STH) „Plötzlich hatte ich 100 PS mehr; (....) mir war, als sei mir der Motor eines Sportwagens eingepflanzt worden,“ so Erwann Monthéour (F), der bis 1997 beim französischen Radrennstall 1 Francaise des Jeux unter Vertrag war, zur Wirkung des Wachstumshormons . Seit dem Erscheinen des Buches „Massacre à la chaine“ von Willy Voet haben sich die Hinweise verdichtet, dass Spitzenathleten nahezu permanenten Gebrauch von Somatotropin, so die medizinische Bezeichnung, machen. Das Wachstumshormon ist eine Mischung aus verschiedenen Peptiden, wobei das Hauptpeptid eine Masse von 21'500 u aufweist und aus 191 Aminosäuren besteht. Seine Wirksamkeit ist streng artspezifisch, so dass z.B. ein aus Rinderhypophysen gewonnenes GH beim Menschen nicht wirksam ist. 2.1.1 Wirkungsspektrum von (h)GH Wie aus dem Namen hervorgeht, regelt das hGH das menschliche Wachstum. Das Wirkungsspektrum, dargestellt in Abbildung 2.1, erweist sich als äusserst mannigfaltig. Sehr viele dieser Wirkungen werden aber vom (h)GH nicht selbst ausgelöst, sondern über die Bildung (Leber) 1 Der Spiegel, Ausgabe 20/99 43 MODUL I: Hormone im Sport Peptid- und Glykoproteinhormone – wirksam und schwer nachweisbar wachstumsfördernder Faktoren, der Somatomedine (auch als insulin –like –growth factors, IGF, bezeichnet), vermittelt. Ihre Steuerung erfolgt vom Hirn aus (Hypothalamus und Hypophyse). Die volle Wirkung des Wachstumshormons wird erst dann erreicht, wenn gleichzeitig auch andere Hormone (Schilddrüsenhormone, Sexualhormone und Nebennierenrindehormone) in physiologischen Konzentrationen ausgeschüttet werden. Umgekehrt ist auch deren Wirkung durch das Fehlen von (h)GH herabgesetzt. Vereinfachend lassen sich drei Hauptwirkungsweisen des Wachstumshormons unterscheiden: - In geringen Mengen führt es zu einer insulinähnlichen Wirkung („insulin-like-growthfactors“, IGF): Verbesserung der Aufnahme von Glucose in die Zellen der meisten Gewebe, Steigerung des oxidativen Glucoseabbaus, Erhöhung der Glykogenbildung in der Leber und im Muskel, Stimulierung der Bildung von Proteinen und Fetten. Alle diese Vorgänge bewirken eine Senkung des Blutzuckerspiegels. - In höheren Dosierungen bewirkt es ein erhöhte Insulinsekretion. In Extremfällen führt dies zu einer Insulinresistenz (Å insulinantagonistische Wirkung und damit Erhöhung des Blutzuckerspiegels) sowie einer erhöhten Glucoseproduktion in der Leber. - Somatotropin löst eine wachstumsinitiierende Wirkung auf nahezu alle Zellen im Körper aus. Dies ist mit Sicherheit die komplexeste Wirkung des Hormons (Abb. 2.1). Die Entwicklung Bis ins Jahr 1985 standen für (h)GH ausschliesslich natürliche Quellen zur Verfügung - in anderen Worten: Die wertvolle Substanz hGH wurde aus menschlichen (Leichen-) Hypophysen isoliert. Da Proteine bei hohen Temperaturen denaturieren, ist es unmöglich, aus solchen Isolaten ein steriles Medikament herzustellen. Im Zusammenhang mit dem Auftreten vom Creutzfeld-Jakob-Syndrom wurde das Medikament von (westlichen) Herstellern deshalb nach und nach aus dem Verkehr gezogen. Heute wird hGH gentechnologisch hergestellt und ist als rekombinantes hGH im Handel. ® ® ® ® Die entsprechenden Präparate heissen Genotropin , Humatrope , Norditropin , Saizen , etc. 44 MODUL I: Hormone im Sport Peptid- und Glykoproteinhormone – wirksam und schwer nachweisbar Rückkopplung HY P O T H AL AM U S hGH-Releasing-Hormon Erhöhung des Blutzuckerspiegels HY P O P HY S E Hemmung der Glucoseaufnahme im Muskel hGH Fettmobilisierung So mat om edi ne L E B ER Rückkopplung Muskelaufbau Knochenwachstum Knorpelaufbau Abbildung 2.1. Stoffwechsel)Wirkungen, die vom (h)GH ausgehen inklusive Rückkopplugsmechanismus für den Blutzuckerspiegel. 2.1.2 Verwendung im Sport: erhöhtes Wachstumspotential Anekdotische Berichte von Athleten, die (h)GH als erste benutzten, erschienen in den frühen achtziger Jahren. Wie aus 2.2.1. hervorgeht, führt die Einnahme von (h)GH zu einer Zunahme der Muskelzellen und damit zu einem Kraftzuwachs in Verbindung mit einer Stärkung von Knorpeln, Sehnen und Bändern. Im Gegensatz zu anabolen Steroiden, die ebenfalls zu einer Zunahme der Muskelmasse führen, übt (h)GH sein Wachstumspotential auf nahezu sämtliche Körperzellen aus. Durch das Wachstumshormon stimulierte Zellteilungen sind irreversibel und dadurch die hervorgerufenen Wirkungen von dauerhafter Natur: Beschleunigtes Wachstum im Bereich des Herz-Kreislauf-Systems sowie eine erhöhte Kapillarisierung des Muskelgewebes. Die damit verbesserte Sauerstoffversorgung der beanspruchten Muskulatur erklärt den derart hohen Beliebtheitsgrad von (h)GH unter Leistungssportlern. Da Somatotropin in Dopingtests nicht nachweisbar ist, fehlen auch die entsprechenden „Skandale“ und mit Mutmassungen allein lassen sich nur schwer Schlagzeilen schaffen. Einige Wissenschaftler gehen soweit, dass der Leistungsstandard der Weltspitze ohne (h)GH auf das Niveau der 60er Jahre absinken und damit den Leistungssport ruinieren würde. Internationale Forschungsprogramme zur Entwicklung zweckdienlicher Nachweismethoden sind im Gange. 45 MODUL I: Hormone im Sport Peptid- und Glykoproteinhormone – wirksam und schwer nachweisbar Heute erfolgt der Missbrauch von (h)GH, teilweise zusammen mit Anabolika, hauptsächlich in Kraftsportarten und im Bodybuilding. Damit (h)GH sein volles Wirkungspotential (Abb. 2.1) entfalten kann, ist eine auf breiter Basis durchgeführte Manipulation des Hormonsystems notwendig. Die Anwendung des Wachstumshormons hat zudem einen erhöhten Bedarf an Vitaminen und Mineralstoffen zur Folge, welcher mit Supplementen gedeckt werden muss. 2.1.3 Nebenwirkungen: Der Patient wächst Während bei Patienten mit nachgewiesenem Somatotropin-Mangel eine Medikation mit exogenem (h)GH fast nebenwirkungsfrei ist, hat eine Einnahme bei gesunden Menschen durchaus unerwünschte Nebenwirkungen. Wie bei allen Medikamenten ist deren Auftreten stark abhängig von Dosierung und Anwendungsdauer. Die am häufigsten beschriebene Nebenwirkung ist Akromegalie (Gigantismus). Dieses Krankheitsbild wird im allgemeinen durch einen Tumor in der Hirnhangdrüse verursacht, tritt aber auch beim langfristigen und exzessiven Gebrauch von GH auf. Es handelt sich dabei um eine chronische Krankheit, deren äusserliche Symptome eine Grössenzunahme bzw. das Wachstum des Schädelknochens, der Hand- und Fussknochen, sowie anderer Teile des Skeletts sind. Vor allem wenn GH in Verbindung mit anabolen Steroiden eingenommen wird, kann es zudem zu einem Organwachstum kommen, von dem alle inneren Organe betroffen sind. Ein Überangebot von (h)GH hat zudem eine veminderte Glucose-Toleranz zur Folge und führt in fortgeschrittenem Stadium zu Diabetes (Zuckerkrankheit). Zur Abrundung der Liste potentieller Nebenwirkungen bleiben folgende, „weniger gewichtige“ Folgen zu nennen: Gelenk- und Bänderprobleme, Kopfschmerzen, Stimmungsschwankungen, Schweissausbrüche, Hautverfärbungen, Sehschwäche und Körpergeruch. Ausserdem kann es zu einer Absenkung der HDL (high density Lipoprotein) Cholesterinwerte und einer beschleunigten Umwandlung von LDL (Low density Liporotein) Cholesterin zu Zellverklumpungen kommen (Hyperlipidemie), die sich in den Blutgefässen ablagern und zur Arteriosklerose führen. Die Einnahme von (h)GH in wirksamen Mengen ist mit einem erheblichen finanziellen Aufwand verbunden, welcher für die meisten Athleten unerschwinglich ist. Die Einnahme derselben Dosis (h)GH, welche zur Behandlung von (h)GH–geschwächten Patienten verabreicht wird, würde sich auf mindestens 1000 $/Woche belaufen. 46 MODUL I: Hormone im Sport Peptid- und Glykoproteinhormone – wirksam und schwer nachweisbar Das Hauptpeptid von (h)GH (Wachstumshormon) besteht aus 191 Aminosäuren Kohlenhydrat- und Somatomedine und wirkt Fettstoffwechsel direkt und (Wachstumsfaktoren) auf den indirekt via die Zell- auf vermehrung. (h)GH ist streng artspezifisch. Wirkungen: - Allgemeines Wachstum des Körpers - Abbau der Fett- und Zunahme der Muskelmasse - Steigerung der Glukoneogenese in der Leber Nebenwirkungen: - Gigantismus (Akromegalie). - Abbau des Blutzuckers wird beeinträchtigt, Insulintoleranz („down-Regulation) bis zu Diabetes mellitus (insulin-antagonistische Wirkung) 2.2 Erythropoietin (EPO): Das moderne Höhentraining „Als ich gesehen habe, wie er (Bjarne Riis, DK) die Steigung in Hautacam erklimmt, da habe ich kapiert, warum ihm das Fahrerfeld den Vornamen „Monsieur 60 %“ verpasst hatte“. Das die Worte des belgischen Mannschaftsarztes Willy Voet in seinem Buch „Massacre à la chaine“ anlässlich der Tour de France 1996, die der dänische Radprofi Bjarne Riis gewann. Mit „60 %“ meinte er damals den Hämatokritwert, welcher in direktem Zusammenhang mit der Ausdauerleistung steht. Durch mehrere Todesfälle (plötzlicher Herzstillstand) aufgeschreckt, wurden schon bald erste Gerüchte bekannt, dass ein neuartiges Medikament zur Leistungssteigerung Schuld an diesen Vorfällen sei. Das Wundermittel wurde als Erythropoietin, oder kurz EPO identifiziert. EPO ist ein Glycoprotein mit einer Masse von 34’000 – 37'000 u, welches aus 165 Aminosäuren besteht und vier in sich heterogen aufgebaute Zuckerketten aufweist. Es wird hauptsächlich in der Niere und in den Leberzellen gebildet. Die Sequenz ist im menschlichen Genom auf Chromosom 7 lokalisiert. Bereits im Jahre 1994 befand sich die damals äusserst junge Substanz auf Platz vier der international meist verkauften Präparate und seitdem ist der weltweite Umsatz an EPO weiter angestiegen. Aufgabe 2.2 Die Masse von EPO wird mit 34’000 – 37'000 u angegeben. Warum kann hier nicht eine genauere Massenzahl genannt werden? 47 MODUL I: Hormone im Sport Peptid- und Glykoproteinhormone – wirksam und schwer nachweisbar Abbildung 2.2. Elektronenmikroskopische Aufnahme von Erythrocyten. in menschlichem Blut. Beim ebenfalls sichtbaren länglichen Einzeller handelt es sich um einen Parasiten der Familie der Trypanosomen (T. brucei brucei). Trypanosomen werden über die Tsetsefliege auf den Menschen übertragen und bewirken dort die sogenannte Schlafkrankheit (sleeping sickness). Aus Küng, M. (1997), Dissertation. 2.2.1 Wirkungsspektrum von EPO Die Hauptbestandteile des Bluts sind das Plasma und die roten Blutkörperchen, die Erythrocyten. Lässt man eine Blutprobe stehen, setzen sich die Erythrocyten durch Sedimentation ab. Die gelbliche Flüssigkeit, das Blutplasma, befindet sich oberhalb der Erythrocyten, welche über 42% des Bluts ausmachen. Dieser Anteil wird behutsam von EPO geregelt. Unter seinem Einfluss werden im Knochenmark aus noch undifferenzierten Stammzellen die Erythrocyten gebildet, die als mengenmässig wichtigstes Protein den „Blutfarbstoff“ Hämoglobin enthalten. Sie besitzen keinen Zellkern und werden deshalb streng genommen nicht mehr als Zelle, sondern als korpuskuläres Element des Bluts angesehen. Erythrocyten erscheinen im Mikroskop als Scheiben mit einer zentralen Delle, an einen „Donut“ erinnernd (Abb. 2.2). 2.2.2 Verwendung im Sport: Erhöhung der anaeroben Schranke Wenn rote Blutkörperchen die Lunge durchströmen, nehmen sie Sauerstoff aus unserer Atemluft auf. Die sauerstoffreichen Körperchen zirkulieren zum Muskelgewebe und allen anderen Organen des Körpers. Wenn das Blut die Muskeln und die Organe passiert, wird der Sauerstoff von den Erythrocyten freigesetzt und von dem Muskelgewebe aufgenommen. Ohne kontinuierliche Sauerstoffversorgung können Muskeln keine, oder nur beschränkte Arbeit leisten. Benötigt nun der Körper zusätzlich Sauerstoff und reicht eine vermehrte Atemtätigkeit nicht aus, um den Sauerstoffmangel auszugleichen – z.B. bei sogenannter Hypoxie (zu geringer Sauerstoffversorgung der Zellen) - wird in der Niere die Ausschüttung von EPO stimuliert. Dieses gelangt über das Blut ins Knochenmark, wo es innerhalb von Stunden für eine Umwandlung von Erythrocyten-Vorläuferzellen zu Erythrocyten sorgt, deren Konzentration im Blut damit ansteigt. So kann der Körper mehr Sauerstoff aufnehmen, wodurch eine höhere körperliche Leistungsfähigkeit erreicht wird. Mit Hilfe molekularbiologischer und gentechnischer Methoden gelang es Wissenschaftlern schon bald, EPO künstlich darzustellen. Dieses rekombinante EPO (r-huEPO; recombinant human EPO) 48 MODUL I: Hormone im Sport Peptid- und Glykoproteinhormone – wirksam und schwer nachweisbar ist weitgehend identisch mit dem körpereigenen und ist mit einem Rezept in fast allen Ländern ® ® erhältlich (Präparate: Eprex , Reconorm ). Im Sport dient EPO dazu, die Produktion von Erythrocyten zu erhöhen. Man kann also die Einnahme von EPO als eine Art Höhentraining betrachten. In der Höhe herrscht ein kleinerer Sauerstoffdruck, die Luft ist „dünner“, ärmer an Sauerstoff und somit ist der Körper gezwungen, vermehrt Erythrocyten zu produzieren. Diese bleiben, wenn der Sportler wieder zurück in tieferen Lagen ist, über mehrere Tage erhalten und verbessern so die Sauerstoffaufnahme und damit die Ausdauer- und Leistungsfähigkeit. Man sagt, der Sportler besitzt während dieser Zeit einen höheren Hämatokrit-Wert. Als Hämatokrit wird der Volumenanteil der Blutzellen im Verhältnis zum Gesamtblutvolumen bezeichnet. Er beträgt durchschnittlich beim Mann 47 % und bei der Frau 42 %. Die Erythrocyten machen also etwa die Hälfte des Blutvolumens aus. Führt man dem Organismus künstlich EPO zu, erhöht man den Anteil an Erythrocyten und damit auch den Hämatokrit. Dieser kann jedoch leicht beeinflusst werden. Trinkt man z.B. eine halbe Stunde vor einer Blutentnahme einen Liter Kochsalzlösung oder macht einige Minuten Kopfstand, so kann der Wert bereits von den unerlaubten 51 % auf die erlaubten 47 % absinken. Aufgabe 2.3 Angenommen, der Athlet weist einen ursprünglichen Hämatokritwert von 42 % auf. Das würde bedeuten, dass sich in 100 mL Blut 14 g Hämoglobin befinden. Jedes Hämoglobin ist in der Lage, 1.34 mL Sauerstoff aufzunehmen. Somit können in 100 mL Blut ca. 19 g Sauerstoff transportiert werden. Bei einer sportlichen Belastung geht man davon aus, dass 75 % des an Hämoglobin gebundenen Sauerstoffs abgegeben werden können. a) Welche Menge Sauerstoff erreichen demnach die Muskelzelle? b) Der Hämatokritwert wird durch EPO auf 50 % gesteigert. Um welchen Anteil (in %) wird nun eine Mehrversorgung an Sauerstoff erreicht? Selbst wenn man Hochleistungssportler davon nur ausgeht, die Hälfte dass der bei einem errechneten Leistungssteigerung erreicht wird, so würde dies bedeuten, dass es bei einem 50-Kilometer Einzelzeitfahren zu einer Zeitverbesserung von mehr als zwei Minuten nur durch die Gabe von EPO kommt! EPO bietet neben seinen positiven Auswirkungen auf den Hämatokritwert und der damit verbundenen maximalen Sauerstoffaufnahmekapazität einen weiteren entscheidenden Vorteil für aktive Athleten. Bei submaximaler Tätigkeit kommt es in den Muskeln durch erhöhte Laktatbildung zu einem Abfall des pH-Werts. Da Erythropoietin zusätzlich säurepuffernd wirkt, steigt die 49 MODUL I: Hormone im Sport Peptid- und Glykoproteinhormone – wirksam und schwer nachweisbar Laktosetoleranz, erhöht sich die anaerobe Schwelle und als Folge davon wird der Athlet leistungsfähiger. Der Grenz-Hämatokritwert wurde im Radsport auf 50 % festgelegt, also recht nahe beim natürlichen Wert. Ein als erhöht taxierter Hämatokritwert wird wegen der leichten Beeinflussbarkeit und der natürlichen Schwankungen daher immer Anlass zu Diskussionen liefern. Die Hämatokritwerte der Festina-Radsportgruppe vom Juli 1998 (Ausschluss aus der Tour de France, „d e r Tour-Skandal“) sprechen für sich: Richard Virenque (F), Armin Meier (Sui), Christoph Moreau (F): alle 49.3 %; Laurent Dufaux (F): 47.4 %; Laurent Brochard (F), Neil Stephens (Aus): beide 50.3 %; Didier Rous (F): 51 %; Alex Zülle (Sui): 52.3 % und Pascal Hervé (F): 52.6 %. Alle diese Athleten hatten zudem exzessive Mengen eines unbekannten Eisenpräparats eingenommen. Die massive Verbreitung von EPO im (Rad-)Sport wird durch Blutproben-Untersuchungen von Radprofis aus den Jahren 1980 bis 1986 untermauert. Damals gab es noch kein EPO. Bei keinem der 34 Athleten, von welchen die Daten noch vorlagen, wurden Hämatokritwerte in der Nähe von 50 % festgestellt. Allem Anschein nach ist heute ohne EPO „kein Blumentopf mehr zu gewinnen“ [Voet, W. (1999) Gedopt, Sport-Verlag Berlin, Berlin]. Zur Zeit ist der Missbrauch von EPO (noch) nicht sicher beweisbar, da das zugeführte EPO vom körpereigenen nur schwer zu unterscheiden ist. Ein möglicher Weg führt dabei über den Nachweis von Zuckerketten, welche vom künstlich zugeführten EPO herrühren und bis zu 4 Tage nach der Einnahme detektierbar sind. Auf die olympischen Sommerspiele in Sydney 2000 hin wurde ein neuer Test entwickelt, welcher erlaubt, EPO im Urin nachzuweisen (vergleiche 2.2.4). In der konventionellen Medizin findet EPO hauptsächlich zur Behandlung von chronischen Nierenerkrankungen Verwendung. Diese Patienten verlieren die Fähigkeit EPO zu produzieren, ihr Hämatokritwert (siehe nächster Abschnitt) sinkt und sie ermüden als Folge sehr schnell, was u.a. mit einem Verlust an Lebensqualität verbunden ist. Bei EPO handelt es sich um ein ausgesprochen kostspieliges Medikament. Eine knappe Wochendosis kommt in der Apotheke auf ca. 300 SFr zu stehen. 2.2.3 Nebenwirkungen von EPO: „dickes“ Blut Laut ärztlicher Auskunft besitzt EPO, sofern in richtigen Dosen eingenommen, keine nennenswerten Nebenwirkungen. Folgendes muss aber beachtet werden: EPO kann nicht oral eingenommen werden, sondern wird mittels Spritzen injiziert. Wenn Athleten EPO ohne medizinische Aufsicht benutzten, ist das Infektionsrisiko (auch HIV) bei der Nutzung von unsterilen Spritzen und Nadeln bzw. bei gemeinsamer Verwendung sehr hoch. Die Einnahme von EPO erhöht die Anzahl Erythrocyten im Blut. Wird diese zu gross, verdickt das Blut und der Hämatokrit steigert sich zu gefährlichen Werten. Als Folge davon nimmt das Blutvolumen zu und der Blutdruck steigt (Hypertension). Diese beiden Effekte beeinträchtigen die Fähigkeit des Herzens Blut zu pumpen. Dadurch wird das Gewebe mit (zu) wenig Sauerstoff versorgt und die sportliche Leistung geht konsequent zurück. Zusammen mit einer Dehydratation, z.B. während eines Marathons, verdickt das Blut und das Risiko zur Bildung von Blutklumpen 50 MODUL I: Hormone im Sport Peptid- und Glykoproteinhormone – wirksam und schwer nachweisbar (Thrombosen) wird erhöht. Der durch die Verdickung entstehende erhöhte Druck im Gehirn und die blutarme Zirkulation führen zu einer Anschwellung von Blutgefässen, welche schwerwiegende Komplikationen wie Schlaganfälle zur Folge haben können. Im Extremfall erleidet der Patient Lungen- oder Hirnembolien mit oft tödlichem Ausgang. Anekdotischen Aussagen zu Folge verwenden Athleten, die EPO einnehmen, zusätzlich Aspirin, Vitamin E und andere Supplemente, um zu gewährleisten, dass die Fliesseigenschaften des Bluts nicht zu stark beeinträchtigt werden. Zu hohe Dosen von EPO können auch heftiges Herzklopfen, Hautausschläge, grippeähnliche Krankheiten, die Beschwerden und Schmerzen der Muskeln verursachen und Übelkeit hervorrufen. Vor kurzem sind bei der Einnahme einer speziellen Art von EPO eine Anzahl Fälle von Entzündungen der Iris (des farbigen Teils des Auges) bekannt geworden. Wenn die Produktion der Erythrocyten durch EPO angeregt wird, steigt mit ihr auch der Bedarf an Eisen, da dieses zur Unterstützung der Produktion unabdingbar ist. Dies kann zu einem relativen Eisenmangel führen. Deswegen nehmen EPO-Patienten oft Eisensupplemente. Vor einigen Jahren gab es Gerüchte und Medienberichte in Verbindung mit dem Tod einiger Radprofis und OL-Läufer. Weil sich dies zu der Zeit ereignete, in der EPO erstmals erhältlich wurde, deuteten die Berichte an, dass eine Überdosis von EPO dafür verantwortlich gewesen sei. Entscheidende Beweise für den Zusammenhang hat man jedoch bis heute nicht erhalten. Aufgabe 2.4 Lesen Sie den Artikel von M. Kamber et al., erschienen am 18. März 2000, in der NZZ, der sich als Kopie in Ihrer Handbibliothek befindet . 51 MODUL I: Hormone im Sport Peptid- und Glykoproteinhormone – wirksam und schwer nachweisbar 2.2.4 EPO und der Dopingtest: „Jeder Test ist irgendwie und irgendwann manipulierbar“1 Am 8. Juni 2000 wurde in der renommierten Wissenschaftszeitschrift „Nature“ eine vom französischen Anti-Doping-Labor entwickelte Methode für den direkten Nachweis von EPO im Urin publiziert (Lasne, F. & de Ceaurriz, J, 2000), welche an den olympischen Spielen von Sydney 2000 zum ersten Mal zum Einsatz gelangte. EPO ist ein Glykoproteinhormon d.h. es besteht aus einem Proteinteil und 4 Zucker-Seitenketten, die bewirken, dass EPO im Blut löslich ist und vom Produktionsort Niere zum Knochenmark transportiert werden kann. Gentechnologisch hergestelltes EPO unterscheidet sich nun vom natürlichen in diesen Zuckerseitenketten. Dadurch ist auch die Löslichkeit und die elektrische Ladung in wässrigen Lösungen bei verschiedenen pH-Werten unterschiedlich. Der aufkonzentrierte Urin wird Säuregradienten aufweist. Nach Anlegung auf ein Gel aufgetragen, welches einen einer elektrischen Spannung (isolelektrische Fokussierung) wandert nun das gentechnologisch hergestellte EPO im Gel weniger weit vom negativen zum positiven Pol als das natürliche. Nach dem Sichtbarmachen mit immunologischen Methoden sieht das Resultat bei Dopingsündern folgendermassen aus (Abbildung 2.3): 5.21 *(17(&+12/2*,6&+ +(5*(67(//7(6(32 pH-Wert Weg in einem elektrischen Feld 4.42 1$7h5/,&+(6 (32 + 3.77 Abbildung 2.3. Isoelektrische Fokussierung einer Urinprobe zum Nachweis von EPO-Missbrauch (schematisch). EPO hat mehrere Isoformen (verschiedene Anordnungen im Raum; verschiedene Quartärstrukturen) und erscheint deshalb nach Proteinfärbung in Form mehrerer dunkler Banden auf dem Gel (modifiziert nach Lasne, F. & de Ceaurriz, J, 2000). Mit diesem Nachweisverfahren kann der EPO-Missbrauch während einiger Tage (2 – 4 Tage) nachgewiesen werden. Bei Ausdauerprüfungen über mehrere Tage hinweg, z.B. Radrundfahrten, wird EPO auch während dieser Rennen eingesetzt. Mit diesen Nachweismethoden könnten also derartige Praktiken eingeschränkt werden. Zudem ist die Handhabung viel unproblematischer als bei Blutkontrollen. Eingeschränkt wird diese Methode aber durch die kurze Nachweiszeit. Der EPO-Missbrauch für einzelne Rennen (z.B. Vorbereitung durch EPO-Einnahme anstelle eines Höhentrainings) ist damit nur schwer einschränkbar. Vielmehr drängt sich diese Methode für unangekündigte „on the spot“ Urin-Kontrollen während des Trainings auf. 1 Christian Breymann, Oberarzt an der Klinik für Geburtshilfe, Uni Zürich in einem Interview der NZZ vom 2.8.2000, Seite 43 52 MODUL I: Hormone im Sport Peptid- und Glykoproteinhormone – wirksam und schwer nachweisbar In Verbindung mit indirekten Nachweismethoden von EPO im Blut (Parisotto, R et al. (2000) Haematologica 85, 564-572; im Anhang), mit welchen Hinweise auf verdächtige Personen erhalten werden können, ist der Urinnachweis jedoch ein potentes Argument im Kampf gegen EPOMissbrauch. Im wissenschaftlichen Bereich ist es jedoch längst bekannt, dass Substanzen mit ähnlicher Wirkung wie EPO existieren. Es gibt bereits Gerüchte, wonach diese bereits angewendet werden. Diese „EPO-Ersatzstoffe“ wären dann wiederum nicht nachweisbar und, solange nicht erkannt, auch nicht illegal ... „Jeder Test ist irgendwann irgendwie manipulierbar“. EPO (Erythropoietin) ist ein im Knochenmark sti- mulierendes, nicht artspezifisches Glykoproteinhormon, welches zu 90 % in der Niere gebildet wird. Wirkungen: - Erhöhung der Erythrocytenzahl (Zahl der roten Blutkörperchen) - Steigerung der Ausdauerleistung Nebenwirkungen: - Bluthochdruck. - Thrombosen und Embolien im Extremfall mit Todesfolge. 2.3 Das Schwangerschaftshormon (hCG, human Chorionic Gonadotropine) hCG (oder auch human Choriongonadotropin) ist ein Peptidhormon mit einer Masse von ca. 30’000 – 39’000 u, das während der Schwangerschaft von der Plazenta freigesetzt wird. 2.3.1 Wirkungen von hCG – Hormonale Regelung der Schwangerschaft Die Plazenta (Mutterkuchen) dient der Ernährung und der Sauerstoffversorgung des Fetus. Sie sorgt für den Abtransport seiner Stoffwechselprodukte und deckt den Grossteil des Hormonbedarfs während der Schwangerschaft. Besonders zu Beginn der Schwangerschaft sind zu deren Erhaltung auch die Hormone des mütterlichen Ovars nötig. Die menschliche Plazenta produziert folgende Hormone: - Östradiol (E2) Progesteron (P) Choriongonadotropin (hCG) Follikel stimulierendes Hormon (FSH) Als endokrines Organ (die Wirkung der plazentaren Hormone erfolgt entfernt vom Bildungsort) zeigt die Plazenta einige Besonderheiten. Ihre Hormonproduktion ist (wahrscheinlich) unabhängig von den normalen Rückkoppelungskontrollen. Sie produziert sowohl Steroid- als auch Peptidhormone, wobei die Peptidhormonphase (hCG, FSH) das erste Schwangerschaftsdrittel, die Steroidhormonphase (Östradiol und Progesteron) die spätere Schwangerschaft beherrscht. 53 MODUL I: Hormone im Sport Peptid- und Glykoproteinhormone – wirksam und schwer nachweisbar Die plazentaren Hormone gelangen sowohl in den mütterlichen als auch in den fetalen Organismus. Wegen der engen Verknüpfung der Hormonbildung in Mutter, Fetus und Plazenta, spricht man auch von fetoplazentarer Einheit. Im Gegensatz zu anderen endokrinen Organen ist die Plazenta für die Produktion von hCG bzw. als Folge der Steroidhormone Progesteron (P) und Östradiol (E2) auf die Zulieferung der jeweiligen Steroidvorstufen aus der mütterlichen und fetalen Nebennierenrinde angewiesen (Abb. 2.4). Mutter Kind Pl az ent a Synthese von P ep t id h or m on en überwiegt K&* Gelbkörper des mütterlichen O v ar s E2 fetale Neb en ni e ren rin de P DHEA Abbildung 2.4. Hormonproduktion von Plazenta, Mutter und Fetus (fetoplazentare Einheit) in der frühen Schwangerschaftsphase. E2, Oestradiol; P, Progesteron; hCG, humanes Chondriongonadotropin; DHEA, Dehydroepiandrosteron. Das Peptidhormon hCG wird gleich zu Beginn der Schwangerschaft in grosser Menge ausgeschüttet. Seine wesentlichen Aufgaben bestehen darin, a) in der fetalen Nebennierenrinde die Produktion Dehydroepiandrosteron, DHEA) zu stimulieren und 54 von steroiden Hormonen (z.B. MODUL I: Hormone im Sport Peptid- und Glykoproteinhormone – wirksam und schwer nachweisbar b) im mütterlichen Ovar die Ausbildung von Follikeln (Bläschen, in denen bei der Frau die Eizellen heranwachsen) zu unterdrücken und die Gelbkörperfunktion, also die Progesteron- und Östradiol-Produktion, dort aufrechtzuerhalten. Ab der sechsten Schwangerschaftswoche ist das nicht mehr nötig, da jetzt die Plazenta genug Progesteron und Östradiol produziert. Gonadotropine werden medizinisch indiziert bei Kryptorchismus (Zurückbleiben eines oder beider Hoden in der Bauchhöhle oder im Leistenkanal), sofern nicht mechanisch bedingt, bei Hypogenitalismus (Unterentwicklung der Geschlechtsorgane), sowie primärer und sekundärer Amenorrhoe (Fehlen der monatlichen Regelblutung). Ebenfalls kann bei Sterilität infolge zu geringer Spermienproduktion mit hCG (und anderen Gonadotropinen) therapiert werden. ® ® Handelspräparate sind etwa Predalon , Pregnesin u.a. 2.3.2 Einsatz im Sport: Erhöhung der Testosteronproduktion Was bei der Frau die Eierstöcke sind, ist beim Mann der Hoden. Aufgrund der Ähnlichkeit des hCGs mit dem luteinisierenden Hormon (LH, siehe Menstruationszyklus) ruft hCG im Körper des Mannes dieselbe Wirkung hervor wie dieses. Die Anwendung von hCG bei Männern bewirkt also, dass die körpereigene Produktion von Testosteron erhöht wird; es übt damit einen direkten Einfluss auf die Hodenaktivität aus. Diese Erhöhung erfolgt bereits zwei Stunden nach der Einnahme und hat eine zusätzlich gesteigerte Grundaggressivität beim Athleten zur Folge, welche gerade in Wettkämpfen oft erwünscht ist. Ein Teil des gebildeten Testosterons wird nach einiger Zeit in Östrogen umgewandelt. Diese Umwandlung führt über einen Rückkopplungsmechanismus zu einer weiteren Steigerung des Testosteronspiegels. Damit ergeben sich zwei Einsatzgebiete für hCG im Sport: a) Kurz- und mittelfristige Steigerung der Testosteronproduktion beim Mann. b) Zusätzliche Aktivierung der Testosteronproduktion im Anschluss an die Verwendung anaboler Steroide. Der Unterschied zu den anabolen Steroiden besteht darin, dass diese dem Testosteron ähnliche Substanzen sind, während es durch hCG zu einer gesteigerten Testosteronproduktion kommt. Da Männer kein oder nur sehr wenig hCG synthetisieren, kann der Nachweis von hCG bei männlichen Sportlern oberhalb eines Konzentrationsgrenzwertes im Urin auf eine exogene Gabe und damit auf Doping zurückgeführt werden. hCG (human chorionic gonadotropine) ist ein Proteinhormon, welches in der Plazenta gebildet wird (Maximum im 2. bis 3. Schwangerschaftsmonat). Wirkungen: - Anregung der Steroidhormonproduktion - Unterhalt des Gelbkörpers 55 MODUL I: Hormone im Sport Peptid- und Glykoproteinhormone – wirksam und schwer nachweisbar LERNKONTROLLE KAPITEL 2 Die folgenden Aufgaben dienen der Überprüfung Ihres Wissens. Sie sollen selbständig testen, ob Sie den Stoff dieses Kapitels verstanden haben. Aufgabe 2.5 Welche möglichen Vorteile ergeben sich, wenn Hormone als Prohormone oder Präprohormone produziert werden? Aufgabe 2.6 Bei einigen Spitzensportlern kann man beobachten, dass sie plötzlich beginnen Zahnspangen zu tragen. Können Sie sich einen Grund (natürliche zahnmedizinische Gründe ausgeschlossen) vorstellen, warum bei diesen erwachsenen Sportlern das Tragen einer Zahnspange notwendig wird? Aufgabe 2.7 Welche Rolle spielt das Choriongonadotropin (hCG) in der Schwangerschaft? Aufgabe 2.8 Warum wird EPO als Dopingmittel eingesetzt? Welches sind seine leistungsfördernden Eigenschaften und welche Gefahren sind damit verbunden? Aufgabe 2.9 Erklären Sie, warum bei einer Einnahme von EPO zusätzlich Eisen zugeführt werden sollte. 56 MODUL I: Hormone im Sport Nachweis von HCG im Urin: Schwangerschaftstest 3 NACHWEIS VON HCG IM URIN: SCHWANGERSCHAFTSTEST Inhalt 3 NACHWEIS VON HCG IM URIN: SCHWANGERSCHAFTSTEST 3.1 Das Prinzip des Nachweises: ELISA 3.1.1 3.2 59 Grundlagen immunologischer Nachweisverfahren Experimentelle Vorschrift 3.2.1 57 59 60 Nachweis von human Choriongonadotropin (hCG) im Urin: solid phase immunoassay LERNKONTROLLE KAPITEL 3 60 62 Lernziele 1. Sie verstehen den prinzipiellen Mechanismus des ELISA-Verfahrens und des Schwangerschaftstests 2. Sie weisen hCG in präparierten Proben im Labor nach und können das Experiment deuten 57 MODUL I: Hormone im Sport Nachweis von HCG im Urin: Schwangerschaftstest Nach dem Einnisten eines befruchteten Eis in der Gebärmutter steigt die Konzentration des Hormons hCG im Blut und Urin stark an. Mit einem Schwangerschaftstest kann man diese erhöhte hCG-Konzentration im Urin messen. Der qualitative immunologische Nachweis von hCG im Harn und im Blutserum dient als Schwangerschaftstest (Abb. 3.1 und 3.2). Dabei wird hCG durch eine Antigen-Antikörper-Reaktion – z.T. mit monoklonalen Antikörpern – nachgewiesen. Maximale Werte werden zwischen dem 60. und 90. Tag der Schwangerschaft erreicht. Abfallende oder verminderte hCG-Werte deuten u.a. auf drohende Fehl- oder Frühgeburt oder schwangerschaftsspezifische Erkrankungen hin. Erhöhte Werte können neben Abnormitäten ebenfalls auf eine Mehrlingsschwangerschaft hinweisen. Moderne Schwangerschaftstests zeigen eine Schwangerschaft direkt nach Ausbleiben der Regel oder sogar schon 10 Tage nach dem Geschlechtsverkehr an. Die Vorgehensweise ist bei den einzelnen Tests etwas unterschiedlich; sie können jedoch zu jeder Tageszeit durchgeführt werden. Bei den modernen Verfahren wird einfach ein Teststab oder ein -plättchen mit Urin benetzt und nach einer kurzen Zeit kann das Ergebnis abgelesen werden. Die meisten Tests bestehen aus einem Kontrollfeld, welches sich verfärbt und anzeigt, ob das Prozedere korrekt durchgeführt wurde, und einem Ergebnisfeld, das nur bei einer Schwangerschaft seine Farbe verändert. Bereits leichte Farbänderungen an der richtigen Stelle im Ergebnisfeld deuten auf eine Schwangerschaft hin. Der Test sollte dann jedoch nach einigen Tagen wiederholt werden. Auch wenn der Test negativ war, die Monatsblutung jedoch ausbleibt, macht es Sinn, den Test zu wiederholen. Da verschiedene Tumore (wie Leber, Pankreas, Magen oder Gonaden) hCG produzieren, findet hCG auch Verwendung als Tumormarker. 58 MODUL I: Hormone im Sport Nachweis von HCG im Urin: Schwangerschaftstest 3.1 Das Prinzip des Nachweises: ELISA Der Name dieses Verfahrens stammt aus dem englischen Enzyme Linked Immuno-Sorbent Assay, oder eben kurz ELISA. Es handelt sich dabei um ein immunologisches Nachweisverfahren, welches auf der Reaktion des zu bestimmenden Hormons (Antigen, Ag) mit spezifischen Antikörpern (Ak) beruht. Der Vorteil solcher Immunoassays besteht in der Einfachheit ihrer Durchführung und in der hohen Spezifität und Empfindlichkeit (die Nachweisgrenze liegt im -12 Pikomol-Bereich; 10 mol). Im Prinzip lassen sich mit Immunoassays sämtliche Substanzen nachweisen, gegen die Antikörper erzeugt werden können. Das weit verbreitete ELISA-Verfahren vereint die hohe Spezifität der Immunreaktion mit der Empfindlichkeit einfacher, spektrophotometrisch auswertbarer Enzymtests. Das Prinzip der Methode ist auf den Seiten 59/60 schematisch wiedergegeben. 3.1.1 Grundlagen immunologischer Nachweisverfahren Grundlage eines immunologischen Nachweisverfahrens ist die Antigen-Antikörper-Reaktion, das heisst die spezifische Bindung eines zu bestimmenden Hormons (Ag) durch entsprechende Antikörper: Ag + Ak Ag-Ak Nach dem Massenwirkungsgesetz gilt: [Ag − Ak ] = K = 10 [Ag ]⋅ [Ak ] 5 bis 108 für gute Antikörpe r Die Bildung des Ag-Ak-Komplexes ist abhängig von: - 59 Konzentration der Teilnehmer Temperatur Salzkonzentration pH MODUL I: Hormone im Sport Nachweis von HCG im Urin: Schwangerschaftstest 3.2 Experimentelle Vorschrift 3.2.1 Nachweis von human solid phase immunoassay Choriongonadotropin (hCG) im Urin: Hinweis Je nach verwendetem Produkt kann untenstehendes Schema abweichen! Die genauen Durchführungen bzw. Ablaufschemata sind jeweils den Packungsbeilagen zu entnehmen. Material und Chemikalien - „one step pregnancy Test“, SUBAG, Bestellnummer BSP-121 -1 -1 hCG, Sigma; pro sample 200 – 300 mIU·mL (maximal 5 µL·mL ) Einweg-Pipetten (im Lieferumfang enthalten) -1 -1 -1 -1 PBS-Puffer (137 mmol·L NaCl, 2.7 mmol·L KCl, 8.1 mmol·L Na2HPO4, 1.5 mmol·L KH2PO4, pH 7.2) p-Nitroaniline, FLUKA Experimentelle Durchführung (exemplarisch) 1. Schritt: Die Urinprobe wird auf das Probenfeld (sample field, S) aufgetragen. Unter dem Probenfeld liegt ein Kissen, das den spezifischen Antikörper gegen hCG enthält, der mit einem roten Farbstoff markiert wurde. Ist hCG in der Urinprobe enthalten, wird es vom spezifischen Antikörper gebunden und es entstehen hCG-Antikörper-Komplexe (Å erste Immunreaktion). Die hCG-Antikörper-Komplexe und die überschüssigen rot markierten freien Antikörper wandern mit der Flüssigkeit auf dem Teststreifen weiter (Abbildung 3.1). C T S Legende: + Spezifischer Antikörper gegen hCG, an roten Marker gebunden hCG (human Choriongonadotropin) in der Urinprobe Abbildung 3.1. 1. Schritt des hCG-solid-phase Immunoassays. Erklärungen im Text. 60 MODUL I: Hormone im Sport Nachweis von HCG im Urin: Schwangerschaftstest 2. Schritt: Die hCG-Antikörper-Komplexe der 1. Immunreaktion werden im Testfeld (T-Feld) durch einen zweiten spezifischen Antikörper gegen hCG, welcher auf dem Testfeld fixiert ist, zurückgehalten (gebunden) und es entsteht eine rote Bande (Å 2. Immunreaktion). Überschüssige freie rot markierte Antikörper wandern mit der Flüssigkeit auf dem Teststreifen weiter (Abbildung 3.2). C T S Legende: Spezifischer Antikörper gegen hCG, fixiert auf dem Teststreifen Abbildung 3.2. 2. Schritt des hCG-solid-phase Immunoassays. Erklärungen im Text. 3. Schritt: Die überschüssigen rot markierten freien Antikörper werden im Kontrollfeld (C-Feld) zurückgehalten und es entsteht eine rote Bande (Å 3. Immunreaktion; Abbildung 3.3). C ? T C TS Abbildung 3.3. Teststreifen nach Auftragen einer hCG-positiven Urinprobe (positiver Schwangerschaftstest) 61 MODUL I: Hormone im Sport Nachweis von HCG im Urin: Schwangerschaftstest LERNKONTROLLE KAPITEL 3 Die folgenden Aufgaben dienen der Überprüfung Ihres Wissens. Sie sollen selbständig testen, ob Sie den Stoff dieses Kapitels verstanden haben. Aufgabe 3.1 Welche Bedingungen müssen im Kontrollfeld C vorliegen, damit die freien rot markierten Antikörper zurückgehalten werden und so auch im C-Feld ein rote Bande erscheint? Aufgabe 3.2 Wozu braucht es das C-Feld? Aufgabe 3.3 Wie sieht das Resultat für eine hCG-negative Urinprobe aus? Aufgabe 3.4 Die Hormone hCG, LH, FSH und TSH bestehen alle aus zwei Peptidketten α und β, wie sie unten schematisch abgebildet sind. Antikörper werden meist nur gegen gewisse kleine Regionen der Peptidkette gebildet. Welche Regionen des hCG würden Sie auswählen, um Antikörper gegen hCG herzustellen? α β hCG α β LH α β FSH α β TSH 62 "Die Sportart hat ihre Unschuld verloren" ... "so ein Scheisskerl, der macht alles kaputt" (Walter Hofer, Renndirektor des Weltskiverbands zur positiven Dopingkontrolle des russischen Skispringers Dimitri Wassiljews) MODUL II MISSBRAUCHTE MEDIKAMENTE DIURETIKA UND ANALGETIKA Inhalt des Moduls 1 2 3 Ein erster Exkurs: Recycling oder auf den Müll? Die Niere 63 Ein zweiter Exkurs: Hormone bestimmen, wie oft wir auf die Toilette rennen müssen 77 Hilfe beim Wasser lösen – Diuretika 85 Ein dritter Exkurs: Aua – das schmerzt 104 Wie Schmerzen mit einem Lächeln weggesteckt werden können – Analgetika 116 Praktikumsanleitungen 130 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Ein erster Exkurs: Recycling oder auf den Müll? Die Niere Allgemeines Thema Das Thema dieses Moduls sind zwei Klassen von Medikamenten: Diuretika und Analgetika. Diuretika greifen in den Wasser- und Elektrolythaushalt unseres Körpers ein, während Analgetika als Schmerzmittel wirken. Sie lernen in diesem Modul einerseits warum diese beide Substanztypen als Dopingmittel Verwendung finden. Anderseits sind die Wirkungsmechanismen dieser Medikamente genauer beschrieben. Dazu wird eingangs auf grundlegende Wirkungsweisen im Körper und auf biochemische Abläufe eingegangen. Lektionsablauf Lesen Sie zuerst die Lernziele und dann den Theorieteil genau durch. Danach führen Sie mit einer Kollegin oder einem Kollegen die vorgeschriebenen Experimente sorgfältig aus. Wenn Sie nicht sicher sind, fragen Sie Ihre Lehrkraft nach den zu treffenden Vorsichtsmassnahmen. Nach jedem Abschnitt hat es kleinere Aufgaben. Sie sollen von Ihnen alleine gelöst werden. Die Lösung zu allen Aufgaben finden Sie im Anhang A. Bearbeiten Sie dieses Kapitel so lange, bis Sie sich sicher fühlen. 64 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Ein erster Exkurs: Recycling oder auf den Müll? Die Niere EIN ERSTER EXKURS: RECYCLING ODER AUF DEN MÜLL? DIE NIERE Inhalt EIN ERSTER EXKURS: RECYCLING ODER AUF DEN MÜLL? DIE NIERE 65 LERNKONTROLLE EXKURS 1 76 Lernziele 1. Sie kennen den Aufbau der Niere 2. Sie wissen, welche Funktionen die Niere übernehmen muss 3. Sie kennen die Transportmechanismen in den Zellen des Nephrons 65 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Ein erster Exkurs: Recycling oder auf den Müll? Die Niere Lesen Sie die Texte zur Niere in Biologie heute SII S. 107-109. Die wichtigsten Punkte finden Sie noch einmal im folgenden Abschnitt und im anschliessenden Steckbrief: Die Niere wird unterteilt in die Rindenschicht, die das äussere Drittel der Niere umfasst, und die Markschicht, aus dem das Innere der Niere besteht. Sogenannte Nephrone, eine Art Röhren, und Sammelrohre füllen die Rinde und das Mark aus. Die menschliche Niere enthält etwa eine Million Nephrone. Dies entspricht einem Kanalsystem von 80 km Länge. 80 % der Nephrone befinden sich ausschliesslich in der Rindenschicht und werden auch oberflächliche Nephrone genannt, 20 % verlaufen bis in die innere Markzone und sind dementsprechend tiefe Nephrone. Die Nephrone sind eng umschlungen von Blutgefässen. Jedes Nephron besteht aus dem Glomerulus, einem Blutkapillarknäuel, der von der Bowman-Kapsel umgeben ist, dem proximalen Tubulus, der HenleSchleife, bestehend aus dem ab- und aufsteigenden Ast, und dem distalen Tubulus. Das Nephron mündet anschliessend in ein Sammelrohr, das für mehrere Nephrone gemeinsam ist. Das Sammelrohr geht zum Nierenbecken und von da via Harnleiter in die Harnblase. Die Niere ist unser Entgiftungsorgan 66 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Ein erster Exkurs: Recycling oder auf den Müll? Die Niere Kurzer Steckbrief der Niere: 1 Abbildung E1.1. Die Niere bei zunehmender Vergrösserung - Täglich fliessen 1000 bis 2000 L Blut in eine der beiden Nieren über die Nierenarterie ein und über die Nierenvene aus. - Ultrafiltration: Beim Passieren des Glomerulus tritt ein Teil der Blutflüssigkeit wegen des Blutdrucks in das Nephron und nimmt dabei zum Teil die im Blut gelösten Substanzen mit. - Moleküle mit einem Durchmesser von höchstens 6 nm (5000 u) werden ungehindert in das Nephron gelassen. - Die Passage von Molekülen mit einem Durchmesser zwischen 6 und 10 nm (5000 bis 50'000 u) wird teilweise verhindert, d.h. es besteht beschränkte Filtrierbarkeit für diese Substanzen. - Moleküle, die grösser als 10 nm (> 50'000 u) sind, können nicht vom Blut in das Nephron eintreten. Da die Albumine, die kleinsten Plasmaproteine, bereits eine Masse von 70'000 u besitzen, können Proteine den Nierenfilter praktisch nicht passieren. - Täglich werden rund 180 L Primärharn gebildet. - Der Primärharn muss auf 1.5 L Endharn (je nach Flüssigkeitsaufnahme kann das Volumen des Endharns zwischen 500 mL und 3000 mL variieren) aufkonzentriert werden. - Die Aufkonzentration geschieht auf dem Weg zum Nierenbecken, der vom Nephron bis zum Sammelrohr mit Transportepithelien ausgestattet ist. 1 Die Bilder sind zu finden unter: http://www.trautline.de/niere.htm 67 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Ein erster Exkurs: Recycling oder auf den Müll? Die Niere Untersuchen Sie eine Schweineniere. Die Anleitung können Sie bei Ihrer Lehrkraft beziehen.. Die Ultrafiltration ist ein völlig unselektiver Vorgang. Es gelangen also auch Moleküle in das Nephron, die ihre Funktion im Blut weiter ausüben müssen (Vitamine, Glucose usw.). Diese für den Körper wichtigen Bestandteile müssen deshalb zurückgewonnen werden. Dieser selektiv stattfindende Vorgang wird Reabsorption (Rückresorption) genannt. Jeder Teil des Nephrons übernimmt dabei eine spezielle Aufgabe. So werden Glucose und Aminosäuren ausschliesslich im proximalen Tubulus reabsorbiert (in Abb. E1.2 nicht eingezeichnet), während der distale Tubulus durch das Hormon Aldosteron gezielt an der Reabsorption von Wasser beteiligt ist. Der letzte im Nephron stattfindende Vorgang wird Sekretion genannt. Dieser ebenfalls selektive Transport geschieht von der interstitiellen Flüssigkeit in das Nephron, also gegenläufig zur Reabsorption. Bekannte Beispiele für die Sekretion sind organische Säuren und Basen oder Penicillin. Jetzt wird Ordnung gemacht: Die Niere kann mit dem Aufräumen einer Wühlkiste (Blut) verglichen werden, die sich in einem Zimmer befindet (Körper). Dazu dient ein Eimer (Niere), den man mit allem nicht mehr Brauchbaren füllen kann. Ausserhalb des Zimmers befindet sich eine Mülltonne. Versuchen Sie diesen Vergleich in der folgenden Aufgabe zu übernehmen. Aufgabe E1.1 Ordnen Sie die Begriffe Ultrafiltration, Reabsorption, Sekretion und Miktion (Ausscheidung über die Harnblase) den folgenden Tätigkeiten zu: 1. Man kippt sämtliche Bestandteile der Wühlkiste in einen Eimer. 2. Jetzt werden die nützlichen Bestandteile der Wühlkiste wieder aus dem Eimer in das Zimmer gelegt. 3. Man gibt wieder gezielt Teile aus dem Zimmer in den Eimer. 4. Der Inhalt des Eimers wird in die Mülltonne gekippt. Um die Vorgänge innerhalb der Niere zu verstehen, müssen Sie sich über den Begriff „Osmolarität“, den Sie sicher auch schon in anderen Zusammenhängen gehört haben, klar werden. 68 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Ein erster Exkurs: Recycling oder auf den Müll? Die Niere Betrachten Sie dazu die von Ihrer Lehrkraft präparierten Hühnereier und erklären Sie die Volumenzu- bzw. –abnahme der Eier. Die einzelnen Regionen des Nephrons sollen nun im Folgenden dargestellt und ihre Funktionen erklärt werden. Gehen Sie dazu Abbildung E1.2 während dieses Kapitels immer wieder genau durch und ordnen Sie die Abbildungen E1.3 bis E1.5 dem entsprechenden Nephronabschnitt zu. 69 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Ein erster Exkurs: Recycling oder auf den Müll? Die Niere distaler Tubulus proximaler Tubulus Blutzufluss 300 NH3 Blutabfluss H + + K+ Na H2O Cl HCO3 100 100 300 300 K+ 200 400 Na+ Cl Glomerul us 300 H2O Na+ Cl HCO3 300 400 400 400 absteigender Ast aufsteigender Ast 600 H2O H2O 600 600 Na+ Cl 900 700 900 Harnstoff 1200 H2O Harnstoff 1200 Henle-Schleife passiver Transport Sammelrohr aktiver Transport Abbildung E1.2. Schematische Funktionsweise des Nephrons. Die Zahlen geben die Osmolarität in mosm/L im Nephron (nicht unterstrichen) und der interstitiellen Flüssigkeit (unterstrichen) an. Die Reihenfolge der Transporte innerhalb einer Region sind willkürlich gewählt. Aktive Transportprozesse geschehen unter Aufwendung von Energie, bei passiven Transportprozessen wird keine Energie benötigt. Der Einfachheit halber wurden die Blutkapillaren, die das Nephron umgeben, weggelassen. 70 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Ein erster Exkurs: Recycling oder auf den Müll? Die Niere Jeder einzelne Nephronabschnitt hat seine ganz spezielle Aufgabe. Der proximale Tubulus: Hier werden gezielt Stoffe aus dem Primärharn reabsorbiert, andere wiederum gezielt aufgenommen. Einige Beispiele und ihre Bedeutung sind in der folgenden Tabelle E1.1 zusammengestellt: Sekretion Stoff H Funktion im Körper + Aufrechterhaltung eines konstanten pH-Wertes der Körperflüssigkeiten NH3 Aufrechterhaltung eines konstanten pH-Wertes der Körperflüssigkeiten; Entgiftung Giftstoffe aus der Leber Entgiftung Reabsorption Stoff Funktion im Körper + - Na , Cl Elektrolythaushalt - HCO3 Aufrechterhaltung eines konstanten pH-Wertes der Körperflüssigkeiten Glucose Gluconeogenese Aminosäuren Proteinaufbau + 2+ 3- 2- K , Ca , PO4 , SO4 Elektrolythaushalt Tabelle E1.1: Wichtige reabsorbierte Stoffe aus dem Primärharn im proximalen Tubulus + - + Die wichtigste Funktion des proximalen Tubulus ist die Reabsorption von Na - und Cl -Ionen. Na Ionen diffundieren in die Zellen des Transportepithels im Austausch gegen ein Proton. Von da werden + + Na -Ionen aktiv, d.h. unter ATP-Verbrauch im Austausch mit K -Ionen in die interstitielle Flüssigkeit + gepumpt. Diese Pumpe hält immer einen Na -Ionengradienten zwischen dem Lumen des Tubulus und - der Zelle aufrecht. Damit der Ladungsausgleich gewährleistet ist, diffundieren auch Cl -Ionen vom Tubulusinnern in die interstitielle Flüssigkeit, und Wasser folgt, ebenfalls passiv, aus osmotischen 71 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Ein erster Exkurs: Recycling oder auf den Müll? Die Niere Gründen nach. Die Kalium-Ionen werden anschliessend wieder in die Blutbahn zurück transportiert. So werden 60-70% dieser Ionen und des Wassers aus dem Ultrafiltrat reabsorbiert. Das - ausgetauschte Proton, das sich nun im Tubulusinnern befindet, reagiert mit HCO3 -Ionen zu Wasser und CO2. CO2 diffundiert in die Zelle und reagiert mit Hilfe der Carboanhydratase wieder zu einem - - Proton und einem HCO3 -Ion. HCO3 -Ionen diffundieren nun in die interstitielle Flüssigkeit. Lumen des Tubulus - Cl Zellen H 2O + + Na HCO3 - interstitielle Flüssigkeit; Blutseite H Na + H + Na + K + HCO3 H2CO3 CO2 H 2O H2CO3 selektiver Transport Abbildung E1.3. Transportprozesse im proximalen Tubulus (vgl. Abb. E1.2) ATP-getriebener Transport Diffusion Der absteigende Ast der Henle-Schleife: Dieser Teil des Nephrons ist für Ionen undurchlässig, aber für Wasser völlig permeabel. Da die interstitielle Flüssigkeit von der Rinde zur inneren Markzone immer konzentrierter wird (die Osmolarität nimmt von 300 mosm/L in der Rinde bis zu 1200 mosm/L in der innersten Markschicht zu), wird das Ultrafiltrat aus osmotischen Gründen kontinuierlich entwässert. Der Transport von Wasser erfolgt somit passiv. Dieser Prozess hat zur Folge, dass die Natrium- und Chloridionenkonzentration stark ansteigt. Der aufsteigende Ast der Henle-Schleife: Dieser Teil wird in ein dünnes und ein dickes Segment + - unterteilt. Beide Segmente sind für Na - und Cl -Ionen durchlässig, aber nur wenig für Wasser. Bei der + - Passage des dünnen Segments werden Na - und Cl -Ionen passiv, beim dicken Segment aktiv, d.h. mit Hilfe von Ionenpumpen, in die interstitielle Flüssigkeit abgegeben (Abb. E1.4). In diesem Teil verlassen etwa 30 % der ursprünglich filtrierten Natrium-Ionen das Nephron. Der grosse Unterschied zum proximalen Tubulus ist, dass Natrium-Ionen gleichzeitig zusammen mit Kalium- und zwei ChloridIonen in die Zelle befördert werden. 