Ne, das kann ich besser!

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Ne, das kann ich besser!
„Ne, das kann ich besser!“
kommunikation.medien
Onlinejournal des Fachbereichs
Kommunikationswissenschaft
Motive von Fanfictionautorinnen
und -autoren zum Post-Television
Drama ‚The Mentalist‘
Universität Salzburg
ISSN 2227-7277
4. Ausgabe / Dezember 2014
http://www.kommunikation-medien.at
Julia Goldmann
Abstract
Einzelgängerin oder Einzelgänger, Außenseiterin oder Außenseiter, exzessive Beschäftigung mit, sowie Trivialwissen rund um ein spezielles, kulturelles Produkt und obsessives Konsumverhalten, welches an dieses gekoppelt ist – auch heute wird das Bild des
Fans im Alltag noch von Stereotypen bestimmt. Selten werden die Anhängerinnen
und Anhänger populärkultureller Produkte mit Aktivität und Kreativität in Verbindung gebracht. In vielen Fällen sind sie, was ein Google-Suchlauf sofort bestätigen
kann, jedoch genau das: aktive Produzentinnen und Produzenten von tertiären Texten, die auf einem bestimmten Ausgangsobjekt beruhen. Diese Arbeit widmet sich lediglich einem derartigen Bereich der Fankultur, jenem der Fanfictions. Darunter
werden eigens generierte, fiktive Geschichten verstanden, welche rund um Charaktere
eines speziellen populärkulturellen Produktes von Fans entwickelt, und daraufhin
(meist) auf einschlägigen Internetseiten veröffentlicht werden. Diese Arbeit fokussiert
die US-amerikanische Serie The Mentalist sowie deren Fans, welche ihre Geschichten
auf der deutschsprachigen Seite www.fanfiktion.de posten und sich über die Kommentarfunktion darüber austauschen. Es wurden in dieser Arbeit fünf Autorinnen
mittels medienbiografischer Interviews hinsichtlich ihrer Fanfiction-Produktion, den
bevorzugten Themen sowie ihren diesbezüglichen Motivationen befragt.
Keywords
Fanfictions, Post-Television-Drama, The Mentalist, Populärkultur
kommunikation.medien 4. Ausgabe / Dezember 2014
Zitiervorschlag
Goldmann, Julia (2013): „Ne, das kann ich besser!“. Motive von Fanfictionautorinnen
und -autoren zum Post-Television Drama ‚The Mentalist‘. In: kommunikation.medien,
4. Ausgabe. [journal.kommunikation-medien.at].
1. Einleitung
Das Bild des Fans war bis zum eigentlichen Beginn der Fanforschung Ende der 1980er
Jahre von Stereotypen geprägt (vgl. Winter 2010: 161; Jenkins 2006: 38f.). Das Fernsehen und die Sensationspresse vermittelten den Eindruck der Einzelgängerin und des
Einzelgängers und Außenseiterin und Außenseiters, die oder der bei den Eltern im Keller wohnt und durch obsessives Konsumverhalten, obskure Begierden und Trivialwissen um ein minderwertiges, kulturelles Objekt gekennzeichnet ist (vgl. ebd.). So war
auch das vorrangige Interesse des Auftraggebers einer empirischen Studie über die
Fans von Horror- und Pornofilmen (vgl. Winter et al. 1990), ob eine intensive Nutzung
von Horror- und Pornofilmen eine Gefahr für die soziale Ordnung darstellen würden
(vgl. Winter 2010: 161). Besagte Studie kam allerdings zu dem Schluss, dass Fans „aktive, kritische engagierte Konsumenten [sind], die über differenzierte und kreative Rezeptions- und Aneignungspraktiken verfügen, die sie in Prozessen der Medienbildung
erworben haben.“ (Ebd.)
Dieses Forschungsprojekt beschäftigt sich mit diesen aktiven und kreativen Rezeptions- und Aneignungspraktiken der Fans der US-amerikanischen Krimiserie The Mentalist. Dabei wird die Bedeutung eigens generierter Geschichten mit den Charakteren
der Serie, sogenannter Fanfictions, im Mittelpunkt stehen. Eine derartige Produktion
tertiärer Texte setzt eine starke Auseinandersetzung mit dem filmischen (Primär-)Text
und einen gewissen Grad an Bedeutung der Serie selbst für die einzelne Rezipientin
und den einzelnen Rezipienten voraus. Eben dieser 'Stellenwert' der Serie bzw. der
Fanfictions im Leben der Fans soll mittels medienbiografischer Interviews erhoben
werden.
Da man sich im deutschen Raum bisher eher wenig mit dem Bereich des Fandoms und
der Fanfictions auseinandergesetzt hat, sich die medialen Bedingungen und Voraussetzungen von Fankulturen mit dem Potenzial des Internets und Social Media aber entschieden verändert haben (vgl. Winter 2010: 163), ist dieser Bereich für die Kommunikationswissenschaft sehr relevant.
Als theoretische Fundierung wird einerseits Johnsons (1999) „Kreislauf der Kultur“
dienen, der Bezug auf Stuart Halls „Encoding/Decoding“-Modell nimmt, sich jedoch
auf den Spannungsbogen zwischen Produktion (Encodieren), Zirkulation (sinnhafter
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Diskurs) und Konsum (Decodieren) konzentriert und somit die Cultural Studies als
Ganzes verortet. Andererseits werde ich vor allem auf Henry Jenkins‘ (2002; 2006)
Texte zu Fandom und Fanfictions zurückgreifen, da diese wohl die derzeit bedeutendste wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dieser speziellen Thematik darstellen.
2. Theorie und Stand der Forschung
2.1 Fandom
2.1.1 Kreislauf der Kultur
Einerseits wird Johnsons (1999) Kreislauf der Kultur als theoretische Fundierung dienen.
Abbildung 1: Kreislauf der Kultur. (Johnson 1999: 148)
Dieses Modell nimmt Bezug auf Stuart Halls Encoding/Decoding-Modell, hat laut
Johnson (1999: 147) allerdings den Anspruch, ein komplexeres und vielschichtigeres
Modell mit umfassenderen Vermittlungskategorien zu sein als jenes von Hall. Der zentrale Gedanke dieses Kreislaufmodells von Produktion, Zirkulation und Konsumption
kultureller Produkte ist jener, dass jedes Element dieses Kreislaufs zwar von den ande-
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ren unterschieden werden kann und für das große Ganze unverzichtbar ist, aber dennoch von den anderen Elementen abhängt (vgl. Johnson 1999: 148f.).
Eine weitere Grundannahme dieses Kreislaufs der Kultur ist, dass man aus der Perspektive eines bestimmten Elements des Kreislaufs nicht zwingend erkennen kann, was
in der Zwischenzeit bei den anderen Teilen geschieht (vgl. Johnson 1999: 149). So kann
es beispielsweise geschehen, dass ein von uns kommunizierter Text in völlig veränderter Art und Weise wieder zu uns zurückkommt, eine Fehlinterpretation oder eine oppositionelle Leseart. Um eine derartige Transformation zu verstehen, müssen die Bedingungen von Konsum und Lektüre mit in Betracht gezogen werden. Dazu gehören die
asymmetrische Verteilung von Macht und Ressourcen, die bereits existierenden Kulturelemente innerhalb eines bestimmten gesellschaftlichen Milieus und die gesellschaftlichen Verhältnisse, von denen diese Kombinationen abhängen (vgl. ebd.). Diese Diskurs- und Bedeutungsreservoirs bilden das Rohmaterial für die neue, kulturelle Produktion (vgl. ebd.).
2.1.2 Vergnügen
Betrachtet man den Gegenstand der Fanfictions, so stellt sich möglicherweise die Frage, welchen Nutzen oder welche Gratifikationen die Autorinnen und Autoren aus derartigen Fanaktivitäten ziehen bzw. welcher 'Sinn' hinter den Produktionen derartiger Tertiärtexte steckt, um es sehr allgemein zu formulieren. Hier möchte ich dem folgenden
Teilkapitel etwas vorgreifen und auf das Vergnügen oder „pleasure“ (vgl. Klaus 1998;
O’Connor/Klaus 2000), das in der Rezeption neuer US-amerikanischer Serien und
(möglicherweise) der nachfolgenden Fanfiction-Produktion liegt, näher eingehen.
Bereits seit ihrem Beginn hat die (feministische) Rezeptionsforschung die Frage nach
der Bedeutung der Texte, also in diesem Fall der Serien, für ihre Rezipientinnen und
Rezipienten gestellt. Im Besonderen wurde dieser Gedanke im Rahmen der Soap Opera
Diskussion verfolgt, um festzustellen, aus welchem Grund sich vor allem Frauen derartig „trivialen“ Inhalten zuwenden (vgl. Klaus 1998: 337).
Klaus (1998: 338) definiert den Begriff des Vergnügens folgendermaßen:
In der alltagssprachlichen Verwendung bedeutet ‚Vergnügen‘ zunächst einmal, daß ZuschauerInnen ein Programm ausgesprochen gerne sehen, die Handlung mit Engagement verfolgen, das Gefühl haben, gut unterhalten zu werden, und neugierig auf die
Fortsetzung warten. Vergnügen thematisiert also die Motivation und die subjektive Bedeutung der Zuwendung zu einem Programm, seinen Unterhaltungswert.
In weiterer Folge unterscheidet Klaus (1998: 338ff.) zwischen fünf unterschiedlichen
Arten des Vergnügens:
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Einerseits existiert das formale Vergnügen, welches aus dem Genrewissen, der Kenntnis des narrativen Prozesses und dem Spiel mit Nähe und Distanz der Genrestruktur
resultiert. Außerdem lässt sich darunter auch Regelmäßigkeit und Vertrautheit der Zuseherinnen und Zuseher mit der Struktur der Serie, also mit Raum, Zeit, Charakteren
und deren Handlungsabläufen fassen.
Unter dem inhaltlichen Vergnügen wird die „Thematisierung und Validierung des traditionell weiblichen Lebenszusammenhanges“ verstanden, das Klaus (1998: 338), wie
auch die anderen Ausprägungen des Vergnügens, im Rahmen der Soap Operas diskutiert. Die Attraktivität der Serie besteht in diesem Zusammenhang darin, dass einerseits Frauen eine zentrale Rolle in den Seifenopern zukommt, andererseits wird das
Privatleben thematisiert – auch dadurch, dass der öffentliche Raum durch die private
Sphäre beleuchtet wird. Weibliche Werte und Erfahrungen finden in der Soap Opera
Raum, wodurch ihnen Wert verliehen wird.
Serien regen durch ihre narrative Offenheit und sogenannte 'Cliffhanger', durch ihre
Kontinuität und Handlungsstränge zur Diskussion an; etwas, das als kommunikatives
Vergnügen bezeichnet wird. Im Rahmen der Soap Operas wird vermerkt, dass dieses
spezielle Genre durch die bereits diskutierten formalen und inhaltlichen Merkmale zum
Austausch mit anderen anregen. Somit wird der Plot in alltäglichen Netzwerken diskutiert und weiterbearbeitet, wodurch sich die partizipierenden Parteien über Vorgänge
auf dem Laufenden halten und ihnen gleichzeitig Sinn verleihen.
Das phantasievolle Vergnügen beschreibt das der Serie inhärente Potenzial, den gelebten Alltag gedanklich zu verlassen und sich einer Phantasie hinzugeben. Tania
Modleski (1986: 108; zit. n. Klaus 1998: 339) hat dies folgendermaßen formuliert: „The
fantasy here is a ‚collective fantasy‘ – a fantasy of community, but put in terms with
which the viewer can be comfortable.” Auch Janice Radway (1987) hat in ihrer Studie
“Reading the Romance“ herausgefunden, dass Hausfrauen, Ehefrauen und Mütter
während sie Liebesromane lesen, sich ihrer übrigen Tätigkeiten verweigern und diese
somit aufwerten. Spannungen im Alltag können durch das Lesen der Romane kompensiert werden. Diese Flucht in eine Fantasie ermögliche sowohl symbolische Anerkennung sowie eine symbolische Befriedigung von Bedürfnissen, die im realen Leben nicht
befriedigt würden. Ien Ang (1988) hat in einer Analyse von Briefen von DallasRezipientinnen in den Niederlanden „die eigenständige Bedeutung des Phantasierens
als Möglichkeit des spielerischen Umgangs mit der Wirklichkeit“ (Klaus 1998: 340)
formuliert, welche weder Flucht aus dem Alltag noch Kompensation darstellt – die
Phantasie ist zwischen Utopie und Wirklichkeit zu verorten. „Während die Phantasie
die Leserin/Zuschauerin gedanklich aus dem gelebten Sozialleben hinausprojiziert und
eine Atempause gewährt, thematisiert die Utopie die Lebenswelt und setzt sich damit
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kritisch auseinander, indem sie alternative soziale oder politische Verhältnisse entwirft.“ (Ebd.)
Weiters wird hier noch auf das realistische Vergnügen eingegangen, welches die Möglichkeit bietet, einen Bezug zwischen Serie und Realität herzustellen. Hier wird die
Glaubwürdigkeit der Handlung anhand der Darstellung sowie mithilfe biografisch bedeutsamer Themen und eigener Erfahrungen gewissermaßen überprüft. Klaus (1998:
342) bezieht sich in diesem Zusammenhang auf Lothar Mikos (1994), der feststellte,
dass dieser Abgleich für die Rezipientinnen und Rezipienten Identitätsarbeit ermöglicht – unter Umständen können sich diese im Plot selbst wiedererkennen. Fiktionale
Handlungen können überdacht und diskutiert werden; das Vergnügen hierbei hängt
von der Plausibilität der Charaktere, ihrer Handlungen und Gefühle ab.
Ein weiterer Punkt in diesem Zusammenhang ist jener der sozialen Probleme. Werden
Krisen und Umbrüche sonst meist in den Nachrichten thematisiert, heben sich derartige Elemente vom üblichen Handlungsstrang der Seifenoper ab und fordern so Aufmerksamkeit und emotionale Beteiligung der Rezipientinnen und Rezipienten. Diese
Beobachtung hat diverse Kritikerinnen und Kritiker dazu veranlasst, die Gefahr einer
derartigen Verschränkung von Realität und Fiktion zu betonen, was als Eskapismus
klassifiziert wird. Allerdings wurde dieses Argument von diversen Rezeptionsstudien
widerlegt – der Großteil der Rezipientinnen und Rezipienten sei demnach sehr wohl in
der Lage, zwischen Realität und Film- bzw. Fernsehgeschehen zu unterscheiden.
Zusätzlich zu diesen fünf Arten des Vergnügens, weist Klaus (1998: 344f.) darauf hin,
dass Vergnügen einerseits genrespezifisch – die Soap Opera ähnle zwar anderen Frauengenre-Produktionen, würde sich aber durch formale Merkmale abgrenzen – andererseits geschlechtsgebunden ist. Dieses geschlechtsgebundene Vergnügen komme durch
die Inszenierung verschiedener und auch starker Frauenfiguren in den Soap Operas
zum Ausdruck.
An dieser Stelle soll abermals festgehalten werden, dass diese unterschiedlichen Arten
und Ausprägungen des Vergnügens ursprünglich lediglich auf Soap Operas ausgelegt
wurden. Jedoch stellt sich die Frage, ob dieser Blickwinkel nicht auf allgemeine Serienrezeption – und möglicherweise auch auf männliche Zuseher – ausgeweitet werden
kann. Zudem hebt Jenkins (2006: 43), wie bereits erwähnt, hervor, dass die Mehrzahl
der Fanfictionautorinnen und -autoren weiblich seien, was einen weiteren Anknüpfungspunkt an die Konzeptionen des Vergnügens darstellt.
2.1.3 Fans und Fandom
Um mich nun auf mein Forschungsinteresse zu spezialisieren, möchte ich an dieser
Stelle den 'Fan' genauer definieren:
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Der Begriff des Fans wird auch heute noch eher selten präzise definiert (vgl. Roose/Schäfer/Schmidt-Lux 2010: 11) und ist häufig, wie bereits erwähnt, von Vorurteilen
geprägt (vgl. Winter 2010: 161; Jenkins 2006: 38f.). In den vorliegenden Konkretisierungen steht meist die Emotionalität der Fans im Mittelpunkt; wie diese jedoch aussieht, ist nicht genauer bestimmt (vgl. Roose/Schäfer/Schmidt-Lux 2010: 11). Sicher ist
nur, dass eine leidenschaftliche Beziehung des Fans zu bestimmten Fanobjekten, seien
dies nun Personen, Gegenstände, Kollektive, Musikrichtungen oder filmische Inhalte,
in Intensität und Ausdruck variiert und sich verändern kann (vgl. Roose/Schäfer/Schmidt-Lux 2010: 13). Das Fanobjekt kann jedoch nur folgendermaßen
eingegrenzt werden: Besagtes Objekt ist dem Fan extern, das bedeutet, dass das
Fansein oder Fandom von Freizeitaktivitäten abgegrenzt werden kann, bei denen die
Person selbst aktiv werden muss (vgl. ebd.). So bin ich bspw. Fan einer Band, ohne dass
ich selbst in der Band spiele. Weiters ist das Fanobjekt ein öffentliches, das heißt, dass
der Zugang zu besagtem Objekt prinzipiell unabgeschlossen ist (vgl. ebd.). Außerdem
umfasst eine Fanbeziehung neben der emotionalen Bindung auch noch die Investition
von Zeit und/oder Geld (vgl. ebd.). Dies macht deutlich, dass das Fansein mit Handlungen verbunden ist, der Fan wird also selbst aktiv (vgl. ebd.).
Aus diesen Elementen resultiert folgende Definition: Fans sind „Menschen, die längerfristig eine leidenschaftliche Beziehung zu einem für sie externen, öffentlichen, entweder personalen, kollektiven, gegenständlichen oder abstrakten Fanobjekt haben und in
die emotionale Beziehung zu diesem Objekt Zeit und/oder Geld investieren.“ (Roose/Schäfer/Schmidt-Lux 2010: 12)
In 'The Cultural Economy of Fandom' beschreibt Fiske (2003: 30) die Charakteristiken
des Fandoms wie folgt: Ein bestimmtes Fandom ist Teil der Populärkultur und widmet
sich bestimmten Künstlerinnen und Künstlern, Erzählungen oder Genres und grenzt
sich so von der Vielzahl an massenproduzierter Unterhaltung ab. „They are then reworked into an intensely pleasurable, intensely signifying popular culture that is both
similar to, yet significantly different from, the culture of more ‘normal’ popular audiences.” (Fiske 2003: 30). Den Unterschied zwischen Fans und dem regulären Publikum
sieht Fiske (ebd.) darin, dass Fans die semiotische Produktivität, die auch dem herkömmlichen Publikum innewohnt, dazu nutzen, (tertiäre) Texte zu produzieren und so
die Fan Community mit definieren. So wird eine Fankultur mit eigenen Produktionsund Distributionssystemen kreiert, welche laut Fiske außerhalb der Kulturindustrie
liegen.
Fiske (2003: 31), der in seinen Ausführungen auf Pierre Bourdieu zurückgreift, beschreibt, dass die Stereotypen von Fans häufig aus dem Kultursystem, das in dieser
Hinsicht mit dem Wirtschaftssystem zu vergleichen ist, resultiert. Die Ressourcen des
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jeweiligen Systems werden ungleich verteilt und somit ist eine Unterscheidung zwischen den Privilegierten und den Benachteiligten gegeben. Das System fördert die Privilegierten, ihren kulturellen Geschmack und ihre Kompetenzen. Diese werden durch
bestimmte Instanzen wie etwa Galerien, Opernhäuser oder Museen gefördert, was in
einer sogenannten Hochkultur ('high culture') resultiert. Dies ist die sozusagen offiziell
legitimierte Kultur, die sich von der Populärkultur, die vom System keinerlei Anerkennung erfährt, unterscheidet. Fiske greift auf das Modell von Bourdieu zurück, kritisiert
jedoch, dass die Kreativität der Populärkultur oft unterschätzt wird (Fiske 2003: 32).
Fans, so argumentiert Fiske (2003: 33), sind aktive Produzentinnen und Produzenten
von kulturellem Kapital, die auf der Ebene der Fanorganisation Äquivalente der formalen Institutionen reproduzieren. Somit eröffnet ein Fandom Wege, kulturelle Lücken zu
füllen und bietet ebenfalls soziales Prestige und Selbstwertgefühl, die ebenfalls als kulturelles Kapital bezeichnet werden können.
Mitglieder eines bestimmten Fandoms ziehen eine klare Grenze zwischen den Inhalten,
die sich innerhalb ihres Interessengebiets befinden, und jenen, die nicht mehr dazu
zählen (vgl. Fiske 2003: 34). „This ‚popular’ discrimination involves the selection of
texts or stars that offer fans opportunities to make meanings of their social identities
and social experiences that are self-interested and functional.” (Fiske 2003: 35) Kombiniert man schließlich diese Aktivität der Fans und die Inhalte, denen sie sich zuwenden, so kann eines der kulturellen Produkte dieser Betätigungen die Fanfiction sein.
2.1.4 Fanfiction
Produktivität ist im Bereich des Fandoms ein zentraler Faktor. Fiske (2003: 37ff.) unterscheidet dabei drei Arten: die semiotische, die ausdrückende und die textuelle Produktivität. Die semiotische Produktivität ist charakteristisch für Populärkultur allgemein und besteht darin, dass aus den semiotischen Ressourcen der kulturellen Waren
Bedeutungen der sozialen Identität und sozialen Erfahrungen generiert werden. Diese
Art der Produktivität ist allerdings den Personen bzw. den Fans innewohnend. Wenn
diese generierten Bedeutungen im Alltag artikuliert und geteilt werden, spricht man
von der ausdrückenden Produktivität. Ein Beispiel hierfür wäre etwa das Gespräch
zwischen Fans. Bei diesem „Fan Talk“ werden ebenfalls spezielle Bedeutungen generiert und geteilt, bspw. das Verhalten diverser Charaktere einer Serie evaluiert und in
Beziehung zum Alltag der Rezipientinnen und Rezipienten gesetzt. Ein Großteil des
Vergnügens („pleasure“; vgl. Fiske 2003: 38) des Fandoms liegt im Fan Talk (vgl. ebd.).
Die textuelle Produktivität (vgl. Fiske 2003: 39ff.) nähert sich beinahe an jene Kunstwerke an, die von der offiziellen Kultur ihre Berechtigung erhalten. Fans produzieren
selbst Texte, die in ihrem Produktionswert jenen der Hochkultur ebenbürtig sind und
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veröffentlichen diese unter Gleichgesinnten. Während Fiske (ebd.) noch das Problem
des begrenzten Zuganges der Fans zu Produktions- und Veröffentlichungsmöglichkeiten nennt, könnte man annehmen, dass heute diese Probleme dank der Entwicklungen
im Bereich des Social Web zumindest verringert wurden. Was jedoch noch ähnlich sein
dürfte, ist die Tatsache, dass Fans meist keinen Profit aus ihren Werken schlagen und
diese auch nicht außerhalb ihres Fandoms veröffentlichen. Dies unterscheidet abermals
die Populär- von der Hochkultur.
Fan texts, then, have to be ‘producerly’ […], in that they have to be open, to contain
gaps, irresolutions, contradictions, which both allow and invite fan productivity. They
are insufficient texts that are inadequate to their cultural function of circulating meanings and pleasure until they are worked upon and activated by their fans, who by such
activity produce their own popular cultural capital. (Fiske 2003: 42)
Wenn dieser industriell produzierte Text, im Falle dieser Arbeit also die Serie, schließlich seine Fans 'trifft', dann wird er durch ihre aktive Teilnahme an der Verhandlung
der Inhalte überarbeitet und somit wird aus dem Moment der Rezeption ein Moment
der Produktion (vgl. Fiske 2003: 41). So zeichnet sich ein Fandom beispielsweise
dadurch aus, dass seine Mitglieder den Text des eigentlichen Künstlers bzw. der Künstlerin nicht ebenso verehren wie dies die Hochkultur praktiziert (vgl. Fiske 2003: 40).
Fans einer Serie haben oft das Gefühl, dass sie selbst bessere Handlungsstränge schreiben können, als dies die Autorinnen und Autoren der eigentlichen Serie tun.
Ein Paradebeispiel hierfür sind die Fans der Serie Star Trek (vgl. Fiske 2003: 39;
Jenkins 2002: o.S.), die von Anfang an ein aktives Publikum waren (vgl. Jenkins 2002:
o.S.). Sie waren zwar nicht in der Lage, den Inhalt der Serie direkt mitzubestimmen
oder zu ändern, aber sie formten die Rezeption durch eigene Medienproduktion um
(vgl. ebd.). So bezeichnet Jenkins (ebd.) das Star Trek Fandom als Modell gewisser
Weise für andere Fan Communities, indem es vormachte, wie Interpretationen des Inhaltes debattiert, eigens kreierte Inhalte in Umlauf gebracht und Kanäle für die Produzentinnen und Produzenten der Serie eingesetzt werden können. Die Entwicklungen im
Bereich von Social Media haben dazu geführt, dass Fans ihre eigenen oder die Inhalte
Anderer ohne großen, finanziellen Aufwand archivieren, kommentieren, sich aneignen
und abermals in Umlauf bringen können (vgl. Jenkins 2002: o.S.). So kursieren in Online-Fan-Communities mittlerweile Photoshop-Collagen und andere Formen der digitalen Kunst, eigens zusammengestellte Soundtracks oder Fanfictions (vgl. ebd.).
Die Autorinnen und Autoren besagter Fanfictions, also selbst entwickelter Geschichten,
sind laut Jenkins (2006: 43) zum Großteil weiblich. Als Begründung hierfür wird die
unterschiedliche Sozialisation von Männern und Frauen gesehen (vgl. ebd.):
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Während für Männer eher das narrative Element und die Absichten der Autorinnen
und der Autoren im Mittelpunkt der Rezeption stehen, stecken Frauen ihre Energien in
die Rekonstruktion der textuellen Welt und in das Verständnis der Charaktere (vgl.