72 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Lumen Zellen + Ein erster Exkurs: Recycling oder auf den Müll? Die Niere interstitielle Flüssigkeit; Blutseite + Na Na + H H K 2 Cl + Na + K + + + Na K + - Cl Abbildung E1.4. Transportprozesse im dicken Segment der Henle-Schleife selektiver Transport ATP-getriebener Transport Diffusion Der distale Tubulus: Dieser Teil des Nephrons hat ähnliche Aufgaben wie der proximale Tubulus. + + Seine Hauptaufgabe ist die Kontrolle des K - und Na -, sowie des Säure-Base-Haushalts mit Hilfe von - Protonen und HCO3 -Ionen. Nur noch 8 % des filtrierten Natriumchlorids und 10 – 20 % des Wassers werden hier reabsorbiert. Die gleichen Prozesse sind auch noch zu Beginn des Sammelrohrs zu beobachten. Das Sammelrohr: Mehrere Nephrone leiten ihren Inhalt nun zu einem Sammelrohr, das auf seinem Weg zum Nierenbecken noch einmal die innere Markschicht durchquert und wegen des Konzentrationsgradienten die definitive NaCl-Konzentration bestimmt. Das Sammelrohr ist für Wasser, + - aber nicht für Na - und Cl -Ionen durchlässig. Auch hier wird der Urin wieder aus osmotischen Gründen aufkonzentriert. Gegen die innere Markschicht wird das Sammelrohr zusätzlich durchlässig für Harnstoff, der zusammen mit NaCl für die hohe Osmolarität von 1200 mosm/L verantwortlich ist. So ist die Niere in der Lage, die Konzentrationen der darin gelösten Teilchen stark zu variieren. Bei geringer Flüssigkeitsaufnahme wird ein Urin ausgeschieden, der bis vier Mal über der Konzentration des Bluts (290 – 300 mosm/L) liegt. Falls jedoch eine grosse Menge Wasser getrunken wurde, kann die Osmolarität lediglich 70 mosm/L betragen. Die Niere ist also ein äusserst anpassungsfähiges Organ, das für den Wasser- und auch Elektrolythaushalt unabdingbar ist. 73 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Lumen Zellen Ein erster Exkurs: Recycling oder auf den Müll? Die Niere interstitielle Flüssigkeit; Blutseite + Abbildung E1.5. Transportprozesse im distalen Tubulus und zu Beginn des Sammelrohres; Die Diffusion geschieht mit Hilfe von Kanalproteinen Na K + + Na H 2O selektiver Transport ATP-getriebener Transport Diffusion 74 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Ein erster Exkurs: Recycling oder auf den Müll? Die Niere Aufgabe E1.2: Vervollständigen Sie die folgende Tabelle, indem Sie erwähnen, ob es sich beim Vorgang um eine Sekretion, eine Diffusion oder eine Reabsorption handelt. Unterscheiden Sie zusätzlich, falls möglich, zwischen passiven und aktiven Vorgängen: Ort im Nephron Stoff Proximaler Tubulus Na -Ionen Proximaler Tubulus Cl -Ionen Proximaler Tubulus Wasser Proximaler Tubulus Ammoniak (NH3) Proximaler Tubulus Glucose (C6H12O6) Absteigender Ast Wasser Aufsteigender Ast Na -Ionen Aufsteigender Ast K -Ionen Distaler Tubulus K -Ionen Distaler Tubulus Na -Ionen Distaler Tubulus Wasser Sammelrohr Wasser Vorgang + - + + + + 75 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Ein erster Exkurs: Recycling oder auf den Müll? Die Niere LERNKONTROLL EXKURS 1 Aufgabe E1.3 Der pH-Wert des extrazellulären Raums beträgt 7.40. Bereits ab einem pH unter 7.37 spricht man von einer Acidose, also einer krankhaften pH-Wertveränderung nach unten. Bei pHWerten über 7.44 spricht man in der Medizin von einer Alkalose, also einem zu hohen pHWert. 75 % der Pufferkapazität des extrazellulären Raumes übernimmt das CO2 / HCO3Puffersystem: &2+2D+&2D+&2+ Die Lungen sind für die CO2-Konzentration im Körper zuständig, die Nieren für die Hydrogencarbonationenkonzentration. In welchem Teil der Niere wird diese Konzentration reguliert? Wie läuft der genaue zelluläre Mechanismus ab? Aufgabe E1.4 Bei schweren Acidosen im extrazellulären Raum produziert die Niere viel mehr Ammoniak (NH3) als unter normalen Umständen und scheidet ihn in das Innere des Nephrons aus. Bei schweren Alkalosen hingegen kann die Ammoniakproduktion zum Erliegen kommen. Begründen Sie diese Tatsache. Aufgabe E1.5 Welcher Teil der Niere ist geschädigt, wenn im Urin eine erhöhte Proteinausscheidung messbar ist (sogenannte Proteinurie)? Aufgabe E1.6 Die Henle-Schleife ist nicht bei allen Säugern gleich lang. Wie lang ist im Vergleich zur menschlichen Niere die Henle-Schleife eines Känguruhs bzw. eines Bibers? Welche Konsequenzen hat diese unterschiedliche Länge auf den Urin? 76 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Exkurs 2: Hormone bestimmen wie oft wir auf die Toilette rennen müssen EIN ZWEITER EXKURS: HORMONE BESTIMMEN, WIE OFT WIR AUF DIE TOILETTE RENNEN MÜSSEN Inhalt EIN ZWEITER EXKURS: HORMONE BESTIMMEN, WIE OFT WIR AUF DIE TOILETTE RENNEN MÜSSEN 77 i) Aldosteron und Angiotensin ΙΙ 78 ii) Vasopressin 80 iii) Natriuretisches Atriumpeptid (ANF) 81 iv) Zusammenfassung 82 LERNKONTROLLE ZWEITER EXKURS 84 Lernziele 1. Sie kennen alle für die Nieren relevanten Hormone 2. Sie wissen, welche Auswirkungen die entsprechenden Hormone auf den Wasserhaushalt haben 77 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Exkurs 2: Hormone bestimmen wie oft wir auf die Toilette rennen müssen Die Steuerung des Wasserhaushalts geschieht mit drei unterschiedlich wirkenden Hormonen: Aldosteron gekoppelt mit Angiotensin ΙΙ, Vasopressin und das natriuretische Atriumpeptid (ANF). 1 2 Diese Hormone sind gleichzeitig auch verantwortlich für den Natrium- und Kaliumhaushalt. Gehen Sie jedes Hormon oder Hormonsystem sorgfältig durch. Aldosteron, Angiotensin II und Vasopressin vermindern die Wasserausscheidung, während sie vom natriuretischen Atriumpeptid erhöht wird. i) Aldosteron und Angiotensin ΙΙ Bei diesem Hormonsystem spielen viele Substanzen zusammen, damit eine Antwort des Körpers erfolgen kann. Vergleichen Sie jede Aussage im folgenden Abschnitt mit der Abbildung E2.2. So können Sie sich immer im System orientieren. JODWWH 0XVNXODWXU $&( O OH CH2 OH CH C O 1HEHQQLHUH $QJLRWHQVLQ,, O Abbildung E2.1. Aldosteron 5HQLQ 1LHUH Aldosteron ist das beim Menschen wichtigste 5HL] Mineralcorticoid. Vergleichen Sie seine Struktur mit den Sexualhormonen im Modul I Kapitel 1. Ausgeschüttet wird Aldosteron bei einem Absinken der /HEHU Natrium- bzw. einem Anstieg der Kaliumionenkonzentration im Blut, oder bei der Abnahme der extrazellulären Flüssigkeit. Von Abbildung E2.2. Das Renin-AngiotensinAldosteron-System (RAAS). Erklärungen siehe Text besonderer Bedeutung Aldosteronausschüttung 3 ist für das die Renin- Angiotensin-System . Die Protease Renin wird von 1 Auch antidiuretisches Hormon (ADH) oder Adiuretin genannt. Auch Auriculin, Atriopeptin oder atrialer natriuretischer Faktor (ANF) genannt. 3 Auch Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) genannt. 2 78 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Exkurs 2: Hormone bestimmen wie oft wir auf die Toilette rennen müssen den Nieren aufgrund einer gesunkenen Natriumionenkonzentration in der extrazellulären Flüssigkeit oder einem tiefen Blutdruck in die Blutbahn ausgeschüttet. Dort spaltet sie vom Angiotensinogen, ein hauptsächlich von der Leber produziertes Protein, das Decapeptid Angiotensin Ι ab. Durch eine weitere Peptidase (Angiotensin-Konversionsenzym: ACE) werden vom Angiotensin Ι zwei weitere Aminosäuren abgespalten, so dass das Octapeptid Angiotensin ΙΙ entsteht. Angiotensin ΙΙ ist wesentlich an der Blutdruckregulation beteiligt und stellt den grössten Stimulus für die Aldosteronsekretion in den Nebennieren dar. Es hat also die zwei Funktionen, dass es einerseits direkte Stoffwechselvorgänge auslöst, andererseits die Ausschüttung eines weiteren Hormons bewirkt. Angiotensin ΙΙ stimuliert die Zellen des proximalen Tubulus, vermehrt Natrium-Ionen und somit osmotisch auch Wasser aufzunehmen und diese zwei Substanzen in die interstitielle Flüssigkeit weiterzuleiten (vgl. Abb. E1.3). Dies vermindert die Ausscheidung dieser zwei Substanzen im Harn, was eine Zunahme des Blutvolumens und des Blutdrucks bewirkt. Neben Angiotensin II wirkt auch Aldosteron auf die Zellen des distalen und proximalen Tubulus, indem es via Transkription die Biosynthese der Natriumkanäle und der NaK-ATPase erhöht. Zusätzlich werden einige Enzyme des Citratcyklus vermehrt gebildet, damit genügend ATP für die NaK-ATPase zur Verfügung steht. Somit werden vermehrt Natrium-Ionen und folglich auch Wasser reabsorbiert. Unter entsprechenden Umständen kann die durch die Natriumreabsorption ausgelöste Wasserreabsorption eine Ödembildung im Körper zur Folge haben. Lumen des A R Nephrons Zellkern R A Na+ R mRNA A Blutseite Mitochondrium Na+ Proteinbiosynthese K+ Zelle Abbildung E2.3. Aldosteronwirkung. Aldosteron (A) bindet an seinen Rezeptor (R). Zusammen stimulieren sie, nach einer Konformationsänderung, im Zellkern die Transkription gewisser Gene, die verantwortlich sind für die Biosynthese von Kanalproteinen und Proteine für den Citratcyklus, damit genügend ATP für die NaK-ATPase vorhanden ist. 79 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Exkurs 2: Hormone bestimmen wie oft wir auf die Toilette rennen müssen Aufgabe E2.1: Welche Substanzen sind am RAAS beteiligt? Welche davon wirken direkt auf die Niere? Was sind die Folgen dieses Systems auf den ganzen Körper? ii) Vasopressin Auch Vasopressin wirkt wie Aldosteron antidiuretisch, d.h. es vermindert die Wasserausscheidung. Vasopressin wird im Hypophysenhinterlappen bei einer Zunahme der Serumosmolarität produziert. Seine Wirkung erfolgt durch eine Wasserrückresorption im Sammelrohr, indem es den Transport von 4 Wasser- und Natriumionenkanälen an die Zelloberfläche auslöst. Das Resultat ist eine erhöhte Aufnahme von Wasser aus dem Sammelrohr ins Blut. Nicotin und Morphin stimulieren die Ausschüttung von Vasopressin, Ethanol dagegen hemmt seine Ausschüttung, was zu einem erhöhten Wasserverlust über die Nieren führt. Einige der Symptome des Alkoholkaters sind auf diese Entwässerung zurückzuführen. Ein Mangel an Vasopressinsekretion kann zu einer erhöhten Wasserausscheidung führen, wobei der Harn stark verdünnt ist. Im Extremfall können Werte bis 40 L pro Tag beobachtet werden. Vasopressin und Aldosteron haben also ähnliche Wirkungen, ihr Stimulus ist jedoch verschieden. Bei einem Wasser- und Salzverlust infolge von Durchfall bleibt die Osmolarität gleich, d.h. keine Ausschüttung von Vasopressin, da aber die extrazelluläre Flüssigkeit abnimmt, wird in diesem Fall Aldosteron ausgeschüttet. 4 Obwohl Wasser die meisten Membrane durch Diffusion überwinden kann, gibt es einige spezialisierte Zellen wie die Nierenepithelien und die Erythrocyten (rote Blutkörperchen), die zusätzlich Proteinporen besitzen, die als Wasserkanäle dienen. Mit diesen sogenannten Aquaporinen wird der Wassertransport durch die Zellmembran erleichtert. 80 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Exkurs 2: Hormone bestimmen wie oft wir auf die Toilette rennen müssen V R Lumen des Nephrons A Blutseite R V ATP A cAMP H2O Zelle Abbildung E2.4. Vasopressinwirkung. Vasopressin (V) bindet an seinen Rezeptor (R), der mit einer Adenylatcyklase (A) assoziiert ist. Die Bindung bewirkt die Produktion des „second messengers“ cAMP, der über mehrere Zwischenschritte einen Transport von Wasserkanälen, die in Vesikeln bereit stehen, an die Zelloberfläche bewirkt. Aufgabe E2.2 Stellen Sie die Reize und der Mechanismus von Vasopressin und dem RAAS einander gegenüber. iii) Natriuretisches Atriumpeptid (ANF) Bis jetzt haben Sie zwei Hormonsysteme kennengelernt, die eine ähnliche Wirkung auf die Niere erzielen. Nun werden Sie aber auch noch den erst seit kurzem bekannten Antagonisten kennenlernen. Natriuretisches Atriumpeptid (ANF) wird von Muskelzellen im rechten Vorhof des Herzens synthetisiert. Durch eine Kochsalz- oder Volumenbelastung des Bluts steigt die Vorhofdehnung und damit auch der Vorhofdruck. Dieser Reiz bewirkt die Ausschüttung des ANF. Die Natriumrückresorption im distalen und proximalen Tubulus wird gehemmt. Zusätzlich wird die Aldosteronausschüttung unterbrochen, indem ANF direkt auf die Nebennierenrinde wirkt. Ausserdem wird auch die Reninfreisetzung vermindert. 81 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Exkurs 2: Hormone bestimmen wie oft wir auf die Toilette rennen müssen iv) Zusammenfassung Angiotensin-Aldosteron und Vasopressin sind Hormone zur Wasser- und Elektrolyteinsparung, ihr Antagonist dabei ist das ANF. Aufgabe E2.3: Vervollständigen Sie die folgende Abbildung (E2.5) mit den richtigen Hormonen und Peptiden: 82 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Exkurs 2: Hormone bestimmen wie oft wir auf die Toilette rennen müssen Abnahme der Plasmaosmolarität Absinken der Natriumkonzentration Ansteigen der Kaliumkonzentration Anstieg des Plasmavolumens ?????? ?????? Wasser- und Na -Ausscheidung + Filtration im Glomerulus peripherer Gefässwiderstand ?????? ?????? ?????? Natriumverlust Hemmt Stimuliert Abbildung E2.5: Wechselwirkung der am Wasser- und Elektrolythaushalt beteiligten Hormone 83 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Exkurs 2: Hormone bestimmen wie oft wir auf die Toilette rennen müssen LERNKONTROLLE ZWEITER EXKURS Aufgabe E2.4 Eine besonders hohe Konzentration von Aldosteronrezeptoren findet man neben der Niere auch in den Schweissdrüsen und dem Darm. Begründen Sie diesen Befund. Aufgabe E2.5 ANF hat in der Niere direkt folgende Auswirkungen: a) Erhöhte Filtrationsrate im Glomerulus. b) Die Na+-Ionen-Reabsorption wird gehemmt. c) Die Aldosteronfreisetzung in der Nebennierenrinde ist gehemmt. d) Renin wird kaum mehr ausgeschüttet. e) Die Ausschüttung von Vasopressin ist ebenfalls gehemmt. Geben Sie bei jedem Punkt an, was die Folgen sind. Aufgabe E2.6 Welche Symptome erwarten Sie bezüglich der Aufgabe der Niere bei den folgenden Erkrankungen? a) Eine durch Krebs ausgelöste Überfunktion der Nebennierenrinde erhöht die Aldosteronausschüttung. b) X-chromosomal vererbter „Diabetes insipidus“ hat zur Folge, dass keine Vasopressinrezeptoren am Nephron sind. Aufgabe E2.7 Durch eine schwere Durchfallerkrankung geht dem Körper viel Wasser mit den darin gelösten Ionen verloren. Wie reagieren die drei Hormonsysteme auf diesen Verlust? 84 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Hilfe beim Wasser lösen - Diuretika 1 HILFE BEIM WASSER LÖSEN – DIURETIKA Inhalt 1 HILFE BEIM WASSER LÖSEN – DIURETIKA 85 1.1 Diuretika – Übersicht und Unterteilung 86 1.2 Wirkung der Diuretika 87 1.2.1 Osmotische Diuretika 88 1.2.2 Diuretika vom Sulfonamid-Typ 88 1.2.2.1 1.2.2.2 1.2.2.3 1.2.3 88 89 92 Kaliumsparende Diuretika 1.2.3.1 1.2.3.2 1.2.4 1.3 Carboanhydratase-Hemmer Thiazid-Diuretika Schleifen-Diuretika 95 Aldosteron-Antagonisten Cycloamidin-Derivate 95 96 Xanthin-Derivate 97 Anwendung der Diuretika im Sport 100 LERNKONTROLLE KAPITEL 1 103 Lernziele 1. Sie kennen die Diuretikaklassen und ihre Wirkungen im Nephron 2. Sie wissen, welche Proteine vom jeweiligen Diuretikum (sing. von Diuretika) beeinflusst wird 3. Sie kennen die chemische Struktur von mindestens einem Diuretikum pro Klasse 85 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Hilfe beim Wasser lösen - Diuretika 1.1 Diuretika – Übersicht und Unterteilung Informieren Sie sich unter www.dopinginfo.ch über die Klasse der Diuretika Als Diuretika werden Stoffe bezeichnet, die eine erhöhte Harnausscheidung (Diurese) zur Folge haben. Bewirken Sie zusätzlich auch eine erhöhte Salzausscheidung, spricht man von Saluretika. Sie wirken, im engeren Sinn, direkt auf die Niere ein. Die Diuretika werden in der Medizin bei Ödemen, zu 1 hohem Blutdruck, bei Herzmuskelschwäche und bei einem Schock eingesetzt. Im letzten Fall besteht die Gefahr, dass die Niere ihre Harnproduktion einstellt, was mit einem Diuretikum verhindert werden soll. Da alle Diuretika eine erhöhte Urinausscheidung zur Folge haben, werden sie auch bei Vergiftungen eingesetzt, damit der Giftstoff möglichst rasch wieder ausgeschieden wird. Als Nebenwirkungen entstehen möglicherweise Thrombosen, da das Blut „eingedickt“ wird. Eine längere Anwendung von Diuretika kann auch zu einem Kollaps führen, da die Abnahme des Blutvolumens zu einem Blutdruckabfall führt. Alle Diuretika hemmen die Reabsorption von Natrium-Ionen, und so indirekt auch von Wasser. Als Angriffspunkte kommen somit sämtliche Regionen des Nephrons in Frage, in denen Natrium, meist im Austausch gegen Kalium-Ionen oder Protonen, reabsorbiert wird. Die Diuretika werden einerseits nach ihrer chemischen Struktur, andererseits nach ihrem Wirkungsort oder Wirkungsart eingeteilt: • Osmotische Diuretika: • Diuretika vom Sulfonamid-Typ: Enthalten alle eine Sulfonamidgruppe (-SO2NH2) - Carboanhydratase-Hemmer: Acetazolamid - Thiazid-Diuretika: Hydrochlorothiazid, Chlortalidon, Trichlormethiazid, Butizid, Mannit, Sorbit Bendroflumethiazid, Indapamid - Schleifen-Diuretika: Furosemid, Piretanid, Azosemid, Torasemid, Etacrynsäure, Etozolin • Kalium-sparende Diuretika - Aldosteron-Antagonisten: Spironolacton und Canrenon - Cycloamidin-Derivate: Triamteren und Amilorid • Xanthin-Derivate: Coffein, Theophyllin, Theobromin 1 Das extrazelluläre Volumen nimmt ab, und dadurch auch das Blutangebot an das Herz → keine Ödeme 86 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Hilfe beim Wasser lösen - Diuretika 1.2 Wirkung der Diuretika Im folgenden werden immer wieder Hinweise auf Abbildungen des ersten Exkurses („Die Niere“) gemacht. Vergleichen Sie jeweils die Angriffsorte der Diuretika mit dem ungestörten Ablauf in der Niere. Wie schon erwähnt wurde, wirken alle Diuretika direkt auf die Niere. Die Orte innerhalb des Nephrons, an denen die Substanzen aktiv werden, sind jedoch unterschiedlich (Abb. 1.1). osmotische Diuretika Kaliumsparende Stoffe ACEHemmer Thiazide Carboanhydratase -Hemmer XanthinDerivate SchleifenDiuretika Abbildung 1.1. Wirkungsorte der Diuretika innerhalb des Nephrons. Vgl. dazu Abb. E1.2 87 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Hilfe beim Wasser lösen - Diuretika Jede Diuretikaklasse wird im folgenden nun vorgestellt. Neben dem Angriffsort finden Sie auch die Strukturen dieser Diuretika. Versuchen Sie sich die wichtigsten Strukturmerkmale der einzelnen Klassen zu merken. Je nach Angriffsort innerhalb des Nephrons entwickeln die Diuretika eine andere Wirkung. 1.2.1 Osmotische Diuretika Diese Klasse von Diuretika, meist Polyalkohole, die unter CH2OH anderem auch als künstliche Süssstoffe eingesetzt werden, wirkt vor allem auf den proximalen Tubulus. Da die Zellen HO C H keine Transportmechanismen für diese Polyalkohole haben, HO C H CH2OH H C OH HO C H müssen sie mittels Infusion in die Blutbahn verabreicht H C OH H C OH werden. Nach ihrer Aufnahme über den Glomerulus in das H C OH H C OH CH2OH CH2OH Nephron binden sie osmotisch Wasser, d.h. Wasser wird zum Lösen dieser zwei Diuretika verwendet und kann deshalb nicht + dem Na -Ion folgen. Die Natriumionenkonzentration im Urin nimmt deshalb ab, was wiederum zur Folge hat, dass die Abbildung 1.2. Lewis-Formeln von Mannit (rechts) und Sorbit (links), zwei osmotische Diuretika + Reabsorption von Na im Laufe der Zeit vermindert wird. Das Resultat der osmotischen Diurese ist ein grosses Volumen verdünnten Harns. In der Medizin sind heute an Stelle der osmotischen Diuretika meist Schleifen-Diuretika getreten. 1.2.2 Diuretika vom Sulfonamid-Typ 1.2.2.1 Carboanhydratase-Hemmer Diese Diuretika wirken auf das Enzym Carboanhydratase im proximalen Tubulus (vgl. Abb. 1.1 und 2 dazugehörigen Text). Bei einer Hemmung der Carboanhydratase wird deshalb indirekt die Natriumreabsorption gehemmt. Dies wiederum hat eine verminderte Wasserreabsorption zur Folge. - Da auch die Ausscheidung von HCO3 -Ionen gefördert wird, besteht die Gefahr, dass der pH-Wert des 3 - Blutes zu stark sinkt : weniger HCO3 -Ionen gelangen ins Blut und damit werden weniger Protonen abgefangen. Als wichtiges Strukturmerkmal der Carboanhydratase-Hemmer ist die an einem aromatischen Ringsystem gebundene Sulfonamidgruppe (SO2NH2). 2 Bei einer Hemmung tritt meistens eine Konformationsänderung, d.h. eine Änderung der dreidimensionalen Gestalt des betreffenden Proteins ein. Dadurch wird es funktionsunfähig. 3 Azidose 88 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Lumen Hilfe beim Wasser lösen - Diuretika interstitielle Flüssigkeit; Blutseite Zellen Cl- H2O Na+ HCO3- Na+ H+ Na+ H+ K+ CH3 N N HCO3 H2CO3 CO2 H2O O NH S H2CO3 O S NH2 O Abbildung 1.3: Wirkungsort der Carboanhydratasehemmer, wie z.B. Acetazolamid; vgl. dazu auch Abb. E1.3 1.2.2.2 Thiazid-Diuretika Da die Carboanhydratasehemmer bei einer Dauerbehandlung nicht befriedigende Resultate lieferten, waren Forscherteams auf der Suche nach wirksameren Stoffen. Der Erfolg stellte sich ein, als man in o-Stellung der Sulfonamidgruppe einen elektronenziehenden Substituenten einfügte, und zur Gruppe der Thiazide kam. Die Thiazid-Diuretika haben einen Einfluss auf den frühen und mittleren Bereich + - des distalen Tubulus, wo sie einen Na , Cl -Cotransport hemmen. Diese Klasse von Diuretika bewirkt + - + 2+ also eine erhöhte Ausscheidung von Na - und Cl -Ionen, aber auch von K - und Mg -Ionen. Da nun weniger Natrium-Ionen reabsorbiert werden, kann auch kein Wasser nachfolgen. Der Grund liegt in der osmotischen Wirkung dieser Ionen. Wasser diffundiert über eine Zellmembran immer in den Raum, in dem die grössere Elektrolytkonzentration herrscht. Bleiben die Ionen nun im Lumen des Nephrons, bleibt auch das Wasser zurück und wird über den Harn ausgeschieden. 89 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Lumen Hilfe beim Wasser lösen - Diuretika interstitielle Flüssigkeit; Blutseite Zellen ClNa+ Abbildung 1.4: Wirkungsort der Thiazide, wie z.B. Hydrochlorothiazid Cl NH HN O S S O O NH2 O Von den Thiazid-Diuretika sind folgende Stoffe auf dem Markt: 5 1+ Thiazide +12 6 2 6 5 1+ 2 R1 R2 Name -H -Cl Hydrochlorothiazid -CHCl2 -Cl Trichlormethiazid -Cl Butizid -CF3 Bendroflumethiazid -Cl Bemetizid &+ &+ &+ &+ &+ &+ &+ 90 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Hilfe beim Wasser lösen - Diuretika &O 5 Thiazid-Analoga +12 6 62 1 &+ &+ 5 -H Mefrusid -H Chlortalidon -OH Xipamid -H Clopamid -H Indapamid 2 &+ 2 +1 2+ 2 & + & 1+ + & 2 & + & 1+ 1 + & &+ 2 & 1+ 1 Tabelle 1.1. Thiazid-Analoga Suchen Sie unter www.kompendium.ch Medikamente, in denen einige dieser Stoffe vorkommen. 91 MODUL II: Missbrauchte Medikamente 1.2.2.3 Hilfe beim Wasser lösen - Diuretika Schleifen-Diuretika Lumen Zellen interstitielle Flüssigkeit; Blutseite Diese Klasse von Diuretika kann oral eingenommen werden. Sie entfalten ihre Wirkung zwischen 30 Minuten und 4 Stunden. Ihr diuretischer Effekt ist Na+ also kurz, aber heftig. Sie wirken am K+ dicken Teil des aufsteigenden Asts der + 2 Cl + Henle-Schleife, indem sie den Na , K , K+ - Na+ Cl -Cotransport hemmen. Mehr als K+ 30 % der in das Nephron filtrierten Cl Natrium-Ionen können damit zur Ausscheidung gebracht werden. Wie CH2 NH O bei den Thiaziden erfolgt auch hier Cl O HOOC S zusätzlich eine erhöhte Ausscheidung NH2 - + 2+ von Cl -, K - und Mg -Ionen und O 2+ zusätzlich auch noch von Ca -Ionen, eine „Spezialität“ für diese Klasse von Abbildung 1.5: Wirkungsort der Schleifen-Diuretika, wie z.B. Furosemid; vgl. dazu auch Abb. E1.4 Diuretika. Auch Wasserreabsorption hier wird wieder die aus osmotischen Gründen gehemmt. Die Schleifen-Diuretika können unterteilt werden in solche vom Furosemid-Typ und sonstige (vgl. Tab. 1.2). Diejenigen, die nicht zum Furosemid-Typ gehören, sind Etacrynsäure und Etozolin. Ihre Wirkungen sind alle gleich, jedoch zeigt Etacrynsäure als Nebenwirkung irreversible Zellschwellungen und reversible Hörschäden auf. Etozolin wird durch Esterspaltung in die Wirksubstanz Ozolinon überführt, was zur Folge hat, dass Etozolin seine Wirkung etwas später entfaltet. Die Wirkungsweise von Ozolinon ist noch nicht genau geklärt. Von den Schleifen-Diuretika sind folgende Stoffe auf dem Markt: 92 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Hilfe beim Wasser lösen - Diuretika Struktur Name Furosemid-Typ Furosemid &O 1+ +12 6 &+ 2 &22+ Azosemid &O 1+ &+ 1 + 12 6 +1 1 6 1 Piretanid 1 2 +12 6 &22+ Torasemid &+ 1+ 1 2 &+ 62 1+ & 1+ &+ &+ 93 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Hilfe beim Wasser lösen - Diuretika Sonstige Etacrynsäure + & &+ + & & & 2 &O &O 2 &+ &22+ Etozolin 2 1 1 6 &+ &+ & 2&+ 2 Tabelle 1.2. Schleifen-Diuretika 94 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Hilfe beim Wasser lösen - Diuretika 1.2.3 Kaliumsparende Diuretika Die bis jetzt besprochenen Diuretika bewirken alle, z.T. als unerwünschten Nebeneffekt, zusätzlich eine erhöhte Kaliumionenausscheidung. Ein zu grosser Kaliumionenverlust kann zu Muskelschwäche, gastrointestinalen Beschwerden, Apathie und Störungen der Herzfunktion führen. Deshalb gibt es + neben diesen die kaliumsparenden Diuretika, die die Ausscheidung von K -Ionen verringern können. Kaliumsparende Diuretika werden bei Patienten meist in Kombination mit Schleifen-Diuretika verabreicht. Der Grund, dass weniger Kalium-Ionen ausgeschieden werden, liegt im Ort ihres Angriffs im Nephron. In diesen Nephronabschnitten ist die Reabsorption der Elektrolyte weitgehend abgeschlossen, und es geschieht nur noch eine Feinregulierung (vgl. Abb. 1.1). Unterteilt werden die kaliumsparenden Diuretika nach ihrer Wirkungsweise in die Aldosteron-Antagonisten und die Cycloamidin-Derivate. 1.2.3.1 Aldosteron-Antagonisten + + Aldosteron fördert die Reabsorption von Na - im Austausch gegen K -Ionen (vgl. Exkurs 2 bzw. Abbildungen E2.2 und E2.3). Dies erfolgt durch eine erhöhte Proteinsynthese für die entsprechenden Membranproteine. Die Aldosteron-Antagonisten Spironolacton, Canrenon und Kaliumcanreonat können nun die Rezeptoren für Aldosteron besetzen, ohne weitere Reaktionen in Gang zu setzen. Sie haben so einen hemmenden Effekt auf Aldosteron. Ihre volle Wirkung entfalten sie aber erst nach mehrtägiger Zufuhr, da eine Abnahme der Proteinsynthese erst bemerkbar ist, wenn die alten Proteine ausgedient haben. Spironolacton wird im Körper zu Canreon metabolisiert. Nebenwirkungen können, ähnlich einem zu grossen Kaliumverlust, eine Hyperkaliämie, was sich in Muskelschwäche, gastrointestinalen Beschwerden, Apathie und Nierenfunktionsstörungen äussert, Hautausschlag, Stimmveränderungen, Brustbildung und Potenzstörungen bei Männern, fehlen der monatlichen Blutung, verstärkte Sexual-, Körper- und Gesichtsbehaarung und Spannungsgefühlen in den Brüsten bei Frauen sein. Die meisten Nebenwirkungen sind auf die Steroidstruktur der Diuretika zurückzuführen. 95 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Hilfe beim Wasser lösen - Diuretika 2+ 2 + &+ 2 2 &+2+ & 2 + + + + + + + 6 2 2 $OGRVWHURQ & &+ 2 6SLURQRODFWRQ 2 &22 . 2 2+ + + + + + 2 + 2 &DQUHQRQ .DOLXPFDQUHQRDW Abbildung 1.6. Aldosteron und seine Antagonisten 1.2.3.2 Cycloamidin-Derivate Triamteren und Amilorid hemmen am Ende des distalen Tubulus und am Anfang des Sammelrohrs + + einen Na -, H -Antiport, der sich auf der Zellwand befindet, die dem Urin zugewandt ist. Zusätzlich bewirken sie eine Blockade der Natriumkanäle in diesem Teil des Nephrons. Nebenwirkungen sind gastrointestinale Beschwerden und Schwindelgefühle. 96 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Hilfe beim Wasser lösen - Diuretika Lumen Na+ H+ interstitielle Flüssigkeit; Blutseite Zellen Na+ H+ Na+ K+ Na+ H2O 1 + 1 1 1+ 1 1 1+ + 1 +1 & +1 + 1 & 2 7ULDPWHUHQ 1 1+ 1 &O $PLORULG Abbildung 1.7. Wirkungsort der Cycloamidin-Derivate; vgl. dazu Abb. E1.5 1.2.4 Xanthin-Derivate Die Xanthin-Derivate bewirken eine erhöhte Primärharnbildung im Glomerulus. Allein dieser Umstand führt bereits zu einer erhöhten Harnbildung. Da sie zusätzlich die Durchblutung der Niere fördern, wird der Konzentrationsgradient innerhalb der Niere herabgesetzt, weil die im Nierenmark gelösten Stoffe vom Blut abtransportiert werden. Diese Abnahme des Konzentrationsgradienten hat eine Verminderung der Reabsorption zur Folge. Koffein (= Thein) kommt in Kaffeebohnen (1-2%), Teeblätter (2-5%), Guarana (2.5 - 5%) und der Kolanuss (2%) vor, Theobromin in der Kakaobohne (1.5 - 3%) und Theophyllin wird in geringen Mengen in Teeblätter gefunden. 97 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Hilfe beim Wasser lösen - Diuretika 2 2 2 + & 1+ +1 1+ 1+ 2 1+ 1 &+ .RIIHLQ 2 2 1+ 1 1 1 2 ;DQWKLQ + & &+ 1 1 +1 1+ 2 &+ 1 1+ &+ &+ 7KHRSK\OOLQ 7KHREURPLQ Abbildung 1.8. Natürlich vorkommende Xanthin-Derivate 98 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Hilfe beim Wasser lösen - Diuretika Aufgabe 1.1 Vervollständigen Sie die folgende Tabelle 1.3: Diuretika-Klasse Angriffsort im Nephron Osmotische Diuretika Carboanhydratase-Hemmer Thiazid-Diuretika Schleifen-Diuretika Aldosteron-Antagonisten Cycloamidin-Derivate 99 Strukturmerkmal MODUL II: Missbrauchte Medikamente Hilfe beim Wasser lösen - Diuretika Xanthin-Derivate Tabelle 1.3. siehe Aufgabe 1.1 1.3 Anwendung der Diuretika im Sport Diuretika sind seit 1988 auf der Dopingliste, und werden im Sport aus folgenden Gründen eingesetzt: - Zur Gewichtsreduktion in Sportarten mit Gewichtsklassen, damit der Sportler oder die Sportlerin in einer tieferen Gewichtsklasse starten kann. - Durch den Einsatz von Diuretika am Wettkampfende können andere Dopingsubstanzen vertuscht werden. Die Nachweismöglichkeiten werden dadurch erschwert, da Urin entsprechend verdünnt wird. Dies wird in der Zwischenzeit dadurch erschwert, dass die Dichte des Urins 1.01 nicht unterschritten werden darf. - Zur besseren „Definition“ von Bodybuildern, d.h. zur Wasserausschwemmung, um so eine bessere Darstellung des Muskelreliefs zu erhalten. Zudem hat sich bei Sprintern und Hochspringern die Praxis einer raschen Gewichtsreduktion verbreitet. Ein Experiment mit 25 Sportlern ergab, dass Entwässerung durch Diuretika keinen negativen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit hatte. Jedoch kam es im Standhochsprung und bei 4 Seriensprüngen zu einer signifikanten Verbesserung der Leistung . Diuretika werden zur Gewichtsreduktion, zur Vertuschung anderer Dopingmittel und zur Darstellung der Muskeln verwendet. 4 Viitasalo et al. (1987), Int. J. Sports Med. 8, p. 281-285 100 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Hilfe beim Wasser lösen - Diuretika Auf Diuretika positive Urinproben bildeten zusammen mit den Narkotika eher die Ausnahme. Ende der achtziger Jahre nahmen die Diuretika in Deutschland mit durchschnittlich 4% aller positiven Urinproben den letzten Platz ein (Peptidhormone wurden noch nicht getestet). Gefunden wurde vor allem Furosemid gefolgt von Hydrochlorthiazid und Canreon. In der Zwischenzeit nehmen die Diuretika jedoch den dritten Platz hinter den Wachstumshormonen und den anabolen Steroiden ein. Die stark wirkenden Schleifendiuretika führen zu einer Gewichtsreduktion von 1 bis 3 kg innerhalb weniger Stunden. Dies kann aufgrund einer abrupten Änderung der Elektrolytzusammensetzung zu Magenbeschwerden, Erbrechen, Durchfällen und Muskelkrämpfen führen. Zudem können bei Männern Impotenz und bei Frauen Störung der Monatsblutung auftreten. Ein Gewichtsverlust von 3% des Körpergewichts innerhalb 24 Stunden kann auch zu einer Überhitzung des Körpers führen, da er die Fähigkeit, die Körpertemperatur zu regulieren, verliert. Zudem kann es zu Herzrhythmusstörungen und schlussendlich zum Tod führen. So starben 1980 innerhalb weniger Wochen gleich zwei Bodybuilder an den Folgen des Diuretikamissbrauchs. Aber auch der Tod mehrerer Jockeys wird auf den Missbrauch von Diuretika vermutet. Jockeys hungern, besuchen oft die Sauna und verwenden Diuretika um möglichst leicht zu sein. Vor allem die Kombination eines Saunabesuchs mit Diuretika, kann besonders gefährlich sein. An den olympischen Sommerspielen in Sydney 2000 wurden im Gewichtheben Isabela Dragneva, Sevdalin Mintschew und Iwan Iwanow, alle aus Bulgarien, positiv auf Diuretika getestet. Weiter wurden die kasakstanische Schwimmerin Yevgniya Yermakova und die bulgarischen Kayakfahrer Petar Merkov und Marian Dimitrov positiv auf Diuretika getestet. Die verhältnismässig lange Liste der Dopingsünder in Sydney führen die Bulgaren und Rumänen an. Dies führte in der „Neuen Zürcher Zeitung“ (NZZ) zu den Fragen: „Trugen Rumänen wie Bulgaren dem verbesserten und umfassender gewordenen Kontrollsystem zu wenig Rechnung? Oder fehlen ihnen nicht einfach die Mittel, um die medizinische Forschung auf diesem Gebiet so rasch voranzutreiben wie Verbände reicher Länder?“ Zudem wurden angeblich mehrere positive Dopingproben (12 bis 15) vom US-Leichtathletikverband dem internationalen Leichtathletikverband nicht weitergeleitet. Dies scheint eine gängige Praxis zu sein, wie die NZZ auch über die olympischen Spiele in Barcelona, Atlanta und Seoul schreibt: „Doch wie viele Proben damals vorsorglicherweise direkt in den Schubladen verschwanden, wird sich nie eruieren lassen. Oft hatten sich in der Vergangenheit Mutmassungen um den Denkmalschutz prominenter Athleten und um die Wahrung der mit diesen Athleten verbundenen kommerziellen Interessen seitens der Inhaber von (US-)Fernsehrechten gerankt. Beweisen liess sich nichts.“ Im Januar 2001 wird Walter Hofer, Renndirektor des Weltskiverbands, mit den Sätzen „Die Sportart hat ihre Unschuld verloren.“ und „So ein Scheisskerl, der macht alles kaputt.“ zitiert. Kurz zuvor wurde bekannt, dass der russische Skispringer Dimitri Wassiljews positiv auf Diuretika getestet wurde. Der erste offizielle Dopingfall in der Geschichte des Skispringens. Wassiljew galt als Entdeckung jenes Winters. Er wurde Zweiter in Garmisch, Dritter in Innsbruck und Sapporo und war Elfter im Weltcup. Für die Einnahme eines Diuretikum im Skispringen gibt es zwei mögliche Gründe: Der deutsche Mannschaftsarzt Ernst Jakob meint, dass es „bei Skispringern Sinn macht, vor dem Springen beispielsweise ein Kilo Körpergewicht zu verlieren“. Durch das reduzierte Gewicht fliegen die Wettkämpfer weiter. Ein weiterer Grund liefert Hans-Georg Aschenbach, 1974 als DDR-Springer 101 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Hilfe beim Wasser lösen - Diuretika Sieger der Vierschanzentournee, jetzt (2001) Sportarzt in Freiburg. Hintergrund für seine Vermutung ist die Tatsache, dass die meisten Skispringer untergewichtig bis magersüchtig sind. So meint er: „Mir stellt sich der Fall Wassiljew so dar: Wie viele andere Skispringer, gerät auch Wassiljew durch ständiges Fasten zeitweilig in ein seelisches Tief.“ Manche Skispringer benützten Psychopharmaka, um sich zumindest für den Wettkampf in die passende Stimmung zu bringen. Möglicherweise, vermutet Aschenbach nun, habe der Russe, sofern er Diuretika nicht einfach zur Gewichtsreduktion schluckte, versucht, unerlaubte Medikamente „aus seinem Körper zu spülen“. Beim Skispringen gab es jedoch schon vor diesem ersten offiziellen Dopingfall Vermutungen, dass unerlaubte Substanzen verwendet werden. So erinnert sich Aschenbach: „Zu meiner aktiven Zeit haben wir in der DDR mit Wachstumshormonen unser Gewicht erhöht, um dann schneller anfahren zu können.“ In StasiProtokollen ist zudem vermerkt, dass auch Jens Weissflog, dreifacher Olympiasieger, zweifacher Weltmeister und vier Mal Sieger der Vierschanzentournee (das letzte Mal in seiner Abschiedssaison 1994), Anabolika verabreicht worden seien, was der allerdings bestritten hat. Die erstmalige Anwendung von Diuretika hat beim Weltskiverband FIS eine Sperre von zwei Jahren zur Folge, im Wiederholungsfall droht eine lebenslängliche Sperre. Kaffee als Dopingsubstanz tritt relativ selten auf. Trotzdem wurden 1997 gleich zwei Personen des Kaffeedopings überführt. Bei der Churer Hochspringerin Sieglinde Cadusch fand man 14.4 mg Koffein pro mL Urin anstelle der erlaubten 12 mg/mL. Die Wettkämpferin nahm das Koffein auf natürliche Weise auf. Sie trank am morgen sechs Tassen Kaffee während sie auf ihren Trainer wartete. Zusätzlich nahm sie am Nachmittag im Wettkampf einen halben Liter Cola zu sich, wie die Schweizer Hochsprung-Rekordhalterin angab. Da keine bösen Absichten hinter diesem Doping waren, beantragte der Schweizerische Leichtathletik-Verband (SLV) einen Freispruch. Der internationale Leichtathletik-Verband IAAF jedoch sperrte sie rückwirkend drei Monate. Caduschs Resultate in dieser Zeitspanne wurden nachträglich gestrichen. Das hatte zur Folge, dass sie ihren mit 1,88 m erzielten Hallenmeistertitel verlor. Im gleichen Jahr wurde auch die Schweizer Degenfechterin Michèle Wolf-Starzynski wegen KaffeeDopings zu sechs Monaten gesperrt. Dadurch musste sie an den in diesem Jahr stattfindenden Weltmeisterschaften fehlen. Auch bei ihr wurde ein um 2 mg/mL Urin zu hohe Koffeinkonzentration gemessen. Ob diese zwei Fälle mit oder ohne Absicht geschehen sind, ist nicht relevant, wie die Sportverbände schrieben. Sobald ein Grenzwert überschritten sei, muss dementsprechend gehandelt werden. Aus diesem Grund wird vor allem auch im Schachsport vor zu vielem Kaffeegenuss gewarnt, da gerade hier die Leistung steigernde Wirkung von Koffein wissenschaftlich bekannt ist. 102 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Hilfe beim Wasser lösen - Diuretika LERNKONTROLLE KAPITEL 1 Aufgabe 1.2: Bei einer krankhaften Leistungsverminderung des Herzens mit Ödemen wird das RAAS aktiviert. Weshalb zeigt bei diesen Patienten Triamteren, ein kaliumsparendes Diuretikum, keine Wirkung? Aufgabe 1.3 Weshalb ist eine Kombination von niedrigen Dosen mehrerer Diuretikaklassen wirksamer, als die hochdosierte Monotherapie mit einem Schleifendiuretikum? Aufgabe 1.4 Die Hemmung der Carboanhydratase durch entsprechende Diuretika verringert die Reabsorption von Natrium-Ionen, da weniger Protonen an das Lumen abgegeben werden. Als Folge davon steigt die Ausscheidung von Na+-, K+- und HCO3--Ionen und somit auch von Wasser an. Welche Nebenwirkungen können Carboanhydratasehemmer haben? Aufgabe 1.5 Aldosteronantagonisten verhindern die Bindung von Aldosteron an seinen Rezeptor. Weshalb entfaltet diese Klasse von Diuretika ihre Wirkung erst nach zwei Tagen Therapie? Aufgabe 1.6 Durch einen Missbrauch von Diuretika können Muskelkrämpfe entstehen. Weshalb? Aufgabe 1.7 Aus welchen Gründen werden Diuretika verbotenerweise im Sport eingesetzt? 103 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Ein dritter Exkurs: AUA - das schmerzt EIN DRITTER EXKURS: AUA – DAS SCHMERZT Inhalt EIN DRITTER EXKURS: AUA – DAS SCHMERZT 104 i) Was steckt da alles unter der Haut? 105 ii) Weiterleitung des Schmerzes 110 iii) Hemmung des Schmerzes 112 LERNKONTROLLE DRITTER EXKURS 115 Lernziele 1. Sie wissen, wie Schmerzen entstehen, und wie sie weitergeleitet werden 2. Sie kennen das körpereigene schmerzhemmende System 104 MODUL II: Missbrauchte Medikamente i) Ein dritter Exkurs: AUA - das schmerzt Was steckt da alles unter der Haut? Schmerzen, so unangenehm sie sein mögen, sind überlebenswichtig, da sie ein Warnsignal des Körpers auf äussere oder innere Defekte darstellen. Dabei spielt vor allem die Haut, von der aus alle äusseren Schmerzen und Empfindungen ihren Anfang nehmen, eine wichtige Rolle. Auf einem etwa 2 3 cm grossen Stück Haut befinden sich ca. 7 Wärmepunkte, 16 Kältepunkte, 100 Druckpunkte, 700 Schmerzpunkte und 14 Meter Nerven. Alle diese „Sensoren“ bestehen aus zum Teil unterschiedlichen Strukturen. Im Natura II finden Sie die in der folgenden Liste aufgeführten Strukturen auf Seite 251. Eine ergänzende Abbildung finden Sie im Natura III auf Seite 227. Bearbeiten Sie die folgende Liste mit diesen Bildern. 105 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Ein dritter Exkurs: AUA - das schmerzt Name Reagieren auf: Wo Merkel-Zellen Druck Direkt unter der Epidermis (oberste Merkelsche Scheiben Tastscheiben (mehrere Hautschicht) der unbehaarten Haut Direkt unter der Epidermis der behaarten Druck Merkel-Zellen zusammen) Meissnersche Körperchen Haut Reizänderungen Fingerspitzen, Hand- und Fusssohlen, Augenlider, Lippen, äussere Genitalien Dendriten Reizänderungen Um alle Haarwurzeln gewickelt Pacinische Lamellenkörper Vibrationen Zwischen den Dendriten. Nicht nur unter der Haut, sondern auch in Sehnen, Muskeln und Gelenkkapseln Kälterezeptoren Temperaturen unter 36 °C Nach längerer Zeit wird die Temperatur nicht mehr empfunden → Adaption Wärmerezeptoren Temperaturen über 36 °C Nach längerer Zeit wird die Temperatur nicht mehr empfunden → Adaption Schmerzrezeptoren Verletzungen, Überall unter der Haut Temperaturen unter 20 °C oder über 45 °C Tabelle E3.1. Was steckt alles unter der Haut? Fühlen Sie Ihr Temperaturempfinden gemäss der Anleitung in Kapitel 3. 106 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Der Ein dritter Exkurs: AUA - das schmerzt Körper verfügt unterschiedliche unter Strukturen, der um Haut Einflüsse über von mehrere Aussen wahrzunehmen. Im Folgenden interessieren uns die Schmerzrezeptoren, die eigentlich nur freie Nervenendigungen darstellen. Die Zahl der Schmerzpunkte der gesamten Körperoberfläche wird auf 3.5 Millionen geschätzt. Sie reagieren auf Substanzen, die bei einer Zellschädigung oder bei einer Störung des Stoffwechsels frei werden. Solche Substanzen, die eigentlichen körpereigenen Schmerzstoffe, sind: - Protonen - Kalium-Ionen - Acetylcholin - Histamin - Serotonin - Kinine - Prostaglandine 1 Protonen und Kalium-Ionen zählen zu den wenig potenten Schmerzstoffen. So braucht es einen pH < + 6 oder eine K -Ionenkonzentration > 20 mmol/L, damit ein Reiz auf die Schmerzrezeptoren ausgelöst wird. Der Reiz nimmt mit zunehmender Konzentration der Protonen (abnehmendem pH-Wert) zu. Kalium-Ionen befinden sich hauptsächlich innerhalb der Zelle. Durch eine Zellschädigung können sie nun ins Interstitium austreten und so ihre Wirkung auf die Schmerzrezeptoren ausüben. Acetylcholin, Histamin und Serotonin sind nicht nur Schmerzstoffe, sondern auch Neurotransmitter (vgl. Kapitel „Nerven“). Sie müssen jedoch in relativ hohen Konzentrationen vorliegen (Histamin: > 10 -8 g/L). Acetylcholin hat noch die zusätzliche Aufgabe, die Schmerzrezeptoren für andere Schmerzstoffe zu sensibilisieren. So kann also mit Hilfe von Acetylcholin ein Schmerz empfunden werden, der durch die alleinige Einwirkung eines anderen Schmerzstoffs nicht empfunden würde. Serotonin ist der effektivste Schmerzstoff unter den Neurotransmittern. Jedoch wirkt Serotonin nur in der Haut als Schmerzstoff. Im ZNS hemmt es hingegen den Schmerz. 1 Histamin leitet sich von der Aminosäure Histidin ab, die decarboxyliert (Carboxylgruppe verloren) wurde. 107 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Ein dritter Exkurs: AUA - das schmerzt 3KRVSKROLSLGH Zu den stärksten Schmerzstoffen gehören die Kinine. Dies sind biologisch aktive Peptide, die vom Protein Kininogen Phospholipase abgespalten &22 werden. Bradykinin ist zum Beispiel &+ das Nonapeptid Arg-Pro-Pro-Gly- $UDFKLGRQDW Phe-Ser-Pro-Phe-Arg. Die Prostaglandine sind vor allem an der Sensibilisierung der 2 &\FORR[LJHQDVH Schmerzrezeptoren beteiligt und für den Dauerschmerz ver- 2 &22 antwortlich. Eine wichtige Rolle spielen sie zusätzlich auch beim &+ 2 Fieber. Ein viraler oder bakterieller 3** 2 2+ Infekt bewirkt die Bildung von Prostaglandinen, die auf den Hypothalamus wirken. Ein Teil des Hypothalamus dient als Thermo- +\GURSHUR[LGDVH H 2 &22 regulationszentrum des Körpers, &+ d.h. er reguliert typische Reaktionen wie Schwitzen oder Wärmeproduktion im Körper. Durch die Einwirkung auf dieses Zentrum wird der Sollwert der Körper- +2 2+ Abbildung E3.1. Biosynthese der Prostaglandine G2 (PGG2) und E2 (PGE2) temperatur hinaufgeschraubt, was nichts anderes als Fieber bedeutet. 108 3*( MODUL II: Missbrauchte Medikamente Ein dritter Exkurs: AUA - das schmerzt Aufgabe E3.1: Charakterisieren Sie je mit einem Satz die sieben Schmerzstoffe 2 3 Schmerzen können grundsätzlich in viszerale und somatische Schmerzen eingeteilt werden. Die viszeralen Schmerzen betreffen die inneren Organe und haben einen dumpfen Charakter. Die somatischen Schmerzen können weiter aufgeteilt werden in einen Tiefenschmerz und einen Oberflächenschmerz. Der Tiefenschmerz wird ebenfalls als dumpf empfunden. Von ihm sind Muskeln, Bindegewebe, Knochen und Gelenke betroffen. Ein typisches Beispiel ist der Kopfschmerz. Der Oberflächenschmerz besteht aus zwei Bestandteilen. Einem ersten, stechenden Schmerz, der genau lokalisiert werden kann, und einem zweiten, dumpfen Schmerz. Der stechende Schmerz bezweckt eine Fluchtreaktion. So wird die Hand reflexartig von der heissen Herdplatte zurückgezogen. Darauf folgt ein langsam abklingender dumpfer oder brennender Schmerz. Oft ist Schmerz von vegetativen Reaktionen begleitet, d.h. die Herzfrequenz nimmt zu, der Blutdruck ändert sich, die Pupillen erweitern sich. Im Extremfall sind die Schmerzen sogar von Übelkeit, Erbrechen und Schweissausbruch begleitet. Schmerzen können durch unterschiedliche Stoffe ausgelöst werden, und ganz verschiedene Reaktionen zur Folge haben. 2 3 die Eingeweide betreffend den Körper betreffend 109 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Ein dritter Exkurs: AUA - das schmerzt Schmerz 9LV]HUDOHU 6FKPHU] Somatischer Schmerz 7LHIHQ VFKPHU] Oberflächenschmerz 6FKPHU] VWHFKHQG 6FKPHU] GXPSIEUHQQHQG Abbildung E3.2. Unterteilung des Schmerzes ii) Weiterleitung des Schmerzes Dass beim Oberflächenschmerz zwei verschiedene Schmerze vorhanden sind, hat seinen Grund. Es gibt sogenannte C-Fasern und Aδ-Fasern, also zwei verschiedene Nervenfasern, die den Reiz unterschiedlich schnell weiterleiten. Aδ-Fasern sind myelinisiert 4 und haben eine Leitungs- geschwindigkeit von 12-30 m/s. Der erste Schmerz wird somit von diesem Fasertyp bewirkt. Die nichtmyelinisierten C-Fasern haben lediglich eine Leitungsgeschwindigkeit von 0.5-2 m/s und sind somit für den brennenden oder dumpfen Schmerz zuständig. Beide Nerven leiten den Schmerz nun zum Rückenmark. Hier wird die Information „Schmerz“ einerseits verwertet und wieder zurück an die 5 Peripherie geleitet, andererseits an das Hirn geschickt . 4 vgl. Kapitel „Nerven“ Die Verarbeitung und Weiterleitung an Motoneuronen geschieht in der grauen Substanz des Rückenmarks (Nervenzellkörper). Die auf- und absteigenden Bahnen befinden sich in der weissen Substanz des Rückenmarks (Fasersystem). 5 110 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Ein dritter Exkurs: AUA - das schmerzt Bearbeiten Sie im Natura III die Seiten 204, 205 und 216, und machen Sie die Versuche j bis l auf Seite 205. Lesen Sie den nun folgenden Abschnitt, indem Sie sich mit Hilfe der Abb. E3.3 und den Abbildungen im Biologie heute S II auf der Seite 317 orientieren. +LQWHUVWUDQJEDKQHQ Die Weiterleitung an das Hirn erfolgt über die aufsteigenden Bahnen des Rückenmarks. Diese Nervenfasern können wiederum aus den JUDXH 6XEVWDQ] C-Fasern oder den Aδ-Fasern bestehen. Es werden zwei unterschieden. bahnen, die aufsteigende Einerseits sich in die dem Bahnen Hinterstrang- Körperinneren zugewandten Teil des Rückenmarks befinden, ZHLVVH 6XEVWDQ] andererseits die Vorderstrangbahnen, die auf den Seiten des Rückenmarks sind. Die 9RUGHUVWUDQJEDKQHQ Hinterstrangbahnen führen Informationen über Druck, Berührung und Tiefensensibilität zum Abbildung E3.3. Das Rückenmark im Querschnitt Hirn. Sie sind also für den bewussten Lagesinn verantwortlich. Der Reiz wird an das Kleinhirn und den Thalamus weitergeleitet. Für die bewusste Schmerzempfindung, vor allem die Lokalisation und die Stärke des Schmerzes, ist jedoch das Grosshirn zusammen mit dem Thalamus verantwortlich. Diese empfangen die Informationen über die Vorderstrangbahnen, die ihrerseits die Information „Schmerz“ von den aufsteigenden Neuronen erhalten. Auch die Bewertung des Schmerzes erfolgt über diesen Weg, d.h. die emotionalen und vegetativen Reaktionen wie Übelkeit verlaufen via Vorderstrangbahnen, Thalamus, Hypothalamus. Beim Thalamus können zudem Schmerzen unterdrückt werden (s. nächster Abschnitt). An den schmerzvermittelnden Synapsen sind vor allem das Neuropeptid Substanz P und die Aminosäure Glutaminsäure beteiligt. 111 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Der Ein dritter Exkurs: AUA - das schmerzt Schmerz wird über das Rückenmark zur Weiterverarbeitung der Information in das Hirn geleitet. iii) Hemmung des Schmerzes Opiate wie Morphin werden schon seit Jahrhunderten zur Schmerzbekämpfung verwendet. 1680 schrieb Thomas Sydenham: „Unter den Mitteln, die der allmächtige Gott dem Menschen zur Linderung seiner Schmerzen geschenkt hat, ist keines so umfassend und so wirksam wie das Opium.“ Der Apotheker Friedrich Wilhelm Sertürner isolierte 1803 das wirksame Alkaloid und nannte es in Anlehnung an Morpheus, den griechischen Gott des Schlafs und Traums Morphin. Weshalb hat der menschliche Körper Rezeptoren für Morphin? Die Antwort liegt im endogenen (körpereigenen) schmerzhemmenden System. 1975 gelang die Isolation von endogenen Morphinen (Endorphine). Die Aufgabe des absteigenden Systems (im Gegensatz zum aufsteigenden System werden die Impulse vom Hirn ausgesandt, im Rückenmark weitergeleitet und von da in die Peripherie geschickt) ist es, den Schmerz zu hemmen. Dies macht Sinn, damit in Stresssituationen die Konzentration noch voll beibehalten werden kann, solange es nötig ist. So wird der Schmerz nach einem Verkehrsunfall erst nach Abklingen der Anspannung verspürt. Es gibt auch viele Berichte über Kriegsverletzte, die keine Schmerzen verspürten bei Verwundungen, die normalerweise erhebliche Schmerzen verursachen. Auch bei der Geburt wird der Schmerz der Mutter durch das endogene schmerzhemmende System gelindert. Durch Markierungsversuche mit radioaktiven Substanzen konnten Opioidrezeptoren, die sowohl exogene morphinähnliche, als auch Endorphine binden, im Vorderhirn, unter anderem auch am Thalamus, im Mittelhirn, im verlängerten Mark und in der grauen Substanz des Rückenmarks gefunden werden. Betrachten Sie im Natura III auf der Seite 236 die Resultate der Markierungsversuche und lesen Sie den dazugehörigen Text auf der gleichen Seite. Die Hemmung erfolgt vor oder nach dem synaptischen Spalt bei der Übermittlung des Schmerzes zum Hirn. Dieses schickt ein Signal über die absteigenden Bahnen des Rückenmarks. Als Neurotransmitter dienen Serotonin oder Noradrenalin. Der Schmerz wird aber erst unterbrochen, wenn am Schluss der Reizleitung im absteigenden System Endorphine ausgeschüttet werden, die bei einem Neuron des 112 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Ein dritter Exkurs: AUA - das schmerzt aufsteigenden Systems bewirken, dass dieses seinerseits keine Neurotransmitter mehr freisetzt. Somit ist die Schmerzreizleitung zum Hirn unterbrochen. schmerzlinderndes Signal vom Hirn Signal (Schmerz) von der Peripherie aufsteigendes Neuron absteigendes Neuron Postsynaptisches Neuron Abbildung E3.4. Durch ein Signal vom Hirn werden beim absteigenden Neuron im Rückenmark Neurotransmitter ausgeschüttet, die verhindern, dass das aufsteigende Neuron Neurotransmitter freisetzt. Schmerz kann über ein körpereigenes System unterdrückt werden. Unter dem Begriff „Endorphine“ werden folgende Substanzen zusammengefasst: - β-Endorphin (31 Aminosäuren) - die Dynorphine (17 bzw. 8 Aminosäuren) - die Enkephaline (zwei Peptide mit je 5 Aminosäuren; Enkephalin gr.: im Kopf) Bei den Rezeptoren für Opioide gibt es drei unterschiedliche Subtypen. Die µ-Rezeptoren, zu denen vorwiegend Endorphin eine hohe Affinität besitzt und die vor allem im Gehirn vorkommen, die δ-Rezeptoren, zu denen die Enkephaline eine hohe Affinität haben und die κ-Rezeptoren, zu denen die Dynorphine eine hohe Affinität aufweisen. Die δ- und κ-Rezeptoren kommen vor allem im Gehirn und im Rückenmark vor. µ-Rezeptoren sind vor allem für die durch Opiate ausgelöste schmerzhemmende Wirkung oberhalb des Rückenmarks, Atemdepression und Abhängigkeit 113 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Ein dritter Exkurs: AUA - das schmerzt verantwortlich. κ-Rezeptoren bewirken eine Schmerzhemmung im Rückenmark, Verengung der Pupille und wirken beruhigend. Die δ-Rezeptoren heben ebenfalls eine Schmerzhemmung im Rückenmark zur Folge und zusätzlich Halluzinationen. Alle Opioid-Rezeptoren bewirken eine Öffnung von Kaliumionenkanälen und/oder eine Schliessung von Calciumionenkanälen. Aufgabe E3.2 Zeigen Sie in einem Fliessdiagramm die Wege des Schmerzes und der Schmerzunterdrückung auf. 114 MODUL II: Missbrauchte Medikamente Ein dritter Exkurs: AUA - das schmerzt LERNKONTROLLE EXKURS 3 Aufgabe E3.3 Weshalb kann Schmerz als „Schutzmechanismus“ bezeichnet werden? Aufgabe E3.4 Durch einen Unfall haben Sie sich den Knöchel verstaucht oder die Haut geschürft. In den folgenden Tagen reiben Sie die schmerzende Hautstelle oder drücken das empfindliche Gelenk, damit der Schmerz aufhört. Wie erklären Sie sich diese schmerzstillende Wirkung? Aufgabe E3.5 Sie verbrennen sich die Hand. Zeichnen Sie schematisch die Reizleitungen Ihrer Nerven auf. Aufgabe E3.6 Bei einer Erbkrankheit (Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung) wird die Myelinisierung durch eine Mutation eines Myelinproteins gestört. Wie könnten die Symptome dieser Krankheit aussehen? 