Jenkins 2006: 43). Sie sind eher dazu bereit, frei mit den Inhalten der Serie zu spielen
und ziehen Rückschlüsse auf Beziehungen zwischen Charakteren, welche nicht explizit
in der Serie thematisiert wurden (vgl. Jenkins 2006: 44). „Such data strongly suggests
that the practice of fan writing the compulsion to expand speculations about characters
and story events beyond textual boundaries, draws more heavily upon the types of interpretive strategies common to the ‘feminine’ rather than to the ‘masculine’.” (Jenkins
2006: 44)
An dieser Stelle soll kurz auf sogenannte „Frauenöffentlichkeiten“ (vgl. Klaus 1998:
353ff.) eingegangen werden. Bereits Janice Radway (1987) stellte fest, dass die Auseinandersetzung mit einem bestimmten Text, in diesem Fall Liebesromanen, von ihren
Leserinnen zur Möglichkeit wird, an einer Frauenöffentlichkeit teilzuhaben – auch
wenn eine Gemeinschaft nur indirekt (über die Buchverkäuferinnen), beziehungsweise
symbolisch bestand. Klaus (1998: 355) attestierte auch dem Genre der Soap Opera,
dass dieses den Fans die Möglichkeit biete, ein derartiges sternförmiges Netzwerk zu
formen. Möglicherweise trifft dies auch auf den Bereich der Fanfictions zu. Auch Fanfictions bieten ihren Produzentinnen und Produzenten die Möglichkeit zum kommunikativen Austausch (via Kommentar- und Review-Funktionen auf den jeweiligen Plattformen), zur Bildung von spezifischen Fangemeinden (Fandoms) und zur gemeinsamen Ansammlung von strategischem Wissen (vgl. Klaus 1998: 355ff.). So könnte Fanfictions die Kraft innewohnen, Frauenöffentlichkeiten herzustellen; wie es Mary Ellen
Brown (1994: xi) auch den Soap Operas attestierte. Der informelle Austausch über Serieninhalte – wie etwa Fanfiction – könnte differenzierte Sinnproduktion und Kommunikationsprozesse ermöglichen, die traditionellen Geschlechterdiskursen zuwiderlaufen
(vgl. Klaus 1998: 356). Derartige Räume schaffen Platz für vom Originaltext abweichende Sinnproduktionen für Rezipientinnen und Rezipienten und können die Illusion
eines Raumes schaffen, in dem Frauen authentisch und selbstbestimmt handeln können (vgl. Klaus 1998: 357).
Warum Frauen und warum gerade Star Trek? Einerseits beschreibt Jenkins (2006: 45)
in Bezug auf Judith Spector (1986: 163) das Science Fiction Genre (ebenso wie CopSerien, Detective-Dramen oder Western) als feindselig gegenüber Frauen. Diese Serien
wurden von Männern für Männer geschrieben (vgl. Jenkins 2006: 44) und bieten so
männliches Sehvergnügen, welches den Frauen somit verschlossen bleibt. Um also die
Rezeption des Textes vollkommen genießen zu können, sind Frauen oft dazu gezwungen, eine Art intellektuellen Transvestismus zu vollführen um ihre eigenen narrativen
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Anliegen zu erkunden (vgl. Jenkins 2006: 44). Dies verlangt den Frauen ab, sich in
(vermeintlicher) Opposition zu ihren eigenen, kulturellen Erfahrungen, mit männlichen Charakteren zu identifizieren (vgl. ebd.).
This need to reclaim feminine interests from the margins of ‘masculine’ texts produces
endless speculation that draws the reader well beyond textual boundaries into the domain of the intertextual. […] Fan writing represents the logical next step in this cultural
process: the transformation of oral countertexts into a more tangible form, the translation of verbal speculations into written works that can be shared with a broader circle of
women. To do so, their status must change; no longer simply spectators, these women
become textual producers. (Jenkins 2006: 44)
Diese Autorinnen und Autoren wollen die Beziehungen zwischen den Charakteren auf
eine realistische und ausgedehnte Art und Weise erkunden; sie wollen Fanfictions, die
wahr und glaubwürdig sind und nicht „‘syrupy‘ or ’sweet‘“ (Jenkins 2006: 50). Diese
Geschichten fokussieren häufig zeitgenössische, feministische Themen wie Sexualität,
Geschlechterpolitik, Religion, Familie, Ehe und Romantik (vgl. Jenkins 2006: 51).
Jenkins (2006: 49) bezeichnet dies als einen Wechsel von der „Space Opera“ zur „Soap
Opera“. Emotionen stehen hierbei im Vordergrund, die eigentlichen Konflikte der
Enterprise bleiben möglicherweise als Rahmenhandlung präsent (vgl. Jenkins 2006:
50).
Ungeachtet dieser kreativen Freiheit, die die Fans von Star Trek hier ausleben können,
gibt es so etwas wie ein Regelwerk oder gewisse Normen und Richtlinien (vgl. Jenkins
2006: 54ff.):
„The ideology of fandom involves both a commitment to some degree of conformity to
the original program materials, as well as perceived right to evaluate the legitimacy of
any use of those materials, either by textual producers or by textual consumers.”
(Jenkins 2006: 55) Generell kann gesagt werden, dass man nicht dem Originaltext, also
der Serie selbst, sondern den Konventionen der Fan Community in seiner Arbeit treu
bleiben muss. Die Star Trek-Fans sind darüber hinaus der Meinung, dass sie selbst die
Charaktere am besten verstünden, und somit am besten qualifiziert seien (auch gegenüber den Autorinnen), derartige Fanfictions zu schreiben und die Geschichte 'ihrer'
Serie fortzuführen.
Diesen Konventionen zum Trotz, hat sich eine neue Konzeption von Fanfictions entwickelt. Diese „alternate universes“ (Jenkins 2006: 57) nimmt die eigens produzierten
Texte nicht als Erweiterung der Serie wahr, sondern erlaubt sich die Freiheit, in gewissen Punkten vom Originaltext abzuweichen (vgl. ebd.).
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2.1.5 Slash-Fanfiction
Eine weitere Entwicklung im Bereich der Fanfiction sind die Slash-Stories (vgl. Jenkins
2006: 57ff; Green/Jenkins/Jenkins 2006: 61ff.). Laut Green/Jenkins/Jenkins (2006:
62f.) ist Slash eine Ausprägung von Fanfiction, die allgegenwärtig ist. Das Genre bezeichnet Texte, die ein gleichgeschlechtliches Paar aus Filmen, Fernsehen, Comics oder
Literatur fokussieren (vgl. ebd.) und meist detaillierte Beschreibungen sexueller Handlungen beinhalten (vgl. Jenkins 2006: 56).
Die Forschung war bisher vor allem daran interessiert, warum so viele heterosexuelle
Frauen ein schwules Paar, wie beispielsweise Captain Kirk und Mr. Spock, zum Zentrum ihrer Fanfiction machen (vgl. Green/Jenkins/Jenkins 2006: 64). Tatsache ist allerdings, dass dieses Genre keineswegs auf heterosexuelle Autorinnen und Autoren
beschränkt ist – auch bisexuelle und lesbische Frauen schreiben nachweislich Slash
(vgl. ebd.). „In some ways, having a shared set of bodies onto which to map erotic fantasies created a common ground where queers and straights could talk about their desires outside the polarization occurring in the identity politics of the era.”
(Green/Jenkins/Jenkins 2006: 62)
Ein weiterer Standpunkt ist dieser, dass es bei Slash-Fiction nicht so sehr um Identifikation mit einer Figur geht, sondern vielmehr die Kontrolle, die die Autorin oder der
Autor über die Charaktere hat (vgl. Green/Jenkins/Jenkins 2006: 69). „Isn’t manipulation and watching so much fun? That’s what I do; I never, ever insert myself […] into
the character in the story”, zitieren Green/Jenkins/Jenkins (ebd.) eine Autorin. Slash
wird außerdem, sowohl von den Autorinnen und Autoren als auch von Akademikerinnen und Akademikern als „Umdenken und Umschreiben“ (Green/Jenkins/Jenkins
2006: 71), also Verhandeln von Männlichkeit gesehen. Slash ermöglicht es den Autorinnen und Autoren, den männlichen Figuren ihrer Geschichte emotionale Verantwortung zuzuschreiben; etwas, das in der Realität oft abgelehnt wird (vgl. ebd.). Henry
Jenkins (Green/Jenkins/Jenkins 2006: 72) beschreibt Slash in einem Artikel in Strange Bedfellows folgendermaßen: In The Wrath of Khan trennt eine Glasscheibe den
Captain Kirk und Mr. Spock, der im Sterben liegt. Beide pressen ihre Hände gegen das
Glas, versuchen, physischen Kontakt herzustellen und schwören sich ihre Freundschaft.
[S]lash is what happens when you take away the glass. The glass, for me, is often more
social than physical; the glass represents those aspects of traditional masculinity which
prevent emotional expressiveness or physical intimacy between men, which block the
possibility of true friendship. Slash is what happens when you take away those barriers
and imagine what a new kind of male friendship might look like. One of the most excit-
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ing things about slash is that it teaches us how to recognize the signs of emotional caring
beneath all the masks which male culture seeks to repress or hide those feelings.
(Green/Jenkins/Jenkins 2006: 72)
Hinzu kommt, dass Fans sich in ihrem Fandom oft freier fühlen als in anderen Kontexten und sich so eher selbst ausdrücken, Fragen stellen oder alternative Perspektiven
diskutieren können (vgl. Green/Jenkins/Jenkins 2006: 85). Hier ist es ihnen möglich,
ihre eigene Kultur zu formen und aktiv daran teilzuhaben (vgl. ebd.). Die Fans geben
sich einem phantasievollen Vergnügen (vgl. Klaus 1998: 339) in Bezug auf Geschlechterkonstruktionen und –verhältnissen hin. Sie kreieren die Geschichten, die sie selbst
lesen wollen; wenn eine Fanfiction gut gefällt, wird sie geteilt, wenn sie aufregt, wird
eine Fortsetzung geschrieben und wenn sie nicht gefällt, kann sie überarbeitet und
nochmal geschrieben werden (vgl. Green/Jenkins/Jenkins 2006: 87).
In embracing popular texts, the fans claim those works as their own, remaking them in
their own image, forcing them to respond to their needs and to gratify their desires. […]
Consumption becomes production; reading becomes writing; spectator culture becomes
participatory culture. (Jenkins 2006: 59f.)
2.2 Post-Television Drama
Die Zeit fragte in einem Onlineartikel: „Was haben amerikanische Serien, was deutsche
nicht haben?“ (Schmetkamp 2008)
Die Serien nach dem Jahrtausendwechsel schnüren intelligente, ausgefallene Geschichten mit filmästhetischer Qualität und originellen Dialogen zu einem hochwertigen Gesamtpaket. Die Serien sind anspruchsvoll, originell, klug, witzig, unterhaltsam, unkonventionell, gut besetzt – und sie spielen, was ihre Machart und Finanzierung angeht, mit
großen Kinofilmen in einer Liga. Zugleich ist jede einzelne Reihe für sich genommen ein
Unikat, ein Brand, wie amerikanische Serien-Produzenten das nennen, eine Marke.
(Schmetkamp 2008, H.i.O.)
In dem folgenden Teilkapitel möchte ich mich dem bisher noch eher unzureichend definierten Begriff besagter US-amerikanischer Serien etwas weiter annähern.
Attestierte Theodor Adorno in seinem Aufsatz „How to Look at Television“ aus dem
Jahr 1954 dem Fernsehen noch triviale Inhalte, schablonenhafte Figuren und stereotype Darstellungsformen, die zur Verdummung und Entmündigung der Rezipientinnen
und Rezipienten führe (vgl. Köhler 2011: 18), wird diesem Bereich derzeit ein Experimental- und Innovationsraum attestiert, welcher die akademische Beschäftigung herausfordert (vgl. Schabacher 2010: 20). Qualität bzw. „Quality TV“ oder „Quality Televi-
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kommunikation.medien 4. Ausgabe / Dezember 2014
sion Series“ (Köhler 2011; Frizzoni 2012; Jahn-Sudmann/Kelleter 2012), künstlerisches
Potential (vgl. Schabacher 2010: 19), intelligente Erzählformen (vgl. JahnSudmann/Kelleter 2012: 205), gehobenes Publikum (vgl. Blanchet 2011: 52) und vor
allem die „Umbruchphase“ (Jahn-Sudmann/Kelleter 2012: 205) oder das „zweite goldene Zeitalter des Fernsehens“ (Köhler 2011: 15) sind Begriffe, die sich in beinahe jeder
Auseinandersetzung mit besagten, neuen Serien wiederfinden. Robert Blanchet (2011)
arbeitet in seinem Beitrag „Quality-TV. Eine kurze Einführung in die Geschichte und
Ästhetik neuer amerikanischer Fernsehserien“ zwölf Merkmale von Qualitätsserien
heraus:
1.) Qualitätsserien sind nicht gewöhnliches Fernsehen.
2.) Qualitätsserien werden von Künstlerinnen und Künstlern gemacht.
3.) Qualitätsserien sprechen ein gehobenes Publikum an.
4.) Qualitätsserien haben niedrige Einschaltquoten und kämpfen gegen den
Widerstand der Sender und des Mainstream-Publikums.
5.) Qualitätsserien verfügen über ein großes Figurenensemble, präsentieren unterschiedliche Perspektiven und haben multiple Plots.
6.) Qualitätsserien haben ein Gedächtnis.
7.) Qualitätsserien kreieren ein neues Genre, indem sie bestehende Genres
kombinieren.
8.) Qualitätsserien sind literarisch und autorenzentriert. Der Schreibstil ist
komplexer als bei anderen Serien.
9.) Qualitätsserien sind selbstreflexiv.
10.) Qualitätsserien behandeln kontroverse Themen.
11.) Qualitätsserien versuchen, ‚realistisch‘ zu sein.
12.) Qualitätsserien werden mit Lobeshymnen und Preisen überhäuft.
Nun stellt sich hiermit die unweigerliche Frage, ob, und wenn ja, wie Qualität in diesem
Zusammenhang definiert werden kann. Betrachtet man Blanchets (2011) eben erwähnten zwölf Qualitätsmerkmale, so kann beispielsweise die Gültigkeit der Aussage „Qualitätsserien haben niedrige Einschaltquoten und kämpfen gegen den Widerstand der
Sender und des Mainstream-Publikums“ angezweifelt werden – startete die sechste
Staffel von Mad Men, einer Serie, die in Diskussionen dieses neuen Serienphänomens
immer wieder auftaucht (Köhler 2011; Frizzoni 2012), mit 3,4 Millionen Zuseherinnen
und Zusehern in den USA (vgl. Junklewitz 2013: o.S.). Außerdem würden wohl einige
der verwendeten Begriffe, wie etwa „gewöhnliches Fernsehen“, die „realistischen“ Ansprüche der Serien oder auch das „Mainstream-Publikum“ noch einer genaueren Definition bedürfen.
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kommunikation.medien 4. Ausgabe / Dezember 2014
Aus diesem Grund wurde von dem oftmals verwendeten Begriff des Quality-TV bewusst
Abstand genommen und stattdessen jener des Post-Television Dramas verwendet. Im
Folgenden wird versucht, den Begriff so weit wie möglich einzugrenzen und so eine
Arbeitsdefinition zu schaffen.
Zu Beginn soll der Begriff selbst kurz erläutert werden. Lange galt die Serie als „mediencharakteristische Form“ (Faulstich 1994: 47, zit. n. Köhler 2011: 22), die immer zu
einer bestimmten Zeit im Fernsehen gesendet wurde (vgl. Köhler 2011: 22f.). Dadurch
entstand eine regelmäßige, serielle Produktion des Programms (vgl. ebd.). Heute bieten
sich den Rezipientinnen und Rezipienten allerdings unterschiedlichste Möglichkeiten,
'ihre' Serien zu sehen. Einerseits bleibt natürlich das Fernsehen als Medium präsent,
andererseits bieten DVDs, Downloads oder Streamings andere, räumlich und zeitlich
ungebundene Arten, den gewünschten Inhalt zu sehen. So wird bereits bei Turner/Tay
(2009, zit. n. Köhler 2011: 23) von „post-broadcast-television“ oder bei Leverette/Ott/Buckley (2008, zit. n. Köhler 2011: 23) von „post-television“ gesprochen.
Der Beginn besagter Umbruchphase im Feld der Fernsehserien wird auch in der Literatur nicht eindeutig festgelegt, am Häufigsten wird allerdings auf die 1990er Jahre hingewiesen (vgl. Blanchet 2011: 37; Jahn-Sudmann/Kelleter 2012: 205; Köhler 2011: 20).
Eines scheint jedoch gewiss zu sein:
Im Verlauf der letzten Jahre hat sich in der amerikanischen Serienlandschaft ein markanter Wandel vollzogen – weg von einfach gestrickten Wiederholungsmustern und trivialen Stoffen hin zu komplex nuanciert gestalteten Erzählungen, die den Vergleich mit
dem Kino nicht mehr zu scheuen brauchen und sogar vieles von dem, was wir auf der
großen Leinwand geboten bekommen, in den Schatten stellen. (Blanchet 2011: 37)
Charakteristisch für diese Entwicklung ist der Sender HBO, der in seinen Serien wie
etwa The Sopranos oder Six Feet Under rund 1,5 Millionen US-Dollar für eine Folge
investiert hat und diese schließlich auch ohne Werbeunterbrechung ausstrahlt (vgl.
Schabacher 2010: 21). Dieses Konzept übernahmen schließlich auch andere Sender, wie
etwa FX oder Showtime, was mittlerweile als „HBO-Effect“ bezeichnet wird (Schabacher 2010: 21f.).
Im obigen Zitat von Blanchet wird bereits eine Eigenschaft angesprochen, auf welche
auch Köhler (2011: 15) hinweist – ein „cineastischer Stil“ (ebd.), der an das Kino erinnert und so einen Vergleich mit etablierten Kunstformen, wie dem Kino oder auch dem
Roman (vgl. Köhler 2011: 20; Blanchet 2011: 43; Frizzoni 2012: 344) erlaubt. Die Parallele zum Roman wird auch durch die intelligenten und innovativen Erzählstrukturen
(vgl. Jahn-Sudmann/Kelleter 2012: 205; Köhler 2011: 15), Ellipsen, Leerstellen und die
komplexen Figurenkonstellationen (vgl. Köhler 2011: 15) plausibel weiter gefestigt. „Die
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kommunikation.medien 4. Ausgabe / Dezember 2014
erfolgreichen US-Serien zeichnen sich [...] nicht nur durch multiples Genre-Crossing
aus, sondern vor allem durch komplexe Narrative, die dem Publikum ein hohes Maß an
Aufmerksamkeit abverlangen und damit dem Produkt kulturelles Prestige sichern.“
schreibt Gabriele Schabacher (2010: 22) in ihrem Beitrag „Serienzeit. Zur Ökonomie
und Ästhetik der Zeitlichkeit neuerer US-amerikanischer TV-Serien“. Im Zusammenhang mit besagter Komplexität wird von einer „era of television complexity“ gesprochen (Mittell 2006: 29), die maßgeblich in der Serienstruktur verankert ist. Außerdem
hebt Frizzoni (2012: 342) hervor, dass die Post-Television Drama-Series Konventionen
brechen und präzise Einblicke in andere Lebenswelten geben. Außerdem finden brisante Themen oder Tabus wie etwa der Tod in Six Feet Under oder Verslumung in The
Wire Platz im Fernsehen (vgl. ebd.). Des Weiteren stellt die Hybridisierung, also eine
Kombination mehrerer Genres, ein Merkmal der Post-Television Dramas dar, da sie
laut Jahn-Sudmann und Kelleter (2012: 208) eine wichtige Strategie innovativer Reproduktion ist.
Ein weiteres bedeutendes Merkmal des Post-Television Dramas ist das Image der Rezipientinnen und Rezipienten. So hebt Kristina Köhler (2011: 24) hervor, dass das Bild
der oder des manipulierbaren, passiven Zuseherin oder Zusehers einer Revision bedarf.
Die Serienrezipientin oder der Serienrezipient gehe demnach produktiv, ironisch oder
gar subversiv mit den Serieninhalten und den darin transportierten Werthaltungen und
Weltvorstellungen um (vgl. ebd.). Auch Frizzoni (2012: 346) spricht die Aktivitäten von
Fans, in diesem Fall Fans der Serie Lost an, die eine digitale Enzyklopädie des SerienUniversums erstellten. Als weiteres Beispiel für aktive Rezipientinnen und Rezipienten
führt Köhler (2011: 11f.) die Serie Mad Men an. Zuseherinnen und Zuseher diskutieren
und spekulieren, welchen Film sich Don Draper, der Protagonist der Serie, in Folge drei
der zweiten Staffel im Kino ansieht. Welcher Film es nun gewesen ist, wurde von Seiten
der Produktion nicht preisgegeben. Die Fans scheinen sich aber sicher zu sein, dass
diese Szene in irgendeiner Form Signifikanz aufweist – was die ausführlichen Diskussionen in Internetforen oder Blogs bestätigen (vgl. ebd.).
2.2.1 Genreanalyse: Krimiserien / Crime Series
In diesem Kapitel soll nun das Genre der Krimiserien näher diskutiert werden, um die
Auseinandersetzung mit dem Post-Television Drama The Mentalist, das (zumindest in
weiten Teilen) dieser Gattung zugeordnet werden kann, zu fundieren.
Die Tradition der „Police Series“, wie Glen Creeber (2001:19) dieses Genre beschreibt,
geht auf das Großbritannien der 1950er Jahre zurück, wo die BBC die eher provinzielle
Serie Dixon of Dock Green ausstrahlte. Die Serie enthielt keine sonderlich komplexe
Handlung. Jede Episode enthielt einen Fall, den George Dixon zu Beginn in Richtung
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kommunikation.medien 4. Ausgabe / Dezember 2014
der Kamera erklärte, dessen Aufklärung meist mit kleinen, physischen Auseinandersetzungen gelöst wurde. Dixon of Dock Green wurde anfangs für seine realistische Darstellung und vor allem für den Fokus von Arbeiterklassenpolizistinnen und -polizisten
gelobt (vgl. ebd.).
Fabian of Scotland Yard war die erste englische Dramaserie, die auf Film aufgenommen wurde. Dies eröffnete den Weg für eine schnellere und anspruchsvollere narrative
Geschwindigkeit. Anders als bei Dixon of Dock Green waren hier die Ermittler bzw. die
Ermittlerinnen allerdings routinierte Scotland Yard-Detectives, die ihre analytischen
Fähigkeiten einsetzten, um das Verbrechen aufzuklären (vgl. Creeber 2011: 19).
These two approaches to the police series – the ordinary uniformed policeman on the
one hand, the skilled plain-clothes police detective on the other – set a pattern for the
genre that has prevailed throughout its history. (Creeber 2001: 19)
Im Allgemeinen beginnt die Krimiserie mit einer Störung der Gesellschaftsordnung,
zum Beispiel einer Entführung oder einem Mord. An diesem Punkt kommt die Polizei
ins Spiel. Sie nimmt Beweise auf und befragt Augenzeugen, um so Informationen über
den Tathergang zu sammeln und diesen 'Angriff' auf die sozialen Normen zu neutralisieren – also die Täterin oder den Täter zu fassen. Durch eine Verhaftung wird schließlich die gesellschaftliche Ordnung wiederhergestellt (vgl. Bignell/Orlebar 2005: 64;
Casey et al 2003: 44f.).
In der Vergangenheit waren die Kriminellen immer die 'Bösen' und die polizeilichen
Vertreter die 'Guten'. Neuerdings verwischen die Grenzen von Moralität und Legalität
– vor Allem bei Figuren wie den „bent cops“ (Casey et al 2003: 44), also Polizisten, die
außerhalb der gesetzlichen Norm agieren oder den „sympathetic ‚villains‘“ (ebd.). „The
tension and indeed pleasure, within the narrative emanates from the conflict between
the police and the criminal and uncertainty as to whether the criminal will be caught or,
in the case of a ‘whodunnit’ […] revealed.” (Ebd., H.i.O.)
Die Dynamik des Genres entsteht durch oppositionelle Charaktere. Die Protagonistin
oder der Protagonist, meist die Hauptermittlerin, der Hauptermittler oder ein Team
der Polizistinnen und Polizisten, sind grundsätzlich gut. Dieser Charakter – beziehungsweise die Charaktere – tauchen regelmäßig auf. Durch ein besonderes Erkennungsmerkmal, wie zum Beispiel Kojaks Lollie, wird eine Person weiter charakterisiert
und schürt das Interesse der Zuseherin oder des Zusehers. Eine weitere Funktion derartiger Besonderheiten ist, dass der zentrale Charakter sich so von anderen Figuren
unterscheidet – er wird dadurch zur Persönlichkeit.
Ein ständig zitiertes Beispiel für Krimiserien ist Hill Street Blues. Creeber (2001: 23,
H.i.O.) beschreibt sie folgendermaßen:
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kommunikation.medien 4. Ausgabe / Dezember 2014
The appearance of Hill Street Blues on NBC in 1981 was a landmark in the history of
American television, breaking all the rules of series drama. It used a large ensemble of
thirteen to fourteen central characters, overlapping dialogue, multiple narrative strands
with lack of resolution to many of the storylines, documentary-style camerawork, a multi-ethnic cast and strong female characters, and took a liberal attitude towards policing
and social issues. […] The complex narrative structure – moving from one character, or
pair of characters, to another, and from one storyline to another as the episode developed, with dialogue often overlapping as a consequence of the ensemble interplay and
the interweaving of storylines – was all part of the objective of establishing a new realism in drama as a whole.
Die Kombination aus Krimi-Elementen, das enorme Figurenensemble mit starken,
weiblichen Charakteren und die unterschiedlichen Erzählstränge finden sich auch im
eigentlichen Forschungsgebiet dieser Arbeit, der Serie The Mentalist.
2.2.2 The Mentalist
Die US-amerikanischen Krimi-Drama-Serie The Mentalist basiert auf der Idee von
Bruno Heller, der bereits die Serie Rom entwickelte. Sie handelt von Patrick Jane, der
seinen Lebensunterhalt früher als Hellseher verdient hat. Aufgrund seiner Fähigkeiten
wurde er vom CBI (California Bureau of Investigation) als Berater engagiert um einen
Serienkiller namens Red John zu fassen. Als Jane diesen in einer Talkshow öffentlich
bloßstellt, bringt Red John Janes Frau und Tochter um. Dies veranlasst Patrick Jane
dazu, sein Leben vollständig zu ändern. Mittlerweile beteuert er, dass seine 'Arbeit' als
Medium absoluter Unsinn und Betrug gewesen sei und versichert, lediglich eine gute
Beobachtungs- und Kombinationsgabe zu haben. Mit dieser Gabe unterstützt Jane weiterhin die CBI-Einheit und berät die Leiterin Teresa Lisbon bei diversen Delikten. Seine
unkonventionellen Ermittlungsmethoden führen dabei oft zu Problemen mit seinen
Vorgesetzten. Im Hintergrund steht aber weiterhin Janes oberstes Ziel: Red John zu
finden und umzubringen.