115 MODUL II: Diuretika & Analgetika Analgetika 2 WIE SCHMERZEN MIT EINEM LÄCHELN WEGGESTECKT WERDEN KÖNNEN ANALGETIKA Inhalt 2 WIE SCHMERZEN MIT EINEM LÄCHELN WEGGESTECKT WERDEN KÖNNEN ANALGETIKA 2.1 Schmerzmittel 2.1.1 2.1.2 2.2 117 Opioid-Analgetika 2.1.1.1 2.1.1.2 2.1.1.3 2.1.1.4 116 117 Morphin und Morphin-Derivate Die Pethidin- und Methadongruppe Die Fentanyl-Gruppe Partielle Opiat-Agonisten Nicht-opioide Analgetika 119 121 123 123 126 Anwendung der Analgetika im Sport 127 LERNKONTROLLE KAPITEL 2 129 Lernziele 1. Sie kennen die Wirkungsweise der Schmerzmittel 2. Sie können unterscheiden zwischen opioiden und nicht-opioiden Analgetika 3. Sie kennen die Substanzklassen der Opioid-Analgetika 116 MODUL II: Diuretika & Analgetika Analgetika 2.1 Schmerzmittel Im Zusammenhang mit Doping ist von Narkotika die Rede, wenn Schmerz lindernde oder Schmerz hemmende Medikamente gemeint sind (vom engl. narcotics). Im medizinischen Sinn ist dieser Ausdruck nicht ganz korrekt, da mit einem Narkotikum ein Narkosemittel gemeint ist. In der Medizin spricht man für diese Art von Stoffen vielmehr von Analgetika (von griech.: an = nicht, ohne; algedon = Schmerz). Wir verwenden im folgenden den medizinisch korrekten Ausdruck für Schmerzmittel. Der Einsatz von Analgetika kommt vor allem für folgende Zwecke zur Anwendung: - Hemmung der Prostaglandinsynthese (nicht-opioide Analgetika) - Schmerzherabsetzung bzw. Schmerzausschaltung am ZNS (opioide Analgetika) - Beeinflussung des Schmerzerlebnisses (opioide Analgetika) Analgetika werden vor allem bei Entzündungen und starken Schmerzen (nach einer Operation oder bei Tumorschmerzen) eingesetzt. Informieren Sie sich unter www.dopinginfo.ch über die Klasse der Analgetika (Narkotika) Analgetika können in opioide und in nicht-opioide oder kleine Analgetika unterteilt werden. Die nichtopioiden Analgetika sind zwar nicht auf der Dopingliste, die zwei bekanntesten werden Sie aber trotzdem der Vollständigkeit halber kennen lernen. 2.1.1 Opioid-Analgetika Die Opioid-Analgetika weisen zwar keine chemisch verwandten funktionellen Gruppen zu den Endorphinen auf, ihre dreidimensionale Gestalt ist jedoch derjenigen der Endorphine sehr ähnlich. Dies ist auch der Grund, weshalb sie auf die Opioid-Rezeptoren passen. Alle Opioid-Analgetika wirken ähnlich, obschon die Stärke der Wirkung unterschiedlich sein kann. Es ist auch möglich, dass einzelne Symptome verstärkt und gleichzeitig andere abgeschwächt werden. Das Wirkprofil sieht folgendermassen aus: - Herabsetzung des Schmerzempfindens durch Stimulation der Opioidrezeptoren. Im Rückenmark werden Schmerzimpulse unterdrückt, im Hirn wird das Schmerzerlebnis verändert und deshalb als weniger bedrohlich wahrgenommen. - Reduktion der geistigen Aktivität. - Beseitigung von Konflikt- und Angstgefühlen. - Erhöhung, z.T. aber auch eine Absenkung (je nach Patient) der Stimmungslage. - Hemmung des Atem- und Hustenzentrums. Sie werden deshalb auch als Hustenmittel eingesetzt. 117 MODUL II: Diuretika & Analgetika - Analgetika Bei der erstmaligen Einnahme eine Stimulation des Brechzentrums. Erbrechen und Übelkeit sind die Folge. Später wird das Brechzentrum gehemmt. - Verengung der Pupille. - Freisetzung von Vasopressin (vgl. Abschnitt 2.2). - Toleranzentwicklung und Abhängigkeit. - Verzögerung der Magenentleerung. - Krampfartige Verstopfungen. - Kontraktion des Schliessmuskels im Bereich der Gallenwege. - Steigerung der Spannung der Harnblasenmuskulatur und des Blasenschliessmuskels. - Verringerung der Spannung der Blutgefässe. - Hautrötung und Juckreiz wegen erhöhter Histaminfreisetzung. Bei Asthmatikern Auslösen eines Bronchialmuskelkrampfs. Opioide Analgetika besetzen die gleichen Rezeptoren wie die Endorphine und haben dementsprechend ein hohes Suchtpotential. Die klassischen Opioid-Analgetika wie Morphin entfalten das volle Wirkungsspektrum. Auf der Suche nach einem neuen Analgetikum ohne Suchtpotential wurde Morphin an verschiedenen Stellen verändert, ohne den gewünschten Erfolg zu erzielen. Es zeigte sich jedoch, dass nicht alle OpioidAnalgetika die gleiche Affinität zu den drei verschiedenen Rezeptoren haben. Dies hat zur Folge, dass ein anderes Wirkungsspektrum auftritt. Bei Morphin-Vergiftungen wird Naloxon, ein MorphinAntagonist („Gegenspieler“) eingesetzt. Das Suchtpotential von Morphin, und somit der grösste Nachteil der Opioid-Analgetika, beruht auf der euphorischen Wirkung und den unangenehmen Entzugserscheinungen, wie Unruhe, Depressionen, Angstzustände, CH2 CH CH2 Frieren, H Schwitzen und gesteigertem Tränenfluss. Der Höhepunkt N des Entzugs wird mit Übelkeit, Erbrechen, Durchfällen, HO Steigerung der Atmung, Erhöhung der Herzfrequenz und des systolischen Blutdrucks, Temperaturanstieg und Entwässerung nach 24 – 48 Stunden erreicht. Die Entzugssymptome dauern etwa eine Woche lang. Der Grund liegt in HO O O einer Überreaktion der Nerven. Diese produzierten während der Sucht zusätzliche Rezeptoren, da die ursprünglich Abbildung 2.1. Der Morphin-Antagonist Naloxon normale Anzahl an Rezeptoren dauernd von Opiaten besetzt waren. Bleibt das Opiat nun weg, gibt es eine erhöhte Anzahl von Rezeptoren auf der Zellmembran, die voll aktiv sein können. 118 MODUL II: Diuretika & Analgetika Analgetika Schlagen Sie im Biologie heute S II auf den Seiten 332 und 333 nach und informieren Sie sich, wie eine Sucht entstehen kann. Ein ähnlicher Mechanismus erklärt die Depressionen nach einer Geburt eines Kindes (Babyblues). Bei der Geburt werden vermehrt Endorphine ausgeschüttet, die bekanntlich die gleichen Wirkungen haben wie Opioide. Nach der Geburt bleiben die Endorphine aus. Dies bedeutet für den Körper ein Entzug eines „Rauschmittels“. Bei längerer Dauer der Morphinsucht treten beim Süchtigen Abmagerung, Schlaflosigkeit, Impotenz, Zittern, Koordinationsstörungen und psychische Störungen auf. In den folgenden Unterkapiteln werden nun die einzelnen Opioid-Analgetika vorgestellt. 2.1.1.1 Morphin und Morphin-Derivate Morphin ist das Hauptalkaloid im Opium (eingetrockneter Milchsaft unreifer Samenkapseln vom Schlafmohn). Wichtigste Nebenalkaloide des Opiums sind weiter Narcotin, Codein, Papaverin, Thebain und Narcein. Morphin wird zur Schmerzbekämpfung nach Operationen oder bei fortgeschrittenen Tumoren verwendet. Die Wirkungsdauer liegt bei etwa 4-5 Stunden. Derivate des Morphins werden zum Teil ebenfalls als Analgetika, andere aber nur als Hustenmittel eingesetzt. Codein demethyliert im Körper zu Morphin (vgl. die Strukturen unten). Es kommt deshalb nicht nur als Hustenmittel, sondern auch als Analgetikum zum Einsatz, meistens aber nur zusammen mit nichtopioiden Analgetika. Dihydrocodein ist ein sehr starkes Analgetikum. Es ist etwa dreimal wirksamer als Codein. Sein Metabolit hat jedoch ein starkes Suchtpotential. Die Anwendung von Diamorphin (Heroin) ist verboten, da es ein sehr hohes Suchtpotential aufweist. Der Grund liegt in seiner Möglichkeit, sehr rasch in das ZNS zu gelangen. 119 MODUL II: Diuretika & Analgetika Analgetika Morphin-Derivate H N CH3 H R1O O OR2 R1 R2 Name Verwendung -H -H Morphin Analgetikum -CH3 -H Codein Hustenmittel 2 & 2 &+ & N H Diamorphin &+ (Heroin) Dihydrocodein CH3 Analgetikum Hustenmittel H CH3O O OH N H CH3 Hydromorphon Analgetikum Dicodid Hustenmittel H HO O H O N CH3 H CH3O O O Tabelle 2.1. Morphin-Derivate 120 MODUL II: Diuretika & Analgetika Analgetika Von Morphin lassen sich verschiedene Analgetika ableiten, die alle ein leicht unterschiedliches Wirkungsspektrum aufweisen. Aufgabe 2.1: Worin besteht der Unterschied zwischen Codein und Dihydrocodein? 2.1.1.2 Die Pethidin- und Methadongruppe Diese Gruppe hat mehr oder weniger die gleichen Auswirkungen wie diejenigen der Morphin und Morphin-Derivate. Pethidin selber ist etwa fünfmal schwächer analgetisch wirksam als Morphin und hat deshalb auch ein geringeres Suchtpotential. Da aber die Metaboliten (Abbauprodukte; vgl. Modul I, Exkurs 2) im Körper kumulieren, ist es für eine Dauerbehandlung nicht geeignet. Levomethadon, kurz als Methadon bezeichnet, ist viermal stärker als Morphin und auch länger wirksam. Verwendet man eine Dosis, die eine gleiche schmerzhemmende Wirkung hat wie Morphin, sind die Nebenwirkungen und auch die Abstinenzerscheinungen schwächer. Es findet deshalb auch Anwendung im Methadon-Programm, bei dem Methadon kontrolliert an Heroinsüchtige abgegeben wird. 121 MODUL II: Diuretika & Analgetika Analgetika Pethidin-Gruppe 5 2 & 1 5 &+ R1 R2 Name Verwendung -H -OC2H5 Pethidin Analgetikum Methadon-Gruppe & &+ &+ 1 &+ &+ & &+ 2 &+ &+ 1 5 Levomethadon & + & 5 Analgetikum (Methadon) Fenpipramid 1+ Spasmolytikum (gegen krampfartige 2 Kontraktionen der Muskeln) 2 & &+ &+ 1 -CN Piritramid Analgetikum Clofedanol Hustenmittel 1+ 1 &O &+ &+ &+ 1 & &+ 2+ Tabelle 2.2. Die Pethidin- und Methadongruppe. 122 MODUL II: Diuretika & Analgetika 2.1.1.3 Analgetika Die Fentanyl-Gruppe Die effektivsten Analgetika sind diejenigen der Fentanyl-Gruppe. Fentanyl ist etwa 100 mal stärker analgetisch wirksam als Morphin, nützt aber nur etwa 30 Minuten lang. Alfentanyl und Sufentanil hemmen den Schmerz noch schneller als Fentanyl, ihre Wirkung lässt aber auch rascher nach. Alfentanyl wirkt etwa 3-4 mal schwächer als Fentanyl, Sufentanyl jedoch 7-10 mal stärker. Sufentanyl ist somit das stärkste bekannte Analgetikum. Wegen ihrer Wirkungsstärke und –länge werden die Analgetika der Fentanyl-Gruppe vor allem bei kurzen Operationen eingesetzt, bei denen der Patient nicht vollständig narkotisiert wird. Fentanyl-Gruppe 2 & Name Verwendung Fentanyl Analgetikum Alfentanyl Analgetikum Sufentanyl Analgetikum & + 1 1 &+ &+ + 2 & & + 1 1 &+ &+ + 2 & & + 6 1 1 &+ &+ +&2 +& Tabelle 2.3. Die Fentanyl-Gruppe 2.1.1.4 Partielle Opiat-Agonisten Neben den bisher genannten Opioid-Analgetika gibt es noch partielle Opiat-Agonisten, oder sogar Opiat-Agonisten mit gewissen antagonistischen Effekten. Pentazocin wirkt an den κ-Rezeptoren als Agonist, an den µ-Rezeptoren jedoch als Antagonist. Die analgetische Wirkung ist etwa 3 mal schwächer als diejenige des Morphins. Pentazocin erhöht den Blutdruck, steigert die Herzfrequenz und kann weniger suchterzeugend sein als Codein, bewirkt jedoch Atemdepressionen, Schwindel, Übelkeit und Kopfschmerzen. Im Weiteren ist verstärktes Schwitzen bemerkbar. Wie Pentazocin ist auch Nalbuphin ein Agonist an den κ-, aber auch ein partieller Agonist an den µ-Rezeptoren. Für beide Substanzen gilt, dass sie bei Süchtigen nicht als Ersatzstoffe eingesetzt werden können. Buprenorphin ist ein partieller Agonist an den µ-Rezeptoren. Seine analgetische Wirkung ist etwa 40 mal stärker als diejenige von Morphin und wirkt etwa doppelt so lang. Es besitzt aber auch ein starkes Abhängigkeitspotential. Tilidin ist nur sehr schwach antagonistisch. Es zeigt somit die typischen 123 MODUL II: Diuretika & Analgetika Analgetika (Neben-)Wirkungen der Opioid-Analgetika. Tramadol ist nur ein partieller Opiat-Agonist. Seine Wirkung ist etwa 5-10 mal schwächer als diejenige des Morphins. Demzufolge weist Tramadol auch ein geringes Suchtpotential auf. Analgetika können in gewissen Bereichen antagonistische Wirkungen aufweisen. 124 MODUL II: Diuretika & Analgetika + & &+ & 1 Analgetika &+ Pentazocin Analgetikum Buprenorphin Analgetikum Nalbuphin Analgetikum Tilidin Analgetikum Tramadol Analgetikum &+ &+ &+ +2 CH2 N H C(CH3)3 H C OH OCH3 O HO CH3 N H CH2 HO O HO OH CH3 H3C N H C OC 2H5 O OH H CH2 OCH3 N CH3 CH3 Tabelle 2.4. Partielle Opiat-Agonisten 125 MODUL II: Diuretika & Analgetika Analgetika Aufgabe 2.2: In welche Gruppen können die Opioid-Analgetika unterteilt werden? Welches sind ihre jeweiligen Strukturmerkmale? 2.1.2 Nicht-opioide Analgetika Die nicht-opioiden Analgetika werden auch als „kleine“ Analgetika bezeichnet, obschon ihre Wirkung bei gewissen Schmerzarten, vor allem denjenigen, die direkt an der Haut verursacht werden, effektiver sind als schwach wirkende Opioid-Analgetika. Ihre Wirkungen sind alle in etwa ähnlich. Neben der analgetischen Wirkung weisen sie eine fiebersenkende und z.T. auch eine entzündungshemmende Wirkungskomponente auf. Dagegen fehlen ihnen die suchtfördernden und beruhigenden Eigenschaften. Da die nicht-opioiden Analgetika nicht zu den Dopingmitteln gehören, sollen hier nur die zwei bekanntesten Substanzen, Paracetamol und Acetylsalicylsäure (ASS), erwähnt werden. Paracetamol wirkt fiebersenkend und entzündungshemmend, wobei die zweite Wirkung gering ist. Möglicherweise ist Paracetamol das einzige nicht-opioide Analgetikum, das nicht auf die 1 Cyclooxigenase (COX) wirkt. Die Wirkung ist primär zentral bedingt. ASS, der Hauptbestandteil von Aspirin und Alka-Selzer, ist das am meisten verwendete Analgetikum. Es hat auch ausgeprägte antipyretische (fiebersenkende) und antiphlogistische (entzündungshemmende) Wirkungen. Daneben ist es der wichtigste Thrombozyten-aggregationshemmer. All diese Auswirkungen werden durch die Hemmung der Cyclooxigenase (vgl. Abb. E3.1) ausgelöst. Die Nebenwirkungen von ASS treten erst bei sehr hohen Dosierungen und sehr langer Anwendung des Medikaments auf. COOH HO O C CH3 NH C CH3 O O Abbildung 2.2. Links: Acetylsalicylsäure, der Wirkstoff im Alka-Seltzer und im Aspirin; Rechts: Paracetamol 1 Neuste Erkenntnisse deuten darauf hin, dass es zwei Isoenzyme gibt: COX1 und COX2. COX1 ist immer und überall anzutreffen, COX2 wird nur bei Entzündungen produziert. Ziel: Analgetikum, das spezifisch COX2 hemmt → keine Nebenwirkungen. 126 MODUL II: Diuretika & Analgetika Analgetika - - COO COO O O O C CH3 + OH E NH2 + E NH C CH3 Abbildung 2.3. Aspirin inaktiviert die Cyclooxigenase (E) der Prostaglandinsynthese, vgl. Abb. E3.1 Aufgabe 2.3: Worin besteht der Unterschied zwischen den opioiden und nicht-opioiden Analgetika? Aufgabe 2.4: Zählen Sie zehn Punkte aus dem Wirkungsspektrum der Opioid-Analgetika auf. 2.2 Anwendung der Analgetika im Sport Analgetika sind seit 1967 im Sport verboten. Da sie schmerzhemmend wirken, werden sie vor allem in Kampf- und anderen schmerzerzeugenden Sportarten eingesetzt. Durch ihre zusätzliche euphorische Wirkung können sie, zusammen mit den Stimulantien eingenommen, zu Leistungsrausch mit Unterdrückung der Warnsignale führen. Verboten sind Buprenorphin, Methadon, Pethidin, Diamorphin 2 (Heroin), Morphin , Tilidin, Hydrocodon, Nalbuphin, Tramadol, Hydromorphon, Pentazocin und chemisch oder pharmakologisch verwandte Substanzen! Folgende, vornehmlich als Hustenmittel oder Schmerzmittel eingesetzte Substanzen sind bedingt erlaubt: Dextromethorphan, Dextropropoxyphen, Dihydrocodein, Ethylmorphin, Codein, Pholcodin und Propoxyphen. Ebenfalls erlaubt ist das Durchfallmedikament Diphenoxylat. Diphenoxylat greift zwar auch an Opiatrezeptoren an, kann aber die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden. Der Austausch zwischen Blut und Hirn bzw. Rückenmark ist also abgeriegelt. Somit kann es nicht als Analgetikum eingesetzt werden, da es unmöglich ist, die Opiatrezeptoren zu besetzen. Dafür findet es Verwendung als Mittel gegen (Reise-) Durchfall. Hier wird also eine „Nebenwirkung“ der Opioide ausgenützt. Weiter sind natürlich alle nicht-opioiden Analgetika erlaubt. Todesfälle gab es vor allem beim Gebrauch von Heroin. So starben 1967 Dick Howard, der bei den olympischen Sommerspielen in Rom 1960 Dritter in 400 m Hürden wurde, und 1963 der Boxer Billy Bello an Heroin. An den olympischen Winterspielen in Innsbruck 1976 wurde bei einem tschechoslowakischen Eishockeyspieler Codein in zu hohen Konzentrationen nachgewiesen. Da Codein in einigen Hustenmittel vorkommt, ist er im Sport bis zu einer gewissen Konzentration erlaubt. Er wird aber im Körper zum Teil zu Morphin metabolisiert. Wird im Labor bei einer Dopingprobe Morphin gefunden, wird gemessen, ob die Toleranzschwelle von 1 mg pro Liter Urin für Morphin 2 Ab einer Urinkonzentration von 1 µg/ml 127 MODUL II: Diuretika & Analgetika Analgetika überschritten wird und ob gleichzeitig noch Codein gefunden wird. Ist dies der Fall, so gilt die Probe als negativ. Lag 1990 der Anteil der Narkotika an den positiven Dopingproben in Deutschland noch bei 6 % sind sie heute praktisch verschwunden. Weisen Sie Codein und Dihydrocodein in Ihrem entsprechend der Praktikumsanleitung im Kapitel 3 nach. 128 Urin MODUL II: Diuretika & Analgetika Analgetika LERNKONTROLLE KAPITEL 2 Aufgabe 2.5 Endorphine beeinflussen die Aktivität des Gastrointestinaltrakts. Wird die Aktivität erhöht oder reduziert? Begründen Sie Ihre Antwort. Aufgabe 2.6 6 mg Morphin haben die gleiche Wirkung wie 32 – 65 mg Codein oder 650 mg Aspirin. Erklären Sie diese Unterschiede. Aufgabe 2.7 Wird Codein innerhalb 15 Stunden zum zweiten Mal eingenommen, sind keine negativen Effekte bemerkbar, während bei Methadon Atemdepressionen auftreten können. Erklären Sie den Unterschied. Aufgabe 2.8 Codein wird im Körper so metabolisiert, dass an einer Hydroxylgruppe ein Zuckermolekül angehängt wird. Weshalb? Aufgabe 2.9 Können Sie sich den Ausdruck „Runners High“ erklären, welcher vor allem bei längeren Ausdauerleistungen verwendet wird? Welche Stoffe könnten dabei eine Rolle spielen? 129 MODUL II:Missbrauchte Medikamente Praktikumsanletungen 3 PRAKTIKUMSANLEITUNGEN Inhalt 3 PRAKTIKUMSANLEITUNGEN 130 3.1 Untersuchung einer Schweineniere 131 3.2 Temperaturempfinden 131 3.3 Nachweis von Opiaten im Urin 131 3.3.1 Einleitung 131 3.3.2 Arbeitsanleitung 132 3.3.3 Dünnschichtchromatographie 133 Lernziele 1. Sie können die einzelnen Regionen eines Schweinenieren-Schnitts erkennen 2. Sie können das Temperaturempfinden Ihrer Hand erklären 3. Sie verstehen das Prinzip der Detektion von Morphium in Ihrem Urin 130 MODUL II:Missbrauchte Medikamente Praktikumsanletungen 3.1 Untersuchung einer Schweineniere Die Organe der Schweine sind den menschlichen sehr ähnlich. Tranchieren Sie eine Schweineniere von der längeren Seite her in etwa 2 cm dicke Scheiben. Vergleichen Sie jeweils die neue Schnittfläche mit Abbildung E1.1 (mittleres Bild), und ordnen Sie die Regionen gegenseitig zu. Eine zweite Gruppe schneidet die Niere von einer anderen Seite in Scheiben. Vergleichen Sie untereinander die Schnitte. Sprechen Sie sich vorher innerhalb der Gruppe ab. 3.2 Temperaturempfinden Bereiten Sie sich drei Schüsseln gefüllt mit Wasser, das folgende Temperaturen aufweist, vor: 10 °C, 27 °C und 40 °C. Halten Sie eine Hand in die Schüssel mit 10 °C kaltem Wasser, die andere Hand in die Schüssel mit 40 °C warmem Wasser. Halten Sie beide Hände 20 bis 30 Sekunden in den Schüsseln und wechseln Sie gleichzeitig beide Hände in das 27 °C warme Wasser. Aufgabe 3.1 Erklären Sie Ihre Beobachtung, bzw. das Temperatur- empfinden an den Händen. 3.3 Nachweis von Opiaten im Urin 3.3.1 Einleitung Um Opiate im Urin nachweisen zu können, bieten sich folgende Möglichkeiten an: - Einnahme einer Codein-Tablette 50 mg oder 1 Codipront-Kapsel oder Sirup (Codein-Urin). - Einnahme von 2-3 Paracodin-Tabletten 10 mg (Dihydrocodein-Urin). - Einnahme eines Stücks Mohnkuchen (Morphin-Urin). 131 MODUL II:Missbrauchte Medikamente Praktikumsanletungen Morphin wird zu therapeutischen Zwecken unter Umgehung des Magen-Darm-Trakts verabreicht. Oral eingenommen werden Morphin in der Leber schnell deaktiviert, seine Aktivität sinkt auf 20 – 33 %. Unabhängig von seiner Verabreichung wird Morphin und seine Derivate an den Hydroxylgruppen mit Glucuronsäure konjugiert: H N CH3 H H HO O N CH3 H COOH O O COOH OH OH O O O OH OH OH OH OH Abbildung 3.1: Glucuronsäurederivat von Morphin (siehe auch Exkurs 2, Modul I, Biotransformation) Die Einnahme eines Stücks Mohnkuchen garantiert kein positives Ergebnis nach untenstehender Methode, da der Morphingehalt des Mohns unterschiedlich ist. Morphinbelastungen verschiedener Blaumohnsorten ergaben Werte zwischen 0.64 bis 151.6 µg Morphin pro Gramm Mohn. Die höchsten Morphinkonzentrationen im Urin werden nach vier bis sechs Stunden gemessen. Bereits 1.8 mg Morphin reichen aus, um ein positives Dopingresultat zu liefern. Spitzensportlern wird deshalb geraten, auf mohnhaltige Produkte zu verzichten. 3.3.2 Arbeitsanleitung: Schlucken Sie am Abend eine von Ihrer Lehrkraft verabreichten Tablette und sammeln Sie den gesamten Morgenurin. Als Alternative kann ein Stück selbstgebackener Mohnkuchen gegessen, und nach fünf bis sechs Stunden oder auch am nächsten Morgen der Urin gesammelt werden. 10 mL Urin werden in einem Erlenmeyerkolben mit 1 mL 37 % Salzsäure versetzt und im Wasserbad rund 60 Minuten bei 100 °C erhitzt, damit der Zucker weghydrolysiert wird. Nach dem Abkalten wird mit 1 M NaOH auf pH 8.5 bis 9 eingestellt und mit dem doppelten Volumen Dichlormethan-Isopropanol 9:1 im Scheidetrichter ausgeschüttelt. Eine eventuell entstehende Emulsion wird vorher im Ultraschallbad gebrochen. Zum Trocknen der organischen Phase wird Natriumsulfat dazu gegeben, bis es keine Klumpen mehr bildet und anschliessend in einen Rundkolben filtriert. Der Filter wird mit 5 mL des Extraktionsgemisches nachgewaschen und das Filtrat am Rotavap vollständig eingedampft. Der Rückstand wird in 0.1 mL Methanol gelöst und für die Dünnschichtchromatographie (DC) verwendet. Für jede Probe werden 6 Bahnen mit 1, 2, 3, 4, 5 und 6 µL reserviert. 132 MODUL II:Missbrauchte Medikamente Praktikumsanletungen 3.3.3 Dünnschichtchromatographie: DC-Platten: Kieselgel GF254 Laufmittel: Ethylacetat-Methanol- konz. Ammoniak 85:10:5 Referenz: 1 µL Resyl-Plus Detektion (vorher mit Fön gut trocknen): UV254nm (Fluoreszenzlöschung) oder mit folgendem Sprühreagenz oder Tauchlösung: 0.25 g Platin(IV)-chlorid und 5 g Kaliumiodid werden in 100 mL Destwasser gelöst und 2 mL 37 % HCl zugefügt. Nach dem Sprayen resultieren schwarzbraune Flecken. Rf-Werte: Codein 0.64, Dihydrocodein 0.46, Morphin 0.20 Nachweisgrenze: unter 1 µg 133 „Bin um die Häuser gezogen und habe zwei Tabletten geschluckt... Es war eine Dummheit, die unverzeihlich ist...“ Jan Ullrich, Rad-Olympiasieger und Gewinner der Tour de France 1997. MODUL III Tatort Synapse STIMULANTIEN UND β-BLOCKER Inhalt des Kapitels Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem 135 1 Stimulantien 165 2 Beta-Sympatholytica – mit Betablockern gegen Prüfungsangst 184 Praktikumsanleitungen 191 3 Modull III: Tatort Synapse Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem EXKURS: DER COMPUTER IM MENSCH – DAS NERVENSYSTEM Inhalt EXKURS: DER COMPUTER IM MENSCH – DAS NERVENSYSTEM 135 E1.1 Einführung 137 E1.2 Das Neuron 139 E1.2.1 Das Aktionspotential bei langsamen Neuronen 140 E1.2.2 Das Aktionspotential bei schnellen Neuronen 143 E1.3 Die Synapse 143 E1.3.1 Neurotransmitter 147 E1.3.2 Acetylcholin – ein Beispiel 155 E1.4 Aktionspotentiale 158 LERNKONTROLLE EXKURS 1 162 Lernziele: 1. Sie kennen die Funktionsweise des Nervensytems. 2. Sie wissen, wie ein Neuron aufgebaut ist und wie es funktioniert. 3. Sie können den Aufbau einer Synapse erklären und wissen, wie unterschiedliche Neurotransmitter das Signal weitergeben können. 4. Sie verstehen, wie ein Aktionspotential verarbeitet und weitergegeben wird. 135 Modull III: Tatort Synapse Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem Allgemeines Thema Wer möchte nicht immer fit und aufgestellt durch die Welt gehen, schnell rennen, keine Müdigkeit verspüren – die Natur und die Chemielabors bieten zahlreiche Möglichkeiten an, diesen Zustand zu erreichen. Die Frage ist bloss, zu welchem Preis. Kaffee, Tee und andere coffeinhaltige Getränke wie Coca Cola oder Red Bull gehören zum täglichen Leben. Auch Cocain und Amphetamin gewinnen in der Party-Szene ständig an Bedeutung und werden je länger je mehr von überforderten Berufsleuten als Aufputschmittel eingesetzt. Auch im Sport sind Aufputschmittel – Stimulantien – verbreitet. 1976 machte ein Dopingfall bei den Radfahrern Furore: Tom Simpson fiel während der Tour de France am Mont Ventoux tot vom Rad – er war mit einer Überdosis Amphetamin an die Spitze gefahren und infolge völliger Überforderung des Körpers an einem Sonnenstich gestorben. Dies war schliesslich der Auslöser für Dopingkontrollen. Bereits an der folgenden Olympiade kam ein Testverfahren für Amphetamine zum Zug. Weil Amphetamine und andere Stimulantien sehr leicht nachgewiesen werden können, sind sie als Dopingmittel nur noch selten anzutreffen. Viel häufiger findet man Cocain und andere Stimulantien als Lifestyle-Medikamente bei Personen, die in ihrem Berufsleben überfordert sind. Lektionsablauf: Lesen Sie zuerst die Lernziele und dann den Theorieteil sorgfältig durch. Danach führen Sie mit einer Kollegin oder einem Kollegen die vorgeschriebenen Experimente sorgfältig aus. Wenn Sie nicht sicher sind, fragen Sie Ihre Lehrkraft nach den zu treffenden Vorsichtsmassnahmen. Nach jedem Abschnitt hat es kleinere Aufgaben. Die Lösung zu allen Aufgaben finden Sie am Ende jedes Kapitels. Sie sollen von Ihnen alleine gelöst werden. Bearbeiten Sie dieses Kapitel so lange, bis Sie sich sicher fühlen. 136 Modull III: Tatort Synapse Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem E1.1 Einführung Chemische Signale sind in lebenden Organismen die Kommunikationsmöglichkeit innerhalb unterschiedlicher Zellen. Im tierischen Organismus unterscheidet man dabei parakriner zwischen und =LHO]HOOH endokriner, synaptischer Nachrichtenübertragung. VH]HUQLHUHQGH=HOOH =LHO]HOOH Der Unterschied liegt in der Distanz, über die der chemische Stoff =LHO]HOOH seine Information weiterleiten muss. Die ORNDOHUFKHPLVFKHU 0HGLDWRU endokrine Übermittlung erfolgt via Hormone über die Blutbahn und spricht nur Zielzellen an, die einen für das Hormon entsprechenden Abbildung E1.1: Nachrichtenübertragung zwischen benachbarten Zellen Rezeptor auf ihrer Zelloberfläche haben. Die parakrine und synaptische Übermittlung wird durch Neurone bewerkstelligt. In beiden Fällen schüttet das Neuron einen Neurotransmitter, also ein kleines 137 Modull III: Tatort Synapse Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem Molekül, aus, das entweder die Zellen VHNUHWRULVFKH HQGRNULQH in seiner näheren Umgebung bis zu 1 cm als =HOOH lokaler chemischer Mediator sti- =LHO]HOOH +RUPRQ mulieren kann (parakrin) oder die Nachricht über den synaptischen Spalt (= Synapse) %OXWEDKQ zu seiner Zielzelle trägt. Die synaptische Nachrichtenüber- tragung ist viel genauer und auf =LHO]HOOH eine Zielzelle beschränkt, auch wenn benachbarte Zellen den gleichen Neurotransmitter ver- Abbildung E1.2. Kommunikation mit Hormonen wenden. Der Neurotransmitter muss in diesem Fall nicht mehr als 100 nm zurücklegen, ein Vorgang, der weniger als 1 ms dauert. Während Hormone in der Blutbahn werden erreichen stark (< 10 1HXURWUDQVPLWWHU verdünnt =LHO]HOOH nmol/L), Neurotransmitter 1HUYHQ ]HOOH im synaptischen Spalt eine relativ hohe Konzentration 6\QDSVH (Acetylcholin: 0.5 mmol/L). Zusätzlich werden Neuro- transmitter auch sehr schnell Abbildung E1.3. Informationsweiterleitung am synaptischen Spalt wieder abgebaut. Aufgabe E1.1 Vergleichen Sie die Rezeptoren für Hormone mit denjenigen der Neurotransmitter. Welche haben die grössere Affinität zu ihren Liganden? Begründen Sie Ihre Antwort. Aufgabe E1.2 Welche Vorteile haben die kleine Affinität der Neurotransmitterrezeptoren und der sofortige Abbau der Neurotransmitter? Praktisch alle Dopingmittel greifen irgendwo in diese Signalübermittlung des Körpers ein. In diesem Exkurs wird nun die Übermittlungen von Körpersignalen mit Nervenzellen betrachtet. 138 Modull III: Tatort Synapse Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem Der Organismus hat grundsätzlich drei Möglichkeiten, die Kommunikation zwischen Zellen aufrecht zu erhalten: mit Hormonen, lokalen chemischen Mediatoren und mit Nervenzellen. E1.2 Das Neuron Ob wir denken, unsere Muskeln zusammenziehen oder reflexartig eine Bewegung ausführen, all dies wird durch Nerven gesteuert, kontrolliert und weitergeleitet. Dabei unterscheidet man zwischen dem zentralen Nervensystem (ZNS), das Rückenmark und Gehirn umfasst, und dem peripheren Nervensystem (PNS). Diese zwei Systeme sind durch die Blut-Hirn-Schranke voneinander getrennt, damit nicht ungewollt Stoffe ins Gehirn gelangen können. Die Nerven, die eine Verbindung zu den peripheren Nervenzellhaufen bildet, nennt man Ganglien. Manchmal dienen sie rein zur Kommunikation zwischen diesen zwei Systemen, in anderen Fällen sind dies aber zusätzliche „Kleincomputer“. Die einzelnen Nervenzellen, auch Neurone genannt, leiten ein von aussen kommendes oder vom Gehirn abgegebenes Signal mit bis zu 120 m/sec (430 km/h) weiter, bevor das elektrische in ein chemisches Signal umgewandelt wird. Obwohl die Eigenschaften und Funktionsweise der Neuronen besser bekannt sind als diejenigen der 11 meisten anderen Zellen, ist und bleibt das Gehirn mit seinen rund 100 Milliarden (10 ) Neuronen und 14 mehr als 10 Verschaltungen das rätselhafteste Organ im menschlichen Organismus. Die Nervenzelle stellt den Grundbaustein des Nervensystems dar. Wie andere Körperzellen enthält auch sie ein Zytoplasma mit Zellkern, Stoffwechselkomponenten, Zellorganellen und verschiedene Strukturproteine. Im Gegensatz zu den meisten anderen Körperzellen vermehren sich die Nervenzellen nach der Geburt des Organismus nicht mehr. Somit können auch abgestorbene Zellen nicht ersetzt werden. Embryonale Nervenzellen in einer Zellkultur gehalten schicken Fortsätze aus, die 1 man Neurit nennt. Diese Neurite, die wie Finger aus der Zelle wachsen, bewegen sich mit etwa 1 mm pro Tag, wedeln, ziehen sich wieder zurück oder verlängern sich. Es gibt Hinweise, dass sich auch im Erwachsenenalter Nerven von gesundem Nervengewebe dauernd ausweiten und wieder zurückziehen, aber wie gesagt nicht neu bilden. Um einen ersten Überblick über den Bau eines Neurons zu gewinnen, lesen Sie bitte Seite 206 im Natura III. Schlagen Sie diese Buchseite auch immer wieder auf, falls Sie während dieses Kapitels neue Begriffe kennen lernen oder nicht mehr wissen, was im Neuron wo zu lokalisieren ist. 1 Auch Axone werden in gewissen Lehrbüchern als Neurite bezeichnet 139 Modull III: Tatort Synapse Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem Neurone unterscheidet man je nachdem welche Aufgabe sie übernehmen müssen. Die Motoneurone enden bei einem Muskel und bewirken dessen Kontraktion. Sensorische Neurone dienen dazu, einen von aussen kommenden Reiz, zum Beispiel Licht, Druck oder Schall, weiterzuleiten. Und die Interneurone befinden sich zwischen zwei anderen Neuronen und verrechnen die Signale, leiten diese weiter oder unterdrücken sie. Sie sind vergleichbar mit einem Computer, der Informationen verrechnet und entweder weiterleitet oder nicht. Trotz unterschiedlichen Aufgaben ist ihre Funktionsweise überall die gleiche: Sie leiten eine bei den Dendriten (dendros: Baum) ankommende Störung weiter. Eine solche Störung, die sich in Form eines elektrischen Signals fortpflanzen, schwächt sich jedoch nach kurzer Strecke ab, weshalb sie dauernd wieder verstärkt werden muss. Kleine Neurone können ohne Verstärkung das Signal weiterleiten. Da bei einem Menschen ein Motoneuron bis zu einem Meter lang werden kann, ist es einleuchtend, dass die Störung immer wieder verstärkt werden muss. Diese Wanderwelle elektrischer Erregung nennt man Aktionspotential oder Nervenimpuls. Alle unsere Denkvorgänge, die meisten Muskelbewegungen und zum Teil die Steuerungen der Drüsen geschehen via Neurone. E1.2.1 Das Aktionspotential bei langsamen Neuronen Wie aber wird ein Signal in den Neuronen weitergeleitet? Zwischen dem Inneren der Nervenzelle und der Umgebung besteht ein Spannungsunterschied, das sogenannte Ruhe(-membran-)potential. Der Spannungsunterschied ist immer negativ, da jeweils in Bezug auf den extrazellulären Raum gemessen wird. Typischerweise ist die Spannung über einem Neuron im Ruhezustand -70 mV (kann zwischen –60 mV und –120 mV variieren). Massgeblich am Membranpotential und an der Erregungsleitung sind drei bis vier Membranproteine beteiligt. Für den Ruhezustand ist eine Na/K-ATPase und ein Kaliumionensickerkanal zuständig. Eine Na/K-ATPase ist ein Protein, das unter ATP-Verbrauch zwei Kalium-Ionen im Austausch gegen drei Natrium-Ionen von aussen nach innen transportiert. Auf diese Weise wird schon hier netto positive Ladung nach aussen befördert. Durch die geöffneten Kaliumionensickerkanäle können die Kalium-Ionen wieder aus dem Neuron austreten. Aufgabe E1.3 Weshalb läuft ein Vorgang nur „gezwungen“ ab, während der andere von selbst abläuft? 140 Modull III: Tatort Synapse Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem Bedeutsam für die Ausbildung des Ruhemembranpotentials ist ein intrazellulärer Überschuss negativ geladener grosser Anionen, überwiegend grossmolekularer Proteine. Diese Proteine können die Zellmembran nicht durchqueren und halten so die Kalium-Ionen durch elektrostatische Anziehungen im Innern der Zelle zurück. Diese zwei Triebfedern für die Kalium-Ionen, einerseits das Bestreben, die Konzentrationen innen und aussen auszugleichen, andererseits die negative Aufladung des Zellinnern, führen zu einem Gleichgewicht der Kaliumionenkonzentration zwischen Innen und Aussen, und somit zum Ruhemembranpotential von –70 mV. Da es immer einen relativ kleinen Einstrom von Natrium-Ionen in die Zelle gibt, muss die Na/K-ATPase immer aktiv sein, auch wenn das Ruhepotential einmal eingestellt ist. Ohne einen Reiz befindet sich das Neuron in Ruhephase in einem Ruhepotential je nach Neuron von -60 bis -120 mV Ein Aktionspotential wird ausgelöst, indem die Zelle über einen bestimmten Schwellenwert depolarisiert wird, wobei sich eine Spannung von etwa +30 mV. Dies erfolgt durch + spannungsgesteuerte Natriumionenkanäle, die sich öffnen und so einen Einfluss von Na in die Zelle bewirkt, da die Natriumionenkonzentration innerhalb der Zelle im Ruhezustand kleiner ist als Aussen. + Dieser Na -Einstrom führt in der Nachbarregion ebenfalls zu einer Depolarisation und somit zu einem Öffnen der Natriumionenkanäle in diesem Teil der Zelle. So ist gewährleistet, dass sich das Aktionspotential nicht abschwächt, sondern immer wieder verstärkt, bis es bei der Synapse angelangt ist. Dann spielen aber zwei Faktoren zusammen, damit die Nervenzelle möglichst rasch wieder ihr Ruhepotential erreicht. Erstens schliessen sich die Natriumionenkanäle wieder, und zweitens besteht in einigen Neuronen die Möglichkeit, dass sich zusätzliche Kaliumionenkanäle öffnen. Wenn diese + + offen sind, wird der Einfluss der Na -Ionen durch den Ausfluss der K -Ionen mehr als ausgeglichen, was kurzfristig sogar bedeutet, dass das Ruhepotential unterschritten wird. Diese Kaliumionenkanäle sind wie die Natriumionenkanäle spannungsgesteuert, jedoch reagieren sie auf eine Depolarisation der Membran mit einer kleinen zeitlichen Verzögerung. Bei der Repolarisierung schliessen sich auch diese zusätzlichen Kaliumionenkanäle wieder. Durch diesen Mechanismus kann ein Membranstück innerhalb weniger als einer Millisekunde ein nächstes Aktionspotential abfeuern. Während die Ausbreitung des Aktionspotentials entlang der Membran erfolgt, fliesst der Strom, anders als in einem Stromkabel, quer zur Ausbreitungsrichtung, "transmembranös". Der Vorteil ist, dass dadurch keine Leitungsverluste auftreten, der Nachteil eine geringere Geschwindigkeit. 141 Modull III: Tatort Synapse Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem Verfolgen Sie das Membranpotential und den Zustand der Ionenkanäle während eines Aktionspotentials unter http://www.uni-bielefeld.de/Neurobiologie/leechblock/Hintergrund/ap.html Aufgabe E1.4 Versuchen Sie, mit Hilfe von Zeichnungen den Zustand der Membranproteine während des Ruhepotentials, des Aktionspotentials und der Repolarisierung darzustellen. Aufgabe E1.5: Zeichnen Sie die Weiterleitung des Aktionspotentials. Lesen Sie, falls nötig, die entsprechenden Textstellen noch einmal. Die zu Beginn des Aktionspotentials auftretende Öffnung der Natriumionenkanäle erfolgt durch eine, meist von aussen ausgelöste Änderung des Ruhemembranpotentials über einen bestimmten Schwellenwert, der normalerweise bei -50 mV liegt ("Depolarisation"). Anschliessend wird im Neuron zur Weiterleitung immer ein "vollständiges" Aktionspotential ausgelöst. Es gilt das Alles-oder-NichtsPrinzip, d.h. wenn der Schwellenwert erreicht wird, findet ein typisches Aktionspotential statt, wird er nicht erreicht, passiert nichts. Nach einem Aktionspotential kann der Natriumionenkanal vorübergehend nicht durch überschwellige Depolarisation aktiviert werden, ein Aktionspotential kommt nicht zustande. Die Zelle ist refraktär . Man unterscheidet absolute Refraktärzeit (1-2 ms) und relative Refraktärzeit, in der eine verstärkte Depolarisation doch noch ein Aktionspotential auslösen könnte. Durch verschiedene Massnahmen wie Medikamente, Konzentrationsänderungen der Ionen oder eine ausserordentlich langsame Annäherung an diese Schwelle lässt sich der Schwellenwert allerdings verschieben. Durch Sauerstoffmangel oder mit Hilfe bestimmter Medikamente (Muskelrelaxantien) kann die Aktivierung des Natriumionenkanals sogar vollständig inaktiviert und ein Aktionspotential somit verhindert werden. Neurone sind beliebte Medikamenten. 142 Angriffsziele von Giften und Modull III: Tatort Synapse E1.2.2 Die bis Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem Das Aktionspotential bei schnellen Neuronen dahin besprochenen Neurone werden als langsame Neurone bezeichnet. Ihre Leitungsgeschwindigkeit beträgt lediglich 0.2 – 15 m/sec. Eine Erhöhung der Leitungsgeschwindigkeit bis zu 120 m/sec erreichen die Neurone durch eine „Isolation“ mit der sogenannten Myelinscheide. Diese Aufgabe wird im peripheren Nervensystem von den Schwannschen Zellen, im ZNS von den Oligodendrocyten übernommen. Beide Zellarten gehören zu den Gliazellen2. Sie wickeln ihre Zellmembran bis zu 300 mal um ein Axon. Die Schwannschen Zellen umwickeln ein einziges Axon, die Oligodendrocyten können mehrere Axone umwickeln. Die so eingewickelten Axone sind nun gut isoliert und abgedichtet gegen Leckströme. Eingehüllte Axonteile sind zwar nicht erregbar, haben aber ausgezeichnete Leitereigenschaften. Wie aber kann das Aktionspotential trotzdem weitergeleitet und -9 immer wieder verstärkt werden? Die Myelinscheide ist etwa jeden Millimeter für 500 nm (nano: 10 ) unterbrochen. In diesen sogenannten Ranvierschen Schnürringen sind nun alle Natriumionenkanäle lokalisiert. Dies ergibt mehrere tausend Kanäle auf den Quadratmikrometer. Das Signal kann hier also wieder massiv verstärkt werden. Zwischen den Ranvierschen Schnürringen wird das Signal passiv weitergeleitet. Diese Art der Fortleitung eines Aktionspotentials wird als "sprunghaft = saltatorisch" bezeichnet und ist sehr viel schneller als die kontinuierliche Erregungsausbreitung. Aufgabe E1.6 Was ist richtig? Die Myelinscheide hat einen besonders hohen • Lipidanteil, • Kohlenhydratanteil, • Proteinanteil. Begründen Sie Ihre Wahl. E1.3 Die Synapse Was passiert mit dem Aktionspotential an der Synapse? Wie wird diese Information weitergegeben? Die Empfängerzelle kann • eine Muskelzelle (hier spricht man von einer motorischen Endplatte), • eine Drüse oder • eine nächste Nervenzelle sein. Aber auch für die Übertragungsart gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Einerseits kann die Information direkt über sogenannte Gap Junctions weitergeleitet werden, andererseits via Neurotransmitter auf die Zielzelle weitergegeben werden. Gap Junctions sind jeweils zwei Membranproteine, die aneinander hängen und einen Kanal zwischen zwei Nachbarzellen bilden. So können die Ionen, also das Aktionspotential, direkt in die Nachbarzelle einströmen und dort ein nächstes Aktionspotential auslösen. Solche direkten elektrische Kopplungen durch Spaltverbindungen, auch elektrische Synapsen genannt, haben den Vorteil, dass die Übertragung 2 Zellen, die Neurone umgeben und den Raum dazwischen ausfüllen; weitere Gliazellen sind Mikroglia, Ependymzellen und Astrocyten. 143 Modull III: Tatort Synapse Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem ohne Verzögerung zustande kommt. Sie haben aber viel weniger die Möglichkeit, das Signal anzupassen und zu steuern. Dies übernehmen vielmehr die chemischen Synapsen, die eine Mehrzahl der Nervenzellverbindungen darstellen und im Folgenden besprochen werden. Elektronenmikroskopische Aufnahmen von Gap Junctions finden Sie unter: http://www.unimainz.de/FB/Medizin/Anatomie/workshop/EM/EMNexus.html Erreicht das sich ausbreitende Aktionspotential das Ende des Axons, so trifft es auf spezialisierte Membrananteile, die einen Teil der Informationsübertragungszone zur nächsten Zelle ausmachen. Dabei unterscheidet man bei der chemischen Synapse folgende Teile: • Die (präsynaptische; lat. prae = vor) Membran der aussendenden Zelle, • den synaptischen Spalt mit einem Durchmesser von etwa 20 nm und • die (postsynaptische; lat. post = nach) Membran der empfangenden Zelle. Wird das Aktionspotential entlang des Axons geleitet, öffnen sich, wie schon besprochen, + spannungsgesteuerte Na -Kanäle. Am Ende des Axons bewirkt das Aktionspotential jedoch die 2+ 2+ Öffnung spannungsgesteurter Ca -Kanälen. Die intrazelluläre Ca -Ionenkonzentration ist viel kleiner als die extrazelluläre. Innerhalb der Zelle beträgt sie 100 nmol/L, ausserhalb der Zelle liegt sie bei 1-2 2+ mmol/L. Dieser grosse Ionengradient bewirkt, dass beim Öffnen der Kanäle die intrazelluläre Ca Ionenkonzentration innerhalb kurzer Zeit um den Faktor 10 bis 100 erhöht wird. Der Anstieg des freien 2+ Ca innerhalb der Zelle ist sehr kurzlebig. Die Ionen werden durch Proteine gebunden, in die Mitochondrien oder Vesikel aufgenommen und durch ATP getriebene Ionenpumpen aus der Zelle befördert. So ist das Axonende rasch wieder bereit, ein neues Aktionspotential zu empfangen. Dieser Vorgang ist im ganzen Organismus die einzige bekannte Möglichkeit, ein elektrisches Signal in ein chemisches umzuwandeln. Durch diesen massiven 2+ Ca -Einstrom werden sogenannte Neurotransmitter (lat.: transmittere: hinüberschicken) in den synaptischen Spalt entlassen. Diese Neurotransmitter, meist kleine organische Moleküle, zum Teil aber auch Peptide, befinden sich in kleinen Vesikeln mit einem Durchmesser von ungefähr 40 nm und werden synchron, induziert durch 2+ den Ca -Einstrom, in den synaptischen Spalt ausgeschüttet. In der postsynaptischen Zelle werden nun diese chemischen Signale wieder in elektrische umgewandelt. Es kann sich dabei wieder um eine Nervenzelle bzw. den Dendriten einer Nervenzelle, jedoch auch um eine Muskelzelle oder z.B. eine Schweissdrüsenzelle handeln. Je nachdem wird eine bestimmte Funktion ausgelöst: Die Nervenzelle könnte die Erregung wiederum weiterleiten, die Muskelzelle sich zusammenziehen oder die Schweissdrüsenzelle Schweiss produzieren. Über solche Kommunikationseinheiten ist zum Beispiel jedes Neuron im Gehirn mit 10‘000 anderen Neuronen verbunden, so dass ein dreidimensionales 14 Netzwerk von 10 Synapsen entsteht. 144 Modull III: Tatort Synapse Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem Am synaptischen Spalt werden elektrische Signale in chemische Signale umgewandelt und wieder zurück in elektrische Signale. Die von der präsynaptischen Zelle ausgeschütteten Moleküle nennt man Neurotransmitter. Eine synaptische Übertragung löst beim postsynaptischen Neuron nicht automatisch nach dem Allesoder-Nichts-Prinzip erneut ein Aktionspotential aus. Stattdessen führt eine einzelne Übertragung entweder zu einer Teil-Depolarisation der Zellmembran, so dass ein neues Aktionspotential erst nach der nächsten oder einer späteren Erregungsübertragung, eben nach Erreichen der Depolarisationsschwelle, zustande kommt. Daneben gibt es auch Synapsen, die das Gegenteil bewirken: Eine Erregungsübertragung löst hier eine verstärkte Polarisation der postsynaptischen Zelle aus, so dass ein Zustandekommen eines Aktionspotentials dieser Zelle sogar noch erschwert wird. Eine solche Synapse wird als inhibitorisch (=hemmend), die zuvor beschriebene Art als excitatorisch (=erregend) bezeichnet. An den Dendriten der meisten Neuronen findet sich ein Gemisch aus inhibitorischen und excitatorischen Synapsen. Der jeweilige Erregungszustand solcher Nervenzellen stellt demnach eine Integration der aus unterschiedlichen Richtungen eingetroffenen Informationen dar. Lesen Sie dazu Seite 311 im Biologie SII (Schrödel-Verlag) und beachten Sie im gleichen Buch Abbildung 322.2 (Seite 322). Damit die postsynaptische Zelle nicht dauernd erregt wird, muss der Neurotransmitter möglichst rasch wieder aus dem synaptischen Spalt entfernt werden. Dies geschieht durch enzymatische Hydrolyse des Neurotransmitters oder durch Reabsorption in die präsynaptische Zelle. Alle Vorgänge bei dieser chemischen Übertragung des Aktionspotentials scheinen auf eine hohe Geschwindigkeit getrimmt zu sein. So vergeht zwischen der Spitze des Aktionspotentials in der präsynaptischen Zelle bis zur Spitze des Aktionspotentials in der postsynaptischen Zelle höchstens eine Millisekunde. Diese Systeme der Signalverarbeitung scheinen sich ziemlich früh in der Evolution entwickelt zu haben. So findet man dieselben Neurotransmitter in ganz unterschiedlichen Spezies, von Molluskeln bis zu Säugetieren. Nicht jeder Neurotransmitter übernimmt jedoch die gleiche Funktion. So können einige hemmend, andere erregend wirken. Die mathematische Integration der inhibitorischen und excitatorischen Signale an der postsynaptischen Zelle bewirkt, ob ein Aktionspotential an diesem Dendrit weitergegeben wird oder nicht. Im Allgemeinen sezerniert aber ein Neuron nur einen Neurotransmitter und zwar an allen seinen Synapsen. Gelegentlich kann es vorkommen, dass ein Neuron auch noch 145 Modull III: Tatort Synapse Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem einen zweiten Neurotransmitter ausschütten kann. Die folgende Tabelle soll einen Überblick über die in Tieren vorkommenden Neurotransmitter vermitteln. 146 H3C C O CH3 CH2 CH2 N CH3 CH3 Nervensystems 147 Ganglien des autonomen Rückenmark Stammhirn Endplatten Vor allem in den motorischen Acetylcholin O Vorkommen / Funktion Neurotransmitter Enzymatische Hydrolyse (falls bekannt) Inaktivierung Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem Name / Struktur E1.3.1 Modull III: Tatort Synapse Kommt im Gift der Hornisse vor Kapitel) Neurotransmitter (vgl. nächstes Einer der wichtigsten Bemerkungen +2 +2 +2 &+ &+ 1+ &+ 2+ &+ &+ 1+ 2+ &+ &+ 1+ O-Methylierung (gilt für alle drei Neurotransmitter) Prozesse; Hypophyse → psychische Prozesse 3 sind Nahrungsaufnahme beteiligt Steuerung der Atmung und der der Blutdruckregulation und der ZNS: Gehirnregionen, die an Sympathikus PNS: Zum Teil Synapsen des ZNS: weit verbreitet PNS: Synapsen der Niere Desaminierung oder Willkürmotorik und psychische &+ &+ 1+ Funktion eines Hormons Alle haben zusätzlich auch die +2 Aminosäure Tyrosin ab: Reabsorption; z.T. auch durch verantwortlich für die &22+ Alle leiten sich von der Vorwiegend durch ZNS: Gehirnregionen Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem 148 Im vegetativen Nervensystem alle Funktionen, die die Fähigkeit zur Arbeitsleistung und zur Auseinandersetzung mit der Umwelt erhöht: Herz, Kreislauf und Atmung werden aktiviert, Glykogen wird mobilisiert, die Tätigkeit des Magen-Darm-Trakts dagegen vermindert (Tag). Gegenteil: Parasympathikus: Tätigkeit der Verdauungsdrüsen und der Darmmuskulatur nimmt zu, die Kreislaufleistung und die Atmung nehmen ab (Nacht). 3 +2 Adrenalin +2 Noradrenalin +2 Dopamin Monoamine Modull III: Tatort Synapse 5 4 +1 1 1 + 1+ &+ &+ &+ &+ 1+ 5 Wach-Rhythmus 149 1 1+ Als Neurotransmitter ist es noch Allergien. Entzündungsreaktionen und vor und vermittelt grossen Mengen in Mastzellen Gewebehormons; kommt in Hat auch die Funktion eines +1 &+ &+ & 22 Histidin ab: verantwortlich für den Schlaf- Kommt im Gift der Wespe vor Gewebehormons Hat auch die Funktion eines Leitet sich von der Aminosäure 4 1+ ZNS: Im Hypothalamus; ist Beweglichkeit PNS: Gastrointestinale Nahrungsaufnahme dienen Körpertemperatur und der +2 &+ &+ &22 1+ Desaminierung Schlaf-Wach-Rhythmus, der Regulation der Methylierung oder Schmerzunterdrückung, dem Tryptophan ab: Reabsorption und enzymatische Leitet sich von der Aminosäure ZNS: Gehirnregionen, die zur Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem Magen und Darm betreffend Hormon, das nicht von einer Drüse, sondern einem Gewebe sezerniert wird. Histamin +2 Serotonin Modull III: Tatort Synapse Glycin Aspartat Glutamat Aminosäuren +1 +1 +1 Modull III: Tatort Synapse 150 Motoneurone &+ + hemmendem Effekt auf ZNS: Interneurone mit Neurotransmitter ZNS: erregender und für die Willkürmotorik Neurotransmitter im PNS ist Lern- und Gedächtnisvorgänge Gegenstück zum Acetylcholin, das der wichtigste Reabsorption Reabsorption Mitteleuropas vor Bienen, Wespen und Hornissen Kommt in den Giften aller nicht lange bekannt. Transmitter; Bedeutsam für ZNS: wichtigster erregender &22 & 22 & + &+ & 22 &22 &+ & + &+ & 22 Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem 6 2 2+ 2+ &+ Abspaltung von CO2 +2 Adenosin Nucleinsäuren &22 &+ &+ &+ 1+ 1 1 1 1 1 Neurotransmitter bei (GABA = Gamma-aminobutteracid) 151 Schlaf-Wach-Rhythmus und Niere; Blutdruckregulation im Gehirn allem Interneuronen hemmenden Neuronen, vor ZNS: Wichtigster γ-Aminobuttersäure Reabsorption Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem Modull III: Tatort Synapse 6 Decarboxylierung von Glutamat entsteht durch Körpertemperatur δ-Endorphine Enkephaline aus 11 bis 31 Aminosäuren Erhöhen oder senken die γ-Endorphine Gehirn 152 ZNS: Opioide Wirkung im Darmbeweglichkeit PNS: Hemmen die geschnitten werden; bestehen Peptidasen bekannt Von allen ist noch nicht sehr viel worden. Neoendorphine beschrieben Weiter sind die Dynorphine und zwei verschiedene Peptide; Zu den Enkephalinen gehören gleichen Vorläuferproteine so den Schmerz Enzyme) β-Endorphine Alles Peptide, die aus dem Opiatrezeptoren und hemmen Peptidasen (Peptid abbauende Energiespeichers auch die Funktion eines α-Endorphine 1 ATP hat im ganzen Organismus ZNS: Binden an die 1 1 Endorphine: Peptide 2+ 2+ 2 2 2 2 3 2 3 2 3 2 &+ 2 2 2 2 mit Noradrenalin ausgeschüttet Darms 1 Wird zum Teil auch zusammen In erregenden Neuronen des ATP 1 Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem Modull III: Tatort Synapse Sensorische Afferrenz Tachykinine: Tabelle E1.1. Neurotransmitter Cholecystokinin Neurotensin Neuropeptid Y 153 Potential weitergeben und an der motorischen Endplatte den Muskel zu einer Bewegung reizen. Schmerzbekämpfung und zum Muskelaufbau. Mit Hilfe von elektrischem Strom reizt es die Nerven, die das Das ELPHA II 3000 ist ein in der Physiotherapie und der Sportmedizin eingesetztes Gerät zur http://www.physiopaed.de/Nervensystem.htm oder folgende Internetseite: herauszufinden, welchen Nerv Sie im Moment stimulieren. Konsultieren Sie dazu ein geeignetes Biologiebuch Bewegungen zu induzieren. Nehmen Sie dazu Kontakt mit Ihrer Lehrperson auf. Versuchen Sie dabei Versuchen Sie mit Hilfe des ELPHA II 3000 Gerätes Nerven an Ihren Beinen und Armen zu reizen und so bekannt Neurokinin A Neurokinin B ebenfalls noch nicht sehr viel Über diese Neuropeptide ist Substanz P Peptidasen Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem Modull III: Tatort Synapse Modull III: Tatort Synapse E1.3.2 Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem Acetylcholin – ein Beispiel Als konkretes Beispiel für eine Übertragung des ankommenden Signals über die Synapse soll im folgenden Kapitel Acetylcholin und die Acetylcholinesterase besprochen werden. Acetylcholin wurde bereits in den 20er Jahren als chemischer Botenstoff zwischen Nerven und Herzmuskulatur identifiziert. Das Aktionspotential wird dem Axon entlang zur Synapse mit dem bereits bekannten Öffnen und Schliessen von + Na -Ionenkanälen geleitet. An der Synapse bewirkt das Eintreffen des 2+ Aktionspotentials das Öffnen von Ca -Ionenkanälen in der Plasmamembran des Neurons. Das 2+ Einfliessen der Ca -Ionen in das Axonende führt wiederum zur Freisetzung von Acetylcholin aus dem Axonende in den synaptischen Spalt. Acetylcholin wird durch eine Veresterung der Essigsäure aus dem Acetyl-CoA mit Cholin hergestellt. Cholin kommt unter anderem auch in Bestandteilen der Plasmamembran, den Phospholipiden (Phosphatidylcholin) vor. Nach seiner Synthese wird es in Vesikel in der präsynaptischen Zelle gepackt. Pro Impuls werden 10'000'000 Moleküle ausgeschüttet. Schauen Sie in einem geeigneten Lehrbuch die Strukturen von Acetyl-CoA und Phosphatidylcholin nach. Nach seiner Ausschüttung muss Acetylcholin möglichst rasch wieder deaktiviert werden. Dies geschieht einerseits durch eine Reabsorption in die präsynaptische Zelle, andererseits wegen der Hydrolyse durch die Acetylcholinesterase. Dieses Enzym ist in der Zellmembran der postsynaptischen Zelle lokalisiert und inaktiviert Acetylcholin durch Hydrolyse in Cholin und ein Acetat-Ion mit einer Geschwindigkeit von 10 Molekülen pro Millisekunde: 2 +& & &+ 2 &+ &+ 1 &+ +& &+ & 2 2 &+ +2 &+ &+ 1 &+ &+ Das Cholin wird anschliessend wieder von der präsynaptischen Zelle aufgenommen und mit Hilfe vom Acetyl-CoA (Acetylcoenzym A) zu Acetylcholin verestert: 155 Modull III: Tatort Synapse Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem Das Acetylcholin wird von den Vesikeln wieder aufgenommen und ist bereit für das nächste Aktionspotential. Die Vesikel selber unterliegen ebenfalls einem Recycling mit dem Vorteil, dass keine neuen Membrane gebildet werden müssen. &+ 2 +2 &+ &+ 1 &+ + & & 6 &+ 2 + & &RHQ]\P$ & &+ 2 &+ &R$6+ &+ &+ 1 &+ Vor der Inaktivierung muss Acetylcholin jedoch einen Reiz in der präsynaptischen Zelle erzeugen. Dies geschieht an zwei verschiedenen Typen von Rezeptoren: Dem nikotinischen und dem muskarinischen Acetylcholinrezeptor. Wie der Name schon sagt, kann der nikotinische Acetylcholinrezeptor anstelle von Acetylcholin auch das im Tabak vorkommende Alkaloid Nikotin binden, der muskarinische Rezeptor das im Fliegenpilz vorkommende Alkaloid Muscarin. + +2 + +& + 2 &+ &+ 1 + &+ Abbildung E1.4. Das Alkaloid Muscarin &+ Der nikotinische Rezeptor ist ein Ionenkanal. Binden zwei Acetylcholin an den Rezeptor, öffnet sich + dieser selektiv für Na -Ionen. Die Folge davon ist eine Depolarisation der postsynaptischen Zelle. Folglich wird ein für diese Zelle neues Aktionspotential aufgebaut. Im Gegensatz dazu löst der im Gehirn vorkommende muskarinische Acetylcholinrezeptor eine Cyklisierung von intrazellulärem AMP + aus. Dieses cyklische AMP (cAMP) seinerseits bewirkt nun, dass sich ein Na -Ionenkanal in der Membran öffnet, und somit auch in diesem Fall die postsynaptische Zelle depolarisiert. 1 1 1 1 1 1 1 1 2 2 2 2 3 2 3 2 3 2 &+ 2 2 2 2 2 2 2 3 2 3 2 2 2 2+ 2+ + 2 &+ 2 2 3 2 ATP PPi 1 1 2 2+ cAMP Abbildung E1.5. Bildung des intrazellulären „second messengers“ cyclo-3‘5‘-Adenosinmonophosphat (cAMP) aus Adenosintriphosphat (ATP). Dabei wird ein Diphosphat abgespalten (PPi: inorganic phosphate) 156 Modull III: Tatort Synapse Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem Statt cAMP als zweiter Botenstoff (second messenger), kann bei einigen Neuronen auch Inositoltriphosphat (IP3) beim muskarinischen Acetylcholinrezeptor, das Signal zum Ionenkanal zu bringen. Dieser öffnet sich und es wird auch hier wieder ein für die Zelle neues Aktionspotential aufgebaut. DAG Phospholipase C Phosphorylierung 2 2 2 2 2+ 2 2 2 2 2 2 2 2 2 PI 3 2 2 2 2 2+ 2+ 2+ 2 2 2 3 2 2 2 2+ + 2 2+ 3 2+ 2+ 2 3 2 2 2+ 2 IP3 2 3 2 2+ 2+ 2 2 2 2 2 2 2 2+ 3 2 3 2 2 Abbildung E1.6. Herstellung von intrazellulärem IP3 als second messenger. Der zweite Schritt wird durch Acetylcholin ausgelöst, der erste Schritt geschieht bereits an der Zellmembran. Dabei schaut der hydrophile Kopf ins Zellinnere. DAG: Diacylglycerol; IP3: Inositoltriphosphat; PI: Phosphatidylinositol 157 Modull III: Tatort Synapse Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem Zur Funktionsweise der ACh-Rezeptoren lesen Sie bitte folgende Seiten: http://www.drd.de/helmich/bio/neu/reihe1/ur15/endplatte3.html http://www.drd.de/helmich/bio/neu/reihe1/ur15/endplatte4.html http://www.drd.de/helmich/bio/neu/reihe1/ur15 /indirekt/indirekt1.html http://www.drd.de/helmich/bio/neu/reihe1/ur15/ac01.html E1.4 Aktionspotentiale Im ZNS erhalten Neurone Input von bis zu tausend anderen Neuronen. Die Dendriten eines Motoneurons im Rückenmark können beispielsweise völlig von Synapsen zu anderen Neuronen bedeckt sein. Einige Synapsen schicken Signale aus dem Gehirn an das Motoneuron, andere übermitteln Informationen von Muskeln oder der Haut und weitere bringen die Ergebnisse der Verrechnungen der Interneurone im Rückenmark selbst. Das Motoneuron muss nun diese vielen Informationen kombinieren und darauf reagieren. Bedeutet das erhaltene Signal eine Weiterleitung der Information, wird es zu den anderen excitatorischen Informationen addiert. Erhält das Motoneuron ein Signal von einem inhibitorischen Neuron, wird das Signal subtrahiert. Ein excitatorisches Signal bewirkt, wie in den vorhergehenden Kapiteln beschrieben, die Öffnung eines Natriumionenkanals, inhibitorische Signale hingegen öffnen einen Chloridionenkanal. Diese postsynaptischen Potentiale (PSP) werden nun passiv zum Axonhügel geleitet. Ist die Summe dieser PSP (Summen-PSP) gross genug, wird das Signal wie beschrieben entlang des Axons weitergeleitet. Mit anderen Worten: Vor dem Axonhügel werden die das Neuron erreichenden Signale addiert bzw. subtrahiert, nach dem Axonhügel ist das Signal nur noch eine digitale Antwort auf das Summen-PSP der Dendriten. Ein einziges PSP bringt normalerweise das Axon nicht dazu, das Signal weiterzuleiten. Es ist vielmehr eine räumliche und zeitliche Addition aller empfangenen Reize. Die Dendriten der Neurone empfangen von vielen anderen Neuronen Signale, die excitatorisch oder inhibitorisch sein können. Alle Potentiale geleitet. 158 werden passiv zum Axonhügel Modull III: Tatort Synapse Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem Lesen Sie dazu Seite 311 im Natura III. Sind bei zwei Dauerreizen die Höhe der Summen-PSP verschieden stark, ist die Abfolge der Axonmembranpotentiale unterschiedlich gross. Der Axonhügel feuert also mit immer anderen Frequenzen das Signal entlang des Axons weiter. Dies wird durch die Zusammenarbeit von + + + Na -Ionenkanälen, verzögerten K -Ionenkanälen und frühen K -Ionenkanälen erreicht. Wie das Zusammenspiel dieser drei Ionenkanäle ist, wollen wir nicht weiter erörtern. Wichtig ist, dass die Kombination dieser drei Ionenkanäle im Axonhügel ausreicht, das abgehende Aktionspotential zu codieren. 159 0 100 Zeit in ms 200 0 Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem 160 Abbildung 1.7. Abhängigkeit der Frequenz mit der ein Axonhügel ein Aktionspotential abfeuert vom Summen-PSP -70 0 Modull III: Tatort Synapse Zeit in ms 100 200 Modull III: Tatort Synapse Exkurs: Der Computer im Mensch - das Nervensystem Eine weitere Eigenschaft des Axonhügels liegt darin, dass bei einem gleichbleibenden Dauerreiz von den Dendriten die Frequenz der abgehenden Aktionspotentiale abnimmt. Dies wird durch zwei 2+ 2+ weitere Ionenkanäle bewirkt, nämlich die spannungsgesteuerten Ca -Ionenkanäle und die Ca + aktivierten K -Ionenkanäle. 0 -70 Zeit Abbildung E1.8. Abhängigkeit der Frequenz mit der ein Aktionspotential vom Axonhügel abgefeuert wird von der Zeit. Das beim Axonhügel ankommende Summen-PSP bleibt dabei konstant. Die Membran Aktionspotentiale des Axonhügels eingeleitet ist werden. der Sie Ort, wo besteht aus dichtgepackten Na+-Ionenkanälen, Ca2+-Ionenkanälen und den verzögerten, den frühen und den Ca2+-selektiven K+Ionenkanälen. Gehen Sie zu zweit mit einem schwarzen Tuch an die Sonne oder in einen sehr hell erleuchteten Raum. Verbinden Sie sich die Augen. Die zweite Person löst das Tuch nach fünf Minuten von den Augen. Sicher bemerken Sie, dass sich das Auge, nachdem es zu Beginn geblendet wird, an das Licht „gewöhnt“, oder anders ausgedrückt, dass die Nervenimpulse vom Auge zum Gehirn abnehmen. 161 Modull III: Tatort Synapse Exkurs: Der Computer im Mensch - das Nervensystem Lernkontrolle Exkurs Nerven Aufgabe E1.7 Welchen Vorteil sehen Sie darin, dass der Natriumionenkanal nach seiner Öffnung für kurze Zeit nicht aktiviert werden kann, also in einen inaktiven Zustand übergeht? Aufgabe E1.8 Erklären Sie die Unterschiede zwischen einem Motoneuron, einem sensorischen Neuron und einem Interneuron. Aufgabe E1.9 Was verstehen Sie unter einem „second messenger“. Aufgabe E1.10 Erstmals wurden kürzlich Axone von Neuronen in Tumoren entdeckt. Dabei wird darauf hingewiesen, den Beweis nun gefunden zu haben, weshalb Krebs durch Stress ausgelöst werden kann (Weltwoche Nr. 6 vom 7. Februar 2002; S. 42). Wie erklären Sie sich diese Zusammenhänge? Aufgabe E1.11 Bereits länger bekannt ist, dass bei Tumorpatienten der Serotoninspiegel im Blut aussergewöhnlich hoch ist (bis zu 60-fach erhöht). Was sind die Folgen dieser Überproduktion an Serotonin? Aufgabe E1.12 Das Nervengewebe benötigt ausschliesslich Kohlenhydrate für seine Aktivität, hat aber selber nur einen sehr kleinen Glykogenspeicher, ist also auf die Zufuhr von aussen angewiesen. Die Durchblutung des Gehirns beträgt 750 ml/min. Pro Liter Blut lassen sich 0.5 mmol Glucose gewinnen. Wie viel Mol und wie viel Gramm Glucose verbraucht demnach das menschliche Gehirn? Wie viel Sauerstoff ist dazu nötig? Wie viel ATP wird dabei gebildet? Vergleichen Sie diese Zahlen mit folgenden Angaben: • Das Gehirn nimmt mit seinen 1.4 kg etwa 2% des Körpergewichts ein. • Laut WHO beträgt die empfohlene tägliche Kohlenhydratzufuhr 390 g pro Tag (effektiv in Industriestaaten: 240 - 310 g/Tag). Aufgabe E1.13 Wie erklären Sie sich diesen relativ hohe ATP-Verbrauch des Gehirns? 162 Modull III: Tatort Synapse Exkurs: Der Computer im Mensch - das Nervensystem Aufgabe E1.14 Eine vererbbare Krankheit, die 1886 erstmals beschrieben wurde (Charcot-Marie-ToothErkrankung) und die erst im dritten Lebensjahrzehnt mit Symptomen beginnt, bewirkt eine Störung der Myelinisierung der Neuronen. Welche Symptome könnten J.M. Charcot, P. Marie und H. Tooth auf diese familiäre Erkrankung geführt haben? Aufgabe E1.15 Wird Acetylcholin intravenös gespritzt, treten folgende Symptome auf: • die Herzfrequenz nimmt ab, • der periphere Gefässwiderstand nimmt ab, • die Speichel-, Magensaft-, Bronchial- und Schweissproduktion werden gesteigert, • die Spannung der glatten Muskulatur des Magen-Darm-Trakts, der Harnwege und der Bronchialmuskulatur nimmt zu, • die Pupille wird verengt, • das Auge richtet sich auf den Nahpunkt. Was müssen Medikamente auslösen, damit die Wirkungen von Acetylcholin gesteigert oder gehemmt werden können? Aufgabe E1.16 Das durch Mikroorganismen bei ungenügender Konservierung von Lebensmittel gebildete Botulinustoxin ist das stärkste bekannte Gift. Wird das Gift gegessen, beträgt die tödliche Dosis 0.01 mg. Intravenös gespritzt reichen sogar nur 0.003 µg (1 Mikrogramm = 0.001 mg) aus, um den Tod herbeizuführen. Das Botulinustoxin verhindert eine Freisetzung von Acetylcholin in den synaptischen Spalt. Die Vergiftungserscheinungen treten nach 12 bis 24 Stunden auf und führen nach 2 bis 10 Tagen zum Tod. Welche Symptome erwarten Sie? Aufgabe E1.17 Bei der Schüttellähmung, auch Morbus Parkinson genannt, leiden die Patienten unter Erhöhung der Spannung der Muskulatur, an Zittern und Bewegungshemmung der Muskeln. Grund ist eine Verringerung des Dopamingehalts auf die Hälfte. Dadurch wird im Gehirn das Verhältnis von acetylcholinhaltigen und dopaminhaltigen Neuronen im Gehirn gestört. Wie könnte diesen Patienten geholfen werden? 163 Stimulantien & β-Blocker MODUL III: Tatort Synapse STIMULANTIEN UND BETABLOCKER Inhalt 1 STIMULANTIEN 165 1.1 Cocain 165 1.2 AMPHETAMINE 167 1.2.1 Amphetamin und Amphetaminderivate 167 1.2.2 Nachweis von Amphetaminen im Sport 171 1.2.3 Amphetamine in der Party-Szene: Speed, Thai-Pillen und Ice 171 1.2.4 Ecstasy – ein weiteres Amphetaminderivat 172 1.3 COFFEIN – Ein salonfähiges Stimulans 173 1.4 Die Wirkung von Stimulantien auf molekularer Ebene 175 1.4.1 Die Wirkung von Stimulantien im Gehirn 175 1.4.2 Die Wirkung von Stimulantien auf das vegetative Nervensystem 182 2 2.1 BETA-SYMPATHOLYTIKA - MIT BETABLOCKERN GEGEN PRÜFUNGSANGST Auch bronchienerweiternde Asthmamedikamente stehen auf der Dopingliste! LERNKONTROLLE KAPITEL 1 & 2 184 188 190 Lernziele 1. Sie kennen die oberste Instanz der Hormonsteuerung und wissen, wo diese lokalisiert ist 2. Sie kennen die wichtigsten Stimulantien: Cocain, Amphetamin und Coffein 3. Sie kennen die Wirkungen und Nebenwirkungen von Stimulantien auf den menschlichen Körper 4. Sie verstehen aufgrund der Molekülstruktur von Amphetamin, warum diese Substanz in die Nervenreizübertragung eingreift 5. Sie begreifen die Auswirkungen von Amphetamin auf das Gehirn und das vegetative Nervensystem 6. Sie wissen, weshalb Amphetamine im Sport nicht mehr so verbreitet sind wie in den Siebziger-Jahren 7. Sie können aus Tee Coffein isolieren 164 Stimulantien & β-Blocker MODUL III: Tatort Synapse 1 STIMULANTIEN 1.1 Cocain Das Kauen von Blättern des Coca-Strauchs (Erythroxylum coca) half den peruanischen Inkas bereits vor über 1000 Jahren, die Strapazen der Arbeit in grossen Höhen auszuhalten. Coca, welches der Müdigkeit vorbeugt, das Hungergefühl dämmt und schier übermenschliche Kräfte verleiht, galt als ein Geschenk des Sonnengotts. Der Konsum dieses kostbaren Guts war zunächst den Angehörigen von königlichen Familien und der Priesterschaft vorbehalten. Die spanischen Eroberer unter Francisco Pizarro (1533) förderten den Konsum der Blätter, konnten die Eingeborenen doch mit Hilfe dieser Substanz problemlos in den Goldminen in grosser Höhe arbeiten. Ein spanischer Geschichtsschreiber äusserte sich folgendermassen zu diesem Thema: „Die Pflanze ist so nährreich und kräftigend, dass die Indianer tagelang arbeiten, ohne etwas anderes zu sich zu nehmen; mangelt es ihnen daran, lassen sie in ihrer Kraft nach.“ Mitte des 19. Jh. gelangten Coca-Blätter in nennenswerten Mengen nach Europa. Dort weckten die Blätter, welche eine allgemeine Hochstimmung, gesteigerte Muskelkraft, ein Gefühl von Behändigkeit, leicht dahingleitende Gedanken und ein höchst angenehmes Gefühl der Wachheit hervorriefen, das Interesse der Neurologen. Der korsische Chemiker Angelo Mariani trug mit seinem 1863 patentierten „Vin Mariani“, einem als Erfrischungs- und Stärkungsgetränk eingesetzten Coca-Extrakt auf Weinbasis, zur Verbreitung von Cocain bei (Abb. 1.1). Die Werbung für das Getränk wies sowohl auf die depressionslösende Wirkung wie auf den köstlichen Geschmack hin; bald wurde es als Medikament gegen allerlei Beschwerden eingesetzt. Der Papst zeichnete Mariani mit einer besonderen Medaille aus. Abbildung 1.1: Werbung für „Vin Mariani“ Eine Weiterentwicklung des Vin Mariani stellt das vom amerikanischen Apotheker John Pemberton 1886 erfundene Coca-Cola dar. Der Alkohol im ursprünglich als Medikament gegen Kopfschmerzen und Stimulans entwickelten Coca-Getränk wurde durch einen coffeinhaltigen Extrakt der Cola-Nuss 165 Stimulantien & β-Blocker MODUL III: Tatort Synapse (Samen des Cola-nitida-Baumes) ersetzt. Seit 1888 wird das Getränk mit Kohlensäure versetzt. Das heutige Coca Cola unterscheidet sich von diesem Getränk einzig dadurch, dass kein Cocain mehr darin enthalten ist; nur der Name erinnert noch an die Droge. Asa Candler, auch er Apotheker, kaufte Pemberton die Rechte für sein Getränk ab und gründete 1892 die Coca-Cola-Company. Der Siegeszug dieses Getränks steht sinnbildlich für das Streben der westlichen Welt nach einer Verschmelzung von Gesundheit mit Vergnügen. Vor der Isolation des Reinstoffs Cocain durch Albert Niemann 1860 gab es keine Suchtprobleme! Beim Kauen der Blätter gelangen immer nur relativ geringe Mengen der Substanz in den Organismus. Offenbar wird eine Sucht bei Zufuhr grösserer Mengen auf einmal und besonders durch die direkte Zufuhr der Droge in den Blutkreislauf gefördert. Experimente mit verschiedenen aus Coca-Blättern extrahierten Stoffen zeigten, dass die stimulierende Wirkung alleine dem Cocain zuzuschreiben ist. Auf der Suche nach einem Medikament, das sich für die Behandlung nervöser Erschöpfungszustände eignet, erforschte Sigmund Freud (1856-1939) die Auswirkungen von reinem Cocain auf den Menschen u.a. im Selbstversuch. In einem Artikel „Über Coca“ vermittelt er den Fachkollegen seine Begeisterung über die bemerkenswerten Eigenschaften der Substanz. Diese Publikation hatte zur Folge, dass Cocain als angst- und depressionslösendes Mittel im ausgehenden 19. Jh. so häufig verschrieben wurde wie heutzutage beispielsweise Valium. O O N O O Abbildung 1.2 Lewisformel von Cocain [C17H21NO4; M = 303.35 g/ mol] Auszug aus Sigmund Freud (1856-1939): „Über Coca“ „... Die hauptsächlichste Anwendung der Coca wird wohl die bleiben, welche die Indianer seit Jahrhunderten von ihr gemacht haben: überall dort, wo es darauf ankommt, die physische Leistungsfähigkeit des Körpers für eine gegebene kurze Zeit zu erhöhen und für neue Anforderungen zu erhalten, besonders wenn äussere Verhältnisse eine der grösseren Arbeit entsprechende Ruhe und Nahrungsaufnahme verhindern. So im Kriege, auf Reisen, Bergbesteigungen, Expeditionen u. dgl., wo ja auch die Alkoholica einen allgemein anerkannten Werth haben. Die Coca ist ein weit kräftigeres und unschädlicheres Stimulans als der Alkohol und ihrer Anwendung in grossem Massstabe steht derzeit nur ihr hoher Preis im Wege. “ Cocain hat eine weitere medizinisch interessante Eigenschaft: es wirkt als lokales Betäubungsmittel. Zahn- und Augenoperationen kann man seit der Entdeckung dieser Wirkung am wachen, nur lokal anästhesierten Patienten durchführen. Heute werden Derivate von Cocain als Lokalanästhetika eingesetzt. 166 Stimulantien & β-Blocker MODUL III: Tatort Synapse Zu S. Freuds Zeiten diente Cocain als Ersatzstoff für morphiumsüchtige Patienten. Aufgrund des – anfangs unbekannten! – Suchtpotentials war dies natürlich kein gangbarer Weg, sondern nur eine Verlagerung des Problems. Der anfangs bedenkenlos häufige Einsatz des neuen Medikaments wurde daher heftig kritisiert; der deutsche Mediziner Albrecht Erlenmeyer bezeichnete Cocain als „dritte Plage der Menschheit“ neben Alkohol und Morphin. Aufgabe 1.1 Inwiefern sind die Wirkungen von Cocain widersprüchlich? Cocain wird aus Cola-Blättern gewonnen. Im 19. Jahrhundert gelangte die Droge von Südamerika nach Europa, wo sie in Form von verschiedenen stärkenden „Allheilmitteln“ Verbreitung fand. Suchtprobleme traten erst auf, als Cocain in reiner Form vorlag. Cocain wirkt euphorisierend, weckend und stärkend, auch als Lokalanästhetikum wird der Wirkstoff eingesetzt. Cocain ist eine der teuersten illegal gehandelten Substanzen und im Sport, in der Party-Szene und unter gestressten Business-Leuten verbreitet. 1.2 AMPHETAMINE Unter Amphetaminen versteht man Stimulantien, die sich in ihrer Molekülstruktur vom Amphetamin ableiten. Amphetamine sind synthetische Stoffe. Laufend werden neue Derivate erfunden; es handelt sich hier um das Paradebeispiel von „Designerdrogen“. Weil sie einfach herstellbar sind, finden sie als billiger Ersatz für Cocain weite Verbreitung. 1.2.1 Amphetamin und Amphetaminderivate Amphetamin wurde mit einer klar umrissenen Absicht hergestellt: Man suchte nach einem Medikament gegen Bronchialverengung, wie sie bei Asthmaanfällen auftritt. Bis in die Dreissiger-Jahre wurden Asthmatiker erfolgreich mit dem Hormon Adrenalin behandelt. Allerdings muss dieses Medikament gespritzt werden, da es nach oraler Einnahme im Magen schnell abgebaut und zudem schlecht resorbiert wird. In der chinesischen Medizin gelangte seit langer Zeit eine Pflanze zur Linderung von Atemnot zum Einsatz: ma huang (Ephedra vulgaris). K. K. Chen, ein Pharmakologe mit Interesse an der 167 Stimulantien & β-Blocker MODUL III: Tatort Synapse traditionellen chinesischen Medizin, fand anfangs der Zwanziger-Jahre den wirksamen Stoff in der Pflanze: das Ephedrin. Er stellte fest, dass dieses Molekül sich nur geringfügig vom Adrenalinmolekül unterscheidet. Das molekulare Grundgerüst für ein Medikament zur Lockerung der Bronchialmuskulatur war gefunden! Das Mitte der Dreissiger-Jahre auf dieser Grundlage von G. Alles synthetisierte Amphetamin hatte gegenüber dem Adrenalin wesentliche Vorteile: Der neue Stoff wird gut resorbiert und im Magen und Darm kaum abgebaut, bevor er am Wirkungsort angelangt ist. Zudem kann die Substanz inhaliert werden, da sie flüchtiger ist als Adrenalin. Für die Asthma-Patienten bedeutete dieses Medikament (Benzedrin) eine grosse Erleichterung. Sie waren nun nicht mehr abhängig von Adrenalinspritzen auf Notfallstationen, da sie nun bei einem Anfall selber inhalieren konnten. OH NH OH NH HO OH Adrenalin Ephedrin [C9H13NO3, M=183,2 g/mol] [C10H15NO, M=165,23 g/mol] Abbildung 1.3. Lewis-Formeln von Adrenalin und Ephedrin NH2 NH O NH O Amphetamin [C9H13N; M = 135.20 g/mol] Metamphetamin [C10H15N; M = 149,23 g/mol] Ecstasy [C11H15NO2; M=193,24 g/mol] Abbildung 1.4. Lewis-Formeln von den Amphetaminen Amphetamin, Metamphetamin und Ecstasy 168 Stimulantien & β-Blocker MODUL III: Tatort Synapse Aufgabe 1.2 a) Zeichnen Sie in den obigen Molekülformeln die Stellen ein, welche allen Molekülen gemeinsam sind. b) Welche Gruppen im Adrenalinmolekül sind wohl für den raschen Abbau im Magen verantwortlich? c) Erklären Sie aufgrund des Molekülbaus und der zwischenmolekularen Kräfte von Adrenalin und Amphetamin, warum Amphetamin flüchtiger ist und daher inhaliert werden kann. Sehr bald entdeckte man, dass Amphetamin und die meisten Amphetaminderivate den Appetit dämpfen. Vielleicht ist Ihnen selber schon aufgefallen, dass durch Kaffeegenuss das Hungergefühl abflacht – Coffein wirkt ebenfalls appetithemmend. In der schlankheitswahnsinnigen Gesellschaft wurden daher Amphetamine an fettsüchtige oder diätwillige Personen verschrieben. Doch leider zeigten sich auch bei diesem Einsatz Nebenwirkungen: Amphetamine wirken euphorisierend und können zu einer Abhängigkeit führen. Der Versuch, ein nicht euphorisierendes appetitzügelndes Medikament zu entwickeln, gelang in den Siebziger-Jahren. Allerdings erreichte diese Substanz nie den erwarteten Marktwert. Offenbar müssen Fastende sich irgendwie anders als mit Essen belohnen! Amphetaminähnliche Moleküle sind selbst in „harmlosen“ Lebensmitteln anzutreffen. Schokolade macht glücklich, weil eine Verbindung darin enthalten ist, welche sich nur gerade durch eine Methylgruppe vom Amphetamin unterscheidet. Schokolade naschen befriedigt also nicht nur den Drang, etwas Süsses zu sich zu nehmen, sondern wirkt sich aufs Belohnungszentrum im Gehirn aus! Heute werden Amphetamine noch in zwei Fällen therapeutisch genutzt: Zur Bekämpfung von Narkolepsie (spontanes Einschlafen auch in den unmöglichsten Situationen) und bei Kindern mit hyperkinetischem Syndrom (extreme Zappelfritzen). Der erste Fall ist einleuchtend – man versetzt die Patienten in einen künstlich wacheren Zustand. Wozu soll man jedoch Kinder, die sich nicht stillhalten können, mit Stimulantien belasten? Man vermutet, dass die Kinder nicht ganz wach sind und sich aus diesem Grund schlecht konzentrieren können. Weckt man diese Zappelfritzen künstlich etwas auf, so fällt ihnen die Konzentration leichter und sie finden sich besser in ihrer Umgebung zurecht. In Amerika wird Ritalin, ein Amphetaminderivat für Kinder, oft eingesetzt. Es laufen heftige Debatten darüber, ob dadurch vielen Menschen der Einstieg in eine „Drogenkarriere“ fast aufgezwungen wird oder ob therapeutisch eingesetzte Stimulantien ungefährlich seien. Hierzulande setzt man Stimulantien für Kinder sehr vorsichtig ein. Bereits in den ersten Jahren, als Amphetamin in Form von inhalierbaren Asthmasprays auf dem Markt war, wurde es missbraucht. Studierende hielten sich zum Lernen für Prüfungen wach, indem sie die Inhalatoren öffneten und deren Inhalt assen. In Fachkreisen wurde das Missbrauchpotential der 169 Stimulantien & β-Blocker MODUL III: Tatort Synapse Stimulantien weitgehend unterschätzt. Noch 1938 veröffentlichten behandelnde Ärzte eine Stellungnahme zu diesem Medikament, in der sie erläuterten, es seien keine Probleme mit Abhängigkeiten aufgetreten. 1 Ende der Sechziger-Jahre wurde Amphetamin zwecks Steigerung der Intensität ihrer LSD -Räusche von den Hippies gespritzt. Injiziert entfaltet sich die Wirkung der Droge augenblicklich. Allerdings erfolgt danach ein rascher Absturz in eine tiefe Depression. Da der Körper schnell eine Toleranz entwickelt, muss die Dosis ständig erhöht werden. Ein typisches Muster einer Amphetaminsucht: Während mehrerer Tage spritzt sich eine süchtige Person alle 2 bis 3 Stunden Amphetamin. So bleibt der Konsument während der ganzen Zeit wach und verhindert den Absturz in die Depression. Irgendeinmal bricht der Körper zusammen, es folgt ein tiefer Schlaf, der mehrere Tage dauern kann. Anschliessend muss ein enormer Hunger gestillt werden, da während des „Durchgangs“ kaum je ein Hungergefühl da war. Dann folgen einige „normale“ Tage, bevor der Zyklus von vorne beginnt. Doch nicht alle Konsumenten nehmen die Droge freiwillig zu sich. Während des zweiten Weltkriegs hielten sich viele Soldaten durch Einnahme von Amphetamintabletten lange Zeit bei Laune. So wurden die Flieger der deutschen Wehrmacht und die Soldaten der Engländer gedopt in den Krieg geschickt; die Amerikaner bezogen ihre Stimulantien bei den englischen Soldaten. Japan versuchte nach 1945 die Bevölkerung durch Abgabe von Amphetaminen vom Kriegselend abzulenken. Schätzungsweise hatte das Land anfangs der Fünfziger-Jahre ein Prozent Amphetaminsüchtige. Cocain- und Amphetaminpsychosen äussern sich sehr ähnlich und unterscheiden sich deutlich von anderen drogenbedingten psychischen Veränderungen. Während ein Alkoholiker durch Entzug von Alkohol in einen verwirrten, unorientierten Zustand fällt (Delirium tremens), befindet sich jemand, der an einer Amphetaminpsychose leidet, in einem wachen, klaren Zustand. Die Psychose erinnert an eine endogene paranoide Schizophrenie (ohne äusseren Einfluss auftretende, von Angstzuständen geprägte psychische Krankheit): Die Patienten leiden an Halluzinationen, d.h. sie nehmen Dinge wahr, welche keine reellen Hintergründe haben. So hören sie Stimmen, seltener sehen sie Bilder oder wirre geometrische Muster. Mit der Zeit haben die Betroffenen den Eindruck, die ganze Welt richte sich gegen sie, alle Menschen seien Feinde, die bekämpft werden müssten. Vor Gewalttaten schrecken die Patienten meistens nicht zurück. Die Verzerrung der Wirklichkeit geht so weit, dass man in Nachrichtensendungen persönliche Botschaften hört – als wäre ein Flugzeug nur gerade für den Hörer abgestürzt. Auch eine Art Berührungshalluzination tritt auf: Betroffene haben den Eindruck, ihre Haut sei von Läusen, Würmern und Ungeziefer aller Art besiedelt und daher müssten sie sich dauernd kratzen. Die Symptome von Cocain- und Amphetaminpsychosen lassen sich mit Antischizophrenika (Medikamente zur Linderung von Schizophreniesymptomen) mildern oder gar zum Verschwinden bringen, während reine Beruhigungsmittel und angstlösende Medikamente keine Wirkung zeigen. 1 LSD (Lysergsäurediethylamid): Eine halluzinogene Substanz, welche aus der im Mutterkorn (einem Pilz, der auf Ähren wächst) enthaltenen Lysergsäure hergestellt wird. 170 Stimulantien & β-Blocker MODUL III: Tatort Synapse Diese Tatsache wird in Tierversuchen genutzt: Möglicherweise als Antischizophrenika einsetzbare Substanzen werden an amphetaminsüchtigen Ratten getestet. Amphetamin wurde 1934 als Asthmamedikament entwickelt. Als Amphetamine bezeichnet man Wirkstoffe, die sich vom ursprünglichen Molekül nur wenig unterscheiden. Amphetamin wirkt euphorisierend, weckend und dämpft den Appetit. Spätfolgen von Missbrauch zeigen sich häufig als schizophrenieartige Psychosen, die nach dem Absetzen der Droge verschwinden. Speed, Ice und Thai-Pillen gehören zu den Amphetaminen, auch Ecstasy ist eng mit den genannten Substanzen verwandt. 1.2.2 Nachweis von Amphetaminen im Sport Amphetaminmoleküle verlassen den Körper zum grossen Teil in der gleichen Form wie sie eingenommen worden sind. In der Dopingkontrolle werden deshalb nicht Abbauprodukte, sondern die Stimulantien selber nachgewiesen. Weil es sich bei diesen Drogen um wenig polare Moleküle handelt, mischen sie sich gut mit organischen Lösemitteln und können daher sehr einfach aus der wässrigen Urin-Lösung abgetrennt werden. Im Scheidetrichter wird Urin mit einem organischen Lösemittel überschichtet, welches nicht mit Wasser mischbar ist. Meistens werden Diethylether oder der weniger narkotisierend wirkende Tertiärbutylmethylether verwendet. Der Scheidetrichter wird geschüttelt, wobei die Dopingmittel in die organische Phase übergehen. Diese wird abgetrennt und 2-3 Mikroliter davon im Gas-Chromatografen (GC) aufgeschlossen, mit einem stickstoff- und phosphorspezifischen Flammenionisationsdetektor (NP-FID) gescreent und – falls das Screening positiv ausfällt - anschliessend mit Massenspektroskopie (MS) analysiert. Amphetamine lassen sich schon in kleiner Dosis sicher analysiert werden. Seit 1972 (Olympische Spiele in München) werden diese Stimulantien routinemässig nachgewiesen. Dank der Dopingkontrollen hat der Amphetaminmissbrauch im Sport abgenommen. 1.2.3 Amphetamine in der Party-Szene: Speed, Thai-Pillen und Ice Amphetamin kann man chemisch sehr leicht etwas abändern, z.B. indem eine oder mehrere Methylgruppen eingebaut werden. So entstehen Moleküle, welche eine ähnliche Drogenwirkung entfalten. Vielleicht gibt es einen noch heisseren Kick, vielleicht fällt man in ein weniger tiefes Loch 171 Stimulantien & β-Blocker MODUL III: Tatort Synapse wenn die Wirkung nachlässt, vielleicht ist das Suchtpotential kleiner. Genaue Voraussagen über die Wirkung eines leicht modifizierten Moleküls sind schwierig. In der Partyszene trifft man etliche Derivate von Amphetamin an. Speed ist fast reines Amphetamin, in den Thaipillen ist vorwiegend Metamphetamin enthalten, Ice ist kristallines Metamphetamin. NH Abbildung 1.5. Lewis-Formel von Metamphetamin [C10H15N; M = 149,23 g/mol] 1.2.4 Ecstasy – ein weiteres Amphetaminderivat „Rave to the grave“ (D. E. Cox) 1914 wurde von der Firma Merck aus Petersilie und Muskatnuss ein appetitzügelndes Medikament mit dem Wirkstoff 3,4-Methylendioxymethamphetamin (MDMA) entwickelt. Aufgrund seiner (Neben-)Wirkung wurde es allerdings nie wie geplant eingesetzt, sondern erst in den SechzigerJahren in der Psychiatrie und in der Flower-Power-Zeit als Strassendroge verwendet. In den Achtziger-Jahren erreichte es auch in Europa eine gewisse Popularität. An Techno-Parties konsumiert Schätzungen zufolge etwa jeder dritte Besucher Ecstasy. Im Tierversuch zeigte MDMA 1985 eindeutig hirnschädigende Wirkung, seither untersteht die Substanz dem Betäubungsmittelgesetz. Das in der Schweiz erhältliche Ecstasy wird in Designer-Drogen-Labors in ehemaligen Ostblockstaaten oder in den Niederlanden produziert. O O NH Abbildung 1.6. Lewis-Formel von Ecstasy [C11H15NO2; M=193,24 g/mol] Aufgabe 1.3 Welche Gemeinsamkeiten und welche Unterschiede weisen die Moleküle von Amphetamin und von Ecstasy auf? Ecstasy ist in Form von Tabletten, Kapseln oder als Tee resp. Bouillon auf dem Markt. Die pharmakologisch wirksame Dosis liegt bei 100-150 mg. Die Wirkung setzt nach etwa einer halben Stunde ein und hält 3-6 Stunden an. Zuerst wird der Sympathicus erregt, dies zeigt sich durch Beschleunigung des Herzschlags, Mundtrockenheit, Blutdrucksteigerung, Pupillenerweiterung, Muskelkrämpfen, Lidflattern, Schwitzen, 172 Stimulantien & β-Blocker MODUL III: Tatort Synapse Unruhe, Angst und Gehstörungen. Bei zu hoher Dosierung treten auch Sprach- und Konzentrationsstörungen sowie Übelkeit und Erbrechen auf. Erst danach setzt die erwünschte psychische Wirkung ein. MDMA ist ein „Entaktogen“, d.h. eine Droge, die „innere Berührung hervorbringt“. Dies zeigt sich neben einem anregenden, leicht halluzinogenen Effekt als Bewusstseinserweiterung, innere Ruhe und Entspannung, gesteigertes Selbstwertgefühl und emotionale Enthemmung. Die Umgebung des Konsumenten trägt wesentlich zum Erlebnis bei. Bei regelmässigem Konsum kommt es zu Toleranzbildung, d.h., es muss mehr Substanz eingenommen werden um den gleichen Effekt zu erzielen. Nach der psychischen Wirkung macht sich die Droge in Form von Müdigkeit, Erschöpfung, Mangel von Motivation und Konzentrationsschwäche bemerkbar, depressive Verstimmung stellen sich ein. Bei gewissen Krankheiten wie Epilepsie, Bluthochdruck, Asthma und Diabetes mellitus kann der Konsum von Ecstasy zu einer Verschlechterung bzw. zu einem Anfall führen. An Partys kommt ein weiteres Problem hinzu: Wer weiss schon genau, was in den bunten Kapseln und Tabletten enthalten ist? MDMA wird sehr häufig gestreckt. Man findet Coffein, Ephedrin oder gar andere Drogenwirkstoffe wie LSD und Amphetamine als Zusatz oder gar als einzige wirksame Substanzen. Ecstasy wurde als Appetitzügler entwickelt, aufgrund der psychotropen Nebenwirkungen allerdings nie dafür eingesetzt. Ecstasy „bringt innere Berührungen hervor“ und vermittelt ein Gemeinschaftsgefühl. Im Tanzrausch kann der Körper austrocknen oder überhitzt werden. Ecstasy wirkt irreversibel hirnschädigend. 1.3 COFFEIN – Ein salonfähiges Stimulans Kaffee, Tee und Guarana-Getränke sind in vielen Kulturen verbreitet. Die weckende Wirkung von Coffein und ähnlichen nicht abhängig machenden Stimulantien wird weltweit geschätzt. Die Weltproduktion von Kaffee betrug 1998 6,418 Millionen Tonnen; die bedeutendsten Exportländer sind Brasilien, Kolumbien, Indonesien, Mexiko, Elfenbeinküste, Uganda und die mittelamerikanischen Staaten, die wichtigsten Importländer USA, Deutschland, Frankreich, Japan und Italien. Die internationale Kaffeeorganisation (ICO), bestehend aus den 29 wichtigsten Import- und Exportländern, trifft Massnahmen zur Preisstabilisierung. 173 Stimulantien & β-Blocker MODUL III: Tatort Synapse O H3C N N O CH3 N N CH3 Abbildung 1.7. Lewis-Formel von Coffein, [C8H10N4O2; M=194,19 g/mol] Coffein ist ein Alkaloid, d.h. ein stickstoffhaltiger Naturstoff. Alkaloide mit ähnlicher Molekülstruktur wie Coffein werden als „Xanthine“ bezeichnet. Coffein heisst auch Trimethylxanthin. Verschiedene Methylxanthine wie Coffein, Theophyllin und Theobromin findet man in den Beeren, Samen und Blättern des Teestrauchs, der Matepflanze und des Kakao- und Kolabaums. Beim in Tee enthaltenen „Thein“ handelt es sich um Coffein. Wahrscheinlich synthetisieren die Pflanzen Coffein als Insektizid. Reines Coffein gewinnt man aus Teeblättern (Gehalt 1.5 – 3.5 %) und bei der Entcoffeinierung von Kaffeebohnen. Coffein wird rasch ins Blut aufgenommen. Trinkt man ein warmes coffeinhaltiges Getränk, so ist nach 30 ± 8 Minuten die maximale Konzentration im Blut erreicht. Aus kohlensäurehaltigen Getränken wird Coffein schneller aufgenommen. 90 – 100 % des konsumierten Coffeins gelangen in den Stoffwechsel. Auch über die Haut kann Coffein aufgenommen werden. Im Körper wird Coffein in verschiedene wasserlösliche Stoffe umgewandelt und mit dem Urin ausgeschieden. Die Zeit, in der die Hälfte des Wirkstoffs abgebaut wird (die „Halbwertszeit“) variiert: 2 Erwachsene: 3 – 5 h, Schwangere 7.5 - 12.5 h, Neugeborene 36 – 144 h. Coffein versetzt den Körper in höhere Leistungsbereitschaft: Das Herz stösst pro Schlag mehr Blut aus. Die Bronchialmuskulatur erschlafft, die Sauerstoffversorgung des Körpers wird verbessert. Coffein soll gegen Kopfschmerzen und Migräne wirksam sein. Es ist daher in einigen Erkältungsmitteln enthalten. Die vom IOC festgelegte Limite für Coffein liegt bei 12 µg / ml Urin. Dies entspricht fünf bis sechs Tassen starkem Kaffee eine bis zwei Stunden vor dem Wettkampf. 2 Neugeborenen steht noch nicht das volle Lungenvolumen zur Atmung zur Verfügung. Im Falle einer Operation wird den Säuglingen Coffein gespritzt. Dies führt zu einer Öffnung der Bronchien und damit einer besseren Sauerstoffversorgung des Organismus. 174 Stimulantien & β-Blocker MODUL III: Tatort Synapse Coffein ist ein Alkaloid, man findet den Wirkstoff in Kaffee, Guarana und Tee. Coffein wirkt anregend und appetithemmend, nicht aber euphorisierend. Da eine Leistungssteigerung erwiesen ist, steht Coffein auf der Dopingliste. 1.4 Die Wirkung von Stimulantien auf molekularer Ebene Kurze Zusammenfassung des bisher Gelernten: Cocain wirkt appetithemmend, euphorisierend und weckend. Zudem wird es als Lokalanästheticum eingesetzt. Konsumenten werden davon abhängig, Psychosen treten auf. Amphetamine bewirken eine Erweiterung der Bronchialmuskulatur, wecken, dämmen den Appetit, euphorisieren, zeigen aber keinerlei betäubende Wirkungen. Sie können abhängig machen, auf einen Rausch folgt eine Depression. Spätfolgen sind schizophrenieartige Amphetaminpsychosen. Ecstasy bringt innere Berührungen hervor, beeinträchtigt das Temperaturempfinden und führt zu Gehirnschäden. Coffein bewirkt ein grösseres Ausstossvolumen von Blut aus dem Herzen, eine Erweiterung der Bronchien, weckt, wirkt aber nicht euphorisierend. Ob eine Abhängigkeit wie bei den anderen drei Substanzen entstehen kann, ist noch umstritten. Folgende Fragen sollen nun geklärt werden: • An welchen Stellen im Körper greifen die Stimulantien in den Stoffwechsel ein? • Wie weit kann man die Wirkungsweise aufgrund der Molekularstruktur verstehen? • Was geschieht, wenn der Körper von einem Stimulans abhängig wird? 1.4.1 Die Wirkung von Stimulantien im Gehirn Das Gehirn ist gegen „Eindringlinge“ gut geschützt. Die sogenannte Blut-Hirn-Schranke umgibt das Gehirn wie eine riesige Zellmembran. Aufgebaut ist die Schranke aus dem porenlosen Endothel der Haargefässe und von einem geschlossenen Mantel von Gliaausläufern um die Haargefässe. Ein ungehinderter Stoffaustausch ist daher unmöglich – nur gerade fettlösliche Moleküle können durch die Membran hindurch diffundieren. Polaren und geladenen Teilchen bleibt der direkte Zugang zum Gehirn verwehrt! Nur durch spezielle Transportmechanismen gelangen Kohlenhydrate (Glucose ist der Energielieferant des Gehirns!) und Aminosäuren ins Gehirn. Cocain, Amphetamin und Coffein können alle diese Blut-Hirn-Schranke überwinden. Im Gehirn greifen sie in verschiedene Kreisläufe ein. 175 Stimulantien & β-Blocker MODUL III: Tatort Synapse Für die Amphetamine ist die Wirkungsweise gut erforscht. Für Coffein existieren verschiedene Theorien, Sie lernen eine davon in diesem Modul kennen. Über die molekulare Wirkungsweise von Cocain weiss man nicht sehr viel. An dieser Stelle verfolgen wir den Weg eines Amphetaminmoleküls durch das Gehirn. Amphetamin wirkt auf die von den Neurotransmittern Noradrenalin und Dopamin übertragenen Nervenreize. Um die Breite dieser Auswirkung abschätzen zu können, muss man wissen, wo die noradrenergen Bahnen (die Nerven, die Noradrenalin als Neurotransmitter einsetzen) und die dopaminergen Bahnen verlaufen. Abbildung 1.8. noradrenerge (links) und dopaminerge (rechts) Neuronen im Gehirn (aus: Snyder, S.H. (1988, 1994) Chemie der Psyche, Spektrum, Akad. Verlag, Heidelberg Berlin Oxford Der Ursprung der noradrenergen Neuronen liegt im Hirnstamm, genauer im locus coeruleus. Dies ist eine kleine Hirnregion, welche im Schnitt blau erscheint (coeruleus lat.: = himmelblau). Dieser blaue Fleck umfasst etwa 3000 Nervenzellen, welche mit den verschiedensten Hirnregionen in Kontakt stehen. So gehen von den im locus coeruleus beginnenden Nervenzellen Reize zu vermutlich einem 11 Drittel aller Nervenzellen (insgesamt umfasst das Gehirn etwa 10 [hunderttausend Millionen] Neuronen). Auf diese Weise gelangen Informationen in die Grosshirnrinde und nehmen dort Einfluss auf höhere Denkprozesse. Information vom locus coeruleus beeinflusst auch die Feinmechanik, welche vom Kleinhirn aus gesteuert wird. Die meisten noradrenalinhaltigen Neuronen findet man im limbischen System, also dem Gefühlszentrum des Gehirns. Man nimmt an, dass diese Verknüpfung der Nervenzellen beispielsweise die Koppelung von Emotionen und Handlungen vornimmt. Die dopaminergen Nervenbahnen entstammen fast alle der „substantia nigra“ (niger lat.: = schwarz) im Hirnstamm und steigen zum Koordinationszentrum für die Bewegung von Armen und Beinen, dem „corpus striatum“ (lat.: = gerippter Körper). Ebenfalls im Hirnstamm, im „Tegmentum“ (lat.: = Hülle) 176 Stimulantien & β-Blocker MODUL III: Tatort Synapse entspringt ein anderer Ast der dopaminergen Nervenbahnen, welcher zum limbischen System führt. Dort wird das emotionale Verhalten gesteuert. Dass auch der Dopaminkreislauf von Stimulantien beeinträchtigt wird, weiss man aufgrund der Amphetaminpsychosen. Bei einer Schizophrenie ist der Dopaminhaushalt gestört. Da Antischizophrenika auch gegen Amphetaminpsychosen wirken und die Psychose einer endogenen Schizophrenie ähnelt, schliesst man, dass die Anwesenheit von Amphetamin im Gehirn den Dopaminstoffwechsel beeinträchtigt. OH NH2 NH2 NH2 HO HO OH OH Noradrenalin Dopamin [C8H11NO3; M=169,18 g/mol] Amphetamin [C8H11NO2; M=153,18 g/mol] [C9H13N; M=135,2 g/mol] Abbildung 1.9. Lewis-Formeln der Neurotransmitter Dopamin und Noradrenalin und der Droge Amphetamin Haben Amphetaminmoleküle die Blut-Hirn-Schranke überwunden, gelangen sie in die Nervenendigungen, wo sie in die Vesikel eindringen. Dadurch werden die dort anwesenden Neurotransmitter hinausgedrängt, die Vesikelmembran verschmilzt mit der Zellmembran und die Neurotransmittermoleküle gelangen in den synaptischen Spalt. Dies bewirkt eine Aktivierung der benachbarten Nervenzelle. Die Amphetaminmoleküle blockieren aufgrund der molekularen Ähnlichkeit auch die Pumpen, welche die Neurotransmittermoleküle in die Nervenzellen zurück transportieren sollten. Dadurch bleiben die reizübertragenden Moleküle viel länger im synaptischen Spalt, der Reiz dauert deshalb länger an. 177 Stimulantien & β-Blocker MODUL III: Tatort Synapse präsynaptisches Neuron Amphetamin Mitochondrium Vesikel mit Neurotransmitter Die Amphetaminmoleküle Enzym (Abbau resp. Rücktransport von Neurotransmittern) Rezeptor mit Neurotransmitter Ionenkanal geöffnet postsynaptisches Neuron Abbildung 1.10. Übertragung des Nervenreizes am synaptischen Spalt Amphetaminmoleküle gelangen ins Gehirn. Die Molekülstruktur von Amphetamin ist ähnlich wie die der Neurotransmitter Noradrenalin und Dopamin. Amphetaminmoleküle verstärken die Nervenreizleitung in den noradrenergen und dopaminergen Neuronen. Auf molekularer Ebene: 1) Amphetaminmoleküle verdrängen die Neurotransmittermoleküle aus den Vesikeln. 2) Der Rücktransport der Neurotransmitter wird blockiert. Das Amphetaminderivat Ecstasy beeinflusst auf die gleiche Art wie Amphetamin die Reizübertragung am synaptischen Spalt. Aufgrund des Molekülbaus werden die Dopamin- und Serotonin-Kreisläufe gestört. Die serotoninergen Neuronen entspringen den „Raphe-Kernen“ (vom griechischen Wort für Naht abgeleitet) im Hirnstamm und führen zu verschiedenen Teilen des Gehirns. Viele serotoninhaltige Neuronen trifft man wiederum im limbischen System an. 178 Stimulantien & β-Blocker MODUL III: Tatort Synapse Abbildung 1.11. Serotoninerge Bahnen (aus: Snyder, S.H. (1988, 1994) Chemie der Psyche, Spektrum, Akad. Verlag, Heidelberg Berlin Oxford) HO NH2 O NH N H O Serotonin Ecstasy (MDMA) [C10H12N2O; M=176,21 g/mol] [C11H15NO2; M=193,24 g/mol] Abbildung 1.12. Lewis-Formeln von Serotonin und Ecstasy Die molekulare Wirkungsweise entspricht derjenigen von Amphetamin: Die fremden Moleküle dringen in die Nervenenden ein und verdrängen die Neurotransmitter aus den Vesikeln, wobei diese mit der Zellmembran verschmelzen und Serotonin in den synaptischen Spalt freisetzen. Zusätzlich wird der Rücktransport der Neurotransmitter in das präsynaptische Neuron behindert. Im Gegensatz zu den Amphetaminen beeinflusst Ecstasy das Temperaturzentrum (von Serotonin gesteuert), die dopamingesteuerten Gefühle wie Durst- und Hungergefühl, Ruhebedürfnis und Schmerzempfinden sind ähnlich wie bei den andern Stimulantien gestört. Die Kombination von exzessivem Tanzen mit den beschriebenen Wirkungen auf den Körper kann tödlich enden. Es besteht die Gefahr, dass der Körper überhitzt wird oder austrocknet. Die Folgen davon können Herz-/Kreislaufstörungen, Schock, Krämpfe, Gerinnungsstörungen, Nierenversagen oder Lebernekrosen (Absterben von Teilen der Leber) sein. Da diese „Nebenwirkungen“ nur bei PartyKonsumenten von Ecstasy auftreten, nicht aber bei Psychiatriepatienten, welche mit der Substanz 179 Stimulantien & β-Blocker MODUL III: Tatort Synapse behandelt worden sind, trägt wohl das Partygeschehen an und für sich einen wesentlichen Teil zu den körperlichen Symptomen bei. Ecstasy verstärkt im Gehirn die Wirkung der Neurotransmitter Serotonin und Dopamin. Die molekulare Wirkungsweise entspricht derjenigen von Amphetamin. Von Cocain weiss man nur, dass es die Rücktransportmechanismen der Neurotransmitter blockiert. Ob dies allerdings die Hauptwirkung der Droge ist, wird gegenwärtig noch erforscht. Coffein verstärkt die Wirkung von Adrenalin Ist der Körper in Erregung, so schüttet die Nebennierenrinde Adrenalin aus. Diese Substanz wirkt sowohl als Hormon wie auch als Neurotransmitter. Als Antwort auf einen Adrenalinschub erhöht der Körper die Konzentration des „Botenmoleküls“ cAMP (cyclisches Adenosinmonophosphat). cAMP wird nach einer gewissen Zeit von einem Emzym (einer Phosphodiesterase) in AMP (Adenosinmonophosphat) umgewandelt. Die Abnahme der cAMPKonzentration deutet der Körper als ein Abklingen der Erregung. Coffein blockiert dieses Enzym, wodurch die Konzentration von cAMP hoch bleibt. Der Körper bleibt aufgeregt; die Wirkung von Adrenalin hält länger als vorgesehen an. Schematisch dargestellt: Ohne Coffein: Erregung → Adrenalin-Ausschüttung → Produktion von cAMP → Abbau zu AMP Mit Coffein: Erregung → Adrenalin-Ausschüttung → Produktion von cAMP (Abbau zu AMP verhindert) 180 Stimulantien & β-Blocker MODUL III: Tatort Synapse NH2 NH2 N N N Enzym O O P CH2 O O N O N N O O P O CH2 N O N O OH OH OH cAMP AMP Abbildung 1.13. Lewis-Formeln von cAMP und AMP In jüngerer Zeit wird angenommen, dass diese Enzymblockierung durch Coffein zwar geschehen kann, allerdings erst bei viel höheren Coffeindosen als normalerweise eingenommen werden. Deshalb wird dem Placebo-Effekt, d.h. der erwarteten und dadurch tatsächlich einsetzenden Wirkung einer stärkenden Tasse Kaffee in letzter Zeit weit mehr Bedeutung beigemessen als noch vor einigen Jahren. Aufgabe 1.4 Welcher Teil des cAMP-Moleküls ähnelt dem Coffeinmolekül? Coffein verlängert die Wirkung von Adrenalin. Wahrscheinliche Wirkungsweise auf Teilchenebene: Der Körper bildet als Antwort auf einen Adrenalinschub cAMP, welches anschliessend zu AMP abgebaut wird. Coffein blockiert das Enzym, welches den Abbau von cAMP zu AMP katalysiert. Wie wird der Körper abhängig von Stimulantien? Wird einem Organismus ständig eine Substanz zugeführt, welche die Konzentration von Neurotransmittern im synaptischen Spalt erhöht, so werden vermehrt Rezeptoren für die Neurotransmitter gebildet. Eine effiziente Reizübertragung erfolgt daraufhin nur bei erhöhter Konzentration des Neurotransmitters, d.h. in Anwesenheit der Droge. Um erneut einen Rausch zu erleben, muss die Dosis erhöht werden. Wird keine Substanz mehr zugeführt, so reicht die natürliche Konzentration der Neurotransmitter nicht aus, um die Erregung weiterzuleiten. Es stellen sich Entzugserscheinungen ein, die solange anhalten, bis die überschüssigen Rezeptoren abgebaut sind. 181 Stimulantien & β-Blocker MODUL III: Tatort Synapse Ein zweiter Grund für die „Toleranzentwicklung“: Der Körper stellt mehr Enzyme her, welche den Fremdstoff abbauen. So muss mehr Substanz zugeführt werden, weil ein grosser Teil der Droge abgebaut wird, bevor sie den Wirkungsort erreicht hat. Nicht klar ist, wie weit eine Abhängigkeit von Coffein diesen Prozessen unterliegt, oder ob es sich eher um eine mentale Abhängigkeit handelt. 