Die erste Staffel von The Mentalist startete am 23. September 2008 auf CBS, wobei die
Pilot-Episode in den USA 15,6 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer erreichte. Die
Staffel wurde in den USA mit durchschnittlich 17 Millionen Zuseherinnen und Zusehern der erfolgreichste Neustart einer Serie in der Saison 2008/2009 und auch insgesamt die erfolgreichste fiktionale Serie in den USA (vgl. Wikipedia Contributors 2013;
Roßmann 2013). Gedreht wird hauptsächlich in einem Studio in Los Angeles; die Produktionsfirma ist Primerose Hill Productions und Warner Bros. Television (vgl. ebd.).
In den USA (CBS) sowie in Österreich (ORFeins) und Deutschland (Sat.1) wurde die
mittlerweile fünfte Staffel bereits ausgestrahlt. Laut Roßmann (2013) verlor die Serie
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kommunikation.medien 4. Ausgabe / Dezember 2014
dabei allerdings eine beträchtliche Zahl an Zuseherinnen und Zusehern (Staffel zwei
und drei: 15 Millionen, Staffel vier: 14 Millionen, Staffel fünf: 11,06 Millionen), büßte
ihren Sendeplatz vom Donnerstagabend ein und wurde auf Sonntagabend verschoben.
Trotzdem scheint die Serie für CBS weiterhin lukrativ zu sein (vgl. Krannich 2013).
Ein Großteil des Erfolgs wird von den Kritikerinnen und Kritikern dem Schauspieler
Simon Baker und seiner Verkörperung Patrick Janes zugesprochen (vgl. McNamara
2008; Der Standard 2009). Poniewozik (2009) sieht dies als möglichen Grund für den
60-prozentigen Anteil von weiblichen Zuseherinnen – jedoch kann die Krimiserie auch
als „Frauen- oder Universalgenre“ bezeichnet werden.
The Mentalist hat 2009 den People’s Choice Award in der Kategorie 'Beste neue TVDrama-Serie' gewonnen. Zusätzlich war Simon Baker im gleichen Jahr für den Emmy
als 'Hauptdarsteller in einer Dramaserie' nominiert. 2010 wurde der Schauspieler
abermals als bester Hauptdarsteller in einer Dramaserie für einen Golden Globe und
Screen Actors Guild Award nominiert (vgl. Wikipedia Contributors 2013). Am 14. Februar 2013 bekam Simon Baker einen Stern am Hollywood Walk of Fame verliehen. Robin Tunney nahm im Juni 2013 am Monte-Carlo Television Festival die Goldene Nymphe für The Mentalist als 'Best Drama Series- International Audience Award' entgegen
(vgl. Robin’s Green Shades 2013: o.S.).
Um nun The Mentalist im Bereich des Post-Television Dramas zu verankern, wird auf
die in den vorherigen Kapiteln angeführten Kriterien Bezug genommen.
Zwar wurde die erste Staffel der Serie von den Kritikerinnen und Kritikern als althergebrachtes, jedoch unterhaltsam aufbereitetes Krimi-Konzept (vgl. Der Standard 2009)
bezeichnet, doch mit zunehmenden Staffeln tritt der übergeordnete Handlungsbogen,
die Jagd nach Red John, immer mehr in den Vordergrund. Dies spiegelt sich auch in
den Zuschauerzahlen wider: Staffel eins 17 Millionen Zuseherinnen und Zuseher, Staffel fünf 11,06 Millionen Zuseherinnen und Zuseher (vgl. Roßmann 2013). Dies stellt
möglicherweise einen Indikator für eine Entwicklung in Richtung des Post-Television
Drama dar. Andererseits könnte diese Veränderung in den Zuschauerzahlen auch als
Entwicklung in Richtung des Quality-TV´s gesehen werden, um jene Zahlen aufzufangen.
Auch die von Jahn-Sudmann und Kelleter (2012: 208) erwähnte Hybridisierung trifft
auf The Mentalist zu: Auf Wikipedia wird das Programm als Krimiserie gehandelt, bei
den Award-Nominierungen der Serie fällt diese jedoch unter 'Drama'. Komplexe Narrative, die einen erhöhten Grad an Aufmerksamkeit ihres Publikums fordern, zeichnen
sich durch multiple, sich überlappende Handlungsstränge, eine Vielzahl an elaborierten Charakteren, die in einem Geflecht agieren aus (vgl. Schabacher 2010: 22; 37). Entsprach die CBS-Serie zu Beginn vielleicht noch nicht vollständig diesen Kriterien, so
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kommunikation.medien 4. Ausgabe / Dezember 2014
20
scheint sie derzeit auf dem besten Weg dahin zu sein, diese zu erfüllen. Bestes Beispiel
hierfür sind wohl die 'Abstimmungen', wer sich nun hinter Red John verbirgt, welche
die Fans direkt auf der CBS-Homepage durchführen konnten. Mittlerweile hat sich die
Liste
auf
sieben
Hauptverdächtige
eingegrenzt:
http://www.cbs.com/shows/the_mentalist/red-john/. Die vergangenen Abstimmungen
sind
hier
zu
finden:
http://www.fanpop.com/clubs/the-
mentalist/images/34358043/title/red-john-suspect-galleries-photo.
Diese
Abstim-
mungen zeugen von einer aktiven Teilhabe der Fans an der Entschlüsselung des Produktes (vgl. Schabacher 2010: 22).
Diese Abstimmungen weisen auf eine aktive Fangemeinde der Serie The Mentalist hin.
Um abermals auf Köhler (2011: 11f.) und die von ihr verschriftlichten Beobachtungen
zu den Mad Men-Fans und ihrer Diskussionen der Kino-Szene mit Don Draper zu verweisen, gilt wohl Ähnliches für The Mentalist-Fans. Nur geben hier nicht (ausschließlich) unaufgelöste Szenen Anlass zur Diskussion, sondern der Serienkiller Red John –
und die in Bezug auf ihn ausgelegten Hinweise und Indizien. So finden beispielsweise
in diesem Simon Baker/The Mentalist-Forum (http://simonizecomau.proboards.com/)
unter der Rubrik 'The Psychic Tent' Diskussionen zu den einzelnen Staffeln und Episoden
sowie
zur
Red
John-Thematik
im
Speziellen
(http://simonizecomau.proboards.com/thread/781/red-john-speculation) statt. Neben
Red John bietet allerdings auch Patrick Jane Potenzial für Diskussionen, da über seine
eigene Vergangenheit nicht allzu viel bekannt ist. Wie Kristina Köhler (2011: 12) bereits
für Mad Men festhielt, könnten The Mentalist-Fans auch fragen: „Who is Patrick Jane?“ Zudem soll hier angemerkt werden, dass sich das Genre, in welches The Mentalist
eingeordnet werden kann, nicht eindeutig bestimmen lässt. Einerseits weist die Serie
klare Krimi-Elemente auf, andererseits könnte man den Mord an Janes Familie und die
darauffolgende Jagd nach Red John den Genres Thriller und Drama zuschreiben. Dies
ist ein Indikator dafür, dass man The Mentalist in das Post-Television Drama einordnen kann, aber auch dafür, dass es keine klare Abgrenzung zwischen den sogenannten
Quality-TV und anderen Genres und Serien gibt.
3. Problembenennung: Eigene Fragestellungen und Hypothesen
Die bisherige Literaturrecherche legt nahe, dass im Bereich der Fanfictions, vor allem
im deutschsprachigen Raum, noch beträchtlicher Forschungsbedarf besteht. Aus diesem Grund sehe ich die kommunikationswissenschaftliche Relevanz für die folgenden
Forschungsfragen gegeben:
„Welche Bedeutungen haben deutschsprachige Fanfictions im Fandom der USamerikanischen Serie ‚The Mentalist‘ für ihre Autorinnen und Autoren? Wie wird die
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Serie selbst und in weiterer Folge die Produktion der Fanfiction in den Alltag eingebettet?“
Durch medienbiografische Interviews (siehe nächster Abschnitt) erhoffe ich mir, einen
genaueren Einblick einerseits in die persönlichen Motivationen der Autorinnen und
Autoren sowie andererseits in die aus der Fanfictionproduktion erhaltenen Gratifikationen zu erhalten. Geht man von einem hohen Stellenwert der Serie beziehungsweise
der daraus resultierenden, eigenen Texte aus, so folgt die Frage, wie dieses Fandom in
den Alltag der einzelnen Personen eingebettet wird.
4. Methode und Forschungsablauf
4.1 Vorstellung der gewählten Methode: Das Medienbiografische Interview
Um die soeben dargelegten Forschungsfragen und Hypothesen zu erheben, habe ich
das medienbiografische Interview als Methode ausgewählt.
Der Begriff 'Medienbiografie' wurde Anfang der 1980er Jahre von Jan-Uwe Rogge in
die Kommunikationswissenschaft eingeführt und steht für eine Übertragung von Ansätzen aus der Soziologie ('Biographieforschung') und der Geschichte ('Oral History')
(vgl. Klaus/Röttger 1996: 98). In Bezug auf Knut Hickethier (1982) erklärt Aufenanger
(2006: 490), dass der medienbiografische Ansatz eine Art Paradigmenwechsel in der
Rezeptionsforschung darstellt. Die Medienbiografien lenken die Forschungsperspektive
von der medienzentrierten Forschung auf das die Medien rezipierende Subjekt, was für
das hier vorliegende Vorhaben ideal zu sein scheint.
Der medienbiografische Ansatz hat den Medienlebenslauf von RezipientInnen oder
Ausschnitte daraus zum Gegenstand, das heißt er thematisiert Medienverhalten im Laufe der lebenszeitlichen Entwicklung. Rezeptionsverhalten wird dabei als komplexes Resultat des Zusammenspiels von Alltag, Lebenslauf und Medien und der Bewertung des
Zusammenhanges durch die RezipientInnen begriffen. (Klaus/Röttger 1996: 99)
Im medienbiografischen Ansatz geht es weniger um Repräsentativität als darum, während des Gespräches in die Tiefe der medialen Rezeptionsprozesse zu gehen und so die
Entstehung des individuellen Medienhandelns zu untersuchen (vgl. Klaus/Röttger
1996: 99). Die Probandinnen und Probanden werden zu Biographinnen und Biographen und Autorinnen und Autoren ihrer eigenen Lebens- und Mediengeschichte und
wenden sich, als aktive Rezipientinnen und Rezipienten, bestimmten Angeboten zu und
beziehen diese individuell in ihren Alltag mit ein (vgl. ebd.).
Das medienbiografische Interview ist laut Klaus und Röttger (1996: 96) besonders zur
Untersuchung weiblichen Medienhandelns geeignet, da der Zusammenhang von Ge-
21
kommunikation.medien 4. Ausgabe / Dezember 2014
schlecht, Lebenssituation und Mediennutzung adäquat erfassbar ist. „Fragen nach dem
Umgang von Frauen mit Medien allgemein und mit spezifischen Genres insbesondere
können nur beantwortet werden, wenn Rezipientinnen im Kontext ihres Alltages selber
zu Wort kommen.“ (Klaus/Röttger 1996: 100). Da laut Henry Jenkins (2006), wie unter Punkt zwei bereits erläutert wurde, die Autorinnen und Autoren von Fanfiction
(zumindest jener des Slash-Genres) überwiegend weiblich sind, wird diese Methode
hier bereits zum Teil legitimiert.
Kritik an den medienbiografischen Interviews oder Gesprächen wurde wie folgt geäußert (vgl. Klaus/Röttger 1996: 100ff; Aufenanger 2006: 493ff.):
-
Der demokratische, egalitäre Anspruch der biografischen Forschung ist insofern
ein Problem, als bereits die autobiografische Erzählung eine Interpretation der
Vergangenheit und der Gegenwart beinhaltet. Diese wird von der Wissenschaftlerin oder dem Wissenschaftler abermals aus einer anderen Perspektive interpretiert, wobei beide Auslegungen nicht deckungsgleich sein können. Es entsteht also ein hierarchisches Gefälle.
-
Die Erinnerungen, aus denen das Gespräch wohl zum Großteil besteht, sind
keine zuverlässige, in Sinne von objektiver, Quelle. Sie vermitteln kein wirklichkeitsgetreues Bild sondern werden im Rückblick neu erschaffen. Erinnerungen
sind also situationsspezifische, verformte Bilder der Vergangenheit, die gewisse
Facetten herausheben und andere verdrängen.
-
Die Fülle von Daten, welche aus den Gesprächen entsteht, kann nicht zur Gänze
ausgewertet werden. Es obliegt also der Forscherin oder dem Forscher zu entscheiden, was relevant ist und was nicht.