1.4.2 Die Wirkung von Stimulantien auf das vegetative Nervensystem Verschiedene Vorgänge, welche einen lebendigen Körper in Gang halten, laufen unwillkürlich ab. So zum Beispiel Verdauung, Atmung, Funktion der inneren Organe etc. Reguliert wird die Aktivität der entsprechenden Organe über das sogenannte vegetative Nervensystem. Man unterscheidet zwei Stränge des vegetativen Nervensystems: den Sympathicus und den Parasympathicus. Die meisten Organe, welche vom Sympathicus aktiviert werden, dämpft der Parasympathicus und umgekehrt. Eine Erregung des Sympathicus versetzt den Körper in Fluchtbereitschaft: Die Bronchien erweitern sich, damit eine optimale Versorgung der Muskulatur mit Sauerstoff gewährleistet ist. Die Verdauung wird gedämpft, die Pupillen sind weit, die Aufmerksamkeit ist erhöht. Die Energieversorgung des Körpers wird von den Reserven aus erledigt. Im Ruhezustand hingegen sorgt die Erregung des Parasympathicus für eine optimale Verdauung, Glycogen wird als Energiereserve aufgebaut, der Körper atmet ruhig. Sympathicus aktiviert: Fluchtbereitschaft Parasympathicus aktiviert: Ruhezustand Je 2 Neuronen: Sowohl im Symphathicus wie auch im Parasympathicus wird der Reiz vom Gehirn oder vom Rückenmark aus auf ein erstes Neuron übertragen, dann auf ein zweites, welches schliesslich die motorische Endplatte erregt. Im Sympathicus übernimmt Noradrenalin die Rolle des Neurotransmitters zwischen dem ersten und zweiten Neuron, die motorische Endplatte wird ebenfalls mittels Noradrenalin erregt. Im Parasympathicus wird die Erregung vom Rückenmark aus mittels Acetylcholin auf die Neuronen übertragen. Im Körper ist das vegetative Nervensystem wie folgt angesiedelt: 182 Stimulantien & β-Blocker MODUL III: Tatort Synapse Abbildung 1.14. Anordnung der Nervenstränge im vegetativen Nervensystem. (Dunkel: Parasympathicus, hell: Sympathicus, aus Snyder, S.H. (1988, 1994) Chemie der Psyche, Spektrum, Akad. Verlag, Heidelberg Berlin Oxford Alpha- und Beta-Rezeptoren für Noradrenalin Man unterscheidet zwei Typen von Noradrenalinrezeptoren an der motorischen Endplatte: AlphaRezeptoren bewirken bei Erregung eine Muskelspannung, Beta-Rezeptoren hingegen eine Erschlaffung. Von beiden Rezeptortypen kennt man Untergruppen; diese werden mit Alpha 1 und 2 resp. Beta1 und 2 bezeichnet. Beta1-Rezeptoren findet man beim Herzmuskel, Beta2-Rezeptoren in der Bronchialmuskulatur. Stimulantien bewirken eine Aktivierung des Sympathicus. Die molekulare Wirkungsweise ist im vegetativen Nervensystem gleich wie im Gehirn. Der Neurotransmitter wird aus den Vesikel in den synaptischen Spalt freigesetzt, der Rücktransport in das präsynaptische Neuron ist erschwert. Dies verstärkt den von Noradrenalin übertragenen Reiz. Stimulantien verstärken die Reizübertragung im Sympathicus. Die molekulare Wirkungsweise entspricht derjenigen im Gehirn. 183 Stimulantien & β-Blocker MODUL III: Tatort Synapse 2 BETA-SYMPATHOLYTIKA - MIT BETABLOCKERN GEGEN PRÜFUNGSANGST 1. Sie verstehen die Funktionsweise der Betarezeptorenblocker aufgrund der Ähnlichkeit im Molekülbau von Noradrenalin und den Betablockern. 184 Stimulantien & β-Blocker MODUL III: Tatort Synapse Wer wünschte sich nicht, an Prüfungen vollständig ruhig und gelassen zu bleiben und sich darauf verlassen zu können, weder schweissige Hände zu kriegen noch zu zittern. Ein ursprünglich zur Senkung der Herzfrequenz entwickeltes Medikament hat genau diese Wirkung und wird demnach oft missbräuchlich eingesetzt. Die Funktionsweise des Wirkstoffs ist bereits im Namen enthalten: Die Beta-Rezeptoren werden blockiert. Die Betablocker gelangen nicht ins Gehirn, sie beeinflussen nur die Nervenreizleitung im Sympathicus. Die Moleküle der Betablocker sind ähnlich gebaut wie das Noradrenalinmolekül. HO R NH2 HO + NH2 O OH OH (I) (II) OH (III) [C8H11NO3; M=169,18 g/mol] Abbildung 2.1. + NH2 O [C16H22NO2; M=260,35 g/mol] Lewis-Formeln von Noradrenalin und Betablockern. (I) Noradrenalin, (II) Strukturelement aller Betablocker, (II) Propanolol (erster Betablocker, 1965) Aufgabe 2.1 Kennzeichnen Sie in der obigen Abbildung das gemeinsame Strukturelement von Noradrenalin und den Betablockern. Dank der strukturellen Ähnlichkeit lagern beide Moleküle an die Beta-Rezeptoren an, die Blocker lösen allerdings auf der Zellinnenseite keinen Reiz aus. Dadurch werden die von Noradrenalin übermittelten Reize nicht weitergeleitet. Sind im synaptischen Spalt sowohl Noradrenalin wie auch ein Betablocker vorhanden, so kämpfen beide um die Rezeptorenplätze. Diese Art von Hemmung wird kompetitive Hemmung (lat.: competere = kämpfen) genannt. Wenn der Betablocker in genügend hohen Mengen vorliegt, gelingt die Signalübermittlung mittels Noradrenalin praktisch nicht mehr und die Erregung des Sympathicus wird nicht weiter verstärkt. 185 Stimulantien & β-Blocker MODUL III: Tatort Synapse präsynaptisches Neuron Mitochondrium Vesikel mit Neurotransmitter Die Membranen der Vesikel und des Neurons sind verschmolzen Hemmstoff Enzym (Abbau resp. Rücktransport von Neurotransmittern) Rezeptor von Hemmstoff besetzt Ionenkanal nicht geöffnet postsynaptisches Neuron Abbildung 2.2. Kompetitive Hemmung Betablocker wirken im vegetativen Nervensystem, im Sympathicus. Sie lagern sich an die Rezeptoren der postsynaptischen Neuronen an, ohne einen Reiz auszulösen. Wegen der Blockierung wird die maximale Arbeitsleistung des Herzens gesenkt. Das ist bei Angina Pectoris-Patienten nötig, um einem Anfall vorzubeugen. Weil gleichzeitig die Herzfrequenz und das pro Schlag gepumpte Blutvolumen gesenkt werden, dürfen Patienten mit Herzmuskelschwäche keine Beta-Sympatholytika zu sich nehmen, damit die Versorgung des Organismus mit Blut gewährleistet ist. Die Einnahme von Betablockern senkt den Blutdruck, auch der Augendruck wird vermindert. Aus diesem Grund gelangen sie in Form von Augentropfen zur Vorbeugung gegen oder zur Behandlung von grünem Star zum Einsatz. Gefahren drohen Diabetikern und Asthmatikern: Droht einem Diabetiker eine Hypoglykämie (Unterzuckerung), so reagiert der Körper mit adrenalinvermittelter Warnung. Wird nun im Sympathicus die Reizleitung unterbrochen, so produzieren die Nebennieren weniger Adrenalin und lebensrettende 186 Stimulantien & β-Blocker MODUL III: Tatort Synapse Warnzeichen wie Herzklopfen bleiben aus. Bei Asthmatikern können Betablocker einen Anfall auslösen: Da eine Erregung der Beta-Rezeptoren eine Erschlaffung der Bronchialmuskulatur bewirkt, verkrampft sich die Muskulatur, wenn die Reizübertragung durch Noradrenalin ausbleibt. Für gesunde, aber leicht nervöse Personen sind Betablocker eine Hilfe während Vorträgen, Prüfungen und künstlerischen Auftritten. Weder wird das Denkvermögen beeinträchtigt, noch wird man schläfrig. Einzig die Anzeichen von Nervosität wie schweissige Hände, Herzklopfen und weiche Knie sind wie weggeblasen. Diese Medikamente sind in doppelter Hinsicht ein typisches Kind der von einem Machbarkeitswahn geprägten Zeit. Erstens lassen sich kleine unangenehme Symptome bequem unterdrücken, ohne dass man die Ursachen ergründen oder gar bekämpfen muss. Zweitens ist eine wirtschaftliche Seite der Betablocker interessant: Im Jahr 1965 kam das erste Beta-Sympatholythikum Propanolol auf den Markt. 30 Jahre später waren 26 verschiedene Stoffe erhältlich, die sich in ihrer Wirkung kaum unterscheiden und die alle das gleiche Strukturelement aufweisen. Doch jede dieser Substanzen ist patentiert worden und daher für die Wirtschaft von Interesse. Der Einsatz von Betablockern als Dopingmittel im Sport. Bei Sportarten wie Moderner Fünfkampf, Golf, Bob, Curling, Fechten, Flugsport, Pferdesport, Wasserspringen, Skispringen, Ski alpin und Schiessen, welche ein hohes Mass Konzentrationsfähigkeit erfordern, ist der Einsatz von Beta-Sympatholytika nicht gestattet. Aufgabe 2.2 Diskutieren Sie mit Klassenkameraden über Sinn und Unsinn hinsichtlich des Einsatzes von Betablockern für Proben, Prüfungen, Konzerte und im Sport. Ist der Grundsatz „Chancengleichheit“ verletzt, wenn man von Natur aus nervöseren Personen den Einsatz von (LifeStyle-)Medikamenten nicht gestattet? 187 an Stimulantien & β-Blocker MODUL III: Tatort Synapse 2.1 Auch bronchienerweiternde Asthmamedikamente stehen auf der Dopingliste! Asthma ist eine Erkrankung der Bronchien. Die Schleimhaut ist dauernd entzündet, Schleim verstopft die Atemwege. Zusätzlich verengt sich die Muskulatur bei einem Anfall. Dadurch ist der Luftaustausch in den Lungenbläschen (Alveolen) nicht gewährleistet, die Patienten leiden an Atemnot. Mit bronchienerweiternden Substanzen wird die Muskulatur gelockert. Den Mechanismus dieser Muskellockerung kann man leicht verstehen: Der Sympathicus bewirkt bei einer Erregung eine Erschlaffung der Bronchialmuskulatur. Dies gewährleistet dem Körper in Fluchtbereitschaft eine maximale Versorgung mit Sauerstoff. Wie Sie aus dem vorherigen Abschnitt wissen, ist die Bronchialmuskulatur mit Beta-2-Rezeptoren für Noradrenalin versehen. Eine Substanz, welche die Bronchialmuskulatur lockern soll, muss also die Wirkung von Noradrenalin auf die Beta-2-Rezeptoren imitieren. Daher der Name: Beta-2-Sympathomimetikum (griech.: mime, Schauspieler). präsynaptisches Neuron Mitochondrium Vesikel mit Neurotransmitter Enzym (Abbau resp. Rücktransport von Neurotransmittern) Sympathomimetikum Rezeptor mit Sympathomimetikum Ionenkanal geöffnet postsynaptisches Neuron Abbildung 2.3. Wirkung von Sympathomimetika Bekannt sind dafür verschiedene Substanzen, wovon einige auf der Dopingliste stehen. Dies hat einen Grund, den man wissenschaftlich noch nicht vollständig geklärt hat. Bei Abgabe grosser Mengen dieser Beta-2-Sympathomimetika beginnt die Muskulatur zu wachsen, eine Wirkung wie nach der Abgabe von Anabolika stellt sich ein. 188 Stimulantien & β-Blocker MODUL III: Tatort Synapse In der Viehmast wird dieser Effekt genutzt. Die Masttiere stehen dauernd unter Einfluss von Stimulantien. Zur Linderung von Sympathomimetika Asthmaanfällen eingesetzt. Es werden handelt Beta-2sich um Substanzen, welche Noradrenalin im Sympathicus imitieren indem sie am postsynaptischen Neuron einen Reiz (wie nach auslösen. Als Nebenwirkung wird Muskelwachstum Anabolikakonsum) beobachtet – deshalb stehen einige dieser Medikamente auf der Dopingliste. 189 Stimulantien & β-Blocker MODUL III: Tatort Synapse LERNKONTROLLE KAPITEL 1 & 2 Aufgabe 2.3 Moleküle, welche eine ähnliche Struktur aufweisen wie ein Neurotransmitter, können in die Nervenreizübertragung am synaptischen Spalt eingreifen. Nennen Sie drei mögliche Angriffsmechanismen und je einen Wirkstoff als Beispiel. Aufgabe 2.4 Lesen Sie noch einmal das Zitat des spanischen Geschichtsschreibers am Anfang von Abschnitt 1.1 und erklären Sie die molekularen Grundlagen der Auswirkungen von Cocain. Stimmen die Aussagen des spanischen Eroberers? 190 MODUL III: Tatort Synapse Praktikumsanleitungen 3 PRAKTIKUMSANLEITUNGEN Inhalt 3 PRAKTIKUMSANLEITUNGEN 3.1 191 Versuch 1: Isolation von Coffein aus Schwarztee 193 3.1.1 Extraktion von Coffein, Variante 1 193 3.1.2 Extraktion von Coffein, Variante 2 194 3.1.3 Identifikation des Coffeins mittels Dünnschichtchromatografie 195 3.2 Versuch 2: Physiologische Wirkung von Coffein: Vergleich von entcoffeiniertem und coffeinhaltigem Kaffee 196 3.2.1 Leistungssteigerung durch Coffein? 196 3.2.2 Hohe Dosis Coffein 197 Lernziele 1. Sie verstehen die Grundlagen der beiden Isolationsverfahren von Coffein und können diese durchführen 2. Sie verstehen die physiologische Wirkung von Coffein und kennen die grundlegenden Unterschiede zwischen coffeinhaltigem und entcoffeiniertem Kaffee 191 MODUL III: Tatort Synapse Praktikumsanleitungen Vorbereitung (für Lehrpersonen): - Tee im Exsiccator trocknen (einige Tage) - Laufmittel für DC bereitstellen - Coffein-Referenzlösung bereitstellen Zeitbedarf: Sublimation / Resublimation: ½ Lektion Extraktion: ½ Lektion Identifikation mittels DC: ½ Lektion Sie isolieren Coffein auf zwei verschiedene Arten: Variante 1: Variante 2: Sublimation / Resublimation Extraktion (organisches Lösemittel) Anschliessend vergleichen Sie das extrahierte Coffein mittels Dünnschichtchromatografie mit reinem Coffein. 192 MODUL III: Tatort Synapse Praktikumsanleitungen 3.1 Versuch 1: Isolation von Coffein aus Schwarztee Material: Vorbereitung des Teepulvers: Exsiccator, Reibschale mit Pistill, Porzellanschale (in den Exsiccator passend) Sublimation: Bunsenbrenner, Drahtnetz, Handschuhe, Kristallisierschale (W ca. 10 cm), Mikroskop, Objektträger mit Vertiefung, Pipette mit Sauger, Porzellanschale, (W ca. 12 cm), Dreifuss, Tiegelzange, Waage Extraktion: Becherglas 20 mL (hohe Form), Filterpapier, 2 Messzylinder (10 mL), Mikroskop, Objektträger mit Vertiefung, Pipette mit Sauger, Polylöffel, Reibschale mit Pistill, Stativ für Trichter, kleiner Trichter, Waage. DC: Messzylinder zur Herstellung des Laufmittels (10 mL, 50 mL, 100 mL), Flasche für Laufmittel, Becherglas (20 mL), DC-Alufolien (RP-18 F254s, zugeschnitten für DCKammer passend), DC-Kammer, Kapillaren, Lineal (mm-Einteilung), Pinzette, Pipette mit Sauger, Spatel, UV-Lampe (254 nm), weicher Bleistift. Chemikalien: Ammoniak conc., Ammoniak verdünnt (2 mol/L), Calciumchlorid wasserfrei, Coffein rein, Dichlormethan, Essigsäureethylester, Methanol, Tee (pro Gruppe ca. 15 g) Vorbereitungen (Lehrkraft): a) Teepulver trocknen: Ein paar Tage vor der Versuchsdurchführung gibt man fein gemörserten Tee (pro Gruppe ca. 10 g) in den Exsiccator und lässt das Teepulver über wasserfreiem Calciumchlorid trocknen. Falls möglich, wird ein Vakuum angelegt. Zum Vergleich kann der gleiche Versuch mit entcoffeiniertem Tee analog durchgeführt werden. b) Laufmittel herstellen: Essigsäureethylester / Methanol / Ammoniak conc. 80:19:1 c) Referenzlösung Coffein: Eine Spatelspitze Coffein gelöst in ca. 10 mL Methanol. Schülerversuche: Variante 1 und 2 können parallel von zwei Personen durchgeführt werden. 3.1.1 Extraktion von Coffein, Variante 1 1. 5-10 g getrocknetes Teepulver in die Porzellanschale geben, gut verteilen. 2. Im Abzug: Stellen Sie die Porzellanschale auf das Drahtnetz über dem Dreifuss. Heizen Sie mit einer kleinen Bunsenbrennerflamme (Sparflamme) sehr vorsichtig. Zuerst entweicht etwas Wasser, danach steigt ein dicker Rauch auf. Nun stellen Sie die Kristallisierschale umgekehrt auf die Porzellanschale. Der Versuch ist beendet, wenn sich an der Innenseite der Kristallisierschale ein Niederschlag gebildet hat. Vorsicht: Bei zu starkem Heizen kann sich ein Schwelbrand entfachten! Entfernen Sie den Brenner ab und zu. 193 MODUL III: Tatort Synapse Praktikumsanleitungen 3. Mit Handschuhen arbeiten! Lösen Sie mit wenig Dichlormethan die in der Kristallisierschale entstandene Schicht und geben Sie mit der Pipette wenige Tropfen davon in die Vertiefung des Objektträgers. Vorsicht ist beim Umgang mit Dichlormethan geboten! Bei Schritt 3 mit Handschuhen im Abzug arbeiten! Der Objektträger darf erst aus dem Abzug genommen werden, wenn das Lösemittel vollständig verdampft ist! 4. Nach dem Eintrocknen können Coffeinkristalle unter dem Mikroskop bewundert werden. Sie können sich leicht vergewissern, dass es sich bei den Nadeln um Coffein handelt, indem Sie den gleichen Versuch mit entcoffeiniertem Tee durchführen. Aufgabe 3.1 Welche Form haben die Coffeinkristalle? Zeichnen Sie einige Kristalle? 3.1.2 Extraktion von Coffein, Variante 2 Vorsicht ist beim Umgang mit Dichlormethan geboten! Bei Schritt 3 und 4 unbedingt mit Handschuhen im Abzug arbeiten! Der Objektträger darf erst aus dem Abzug genommen werden, wenn das Lösemittel vollständig verdampft ist! 1. Mit dem Pistill 1 g Teepulver in der Reibschale vermörsern. 2. 1 mL verdünnte Ammoniak-Lösung zugeben und 1 Minute weiter mörsern. 3. Mit Handschuhen, im Abzug arbeiten! 5 mL Dichlormethan zugeben, mit dem Pistill gut rühren. 4. Lösung filtrieren. Das Coffein befindet sich im Filtrat. 5. Mit einer Pipette wenig Filtrat in die Vertiefung des Objektträgers geben. Nach dem vollständigen Eintrocknen des Dichlormethans können die Coffeinkristalle unter dem Mikroskop betrachtet werden. 194 MODUL III: Tatort Synapse Praktikumsanleitungen 3.1.3 Identifikation des Coffeins mittels Dünnschichtchromatografie Literaturhinweis: G. Baars, H. R. Christen, Allg. Chemie: Theorie und Praxis, 3. Aufl. S. 22 Probenvorbereitung: Eine Spatelspitze isoliertes Coffein wird in ein Reagenzglas gegeben und in ca. 1 mL Methanol gelöst (gut schütteln). Als Referenzlösung dient eine von der Lehrkraft bereitgestellte Lösung von reinem Coffein. Vorbereitung der DC-Kammer: In die DC-Kammer ca. ½ cm hoch Laufmittel geben. Proben auf die DC-Platte auftragen: Mit einem weichen Bleistift wird eine Startlinie ca. 1,5 cm parallel zum schmalen Rand der DC-Platte eingezeichnet. Mit einer Kapillare trägt man einige Tropfen der Referenzlösung auf die Startlinie. Mit einer neuen Kapillare wird etwa 1 cm neben der Referenzlösung ein Tropfen der Probelösung aufgetragen. Nach Eintrocknen der Probelösung kann an der gleichen Stelle erneut Probelösung aufgetragen werden. Sobald die aufgetragenen Punkte trocken sind, stellt man die Platte in die vorbereitete DC-Kammer. Dabei ist es sehr wichtig, dass die Auftragepunkte über dem Flüssigkeitspegel stehen! DC-Kammer mit Deckel DC-Platte Probe Referenzsubstanz Laufmittel Abb. 3.1. DC-Kammer Die Chromatografie ist beendet, wenn das Laufmittel 1 cm unter dem oberen Rand der Platte angekommen ist. Nehmen Sie die Platte mit einer Pinzette aus der DC-Kammer und markieren Sie sofort mit dem weichen Bleistift die Laufmittelfront. Lassen Sie die DC-Platte im Abzug trocknen, betrachten Sie sie anschliessend unter der UV-Lampe. Im UV-Licht erkennen Sie die Spuren von reinem und ihrem isolierten Coffein. 195 MODUL III: Tatort Synapse Praktikumsanleitungen Zeichnen Sie unter der UV-Lampe alle Flecken mit Bleistift ein. Stimmen alle Flecken bei Referenz und Probe überein? Auswertung des DC: Der Rf-Wert. Eine Substanz kann mittels DC anhand des „Retentionsfakors“, des Rf-Wertes, identifiziert werden. Der Rf-Wert gibt an, wie viele Prozente der vom Laufmittel zurückgelegten Strecke die Probesubstanz zurückgelegt hat. Berechnung des Rf-Werts: Rf = 100 ⋅ SP SE mit S: Startlinie, P: Fleck der betr. Substanz, E: Laufmittelfront; SP: von der Substanz zurückgelegte Strecke, SE: vom Laufmittel zurückgelegte Strecke. Anmerkung: Dünnschichtchromatografie ist hervorragend geeignet, um zwei Substanzen zu vergleichen. Hinterlässt Ihre Coffeinprobe genau das gleiche Muster wie das Coffein aus der Dose, so haben Sie die richtige Substanz isoliert. DC zeigt auch, ob eine Substanz rein ist. Sind ausser den Flecken der Referenzsubstanz andere Punkte zu sehen, so muss die Substanz gereinigt werden. Weil die DC-Platten leicht Dreck aus der Umgebung aufnehmen, ist die Interpretation der Rf-Werte mit grosser Unsicherheit behaftet. Abweichungen vom Literaturwert bedeuten nicht zwingend, dass die Substanz unrein oder nicht identisch mit der gesuchten ist. Aufgabe 3.2 Berechnen Sie die Rf-Werte der beiden Coffeinproben 3.2 Versuch 2: Physiologische Wirkung von Coffein: Vergleich von entcoffeiniertem und coffeinhaltigem Kaffee 3.2.1 Leistungssteigerung durch Coffein? Zwei Personen nehmen an 2 Tagen je eine Tasse Kaffe zu sich, ohne zu wissen, ob es sich um coffeinhaltigen oder entcoffeinierten Kaffee handelt. Etwa eine halbe Stunden nach Einnahme des Getränks rennen die Personen eine Strecke von 1 km. An beiden Tagen muss genau gleich viel Zeit zwischen der Einnahme des Getränks und dem Lauf liegen! Die Zeit wird gestoppt. Hat Coffein eine Wirkung? Sind allenfalls andere Faktoren wie Temperatur oder Motivation entscheidender als die Tasse Kaffee? Der gleiche Versuch kann auch mit Coca Cola oder Red Bull durchgeführt werden. 196 MODUL III: Tatort Synapse Praktikumsanleitungen 3.2.2 Hohe Dosis Coffein Wie schon früher erwähnt, sind nach IOC bis 12 Mikrogramm Coffein pro Milliliter Urin zugelassen. Dies entspricht 5-6 Tassen starkem Kaffee, relativ rasch hintereinander eingenommen. Für „Ungeübte“ ist dies eine hohe Dosis Coffein, welche sich in unangenehmen Symptomen äussert. Sie brauchen das nicht gerade mit 5-6 Tassen auszuprobieren. Nehmen Sie in relativ kurzem Zeitabstand eine Tasse Kaffee mehr zu sich als gewohnt. Eine halbe Stunde nach dem letzten Kaffee versuchen Sie eine feine Nadel einzufädeln, einen geraden Strich zu zeichnen, die Hände in der Luft still zu halten... Die unangenehme Wirkung klingt nach etwa 1-2 Stunden vollständig ab. Anm.: Etwa so fühlen sich die Masttiere, welche dauernd unter einer Überdosis Beta2-Sympatholytika stehen. Versuchen Sie den gleichen Effekt auch mit entcoffeiniertem Kaffee. Wie viele Tassen müssen Sie trinken? 197 „Bei Siegesfeiern mit Alkohol gibt es immer viele Verlierer“. Matthias Zurbuchen, Swiss Telemark, Leiter Ausbildung SIVS Telemark MODUL IV Volksdrogen & Sport ALKOHOL UND CANNABIS Inhalt des Kapitels 1. Alkohol 200 2. Cannabis 220 MODUL IV: Volksdrogen & Sport Alkohol Allgemeines Thema: Sport ist gesund. Die Volksdrogen Alkohol, Cannabis und Nikotin sind ungesund. Also schliesst das eine das andere aus. Dieses digitale Denken wurde bereits im 16. Jahrhundert relativiert. Theophrastus Bombast von Hohenheim (17. 12. 1493 - 24. 9. 1541), von seinen Eltern auf den Namen Philippus Aureolus getauft, aber besser bekannt als Paracelsus, machte folgende Aussage: „All Ding sind Gift und nichts ohn Gift; alein die Dosis macht das ein Ding kein Gift ist“ Kann ein mässiger Cannabis-, Nikotin- oder Alkoholkonsum bereits als Sucht und somit als ungesund bezeichnet werden? Was als Droge akzeptiert ist und was nicht, hängt stark vom gesellschaftlichen Denken ab. Dass Cannabis, Nikotin und Alkohol zu suchtartigem Verhalten führen können, ist unbestritten. Damit ist auch die Aussage zu rechtfertigen, dass diese drei Substanzen bei einer sportlich aktiven Person nichts zu suchen haben. Ist es aber nicht auch eine Art Sucht, wenn eine Person den ganzen Tag daran denkt, wie sie ihr Training noch intensivieren könnte, oder sich der ganze Tagesablauf nach den Trainingseinheiten richtet? Obwohl Alkohol und Cannabis nicht für alle Sportarten auf der Dopingliste stehen, sollen sie hier in diesem Modul aus dem oben genannten Grund behandelt werden. Lektionsablauf: Lesen Sie zuerst die Lernziele und dann den Theorieteil sorgfältig durch. Danach führen Sie mit einer Kollegin oder einem Kollegen die vorgeschriebenen Experimente sorgfältig aus. Wenn Sie nicht sicher sind, fragen Sie Ihre Lehrkraft nach den zu treffenden Vorsichtsmassnahmen. Nach jedem Abschnitt hat es kleinere Aufgaben. Die Lösung zu allen Aufgaben finden Sie am Ende jedes Kapitels. Sie sollen von Ihnen alleine gelöst werden. Bearbeiten Sie dieses Kapitel so lange, bis Sie sich sicher fühlen. 199 MODUL IV: Volksdrogen & Sport Alkohol 1. ALKOHOL Inhalt 1. ALKOHOL 200 1.1 Geschichte des Alkohols 201 1.2 Herstellung und physiologische Wirkungen 204 1.3 Auswirkungen auf den Körper 206 1.4 Auswirkungen auf das Gehirn 210 1.4.1 Die Neurotransmitter GABA und Glutamat 212 1.4.2 Der GABA-Rezeptor 212 1.4.3 Der Glutamat-Rezeptor 214 1.4.4 Weitere Transmittersysteme 215 1.5 Langzeitwirkungen 216 1.6 Alkohol und Sport 217 LERNKONTROLLE KAPITEL 1 218 Lernziele 1. Sie wissen Bescheid über den Stellenwert, den alkoholische Getränke im Verlauf der Geschichte hatten. 2. Sie wissen, wie Alkohol hergestellt und wieder abgebaut wird. 3. Sie kennen die direkten Einflüsse von Alkohol auf unseren Körper. 4. Die Langzeitwirkungen alkoholischer Getränke sind Ihnen bekannt. 200 MODUL IV: Volksdrogen & Sport Alkohol 1.1 Geschichte des Alkohols Alkohol, meist in Form von Bier oder Wein, fehlt heute an praktisch keiner festlichen Tafel, obwohl er für viele Krankheiten verantwortlich gemacht und zum Teil auch verteufelt wird. Mindestens seit den Sumerern im 7. Jahrhundert vor Christus sind alkoholische Getränke bekannt. Wohl eher durch Zufall entdeckte man die angenehme Wirkung von zu lange an der Sonne gestandenem Honig, der dadurch zu Met vergor. Die Vergärung von Trauben zu Wein ist auf Erfolge in der Landwirtschaft zurückzuführen, da wilde Trauben zu wenig Zucker enthalten würden, um Wein herzustellen. Der erste bekannte gezielte Anbau von besonders wohlschmeckenden und süssen Trauben, also Früchten, die für die Weinherstellung gedacht waren, wird um das Jahr 6000 vor Christus im heutigen Armenien datiert. Die Herstellung von Bier liess noch eine Weile auf sich warten. Erst durch den grossflächigen Anbau von Getreiden kam die Bierbrauerei in Gang. In den fruchtbaren Flussdeltas von Mesopotamien und Ägypten ist Bier seit dem dritten Jahrtausend vor Christus bekannt. Durch den Ackerbau gab es aber auch Nahrungsmittelüberschüsse und dadurch einen Bevölkerungszuwachs. Dies hatte wiederum zur Folge, dass Trinkwasservorräte stark verunreinigt wurden, und so zu idealen Übertragungsorte von Krankheiten machte. Alkohol und Säuren, vor allem die aus dem Trinkalkohol entstehende Essigsäure, hingegen wirken keimtötend. Folglich waren alkoholische Getränke als Durstlöscher unabdingbar. Man könnte sagen, dass schwach alkoholische Getränke, vor allem Bier und Wein, die Muttermilch unserer Zivilisation sind. Obwohl der Alkoholgehalt dieser Getränke im Vergleich zu heute gering war, musste doch ein leichter Dauerrausch jahrhundertelang der Normalzustand gewesen sein. Davon, dass Alkohol zum Alltag gehörte, zeugen auch etliche Dokumente: • Wörtlich heisst das griechische Wort akratizomai für frühstücken „unverdünnten Wein trinken“. • Als Medizin war Alkohol bereits den Sumerern 2100 vor Christus bekannt. Aber auch Hippokrates 1 verwendete Wein für einen Grossteil der bekannten Leiden. • Im Alten Testament wird Trunkenheit an vielen Stellen verurteilt. Trotzdem banden der Prophet Esra und seine Nachfolger Alkohol in das tägliche jüdische Ritual ein, wahrscheinlich um auf diese Weise Ausschweifungen zu verhindern. • Im Neuen Testament verwandelt Jesus Wasser in Wein und alle Apostel stellten Regeln für einen mässigen Konsum von alkoholischen Getränken auf. • In der Bibel sowie in den antiken griechischen Epen wird Wasser nur als Getränk erwähnt, wenn es sich um Quell- oder frisch gesammeltes Regenwasser handelte. • Noch der preussische König Friedrich der Grosse (1712 - 1786) sträubte sich gegen die Einfuhr von Kaffee und Tee: Es wäre abscheulich zu beobachten, dass die Untertanen immer mehr Kaffee tränken und das Land dadurch enorm viel Geld verlöre. Der König, ebenso wie seine Vorfahren und Offiziere wären „Höchst Selbst in Dero Jugend mit Bier-Suppe erzogen“ worden, „mithin können die Leute dorten so gut mit Bier-Suppe erzogen werden, das ist viel gesünder, wie der Caffee“. Dies, obwohl zu jener Zeit bereits die schädlichen Auswirkungen von zu vielem Alkoholkonsum bekannt waren (siehe unten). 1 Um 460 - um 370 v. Chr., aus Kos, Begründer der Medizin als Wissenschaft und berühmtester griechische Arzt. 201 MODUL IV: Volksdrogen & Sport Alkohol Alkoholische Getränke waren aufgrund ihrer keimtötenden Wirkung in dicht besiedelten Gebieten lange Zeit das einzige Getränke ohne gravierende Folgen. Natürlich ist auch der Energiegehalt von alkoholischen Getränken nicht zu unterschätzen, ein zu dieser Zeit wichtiges Argument. Lange war Bier das Getränk der unteren Bevölkerungsschicht, während Wein eher die Begüterten tranken. Da aber Wein mehr Profit abwarf, boomte während der Römerzeit der Rebenanbau. Um 30 vor Christus war die Expansion des Weins so weit fortgeschritten, dass er fast umsonst und so für jedermann zugänglich war. Nach dem Untergang des römischen Reichs übernahmen die katholischen Klöster diese Tradition. Fast 1300 Jahre dauerte dieser höchst lukrative Anbau der Kirche, die über die grössten und besten Weingüter verfügte. Bier wurde wieder zum gemeinen Getränk der Bauern. Da die zur Wein- und Bierherstellung notwendigen Hefepilze höchstens 16 Volumenprozent Alkohol ertragen, waren hochprozentige Getränke lange Zeit unbekannt. Erst als arabische Alchemisten 700 nach Christus die Destillation erfanden, konnte Schnaps hergestellt werden. Aus dieser Zeit stammt 2 auch das Wort „Alkohol“. Das arabische Wort kuhl bedeutet die „Essenz von Stoffen“. Im spanischen Umfeld wurde daraus al-kuhul und schliesslich alcohol. Etwa im Jahr 1100 kam die Destillierkunst nach Europa, zuerst an die medizinische Schule von Salerno in Italien. Hier wurde der Schnaps aqua vitae (Wasser des Lebens) oder aqua ardens (brennendes Wasser) genannt. Vor allem während der grossen Seuchen des 14. Jahrhunderts (Pestepidemien mit rund 25 Mio. Opfern, einem Drittel der Bevölkerung Europas: 1347 - 1352) verbreiteten sich hochprozentige Alkoholika besonders schnell. Sie Abbildung 1.1: Destillation von alkoholischen Getränken und ihre Wirkung auf die trinkende Person brachten den Betroffenen zwar keine medizinische so doch eine psychische Hilfe. Jetzt zeigte sich aber auch sehr stark der negative Effekt von Alkoholika. Trotz Warnungen von Seiten der Obrigkeit nahm der Konsum hochprozentiger Alkoholika bis zu Beginn des 17. Jahrhunderts stetig zu: „Europa gab sich einem einzigen Saufgelage hin.“ (Spektrum der Wissenschaft, 8 (1998) S. 62-67; Kleine Kulturgeschichte des Alkohols) 2 Der Ursprung dieses Wortes liegt aber nicht, wie fälschlicherweise oft nachzulesen, im arabischen sondern im babylonisch., d.h. im akkadischen Wort guhlu. 202 MODUL IV: Volksdrogen & Sport Alkohol Alkoholische Getränke bis zu einem Alkoholgehalt von 16 Vol-% können mit Hefepilzen hergestellt werden. Für Getränke . mit einem höheren Alkoholgehalt muss man destillieren Zu dieser Zeit wurden aber nun Kaffee, schwarzer Tee und Kakao als Stimulanzien immer populärer und übernahmen langsam die Funktion als Durstlöscher an Stelle des Alkohols. Tee als Getränk war im asiatischen Raum schon immer bekannt. Dort konnte sich Tee im Gegensatz zu Alkohol aus genetischen Gründen durchsetzen. Der Hälfte der Asiaten fehlt ein Enzym, um den Alkohol vollständig abzubauen. Den Betreffenden wird es schon nach einem geringen Alkoholkonsum schlecht, da sich ein giftiges Zwischenprodukt, der Acetaldehyd (Ethanal), im Körper ansammelt. Im 18. Jahrhundert gab es auch eine religiös bedingte Abkehr vom Alkohol. Vor allem die Quäker und Methodisten nahmen eine völlige Alkoholabstinenz in ihr religiöses Programm auf. Dies fand aber noch keinen grossen Nachahmungseffekt in den grossen Bevölkerungskreisen, da gefährliche Krankheiten wie Typhus, Cholera und Ruhr immer noch über verschmutztes Trinkwasser übertragen wurden. 1892 erkrankten während der grossen Choleraepidemie in Hamburg 17'000 Menschen, wovon die Hälfte starb. Wie auch in anderen Grossstädten gewann man das Trinkwasser aus der Elbe. Da alle Abwässer und Fäkalien in diesen Fluss flossen, war eine Übertragung der Krankheitserreger besonders gut begünstigte. Im 19. Jahrhundert wurden Mikroorganismen als Ursache vieler Krankheiten erkannt. Dies führte zur Erkenntnis, dass Trinkwasser gefiltert werden musste, bevor es getrunken wird. Alkoholische Getränke konsumierte man somit nur noch zu Genusszwecken. Der amerikanische Arzt und Politiker Benjamin Rush (1746 - 1813) beschrieb Alkoholismus als Krankheit. Rush, ein Mitunterzeichner der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, fand wegen seiner Prominenz viele Anhänger einer völligen Alkoholabstinenz. Bereits 1850 kam es in 15 US-Staaten zu Prohibitionsgesetzen. Die Gemeinden konnten damit ein Alkoholverbot aussprechen. Die Bewegung gipfelte in einem Alkoholverbot, das einige US-Staaten bereits 1900 verordneten. Zwischen 1919 und 1933 galt in den ganzen USA ein totales Verbot auf Herstellung, Vertrieb und Konsum von alkoholischen Getränken (18. Verfassungszusatz). Anfänglich reduzierten sich gesundheitlich negative Folgen des Alkoholkonsums wie Leberzirrhose. Obwohl drastische, rechtsstaatlich oft bedenkliche Polizeimassnahmen gegen den Alkoholkonsum ergriffen wurden, etablierte sich sehr bald ein bestens organisierter Schwarzmarkt, mit dem zwar schon zu Beginn des Gesetzes gerechnet wurde, dessen Ausmasse jedoch alle Befürchtungen in den Schatten stellten. Über eine halbe Million Menschen wurden zu dieser Zeit wegen Alkoholmissbrauchs verurteilt. 1933 kippte Präsident Roosevelt den 18. Verfassungszusatz und übertrug die Handhabung des Alkohols wieder den einzelnen Staaten. Da dem Staat nun „sein“ Objekt zur Drogenbekämpfung entzogen wurde, setzte ein massiver Feldzug gegen Cannabis und andere psychoaktive Substanzen ein. Das Prestige des Alkohols wurde aber in den 13 Jahren Verbot so hoch, dass der Verbrauch drastisch zunahm, obwohl noch etwa ein Drittel 203 MODUL IV: Volksdrogen & Sport Alkohol der Bevölkerung abstinent lebte. Bis heute ist der durchschnittliche Alkoholkonsum der nicht abstinenten Bevölkerung der USA höher als in vergleichbaren Industriestaaten. In den USA war Alkohol 13 Jahre verboten. Sein „Prestige“ stieg während dieser Zeit so stark, dass man in den Vereinigten Staaten noch heute grössere Probleme hat als in vergleichbaren Ländern. 1.2 Herstellung und physiologische Wirkungen Nach IUPAC-Nomenklatur ist jedes organische Molekül mit einer Hydroxylgruppe ein Alkohol. Spricht man aber im landläufigen Sinn über den Alkohol, meint man meist den in Getränken enthaltenen Ethanol, manchmal auch als Ethylalkohol bezeichnet. Ethanol entsteht bei der Vergärung von Früchten mit Hefepilzen. Dabei ist der Weg zum Alkohol für die Hefe eigentlich eine Selbstmordaktion, denn sie ist ab einer Alkoholkonzentration von 16 Volumenprozent nicht mehr überlebensfähig. Was macht das für einen Sinn? Hefe verwertet die Glucose genau gleich wie die Tiere über die Glykolyse. Studieren Sie in einem Sek II Biologiebuch den Abschnitt über die Glykolyse. 3 Das Produkt der Glykolyse ist im anaeroben Fall Lactat, im aeroben Fall Pyruvat , das anschliessend via Citratcyklus in den Mitochondrien und Endoxidation in der inneren Mitochondrienmembran zu CO2 und Wasser oxidiert wird. Dabei werden 38 ATP in den Leber- und Herzzellen oder 36 ATP in allen anderen Zellen gebildet: Glucose + 38 Pi + 38 ADP + 6 O2 → 6 CO2 + 38 ATP + 44 H2O (Pi: inorganic phosphate) ATP wird für die Muskelbewegung wieder aufgebraucht. Dabei werden ebenfalls 38 H2O frei. Wie aus der Reaktionsgleichung ersichtlich ist, muss für die vollständige Oxidation der Glucose zu CO2 und Wasser Sauerstoff vorhanden sein. Bei einer schnellen sportlichen Betätigung ist es jedoch nicht immer möglich, genügend Sauerstoff zum Muskel zu transportieren. Die Zelle wählt in diesem Fall den Weg zum Lactat. Der Preis für die Zelle ist bei einer schnellen sportlichen Leistung aber relativ hoch. Statt 36 ATP in der Muskelzelle werden nur 2 ATP durch die Glykolyse gewonnen. Um den 3 Lactat wird in einigen Schulbüchern fälschlicherweise als Milchsäure, Pyruvat als Brenztraubensäure bezeichnet. Bei einem physiologischen pH-Wert von 7.4 liegt jedoch die Milchsäure in ihrer konjugierten Base, dem Lactat vor, und die Brenztraubensäure in ihrer konjugierten Base Pyruvat. 204 MODUL IV: Volksdrogen & Sport Alkohol Organismus zu warnen, produziert die Zelle pro Glucosemolekül zwei Lactationen und zwei Protonen. Die Übersäuerung des Organismus und die damit verbundenen Schmerzen dienen dem Körper als Warnsignal, dass er sich erholen soll. Bei der Hefe und anderen Mikroorganismen ist die Situation ähnlich. Unter aeroben Bedingungen wird die Glucose vollständig zu Wasser und CO2 oxidiert. Unter anaeroben Bedingungen jedoch unterscheidet sich die Hefe vom tierischen Organismus lediglich im letzten Schritt. Statt Pyruvat zu Lactat umzuwandeln, wird es in zwei enzymatischen Schritten zu Ethanol und CO2. Im ersten irreversiblen Schritt wird Pyruvat zum Ethanal (Acetaldehyd) decarboxyliert: H3C C COO + H + H3C C H O + CO2 O Im zweiten Schritt wird der Acetaldehyd zu Ethanol reduziert: H3C C H O + NA DH + H+ H3C CH2 OH + NA D+ Als Gesamtgleichung für die alkoholische Gärung kann somit geschrieben werden: Glucose + 2 Pi + 2 ADP → 2 Ethanol + 2 CO2 + 2 ATP + 2 H2O Unter anaeroben Bedingungen produzieren tierische Organismen aus Glucose Lactat, Hefepilze Ethanol und CO2. Unter aeroben Bedingungen liefern beide Organismen CO2 und Wasser. Lesen Sie Kapitel 13.4 in: „Allgemeine Chemie: Theorie und Praxis“ von Günter Baars und Hans Rudolf Christen. Aktuelle Statistiken finden Sie unter http://www.neuland.com/jahrbuch/pdf/valk2001.pdf und http://www.neuland.com/jahrbuch/pdf/alk2001.pdf Von einem Menschen getrunken, wird der Alkohol im Körper anschliessend wieder abgebaut. Ein 4 Gramm Alkohol enthält dabei den Nährwert von 30 kJ/g . Bereits im Magen erfolgt eine 20%-ige Resorbtion des Alkohols, der Rest im oberen Dünndarm. Etwa 5% scheidet der Körper unverändert wieder aus. Von den restlichen 95% werden 90 - 95% in einem ersten Schritt durch die Alkoholdehydrogenase wieder zum Acetaldehyd oxidiert. Dieser Schritt passiert im Cytosol der Leberzellen. Dabei entsteht NADH, das in der Atmungskette 3 Moleküle ATP liefern kann: CH3CH2OH + NAD → CH3CHO + NADH + H + 4 Zum Vergleich: Kohlenhydrate und Proteine: 17 kJ/g; Fett: 38 kJ/g 205 + MODUL IV: Volksdrogen & Sport Alkohol Zwei bis drei Prozent des Acetaldehyds werden durch die Atemluft ausgeschieden, was einen süsslichen Atem zur Folge hat. Der Hauptanteil wird in den Mitochondrien anschliessend mit Hilfe der Aldehyddehydrogenase zur Essigsäure oxidiert. Auch hier entsteht wieder ein NADH: CH3CHO + NAD + H2O → CH3COOH + NADH + H + + Die gebildete Essigsäure wird anschliessend unter ATP-Verbrauch zum Acetyl-CoA aktiviert, das seinerseits entweder im Citratcyklus und in der Atmungskette nach bekannter Art und Weise vollständig oxidiert, oder für den Aufbau von Fett verwendet werden kann. Der Aufbau von Kohlenhydraten aus Ethanol ist nicht möglich. Aufgabe 1.1 Beschreiben Sie in der gleichen Grafik alle Wege, die ein Glucosemolekül sowohl in der Hefe als auch im Menschen durchlaufen kann. Gehen Sie davon aus, dass das Produkt der Hefe anschliessend durch einen tierischen Organismus aufgenommen wird. Führen Sie die Destillation von Wodka nach spezieller Anleitung durch. 1.3 Auswirkungen auf den Körper Die Auswirkungen alkoholischer Getränke auf den menschlichen Organismus werden stark unterschiedlich diskutiert. Preisen einige die Vorzüge geringen Alkoholkonsums, rufen andere Wissenschaftler zu völliger Abstinenz auf, da jeder Schluck Alkohol das Krebsrisiko erhöht. In einem ersten Teil sollen deshalb direkte Auswirkungen alkoholischer Getränke auf den Körper diskutiert, anschliessend einige gesellschaftliche und epidemiologische Aspekte beleuchtet werden. Den wohl bekanntesten Schaden, den Ethanol im Körper anrichten kann, bezieht sich auf die Leber. In einem ersten Schritt bei übermässigem Alkoholkonsum entsteht eine sogenannte Fettleber. Die 5 Ursache einer Fettleber ist eine Anhäufung von Triglyceriden , wie es auch beim Diabetes, einer Proteinmangelernährung oder durch toxische Substanzen wie halogenierte Kohlenwasserstoffe auftreten kann. Der normale Anteil an Fetten in der Leber liegt zwischen 3% und 4%. Bei einer Fettleber kann der Anteil bis zu 20% gehen. Der Grund beim Alkoholmissbrauch liegt darin, dass das gebildete Acetyl-CoA und die beim Alkoholabbau gebildeten NADH den Fettaufbau begünstigen und den Fettabbau hemmen. Ein weiterer Grund ist auf den Acetaldehyd zurückzuführen. Dieses Molekül 206 MODUL IV: Volksdrogen & Sport Alkohol schränkt die Synthese von Apolipoproteinen ein. Diese Proteine übernehmen im Körper die Aufgabe, Fette, die hydrophob sind, im Blut von einem Ort an den anderen zu transportieren. Ist ihre Synthese eingeschränkt, klappt der Abtransport der Fette von der Leber weg nicht mehr. Der stark toxische Acetaldehyd zerstört zudem die Mitochondrien und das Zellskelett der Leberzellen, wodurch es zum Absterben der betreffenden Zellen führt. Das Folgestadium der Lebererkrankung, in dem Fall bereits chronisch, wird als Leberzirrhose bezeichnet. Verursacht wird die Leberzirrhose durch Narbenbildung und einer Umgestaltung des Gefässapparats, die durch abgestorbene Zellen ausgelöst wird. Eine normale Funktion ist wegen der Bindegewebsvermehrung und der Zerstörung des Läppchenaufbaus der Leber nicht mehr möglich. Je nach Stadium und Zirrhoseform werden unterschiedliche Symptome der Erkrankung beobachtet: • Müdigkeit, Leistungsabfall, Appetitlosigkeit, • Magen-Darm-Beschwerden, • Hautveränderungen (Gefässspinnen im Gesicht, auf den Handrücken und den Oberarmen: Spinnenartig gehen kleine Blutgefässe von einer kleinen Arterie weg; weisse Flecken bei nur geringer Abkühlung der Haut; Rötung der Handinnenfläche), • Verlust der Achsel- und Schambehaarung, • Brustbildung bei Männern, Hodenschwund, • Menstruationsstörungen, • Lackzunge (Zungenpapillen verschwinden, die Zunge wird glatt), • Tod durch Verblutung aus Krampfadern im Bereich der Speiseröhre oder im Koma. Betrachten Sie die Symptome unter: http://people.freenet.de/projektgruppealkohol/leberzir.htm#Hauptsymptome: und das Bild einer Leber unter http://www.ikp.unibe.ch/lab2/cirrhd.html Durch die Unterfunktion der Leber sind auch Gerinnungsfaktoren, die dort gebildet werden, vermindert im Blut anzutreffen. Dies begünstigt jede Blutung und dadurch den Tod durch Verbluten. Die Leber ist auch zuständig für die Entgiftung. Beim Abbau der Aminosäuren fällt Ammoniak an, das aber normalerweise in der Leber zu Harnstoff verarbeitet wird. Ist dies nicht mehr möglich, gelangt vermehrt Ammoniak ins Gehirn, welches sehr empfindlich darauf reagiert und geschädigt wird. Die Folge ist ein Koma (tiefe Bewusstlosigkeit) und anschliessend der Tod. 5 Speicherfett → drei Fettsäure-Moleküle verestert mit einem Glycerin-Molekül 207 MODUL IV: Volksdrogen & Sport Alkohol Aufgabe 1.2 Tabellieren Sie stichwortartig die direkten Auswirkungen von Alkohol auf die Leber. Wie oben schon erwähnt wurde, führt der Abbau von Ethanol zu einer hohen NADH-Produktion. Dadurch werden im Zellstoffwechsel NADH-abhängige Reaktionen gefördert. Eine weitere Folge davon ist die vermehrte Bildung von Lactat aus Pyruvat: Pyruvat + NADH + H → Lactat + NAD + + Das gebildete Lactat hemmt seinerseits in der Niere einen Säurecarrier und bewirkt dadurch eine verminderte Harnsäureausscheidung über den Urin und Gicht. Unter Gicht versteht man eine Harnsäureablagerung meist in Form von Natriumsalzen in den Gelenken, den Schleimbeuteln, den Sehnenscheiden und dem Nierenmark. Diese chronische Erkrankung ist begleitet von Entzündungsschüben und Schmerzen vor allem in den Gelenken. Ein weiteres Organ, das durch Alkohol geschädigt wird, ist die Bauchspeicheldrüse, auch Pankreas genannt. Das Pankreas ist zuständig für die Produktion der Hormone Insulin und Glucagon und die Produktion der Verdauungsenzyme. Eine akute Pankreatitis (Erkrankung des Pankreas) kann neben einem zu hohen Alkoholkonsum (30 %) auch andere Ursachen haben. Hingegen hat eine chronische Pankreatitis als Hauptgrund einen Alkoholmissbrauch (60 - 80 %). Im akuten Fall liegt eine Selbstverdauung des Organs vor. Die Rolle des Alkohols ist dabei noch unklar. Fest steht, dass das Verdauungsenzym Trypsin aktiviert wird, das seinerseits über drei verschiedene Wege • eine Zerstörung von Membranen und Zellen, • Gewebsblutungen, • Ödembildung, • Schmerzen, • Blutdruckabfall und Kreislaufkollaps bewirkt. Bei der chronischen Pankreatitis findet man eine erhöhte Proteinkonzentration im Pankreassekret. 2+ Darin eingebettet sind Ca -Ionen. Dies führt zu einer Verkalkung und somit zu einer Aktivierung der Pankreasenzyme, also wieder einer Selbstverdauung führt. Daraus ergibt sich ein Umbau des Pankreas zu vermehrtem Bindegewebe und so zur verminderten Produktion von Verdauungsenzymen. Vor allem die Fettverdauung ist stark gestört, erkennbar an einem breiigen, stark fetthaltigen Stuhl. Ein weiterer Effekt von Alkohol ist die Hemmung der Gluconeogenese und einen darauf zurückzuführenden tiefen Blutzuckerspiegel. Ein rascher Blutzuckerabfall äussert sich in • Unruhe, • Angstgefühl, • Übelkeit, 208 MODUL IV: Volksdrogen & Sport • Zittern, • Schwitzen, • Kopfschmerzen, • Gereiztheit. Alkohol Bei langsamem Abfall stehen Verwirrtheit, Sprach- und Sehstörungen im Vordergrund. Wer kennt sie nicht, die viel gepriesene wärmende Wirkung des Alkohols? Doch dieses subjektive Wärmegefühl kann schnell zu einer Unterkühlung führen. Alkohol veranlasst im Körper die Ausschüttung des Hormons Serotonin. Dieses Hormon hat zur Folge, dass sich die Adern der Skelettmuskulatur und der Haut ausweiten. Dadurch kommt sehr schnell warmes Blut in die Extremitäten und bewirkt das erwähnte Wärmegefühl. Dieses Blut kühlt sich aber schneller ab, da durch die Ausweitung der Gefässe eine grössere Oberfläche entstanden ist. Ohne Gegenmassnahme kommt es zu einer Unterkühlung. Alkohol beeinflusst auch die Sexualhormone. Dies führt beim Mann zur Ausbildung einer Brust und einer typisch weibliche Schambehaarung, bei der Frau hingegen zu schütterem Haar und einer rauhen männlichen Stimme. Weiter wird bei Alkoholikern aufgrund einer Fehlernährung, aber auch einer verminderten Aufnahmefähigkeit, häufig ein Folsäuremangel festgestellt. Abbildung1.2. Gestörte Folatresorption bei aktiv trinkenden Alkoholikern. Diese gestörte Resorption ist auf eine direkte Schädigung des Darmepithels durch Alkohol zurückzuführen. (http://www.ikp.unibe.ch/lab2/Pp/etoh/sld028.htm) Folsäure ist ein wasserlösliches Vitamin, das Methylgruppen überträgt. Besonders wichtig ist dies beim Aufbau von Nucleotiden, den Bausteinen der DNA. Ein Mangel zeichnet sich deshalb auch schnell im Blutbild ab. Die blutbildenden Zellen im Rückenmark haben im Vergleich zu anderen Zellen eine besonders hohe Teilungsrate. Fehlt ihnen die DNA, vermindert sich auch die Teilungsrate der Zellen, und es hat weniger rote Blutkörperchen im Blut. Symptome sind: • Müdigkeit, 209 MODUL IV: Volksdrogen & Sport Alkohol • Depression, • Blässe, vor allem an den Innenseiten der Lippen und Augenlider, sowie am Zahnfleisch, • Atemnot, • Herzklopfen. Bei länger dauerndem Mangel werden aber auch andere Zellstoffwechsel gestört, da auch die Lipidund Aminosäuresynthese von der Folsäure abhängen. Aufgabe 1.3 Fassen Sie in Stichworten die Auswirkungen des Alkohols auf den Körper zusammen Aber auch der Acetaldehyd, das Zwischenprodukt beim Alkoholabbau, hat neben seinen toxischen Wirkungen auf Organe des Körpers auch Auswirkungen auf das Gehirn. Mit Proteinen (Tryptamin) oder Aminen (Dopamin) kann Acetaldehyd eine Addition eingehen, woraus halluzinogene Stoffe entstehen. Die Wirkungsweise ist jedoch noch weitgehend unbekannt. 1.4 Auswirkungen auf das Gehirn Im Hypophysenhinterlappen befindet sich das im Hypothalamus gebildete Hormon Vasopressin, auch Adiuretin genannt. Seine zwei Namen sind auf zwei unterschiedliche Wirkungen des Vasopressin zurückzuführen. Einerseits bewirkt es eine Kontraktion sämtlicher glatter Muskeln. Dies führt zu • einer Erhöhung des Blutdrucks, • einer Steigerung der Darmperistaltik und einer • Verstärkung der Spannung in den Galle- und Harnwegen. Andererseits fördert Vasopressin die Reabsorption von Wasser in den Nieren und wirkt so 6 antidiuretisch . Alkohol hemmt die Ausschüttung dieses Hormons. Dies führt zu einem erhöhten Harndrang und zu einer Absenkung des Blutdrucks. Damit werden aber auch vermehrt Kalium-, Magnesium-, und Natrium-Ionen ausgeschwemmt. Dieser Mangel an Elektrolyten wiederum beeinflusst die Aktivität der Nervenzellen im Gehirn. Eine anfängliche Unbeschwertheit kann tags darauf zu ermatteten Gliedern und vernebeltem Denken führen. Auch die Entwässerung des Körpers kann am nächsten Tag zu Kopfschmerzen führen. Theorien zum „Brummschädel“ am Morgen danach gibt es aber noch weitere, keine ist aber zu 100 % verantwortlich dafür. Wahrscheinlich ist es eine Kombination der unterschiedlichen Wirkungen alkoholischer Getränke, die zum „Kater“ führen. Neben der Entwässerung wird auch die auf die Blutgefässe erweiternde Wirkung durch das Hormon Serotonin diskutiert. Eine dritte Möglichkeit könnte das in einigen alkoholischen Getränken, vor allem aber in billigem Rotwein, Fruchtlikören und Whisky vorkommende Methanol sein. Methanol wird wie Ethanol über den Aldehyd zur Säure oxidiert. Der erste Schritt zum Methanal (Formaldehyd) verläuft jedoch etwa 10 Mal langsamer als derjenige des Ethanols. Es konnte gezeigt werden, dass die 210 MODUL IV: Volksdrogen & Sport schlimmsten Alkohol Katersymptome zeitlich mit der höchsten Methanalkonzentration im Blut zusammenfallen. Eine gefährliche Abhilfe kann das Konsumieren von Ethanol sein, da die Alkoholdehydrogenase eine viel höhere Affinität zum Ethanol als zum Methanol hat. Dies bewirkt, dass die Methanalkonzentration im Blut wieder sinkt. Durch die erneute Konsumation von alkoholischen Getränken kann somit der „Kater“ zwar vermindert werden, es besteht jedoch die Gefahr, so in eine Abhängigkeit zu geraten. Eine weitere, wohl am besten erhärtete Ursache für die Kopfschmerzen, liegt in der Acetaldehydkonzentration im Blut. Zwei Tatsachen sprechen für diese These. Einerseits besitzt jede zweite japanische Person einen natürliche Gendefekt, der den Abbau vom Acetaldehyd zur Essigsäure unterbindet. Diese Personen haben schon nach kleinen Mengen Alkohol sehr starke Kopfschmerzen, ähnlich wie Disulfiram-Patienten. Disulfiram ist der Wirkstoff, der im Antabus ® vorkommt. Antabus wurde früher bei Alkoholikern eingesetzt, um ihre Sucht zu therapieren. S C2H5 N C C2H5 S S S C N C2H5 C2H5 Abbildung 1.3. Der im Antabus vorkommende Wirkstoff Disulfiram Disulfiram hemmt die Aldehyddehydrogenase, was beim Patienten sehr starke Kopfschmerzen, aber auch Schwindel, Brechreiz, Angstgefühl, Herzklopfen und Blutdruckabfall zur Folge hat. Nicht alle Symptome sind auf die entstandene Menge an Acetaldehyd zurückzuführen, weshalb ein Reaktionsnebenprodukt angenommen wird. Disulfiram verwendet man wegen diesen starken Wirkungen nur bei Patienten, die bereit und fähig für eine Zusammenarbeit mit dem Arzt oder der Ärztin sind. Ein Kater nach übermässigem Alkoholkonsum hat nicht eine Ursache, sondern ist bedingt durch viele Einflüsse, die Alkohol und der Acetaldehyd auf unseren Körper haben. Neben diesen meist nicht erwünschten Wirkungen des Alkohols auf das Gehirn führt er aber auch zu einer von der trinkenden Person erwünschten Berauschung und in einem ersten Stadium auch zu Euphorie. Gründe für diesen Zustand und Mechanismen, wie Ethanol auf das Gehirn wirkt, war lange unklar und wird erst jetzt langsam verstanden. Bis in die achtziger Jahre wusste man lediglich, dass Ethanol das limbischen System des Gehirns beeinflusst, da während eines Rausches der Übergang vom Kurzzeitgedächtnis zum Langzeitgedächtnis blockiert ist. Dies bedeutet für die betroffene Person, dass sie sich nicht mehr an die Geschehnisse während des Rausches erinnern konnte. In den neunziger Jahren machte man in dieser Beziehung jedoch grosse Fortschritte. Heute hat man Hinweise, an welchen Stellen Ethanol einwirkt. Die Interaktionen sind jedoch noch nicht bekannt. 6 ausführlicher im Modul II behandelt 211 MODUL IV: Volksdrogen & Sport Alkohol Verschaffen Sie sich einen Überblick über die Transmittersysteme im Gehirn. Die Tabelle dazu finden Sie im Exkurs des Modul III. 1.4.1 Die Neurotransmitter GABA und Glutamat Die wohl wichtigste Rolle bezüglich der Ethanolwirkung spielen die Rezeptoren für GABA und Glutamat. GABA (Gamma-Aminobutteracid) ist der wichtigste Neurotransmitter bei hemmenden Neuronen im ZNS, während Glutamat der wichtigste Neurotransmitter für erregende Neuronen im ZNS ist. Während Ethanol die Wirkung von GABA verstärkt, wird diejenige von Glutamat verringert. Durch diese zwei Wirkungen können die beruhigende bis betäubende Wirkung des Alkohols, die Bewegungsstörungen und die beängstigende Wirkung erklärt werden. Doch was ist genau über die Wirkungsweisen an diesen Rezeptoren bekannt? 1.4.2 Der GABA-Rezeptor 1+ &+ &+ &+ &22 Abbildung 1.4. GABA; das erste Kohlenstoffatom nach der funktionellen Gruppe wird in der organischen Chemie als α bezeichnet, danach wird mit dem griechischen Alphabet weiter buchstabiert. Wichtig für die Wirkung des Ethanols am GABA-Rezeptor sind die sogenannten Neurosteroide. Neurosteroide leiten sich wie auch die Steroidhormone vom Cholesterin ab. Ihre Bezeichnung erhielten sie bereits 1981, als bekannt wurde, dass das Gehirn seine eigenen Steroide synthetisieren kann. In der Zwischenzeit wird der Begriff auch für neuroaktive (an Neuronen aktive) Steroide, die nicht im ZNS gebildet werden, verwendet. Seit 2000 ist auch bekannt, dass diese Moleküle von Neuronen und Glia-Zellen gebildet werden. Anders als die Steroide mit einer hormonellen Aufgabe 7 wirken Neurosteroide nicht an der DNA, sondern an einem Rezeptor auf einem Neuron. Am besten bekannt ist die Interaktion mit dem GABAA-Rezeptor. Der Buchstabe A beim GABA-Rezeptor bezeichnet einen Untertyp des Rezeptors. Der GABAA-Rezeptor ist ein Chloridionenkanal, der sich bei seiner Aktivierung durch GABA öffnet. Positiv geladene Ionen stimulieren das postsynaptische 8 Neuron, negativ geladene Ionen haben einen hemmenden Effekt auf das postsynaptische Neuron . Neurosteroide binden nun allosterisch an den Rezeptor und erhöhen dessen Affinität für den Liganden GABA. Gewisse Neurosteroide haben eine 20-fach stärkere Wirkung als Benzodiazepine und eine 7 vgl. Modul I 212 MODUL IV: Volksdrogen & Sport Alkohol 200-fach stärkere Wirkung als Barbiturate. Benzodiazepine sind Psychopharmaka zur Beruhigung der Patienten, Barbiturate dienen als Narkosemittel. 2+ 21 +2 5 3 + 2 Cl- Bindungsstelle für ein Neurosteroid Bindungsstelle für GABA Chloridionenkanal im postsynaptischen Neuron Abbildung 1.5. Das Neurosteroid 3α,21-Dihydroxy-5α-pregnan-20-on (oben links) bindet allosterisch am postsynaptischen Neuron und bewirkt dadurch, dass die Affinität des Rezeptors für GABA erhöht wird. Es gibt nun Hinweise, dass die Synthese vor allem zweier dieser Neurosteroide (vgl. Abb. 1.5; dem zweiten Neurosteroid fehlt die Hydroxygruppe am C-21) durch Ethanol stimuliert wird. Folgende Experimente führen zu dieser Vermutung: • Die Ethanolwirkung wird durch Medikamente, die den GABAA-Rezeptor besetzen, unterdrückt. • An gewissen Stellen veränderte GABAA-Rezeptoren verhinderten die Ethanolwirkung auf den Körper. • Die durch Ethanol induzierte Synthese von einem dieser Neurosteroide war zeitgleich mit den symptomatischen Wirkungen des Ethanols auf den Organismus. • Das Lernverhalten von Ratten ist genau gleich vermindert, ob man ihnen Ethanol oder eines dieser Neurosteroide verabreicht. • Entzugserscheinungen bei Alkoholikern wie beklemmende Gefühle und Anfälle können durch Neurosteroide vermindert werden. • Stoffe, die eine Synthese der Steroide verhindern, bewirken, dass Ethanol keine Wirkung auf den Körper hat. 8 vgl. Exkurs Modul III 213 MODUL IV: Volksdrogen & Sport Alkohol Alkohol beeinflusst den GABA-Rezeptor indirekt, indem er die Synthese von Neurosteroiden positiv beeinflusst. 1.4.3 Der Glutamat-Rezeptor Auch bei diesen Rezeptoren gibt es Untertypen. In Bezug auf die Ethanolwirkung ist der NMDA-Rezeptor von Interesse. NMDA steht für das synthetische Molekül N-methyl-D-aspartat, das diesen Rezeptor auch stimulieren kann. Dieser Rezeptor ist wie der GABA-Rezeptor ein Ionenkanal, +1 & 22 &+ & + bewirkt aber eine Stimulation des nächsten Neurons. Ethanol verhindert nun, &+ dass dieser Rezeptor aktiviert wird. Dadurch werden die Symptome, wie sie im &22 vorhergehenden Kapitel beschrieben wurden, verstärkt. Bei vermehrten Alkoholgaben reagiert das Gehirn mit der Synthese von neuen GlutamatRezeptoren. Der Mechanismus ist also derselbe wie bei den Opiaten. Abbildung1.6. Die Aminosäure Glutamat hat auch die Funktion eines Neurotransmitters Schlagen Sie im Biologie heute S II auf den Seiten 332 und 333 nach und informieren Sie sich, wie eine Sucht entstehen kann. Beachten Sie, dass im Buch von einem anderen Rezeptor die Rede ist. Fehlt dem Gehirn der Ethanol, kommt es durch eine Überstimulation dieser Gehirnregionen zu den Entzugssymptomen wie: • Unruhe • Zittern • Übelkeit • Erbrechen • Schlaflosigkeit • Unruhe • Nervosität • Übererregbarkeit • Angst • Schreckhaftigkeit • Panikattacken 214 MODUL IV: Volksdrogen & Sport • Alkohol depressive Verstimmungen Im schlimmsten Fall kommt es zum sogenannten „Delirium tremens“, das sich zusätzlich durch Halluzinationen, Muskelzuckungen und Krämpfen bis hin zum Koma äussert. Für die Krämpfe werden die vielen neu gebildeten Glutamatrezeptoren verantwortlich gemacht, die Halluzinationen jedoch werden durch die neuen Dopamin-Rezeptoren verursacht (siehe unten). Nicht alle Symptome des Ethanols sind auf diese zwei Rezeptoren zurückzuführen. Dies zeigt, dass Ethanol nicht wie die meisten anderen Drogen nur an einem Rezeptorsystem wirkt, sondern neben den beiden bereits behandelten Rezeptoren auch noch andere Neurone beeinflusst. 1.4.4 Weitere Transmittersysteme Zwar sind die bereits behandelten Rezeptoren hauptsächlich an den direkten Folgen der Ethanolwirkung beteiligt. Andere Neurotransmitter, die auf irgendeine Weise von Ethanol beeinflusst werden, sind jedoch weiter von Interesse: Dopamin, Serotonin und die Enkephaline. Dopamin wird verantwortlich gemacht für ein erhöhtes Glücksgefühl, das sich bei Alkoholkonsum einstellen kann. Dadurch wird der Drang zu vermehrtem Alkoholkonsum erhöht, was zu einer psychischen Abhängigkeit führt, die anschliessend in eine physische Abhängigkeit mündet. Serotonin wird in Verbindung mit Aggressivität gesetzt. Ethanol hemmt die Ausschüttung oder Synthese von Serotonin. Eine reduzierte Serotoninausschüttung im Gehirn bewirkt ein zunehmend aggressives Verhalten der betroffenen Person gegenüber ihrer Umwelt. Serotonin kann im Gehirn ein Neurotransmitter sein, aber es wirkt an anderen Stellen des Körpers auch als Hormon! Enkephaline besetzen die sogenannten Opioidrezeptoren im Gehirn. Dadurch wird ein betäubendes angenehmes Gefühl wahrgenommen. Alkohol verstärkt die Freisetzung solcher Enkephaline. Auch dies kann zur psychischen Abhängigkeit führen. Alkohol beeinflusst mehrere Rezptorsysteme im menschlichen Gehirn. 215 MODUL IV: Volksdrogen & Sport Alkohol 1.5 Langzeitwirkungen Über die längerfristigen Auswirkungen des Alkohols auf den menschlichen Körper wurden bereits viele Studien gemacht. Lesen Sie „Alkohol: Das unterschätzte Gift“ im Spektrum der Wissenschaft April/2001 Seite 58 - 67. Aber auch positive Erfahrungen werden im Zusammenhang mit häufigem Konsum von alkoholischen Getränken beschrieben. Ein Beispiel dazu ist das 1992 erstmals erwähnte „French Paradoxon“. Lesen Sie dazu den Text unter http://www.alexanderstoff.de/Deutsch/1/gesund_mit_rotwein 1.htm Unter den Polyphenolen ist vor allem das Resveratrol Gegenstand intensiver Untersuchungen, da man bei ihm den Hauptverursacher des French Paradoxon vermutet. HO O OH HO OH OH 216 Abbildung 1.7. Lewis-Formel des Resveratrol-trans-Dehydrodimers MODUL IV: Volksdrogen & Sport Alkohol 1.6 Alkohol und Sport Lesen Sie das Faltblatt „Alkohol und Sport“ herausgegeben von Laola und dem BASPO Wer kennt sie nicht, die Bilder in den Tageszeitungen von einem Sieg einer Fussball- Hockey- oder Handballmannschaft. Dabei wird ausgiebig gefeiert, und die „Helden der Nation“ werden mit Champagner-Flaschen in der Hand und Zigarren im Mund abgelichtet. Statt die sportliche Leistung mit den entsprechenden Bildern in den Mittelpunkt zu setzen, wird von den Medien nur allzu gern das ausgiebige Fest danach ins Zentrum gerückt. So erstaunt nicht, dass die meisten Jugendlichen vor allem in Sportvereinen zum ersten Mal mit ausgiebigem Alkoholkonsum in Kontakt kommen, wie eine Langzeitstudie der SFA (schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme) 2001 zeigte. Junge Männer, die mit 16 in einer Mannschaftssportart Sport trieben, konsumierten drei Jahre später mehr Suchtmittel als ihre Kollegen, welche damals weniger sportlich aktiv waren. Beim Betrachten einzelner Sportarten zeigen sich klar bestimmte Zusammenhänge zwischen Sport und Drogenkonsum. Dies allerdings in beiden Richtungen. So geht mit „sanfteren“, risikoärmeren Sportarten (ohne körperlich-aggressive Kontakte) wie Badminton oder Volleyball ein geringerer Konsum von Alkohol, Tabak und illegalen Drogen einher. Hingegen kommt es etwa beim typischen Körpersport Fussball zu wesentlich höherem Cannabiskonsum (37%), immer im Vergleich mit dem nicht Sport treibenden Teil der Bevölkerung. Solche Mannschaftssportarten übernehmen eine soziale Funktion. Entsprechend wird in der „3. Halbzeit“ der Sieg gefeiert oder die Niederlage verdaut, indem man gemeinsam raucht, trinkt und sich einen Joint dreht. Dopingfälle mit Alkohol sind wenige bekannt. Als Beispiel sei hier lediglich die dreifache irische Schwimmolympiasiegerin Michelle Smith-De Bruin erwähnt. Im Januar 1998 musste sie ohne Vorwarnung während eines Trainings an eine Dopingkontrolle antreten. In ihrer Urinprobe wurde eine Alkoholkonzentration gefunden, die unter normalen Umständen tödlich wäre. Dieser hohe Alkoholgehalt ist normalerweise ein Zeichen von Manipulation. Durch das Beifügen von Alkohol zum Urin kann das Vorhandensein von Dopingmitteln kaschiert werden. "Der Weinstock trägt drei Trauben: die erste bringt die Sinneslust, die zweite den Rausch, die dritte das Verbrechen." (Epiklet, 60-140 n. Chr.) "...und der Trunk ist ein grosser Beförderer von drei Dingen: rote Nasen, Schlaf und Urin. Buhlerei befördert und dämpft er zugleich: er fördert das Verlangen und schwächt das Tun." (Shakespeare, Macbeth) 217 MODUL IV: Volksdrogen & Sport Alkohol LERNKONTROLLE KAPITEL 1 Aufgabe 1.4 Zu technischen Zwecken wird Alkohol synthetisch hergestellt. Dazu wird Ethen bei hohem Druck (250 hPa) und hoher Temperatur direkt katalytisch hydratisiert, oder über eine indirekte katalytische Hydratisierung mit Schwefelsäure und anschliessender Hydrolyse des erhaltenen Esters synthetisiert. Stellen sie die Reaktionsgleichungen der Alkoholsynthesen auf und geben Sie die Lewis-Formeln der daran beteiligten Teilchen. Aufgabe 1.5 In geringen Mengen (0,2 Liter Bier, 0,1 Liter Wein) wirkt Alkohol anregend, bei höherer Dosierung wirkt er dämpfend auf das Zentralnervensystem. Die erheiternde Wirkung ist auf einen Abbau der Hemmungen zurückzuführen. Auf welche Transmittersysteme wird bei der dämpfenden Wirkung Einfluss genommen (Begründung)? Aufgabe 1.6 40 bis 60 Gramm Alkohol täglich bewirken beim Mann schon eine deutliche Leberschädigung, bei der Frau reichen bereits 20 Gramm. Bei täglich 70 Gramm kommt es beim Mann zu einer Verdoppelung, bei der Frau sogar zu einer Verhundertfachung der Leberzirrhose-Häufigkeit! Berechnen Sie, welche Mengen Bier, Wein und Schnaps 20 g resp. 70 g Alkohol pro Tag entsprechen. Nehmen Sie jeweils eine Dichte von 1 kg/L und folgende Alkoholgehalte an: Bier: 5 Vol-% Wein: 12 Vol-% Schnaps: 40 Vol-% Aufgabe 1.7 Bei plötzlichem Absetzen des Alkohols (z.B. nach einem Unfall in der Klinik) kann es nach 1 3 Tagen zu einer dramatischen Fehlschaltung im Gehirn kommen. Das Delirium tremens ist somit eine besonders schwere Form von Entzugserscheinungen. Merkmale Halluzinationen ("weisse Mäuse", Einbildung von Stimmen), Unruhe, d.h. sind: aufgeregt, orientierungslos, "nestelnde Bewegungen", Gefahr von Kreislaufkollaps. Etwa 20 % der Delirien verlaufen tödlich. Wie erklären Sie sich das Delirium tremens? Aufgabe 1.8 Mit Hilfe des NMR9 kann Alkohol im Gehirn nachgewiesen werden. Bereits nach 12 Minuten misst man eine Erhöhung der Alkoholkonzentration, die nach 40 bis 45 Minuten ihr Maximum erreicht. Danach sinkt sie langsam wieder ab. Was passiert während den einzelnen Zeitabschnitten im Körper? 9 nuclear magnetic resonance; eine in der Chemie und Medizin oft angewendete Methode, die den Spinumkehr von Elektronen im Wasserstoff-Atom bei unterschiedlichen Magnetfeldern ausnutzt. 218 MODUL IV: Volksdrogen & Sport Alkohol Aufgabe 1.9 Werden alkoholische Getränke zu Hause gebraut, muss man Früchte in luftdicht abschliessbaren Plastiktonnen vergären. Dabei wird ein Loch in die Tonne gebohrt, in das man einen Schlauch steckt, der draussen in ein Wasserbad taucht. Während der ganzen Gärung lässt man die „Apparatur“ so stehen. Erklären Sie den Aufbau aus der Sicht eines Biochemikers oder einer Biochemikerin. Aufgabe 1.10 Ethylenglykol (HO-CH2-CH2-OH) verwendet man in Kosmetika und Frostschutzmitteln. Die selbst ungiftige Substanz wird über den Glykolaldehyd (HO-CH2-CHO), die Glykolsäure (HOCH2-COOH) und die Glyoxylsäure (OHC-COOH) zur Oxalsäure10 (HOOC-COOH) oxidiert. Eine zu hohe Konzentration von Oxalsäure führt unweigerlich zum Tod. Wie könnte man eine Oxalsäurevergiftung verhindern, wenn man weiss, dass die betroffene Person zu viel Ethylenglykol geschluckt hat? Aufgabe 1.11 Weshalb muss bei Alkoholikern besonders aufgepasst werden, wenn eine Operation ansteht? 10 lat.: Oxalis: Sauerklee. Klee wie auch Rhabarber enthalten besonders hohe Konzentrationen an Calciumoxalatkristallen. Auch Nierensteine bestehen meistens aus diesen Kristallen. 219 2 CANNABIS Inhalt 2 CANNABIS 220 2.1 Die Pflanze 221 2.2 Geschichte 222 2.3 Chemismus 224 2.4 Biochemie 231 2.4.1. Die Cannabinoidrezeptoren 231 2.4.2. Die Liganden 232 2.4.3 Direkte Wirkungen von THC im Körper 234 2.5 Medizinische Anwendung 235 2.6 Cannabis im Sport 236 LERNKONTROLLE KAPITEL 2 Lernziele 1. Sie wissen, was ein Cannabinoid ist. 2. Sie wissen, wie und wo THC und endogene Cannabinoide im Körper angreifen. 3. Sie kennen die therapeutischen Möglichkeiten von THC. 238 MODUL IV: Volksdrogen & Sport Cannabis 2.1 Die Pflanze Cannabis (Hanf) gehört neben der Gattung Humulus (Hopfen) zur Familie der Cannabinaceae (Hanfgewächse). Systematisch wird die Hanfpflanze also wie folgt aufgeteilt: Familie: Cannabinaceae Gattung: Cannabis Art: sativa LINNE Obschon Uneinigkeit herrscht in Bezug auf die Art, scheint sich diese Bezeichnung durchzusetzen. In einigen Literaturstellen wird noch zwischen drei Arten unterschieden: C. sativa, C. indica und C. ruderalis. Diese Unterschiede sind jedoch höchst wahrscheinlich auf unterschiedliche Anbaumethoden, Züchtungen und Einfluss von Wildbeständen zurückzuführen. Im Volksmund werden für Hanf und seine Produkte auch andere Namen verwendet. Die gebräuchlichsten sind: Gras: amerikanischer Slang für Marihuana. Haschisch: das (meist gepresste) Harz der weiblichen Hanfpflanze (zum einen vom Wort hasisi, arab.: Heu, Gras abgeleitet, zum andern mit der Sekte der Haschaschinen in Verbindung gebracht). Marihuana: tabakähnliches Gemisch aus den Blüten und Blätterspitzen der weiblichen Hanfpflanze (abgeleitet von dem Kosenamen Mary Jane beziehungsweise spanisch Maria Juana). Joint: Zigarette, die Hanfprodukte enthält. Haschischöl: hochkonzentrierte Haschisch-Lösung, die ungefähr zehnmal so viel THC enthält wie normales Haschisch in Plattenform und somit bis zu hundertmal stärker angereichert ist als Marihuana. Kif: tabakartige Mischung aus Blüten und Blättern der weiblichen Hanfpflanze; davon abgeleitet kiffen = Cannabis rauchen. Shit: (wörtlich: Scheisse) Slang für Haschisch. Die Hanfpflanze wird im Durchschnitt 2 m hoch, Exemplare bis 8 m wurden aber auch schon beschrieben. Betrachten Sie unter http://www.dhm.de/museen/hanf/hemp0600.htm http://www.dhm.de/museen/hanf/hemp0610.htm http://www.dhm.de/museen/hanf/hemp0620.htm http://www.dhm.de/museen/hanf/hemp0630.htm http://www.dhm.de/museen/hanf/hemp0640.htm die Bilder der Hanfpflanzen 221 MODUL IV: Volksdrogen & Sport Cannabis 2.2 Geschichte Hanf erscheint in den Quellenüberlieferungen als weltweit eine der ältesten und am häufigsten angebauten Nutzpflanze. Der Einsatz von Hanfprodukten in der Textil-, Seil- und Papierherstellung machte diese Nutzpflanze zu einem äussersts umweltverträglichen Rohstofflieferanten. Im 17. und 18. Jahrhundert war der Anbau von Hanf in Amerika sogar staatlich verordnet. Aber auch als Öllieferant zu Nahrungsmittel- oder Heilmittelzwecken wurde Hanf geschätzt. Sowohl in religiösen Kreisen als auch im Alltag schätzte man Ihre bewusstseinsverändernde Wirkung. In China verarbeitete man Hanf vor 6000 Jahren zu Nahrung, Kleidung, Fischnetzen, Öl und Medikamenten. Im 1. Jahrhundert vor Christus begann man dort mit der Papierherstellung aus Hanf, in Europa erst im Jahr 1200 n. Chr. Am Ende des 19. Jahrhunderts bestanden drei Viertel des in der Welt hergestellten Papiers aus Hanf. So ist zum Beispiel die heute noch gültige amerikanische Verfassung auf Hanfpapier geschrieben. Bereits im Jahr 800 wurde von Karl dem Grossen (768 - 814) das erste Hanfgesetz in Kraft gesetzt, in dem er den Anbau von Hanf verordnete. Im 19. Jahrhundert verdrängte in der Textilindustrie zunehmend die Baumwolle den Hanf. In Europa ersetzte Getreidebau und Futterwirtschaft die Hanfproduktion. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde Hanf in der Schweiz nur noch für die Selbstversorgung angebaut. In verschiedenen Texten des 19. aber auch des beginnenden 20. Jahrhunderts beklagte man den sinkende Anbau von Hanf und versuchte ihn mit fehlendem Fleiss der Bevölkerung zu erklären. In der Medizin wurde Cannabis als Heilmittel stark geschätzt. So findet man bereits in Kräuterbüchern aus dem 16. Jahrhundert Cannabis als Heilmittel, aber auch in Indien ist es seit 1400 v. Chr. als Heilmittel dokumentiert. Cannabis war bis ins 20. Jahrhundert das beliebteste Schmerzmittel, bekam aber ab 1898 Konkurrenz vom Aspirin. Zwischen 1850 und 1950 waren in Europa bis zu 100 Medikamente mit Cannabis erhältlich. Cannabis wurde über Jahrhunderte als Heil- und Nutzpflanze geschätzt. Nach dem ersten Weltkrieg setzte jedoch eine Kampagne gegen den Hanf ein. Zu dieser Zeit waren die technischen Möglichkeiten zu einer rationellen und kapitalintensiven Bewirtschaftung des Hanfs gegeben, und dieser ökologische Rohstoff wurde wieder interessanter. Dies zum Unmut der Papierholzindustrie und der Petrochemie, welche ähnliche Produkte auf den Markt brachten. Zusammen mit religiösen Gruppierungen gelang es der Industrie, dass Hanf zunehmend unter Druck geriet und kriminalisiert wurde, obwohl dies wissenschaftlich unhaltbar war. 1929 wurde in Deutschland der Handel und Konsum von indischem Hanf und seinem Harz unter Strafe gestellt. 1933 1 hob Roosevelt in Amerika das Alkoholverbot auf . Während des Verbots wurde ein riesiger Apparat zu dessen Einhaltung aufgebaut. Da ihm nun sein Objekt, der Alkohol, entzogen wurde, trat eine enorme Forcierung der Cannabisbekämpfung ein, die sich über die ganze Welt zog. 1937 leitete man in den USA mit dem Marihuana Tax-Act ein Kesseltreiben sondergleichen gegen den Hanf ein. 1 Während 13 Jahren galt in Amerika ein totales Alkoholverbot (vgl. Modul IV, Kapitel 1). 222 MODUL IV: Volksdrogen & Sport Cannabis Nach dem zweiten Weltkrieg setzte weltweit in allen Gebieten ein grosser Fortschritt ein. Als Tugenden galten Karriere, Normalität, Kompromisse eingehen, Konsum und ein Rückzug in die Familie. Der Schein nach aussen musste bewahrt bleiben. Hinter diesem Glitzervorhang gab es aber verbreitet grosse Langeweile. Die Jugend der 60er Jahre ging auf Distanz zu diesen Tugenden. Für die Jugend war die ganze Gesellschaft „drogenabhängig“: Spiessbürgertum und Workaholics mit einer riesigen Konsumwut. Aus diesem Grund begann 1964 der Cannabiskonsum in Amerika stark anzusteigen, um 1967 im „summer of love“ einen Höhepunkt zu erreichen. Die Hippiebewegung verstand sich als Protest gegen die herrschenden Gesellschaftsnormen. Der Zusammenhalt wurde gross geschrieben. Der Joint heisst nicht vergebens „joint“. Im Verlaufe der 70er Jahre wurde der „Flower-power“ kommerzialisiert, und mit Nixon’s „War on Drug“ wurden Drogen zu Amerikas Feind Nr. 1 erklärt, wobei nicht zwischen Cannabis und anderen psychoaktiven Substanzen unterschieden wurde. Diese Politik wurde fast weltweit übernommen. Zwischen 1970 und 1990 konsumierten in der Schweiz ca. 20 % der 15- bis 39-jährigen mindestens ein Mal pro Woche Hanfprodukte. Während der 80er Jahre wurde die Bekämpfung der Cannabiskonsumenten in der Schweiz noch einmal forciert, während das Waschen von Geldern, das aus kriminellen Aktivitäten stammte noch bis 1990 straffrei blieb. Auch in den darauffolgenden Jahren war in dieser Beziehung eine effiziente Rechtshilfe nicht gewährleistet. In der heutigen Politik gibt es Tendenzen zu einem liberaleren Ansatz, der der Utopie einer „drogenfreien Gesellschaft“ realistischer gegenübersteht, gerade da Cannabis im Vergleich zu Tabak und Alkohol besser abschneidet. Es gilt vor allem als weniger risikoreich, hauptsächlich in Bezug auf Aggressivität und gesundheitliche Auswirkungen. Trotzdem bestehen in einigen Ländern immer noch hohe Strafen für den Besitz von kleinen Mengen Cannabis. In Griechenland muss man beim Besitz von kleinen Mengen Cannabis mit 18 Monaten Gefängnis, im Libanon mit 3-15 Jahre und auf den Philippinen, Malaysia und Singapur sogar mit der Todesstrafe rechnen. Trotzdem wird aber auch in der Industrie wieder zunehmend auf nachwachsende Rohstoffe gesetzt. So werden die CO2-neutralen Naturfasern als Werkstoffe des 21. Jahrhunderts gepriesen. Daimler Chrysler entdeckte den Hanf, aber auch Flachs neu für den Ersatz der Glasfasern im Aussenbereich ihrer 2 Fahrzeuge. Bereits vor 60 Jahren präsentierte Henry Ford ein Auto bestehend aus Hanf, Sisal , Holzfasern und Weizenstroh, dessen Karosserie leichter als Stahl war und 10 Mal so viel aushalten konnte ohne zu verbeulen. Der Treibstoff war Hanföl. Leider gelang diesem Auto aus politischen Gründen nie der Durchbruch. In der Zwischenzeit sind auch Bestrebungen im Gang, mit Hilfe der Gentechnologie THC-freien Hanf zu konstruieren. Amerikas „War on Drug“ bewirkte eine wissenschaftlich unhaltbare weltweite Verteufelung des Cannabis. 2 Bezeichnung für die aus den Blättern der Agave sisalana gewonnenen Hartfasern. Der Name führt zurück auf den ersten Ausfuhrhafen für diese Fasern, den Hafen Sisal auf der Halbinsel Yucatán. 223 MODUL IV: Volksdrogen & Sport Cannabis 2.3 Chemismus Aus der Gruppe der Cannabinoiden sind 61 Strukturen bekannt, die in 12 Hauptgruppen unterteilt werden: 2+ 5 52 5 Cannabigerol-Typ R1 R2 R3 Cannabigerolsäure COOH C5H11 H Cannabigerolsäure monomethylether COOH C5H11 CH3 Cannabigerol H C5H11 H Cannabigerol monomethylether H C5H11 CH3 COOH C3H7 H H C3H7 H Cannabigerovarinsäure Cannabigerovarin 224 MODUL IV: Volksdrogen & Sport Cannabis 2+ 5 2 5 Cannabichromen-Typ R1 R2 Cannabichromensäure COOH C5H11 H C5H11 COOH C3H7 H C3H7 Cannabichromen Cannabichromevarinsäure Cannabichromevarin 2+ 5 52 Cannabidiol-Typ 5 R1 R2 R3 COOH C5H11 H Cannabidiol H C5H11 H Cannabidiol monomethylether H C5H11 CH3 Cannabidiol-C4 H C4H9 H COOH C3H7 H Cannabidivarin H C3H7 H Cannabidiorcol H CH3 H Cannabidiolsäure (CBDA) Cannabidivarinsäure 225 MODUL IV: Volksdrogen & Sport Cannabis 2+ 5 2 5 5 ∆ -(trans)-Tetrahydrocannabinol-Typ R1 R2 R3 ∆ -(trans)-Tetrahydrocannabinolsäure A COOH C5H11 H ∆ -(trans)-Tetrahydrocannabinolsäure B H C5H11 COOH ∆ -(trans)-Tetrahydrocannabinol H C5H11 H COOH oder H C4H9 H oder COOH H C4H9 H COOH C3H7 H H C3H7 H COOH oder H CH3 H oder COOH H CH3 H 9 9 9 9 ∆ -(trans)-Tetrahydrocannabinolsäure-C4 9 ∆ -(trans)-Tetrahydrocannabinol-C4 9 ∆ -(trans)-Tetrahydrocannabinolsäure-C4 9 ∆ -(trans)-Tetrahydrocannabivarin 9 ∆ -(trans)-Tetrahydrocannabiorcolsäure 9 ∆ -(trans)-Tetrahydrocannabiorcol 9 2+ 5 2 ∆ -(trans)-Tetrahydrocannabinol-Typ R ∆ -(trans)-Tetrahydrocannabinol H 8 8 ∆ -(trans)-Tetrahydrocannabinolsäure 8 COOH 226 MODUL IV: Volksdrogen & Sport Cannabis 2+ 5 2 5 Cannabicyclol-Typ R1 R2 Cannabicyclolsäure COOH C5H11 Cannabicyclol H C5H11 Cannabicyclovarin H C3H7 2+ 2 5 +2 Cannabielsoin-Typ 5 R1 R2 Cannabielsoinsäure A COOH H Cannabielsoinsäure B H COOH Cannabielsoin H H 227 MODUL IV: Volksdrogen & Sport Cannabis 25 5 2 5 Cannabinol-Typ R1 R2 R3 Cannabinolsäure H COOH C5H11 Cannabinol H H C5H11 CH3 H C5H11 Cannabinol-C4 H H C4H9 Cannabivarin H H C3H7 Cannabiorcol H H CH3 Cannabinolmethylether 2+ +2 Cannabinodiol-Typ 5 R Cannabinodiol C5H11 Cannabinodivarin C3H7 228 MODUL IV: Volksdrogen & Sport Cannabis 2+ 5 5 2+ 2 Cannabitriol-Typ R1 R2 (-)-Cannabitriol H OH (+)-Cannabitriol H OH -tetrahydrocannabinol H OH 6α(10α) H OC2H5 OH H H H (±)-9,10-dihydroxy-∆ 6α(10α) (-)-10-ethoxy-9-hydroxy-∆ (±)-8,9-dihydroxy-∆ 6α(10α) -tetrahydrocannabinol -tetrahydrocannabinol Cannabidiolsäure tetrahydrocannabitriolester (CBDA verestert an der OH-Gruppe von C9) Hinzu kommen noch zwei Gruppen mit 9 bzw. 4 Cannabinoidstrukturen, die aber von geringerer 9 Bedeutung sind. Die psychisch und pharmazeutisch wirksame Form im Cannabis ist das (-)∆ Tetrahydrocannabinol, kurz ∆ -THC oder nur THC genannt. Seine chemische Struktur wurde 1964 von 9 Mechoulam und Gaoni von der hebräischen Universität in Jerusalem entschlüsselt. THC ist in Wasser nahezu unlöslich, jedoch löslich in Alkohol, organischen Lösemitteln und Fetten bzw. Ölen. ∆ -THC ist 9 bei 0 Grad Celsius eine harzige Masse und verflüssigt sich bei 20 °C zu einem harzigen Öl. In der Pflanze liegen die Cannabinoide als Carbonsäuren vor. Jedoch entfalten nur die Phenole pharmakologische Wirkungen. Eine Umwandlung der Carbonsäuren in die zugehörigen Phenole - eine Decarboxylierung (Abspaltung von CO2 aus einer COOH-Gruppe) - wird zum Beispiel durch kurzes Erhitzen erreicht. Beim Essen von nicht erhitztem Haschisch oder einer Hanftinktur ist die Wirkung des THC geringer, da im Körper nur eine minimale Umwandlung in die wirksamen Formen der Cannabinoide stattfindet. Je nach Herkunft wurde das Haschisch eventuell bereits bei der Herstellung erhitzt. Die pharmakologisch wirksamen Cannabinoid-Phenole werden insbesondere bei Lagerung über Raumtemperatur und bei erhöhter Lichteinstrahlung zu unwirksamen Verbindungen abgebaut. UV-Bestrahlung beschleunigt den Abbau der Cannabinoide. Cannabisprodukte sind daher am besten im Dunkeln und nicht über Raumtemperatur (20 Grad und darunter) zu lagern. Die in der Hanfpflanze vorkommenden Stoffe bilden eine Gruppe von mindestens 61 Strukturen. Die psychoaktive Form ist das ∆9-Tetrahydrocannabinol. 229 MODUL IV: Volksdrogen & Sport Cannabis Je nach Nummerierung der Kohlenstoffatome spricht man anstelle des ∆ -THC auch vom ∆ -THC. Der 9 1 systematischer Name ist Tetrahydro-6,6,9-trimethyl-3-pentyl-6H-dibenzo[b,d]pyran-1-ol. 2+ 2 µ µ µ µ 2 2+ µ µ µ µ Abbildung 2.1. Zwei mögliche Nummerierungen des THC THC ist bei einer oraler Aufnahme nur zu 10-20% verfügbar. Spitzenkonzentrationen im Plasma misst man nach 1-6 Stunden. Gerauchtes THC hat eine etwas höhere Bioverfügbarkeit: 15-30%. Spitzenkonzentrationen misst man bereits während des Rauchvorgangs. Wegen der geringen Verfügbarkeit werden zu medizinischen Zwecken rektale Applikationen bevorzugt, bei denen mit einer Bioverfügbarkeit von bis zu 67% gerechnet werden kann. Innerhalb von fünf Tagen wird THC vollständig aus dem Körper ausgeschieden. Zu 65% in den Fäces, 20% im Urin. Zwei der drei ausgeschiedenen Hauptmetaboliten sind noch psychisch aktiv. Es besteht deshalb die Gefahr, dass noch Auswirkungen auf empfindliche Funktionen im Menschen über das Rauschempfinden hinaus beeinträchtigt werden können, wie zum Beispiel die schlechtere Adaptation an die Dunkelheit, nachdem man geblendet wurde. Dies ist vor allem beim Auto fahren bei Nacht zu beachten. Obwohl der Rauschzustand von den meisten Versuchspersonen als angenehm empfunden wird, können bei hohen Dosierungen panische Angst und kurzzeitige paranoide Zustände auftreten. Aufgabe 2.1 Bestimmen Sie Kohlenstoffatome, im indem (-)∆9-THC Sie das die asymmetrischen Molekül mit einem Molekülbaukasten zusammenstecken. Geringere pharmakologische Bedeutung haben Cannabidiol, Cannabinol, Cannabigerol und Cannabichromen. Ob sie jedoch die Wirkung des THC verstärken oder herabsetzen, ist weitgehend noch unklar. Sowohl die Cannabinoidkonzentration als auch das Verhältnis zwischen den einzelnen Cannabinoiden weisen bei verschiedenen Subtypen der Pflanze erhebliche Unterschiede auf. 230 MODUL IV: Volksdrogen & Sport Cannabis 2.4 Biochemie 2.4.1. Die Cannabinoidrezeptoren Bis in die 80-er Jahre des 20. Jahrhunderts glaubte man, dass die Interaktion von THC im Gehirn unspezifisch verlaufe. Aufgrund des lipophilen Charakters von THC könne das Molekül die Zellwand durchdringen und seine Wirkung im Gehirn entfalten. Erst 1988 gab es Hinweise auf eine spezifische Interaktion von THC mit einem Rezeptor. Daten und erste Forschungsergebnisse zu diesem Thema sind deshalb noch relativ neu und können deshalb, vor allem was die medizinischen Aussagen betreffen, noch leicht ändern. 1990 wurde der erste Cannabinoidrezeptor, CB1 genannt, von Ratten kloniert und charakterisiert. Drei Jahre später wurde ein zweiter Rezeptor, CB2, kloniert. Neuere 3 Forschungsergebnisse mit CB1 / CB2 knockout Mäusen weisen darauf hin, dass es möglicherweise noch weitere Cannabinoidrezeptoren geben könnte. Aber auch in Amphibien wurden Cannabinoidrezeptoren gefunden. Dies lässt darauf schliessen, dass es sich hier um eine in der Evolution relativ früh entstandene Rezeptorart handelt. Der Mechanismus, wie das Signal, also die Stimulierung der CB durch einen Liganden von aussen, intrazellulär weitergeleitet wird, erfolgt durch eine verminderte Produktion von cyklischem AMP (cAMP). 1 1 1 1 1 1 1 1 2 2 2 2 3 2 3 2 3 2 &+ 2 2 2 2 2 2 2 3 2 3 2 2 2 2+ 2+ + 2 &+ 2 2 3 2 ATP 1 1 PPi 2 2+ cAMP Abbildung 2.2. Bildung des intrazellulären „second messengers“ cycl-3‘5‘-Adenosinmonophosphat (cAMP) aus Adenosintriphosphat (ATP). Dabei wird ein Diphosphat abgespalten (PPi: inorganic phosphate) Doch wo liegt der Unterschied zwischen den zwei Rezeptoren? Ursprüngliche dachte man, dass CB1Rezeptoren ausschliesslich im Gehirn zu finden sind, während CB2-Rezeptore ausserhalb des ZNS vorkommen. CB1-Rezeptore wurden vor allem in den Gehirnregionen gefunden, die mit der Erinnerung und der Bewegung zu tun haben. Es handelt sich dabei um Hippocampus, Cerebellum und Basalganglien. Die Rezeptoren befinden sich an Neuronen, die GABA als Neurotransmitter verwenden und befinden sich vor dem synaptischen Spalt (präsynaptisch). Des weiteren wurden CB1Rezeptoren auch in anderen Geweben, wie der Lunge, der glatten Muskulatur und anderen, gefunden. CB2-Rezeptoren fand man in der 3 Milz und den Zellen des Immunsystems. Mäuse, denen das Gen für CB1 und CB2 entfernt wurde. Sie können deshalb diese zwei Rezeptoren nicht mehr herstellen. 231 MODUL IV: Volksdrogen & Sport Cannabis Interessanterweise liess sich beobachten, dass beim Menschen die Dichte der CB1-Rezeptoren im fötalen und neonatalen Gehirn viel grösser ist als im Gehirn einer erwachsenen Person. Zwar konnten keine Entwicklungsstörungen in CB1-, CB2- und CB1/CB2-knockout Mäusen gefunden werden, jedoch litten CB1-knockout Mäuse unter einer verminderten Schmerzwahrnehmung, einer verminderten Aktivität und unter einer erhöhten Sterblichkeit. Dazu kam eine verminderte Ausschüttung von Endorphinen (vgl. Modul II). Über die Arten hinweg ist der CB1-Rezeptor in seiner Aminosäuresequenz weitgehend konserviert, während der CB2-Rezeptor kleinere Homologien aufweist. Zwei Cannabinoidrezeptore sind bis jetzt bekannt. CB1 kommt vorwiegend im Gehirn vor, CB2 findet man vor allem in Immunzellen. 2.4.2. Die Liganden Es gibt keinen Rezeptor ohne einen endogenen Liganden. Nachdem bekannt war, dass THC im Körper einen Rezeptor hat, ging die Suche nach einem endogenen Liganden los. 1992 wurden zwei 4 Liganden gefunden: Anandamid (Sanskrit ananda: Seligkeit, Wonne) und Arachidonylethanolamid, 5 beides Moleküle, die zu den sogenannten Eicosanoiden gehören. In der Zwischenzeit wurden noch weitere endogene Cannabinoide, die alle zur Klasse der Eicosanoide gehören, gefunden. Vor allem Anandamid, mit systematischem Namen Arachidonylethanolamid genannt, ist Gegenstand von intensiven Untersuchungen. Dabei wurde das Molekül an verschiedenen Stellen abgeändert und untersucht, wie stark der Rezeptor noch auf diese Form anspricht. Dies im Hinblick auf eventuelle pharmakologische Verwendungen der entsprechenden Moleküle bei gewissen Krankheiten. 4 Verbreitung und Ursprung siehe unter: http://www.weikopf.de/Sprache/Indischer_Zweig/body_indischer_zweig.html Eicosanoide (eicosan gr.: zwanzig) leiten sich von der essentiellen Fettsäure Arachidonsäure ab. Diese ist auch Ausgangssubstanz für die Prostaglandine, die ihrerseits an Entzündungsreaktionen beteiligt sind (vgl. Modul II). 5 232 MODUL IV: Volksdrogen & Sport Cannabis 2 2 2+ + 1 2+ Abbildung 2.3. Lewis-Formel der Arachidonsäure (links) und von Anandamid (oben rechts); Kalottenmodell von Anandamid (unten rechts) Betrachten Sie die 3-dimensionale Struktur des THC auf dem Computer. Für Instruktionen zum Programm fragen Sie Ihre Lehrkraft. Aufgabe 2.2 Vergleichen Sie die Struktur von Anandamid mit derjenigen von THC. Können Sie sich vorstellen, welche Teilstrukturen im Molekül auf die gleichen Stellen im Rezeptor passen? Von Anandamid ist weiter seine Biosynthese und der Abbau nach seiner Ausschüttung aufgeklärt. So konnte gezeigt werden, dass Anandamid als Phospholipid in der Zellmembran gespeichert wird, und dass die Wiederaufnahme aus dem synaptischen Spalt durch einen aktiven Transporter erfolgen muss. Neben diesem Anandamidtransporter wurde auch ein Enzym gefunden, das Anandamid hydrolysiert (Anandamidamidohydrolase) und somit „unschädlich“ macht. Anandamid wird im Gehirn synthetisiert, aber auch in Geweben ausserhalb des ZNS wie der Milz und sogar von Zellen des Immunsystems, vor allem den Makrophagen. Endogene Liganden gehören zur Gruppe der Eicosanoide. Der bis jetzt wichtigste Vertreter ist Anandamid. 233 MODUL IV: Volksdrogen & Sport Cannabis 2.4.3 Direkte Wirkungen von THC im Körper Wie die genaue Interaktion von THC auf Nervenzellen funktioniert und was vor allem die direkten Konsequenzen sind, ist noch weitgehend unklar. Trotzdem können physiologische Wirkungen beobachtet werden und es besteht die Möglichkeit, THC als Medikament einzusetzen (s. nächster Abschnitt). Es scheint jedoch erhärtet zu sein, dass THC das Immunsystem erheblich beeinflussen kann. So hat THC auf verschiedene Zellen des Immunsystems einen erheblichen Einfluss, indem es die Produktion von Cytokinen stimuliert oder herabsetzt. So konnte zum Beispiel mit THC bei Tieren ein Schockzustand mit tödlichen Folgen oder Katalepsie hervorgerufen werden. Synthetische Cannabinoide waren in der Lage, bakterielle Entzündungen und Schädigungen des Gehirns durch die Beeinflussung der entsprechenden Cytokine schneller und besser auszuheilen. Weiter konnte gezeigt werden, dass Anandamid in der Lage ist, die Bildung von Brustkrebszellen in Kultur zu unterdrücken. Es scheint, dass vor allem der CB2-Rezeptor die Produktion der Cytokine beeinflusst, da er auf den Zellen des Immunsystems in hohen Konzentrationen gefunden wurde. Immunsuppressive Effekte, also eine Herabsetzung der Immunantwort, sind bis jetzt aber nur im Tier- oder Zellversuch gezeigt worden. Beim Menschen werden sogar gegenteilige Wirkungen, nämlich eine Stimulation des Immunsystems, diskutiert. THC stimuliert in Konzentrationen wie sie nach einem Joint im Blut vorhanden sind in den Gehirnzellen und anderen Zellen mit CB-Rezeptoren eine erhöhte Verbrennung von Glucose. Weiter beeinflusst THC vor allem das Gehirn. Die genauen Umstände und die physiologische Bedeutung der CB-Rezeptoren bleiben weiter Gegenstand von intensiven Untersuchungen. So wird zum Beispiel der Einfluss auf Bewegungen und auf die Entwicklung des Gehirns diskutiert, aber auch die Rolle als endogenes Analgetikum (Schmerzmittel) oder seine Funktion bei der Beeinflussung der Sexualhormone während der Schwangerschaft. Beim letzten Fall nimmt man an, dass die Beeinflussung über den Hypothalamus und die Hypophyse geschieht. Ratten waren zum Beispiel länger schwanger als normal und hatten mehr Totgeburten zu verzeichnen. Direkt beeinflusst THC den Prolactin- und Testosteronspiegel und bewirkt eine Abnahme der Hodengrösse und der Spermaproduktion. Klarheit über die biochemische Bedeutung der CB-Rezeptoren und Anandamid wird es erst in der Zukunft geben. Aufgabe 2.3 Fassen Sie stichwortartig die Auswirkungen von Cannabis zusammen. 234 MODUL IV: Volksdrogen & Sport Cannabis 2.5 Medizinische Anwendung Aufgrund der politischen Situation sind Versuche mit Cannabis und THC noch spärlich vorhanden. So liess zum Beispiel die Administration Bush/Reagan in den 80-er Jahren möglichst alle Ergebnisse, die Cannabis positive Eigenschaften zugestanden, vernichten. Weiter sollten die Forschungsresultate kritisch betrachtet werden. So kam zum Beispiel eine von der Regierung bezahlte amerikanische Studie zum Schluss, dass Cannabis Krebs auslösen kann, obwohl mehrere unabhängige Studien eher das Gegenteil behaupten, nämlich dass Cannabis gewisse Krebsarten bekämpfen könnte. In der amerikanischen Studie wurde jedoch die 70-fache Cannabiskonzentration verwendet, wie sie für einen Rauschzustand ausreichen würde. Trotzdem hat die Medizin in den letzten zehn Jahren auf diesem Gebiet beträchtliche Fortschritte gemacht. Lesen Sie den Text anlässlich eines Vortrags von Professor Brenneisen, den Sie unter folgender Internetadresse finden: http://www.sfaispa.ch/ServicePresse/allemand/Abhangigkeiten/brenneisen.pdf Neben den positiven Eigenschaften von Cannabis müssen aber auch die Risiken eines erhöhten Cannabiskonsums berücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang sei hier die „Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme“ (sfa) mit den folgenden acht Punkten zitiert: • Verminderung der kognitiven Leistungsfähigkeit (Aufmerksamkeit, Konzentration, Lernfähigkeit) • Verminderte Gedächtnisleistung • Verstärkung der Krankheitssymptome bei psychischen Störungen (Behauptungen über direkt auslösende Cannabiseffekte bei Schizophrenie und Psychosen sind ungenügend belegt) • Einhergehender Motivationsverlust, verminderte Aktivität, Interessenverlust (ein direkter ursächlicher Zusammenhang zwischen regelmässigem Cannabiskonsum und Motivationsverlust ist wissenschaftlich jedoch nicht nachgewiesen) • Beeinträchtigte Lungenfunktion, chronische Bronchitis • Schädigungen des Immun- und Fortpflanzungssystems werden vor allem in Tierversuchen beschrieben (gelten jedoch beim Menschen nicht als ausreichend wissenschaftlich belegt; gleiches trifft für hormonale Störungen zu) • Wachstumsverzögerungen bei Föten und Verhaltensauffälligkeiten bei Neugeborenen sind nicht auszuschliessen • Erhöhte Unfallgefährdung (der Verlauf des Cannabisrausches und seine spezifischen Wirkungen sind nicht mit dem Führen eines Fahrzeuges, der Handhabung komplexer Maschinen oder mit anderen Aufgaben, die viel Aufmerksamkeit erfordern, zu vereinbaren) 235 MODUL IV: Volksdrogen & Sport Cannabis 2.6 Cannabis im Sport Lesen Sie das Faltblatt „Cannabis und Sport“, herausgegeben von Laola und dem BASPO, und Informieren Sie sich zum Thema Cannabis unter http://www.dopinginfo.ch Die Handhabung der Cannabinoide im Sport ist unterschiedlich. Grundsätzlich gilt, dass es im Ermessen der Sportverbände liegt, ob sie THC-Spuren im Urin bestrafen wollen oder nicht. Das olympische Komitee legt einen Grenzwert von 15 ng Carboxy-THC / ml Urin fest. Dies deshalb, damit keine Sportler bestraft werden, die THC passiv, also unbewusst, konsumiert haben. Cannabis gilt zwar als nicht leistungsfördernd, hingegen könnte es in Sportarten, die ein hohes Risiko beinhalten, sinnvoll sein, Grenzwerte festzusetzen, ähnlich wie es beim Alkohol gemacht wird. Zu einer breiten Diskussion in der Schweiz führte im Januar 2001 die Tatsache, dass mehrere Nationalliga A Handballer des Cannabiskonsums beschuldigt und bestraft wurden. Bei Severin Boser von Grasshoppers, Janosz Molnar vom TV Zofingen und Tsuyoshi Ito von Amicitia Zürich konnten Grenzwertüberschreitungen nachgewiesen werden. Dazu kamen in der gleichen Zeit ein Wasserballer und ein Basketballspieler. Während Janosz Molnar fristlos gekündigt wurde, kamen die anderen Spieler mit einigen Spielsperren davon. Handball ist in der Schweiz klarer Spitzenreiter in Bezug auf Cannabisgrenzwertüberschreitungen. Jedoch nur ein gutes Dutzend Sportverbände in der Schweiz ahnden den Konsum von Cannabis, darunter neben den oben genannten Sportarten Billard, Judo, Sportklettern und Rollsport. Im Fussball und Eishockey hingegen kann so viel Cannabis konsumiert werden wie man will. Während der Eishockeyverband nach Olympia 1998 aus dem „Hardliner-Club“ (Facts 25.1.2001) austrat, erlassen andere Verbände ein neues Cannabisverbot. Cannabis als soziale Droge wird vor allem in Mannschaftssportarten konsumiert. Die Ausnahme ist das Snowboarden als Einzelsportart. Neben dem Chaos innerhalb und zwischen den Sportverbänden kommen auch noch unterschiedliche Grenzwerte dazu. So setzt der internationale Radsportverband seinen Grenzwert auf 40 ng/ml Urin fest. Dies aber nur für den Mountainbike-Downhillbereich, allen anderen Radsportlern bleibt der Joint nicht verwehrt. In einem Interview mit Facts kritisiert der Handballer Severin Boser denn auch seinen Verband, er sei nie darauf aufmerksam gemacht worden, dass auf Cannabis geprüft werde. Nur Wacker Thun und die Nationalmannschaft wurden diesbezüglich vorgewarnt. Weiter kritisiert er „die unverständliche Tatsache, dass Exponenten unseres Handballverbands die fossile Meinung vertreten, dass Cannabis mit harten Drogen oder Doping gleichzustellen und repressiv zu handhaben sei“. Zu diesem Thema seien hier am Schluss noch einige Zitate aufgeführt, die am 25.1.2001 im Facts erschienen sind. 236 MODUL IV: Volksdrogen & Sport Cannabis Beat Villiger, Mannschaftsarzt HC Davos: „Würde der Cannabiskonsum im Schweizer Eishockey geahndet, würden wir Überraschungen erleben. Denn ein rechter Teil der Spieler kifft gelegentlich“; „Hasch hat eine Teamkultur. Meistens wird in kleinen Gruppen gekifft“. Brigitte de Roche, Dopingverantwortliche Snowboard: „Das Kiffen ist in unserem Sport ein Megaproblem. Ich wage zu behaupten, dass sich nur die Topfahrer an die Dopingliste halten“. Bruno Huber, Präsident FC Winterthur: „Im Fussball wird mehr gekokst als gekifft“. Jean-Jacques Fasnacht, Mannschaftsarzt Kadetten Schaffhausen (Handball): „Ich möchte eine Amnestie für die Cannabis-Sünder. Wir sollten unter klaren Voraussetzungen neu beginnen“. Bernhard Marti, Präventivmediziner am Sportwissenschaftlichen Institut Magglingen: „Wir dürfen die Dopingbekämpfung und die Drogenprävention nicht vermischen. Ich finde es schlecht, dass man im Sport nun noch gegen Haschisch loszieht“. Jean-Pierre Desarzens, Nationalliga-Direktor Basketball: „Wir wollen keine Drogen in unserem Sport, das ist unsere Philosophie“. Facts: „Im Handball führt Cannabis, im Fussball überwiegt Kokain. Im Eishockey ist Snus, ein Kautabak, ebenso verbreitet wie Cannabis, und im Basketball steht Ecstasy zahlenmässig auf der Höhe von Haschisch“. Eine einheitliche Regelung zum Gebrauch von Cannabis im Sport scheint in der näheren Zukunft zu erfolgen. Informieren Sie sich deshalb auch immer wieder auf der Dopingseite von Magglingen (www.dopinginfo.ch). 237 MODUL IV: Volksdrogen & Sport Cannabis LERNKONTROLLE KAPITEL 2 Aufgabe 2.4 Mit welchen chemischen Labormethoden könnte man das Harz, reich an Cannabinoiden, aus der Hanfpflanze gewinnen? Aufgabe 2.5: Würde eine Person, der Anandamid intravenös gespritzt würde, ein „high“ wie bei einer THCGabe verspüren? Begründen Sie kurz Ihre Antwort. Aufgabe 2.6: Die höchste Dichte an CB-Rezeptoren im Gehirn befindet sich in den Basalganglien. Worauf lässt dies bei einem THC-Rausch schliessen? 238 MODUL IV: Volksdrogen & Sport Praktikumsanleitungen 3 PRAKTIKUMSANLEITUNGEN Inhalt 3 3.1 PRAKTIKUMSANLEITUNGEN 239 Destillation von Wodka 240 239 MODUL IV: Volksdrogen & Sport Praktikumsanleitungen 3.1 Destillation von Wodka Destillieren Sie in einem Zweihalskolben 200 mL Wodka in einem Wasserbad. Verwenden Sie dazu ein langes Steigrohr und protokollieren Sie während der Destillation dauernd die Temperatur des Wodkas und diejenige des Dampfs kurz vor dem Kühler. Bestimmen Sie die Dichte des Destillats. Wiederholen Sie die Destillation mit einer Vakuumdestillation. Achtung: Bevor Sie die Destillation starten, zeigen Sie Ihrer Lehrerin oder Ihrem Lehrer den Aufbau der Destillationsapparatur. Aufgabe 3.1 Interpretieren Sie die Resultate, insbesondere die Siedetemperatur und die Dichte des Destillats. Dichte reiner Ethanol: Sdp. reiner Ethanol: Sdp. bei 95 mm Hg: 240 0.79 kg/L 78.5 °C Ethanol: Wasser: 33.5 °C 51 °C ANHANG Lösungen zu den Aufgaben ANHANG A: Lösungen der Übungsaufgaben Inhalt A 1 LÖSUNGEN DER AUFGABEN MODUL I 3 1.1 Einleitung 3 1.2 Exkurs 1: Hormone – Botenstoffe unseres Körpers 4 1.3 Exkurs 2: Biotransformation 1 1.4 Kapitel 1: Steroidhormone: „natürliche Anabolika“ 3 1.5 Kapitel 2: Peptid- und Glykoproteinhormone – wirksam und schwer nachweisbar 5 1.6 Praktikum: Nachweis von hCG im Urin: Schwangerschaftstest 7 2 LÖSUNGEN DER AUFGABEN MODUL II 9 2.1 Exkurs 1: Recycling oder auf den Müll? Die Niere 2.2 Exkurs 2: Hormone bestimmen, wie oft wir auf die Toilette rennen müssen 11 2.3 Kapitel 1: Hilfe beim Wasserlösen: Diuretika 14 2.4 Exkurs 3: Aua – das schmerzt 16 2.5 Kapitel 2: Wie Schmerzen mit einem Lächeln weggesteckt werden können - Analgetika 18 2.6 Kapitel 3: Praktikumsanleitungen 20 3 LÖSUNGEN DER AUFGABEN MODUL III 9 21 3.1 Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem 21 3.2 Kapitel 1: Stimulantien 25 3.3 Kapitel 2: Beta-Sympatholytica 26 A1 ANHANG 4 Lösungen zu den Aufgaben LÖSUNGEN DER AUFGABEN MODUL IV 27 4.1 Kapitel 1: Alkohol 27 4.2 Kapitel 2: Cannabis 30 4.3 Kapitel 3: Praktikumsanleitungen 31 A2 ANHANG Lösungen zu den Aufgaben 1 LÖSUNGEN DER AUFGABEN MODUL I 1.1 Einleitung Aufgabe Einleitung 1 Alraunwurzel: Radix Mandragorae (Alraunwurzel, Atropa mandrogara), verbreitet in Südeuropa, der Schweiz und im Mittelmeerraum; Inhaltsstoffe: L-Hycoscyamin, Atropin, Lund D,L-Scopolamin (Hauptalkaloid), Belladonoin, Cuskhygrin (Gesamtgehalt an Alkaloiden: 0.3 – 0.4 %. Anwendung: Früher als Narkotikum, Anästhetikum und Aphrodisiakum (im Altertum über das Mittelalter bis heute als Zaubermittel bekannt; Alraunmännchen) Alkaloide: Bezeichnung für vorwiegend in Pflanzen auftretende basische Naturstoffe mit einem oder mehreren, meist heterocyclisch eingebauten N-Atomen im Molekül, die häufig eine ausgeprägte pharmakologische Wirkung haben. Ausser dem natürlichen Vorkommen der Alkaloide lässt sich kein allgemeines Charakteristikum angeben. Mothes schlug 1950 die folgende Definition vor: „Alkaloide sind klassische Pflanzenstoffe mit vorwiegend heterocyclisch eingebautem basischem Amin-Stickstoff, die eine starke, meist sehr spezifische Wirkung auf verschiedene Bezirke des Nervensystems besitzen.