-
Mediennutzung wird als Teil der Alltagsroutine selten bewusst reflektiert; ihre
emotionale Bedeutung ist im Vergleich mit anderen lebensgeschichtlichen Ereignissen also gering. Dieser Kritikpunkt mag für einen Großteil der medienbiografischen Interviews zwar zutreffen, doch in diesem Fall sind die Probandinnen und Probanden bei ihrer Produktion von Fanfiction aktiv, was bedeutet,
dass dieses mediale Handeln möglicherweise präsenter ist als beispielsweise die
tägliche Nachrichtensendung.
-
Bei Gesprächen, die das Medienhandeln fokussieren, spielt soziale Erwünschtheit oft eine große Rolle und wirft so die Frage nach der Authentizität der Antworten auf.
Das wohl größte noch ungelöste Problem der medienbiografischen Forschung liegt in
der Auswertung und der Interpretation der Interviews (vgl. Klaus/Röttger 1996: 102;
Aufenanger 2006: 495). Hierbei kann zwischen der Tiefenanalyse der Medienbiografie
einer einzelnen Person oder einer Querschnittanalyse mehrerer Lebensgeschichten
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kommunikation.medien 4. Ausgabe / Dezember 2014
unterschieden werden (vgl. Klaus/Röttger 1996: 102). Bei der Tiefenanalyse steht das
Individuum im Mittelpunkt. Die Forscherin oder der Forscher arbeitet den medienspezifischen Teil der Biografie heraus und es entstehen so medienbezogene Personenportraits (vgl. Klaus/Röttger 1996: 104). Verallgemeinerungen sind hierbei nicht möglich
(vgl. ebd.). Bei der Querschnittanalyse werden verschiedene Biografien in Bezug auf die
jeweiligen, für die Fragestellung relevanten Themen verglichen und die Interviewtranskripte anschließend kodiert (vgl. ebd.). Für dieses Forschungsvorhaben werden beide
Arten der Analyse kombiniert. Es werden erst Einzelfalldarstellungen erstellt und anschließend in einer Querschnittanalyse miteinander verglichen. Dabei wird das Ziel
verfolgt, Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede der jeweiligen Fälle herauszuarbeiten
und somit Anknüpfungspunkte für künftige Forschung herzustellen. Bei der Entstehung eines biografischen Dokuments werden mehrere kommunikative Beziehungen
angesprochen (vgl. Klaus/Röttger 1996: 102ff.):
Einerseits gibt es die interne Beziehung der Erzählung, der durch Wortwahl, Satzfolge,
Themensequenzen und Erzählweise eine manifeste Form gegeben wird. Dabei ist aber
das persönliche Zusammentreffen der Probandin oder des Probanden und der Forscherin oder des Forschers Voraussetzung für ihr Entstehen. Die soziale Beziehung entsteht
dadurch, dass die biografischen Inhalte durch den Anstoß einer oder eines Außenstehenden generiert und für diese Person angefertigt werden. Die Medienbiografie ist also
das Produkt einer Interaktion. Unter der externen Beziehung versteht man einen lebensweltlichen, gesellschaftlichen und ideologischen Kontext, der auf die Dynamik sozialer Prozesse verweist, so wie die Befragten diesen erlebt haben und im Zusammenhang mit den eigenen Lebensverläufen deuten. Eine weitere Ebene in der medienbiografischen Forschung ist die intrapersonale Beziehung. Diese verweist auf die Einbettung des Medienhandelns und der Medienerinnerung in die eigene Lebensgeschichte,
ohne die das Gespräch bedeutungslos wäre. Die medienbiografische Forschung setzt
die Bereitschaft und Fähigkeit zur Interpretation derselben voraus. Die Aspekte der
eigenen Mediennutzung werden dann erinnert, wenn Medien mit emotional besetzten
Ereignissen wie Konflikten, angestrebten Situationen, außergewöhnlichen Begebenheiten oder veränderten Rezeptionsbedingungen in Verbindung gebracht werden.
4.2. Beschreibung des Forschungsverlaufes
4.2.1 Begründungszusammenhang und Explorationsphase
Die Methode des medienbiografischen Interviews wurde einerseits ausgewählt, da sie
die Fanfiction-Autorin oder den Fanfiction-Autor ins Zentrum rückt und ihr oder ihm
die Möglichkeit bietet, ihre Erfahrungen und Motivationen frei zu äußern. Zudem kön-
23
kommunikation.medien 4. Ausgabe / Dezember 2014
nen die Probandinnen und Probanden in freiem Rahmen erzählen – ein Kriterium, das
für dieses Forschungsvorhaben sehr wichtig ist. Möglicherweise bedürfen die Autorinnen und Autoren zuerst einer kleinen 'Aufwärmphase' und so können sie selbst bestimmen, wann sie welchen Teil erzählen. Etwaige Lücken können immer noch durch
gezieltes Nachfragen geschlossen werden. Die Gesprächssituation ist wohl besser dafür
geeignet, über persönliche Dinge, wie das Verfassen einer Fanfiction, zu sprechen, als
eine formelle Interviewsituation. Die persönlichen Motivationen der Autorinnen und
Autoren können dadurch näher beleuchtet werden, da der Probandin oder dem Probanden die Chance geben wird, ihren oder seinen Anreiz für die Textproduktion individuell wiederzugeben.
Wie in Kapitel 4.1.1 bereits kurz angesprochen wurde, eignet sich das medienbiografische Interview laut Klaus und Röttger (1996: 96) besonders zur Erforschung weiblichen
Medienhandelns – und da Jenkins (2006: 43) behauptet, der Großteil der FanfictionAutorinnen und -autoren seien weiblich (eine Aussage, auf welche in der Auswertung
noch genauer Bezug genommen wird) – scheint diese Erhebungsmethode abermals
angebracht zu sein.
Als Untersuchungsgegenstand wird bei diesem Forschungsprojekt die deutschsprachige Fanfiction-Plattform http://www.fanfiktion.de/herangezogen. Die Wahl fiel deshalb
auf diese spezielle Plattform, da sie eine große Auswahl an deutschsprachiger Fanfiction bietet und somit dem Untersuchungsgegenstand entspricht. Zudem ist eine separate Sektion für das Fandom von The Mentalist (http://www.fanfiktion.de/TheMentalist/c/101135000) angelegt, was die Eingrenzung der relevanten Veröffentlichung erheblich vereinfacht. Außerdem besteht die Möglichkeit nach einer Registrierung auf dem Fanfiction-Portal, die anderen Autorinnen und Autoren per persönlicher
Nachricht zu kontaktieren – abermals eine Erleichterung im Forschungsprozess.
24
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4.2.2 Verwertungszusammenhang
4.2.2.1 Basisdaten zur Stichprobe
Abbildung 2: Screenshot von www.fanfiktion.de
Alle
Autorinnen
und
http://www.fanfiktion.de/eine
Autoren,
die
Fanfiction
im
auf
Fandom
der
von
Online-Plattform
The
Mentalist
(http://www.fanfiktion.de/The-Mentalist/c/101135000) veröffentlicht haben, zählen
zur Grundgesamtheit des hier vorliegenden Forschungsprojektes.
Die einzelnen Autorinnen und Autoren wurden Anfang Juli 2013 mit einer persönlichen Nachricht angeschrieben und gefragt beziehungsweise gebeten, ob Interesse an
einem Interview bezüglich ihrer Arbeit besteht. Aus den eingegangenen 37 Rückmeldungen wurden schließlich sechs Interviewpartnerinnen und Interviewpartner in erster
Linie anhand ihrer veröffentlichten Fanfictions ausgewählt. Da mit dieser eher geringen Anzahl an Interviews diese Erhebung dem Kriterium der Repräsentativität ohnehin
nicht gerecht werden konnte, wurde bei der Auswahl der Autorinnen und Autoren darauf geachtet, dass diese in ihren Veröffentlichungen Differenzen aufwiesen. Das bedeutet, dass Probandinnen und Probanden ausgewählt wurden, deren Fanfictions sich
in der Länge oder der Anzahl der Kapitel, wenn möglich thematisch und auch hinsichtlich der Veröffentlichungen in anderen Fandoms unterscheiden. Dies könnte für mögliche künftige, umfangreichere Forschung weitere Ansätze liefern.
Als zweites Auswahlkriterium wurde die Bereitschaft, das Interview (falls ein persönliches Gespräch aufgrund der Distanz nicht geführt werden konnte) auch via Skype zu
führen, berücksichtigt. Die einzelnen Interviews wurden schließlich im Zeitraum vom
31. Juli bis 15. August 2013 geführt und mit einem Diktiergerät aufgezeichnet. Im An-
kommunikation.medien 4. Ausgabe / Dezember 2014
schluss an die Interviews wurde von den Autorinnen das Einverständnis eingeholt, in
der nachfolgenden Arbeit ihren Usernamen zu verwenden (siehe Anhang).
Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über die geführten Interviews gegeben:
Pre-Test
Dieses Interview wurde am 31. Juli 2013 um 10 Uhr via Skype durchgeführt. Die Fanfiction-Autorin ist 21 Jahre alt, wohnt in Deutschland und befindet sich in Ausbildung.
Das Gespräch verlief eher schleppend, weshalb dieses Interview nicht in die endgültige
Auswertung und Interpretation eingeflossen ist. Aus diesem Grund wird auch der
Username hier nicht angegeben. Nach diesem Skype-Gespräch wurde der Interviewablauf geringfügig adaptiert (dazu mehr in Kapitel 4.2.2.2).
Interview mit Bob-Kirkland-Fan
Das Gespräch mit Bob-Kirkland-Fan fand am 05. August 2013 um 17 Uhr statt. Das
Skype-Interview dauerte 43 Minuten und 37 Sekunden. Die Interviewpartnerin kommt
ebenfalls aus Deutschland und ist 53 Jahre alt. Sie arbeitet für eine Textagentur als
Texterin. Das Gespräch fand in einer sehr entspannten Atmosphäre statt. Dem Wunsch
der Interviewpartnerin – das Gespräch möge ohne Kamera stattfinden – wurde entsprochen.
Interview mit Krytax
Dieses Interview wurde via Skype ebenfalls am 05. August 2013 um 20 Uhr geführt und
hatte eine Dauer von 39 Minuten und 34 Sekunden. Die Probandin kommt abermals
aus Deutschland, ist 18 Jahre alt und Studentin. Die Interviewatmosphäre war, trotz
kurzer Unterbrechung der Skype-Verbindung, angenehm und entspannt. Die 18Jährige erzählte viel selbstständig – es musste wenig nachgefragt werden. Eine Besonderheit dieses Interviews ist, dass die Gesprächspartnerin ein außerordentlich schnelles
Sprechtempo hatte, was dazu führte, dass die Länge des Transkriptes trotz der eher
kürzeren Interviewdauer durchaus mit den längeren Interviews zu vergleichen ist.
Interview mit Mentasavi
Dieses Gespräch wurde am 07. August um 10 Uhr durchgeführt und hatte eine Dauer
von 54 Minuten und 19 Sekunden. Die 18-jährige Studentin aus Deutschland wurde
ebenfalls via Skype interviewt, wobei auf der Seite der Probandin keine Webcam vorhanden war. Der Gesprächsverlauf war auch bei diesem Interview sehr flüssig, die Au-
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kommunikation.medien 4. Ausgabe / Dezember 2014
torin antwortete oftmals sehr detailgetreu. Von der Seite der Interviewerin war wenig
Input notwendig.
Interview mit StarTheBuck
Dieses Interview fand am 10. August 2013 um 10 Uhr in einer Starbucks-Filiale in Wien
statt. Bei diesem Gespräch mit der 31-jährigen Lehrerin handelt es sich um das einzige
Interview, das persönlich geführt wurde. Die Unterhaltung dauerte eine Stunde, zwölf
Minuten und vier Sekunden und ist somit die Längste im Rahmen dieser Arbeit. Außerdem handelt es sich hierbei um das einzige Gespräch mit einer Österreicherin. Der
Gesprächsverlauf war auch bei diesem Interview entspannt, was auffällt (im Gegensatz
zu den anderen Gesprächen) ist allerdings der häufigere Gesprächswechsel von Interviewerin und Probandin. Gegen Ende ist festzustellen, dass sich das Gespräch von den
eigentlichen Forschungsfragen etwas entfernt hat und eher allgemein über die Serie
The Mentalist gesprochen wird.
Interview mit Laa-chan
Das Interview, welches am 15. August 2013 um 17:30 Uhr durchgeführt wurde, hatte
eine Dauer von 55 Minuten und 46 Sekunden und wurde via Skype durchgeführt. Die
Autorin ist mit 13 Jahren die jüngste Probandin dieses Forschungsprojektes. Sie
kommt aus Deutschland und ist Schülerin. Dieses Interviewgespräch wurde mehrere
Male unterbrochen (Skype-Werbeeinschaltungen, Angehörige kamen ins Zimmer),
jedoch hat dies den Gesprächsverlauf nicht merklich negativ beeinflusst. Nach den Unterbrechungen wurde das Gespräch ohne weitere Schwierigkeiten fortgesetzt. Die Atmosphäre war auch hier sehr entspannt – manchmal mussten einige der Fragen oder
Inputs leicht umformuliert oder auf Nachfrage der Probandin erklärt werden, da hin
und wieder die Begrifflichkeiten für die Interviewpartnerin nicht eindeutig waren.