“ Verwendung: Wegen ihrer spezifischen Wirkung insbesondere auf das Nervensystem sind eine Vielzahl von Alkaloiden seit alters her in der Pharmazie heimisch , z.B. die MorphinAlkaloide (als Schmerz- u. Betäubungsmittel). Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass unter den A. sowohl die stärksten, Sucht erzeugenden Rauschmittel als auch die stärksten Gifte zu finden sind: Heroin (Morphin-Derivat), Lysergsäurediethylamid, Meskalin, Kokain bzw. Strychnin, Batrachotoxin, Tetrodotoxin, Saxitoxin, Aconitin u.a. Freilich gehören auch die Genussmittel (Genussgifte) Coffein und Nicotin hierher. Quelle: CD Römpp Chemie Lexikon – Version 1.0, Stuttgart/New York: Georg Thieme Verlag 1995 Aufgabe Einleitung 3 Mehrere Umstände haben zum Tod Simpsons geführt: die Hitze, die Luftfeuchtigkeit und die körperliche Überbeanspruchung, aber auch der Gebrauch von gefährlichen Medikamenten. Dabei handelte es sich um Amphetamine und Methyl-Amphetamine. Die Dosen, die Simpson eingenommen hatte, waren zwar nicht tödlich, doch wegen dieser Aufputschmittel hatte er seine Leistungsgrenze überschreiten können. Aufgabe Einleitung 4 Vergleiche folgende Internetseiten: Dieter Baumann: http://www.tu-bs.de/schulen/Wilhelm-Gym_BS/html/sport/doping/baum1.htm Ben Johnson: http://www.tu-bs.de/schulen/Wilhelm-Gym_BS/html/sport/doping/johns.htm A3 ANHANG Lösungen zu den Aufgaben 1.2 Exkurs 1: Hormone – Botenstoffe unseres Körpers Aufgabe E1.1 Hormone sind Wirkstoffe, die im Körper selber aufgebaut werden, und die bereits in kleiner Konzentration steuernd in den Stoffwechsel eingreifen. Sie werden von besonderen Zellen oder Drüsen gebildet und an das Blut abgegeben. Da Hormone ihre Wirkung oft nicht am Bildungsort entfalten, werden sie auch als Botenstoffe bezeichnet. Aufgabe E1.2 Schlagen Sie in Ihrem Biologie- oder Chemiebuch, bzw. andern Büchern Ihrer Bibliothek folgende Begriffe nach und erklären; bzw. definieren Sie sie in Ihren eigenen Worten: Fettsäure: Gruppenbezeichnung für aliphatische, gesättigte Carbonsäuren mit nahezu ausschliesslich unverzweigter Kohlenstoff-Kette. Vorkommen: Die Fettsäuren kommen in der Natur sowohl in freiem Zustand wie auch als Ester vor (Å Fette). Besonders häufig sind die Palmitin- (C16), Stearin- (C18) und die Ölsäure (C18), die in vielen pflanzlichen Ölen (z.B. Palmöl) und tierischen Fetten enthalten sind; ferner sind die Laurin- (C12) und Myristinsäure (C14) als Bestandteile von Kokos- u. Palmkernöl zu nennen. Fettsäuren mit weniger als 12 C-Atomen sind in der Milch von Säugetieren enthalten (vgl. Fette u. Öle). Die meisten Fettsäuren, die in natürlichen Fetten u. Ölen gebunden vorliegen, zeigen einen linearen Aufbau; verzweigte Ketten findet man jedoch im Bürzeldrüsenfett der Vögel sowie in Bakterienfetten. Ungesättigte Fettsäuren, die insbesondere Bestandteil von Fischölen darstellen, liegen in der Regel cis-(Z) konfiguriert vor. Aminosäure: Molekül mit den funktionellen Gruppen –COOH und –NH2 (R2NH). In der Natur kennt man nur ca. 200 verschiedene Aminosäuren HO O (AS), wovon die α-AS die weitaus grösste Bedeutung C haben. Diese sind die Bausteine der Proteine. Sie tragen die Aminogruppe am Nachbar-C-Atom (α-C-Atom) zur H2N Cα H Carboxylgruppe. R steht für eine beliebige Seitenkette. In R Proteinen existieren jedoch nur ca. 20 verschiedene AS (Å proteinogene AS). - Peptid: In Analogie zur Esterbildung, können Amino- und Säuregruppen unter Wasserabspaltung zu Säureamiden reagieren. Handelt es sich bei den Reaktionspartnern um a-AS, deren funktionelle Gruppen am C1 (-COOH) bzw. Cα (-NH2) reagieren, so wird das Produkt je nach Anzahl kondensierter AS als Dipeptid, Tripeptid usw. bezeichnet.. H2N H O C C R1 - Protein: H OH + H N C R2 COOH H2N H O H C C N R1 C COOH + H2 O R2 (Eiweisse, Eiweissstoffe, Eiweisskörper). Sammelbezeichnung für natürlich vorkommende Copolymere, die sich in der Regel aus 20 verschiedenen α-AS als Monomeren zusammensetzen. Ab etwa 100 AS-Resten spricht man meist von Proteinen. Es ergeben sich Molmassen von 10000 bis mehrere Millionen. Man teilt die Proteine nach Gestalt und Verhalten gegen Wasser bzw. Salze ein in: globuläre Proteine (Sphäroproteine) wie z.B. Albumine oder Globuline, sowie: Skleroproteine (oder fibrilläre, Gerüst- oder Faser-Proteine), wie z.B. Keratine oder Kollagen. Proteine sind in der belebten Welt allgegenwärtig. Neben Kohlenhydraten u. Fetten sind sie die dritte grosse Gruppe von Nahrungs- und Reservestoffen. Auf der Anwesenheit bestimmter Proteine beruhen Struktur, Funktion und Stoffwechsel aller lebenden Zellen und Gewebe; in gewissem Sinn sind die Proteine die Träger der Lebensfunktionen schlechthin. Man findet sie gleichermassen in Tieren, Pflanzen u. Mikroorganismen, so z.B. in den A4 ANHANG Lösungen zu den Aufgaben Muskeln (Actin, Myoglobin, Myosin), im Blut (Hämoglobin), in Bindegewebe, Sehnen u. Bändern (Kollagen, Elastin), im Serum (Fibrinogen, Immunglobuline, in Wolle, Haaren, Hörnern, Hufen, Klauen, Nägeln usw. (Keratine), in den Seidenfäden (Fibroin), in Weichtierschalen (Conchagene), in Knochen (Ossein), in der Milch (Albumine, Casein) usw. Vielfältig sind auch die Funktionen der Proteine im Organismus: Als Enzyme, Transport- u. Speichermoleküle (Ferritin, Hämoglobin), molekularen Motoren (Dynein, Kinesin, Myosin), Gerüstsubstanzen (Sklerop., GerüstEiweiss) mit mechanisch stützenden Funktionen (Keratine, Kollagene, Ossein), in der Immunabwehr (Immunglobuline, Komplement), Hormone (Follitropin, Thyreotropin), Hormon- u. Neurotransmitter-Rezeptoren, Regulatoren (Enzym-Inhibitoren, Transkriptionsfaktoren), Schlangengifte, Bakterientoxine, als Reservestoffe (Gliadin, Zein, Edestin) in Pflanzenorganen usw. - Eigenschaften: Die meist gut wasserlöslichen Proteine (Ausnahme: Membran-Proteine uns Skleroproteine) sind gegen physikalische und chemische Einwirkung im allgemeinen ziemlich empfindlich. So gerinnt z.B. das Hühner-Eiweiss (Eiklar) oberhalb 65 °C; man bezeichnet diesen Vorgang als Denaturierung. Er beruht auf einer Zerstörung der Raumstruktur der P. unter Aufbrechen der schwachen innermol. Wechselwirkungen (vgl. unten den Abschnitt zur Struktur). Stoffwechsel: (Metabolismus). Bezeichnung für die Gesamtheit der chemischen Umsetzungen im Organismus, die zur Aufrechterhaltung der Lebensvorgänge notwendig sind; diese betreffen die Aufnahme, den Ein-, Um- u. Abbau wie auch die Ausscheidung von Stoffen, die Erhaltung bzw. Vermehrung der Körpersubstanz und die Energiegewinnung. Der intermediäre Stoffwechsel findet in den Zellen und Geweben statt. Er umfasst alle chemischen Umsetzungen, angefangen bei den Ausgangsstoffen, die von der Verdauung geliefert werden, über Bildung und Wiederabbau von Reservestoffen bis hin zu den Endstoffen, die zur Ausscheidung kommen. Von Energie- oder Betriebs-Stoffwechsel spricht man beim Umsatz der körpereigenen Stoffe zur Gewinnung von Energie. . Aufgabe E1.3 Hypothalamus und Hypophyse, zwei eng miteinander verbundene Hormondrüsen. A5 ANHANG Lösungen zu den Aufgaben Aufgabe E1.4 1 mol Adrenalin = 183.16 g Å 1 g Adrenalin = 5.46·10-3 mol; für eine 10-10 mol·L-1 konzentrierte Lösung braucht es also 54'594.48 m3 Wasser; das entspricht einem Durchmesser von ca. 186.5 m. 1.3 Exkurs 2: Biotransformation Aufgabe E2.1 Ohne funktionsfähige Biotransformation würden sich die hydrophoben Xeno- und Endobiotica in unserem Körper (Zellmembranen) anreichern. Die Ausscheidung über den Urin wäre also drastisch eingeschränkt. Aufgabe E2.2 a) Monooxigenasen (auch Hydroxylasen genannt) sind Enzyme, welche beim biologischen Abbau eine zentrale Rolle spielen. Dabei katalysieren sie die folgende Reaktion (X = Xeno- bzw. Endobioticum; D = sonstiger Wasserstoffdonator) XH2 + DH2 + O2 Å XHOH + D + H2O b) Viele enzymatische Umwandlungen können in ein- und demselben Organismus durch mehr als eine Spezies eines Enzyms bewirkt werden. Diese im gleichen Sinne wirksamen multiplen Enzym-Formen werden als Isoenzyme bezeichnet, wenn ihre Unterschiedlichkeit genetisch bedingt und nicht auf an die Protein-Biosynthese. anschließende Modifikation zurückzuführen ist. Isoenzyme unterscheiden sich mehr oder weniger stark hinsichtlich ihrer physikalischen Eigenschaften. c) Viele wasserstoffübertragende Enzyme übertragen den Wasserstoff vom Substrat entweder, auf das Nicotinamid-adenin-dinucleotid (NAD+) oder auf das Nicotin-amidadenin-dinucleotidphosphat (NADP+). NAD+ und NADP+ sind Coenzyme (Vitamine) der B-Gruppe. Die Funktion dieser Coenzyme besteht in der reversiblen Aufnahem von Wasserstoff; dabei wird der Pyridin-Ring reduziert – er nimmt ein zusätzliches Wasserstoffatom auf – und der Stickstoff verliert seine positive Ladung. Der Mechanismus dieser Reaktion besteht in der Übertragung eines Hydrid-Ions (H¯) vom Substrat auf das C-4 des Pyridinrings. A1 ANHANG Lösungen zu den Aufgaben Aufgabe E2.3 Einteilung Alkohole: nullär primär H H H C OH H R C sekundär tertiär R2 OH R1 C H R2 OH R1 H C OH R3 R2 Tertiäres Amin: R1 C NH2 R3 Aufgabe E2.4 Im weitesten Sinne Stoffe, die einem bestimmten Ökosystem, Organismus oder Gestein fremd sind. Im engeren Sinne Sammelbezeichnung für in der Umwelt des Menschen – im engsten Sinne: in seiner Nahrung – nicht natürlich vorkommende Stoffe anthropogenen Ursprungs (Umweltchemikalien). Insofern haben Xenobiotica. begrifflich weniger mit Zusatzstoffen zu tun als vielmehr mit Fremdstoffen in Nahrungsmitteln (z.B. Rückstände von Extraktionsmitteln oder von Pflanzenbehandlungs- und Arzneimitteln) und allgemein mit anthropogenen Boden-, Luft- und Gewässerverunreinigungen, deren biologischer Abbau nur langsam vonstatten geht. Manchmal werden unter X. auch körperfremde Stoffe verstanden, die einen Organismus zur Entwicklung von Abwehrmechanismen und -stoffen anregen können, z.B. Gifte, Toxine und Antigene. Aufgabe E2.5 Bei der Reaktion von Glucose zu Glucuronsäure handelt es sich um eine Oxidation der Alkoholgruppe am C-6 zur Carbonsäuregruppe. +III -I &22+ &+2+ O O OXIDATION OH H, OH (α,β) OH H, OH (α,β) OH OH OH OH Aufgabe E2.6 COOH COOH O H H C N C O H C CH3 O O C CH3 OH O . Acetylsalicylsäure (I) Salicylsäure (II) A2 Salicylursäure (III) COOH ANHANG Lösungen zu den Aufgaben 1.4 Kapitel 1: Steroidhormone: „natürliche Anabolika“ Aufgabe 1.1 Siehe Text. Aufgabe 1.2 Am besten Sie diskutieren hier mit einer Mitschülerin bzw. einem Mitschüler. Aufgabe 1.3 Die relevanten Oxidationszahlen sind direkt in den Abbildungen vermerkt. OX = Oxidation, RED = Reduktion, RED&OX = verschiedene C-Atome werden sowohl oxidiert als auch reduziert. Progesteron O +II Androgene +II Androstendion 4 (∆ -Androsten-3,17-dion) O 5(' OH NADP O NADPH +II 0 2; -II HO Oestradiol-17β 4 (∆ -Androsten-3,17-dion) 3 +I 2; Oestron OH 0 3 HO Ausscheidung nach Reduktion, Hydroxylierung und Konjugation (Sulfat, Glucuronsäure) OH Östriol HO Aufgabe 1.4 (für Interessierte) Zusatzinformation zum Menstruationszyklus der Frau Lehrbüchern, welche am Ende des Kapitels aufgeführt sind. A3 finden Sie in verschiedenen ANHANG Lösungen zu den Aufgaben Aufgabe 1.5 - - - Agonisten: (Synergist). Von griech. agónistés = Streiter. Stoff (od. Umweltfaktor), der in die gleiche Richtung wirkt wie ein anderer. β2-Agonisten: Hinter dem Kürzel „β2“ verbirgt sich ein bestimmter Rezeptortyp. Dabei handelt es sich um einen sogenannten adrenergen Rezeptor, oder in anderen Worten einen Rezeptor für die Hormone (und auch Neurotransmitter) Adrenalin und Noradrenalin. Diese Rezeptorklasse lässt sich, gemäss ihrer Wirkung nach der Bindung ihres Substrates, in vier Unterklassen unterteilen - α1, α2, β1 und β2. Bindet ein β2-Agonist an einen β2-Rezeptor, so löst er dort die gleiche Wirkung wie Adrenalin bzw. Noradrenalin aus Antagonisten: (griech.: Gegenspieler). Bezeichnung für Organe oder Stoffpaare (Agonist/Antagonist, A/A), welche einander entgegengesetzte Wirkung ausüben. In der Pharmakologie kommen A/A-Paare bei unterschiedlichen Substanzklassen vor. Man unterscheidet hier verschiedene Arten von Antagonismen. So werden Substanzen, die Rezeptoren für ihre physiologischen Bindungspartner (Liganden) blockieren, als kompetitive Antagonisten bezeichnet. Sie konkurrieren mit dem Agonisten um den Rezeptor, bleiben aber, am Rezeptor gebunden, ohne eigene Wirkung. Der Effekt eines kompetitiven A. kommt durch das Ausbleiben der Agonisten-Wirkung zustande (z.B. Histamin/Histamin-Rezeptorenblocker). Der nicht kompetitive Antagonismus kommt durch die Reaktion des Antagonisten mit Teilen des Rezeptors zustande, ohne dass der Platz des Agonisten dadurch besetzt wird. Der Effekt ist die Verhinderung der Wirkung des Agonisten.Beim funktionellen Antagonismus handelt es sich um den Angriff zweier Rezeptor-Ligand-Paare mit gegensinniger Wirkung auf das gleiche Effektorsystem. Ein solcher Antagonismus besteht bei den Antagonisten Adrenalin und Acetylcholin an der glatten Muskulatur. Aufgabe 1.6 Wasserlösliche Hormone können wegen Ihrer geringen Fettlöslichkeit die Zellmembran nicht durchdringen; sie heften sich an Rezeptoren auf der Zellaussenfläche. Beim Adrenalin ist dieser Rezeptor ein Enzym, das in der Zelle die Bildung des second messengers cAMP katalysiert. Fettlösliche Hormone gelangen dagegen leicht in das hydrophobe Innere der Zellmembran. Wenn sie sich in der Zelle befinden, können sie unmittelbar auf Ihre Zielmoleküle oder Rezeptoren einwirken. Aufgabe 1.7 Sie können so ihren Monatszyklus selber bestimmen und steuern. Menstruationsbeschwerden während einer Olympiade z.B. können sehr „ärgerlich“ sein. Aufgabe 1.8 Sehr wahrscheinlich handelt es sich bei diesem Athleten um einen Kraftsportler, der versucht durch die Einnahme von Anabolika seine Muskelmasse möglichst schnell aufzubauen bzw. zu vergrössern. Die Nebenwirkungen können fatal sein. Eine Zusammenstellung finden Sie im Kapitel 1.1.3.2 A4 ANHANG Lösungen zu den Aufgaben 1.5 Kapitel 2: Peptid- und Glykoproteinhormone – wirksam und schwer nachweisbar Aufgabe 2.1 Die Biosynthese von Insulin (modifiziert nach Löffler, G. & Petrides, P.E. (1990) Biochemie und Pathobiochemie, Springer, Berlin Heidelberg New York). Das Insulingen enthält zwei Introns (I). Die nach Transkription und Spleissen entstehende mRNA codiert für ein Protein vom Nzum C-Terminus wie folgt aufgebaut ist: Signalpeptid (S, 24 Aminosäuren, AS), vollständige Sequenz der B-Kette (B), C-Peptid (C), Sequenz der A-Kette (A). Wir die mRNA translatiert, so entsteht das Peptid Präpro-Insulin, welches je nach Spezies aus 104 bis 109 AS besteht. Die Synthese erfolgt an den Ribosomen des rauhen endoplasmatischen Reticulums (rER). Das Signalpeptid zeichnet sich verantwortlich für die Einschleusung der synthetisierten Peptidkette in das Lumen des ER, wo es abgetrennt wird und Pro-Insulin entsteht. Insulin wird im Golgi- A5 ANHANG Lösungen zu den Aufgaben Apparat unter Einschaltung einer spezifischen Protease (Prohormon-Convertase) durch Entfernung des C-Peptids gebildet. Aufgabe 2.2 EPO ist ein Glykoprotein, es enthält also Zuckerketten. Die Modifizierung der Aminosäureketten mit Zuckerresten erfolgt je nach Organismus unterschiedlich und dadurch kann für EPO keine genaue Molmassenbestimmung durchgeführt werden. Aufgabe 2.3 a) ca. 14.25 g Sauerstoff b) Bei einer Steigerung des Hämatokritwertes auf 50 %, erreichen knapp 16.7 g Sauerstoff die Muskelzelle. Dies bedeutet eine Mehrversorgung des Organismus mit Sauerstoff um 17 %. Ein enormer Leistungsschub! Aufgabe 2.5 Da Prohormone und Präprohormone inaktiv sind, können sie in sekretorischen Zellen (in deren Granula) in grösseren Mengen gespeichert werden. Sie werden schnell aktiviert, wenn Enzyme sie auf ein geeignetes Signal hin spalten. Aufgabe 2.6 Die Einnahme von Wachstumshormon führt zu einem allgemeinen Wachstum, also auch des Kiefers. Dies kann zu Zahnfehlstellungen führen, welche durch das Tragen von Zahnspangen korrigiert werden müssen. Aufgabe 2.7 Choriongonadotropin (hCG) wird während der Schwangerschaft von der Plazenta gebildet. Das Hormon fördert die Östrogen- und Progesteronproduktion und damit sekundär das Uteruswachstum (Gebärmutter). Da das Choriongonadotropin unmittelbar nach der Einnistung des befruchteten Eis in ansteigenden Mengen gebildet wird, kann sein Auftauchen ein als Indikator für eine Schwangerschaft dienen. Wegen seiner geringen Grösse wird es über den Urin ausgeschieden. Aufgabe 2.8 Erythropoietin, kurz EPO, stimuliert die Bildung von roten Blutkörperchen (Erythrocyten). EPO wird in der Niere gebildet. Die Wirkungsmechanismus kann wie folgt beschrieben werden: Eine gesteigerte körperliche Anstrengung führt zu erhöhtem Sauerstoffbedarf. Diesen versucht der Körper durch vermehrte Atemtätigkeit zu decken. Bei Mangel von Erythrocyten genügt dies jedoch nicht. Beim Gesunden reagiert die Niere darauf mit der Bildung des Hormons EPO. Dieses gelangt über die Blutbahn ins rote Knochenmark, wo die Produktion von roten Blutkörperchen angeregt wird, die dann ins Blut gelangen, welches nun mehr Sauerstoff transportieren kann. Im Sport wird EPO als Ersatz eines Höhentrainings verwendet: In hohen Lagen ist die Luft ärmer an Sauerstoff. Der Körper bildet also mehr Erythrocyten, um genügend Sauerstoff aufnehmen und die Leistungsfähigkeit aufrecht erhalten zu können. Zurück in tiefere Lagen bleibt die grössere Anzahl roter Blutkörperchen über mehrere Tage erhalten, was die Ausdauerfähigkeit verbessert. Bei ausdauernden Anstrengungen kann es durch Flüssigkeitsverlust zu einer Verdickung des Blutes kommen. Wird zusätzlich EPO verwendet, so kann das Blut noch zähflüssiger werden und der Athlet kann einen Gefässverschluss erleiden. Als schwerwiegende Folgen können somit bei gesunden Personen überhöhter Blutdruck, Thrombosen und Embolien in Lunge und Hirn im Extremfall mit Todesfolge eintreten. Verschiedene Todesfälle im Ausdauersport (z.B. Rad oder Orientierungslauf) werden mit der Verwendung von EPO in Zusammenhang gebracht. Eindeutige Beweise fehlen aber. A6 ANHANG Lösungen zu den Aufgaben Aufgabe 2.9 Hämoglobin (Hb), ein tetrameres Eisenprotein, ist der rote Blutfarbstoff der Wirbeltiere, der in den Erythrocyten (roten Blutkörperchen) des Blutes enthalten ist und 95% von deren Trockenmasse ausmacht. Er wird während der Erythropoese genannten Entstehung dieser Zellen in den Blutbildungszentren des Körpers (beim erwachsenen Menschen im Knochenmark) synthetisiert. Der Hb-Gehalt der Erythrocyten ist im erwachsenen Organismus eine Konstante, die auch im Tierreich weitgehend gültig ist: ca. 31 pg pro Zelle. Die auf das Blut-Volumen bezogene Menge an Hb beträgt bei erwachsenen Frauen ca. 140 g/l Vollblut gegenüber etwa 160 g/l beim Mann. Demnach stehen dem Körper bei 5–6 l Blut ca. 700– 900 g Hb zur Verfügung. Da Hb 0,334% Eisen enthält, sind ca. 3 g oder 70 % des Gesamtkörper-Eisens darin gebunden. Wie unter 2.2 ausgeführt, wird durch EPO die Produktion von Erythrocyten stimuliert und somit steigt auch der Eisenbedarf des Patienten bzw. Sportlers. 1.6 Praktikum: Nachweis von hCG im Urin: Schwangerschaftstest Aufgabe 3.1 Es müssen dieselben Bedingungen vorherrschen wie im Testfeld T bei einer hCG-positiven Urinprobe; es muss hCG über einen Antikörper im Kontrollfeld C bereits gebunden vorliegen. Aufgabe 3.2 Das C-Feld zeigt an, ob der Test, bzw. das Prozedere, korrekt ausgeführt wurden. Ein Schwangerschaftstest kann nur dann als positiv gewertet werden, wenn beide Felder (T und C) eine rote Bande anzeigen. Aufgabe 3.3 C T C TS A7 ANHANG Lösungen zu den Aufgaben Aufgabe 3.4 Antikörper werden meist nur gegen gewisse kleine Regionen der Peptidkette gebildet. Da die α-Ketten alle identisch sind muss eine Region auf der β-Kette gewählt werden. Dabei gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Entweder macht man Antikörper gegen die spezifische Sequenz am 5’-Ende (1), oder man wählt eine Sequenz aus der Mitte der β-Kette (2), in welcher sich alle vier Hormone unterscheiden: α β hCG 2 1 α β LH α β FSH α β TSH A8 ANHANG Lösungen zu den Aufgaben 2 LÖSUNGEN DER AUFGABEN MODUL II 2.1 Exkurs 1: Recycling oder auf den Müll? Die Niere Aufgabe E1.1 1. 2. 3. 4. Ultrafiltration im Glomerulus Reabsorption Sekretion Ausscheidung in die Harnblase; Miktion Aufgabe E1.2 Ort im Nephron Stoff Vorgang Proximaler Tubulus Na+-Ionen aktive und passive Reabsorption Proximaler Tubulus Cl-Ionen Diffusion, Reabsorption Proximaler Tubulus Wasser Diffusion, Reabsorption Proximaler Tubulus Ammoniak (NH3) Sekretion Proximaler Tubulus Glucose (C6H12O6) Reabsorption Absteigender Ast Wasser Diffusion, Reabsorption Aufsteigender Ast Na+-Ionen passive Reabsorption (dünnes Segment) bzw. aktive Reabsorption (dickes Segment) Aufsteigender Ast K+-Ionen aktive Reabsorption Distaler Tubulus K+-Ionen aktive Sekretion Distaler Tubulus Na+-Ionen aktive Reabsorption Distaler Tubulus Wasser Diffusion, Reabsorption Sammelrohr Wasser Diffusion, Reabsorption A9 ANHANG Lösungen zu den Aufgaben Aufgabe E1.3 Im proximalen Tubulus. System: Lumen interstitielle des Zellen Tubulus Blutseite Cl H2O + + Na HCO3 H Flüssigkeit; Na + H + + Na K + HCO3 H2CO3 CO2 H2O H2CO3 selektiver Transport ATP-getriebener Transport Diffusion Aufgabe E1.4 Ammoniak reagiert im Innern des Nephrons mit den Protonen zu Ammoniumionen, die aufgrund ihrer Ladung die Zellmembran nicht mehr passieren können und somit ausgeschieden werden. Bei einer Alkalose reagieren alle Protonen mit dem Hydrogencarbonation (vgl. Aufgabe E1.3), und diffundieren als CO2 und H2O wieder in die Zelle. NH3 + H → NH4 + + Aufgabe E1.5 Der Glomerulus, da dies die einzige Stelle ist, bei der Proteine in das Nephron eintreten können. Da aber alle physiologisch aktiven Proteine ein grösseres Molekulargewicht als 50'000 u haben, können sie nur bei einer Schädigung des Glomerulus in das Nephron eintreten. Aufgabe E1.6 Die Henle-Schleife des Känguruhs ist relativ lang, diejenige des Bibers kürzer als beim Menschen. Känguruhs leben in der Wüste und müssen dementsprechend sparsam mit ihrem Wasser umgehen. Mit einer langen Henle-Schlefe können sie einen stärker konzentrierten Urin herstellen. Je tiefer die Henle-Schleife in das Nierenmark eindringt, desto höher wird die Osmolarität. Beim Biber, einem Wassertier ist es umgekehrt. Da diese Tiere dauernd die Möglichkeit haben, Wasser zu trinken, brauchen sie nicht um ihren Wasserhaushalt besorgt zu sein. A10 ANHANG Lösungen zu den Aufgaben 2.2 Exkurs 2: Hormone bestimmen, wie oft wir auf die Toilette rennen müssen Aufgabe E2.1 Angiotensinogen, Angiotensin I, Angiotensin-Konversionsenzym (ACE), Renin, Angiotensin II, Aldosteron Ó Angiotensin II: Reabsorption von Natriumionen und Wasser. Blutdruckregulation Stimulus für Aldosteronausschüttung Ó Aldosteron: Vermehrte Bildung der NaK-ATPase und der Natriumkanäle Synthese einiger Enzyme des Citratcyklus Aufgabe E2.2 RAAS: Reiz: Wirkung: Vasopressin: Reiz: Wirkung: Absinken der Natriumionenkonzentration im Blut Anstieg der Kaliumionenkonzentration im Blut Abnahme der extrazellulären Flüssigkeit Tiefer Blutdruck Reabsorption von Natriumionen und Wasser Zunahme der Serumosmolarität Reabsorption Wasser Aufgabe E2.3 A11 ANHANG Lösungen zu den Aufgaben Anstieg des Plasmavolumens Abnahme der Plasmaosmolarität; Absinken der Natriumkonzentration; Ansteigen der Kaliumkonzentration ANF Vasopressin Wasser- und + Na -Ausscheidung Filtration im Glomerulus peripherer Gefässwiderstand Renin Angiotensin II Natriumverlust Hemmt Stimuliert A12 Aldosteron ANHANG Lösungen zu den Aufgaben Aufgabe E2.4 Aldosteron wird bei einer Abnahme der Natriumionenkonzentration ausgeschüttet, und bewirkt, dass Na+-Ionen in der Niere reabsorbiert werden. Die gleiche Funktion übt Aldosteron auch im Darm und den Schweissdrüsen aus (eingetrockneter Schweiss hinterlässt auf der Haut Kochsalzspuren). Aufgabe E2.5 Der Hauptzweck liegt in der erhöhten Ausscheidung von Wasser. a) Mehr Primärharn wird gebildet. b) Die Na+-Ionenreabsorption wird gehemmt. Wasser bleibt aus osmotischen Gründen im Nephron. c) Das RAAS wird gehemmt. d) Auf das RAAS wird an einer zweiten Stelle negativ eingewirkt. e) Das zweite antidiuretische Hormon wird gehemmt. Aufgabe E2.6 a) b) Na+-Ionen werden vermehrt reabsorbiert (Dies allein kann schon zu Übelkeit und Erbrechen führen), womit auch Wasser vermehrt im Körper vorhanden ist. Dies kann zu Ödemen führen. Eine Ausscheidung von täglich bis zu 10 L verdünntem, geschmacklosem Harn ist feststellbar. Aufgabe E2.7 Vasopressin: RAAS: ANF: Reagiert nicht, da die Osmolarität im Körper konstant bleibt. Renin wird auf Grund des verringerten Volumens ausgeschüttet. Ausschüttung kommt zum Erliegen, da das Volumen ab nimmt. A13 ANHANG Lösungen zu den Aufgaben 2.3 Kapitel 1: Hilfe beim Wasserlösen: Diuretika Aufgabe 1.1 Diuretika-Klasse Angriffsort im Nephron Strukturmerkmal Osmotische Diuretika Proximaler Tubulus Polyalkohole Carboanhydratase-Hemmer Proximaler Tubulus Aromatischer Ring Sulfonamidgruppe (-SO2NH2) Thiazid-Diuretika Distaler Tubulus Wie Carboanhydratase-Hemmer Zusätzlich –Cl in o-Stellung zur Sulfonamidgruppe im Ring Schleifen-Diuretika Dicker Teil der HenleSchleife Unterschiedlich; Furosemid-Typ mit Sulfonamidgruppe Aldosteron-Antagonisten Distaler und proximaler Tubulus Steroidstruktur Cycloamidin-Derivate Ende des distalen Tubulus; Beginn des Sammelrohrs Xanthin-Derivate Glomerulus + 1 & 1 1 1 & 1 1+ Xanthin Aufgabe 1.2 Das RAAS wirkt vor allem auf den proximalen Tubulus, Triamteren hingegen auf den distalen Tubulus und das Sammelrohr. Ist das RAAS aktiv, sinkt das Wasserangebot an den distalen Tubulus stark ab. Triamteren kann seine Wirkung nicht mehr entfalten, da durch diesen Teil des Nephrons nur noch wenig Wasser fliesst. Aufgabe 1.3 Bei einer Monotherapie mit einem Schleifendiuretikum kann im distalen Tubulus eine verstärkte kompensatorische Reabsorption auftreten. Aufgabe 1.4 Durch das Ausscheiden von Hydrogencarbonationen stehen diese dem extrazellulären Raum nicht mehr zur Verfügung. Dies kann zu einer Acidose führen. Aufgabe 1.5 Aldosteron bewirkt, dass neue Proteine gebildet werden (Natriumkanäle, NaK-ATPase und Enzyme des Citratcyklus). Ist kein Aldosteron mehr vorhanden, kommt die Biosynthese dieser Proteine grösstenteils zum Erliegen. Die „alten“ Proteine können aber noch eine Zeit lang ihre Funktion erfüllen. Aufgabe 1.6 Die Weiterleitung der Reize in einem Neuron erfolgt durch unterschiedliche Elektrolytkonzentrationen innerhalb und ausserhalb des Neurons. Durch die Anwendung von Diuretika werden Elektrolyte ausgeschieden, und der Nerv kann die Signale nicht mehr richtig zu den Muskeln leiten. Aufgabe 1.7 A14 ANHANG Lösungen zu den Aufgaben Vor allem zur Gewichtsreduzierung bei Sportarten mit Gewichtsklassen bei denen ein tieferes Startgewicht von Vorteil ist (Skispringen, Jockey, Hochsprung). Ferner werden sie zum Ausschwemmen anderer Dopingsubstanzen aus dem Körper verwendet. A15 ANHANG Lösungen zu den Aufgaben 2.4 Exkurs 3: Aua – das schmerzt Aufgabe E3.1 Protonen: Kaliumionen: Acetylcholin: Histamin: Serotonin: Kinine: Prostaglandine: Wenig potenter Schmerzstoff, da die Konzentration unter 10-3 mmol/L (10-3 mg/L) sinken muss Werden bei einer Zellschädigung ausgeschüttet, und entfalten ihre Wirkung bei einer Konzentration über 20 mmol/L (782 mg/L) Ist sowohl Neurotransmitter als auch schwacher Schmerzstoff, und verstärkt die Wirkung anderer Schmerzstoffe. Ist sowohl Neurotransmitter als auch schwacher Schmerzstoff mit einer Wirkungskonzentration von 9 • 10-8 mmol/L (10-5 mg/L) Ist sowohl Neurotransmitter als auch Schmerzstoff mit der kleinsten Wirkungskonzentration unter den Neurotransmittern Peptide mit starker Schmerzwirkung Sensibilisieren die Schmerzrezeptoren und sind für den Dauerschmerz verantwortlich Aufgabe E3.2 Reiz von Aussen Rückenmark Reflex Weiterleitung an das Hirn Hemmung Verarbeitung Aktivierung des endogenen schmerzhemmenden Systems Ausschüttung von Endorphinen Aufgabe E3.3 Schmerz ist eine Reaktion zur Verhinderung einer Verletzung, und veranlasst uns, den betroffenen Körperteil zu schonen, damit die Heilung unterstützt wird. Aufgabe E3.4 Die absteigenden Bahnen können durch eine schmerzhafte Stimulation aktiviert werden, so dass es am Schluss zu einer Freisetzung von Endorphinen führt. A16 ANHANG Lösungen zu den Aufgaben Aufgabe E3.5 KHPPHQGHV,QWHUQHXURQ 5FNHQPDUN 6WUHFNHUHUVFKODIIW 6FKPHU] %HXJHUNRQWUDKLHUW JUDXH6XEVWDQ] ZHLVVH6XEVWDQ] DNWLYLHUHQGHV,QWHUQHXURQ 6LJQDO]XP+LUQ 6FKPHU]KHPPHQGHV6LJQDO Aufgabe E3.6 Die Störung der Myelinisierung bewirkt eine verminderte Leitungsgeschwindigkeit der Nervenimpulse. Dies äussert sich im ersten bis dritten Lebensjahrzehnt in zunehmender symmetrischer Muskelschwäche und Gewebeschwund. A17 ANHANG Lösungen zu den Aufgaben 2.5 Kapitel 2: Wie Schmerzen mit einem Lächeln weggesteckt werden können - Analgetika Aufgabe 2.1 Dihydrocodein hat eine Doppelbindung weniger, hat also zwei Wasserstoff angelagert. Aufgabe 2.2 Morphin-Derivate: Pethidin- und Methadon-Gruppe: Morphin mit seinem Fünf-Ringe-System Pethidingruppe nur ein Wirkstoff auf dem Markt. Methadongruppe: zwei Benzolringe über ein C verknüpft. Fentanyl-Gruppe: 2 & & + 1 1 5 Partielle Opiat-Agonisten: & + & + 5 Unterschiedliche Strukturen Aufgabe 2.3 Opioide Analgetika besetzen die Rezeptoren der Endorphine, die nicht-opioiden Analgetika haben unterschiedliche Angriffspunkte, obschon sie wahrscheinlich häufig die Cyclooxigenase hemmen. Aufgabe 2.4 Auswahl aus folgenden Punkten: Ó Herabsetzung des Schmerzempfindens. Ó Reduktion der geistigen Aktivität. Ó Beseitigung von Konflikt- und Angstgefühlen. Ó Erhöhung, z.T. aber auch eine Absenkung (je nach Patient) der Stimmungslage. Ó Hemmung des Atem- und Hustenzentrums. Ó Bei der erstmaligen Einnahme eine Stimulation des Brechzentrums. Später wird das Brechzentrum gehemmt. Ó Verengung der Pupille. Ó Freisetzung von Vasopressin. Ó Toleranzentwicklung und Abhängigkeit. Ó Verzögerung der Magenentleerung. Ó Krampfartige Verstopfungen. Ó Kontraktion des Schliessmuskels im Bereich der Gallenwege. Ó Steigerung der Spannung der Harnblasenmuskulatur und des Blasenschliessmuskels. Ó Verringerung der Spannung der Blutgefässe. Ó Hautrötung und Juckreiz. Aufgabe 2.5 Sie wird reduziert. Opiate besetzen die gleichen Rezeptoren wie die Endorphine und führen zu Verstopfungen. Werden also die Opiatrezeptoren im Darm durch Endorphine oder durch Opiate besetzt, wird die Aktivität des Gastrointestinaltraktes reduziert. Aufgabe 2.6 Codein kommt vor allem als Hustenmittel zum Einsatz. Es muss im Körper zuerst zu Morphin demethyliert werden, damit es als Schmerzmittel wirken kann. In der Zwischenzeit kann aber eine beträchtliche Menge an Codein bereits zu Abbauprodukten metabolisiert worden sein, bevor sie zu Morphin demethyliert werden. Acetylsalicylsäure, der Wirkstoff im Aspirin, hat keine direkten Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem und kann deshalb nicht so effektiv wirken, wie diejenigen Schmerzmittel, die direkt die Endorphinrezeptoren besetzen. A18 ANHANG Lösungen zu den Aufgaben Aufgabe 2.7 Codein hat eine Wirkungsdauer von 4 – 5 Stunden, während die Halbwertszeit von Methadon bei 15 bis 30 Stunden liegt. Methadon kann sich deshalb im Körper anreichern, während Codein bereits ausgeschieden ist. Aufgabe 2.8 Damit der Körper über den Urin entgiftet werden kann, muss die Substanz wasserlöslich sein. Codein ist jedoch hydrophob. Erst durch das Anhängen eines Zuckers wird Codein hydrophil. Aufgabe 2.9 Bei Schmerz erzeugenden Tätigkeiten kann der Körper diese Schmerzen durch körpereigene Substanzen, den Endorphinen unterdrücken. Diese Endorphine besetzen alle Opiatrezeptoren im Körper, was zu einem rauschähnlichen Zustand führen kann. A19 ANHANG Lösungen zu den Aufgaben 2.6 Kapitel 3: Praktikumsanleitungen Aufgabe 3.1 Die Kälte- bzw. Wärmerezeptoren haben sich an die veränderte Temperatur (10 °C bzw. 40 °C) gewöhnt, und die Schmerzrezeptoren waren bei dieser Temperatur noch nicht aktiv. Beim Wechsel in das 27 °C warme Wasser werden die Temperaturrezeptoren wieder aktiv, jedoch auf unterschiedliche Weise: Eine Hand empfindet das Wasser warm, die andere kühl. A20 ANHANG Lösungen zu den Aufgaben 3 LÖSUNGEN DER AUFGABEN MODUL III 3.1 Exkurs: Der Computer im Mensch – das Nervensystem Aufgabe E1.1: Hormonrezeptoren haben eine grössere Affinität, da die Ligandenkonzentration viel kleiner ist und diese Rezeptoren schon bei kleineren Konzentrationen reagieren müssen als die Rezeptoren beim synaptischen Spalt. Aufgabe E1.2: Das Signal ist räumlich und zeitlich sehr genau. Es werden keine Nachbarzellen stimuliert. Aufgabe E1.3: Transport entgegen einem Konzentrationsgradienten; Kaliumionen wollen einen Konzentrationsausgleich erreichen. A21 ANHANG Lösungen zu den Aufgaben Aufgabe E1.4 5XKHSRWHQWLDO 1D . . Kaliumionensickerkanal geöffnet $XVVFKQLWWHLQHV1HXURQV Natriumionenkanal geschlossen bzw. geöffnet + Na 'HSRODULVDWLRQ Kaliumionenkanal geschlossen bzw. geöffnet 1D . 1D . + + Na /K -ATPase . $XVVFKQLWWHLQHV1HXURQV 5HSRODULVDWLRQ 1D . . + $XVVFKQLWWHLQHV1HXURQV K Aufgabe E1.5 1D + _ + + _ _ P9 + _ . + + _ _ _ _ _ _ + + + + P9 Aktionspotential A22 + + + + + _ _ _ _ _ P9 + + _ _ ANHANG Lösungen zu den Aufgaben Aufgabe E1.6 Die Schwannschen Zellen wickeln ihre Zellmembran um die Axone. Eine Zellmembran besteht vorwiegend aus Lipiden. Deshalb hat die Myelinscheide eine hohen Lipidanteil. Aufgabe E1.7 Eine Depolarisation einer Membranregion bewirkt die Depolarisation der Nachbarregionen, unabhängig von der Richtung. Falls die Nachbarregionen im Axon, die näher beim Axonhügel sind, bereits depolarisiert waren, also der Natriumionenkanal schon geöffnet war, ist dies kurz darauf nicht mehr möglich. Das Aktionspotential wird gezielt in nur eine Richtung weitergeleitet. Aufgabe E1.8 - Motoneuron: Das Neuron endet an einem Muskel und bewirkt dessen Kontraktion. - Sensorisches Neuron: Nimmt einen Reiz (Schmerz, Licht, Druck, Schall usw.) von aussen auf, und leitet diesen weiter. - Interneuron: Fungiert als Verbindung zwischen zwei anderen Neuronen. Es kann dabei das nächste Neuron hemmen oder stimulieren. Aufgabe E1.9 Ein Molekül, das intrazellulär auf ein Signal von aussen durch ein Transmembranprotein gebildet wird und dieses Signal weitergibt. Aufgabe E1.10 Stress ist ein psychisches Problem, und somit im ZNS lokalisiert. Die Verbindung zur Peripherie erfolgt hauptsächlich durch das Nervensystem. Vor allem das durch den Sympathikus und Parasympathikus gesteuerte vegetative Nervensystem unterliegt keiner bewussten Kontrolle und kann so durch psychischen Stress gestört werden. Aufgabe E1.11 Da die Aminosäure Tryptophan der Vorläufer von Serotonin ist, steht sie bei einer Überproduktion von Serotonin den Proteinen nicht mehr zur Verfügung. Dies hat zur Folge, dass die Proteinsynthese gestört ist (Proteinämie). Betroffen sind vor allem Zellen mit einer hohen Umsatzrate wie die Darmzellen. Dies kann zu Durchfall führen. Aufgabe E1.12 750 ml/min • 60 min/h • 24 h/Tag • 0.5mmol/l : 1000 ml/l = 540 mmol Glucose/Tag 540 mmol • 0.18 g/mmol = 97.2 g Glucose/Tag 0.54 mol Glucose • 36 mol ATP/mol Glucose = 19.44 mol ATP 25 % unserer empfohlenen Kohlenhydratzufuhr verbraucht ein Organ, das nur 2 % des Körpergewichts ausmacht (in Industriestaaten sind es sogar einen Drittel bis 40 %)! A23 ANHANG Lösungen zu den Aufgaben Aufgabe E1.13 In jedem Neuron müssen die K/Na-ATPasen auch bei einem Ruhepotential in dauerndem Betrieb sein. Diese Membranproteine verbrauchen also dauernd ATP. Aufgabe E1.14 Die unzureichende Myelinisierung der Neuronen bewirkt eine abnehmende Nervenleitgeschwindigkeit. Dies hat bei den Motoneuronen zur Folge, dass sie unzureichend funktionieren, was wiederum zu einer Muskelschwäche in den Beinen und Armen führt. Zusätzlich wird eine Abnahme der Grösse des Gewebes beobachtet. Aufgabe E1.15 Steigerung: Das Medikament muss den Acetylcholinrezeptor stimulieren können, d.h. es muss eine ähnliche Struktur haben wie Acetylcholin; Das Medikament hemmt die Acetylcholinesterase (Beispiel: das Nervengift Sarin). Hemmung: Der Rezeptor für Acetylcholin wird gehemmt, d.h. ein anderes Molekül geht in das aktive Zentrum des Rezeptors, ohne eine Wirkung zu erzielen; die Freisetzung von Acetylcholin wird gehemmt; das Medikament verhindert die Aufnahme von Cholin in das Axon. Aufgabe E1.16 Alle Symptome, die gegenteilig zur Acetylcholingabe sind: • Das Auge kann sich nicht mehr auf einen Gegenstand konzentrieren (Akkomodationslähmung), • Pupillenerweiterung, • Doppeltsehen, • Herabhängendes Oberlid, • Sprachstörungen, • Schluckstörungen, • Muskelschwäche und Herzstillstand, • Atemnot und Atemlähmung, • Krämpfe. A24 ANHANG Lösungen zu den Aufgaben Aufgabe E1.17 Verabreichung von Acetylcholinantagonisten. Dopamin verabreichen (dabei muss beachtet werden, dass Dopamin die Blut-Hirn-Schranke nicht passieren kann. Es muss deshalb Dopa, eine Vorläufersubstanz, die diese Schranke überwindet, gegeben werden). 3.2 Kapitel 1: Stimulantien Aufgabe 1.1 Als Stimulans wirkt Cocain aufpeitschend, als Lokalanästheticum betäubend. Aufgabe 1.2 a) Gemeinsames Element aller Moleküle NH b) Die beiden Hydroxygruppen am Benzolring. c) Adrenalin hat drei Hydroxygruppen im Molekül, welche Wasserstoffbrücken ausbilden können. Im Amphetaminmolekül fehlen diese Gruppen, daher sind die zwischenmolekularen Kräfte kleiner. Aufgabe 1.3 NH2 O NH O Amphetamin Ecstasy NH Å Gemeinsam ist das Element: Zwei Unterschiede bestehen zwischen den Molekülen: Am Stickstoffatom sind im Amphetaminmolekül zwei Wasserstoffatome gebunden, im Ecstasymolekül eine Methylgruppe und ein Wassersoffatom Beim Ecstasy-Molekül findet man am Benzolring eine Methylendioxy-Gruppe -OCH2O-. Aufgabe 1.4 Beide Moleküle weisen einen 6-Ring an einem 5-Ring auf, die Verteilung der Stickstoffatome in den beiden Ringen ist identisch. A25 ANHANG Lösungen zu den Aufgaben 3.3 Kapitel 2: Beta-Sympatholytica Aufgabe 2.1 NH2 OH Dieser Molekülteil ist in allen Betablockern und im Noradrenalinmolekül enthalten. Aufgabe 2.2 Coffein bildet nadelförmige Kristalle. Häufig bilden sich Sterne aus mehreren Kristallnadeln, welche vom gleichen Zentrum aus wachsen. Aufgabe 2.3 Variante 1: Verdrängung der Neurotransmitter aus den Vesikeln und Behinderung des Rücktransports ins präsynaptische Neuron: Amphetamin (im Gehirn und im Sympathicus) Variante 2: Besetzung des Rezeptors ohne einen Reiz auszulösen: Betablocker (z. B. Propanolol) (im Symphathicus) Variante 3: Auslösen des Reizes am Rezeptor des postsynaptischen Neurons: Beta-Sympathomimetica (im Symphathicus) Aufgabe 2.4 Die Pflanze ist nicht nährreich, sie unterdrückt bloss das Hungergefühl. Der Körper wird in einen höheren Wachheitszustand versetzt, so dass die Indianer tagelang arbeiten können. A26 ANHANG Lösungen zu den Aufgaben 4 LÖSUNGEN DER AUFGABEN MODUL IV 4.1 Kapitel 1: Alkohol Aufgabe 1.1 *OXFRVH Hefe anaerob Leber 3\UXYDW &2 (WKDQRO 3\UXYDW (WKDQDO /DFWDW /DFWDW Muskel anaerob +&2 (WKDQRO (WKDQDO (VVLJVlXUH $FHW\O&R$ &2 &LWUDWF\NOXV (O (O &2 (O 2 +2 (OHNWURQHQWUDQVSRUWNHWWH Leber aerob Muskel und Hefe aerob A27 + ANHANG Lösungen zu den Aufgaben Hinweis: - Es treten nicht nur Elektronen aus dem Citratcyklus in die Elektronentransportkette ein, sondern auch aus der Glykolyse. - Am Schluss der Elektronentransportkette werden 12 Wasser-Moleküle gebildet, obschon in der Summengleichung nur 6 Wasser-Moleküle auftreten (C6H12O6 + 6 O2 → 6 CO2 + 6 H2O). Der Grund liegt darin, dass auch schon während der Glykolyse und im Citratcyklus 6 H2O verbraucht werden. Aufgabe 1.2 Fettleber wegen a) Acetyl-CoA und NADH begünstigen Fettaufbau und b) Acetaldehyd hemmt die Synthese von Apolipoproteinen, die Fett wegtransportieren würden. Acetaldehyd zerstört die Mitochondrien und das Zellskelett → Tod der Zellen und Bildung von Bindegewebe. Aufgabe 1.3 - Leberzirrhose Verminderung von Gerinnungsfaktoren Gicht Pankreatitis Störung der Blutzuckerregulation Erweiterung der Adern Wenig rote Blutkörperchen aufgrund eines Folsäuremangels Störung der Sexualhormone Aufgabe 1.4 + + + + & & & & + + + + 2 + + & + + & + + + 6 2 + & & + + + + 2 2 2 + 2 + + 2 6 2 2 + 2 + + + 2 + + & & + + + + & & + + + 2 2 6 2 2 + 2 2 + 2 + 6 2 2 + Aufgabe 1.5 Auf die GABAA- und Glutamat-Rezeptoren. Die durch Alkohol stimulierten GABA-Rezeptoren wirken inhibitorisch auf das nächste Neuron. Auf die stimulierenden Glutamat-Rezeptoren A28 ANHANG Lösungen zu den Aufgaben hingegen wirkt Alkohol hemmend. Insgesamt ergibt sich so ein stark hemmender Effekt auf das Gehirn, wie es auch bei Narkosemitteln der Fall ist. Aufgabe 1.6 Getränk 20 g Alkohol 70 g Alkohol Bier 4 dl 1.4 L Wein 12/3 dl 55/6 dl Schnaps 0.5 dl 1.75 dl Aufgabe 1.7 Unruhe: Das Gehirn kompensierte bei den GABA- und Glutamatrezeptoren die Alkoholwirkung und ist bei einer Absetzung überstimuliert. Halluzinationen: Dafür wird der für die Bewustseinswahrnehmung verantwortliche Neurotransmitter Dopamin verantwortlich gemacht. Kreislaufkollaps: Wird durch die unterschiedlichsten Wirkungen des Alkohols auf den Körper verursacht (Bluthochdruck, giftige Stoffe, Neurotransmittersystem im Gehirn). Aufgabe 1.8 Erste Minuten: Alkohol wird über den Magen (zu einem sehr kleinen Teil auch schon über die Mundschleimhäute) aufgenommen. Danach erfolgt die Aufnahme des grössten Teils des Alkohols über den Darm. Gleich zu Beginn beginnt aber auch schon der Abbau über die Leber. Nach 40 Minuten: die gesamte Alkoholmenge ist über den Darm aufgenommen; der Abbau wird jetzt auch im Gehirn sichtbar. Aufgabe 1.9 Die Plastiktonne muss luftdicht abgeschlossen sein, da die Hefe sonst die Glucose aus den Früchten vollständig zu CO2 und Wasser abbauen würde. So wird der weniger effiziente Weg zum Ethanol und CO2 gewählt. Der Schlauch verhindert einen Überdruck im Gefäss durch das entstehende CO2 (würde bei einer vollständigen Oxidation nicht passieren, da pro CO2-Molekül auch ein O2-Molekül verbraucht wird). Der Schlauch muss im Wasser enden, da so gewährleistet ist, dass keine Luft von aussen nach innen gelangt. Aufgabe 1.10 Ethylenglykol (1,2-Ethandiol) unterscheidet sich vom Ethanol lediglich durch eine OH-Gruppe und wird deshalb durch die gleichen Enzyme oxidiert wie Ethanol. Durch das Verabreichen alkoholischer Getränke kann verhindert werden, dass die Oxalsäurekonzantration zu hoch wird, da die Enzymsysteme nun zusätzlich auch mit dem Ethanol beschäftigt sind. Aufgabe 1.11 Bei einer Abnahme der Gerinnungsfaktoren im Blut aufgrund einer Leberzirrhose würde die Möglichkeit bestehen, dass eine Blutung nicht mehr gestillt werden könnte. A29 ANHANG Lösungen zu den Aufgaben 4.2 Kapitel 2: Cannabis Aufgabe 2.1 2+ * * 2 Aufgabe 2.2 THC Anandamid phenolischer O O der Hydroxylgruppe vom Ethanolamin Pyran-O O der Amidgruppe C3 C15 C5‘ C20 Aufgabe 2.3 - - Beeinflussung der Cytokine mit folgenden möglichen Auswirkungen (Dosisbeeinflusst): Schockzustand Katalepsie Abtötung von Tumoren Immunsuppression oder Stimulierung des Immunsystems Erhöhte Verbrennung von Glucose Beeinflussung gewisser Hirnregionen (Hypothalamus, Hypophyse, psychomotorisches Zentrum) mit folgenden peripheren Auswirkungen: Sexualhormonespiegel werden verändert Analgetikum Aufgabe 2.4 Früher verwendete man dazu die Destillation oder Vakuumdestillation. Bei Normaldruck verdampfen die Cannabinoide etwa bei 250 °C. Dabei werden aber viele Stoffe auf Grund der hohen Temperaturen verändert. Heute werden die Cannabinoide wegen ihres lipophilen Charakters meist mit einem organischen Lösemittel mit tiefem Siedepunkt (Diethylether, Chloroform, Hexan, Ethanol, Aceton) am Rückfluss extrahiert und anschliessend filtriert, damit die Pflanzenteile zurück bleiben. Danach wird das Lösemittel verdampft. Aufgabe 2.5 Nein, höchstens sehr kurz. Anandamid wird aktiv im Körper wieder abgebaut. Aufgabe 2.6 Da die Basalganglien für die Motorik verantwortlich sind, werden motorische Funktionen beeinflusst. A30 ANHANG Lösungen zu den Aufgaben 4.3 Kapitel 3: Praktikumsanleitungen Aufgabe 3.1 Bei einer Destillation lässt sich oft nicht die reine Substanz gewinnen, sondern nur ein sogenanntes Azeotrop. Die Daten für das Azeotrop Ethanol-Wasser sind wie folgt: 1 atm: H2O : Ethanol = 4.4 : 95.6 Siedepunkt: 78.2 °C Dichte: 0.804 kg/L 95 mm Hg: H2O : Ethanol = 0.5 : 99.5 Siedepunkt: 33.4 °C Dichte: 0.792 kg/L A31 ANHANG B Glossar ANHANG B: Glossar In diesem Teil werden einige im Text vorkommende Begriffe erklärt. Für Interessierte sind die Erläuterungen jedoch absichtlich nicht zu knapp gehalten, so dass ein grösserer Zusammenhang hergestellt werden kann. Nicht enthalten in diesem Glossar sind Begriffe, die bereits im Text ausführlich erläutert werden. Adrenalin: Hormon / Neurotransmitter. Wird in den Nebennieren gebildet., OH NH HO OH [C9H13NO3, M=183,2 g/mol]. Agonist: gr.: Teilnehmer an einem Wettkampf oder einem Streitgespräch. In der Medizin ein Stoff, der ein bestimmtes Wirkungsspektrum hat. Alkaloide: Bezeichnung für vorwiegend in Pflanzen auftretende basische Naturstoffe mit einem oder mehreren, meist heterocyklisch eingebauten N-Atomen im Molekül, die häufig eine ausgeprägte pharmakologische Wirkung haben. Ausser dem natürlichen Vorkommen der Alkaloide lässt sich kein allgemeines Charakteristikum angeben, und es ist damit unmöglich, diese Stoffklasse eindeutig von chemisch ähnlichen N-haltigen Substanzen (z.B. Aminen, Nukleosiden, Aminosäuren etc.) abzugrenzen. Mothes schlug 1950 die folgende Definition vor: „Alkaloide sind klassische Pflanzenstoffe mit vorwiegend heterozyklisch eingebautem basischem Amin-Stickstoff, die eine starke, meist sehr spezifische Wirkung auf verschiedene Bezirke des Nervensystems besitzen.“ In der Einteilung der Alkaloide herrscht keine Einheitlichkeit. Biochemie: Im Organismus spielt NAD(P) bei der Mehrzahl der unter Dehydrierung und Hydrierung verlaufenden Prozesse die Rolle des Wasserstoff-Überträgers. Dabei wird NAD, das in vivo überwiegend in der oxidierten Form vorliegt, im Katabolismus (z.B. Glykolyse) reduziert und speist schliesslich den Wasserstoff in die Atmungskette ein. NADP, das mehr in der reduzierten Form vorliegt, wie sie z.B. bei der Photosynthese gebildet wird, liefert die im Anabolismus benötigten Reduktionsäquivalente (z.B. bei Fettsäure-Biosynthese). allosterisch: an einer anderen Stelle Alveole: Lungenbläschen NH2 N N O O P O CH2 N N O O AMP: Adenosinmonophosphat; OH OH . NH2 Amphetamin: Stimulans (Aufputschmittel); [C9H13N; M = 135.20 g/mol] ; unter Amphetaminen versteht man Derivate (Abkömmlinge) des Grundkörpers Amphetamin. B1 ANHANG B Glossar Anabolismus: Aufbaustoffwechsel; Teilgebiet des Stoffwechsels, in dem die durch den Katabolismus gelieferten Bausteine als Ausgangssubstanzen zur Synthese von Makromolekülen etc. verwendet werden. Beispiel: Gluconeogenese. Gegenteil von Katabolismus. Analgesie: Schmerzlosigkeit. Analgetika: Schmerzmittel; von griech.: an = nicht, ohne; algedon = Schmerz. Angina pectoris: Unterdurchblutung des Herzmuskels durch Krämpfe oder Verengung der Herzkranzgefässe. Anorexie: Ablehnung der Nahrungsaufnahme Antagonist: ein Gegner; in der Medizin ein Stoff, der eine Wirkung aufhebt. Antiphlogistisch: entzündungshemmend; von griech.: Phlogiston = Feuer. Antiport: Kanal, der einen Stoff im Austausch gegen einen anderen Stoff über die Zellmembran transportiert. Antipyretisch: fiebersenkend. Arteriosklerose: (griech.: skleros = hart). Bezeichnung für eine mit Verdickung und Verhärtung einhergehende chronische Erkrankung der arteriellen Gefässwand. Die verbreitetste Form der Arteriosklerose ist die Atherosklerose, welche die häufigste Todesursache in den westlichen Industrienationen darstellt. Die Gefässwandveränderungen führen durch Lipideinlagerung, Bindegewebsvermehrung und Verkalkung mit unregelmässiger Verteilung zur Wandinstabilität, Gefässverengung und zur Ablagerung von Gerinnseln. Je nach bevorzugter Lokalisation sind Durchblutungsstörungen im Gehirn (Schlaganfall), im Herzen (Herzinfarkt) und in den peripheren Arterien (arterielle Verschlusskrankheit) die Folge. Theorien zur Entstehung der Arteriosklerose beinhalten die chemische, mechanische oder immunologische Störung der Integrität der Gefässinnenwand, Störung der Wachstumskontrolle von glatten Muskelzellen der Gefässwand und Beeinträchtigung des Abbaus gealterter Zellbestandteile. Als ursächliche Bedingungen der Arteriosklerose-Entstehung gelten Faktoren, die häufig mit der Arteriosklerose korreliert sind, die sogenannten Risikofaktoren. Nach diesem Konzept erhöhen abgesehen von Alter und genetischen Faktoren vor allem Hyperlipidämie, Hypertension, Zigarettenrauchen, erhöhter Blutzuckerspiegel und Diabetes mellitus, Fettsucht und physische Inaktivität das Erkrankungsrisiko. Eine Behandlung der Arteriosklerose selbst ist nicht möglich, das Ziel ärztlicher Bemühungen ist die Vorbeugung durch Verminderung der RisikofaktorenATPase: Protein, das für seine Funktion Energie in Form von ATP braucht. Arthritis: Gelenkentzündung Asthma: Erkrankung der Bronchien. Bei einem Anfall verkrampfen sich die Bronchien, was zu Atemnot führt. Beta-Blocker (β -Blocker): Im vegetativen Nervensystem wirkende Medikamente, welche Nervositätssymptome vermindern. Strukturelement aller Beta-Blocker: R + NH2 O OH Beta (β-) Sympathomimeticum: Bronchienerweiterndes Asthmamedikament. B2 ANHANG B Glossar Blut-Hirn-Schranke: Umhüllung von Blutgefässen, welche den Übertritt von grossen und geladenen Molekülen vom Blut ins Gehirn verhindert. Kleine unpolare Moleküle können durch die Blut-HirnSchranke diffundieren. NH2 N O O P CH2 O O cAMP: cyclisches Adenosinmonophosphat (second messenger). N O N N OH Chromatin: Bezeichnung für das aus Zellkernen der Interphase (in der Mitose) gewinnbare, mit basischen Farbstoffen anfärbbare fädige Material (daher Name von griech.: chroma = Farbe), das während der Kernteilung in verdichteter Form als Chromosomen vorliegt. Es besteht qualitativ aus Desoxyribonukleinsäuren (DNA), Proteinen, und zwar 5 verschiedenen Histonen sowie Nicht-HistonProteinen, zu denen z.B. spezifische Enzyme gehören, sowie geringen Anteilen an Ribonukleinsäuren, die teils als Matrizen für die Protein-Biosynthese dienen, vermutlich aber auch regulatorische Funktionen ausüben. O O N O O Cocain (Kokain): Stimulans [C17H21NO4; M = 303.35 g/ mol]. O H3C O Coffein (Koffein): Stimulans CH3 N N N CH3 N [C8H10N4O2; M=194,19 g/mol]. Colitis ulcerosa: geschwürige Dickdarmentzündung Coubertin, Pierre Baron de: *Paris 1.1.1863, ú Genf 2.9. 1937, französischer Historiker. Begründer der modernen Olympischen Spiele (1896 Athen). Cytokine: Mediatoren, d.h. Moleküle, die von Zellen des Immunsystems und z.T. auch von Gewebezellen freigesetzt werden, relativ lokal auf andere Zellen wirken und relativ kurzlebig sind (Gewebshormone). Dehydratation: chemisch: Abspaltung eines oder mehreren Wassermolekülen; pathophysiologisch: Entwässerung. Denaturierung: In der Biochemie versteht man unter Denaturierung allgemein eine durch chemische oder physikalische Einwirkung hervorgerufene Strukturänderung (z.B. Gerinnung), durch welche die biologischen Eigenschaften (z.B. enzymatische Wirkung oder Hormonwirkung) verloren gehen und die Löslichkeit in Wasser stark verringert wird. Die Denaturierung entspricht dem Übergang von einem hochgeordneten in einen ungeordneten Zustand (engl.: random coil). Bei der DNA versteht man unter Denaturieren das Schmelzen bzw. Lösen der beiden komplementären Stränge. B3 ANHANG B Glossar Derivat: Eine Verbindung welche sich in der Molekülstruktur nur wenig von einer andern unterscheidet. Diabetes mellitus: Stoffwechselkrankheit. Der Abbau von Glucose wird nicht richtig gesteuert. Differenzierung: In der Biologie Bezeichnung für die Tatsache, dass sich bei vielzelligen Lebewesen bei der Entwicklung von der Eizelle zum ausgewachsenen Organismus die Zellen in unterschiedlicher Weise nach Aussehen und Funktion verändern und damit den unterschiedlichen Aufgaben der Organe und Gewebe, die sich aus ihnen zusammensetzen, gerecht werden. Dabei ändert sich im allgemeinen nicht der Genbestand der Zellen, sondern es kommt zu einer differentiellen Regulierung der Genaktivität (Transkriptionsaktivität, Genexpression), so dass auf dem Weg über Transkription und Protein-Biosynthese (Translation) für verschiedene Zellen jeweils verschiedene Protein-Bestände realisiert werden. Dilatation: Erweiterung. Distal: weiter von der Körpermitte (bei Blutgefässen vom Herz) gelegen. Diurese: Harnausscheidung. Diuretika: Medikament, das die Harnausscheidung erhöht. NH2 HO Dopamin: Neurotransmitter im Gehirn OH [C8H11NO2; M=153,18 g/mol]. Doping: Doping ist die beabsichtigte oder unbeabsichtigte Verwendung von Wirkstoffen aus verbotenen Substanzklassen und von verbotenen Methoden (Medizinischer Code des IOC). Die Dopingliste ist eine offene Liste. Dyskinesie: motorische Fehlfunktion. Dysmenorrhoe: schmerzhafte Regelblutung Ecstasy: Designerdroge, Entaktogen: O O NH [C11H15NO2; M=193,24 g/mol]. Elektrolythaushalt: Bezeichnung für den durch Aufnahme und Ausscheidung geregelten Bestand an Elektrolyten (Säuren, Basen, Salze; also Verbindungen, die in wässriger Lösung zu Ionen reagieren), im Organismus sowie dessen Regulation, die in einem Zusammenhang mit dem Wasserhaushalt steht. ELISA: Der Name dieses Verfahrens stammt aus dem englischen Enzyme Linked Immuno-Sorbent Assay. Es handelt sich dabei um ein immunologisches Nachweisverfahren, welches auf der Reaktion des zu bestimmenden Antigens (Ag) mit spezifischen Antikörpern (Ak) beruht. Der Vorteil solcher Immunoassays besteht in der Einfachheit ihrer Durchführung und in der hohen Spezifität und Empfindlichkeit (die Nachweisgrenze liegt im Pikomol-Bereich; 10-12 mol). Im Prinzip lassen sich mit Immunoassays sämtliche Substanzen nachweisen, gegen die Antikörper erzeugt werden können. Das weit verbreitete ELISAB4 ANHANG B Glossar Verfahren vereint die hohe Spezifität der Immunreaktion mit der Empfindlichkeit einfacher, spektrophotometrisch auswertbarer Enzymtests. Es handelt sich dabei um eine Festphasentechnik, bei welcher das Antigen – entweder durch direkte Adsorption oder über einen weiteren Antikörper (sandwich assay) an die feste Phase gebunden wird (heute meist in den Vertiefungen einer Mikrotiter-Platte). Nach Behandlung (Inkubation) mit dem Immunreagenz, dessen Überschuss durch einfaches Spülen entfernt werden kann, wird das Ag mittels einer Farbreaktion nachgewiesen. Alternativ können durch entsprechende Abwandlung der Methode Antikörper-Konzentrationen bestimmt werden. Embolie: Verlegung eines Gefässlumens; die Ablösung eines Thrombus im venösen System und seine Verschleppung in ein entfernt gelegenes System, vor allem in die Lunge, führt zur Embolie. Endogen: körpereigen; im Körper. Endokrin/parakrin: Werden Hormone von den Drüsenzellen in die Blutbahn abgegeben und wirken sie entfernt vom Bildungsort, spricht man von endokriner Sekretion bzw. endokriner (hormonaler) Wirkung im engeren Sinn. Beeinflussen sie dagegen benachbarte Zellen, so wird von parakriner Sekretion bzw. Wirkung gesprochen. Manche Hormone weisen sowohl endokrine wie parakrine Effekte auf. Embolie: Verlegung eines Gefässlumens; die Ablösung eines Thrombus im venösen System und seine Verschleppung in ein entfernt gelegenes System, vor allem in die Lunge, führt zur Embolie. Endogene, paranoide Schizophrenie: Psychische Krankheit, welche nicht durch äussere Einflüsse ausgelöst wurde (endogen). Äussert sich durch Angstzustände, oft in einer Form von Verfolgungswahn. Entaktogen: Droge, welche „innere Berührungen hervorruft“. OH NH Ephedrin: Bronchienerweiternder Stoff, [C10H15NO, M=165,23 g/mol]. Epithel: oberste Zellschicht der Haut. Erythrocyten: rote Blutkörperchen. Rotgefärbte, bei den Säugetieren und dem Menschen kernlose Zellen, die den grössten Anteil der zellulären Elemente des Blutes ausmachen. Die Erythrocyten des Menschen sind bikonkave Scheiben mit einem Durchmesser von ca. 7,4 mm und einer Dicke von ca. 2,5 mm. Durch diese Form entsteht eine Gesamtoberfläche der zirkulierenden Erythrocyten von 3500 m2. Etwa 95 % des Trockengewichtes der Erythrocyten bestehen aus Hämoglobin. Mit Hilfe der Eigenschaft des Hämoglobins, Sauerstoff reversibel zu binden, versorgen die Erythrocyten über die Blutzirkulation die Gewebe mit Sauerstoff. Die Konzentration der Erythrocyten im Blut beträgt 4,5 - 5,9 Millionen pro mL, abhängig von Geschlecht, Alter und Sauerstoff-Bedarf. Die Produktion der Erythrocyten (Erythropoese) findet im Knochenmark statt, wo sie durch Zellteilungen und Reifungsvorgänge aus sogenannten Stammzellen über verschiedene Zwischenstufen hervorgehen. Hierbei sind regulatorische Polypeptide wie das Erythropoietin als Wachstumsfaktoren beteiligt. Nach Verlust des Kernes werden die Erythrocyten in die Zirkulation entlassen und verlieren bei der weiteren Reifung Ribosomen und Mitochondrien und damit die Fähigkeiten zur Zellteilung, Protein-Synthese und oxidativen Phosphorylierung. Der Energielieferant für die Erythrocyten ist im wesentlichen Glucose, die zum grössten Teil über die Glykolyse zu Laktat abgebaut wird, wobei im Nebenweg 2,3-Diphosphoglycerat entsteht. Dieses kann die Sauerstoff-Affinität des Hämoglobins verändern. Ein kleiner Teil der Glucose wird über den Pentosephosphat-Weg metabolisiert. Das Tripeptid Glutathion, das in Erythrocyten in hoher Konzentration vorliegt, schützt Enzyme, das Hämoglobin und die Zellmembran vor Oxidation. B5 ANHANG B Glossar Die Membran der Erythrocyten besteht aus einer oberflächlichen Lipid-Doppelschicht sowie einem innen angelagerten Membranskelett aus Protein-Elementen. An der äusseren Oberfläche der Erythrocyten sind Glykolipide und Glykoproteine wie Blutgruppen-Antigene, Rezeptoren oder Transportproteine fixiert. Nach einer mittleren Überlebenszeit von 120 Tagen werden die Erythrocyten durch Zellen des retikuloendothelialen Systems in Milz, Leber und Knochenmark abgebaut. Dabei wird das aus dem Hämoglobin freiwerdende Eisen in Form von Ferritin gespeichert, das Porphyrin-Gerüst zu den Gallenfarbstoffen abgebaut und ausgeschieden, der Protein-Anteil in Aminosäuren gespalten und in den Stoffwechsel eingeschleust. Essentiell: Von lat.: essentia = Wesen abgeleitetes Adjektiv für „lebensnotwendig“. Als essentielle Stoffe werden in der physiologischen Chemie solche Substanzen bezeichnet, die für einen Organismus unentbehrlich sind, die er aber nicht selbst synthetisieren kann, so dass sie (oder wenigstens ihre Vorstufen) ihm als Nahrungsbestandteile zugeführt werden müssen. Für den menschlichen Organismus sind dies eine Reihe von Aminosäuren, bestimmte Fettsäuren, einige Spurenelemente und die meisten Vitamine; letztere werden teilweise als prosthetische Gruppen von Enzymen beansprucht. – Im weiteren Sinn nennt man in der Enzymologie solche Aminosäure-Reste und funktionellen Gruppen essentiell, die für die Katalyse unverzichtbar sind. Exogen: von aussen; nicht im Körper hergestellt. Extrazellulär: ausserhalb der Zelle. Fetus: Bezeichnung für die Frucht im Mutterleib nach Abschluss der Organogenese (Entwicklung der Organe), d.h. im Anschluss an die Embryonalentwicklung bis zum Ende der Schwangerschaft. Gallenflüssigkeit, Galle: Sekret der Leber, das beim Menschen und einigen Tieren in der Gallenblase gesammelt wird und durch Wasserrückresorption eingedickt wird. Neben 75 – 99 % Wasser sind die wichtigsten Bestandteile die Gallensäuren, welche die Fette im Speisebrei emulgieren und damit verdaubar machen. Ausserdem enthält die Galle eine Reihe körpereigener und –fremder Substanzen, meist Glukuronide wie Hormone (Steroidhormone, Insulin) und Medikamente, sowie einen geringen Anteil Cholesterin. Gallensteine: Konkremente (feste Masse, die durch Ausfällung vorher gelöster Stoffe in Hohlkörpern oder im Gewebe gebildet wird) in der Gallenblase oder den Gallengängen. Die meisten Gallensteine (80%) sind Cholesterinsteine oder bestehen aus einem Gemisch aus zum grössten Teil Cholesterin und CalciumSalzen, Gallensäuren, Gallenpigmenten, Fettsäuren und Phospholipiden. 20% der Gallensteine sind Pigmentsteine und bestehen aus Calciumbilirubinat ohne grösseren Cholesterin-Anteil. Die Entstehung von Gallensteinen wird durch Veränderungen in der Zusammensetzung der Gallenflüssigkeit begünstigt. Ihre Grösse reicht vom feinen Gallengries bis zum einzelnen, die ganze Gallenblase ausfüllenden Stein. Gallensteine können zu Entzündungen der Gallenblase und durch Verschluss des abführenden Ganges zu Gallenstau und Koliken führen. Gallensteinleiden werden chirurgisch durch Entfernung der Gallenblase oder medikamentös durch Auflösung behandelt. Zudem bietet sich die Möglichkeit der Steinzertrümmerung von aussen. Gastrointestinal: Magen und Darm betreffend. Gelbkörper: Corpus luteum; Bildungsort der Gestagene. Der Gelbkörper entsteht nach der Ovulation (siehe dort) in den Ovarien (Eierstöcken) aus dem gesprungenen Follikel (siehe MenstruationsyklusLernprogramm). Genese: Entstehung. B6 ANHANG B Glossar Genexpression: Im engeren Sinne die Synthese eines vollständigen, funktionellen Polypeptids oder Proteins auf der Basis eines bestimmten DNA-Abschnitts, charakterisiert durch die Abfolge Transkription, die bei Eukaryonten stattfindende Prozessierung des primären Transkripts (Exon, Spleissen) und Translation der reifen mRNA zum Protein. – Im weiteren Sinne Bez. für die Ausprägung der genetischen Information zum Phänotyp eines Organismus, wobei verschiedene Gene auf noch bisher unbekannte Weise bei Entwicklungsprozessen zusammenwirken. Glaukom: grüner Star; krankhafte Steigerung des Augeninnendrucks mit schädigender Einwirkung auf den Sehnerv und die Netzhaut Glia-Zellen: Bindegewebszellen im ZNS mit einer Stützfunktion Glykoproteine: Aus glyk(o)... und Proteine zusammengesetzte Bezeichnung für eine grosse Gruppe im Tierund Pflanzenreich weit verbreiteter Verbindungen, die im selben Molekül Kohlenhydrate und Protein enthalten. Die Zucker-Komponenten, die mit wenigen Ausnahmen weniger als 50% des GesamtGlykoproteins ausmachen, sind über (durch Glykosidasen spaltbare) O-, N- oder esterglykosidische Bindungen mit dem Peptid-Anteil verknüpft. Sie beeinflussen die physiko-chemische Eigenschaften der Gesamt-Moleküle, indem sie Konformations-Stabilität und Beständigkeit gegen Proteinase-Verdauung (Proteolyse) sowie elektrische Ladung und Wasserbindungs-Kapazität erhöhen. Gonaden: hier: Sammelbegriff für Geschlechtsdrüsen (Keimdrüsen); Eierstöcke (Ovarien) und Hoden (Testes). Halluzinationen: Trugwahrnehmungen, die ohne reale Ursachen und Mitwirkung der Sinnesorgane zustande kommen. HDL (High Density Lipoprotein): siehe Lipoproteine. Hippies: (von engl. hip = auf dem laufenden) Blumenkinder. Hormone: (von griech.: horman = anregen). Sammelbezeichnung für eine uneinheitliche Gruppe biochemischer Substanzen, die im Organismus synthetisiert werden und an verschiedene Organe, Gewebe oder Zellgruppen, die vom Bildungsort mehr oder weniger entfernt liegen können, Signale oder Botschaften übermitteln und so auf deren Funktion bestimmte physiologische Wirkungen ausüben. Hydrolyse, hydrolytisch: (von Hydro... und ...lyse). Unter Hydrolyse versteht man eine chemische Reaktion, bei der eine Verbindung durch Einwirkung von Wasser gespalten wird, gemäss der formalen Gleichung: AB + HOH D AH + BOH Hydrophil: (von Hydro... und ...phil, wörtlich: Wasser-liebend). Der hydrophile Charakter einer Substanz wird durch ihre Tendenz bestimmt, in Wasser einzudringen und darin zu verbleiben. Synonym: lipophob, Gegensatz: hydrophob, lipohil oder apolar. Hydrophob: (von Hydro... und ...phob, wörtlich: Wasser-abstossend). Der hydrophobe Charakter einer Substanz wird durch ihre Tendenz bestimmt, nicht in Wasser einzudringen und darin zu verbleiben. Synonym: lipophil, Gegensatz: hydrophil, lipophob oder polar. Hyper-, hyper-: gr.: Über-, über-. Hyperkinetisches Syndrom: „Zappelphilipp-Syndrom“, vermutlich eine Stoffwechselstörung, tritt v.a. bei Kindern und Jugendlichen auf. B7 ANHANG B Glossar Hyperkaliämie: Zu viel Kaliumionen im Körper. Hypo-, hypo-: gr.: Unter-, unter-. Hypoglykämie: Unterzuckerung (Glucose-Konzentration im Blut zu tief). Hypophyse: (Hirnanhangsdrüse). Kleines, 0,6 g schweres Hormon-bildendes Organ von 6 mm Durchmesser am Boden des Zwischenhirns (vgl. die Abb. 1). Die Hormonausschüttung der Hypophyse wird durch den Hypothalamus, also das Zentralnervensystem, reguliert. Hypothalamus: Entwicklungsgeschichtlich alter Gehirnteil, der von der grauen Hirnsubstanz im unteren Teil des Zwischenhirnes (vgl. Abb. 1) gebildet wird. Der Hypothalamus ist ein wichtiges Integrations- und Steuerungszentrum, das Zuflüsse aus vielen Systemen erhält. Er wirkt über Bahnen zum Hirnstamm und über das Hypothalamus-Hypophysen-System auf das vegetative Nervensystem und das Hormonsystem ein. So steuert der Hypothalamus z.B. die Regulation von Körpertemperatur, Durst und Hunger, Schlaf, Hormonsekretion sowie von sexuellen Reifungsvorgängen. Seinen Einfluss übt er zum einen durch direkten Kontakt seiner Neurone (Nervenzellen) mit untergeordneten Zentren, zum anderen durch die Freisetzung von Hormonen über die Hypophyse aus. Die Ausschüttung von Hormonen der Hypophyse, die die endokrinen Drüsen des Körpers beeinflussen, unterliegt der Kontrolle durch Hormone des Hypothalamus, die je nach Wirkungsweise als Releasing- oder Inhibiting-Hormone (Freisetzungs- oder Hemm-Hormone) bezeichnet werden. Ein negatives Rückkoppelungssystem zwischen Hypothalamus, Hypophyse und endokrinen Drüsen bewirkt einen stabilen Hormonhaushalt und. wird von höheren zentralnervösen Strukturen an akute Bedürfnisse des Organismus angepasst. Elektrische Reizung bestimmter Areale im Hypothalamus löst bei Tieren Verhaltensweisen wie Abwehr- und Fluchtreaktionen, Nahrungsaufnahme oder Sexualverhalten mit ihren motorischen, vegetativen und hormonalen Komponenten aus. Ice: Designerdroge. Kristallisiertes Metamphetamin. Inhalator: Asthmaspray. Interstitium; interstitiell: bezeichnet den Raum zwischen den Zellen, also alles ausser Zellinneres und Blutbahn. Intestinaltrakt: intestinalis; zum Darmkanal gehörend. Ischämie: Blutleere von Organen bzw. Organteilen infolge mangelnder Blutzufuhr. Isoelektrische Fokussierung: (IEF, Elektrofokussierung). Von lat.: focus = Brennpunkt, Schnittpunkt abgeleitete Bezeichnung für eine Trennmethode der Elektrophorese, bei der amphotere, geladene Teilchen (z.B. Proteine, Peptide) im elektrischen Feld durch einen pH-Gradienten bis zu dem pH-Wert wandern, an dem ihre Nettoladung null ist; dieser pH-Wert wird Isoelektrischer Punkt genannt. Dieses Trennprinzip beruht also auf der pH-Abhängigkeit der Ladungseigenschaften von amphoteren, geladenen Teilchen. So enthalten z.B. Proteine Carboxy-Seitengruppen, die bei niedrigem pH-Wert als -COOH-Gruppen ungeladen und bei hohem pH-Wert als -COO¯ -Gruppen geladen sind; umgekehrt sind z.B. die AminoSeitengruppen bei niedrigem pH-Wert als -NH3+-Gruppen geladen und bei hohem pH-Wert als -NH2Gruppen ungeladen. Die Nettoladung eines Proteins resultiert aus der Summe aller Ladungen der Seitengruppen. Der pH-Wert, bei dem sich positive und negative Ladungen kompensieren, wird Isoelektrischer Punkt genannt; er ist für jedes Protein eine physiko-chemische Konstante. Kachexie: Kräfteverfall, Auszehrung. B8 ANHANG B Glossar Katabolismus: Gesamtheit derjenigen Reaktionen des Stoffwechsels (des Metabolismus), bei denen durch biologischen Abbau höhermolekulare Substanzen unter Energiegewinn in niedermolekulare Grundstoffe umgewandelt werden. Beisp.: Glykolyse. Gegenteil von Anabolismus. Katalepsie: anhaltendes Verharren in einer bestimmten – evtl. sogar unbequemen – Körperhaltung unter Erhöhung der Muskelspannung („Muskeltonus“). Kreatinin: Kreatinin bildet sich aus Kreatin, einem Muskel-Stoffwechselprodukt (Kreatinphosphat: kurzzeitige Energiespeicherform). LDL (Low Density Lipoprotein): siehe Lipoproteine. Libido: (lat.: Lust). In der psychoanalytischen Triebtheorie (Freud) entwickelter Grundbegriff für die jede Triebmanifestation begleitende psychische Energie; hierbei ist neben dem Sexualbetrieb der Aggressionstrieb beteiligt. Limbisches System: Im Innern des Gehirns liegende Strukturen. Wichtig für die Steuerung vegetativnervöser und hormoneller Vorgänge, für Affekte, Gedächtnis und angeborene Triebe. Lipide: (von griech.: lipos = Speck). Sammelbezeichnung für strukturell sehr unterschiedliche, in allen Zellen vorkommende Stoffe mit übereinstimmenden Lösungseigenschaften: Lipide sind im allgemeinen in Wasser unlöslich, amphiphile Lipide können jedoch Kolloide, Micellen oder flüssig-kristalline Phasen bilden; mit wenig polaren organischen Lösungsmittel wie Benzol, Ether oder Chloroform sind sie aus tierischem oder pflanzlichem Gewebe extrahierbar. Zu den Lipiden gehören die eigentlichen Fette und die fettähnlichen Stoffe. Man unterscheidet: 1. Einfache Lipide: Kohlenwasserstoffe (z.B. Carotinoide), Alkohole (z.B. Retinol oder Cholesterin), Ether, Carbonsäuren (Fettsäuren), Ester (z.B. Neutralfette – d.h. Mono-, Di- und Triacylglycerine oder Wachse) und Amide (Ceramide) 2. Komplexe Lipide („Organfette“ mit mehr als 2 Hydrolyseprodukte): Sieht man von den höhermolekularen Konjugaten wie den Lipoproteinen und Lipopolysacchariden ab, so verbleiben die Glykolipide und Phospholipide Physiologie: Die komplexen Lipide sind ebenso wie die oben genannten einfachen Lipide in ihren Eigenschaften, Vorkommen und physiologischen Wirkungen äusserst vielfältig. Stichworte sind etwa Membranen, Blutfette (Entstehung von Arteriosklerose) oder Lipoproteine. Ein übersichtliche Zusammenstellung der Arten, Eigenschaften und Funktionen von Lipiden findet man im Artikel von Löffler, G. (1997) Lipide in: Löffler, G. (1997) Biochemie und Pathobiochemie , SpringerVerlag zu finden. B9 ANHANG B Glossar Lipoproteine: Sammelbezeichnung für Konjugate aus Lipiden und Proteinen. Die Lipoproteine sind nicht nur am Aufbau zellulärer Membranen grundlegend beteiligt, sondern bewirken auch in Plasma und Serum den Transport der wasserunlöslichen Lipide im Blut (Lipidanteile zwischen 50 und nahezu 99%). Im Dichtegradienten einer Ultrazentrifuge lassen sich die Serum-Lipoproteine in 4 Dichteklassen auftrennen: Chylomikronen, VLDL (very low-density lipoproteins), LDL (low-density lipoproteins), HDL (high-density lipoproteins). Auf diese Lipoproteine verteilen sich die wichtigsten Lipide (Triglyceride, Cholesterin und Phospholipide) in charakteristischer Weise (siehe Tabelle): Zusammensetzung [%] Dichte [g/mL] GesamtLipide Triglyceride Cholesterin Phospholipide Chylomikronen 0.95 99 89 6 4 VLDL 0.95 – 1.006 90 60 12 18 LDL 1.006 – 1.063 75 10 50 15 LDL 1.063 – 1.210 50 5 20 25 Tabelle: Lipidzusammensetzung der Lipoprotein-Dichteklassen. Die Protein-Anteile der Lipoproteine, die sogenannten Apolipoproteine, werden kurz „Apo“ geschrieben und mit den Grossbuchstaben A–G bezeichnet. Chylomikronen treten nur vorübergehend während der Verdauung der Fette – auf. Wird besonders fettreiche Nahrung verdaut, so kann es durch sie zu einer Trübung des Blutplasmas kommen (Lipidämie). Die VLDL entstehen in der Leber. Im Blut wirkt auf sie eine Lipoprotein-Lipase, so dass sie an Triglyceriden verarmen und zu den Cholesterin-reichen LDL werden. Störungen des Lipoprotein-Stoffwechsels, die sich durch überhöhte Blutfett-Werte (Hyperlipidämien) zu erkennen geben, können verschiedene Ursachen haben . Die Bestimmung der verschiedenen Lipoproteine hat diagnostische Bedeutung für die Erkennung der spezifischen Störung. Da die LDL besonders reich an Cholesterin sind, wird ihr erhöhtes Auftreten für die Entstehung von Arteriosklerose und Herzinfarkt verantwortlich gemacht. Locus coeruleus: Kleine Stelle im Hirnstamm. Ursprung der noradrenergen Neuronen. LSD: Lysergsäurediethylamid. Droge. Lumen: Hohlraum, Innenraum. Medikation: Behandlung mit Medikamenten. Menstruation: monatliche Regelblutung, Periode. Mit Blutung einhergehende Abstossung der Gebärmutterschleimhaut während der Geschlechtsreife. Eine echte Menstruation liegt nur dann vor, wenn im vorangegangenen Zyklus ein Gelbkörper (Corpus luteum) gebildet wurde, also eine Ovulation stattfand. Metabolite: Nicht eindeutig definierter Begriff, mit dem man entweder die aus dem Stoffwechsel (Metabolismus) resultierenden oder die im Stoffwechsel umgesetzten Produkte meint. Endogene Metabolite werden durch den Organismus selbst synthetisiert (z.B. Hormone) und z.B. im Falle von Mikroorganismen auch industriell genutzt (Antibiotika), exogene Metabolite werden durch den einen Organismus erzeugt und B10 ANHANG B Glossar durch einen anderen aus der Umwelt aufgenommen (z.B. Vitamine). Arzneimittel, Gifte und dergleichen (Xenobiotika) werden meist zu Konjugaten metabolisiert und ausgeschieden. NH Methamphetamin: Stimulans, [C10H15N; M = 149,23 g/mol]. Methylxanthin: (s. Xanthin). MDMA: (s. Ecstasy). Mineralstoffe: Sammelbezeichnung für die mineralischen Bestandteile der pflanzlichen und tierischen Organismen (beim Menschen ca. 3.5 kg). Man unterscheidet sogenannte Mikroelemente mit Spurenelement-Charakter, die hauptsächlich katalytische Funktionen ausüben (F, Br, I, Fe, Cu, Mn, Co. Zn, Mo, V, Se), und die mengenmässig weit überwiegenden Makroelemente, die als Baustoffe (bei Tieren für das Skelett) unentbehrlich sind (Ca, Na, K, P, S, Mg, Cl). Bisher wurden 24 chemische Elemente als essentielle (lebensnotwendige) Wirkstoffe für den menschlichen Organismus erkannt. Die Mineralstoffe werden mit den Nährstoffen in den Organismus aufgenommen. Sie werden zu einem grossen Teil durch die natürlichen Ausscheidungen (Kot, Harn, Schweiss) oder bei vielen Pflanzen durch den herbstlichen Blattfall und Welkprozess wieder abgegeben und müssen daher ergänzt werden. Auf der Annahme, dass Krankheiten die Folge eines gestörten Mineralstoffwechsels seien, beruhte ein von dem oldenburgischen Arzt Schüssler (1821–1898) begründetes Heilverfahren, bei dem 12 anorg. Verb. (CaF2, CaSO4, KCl, K2SO4, NaCl, Na2SO4, Ca-, Mg-, K-, Na- und Fe-Phosphat, Kieselsäure) in homöopathischen Verreibung mit Laktose, meist in der 6. Potenz, zur Anwendung kamen. Den Ausgleich des Mineralhaushalts bei mehr oder weniger künstlichen Ernährungsbedingungen muss der Mensch durch entsprechende Essgewohnheiten, ggf. auch diätetische Lebensmittel, Elektrolyt- und Mineralstoff-Infusionen und andere Mineralstoff-Zusätze erreichen. Mitochondrium, mitochondrial: Mitochondrien sind formvariable, ca. 0,5–1 mm breite und 1–5 mm lange, im Mikroskop direkt oder nach Färbung sichtbare Einschlüsse im Zytoplasma der Zellen von eukaryontischen Einzellern, Pflanzen und Tieren. Die Zahl der Mitochondrien variiert von wenigen Einzelexemplaren bis zu mehreren 100’000 pro Zelle, je nach Art der Zelle und des Organismus. Bei den Mitochondrien handelt es sich um Zellorganellen, deren Hülle von 2 Membranen gebildet wird, von denen die innere mit Lamellen, seltener auch Röhrchen in den Innenraum vorspringt. Diese Einstülpungen (Cristae) entsprechen in Funktion und Bau in etwa den Thylakoiden der Chloroplasten. Wichtige Bestandteile sind die auf der Innenmembran lokalisierten Enzyme der Atmungskette sowie der oxidativen Phosphorylierung (ATP-Synthase). Für den chemiosmotischen Mechanismus dieser Reaktion (Mitchell, 1979, Chemie-Nobelpreis) ist die innere Mitochondrien-Membran von ganz entscheidender Bedeutung. Die in der Atmungskette gewonnene Energie wird zum Transport von Wasserstoff-Ionen (Protonen) von der Matrix in den Intermembranraum verwendet; beim „Zurückfliessen“ treibt die protonenmotorische Kraft die ATP-Synthase an. Die Mitochondrien sind somit die Orte der energieliefernden Zell-Atmung; man hat sie daher auch die „Kraftwerke der Zelle“ genannt. Mucoide, Mukoide: Mukoide sind Bestandteile der Körperschleime. Sie haben meist eine sehr hohe Molekülmasse, bedingt durch eine lange Polypeptidkette und sehr zahlreiche kurze Oligosaccharidketten. B11 ANHANG B Glossar NAD(P)+/NAD(P)H {NAD(P)H}: Nicotinamid-Adenin-Dinucleotid(-Phosphat). Gemeinsame Bezeichnung für die oxidierte und die reduzierte Form eines aus Adenin, (1,4-Dihydro-)Nicotin(säure)amid, β-DRibofuranose und Diphosphorsäure zusammengesetzten Coenzyms, das in vielen enzymatischen Redoxreaktionen als Wasserstoff-Überträger dient. Von der IUPAC/IUB werden die Abk. NAD+ (für die oxidierte Form), NADH (reduziert) vorgeschlagen (Abb. 2). NaK-ATPase: Membranprotein, das Natrium- gegen Kaliumionen unter Verbrauch von ATP austauscht. Narkolepsie: Krankhaeit, spontanes Einschlafen. Narkotika: Rausch-, Betäubungsmittel. Nausea: Übelkeit. Nebennieren(rinde): Glandula suprarenalis; paarige, endokrine Drüse, liegt von Fett umgeben am oberen Pol der Niere (Gewicht: ca. 8- 10 g). Sie besteht aus einer gelblich braunen Rinde und rotbraunem Mark. Die Nebennierenrinde produziert über 40 verschiedene Steroide, welche nach ihrer Funktion in drei verschieden Gruppen unterteilt werden: Mineralkortikoide (z.B. Aldosteron), Glukokortikoide (z.B. Cortisol) und Sexualhormone (z.B. Androgene). Im Mark werden u.a. die Hormone (bzw. Neurotransmitter) Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin synthetisiert. Nephron: Sammelröhre der Niere. Neuralgie, neuralgischer Schmerz: tritt bei anhaltender Reizung von Schmerzrezeptoren oder der Hinterwurzel des Rückenmarks auf Neuron: Nervenzelle. Neuropathie: Nervenleiden Neurosteroide: In Neuronen gebildete oder an Neuronen wirkende Steroide Neurotransmitter: Botenstoff, welcher in Nervenendigungen gespeichert wird und bei Erregung des Neurons durch den synaptischen Spalt diffundiert und durch Anlagerung an Rezeptoren eine Erregung des benachbarten Neurons auslöst. Noradrenalin: Neurotransmitter im Gehirn und im Sympathicus, OH NH2 HO OH [C8H11NO3; M=169,18 g/mol]. Noradrenerge Bahnen: Neuronen im Gehirn, in denen Noradrenalin als Neurotransmitter wirkt. Ödem: krankhafte Flüssigkeitsansammlung im Interstitium oder in den Zellen des Gewebes. B12 ANHANG B Glossar Osmolarität: gesamte Konzentration der in einer Flüssigkeit pro Liter gelösten Teilchen (Moleküle und Ionen); 1 osm/L bedeutet 1 mol Teilchen pro Liter Flüssigkeit. Ovar: lat.: ovarium; Eierstock; weibliche Keimdrüse (pflaumengrosses Organ) mit der Funktion der Produktion von befruchtungsfähigen Eiern (Follikelreifung, Follikelsprung etc.) sowie der Hormonbildung (Östrogene, Gestagene (Progesteron). Ovulation: die bei der geschlechtsreifen Frau mit einem 28-tägigen Menstruationszyklus normalerweise ca. am 15. Tag nach Einsetzen der Menstruation erfolgende Ausstossung einer reifen Eizelle aus dem Follikel des Eierstocks (Ovariums) nach Follikelsprung. Parasympathicus: Gegenteil des Sympathikus. Im vegetativen Nervensystem alle Funktionen, die die Fähigkeit zur Arbeitsleistung und zur Auseinandersetzung mit der Umwelt vermindern. Dafür nimmt die Tätigkeit der Verdauungsdrüsen und der Darmmuskulatur zu, die Kreislaufleistung und die Atmung nehmen ab (Nacht). Peptide: (von griech.: peptos = verdaulich). Bezeichnung für durch Peptid-Bindungen (Abb.) Säureamidartig verknüpfte Kondensationsprodukte von Aminosäuren. Bauen sich die Moleküle aus 2 Aminosäure-Resten auf, so spricht man von Dipeptiden, bei 3 und mehr von Tri-, Tetra-, Pentapeptiden etc.; Peptide mit 2–10 Aminosäure-Resten fasst man als Oligopeptide, solche mit 10–100 als Polypeptide zusammen, doch ist der Übergang von den letzteren zu den makromolekularen Proteinen (Eiweisstoffen) fliessend. H2N R1 O CH C NH R2 O CH C Abbildung: Allgemeine Lewisformel der Peptide. Phänotyp: In der Genetik Bezeichnung für die äussere Erscheinungsform (morphologische Strukturen und physiologische Leistungen) eines Organismus, wie sie durch Wechselwirkungen zwischen seiner genetischen Ausstattung (Genotyp) und Umwelteinflüssen entsteht. Variationen im Phänotypen können nicht vererbt werden. In der Mikrobiologie wird die Bezeichnung Phänotyp bei einzelligen Organismen auch auf die Eigenschaften einer Population, eines Stammes oder einer reinen Linie bezogen. Phosphodiesterase: Enzym, welches Phosphorsäure(di-)ester spaltet. Plasma: Vom griech.: plasma = Gebildetes, Geformtes abgeleitete Bezeichnung unterschiedlicher Bedeutung. Hier bedeutet es eine Kurzbezeichnung für das Blutplasma; die von geformten Bestandteilen freie, flüssige und gerinnbare Grundsubstanz des Blutes, aus der man nach Abtrennen der gerinnbaren Bestandteile das Serum erhält. Plazenta: Organ innerhalb der Gebärmutter von höheren Säugetieren, das während der Schwangerschaft aus mütterlichen und fetalen Anteilen gebildet wird und der Versorgung des Fetus dient. Nach der Geburt wird die Plazenta ausgestossen (Nachgeburt). Beim Menschen ist die Plazenta am Ende der Schwangerschaft scheibenförmig mit einem Durchmesser von 15–20 cm und etwa 500 g schwer. Polyphenole: Phenol mit weiteren angehängten aromatischen Ringen, die z.T. auch noch Hydroxygruppen enthalten können Postsynaptisch: Nach dem synaptischen Spalt. B13 ANHANG B Glossar Präsynaptisch: Vor dem synaptischen Spalt. Prostata: (Vorsteherdrüse, griech.: prostates = Vorsteher). Kastaniengrosse Drüse, die den Anfangsteil der männlichen Harnröhre umgibt. Das alkalische Prostatasekret wird bei der Ejakulation dem Samen beigemischt und erhöht die Beweglichkeit der Spermien. Proximal: der (Körper-)Mitte zu gelegen. Psychose: Psychische Krankheit. Pumpe: Kanalsystem in der Zellmembran, welches unter Energieaufwand Substanzen durch die Zellmembran transportiert. Rekombinant: Generelle Bezeichnung für Moleküle, die durch Expression von in vitro verknüpfter DNA entstanden sind. Unter Rekombination versteht man allgemein die Bildung neuer Kombinationen aus genetisch verschiedenen Genomen. Retention: lat.: retentio, Zurückhaltung. Rezeptor: (von lat.: receptor = Empfänger). In Biologie und Medizin versteht man unter Rezeptoren physiologische Sensoren, d.h. bestimmte Empfangsorganellen (Makromoleküle oder Zellen) für spezifische physiologische Signale (Reize). Hier: Ein in die Zellmembran verankertes Protein, das den Liganden (hier das Hormon) nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip binden kann und die Information an das Zellinnere weiterleiten kann Rezeptoren für Steroidhormone sind nicht in der Zellmembran, sondern als lösliche Proteine im Zellinneren beheimatet und stellen Liganden-abhängige Transkriptionsfaktoren dar; die Rezeptor-HormonKomplexe binden im Zellkern an spezifische Desoxyribonucleinsäure-Sequenzen (DNS) und induzieren die Synthese bestimmter Messenger-Ribonucleinsäuren (mRNS) und damit auch bestimmter Proteine. Saluretika: Stoff, der bewirkt, dass vermehrt Elektrolyte mit dem Harn ausgeschieden werden. Sedativa: Beruhigungsmittel am Tage. Sedativa wirken relativ unspezifisch auf alle Funktionen des ZNS. Sie dämpfen die vegetativen, sensorischen und vor allem die motorischen Zentren. HO NH2 N Serotonin: Neurotransmitter im Gehirn, H Serum (Blut-): Blut ohne Zellen und ohne Gerinnungsfaktoren. Somatisch: Den Körper betreffend, körperlich. Spasmus: krampfartige Kontraktion, erhöhter Muskeltonus. Speed: Designerdroge, Stimulans, Amphetaminderivat. B14 [C10H12N2O; M=176,21 g/mol]. ANHANG B Glossar Stimulantien: Drogen, welche den Wachheitszustand erhöhen. Stoffwechsel: (Metabolismus). Bezeichnung für die Gesamtheit der chemischen Umsetzungen im Organismus, die zur Aufrechterhaltung der Lebensvorgänge notwendig sind; diese betreffen die Aufnahme, den Ein-, Um- und Abbau wie auch die Ausscheidung von Stoffen, die Erhaltung bzw. Vermehrung der Körpersubstanz und die Energiegewinnung. Sympathicus: Im vegetativen Nervensystem alle Funktionen, die die Fähigkeit zur Arbeitsleistung und zur Auseinandersetzung mit der Umwelt erhöhen: Herz, Kreislauf und Atmung werden aktiviert, Glykogen wird mobilisiert, die Tätigkeit des Magen-Darm-Trakts dagegen vermindert (Tag). Synapse: Verbindungsstelle zwischen zwei Neuronen oder zwischen einem Neuron und einem Erfolgsorgan. Synaptischer Spalt: Zwischenraum zwischen den Neuronen. Thaipillen: Designerdrogen, Stimulantien. Thrombose: lokalisierte Blutgerinnselbildung durch (intravitale, während des Lebens) Blutgerinnung in Venen oder Arterien. Dabei kann es zu einem partiellen oder auch vollständigen Gefässverschluss kommen. Thrombosen in den Herzgefässen und in den Hirngefässen sind in vielen Teilen der Welt die führende Todesursache. Vergleiche auch Embolie. Trimethylxanthin: systematischer Name für Coffein. Tube: Kurzform des lateinischen Ausdrucks tuba uterina, Eileiter. Tubulus: Röhre. Ultrafiltrat: Flüssigkeit, unmittelbar nach der Filtration im Glomerulus. Uterus: Gebärmutter; muskelstarkes, birnenförmiges Organ zwischen Blase und Mastdarm. Vagina: Scheide. Vegetatives Nervensystem: Steuert die Aktivität der innern Organe. Wird in Sympathicus und Parasympathicus unterteilt. Erregter Sympathicus: Fluchtbereitschaft, erregter Parasympathicus: Ruhezustand. Vesikel: „Bläschen“ innerhalb der Zelle z.B. in Nervenendigungen. Neurotransmitter sind in den Vesikeln gespeichert. Bei Erregung des Neurons verschmelzen die Vesikel mit der Zellmembran. Viszeral: Die Eingeweide betreffend. Vitamine: Heute werden Vitamine definiert als organische Substanzen, die zur Aufrechterhaltung von Gesundheit und Leistungsfähigkeit des menschlichen Organismus notwendig sind und mit der Nahrung zugeführt werden müssen. Es genügen täglich wenige mg, um die Verwertung der Nährstoffe B15 ANHANG B Glossar (Kohlenhydrate, Fette, Proteine und Mineralstoffe) zu regulieren. Jedes einzelne der Vitamine erfüllt besondere Aufgaben, die von einem anderen Vitamin nicht in gleicher Weise ausgeübt werden können. Manche stellen Coenzyme bzw. prosthetische Gruppen von Enzymen dar, andere greifen in die Regulation des Stoffwechsels ein oder sind Hormone. Vin Mariani: Cocainhaltiges alkoholisches Getränk. Xanthine: Alkaloide wie Coffein, Theobromin und Theophyllin. Xenobiotica: Im weitesten Sinne Stoffe, die einem bestimmten Ökosystem, Organismus oder Gestein fremd sind. Im engeren Sinne Sammelbezeichnung für in der Umwelt des Menschen – im engsten Sinne: in seiner Nahrung – nicht natürlich vorkommende Stoffe anthropogenen Ursprungs. Insofern haben Xenobiotica begrifflich weniger mit Zusatzstoffen zu tun als vielmehr mit Fremdstoffen in Nahrungsmitteln (Beispiele: Rückstände von Extraktionsmitteln oder von Pflanzenbehandlungs- und Arzneimitteln) und allgemein mit anthropogenen Boden-, Luft- und Gewässerverunreinigungen, deren biologischer Abbau nur langsam vonstatten geht. Manchmal werden unter Xenobiotica auch körperfremde Stoffe verstanden, die einen Organismus zur Entwicklung von Abwehrmechanismen und -stoffen anregen können; z.B. Gifte, Toxine und Antigene. Zytoplasma, zytoplasmatisch: Von einer Zellmembran umschlossenes Plasma der Zelle, das in Wasser gelöste Proteine, Lipide, Kohlenhydrate, Mineralsalze und Spurenelemente sowie eine Vielzahl kleinerer (Granula, Vesikel) und grösserer (Zellorganellen) Einschlüsse enthält. B16 ANHANG C Anhang für Lehrkräfte ANHANG C: für Lehrkräfte Inhalt C 1 VORBEREITUNGEN ZU DEN EXPERIMENTEN 2 1.1 Vorbereitung Experiment MODUL I (Kapitel 3) 2 1.2 Vorbereitung Experimente MODUL II 3 1.3 Vorbereitung Experimente MODUL III 4 2 HANDBIBLIOTHEK 5 2.1 Modul I: Hormone im Sport 5 2.2 Modul II: Missbrauchte Medikamente 5 2.3 Modul III: Tatort Synapse 5 2.4 Modul IV: Volksdrogen & Sport 6 3 VERWENDETE LITERATUR UND LEHRBÜCHER 3.1 Lehrbücher und Literatur 3.2 Internetadressen 7 7 10 C1 ANHANG C Anhang für Lehrkräfte 1 VORBEREITUNGEN ZU DEN EXPERIMENTEN 1.1 Im Vorbereitung Experiment MODUL I (Kapitel 3) Modul ist als Experiment ein Schwangerschaftstest vorgesehen. Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes sowie eines möglichen Infektionsrisikos, darf als Probenmaterial nicht menschlicher Urin verwendet werden. Deshalb werden den Schülern künstlich hergestellte „Urinproben“ als Testsubstanzen zur Verfügung gestellt. Es handelt sich dabei um wässrige gepufferte (PBS) Lösungen, welche mittels eines organischen Farbstoffs, p-Nitroanilin, gelb gefärbt sind. Positive Proben enthalten zusätzlich 5 µL·mL hCG. -1 Material und Chemikalien - z.B. “Clearview HCG II” der Firma Unipath, Art.-Nr. 501665/500158. - hCG, Sigma (Art. Nr. C1063, 2500 IU pro vial, sFr. 64.60; oder CG10, 10000 IU pro vial, sFr. 77.70); pro sample 200 – 300 mIU·mL (maximal 5 µL·mL ) -1 -1 - Einweg-Pipetten (im Lieferumfang enthalten) - PBS-Puffer (137 mmol·L -1 -1 NaCl, 2.7 mmol·L -1 KCl, 8.1 mmol·L -1 Na2HPO4, 1.5 mmol·L KH2PO4, pH 7.2) - p-Nitroaniline, FLUKA Durch die Lehrkraft vorzubereitende Lösungen: - -1 PBS-Puffer: 137 mmol·L NaCl -1 2.7 mmol·L KCl -1 8.1 mmol·L Na2HPO4 -1 1.5 mmol·L KH2PO4 - positive Probe: einstellen auf pH 7.2 bis 7.4 hCG (ca. 5 µL·mL ) in pBS-Puffer (enstpricht ca. 250 mIU·mL ) versetzt mit -1 -1 p-Nitroanilin. Die Zugabe von p-Nitroanilin solange erfolgen, bis eine „uringelbe“ Farbe erreicht worden ist (ca. Spatelspitze pro mL). - negative Probe: PBS-Puffer versetzt mit p-Nitroanilin. Die Zugabe von p-Nitroanilin solange erfolgen, bis eine „uringelbe“ Farbe erreicht worden ist (ca. Spatelspitze pro mL). Pro Gruppe werden nur ca. 1 mL obiger Lösungen gebraucht. Die Probelösungen sollten mindestens pro Woche frisch hergestellt werden. Die Lagerung muss bei 2 bis 8 °C erfolgen; vor der Messung sind die Proben auf Zimmertemperatur einzustellen. Der PBS-Puffer kann über mehrere Wochen bei 4 °C aufbewahrt werden. Durch die Zugabe von 0.05 % Na-Azid (Na3N, Achtung giftig) wird die Haltbarkeit des Puffers verlängert. C2 ANHANG C 1.2 Anhang für Lehrkräfte Vorbereitung Experimente MODUL II Material und Chemikalien - Pro Gruppe eine Schweineniere - Mohnkuchen - Paracodin-Tabletten - Resyl-Plus - Codipront-Kapsel oder Codipront-Sirup - 37 % Salzsäure - 1 M NaOH - Dichlormethan - Isopropanol - Natriumsulfat - Methanol - DC-Platten (Kieselgel GF254) - Ethylacetat - Methanol - konz. Ammoniak - Platin(IV)-chlorid - Kaliumiodid - Rotavapor 1.2.1 Vorbereitungen für den ersten Exkurs 3 Hühnereier werden 1 Woche in Speiseessig gelegt, damit die Kalkschicht vollständig verschwindet. Je ein Ei wird anschliessend 1 Woche in destilliertes Wasser, in 0.9 % Kochsalzlösung bzw. in gesättigte Kochsalzlösung gelegt. Die dünne Hautschicht um das flüssige Ei kann als semipermeable Membran betrachtet werden. 1.2.2 Rezeptvorschlag für einen Mohnkuchen - 150 g Planta Margarine weich rühren - 175 g Zucker und 1.5 Teelöffel Vanillinzucker zugeben - 5 Eigelb beigeben, weiterrühren, bis die Masse hell ist. - 5 Eiweisse 1 Prise Salz 1 Messerspitze Backpulver zusammen steif schlagen. - 2 Esslöffel Zucker dem Eischnee beifügen, kurz weiterschlagen. - 125 g Mandeln zugeben - 200 g Mohnsamen ganz oder gemahlen* langsam mit dem Eischnee auf die gerührte Masse geben, mit dem Gummischaber vorsichtig darunterziehen und in die vorbereitete Form füllen. Backform: Die Masse ist für eine Cakeform von 28-30 cm Länge berechnet. Die Form ganz mit Blechreinpapier auslegen. C3 ANHANG C Anhang für Lehrkräfte - Backen: Ca. 60 Minuten auf der untersten Rille des auf 180 °C vorgeheizten Ofens. - Garnitur: Falls gewünscht, den Cake mit einer weissen Kirschglasur überziehen und mit Mohn bestreuen. - Haltbarkeit: In Folie eingepackt und im Kühlschrank aufbewahrt 1 Woche. *Wird ein intensives Mohnaroma gewünscht, können die kleinen Mohnsamen auch gemahlen gekauft werden. Wenn dies nicht möglich ist, geht man wie folgt vor: Mohnsamen ca. 2 Stunden tiefkühlen, dann im Mixer portionenweise fein mahlen. Wird der Mohn nicht gekühlt, entsteht beim Mahlen ein fettiger Brei. Weitere Rezepte finden Sie unter: http://kochbuch.unix-ag.uni-kl.de (evtl. nur mit Netscape abrufbar); weiter unter „Stichwortsuche“ Mohn eingeben. Hinweis: Da die Morphinkonzentration in den Mohnsorten stark schwanken kann, wird empfohlen, bei mehreren Kuchen verschiedene Hersteller zu wählen. Zusätzlich sollten einige SchülerInnen Resyl-Plus oder Codipront zu sich nehmen, damit sicher mindestens eine Probe positiv ist. Die gegessenen Kuchenstücke und der Mohnanteil im Kuchen sollten möglichst gross sein. 1.3 Vorbereitung Experimente MODUL III Das ELPHA II 3000 kann bei Parsenn Produkte in Küblis bestellt werden. Kosten: höchstens 560.--. Es kann auch bei den Autoren ausgeliehen werden. Frühzeitige Anmeldung ist erwünscht. C4 ANHANG C 2 Anhang für Lehrkräfte HANDBIBLIOTHEK Die folgenden Artikel bzw. (Lehr-)Bücher sollten während der Bearbeitung der einzelnen Kapitel den Schülern in einer kleinen Handbibliothek zur Verfügung stehen. Einerseits sind dies Nachschlagewerke, andererseits Texte, welche als Lernaufgabe zu lesen sind (kursiv gedruckt). Letztere sollten in mehreren Exemplaren aufliegen. 2.1 Modul I: Hormone im Sport - Alberts, B. (1990) Molekularbiologie der Zelle, VCH, Weinheim Basel Cambridge New York.* - Born, M. (2000) 13. Juli 1967 – der Tag an dem Tom Simpson starb. In: die Sonntagszeitung vom 9. Juli 2000 - CD Römpp Chemielexikon, Version 1.0, Hrsg.: Falbe, J. & Regitz, M., Thieme, Stuttgart New York - Kamber, M et al. (2000) EPO – vom Medikament zur perfekten Wunderwaffe im Sport. In: NZZ vom 18./19. März 2000. - Kamber, M. (1997) Doping Info – Gladiatoren unserer Zeit, Lehrunterlagen, ESSM. - Karlson, P. (1994) Kurzes Lehrbuch der Biochemie für Mediziner und Naturwissenschaftler, Thieme, Stuttgart New York.* - Parisotto, R et al. (2000) Haematologica 85, 564-572. - Voet, W. (1999) Gedopt – der Ex-Festina-Masseur packt aus. Oder: Wie die Tour auf Touren kommt (aus dem Französischen von Stefan Rodecourt), Sportverlag Berlin; Titel der französischen Originalausgabe im Verlag Calmann-Lévy: Massacre à la Chaine – Révélations sur 30 ans de tricheries (1999) - Wagner, E. (2000) Aus der Perspektive des Sportlers – eine Innensicht. In: Doping (Gamper, M., Mühlethaler, J. & Reidhaar, F. Herausgeber) NZZ-Verlag, Seiten 34 - 43. * Es können auch andere Standardwerke der Biochemie bzw. Molekular- und Zellbiologie verwendet werden. 2.2 Modul II: Missbrauchte Medikamente - Schrödel Bilogie heute S II - Natura II - Natura III 2.3 Modul III: Tatort Synapse - Biologie heute SII, Schroedel Schulbuch Verlag. - Natura III, Klett Schulbuch Verlag. C5 ANHANG C Biochemie-Lehrbücher (siehe 3.) - 2.4 Anhang für Lehrkräfte Modul IV: Volksdrogen & Sport Die Faltblätter „Alkohol und Sport“ und „Cannabis und Sport“ können unter www.laola.ch bestellt werden. THC kann unter http://wwwchem.uwimona.edu.jm:1104/spectra/thc.pdb heruntergeladen werden. Dargestellt werden kann es mit einem geeigneten Programm. Diese können unter http://www.expasy.org/spdbv/mainpage.htm oder http://www.mdli.com/downloads/downloads.html bzw. http://www.mdli.com/downloads/free.html heruntergeladen werden. Unter der zweiten Adresse kann zusätzlich ein Plug-in heruntergeladen und installiert werden, das es erlaubt, Moleküle direkt im Browser sichtbar zu machen. Als drittes kann man das Zeichnungsprogramm für chemische Strukturen ISIS Draw herunterladen. 3D-Moleküle auf einer Internetseite können entweder auf der HD gespeichert und jederzeit betrachtet, aber auch direkt als Lewis-Struktur ins ISIS Draw übertragen und anschliessend gegebenenfalls verändert werden. Beim ersten Aufruf der Seite wird seit kurzem eine Registrierung verlangt. Danach kann man immer mit der e-mail Adresse einloggen. - Natura III, Klett Schulbuch Verlag. - Biologie heute SII, Schroedel Schulbuch Verlag. - Baars, G. & Christen, H.U. (2002) Allgemeine Chemie: Theorie und Praxis, 4. Auflage, Sauerländer, Diesterweg. - Tabelle E1.1 (Modul III) - Spektrum der Wissenschaft (2001) Alkohol: das unterschätzte Gift, 58-67. - Faltblätter: „Alkohol und Sport“; „Cannabis und Sport“, herausgegeben von Laola und dem BASPO. - http://www.sfa-ispa.ch/ServicePresse/allemand/Abhangigkeiten/brenneisen.pdf C6 ANHANG C 3 Anhang für Lehrkräfte VERWENDETE LITERATUR UND LEHRBÜCHER 3.1 Lehrbücher und Literatur - Alberts, B. (1990) Molekularbiologie der Zelle, VCH, Weinheim Basel Cambridge New York. - Alcohol Clin Exp Res. 2001 May;25(5 Suppl ISBRA):40S-45S (Review). - Analytical Biochemistry 277, 187 – 195 (2000) (www.idealibrary.com) - Baratta, M. von (2000) Hrsg. Fischer Weltalmanach, Fischer Taschenbuchverlag (ISBN 3-59672200-1). - Berendonk, B. (1991/92) Doping, Springer-Verlag, Berlin Heidelberg. - Bertelsmann Lexikon (1992) Das neue Taschenlexikon (ISBN 3-570-04204-9) - Biologie heute SII, Schroedel Schulbuch Verlag. - Campbell, N.A. (1998) Biologie; Spektrum Akad. Verlag GmbH, Heidelberg, Berlin, Oxford - Campenhausen C. von (1993), Die Sinne des Menschen, 2. völlig neu bearbeitete Auflage, Thieme, Stuttgart New York - CD Römpp Chemielexikon, Version 1.0, Hrsg.: Falbe, J. & Regitz, M., Thieme, Stuttgart New York. - Di Marzo, V. Biosynthesis and inactivation of endocannabinoids: relevance to their proposed role as neuromodulators, Life Science, Vol 65, p 645-655. - Dissertation von Martin Shahin Pour Nikfardjam an der Universität Giessen (2001): Polyphenole in Weissweinen und Traubensäften und ihre Veränderung im Verlauf der Herstellung. - Faller, A (1988) Der Körper des Menschen, Thieme, Stuttgart New York (ISBN 3-13-3297112) - Fernandez-Ruiz J.J. et al. (1999) Role of endocannabinoids in brain development, Life Science, Vol 65, p 725-736. - Ferrari, F. et al. (1999) Influence of the cannabinoid agonist HU 210 on cocaine- and CQP 201-403-induced behavioural effects in rat, Life Science, Vol 65, p 823-831. - Fuentes, J.A. et al. 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(1997) Doping Info – Gladiatoren unserer Zeit, Lehrunterlagen, ESSM. - Karlson, P. (1994) Kurzes Lehrbuch der Biochemie für Mediziner und Naturwissenschaftler, Thieme, Stuttgart New York. - Kayser, F. (1989) Medizinische Mikrobiologie, Thieme, Stuttgart New York.. - Khanolkar, A. D. & Makriyannis, A. (1999) Structure-activity relationship of anandamide, an endogenous cannabinoid ligand, Life Science, Vol 65, p 607-616. - Klein, T. W., Lane, B., Newton, C. A. & Friedman, H. (2000) Minireview: The Cannabinoid System and Cytokine Network, P.S.E.B.M., Vol 225, p. 1-8. - Koolman J. (1998) Taschenatlas der Biochemie, Thieme, Stuttgart New York. - Koolman, J. et al. (1998) Kaffee, Käse, Karies ..., VCH, Weinheim Basel Cambridge New York (ISBN 3-527-29530-5) - Lasne, F. & de Ceaurriz, J. (2000) Nature 408, 635. - Lehninger, A.L. (1998) Prinzipien der Biochemie, 2. Auflage, Spektrum, Akad-Verlag, Heidelberg Berlin Oxford. - Linder, H. (1989) Biologie, (Bayrhuber et al hrsg., 20. 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Doping und Dopinganalytik Analytische Chemie - Schänzer, W. (1997) Chemie in unserer Zeit 31 (5), 218-228. - Schänzer, W. (2000) Die medizinische Revolution – über die Effizienz von Dopingkontrollen und die Nebenwirkungen verbotener Substanzen. In: Doping (Gamper, M., Mühlethaler, J. & Reidhaar, F. Herausgeber) NZZ-Verlag, Seiten 191-218. - Snyder, S.H. (1988, 1994) Chemie der Psyche, Spektrum, Akad. Verlag, Heidelberg Berlin Oxford (ISBN 3-86025-143-0) - Spektrum der Wissenschaft, 8 (1998) S. 62-67; Kleine Kulturgeschichte des Alkohols. - Thevis, M. & Schänzer, W. Dopingproblematik und Ernährung, Institut für Biochemie an der Deutschen Sporthochschule Köln - Thews, G. (1989) Anatomie, Physiologie, Pathophysiologie des Menschen, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart. - Thomas Hengartner, Christoph Maria Merki (2001) Genussmittel, eine Kulturgeschichte, insel taschenbuch - Thomas, A. 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