4.2.2.2 Entwicklung und Anwendung des Instruments
Noch vor Beginn der eigentlichen Interviews wurden aufgrund des Kriteriums der Vergleichbarkeit auf einem Zettel notiert, welche Bereiche im Gespräch abgedeckt werden
sollen – ähnlich einem Leitfaden. Dabei handelte es sich allerdings nur um grobe
„Themenbereiche“, wie zum Beispiel zu welchen Themen bereits Fanfiction verfasst
wurde oder welche Thematiken denn in Zukunft möglicherweise noch interessant oder
reizvoll wären. Nachdem der Pre-Test eher wenig zufriedenstellend war, wurden diese
Themenbereiche, die im Folgenden kurz angeführt werden, inklusive der Begründung
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kommunikation.medien 4. Ausgabe / Dezember 2014
ihrer Relevanz für die vorliegende Arbeit, als Leitfaden während des Gespräches verwendet.
Die Serie The Mentalist
Dieser Themenbereich wurde am Anfang des Interviews angesprochen und gewisser
Weise als Eisbrecher verwendet, bevor auf die eher persönliche Thematik der Fanfictions eingegangen wurde. Bei diesem „Themenblock“ lag der Fokus hauptsächlich auf
den Fragen, seit wann The Mentalist rezipiert wird, wie diese Rezeption erfolgt (DVDs,
Fernsehen, etc.) und was das Besondere für die jeweilige Rezipientin bzw. den jeweiligen Rezipienten an der Serie ist. Dieser letzte Punkt könnte außerdem Aufschluss darüber geben, warum zu genau dieser Serie Fanfiction verfasst wird.
Beginn der (The Mentalist-) Fanfiction-Produktion
Der nächste Block widmet sich bereits dem Bereich der Fanfiction. Hier lag das vorrangige Erkenntnisinteresse darin, zu erfahren, wann die Person begonnen hat, eigene
Fanfiction zu schreiben – und warum. Dies sollte dem medienbiografischen Anspruch
der Interviews gerecht werden. Von zusätzlichem Interesse sind hier die potentiellen
Veröffentlichungen in anderen Fandoms. In weiterer Folge sollte die Fragestellung hinsichtlich der Forschungsfragen konkretisiert werden. Besonders relevant war in diesem
Zusammenhang, wann begonnen wurde, für die Serie The Mentalist Fanfiction zu
schreiben und was der Auslöser hierfür war.
Motive der Fanfiction-Produktion
Hierbei soll festgestellt werden, warum sich die Autorin bzw. der Autor die Zeit nimmt,
um Fanfiction zu schreiben (teilweise Überschneidungen mit dem Beginn der Fanfiction-Produktion möglich). Das grundsätzliche Erkenntnisinteresse liegt hierbei auf den
Motiven des Schreibprozesses – und möglicherweise wird während der Ausführungen
auch auf den 'Nutzen', den die Autorinnen und Autoren daraus ziehen, verwiesen. Allgemeiner kann auch danach gefragt werden, was denn für die Einzelne das 'Tolle' oder
'Reizvolle' daran ist, eigene Texte zur Serie zu produzieren, um so ein besseres Verständnis für ihre Beweggründe zu erlangen.
Ideen, Inspirationen und Themen für Fanfiction
Ein weiterer wichtiger Bestandteil (im Entstehungsprozess) der Fanfiction-Produktion,
insbesondere wenn dieser eine Serie zugrunde liegt, ist die Idee, die einen Schreibpro-
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kommunikation.medien 4. Ausgabe / Dezember 2014
zess in Gang setzt. Was bewegt die Autorinnen und Autoren dazu, beträchtliche Zeit in
die Textproduktion zu investieren? Hier soll untersucht werden, ob die Autorinnen und
Autoren ihre Ideen direkt aus der Serie gewinnen oder ob auch andere Bezugsquellen
wie etwa Filme oder dergleichen ausschlaggebend für eine Textproduktion sein können. Zudem könnte unter diesem Punkt herausgearbeitet werden, ob die Fans für sie
persönlich relevante Themen in ihren Geschichten verarbeiten oder einbauen.
Eingliederung in den Tagesablauf
Da die Produktion eines eigenen Textes viel Zeit in Anspruch nimmt, ist ein weites bedeutendes Merkmal, nämlich wie das Schreiben der Fanfictions in den Tagesablauf
eingegliedert wird, von Interesse. Wird dafür extra Zeit freigehalten? Geschieht dies
täglich oder nur, wenn zufällig Zeit bleibt? Der Zeitaufwand ist ein Indikator für den
individuellen Stellenwert der Fanfictions für ihre Autorinnen und Autoren.
Zukunftsperspektive
Eine Frage, die im Gespräch vermutlich gezielt gestellt werde muss, ist jene nach der
Fanfiction-Produktion in der Zukunft. Es wäre von großem Interesse zu wissen, ob sich
die Probandinnen und Probanden vorstellen können, auch in zehn Jahren noch derartige Texte zu produzieren – und unter welchen Bedingungen dies denkbar wäre. Dies
ist abermals ein Punkt, der im Hinblick auf die Medienbiografie gestellt wird.
4.2.2.3 Kodierung und Auswertung
Der Auswertung (siehe Kapitel 5) gingen Kodierungsvorgänge voraus. Einerseits wurde
in der vorliegenden Studie theoretisch – und dabei offen – kodiert. Nach Glaser und
Strauss (vgl. Flick 2005: 259) wird Kodierung hier als ein Mittel verstanden, um die
vorliegenden Daten aufzubrechen, zu konzeptualisieren und wieder neu zusammenzusetzen – ein Prozess, bei dem aus Daten Theorien entwickelt werden (vgl. ebd.). Dabei
wird sehr nahe am Text gearbeitet (vgl. ebd.).
Es wurden Kodes aus den Interviewtranskripten dieses Projektes mittels der Auswertungssoftware MAXQDA generiert, manchmal waren dies einzelne Wörter oder Wortfolgen, andere Male ganze Absätze. Diese Unregelmäßigkeit der kodierten Passagen
war ebenfalls ein Grund, warum hier das offene Kodieren angewendet wurde. Laut
Flick (2005: 263) lässt sich diese Art des Kodierens unterschiedlich detailliert, je nach
Fragestellung, anwenden. Flick (ebd.) führt zwei Arten von Kodes an: Einerseits Kodes,
die aus wissenschaftlicher Literatur entlehnt sind (konstruierte Kodes) oder Aussagen,
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kommunikation.medien 4. Ausgabe / Dezember 2014
die direkt aus dem Transkript stammen (In-vivo-Kodes). In der vorliegenden Auswertung wurden beide Arten des Kodierens verwendet. Anschließend wurden die verwendeten Kodes mit Überkategorien versehen, um so eine Struktur zu schaffen und die
einzelnen Kodes zu systematisieren. MAXQDA ermöglicht es zudem, sich die Kodes in
einer Liste mitsamt den dazugehörigen Memos ausgeben zu lassen (siehe Anhang) –
ein weiteres Kriterium, das Flick (2005: 264) für eine transparente Forschung anführt.
Des Weiteren wurden Teilbereiche des thematischen Kodierens (vgl. Flick 2005: 271ff.)
in den Kodierungsprozess integriert. Obwohl in der Literatur diese Vorgehensweise
eher in Bezug auf soziale Unterschiede und auf differierende Sichtweisen und Typenbildung angeführt wird, so werden doch Elemente für die hier vorliegende Auswertung
übernommen. So wird beispielsweise zu jedem geführten Interview – nachdem das
offene Kodieren erfolgt ist – eine detaillierte Einzelfallanalyse vorgenommen, in welcher sich detailliert mit der Thematik der Forschungsfragen auseinandergesetzt wird.
Die Kategorien und Kodes, die für den einzelnen Fall generiert wurden, werden schließlich auf die Analyse anderer Fälle angewendet und eventuell erweitert. Dies ermöglicht
eine Herausarbeitung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden, die schließlich in einem separaten Kapitel (siehe Kapitel 5.2) angeführt und thematisiert werden. Dieses
schrittweise Vorgehen – erst die Einzelfallanalyse, anschließend die Querschnittanalyse
(vgl. Flick 2005: 277) – erscheint für die hier vorliegende Arbeit das adäquate Vorgehen zu sein, da sie sowohl dem einzelnen Fall die entsprechende Aufmerksamkeit zukommen lässt, als auch stärker generalisierte Aussagen hervorbringt, die möglicherweise für künftige Forschung als Ausgangspunkte dienen können.
4.3 Bewertung der Qualität der Studie
Flick (2005: 317ff.) nennt die Kriterien Reliabilität und Validität als Anspruch an qualitative Forschungsmethoden. In folgendem Teilkapitel soll kurz umschrieben werden,
wie im vorliegenden Projekt versucht wurde, diesen Kriterien gerecht zu werden. Des
Weiteren wird an dieser Stelle der Erhebungsprozess und das verwendete Instrument,
die medienbiografischen Interviews, kritisch reflektiert.
Was Flick (2005: 320ff.) bei den Ergebnissen 'ethnografischer' Forschung sowie bei
Interviewdaten hervorhebt, ist die Standardisierung der Aufzeichnungen. Im Falle dieses Projektes gab es einen wesentlichen Vorteil: Durch die Tatsache, dass nur eine Forscherin am Erhebungsprozess beteiligt war, mussten keine Konventionen und Transkriptionsregeln vereinbart werden. Die Gespräche wurden in diesem Fall, wie bereits
in Kapitel 4.2.2.1 erwähnt, mit einem Diktiergerät aufgezeichnet und anschließend
transkribiert. Bei der Transkription wurden die Zeitmarken der jeweiligen Aussagen
festgehalten, um eine etwaige Überprüfung der Interviewpassagen zu erleichtern. Um
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kommunikation.medien 4. Ausgabe / Dezember 2014
eine bessere Lesbarkeit der Transkripte zu gewährleisten, wurden kurze, zustimmende
Aussagen der Gesprächspartnerinnen und -partner (zum Beispiel „Ja“ oder „Mhm“) in
eckigen Klammern festgehalten. Ansonsten wurde sehr nahe am tatsächlichen Interview transkribiert – was bedeutet, dass Wortwiederholungen, abgebrochene Sätze etc.
im Transkript übernommen wurden; in den Interviewzitaten im folgenden Kapitel
werden diese allerdings umformuliert um den Interviewpartnerinnen gerecht zu werden.
Zudem führt Flick (2005: 322) an, dass speziell beim offenen Kodieren die entwickelten
Kategorien anhand des Interviewmaterials überprüft werden sollen. Da hier mit
MAXQDA kodiert wurde, stellt dies kein Problem dar, da für jede Kategorie die jeweilig
kodierten Textpassagen in einer Excel-Tabelle ausgegeben werden können.
Die Frage, die sich im Bereich der Validität einer Studie stellt, ist jene nach dem Verhältnis der untersuchten Zusammenhänge und der Version, die von der Forscherin
oder von dem Forscher dokumentiert wird (vgl. Flick 2005: 323). Die Frage der Validität wird laut Flick (2005: 323f.) „zu einer Frage, inwieweit die Konstruktion des Forschers in den Konstruktionen derjenigen, die er untersucht hat, begründet sind und
inwieweit für andere diese Begründetheit nachvollziehbar wird.“ Validität kann in diesem Zusammenhang über eine Analyse der Interviewsituation verstärkt werden. So
kann beispielsweise bei narrativen Interviews geprüft werden, ob es sich bei den erhaltenen Darstellungen um Erzählungen handelt und diese somit die Kriterien erfüllen,
um in das Datenmaterial mit einbezogen werden können (vgl. Flick 2005: 324).
Zur Qualität der Studie ist zusätzlich zu sagen, dass in Retrospektive das medienbiografische Interview nicht die optimale Methode für dieses spezielle Forschungsvorhaben
war. Der Grund hierfür ist, dass sich unter den geführten Interviews Personen befinden, die erst seit kurzer Zeit Fanfiction schreiben – und somit noch keine 'Biografie' in
dieser Hinsicht vorweisen können. Aus diesem Grund wäre bei künftigen Projekten
möglicherweise das narrative Leitfadeninterview die geeignetere Erhebungsmethode.
Eine weitere Möglichkeit wäre, eine bestimmte Zeitspanne als Autorin oder Autor als
Auswahlkriterium festzulegen.
Das vorliegende Forschungsprojekt hat mit fünf durchgeführten Interviews einen zu
geringen Umfang, um Generalisierungen oder Verallgemeinerungen zuzulassen – was
hier jedoch nicht das Ziel war. Die Fälle werden gewissenhaft analysiert, wobei der bekannte Kontext in die Falldarstellung mit einbezogen wird. Dieser Kontextbezug ermöglicht es, diesen Falldarstellungen auch bei geringer Anzahl eine gewisse Aussagekraft zuzusprechen (vgl. Flick 2005: 336). Die Schlüsse, die aus der anschließenden,
vergleichenden Analyse der einzelnen Fälle gezogen werden, können für künftige Arbeiten als Vorabhypothesen oder Forschungsansätze dienen.
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5. Ergebnisse und Interpretation
5.1 Rezeptionsstudie / Falldarstellung
Im folgenden Teilkapitel werden die Interviews sprachlich kommentiert.
5.1.1 Bob-Kirkland-Fan: „Red John muss rein, sonst würde ich gar nicht schreiben.“
Die Autorin ist 53 Jahre alt und veröffentlicht Fanfictions unter dem Pseudonym BobKirkland-Fan. Sie schreibt auch beruflich – sie ist als Texterin für eine Agentur tätig,
die Texte für Auftraggeberinnen und Auftraggeber verfasst. The Mentalist war zum
Zeitpunkt des Interviews das einzige Fandom, zu dem die Autorin Texte auf
http://www.fanfiktion.de/veröffentlicht hat. Mittlerweile findet sich auch eine Fanfiction zur Serie Tatort mit dem Titel „Tatort Münster meets the Mentalist“ unter den
mittlerweile 19 Fanfictions (Stand 26. 12. 2013).
Bob-Kirkland-Fan begann ab der zweiten Staffel die Serie The Mentalist zu verfolgen.
Die erste Folge, die sie sah, hat ihr Interesse allerdings nicht geweckt. Als sie abermals
eine Folge durch Zufall gesehen hat, war dies eine Episode mit dem Serienkiller Red
John. Diese hat schließlich ihr Interesse geweckt und sie motiviert – oder begeistert –
dass sie The Mentalist seither verfolgt. Außerdem betont sie, dass The Mentalist für sie
auch deshalb so einen Reiz besitzt, da sie vor Tabus (wie bspw. Transsexuelle) keinen
Halt macht. „Das finde ich erfrischend, passt zur heutigen Zeit. Und ich finde es toll,
dass Bruno Heller sich da ran wagt.“ Sie besitzt die im deutschsprachigen Raum erhältlichen Staffeln der Serie auf DVD, sieht sich jedoch trotzdem die Wiederholungen im
Fernsehen an. Außerdem sieht sie die Folgen der fünften Staffel, welche zum Zeitpunkt
des Interviews bei uns erst im Fernsehen liefen, über das Internet auf der CBS Homepage. Das Besondere an der Serie ist für Bob-Kirkland-Fan, wie bereits kurz erwähnt,
Red John. Sie betont dabei, dass diese Folgen wesentlich spannender sind, als die anderen, 'herkömmlichen' Folgen:
Die sind deutlich spannender als jetzt, sag ich mal, die anderen Folgen. Die Anderen,
das sind halt normale Krimi-Folgen. Gut, da gibt es jetzt außergewöhnliche wie ‚Miranda‘ oder ‚Bella Donna‘ oder ‚Wie Alles begann‘. Die sind jetzt schon herausragend. […]
Das [Die Folgen mit Red John, Anm. d. A.] ist ja Hochspannung pur. Also, da kriegt
man schon ein Kribbeln im Rücken.
Die Autorin hat auch einen ganz konkreten Verdacht, wer Red John sein könnte – ein
Rätsel, über das sich die Serie The Mentalist, insbesondere mit fortschreitenden Staf-
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feln, immer stärker definiert. Ihr Username, Bob-Kirkland-Fan, spielt auf diesen Verdacht, nämlich Robert Kirkland an. Im Gespräch hat sie ihren Verdacht begründet:
Das Interessante an dem ist erstens einmal sein Auftreten, seine Erscheinung und vor
allen Dingen passt der ja zu hundert Prozent auf die Beschreibung von Rosalinde Harker [eine Bekannte von Red John, Anm. d. A.]. Die hat ihn ja mal beschrieben als Jane
und Lisbon bei ihr waren. Ich guck’s ja dann auch im Englischen. Der hat tatsächlich
diese unverwechselbare, sanfte Stimme, und die hat kein anderer Schauspieler von den
Sieben [die als Red John in Frage kämen, Anm. d. A.]. Der hat halt das Äußere und er
hat so eine Erscheinung. Weil ich denke, Red John muss ja die Menschen beeinflussen
können. Und wenn da jetzt Einer fad aussieht, wie jetzt zum Beispiel Reed Smith, der
kann ja die Menschen nicht beeinflussen. Der muss auch schon äußerlich etwas darstellen. Und das, finde ich, ist der Einzige. Außer jetzt noch Stiles, aber der ist zu alt, und
Bertram.
Wie aus diesem Zitat erkennbar wird, hat die Autorin ein breites Wissen über die Serie
und die einzelnen Episoden, auf welche sie auch während des Gesprächs häufig sehr
detailliert verwiesen hat.
Bob-Kirkland-Fan verfasst erst seit Kurzem eigene Fanfiction. Zum Zeitpunkt des Interviews schrieb die Autorin erst seit vier bis sechs Wochen eigene Texte zur Serie.
Aufmerksam wurde sie durch einen Kontakt in einem anderen The Mentalist-Forum,
der ihr während ihres E-Mail-Verkehrs von der Fanfiktion-Seite erzählte. Anfangs
wusste die Autorin nicht, dass es rechtlich erlaubt ist, die Charaktere bestehender Serien für eigene Geschichten zu verwenden.
Das Lustige ist, dass mir meist nachts etwas einfällt. Und dann kann es sein, dass ich
aufstehe und notiere mir das in meinem Textprogramm, damit ich die Idee nicht vergesse. Und dann sehe ich nochmal drüber. Also, ich schreibe immer einzelne Kapitel
und dann vielleicht ein oder zwei Tage später das Nächste.
Der Schreibprozess an sich ist für Bob-Kirkland-Fan Spaß an der Freude. „Die Serie
beschäftigt mich so sehr. Ich habe dann meine eigenen Ideen entwickelt und habe mir
gedacht, warum die nicht auch veröffentlichen?“ Weiter meint die Autorin: „Mittlerweile bin ich von The Mentalist so fasziniert, dass wenn ich heute Abend eine Folge gucke
und die Sendung ist rum, dann spuckt die mir noch bis nächsten Montag im Kopf rum.“
Die Autorin überlegt, wie die Serie ausgehen könnte und wandelt schließlich ihre Ideen,
die ihr häufig auch während des Schreibens kommen, dazu in eigene Texte um. Dabei
ist es für Bob-Kirkland-Fan wichtig, möglichst nah an der Serie zu schreiben, um die
Charaktere so exakt wie möglich zu treffen.
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kommunikation.medien 4. Ausgabe / Dezember 2014
Hinsichtlich der Themen spezialisiert sich die Autorin auf Red John: „Der muss rein!
Sonst würde ich gar nicht schreiben.“ Sie ist zudem der Meinung, dass die Serie von
Red John lebt und ohne diesen Charakter „nichts wäre“, bzw. für sie persönlich keinen
Reiz hätte. Die 53-Jährige ist davon überzeugt, dass zwischen dem Protagonisten Patrick Jane und dem Killer Red John eine tiefere Verbindung vorhanden sein muss; eine
These, die während des Interviews mit zahlreichen Ausschnitten aus der Serie belegt
wurde. In den bisher veröffentlichten Geschichten existiert beispielsweise eine, die die
beiden als Brüder beschreibt, eine andere, in der die Beiden ein Liebespaar sind. Sie
erhofft sich von ihren Geschichten, dass sie etwas Abwechslung in die sonst ihrer Meinung nach eher einseitigen Geschichten auf der Plattform – Beziehung zwischen Patrick Jane und Teresa Lisbon – zu bringen. „Und ich hoffe halt, dass dadurch, dass ich
anders schreibe, sich vielleicht die Leute denken: Ach, das ist ja schön, das ist mal ein
bisschen Abwechslung. Mal etwas Anderes. Das hat mir einer sogar geschrieben, bei
‚Tears in Red‘. Das wäre einmal etwas ganz anderes.“ Reaktionen ihrer Leserinnen und
Leser sind der Autorin generell sehr wichtig. „Das ist für mich das Reizvolle und auch
so ein bisschen Bestätigung“, meint die Autorin. Außerdem dient ihr das Schreiben von
Fanfiction als Abwechslung zu ihrer Arbeit als Texterin. Für sie ist diese Art zu Schreiben Entspannung und Hobby zugleich.
Da die Texterin von zu Hause aus arbeitet, ist es für sie relativ einfach, den Schreibprozess in ihren Tagesablauf einzugliedern. Trotzdem schreibt sie ihre „privaten Sachen“,
wie sie sie während des Interviews bezeichnete, eher abends.
Ob die Autorin in zehn Jahren immer noch Fanfiction schreiben wird?
„Das weiß ich nicht! Dann wird’s ja The Mentalist nicht mehr geben. Dann wird sich
das Ganze, schätze ich mal, äh, gelegt haben. […] Das kann ich nicht beurteilen.“ Sie
könne sich eventuell vorstellen, noch für The Mentalist zu schreiben, wenn die Serie bei
den Fans noch aktuell ist. Anders gesagt sollen die veröffentlichten Fanfictions noch
gelesen werden – was wiederum auf die Wichtigkeit der Rückmeldungen für die Autorin schließen lässt.
„Es geht mir halt wirklich nur um die Serie The Mentalist. Über Star Wars oder so
würde ich nicht schreiben, obwohl ich das auch gerne sehe. Oder was sehe ich noch für
Sendungen? CSI oder Castle oder Bones. Aber da würde mir jetzt nichts zu einfallen.
Das fasziniert mich jetzt nicht so.“ Diese Aussage wurde während des Interviews im
August getätigt – mittlerweile findet sich, wie bereits anfangs kurz erwähnt, auch eine
Fanfiction zu Der Tatort unter den Werken der Autorin. Diese bezieht sich allerdings
auch auf The Mentalist.
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5.1.2 Krytax: „Schreiben an sich ist für mich einfach das Großartigste, das es gibt.“
Die Studentin veröffentlicht ihre Fanfictions unter dem Usernamen Krytax, ist 18 Jahre alt und kommt aus Deutschland. Als das Interview geführt wurde, hatte die Autorin
auf www.fanfiktion.de zu den Fandoms Remington Steele, The Mentalist und The
Avengers Geschichten veröffentlicht. Mittlerweile hat Krytax auch eine Fanfiction zur
Serie Castle veröffentlicht (Stand 28. 12. 2013).
Zum Zeitpunkt des Interviews verfolgte die Studentin die Serie The Mentalist seit etwas
über einem Jahr. Eine Freundin hatte ihr zuvor bereits von der Serie erzählt, was die
Autorin allerdings zu besagtem Zeitpunkt nicht weiter verfolgte. Als Krytax auf ein Angebot bei Mediamarkt aufmerksam wurde, kaufte sie sich die erste Staffel der Serie –
und am nächsten Tag die restlichen Staffeln, weil ihr die Serie bereits so gut gefiel.
[An der Serie gefällt mir] zum einen natürlich er selbst, The Mentalist, der da mit seinen
speziellen Methoden das alles ein bisschen rausreißt. Aber andererseits auch, weil ich
finde, dass die so ein bisschen mehr Qualität hat, als andere Sendungen. Also ich kann
zum Beispiel mit Navy CIS oder sowas nicht wirklich was anfangen. Ich weiß nicht warum. Aber ich finde, bei der Serie, da sind die Charaktere gut getroffen; da ist natürlich
immer die Spannung zwischen den Charakteren und so. Und natürlich auch Jane und
Lisbon immer wieder mit ihren Wortgefechten. Das ist natürlich schon cool. Und natürlich auch die Fälle, aber die finde ich jetzt nicht ganz so spannend.
Aus dieser Aussage lässt sich schließen, dass für Krytax die einzelnen Fälle, also ein
zentrales Merkmal einer klassischen Krimiserie, nicht der ausschlaggebende Punkt ist,
warum die Probandin The Mentalist schätzt. Dies könnte mit ein Indiz sein, die Serie
nicht unter die herkömmlichen Krimiserien, sondern in das Post-Television-Drama
einzuordnen.
Krytax sieht sich die Folgen, die sie auf DVD hat, nicht mehr im Fernsehen an– die
neuen Folgen, für die sie sich die Abende frei hält, verfolgt sie im Fernsehen.
Die Studentin hat nach eigenen Angaben ohnehin „schon immer“ Texte geschrieben
und sich vor etwa zweieinhalb Jahren auf Empfehlung einer Freundin (die dort auch
Fanfiction veröffentlicht) auf www.fanfiktion.de angemeldet und zum damaligen Zeitpunkt zwei Geschichten hochgeladen; allerdings nicht zu The Mentalist.
Anfang des Jahres 2013 hat die Autorin ein Praktikum gemacht und ist dafür von zu
Hause ausgezogen.
Und da war ich dann den ganzen Tag alleine. Wenn ich nichts zu tun hatte, saß ich in
meinem Zimmer und hab abends einmal in der Woche The Mentalist geguckt. Und ich
dachte, einmal in der Woche ist eigentlich viel zu wenig. Und ich hatte keinen DVD-
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Player, nichts zum Gucken, dann hab ich mir gedacht, dann schreib ich mir das Ding
halt selbst.
Beim Schreibprozess selbst hat Krytax bereits eine gewisse Entwicklung durchlaufen:
Also früher hab ich einfach drauf los geschrieben, aber mittlerweile ist das koordinierter. Weil ich bemerkt habe, ich komme nicht voran wenn ich keine Planung habe. Das
heißt, meistens fange ich so an, dass ich ein bestimmtes Kapitel im Kopf hab und das
schreibe ich erst mal auf. Und dann gucke ich: Kann sich da überhaupt etwas entwickeln? Wenn ja, dann mache ich mir halt erst mal ganz wirre Notizen auf so einem Zettel, wo ich alles aufschreibe, was irgendwie reinkommt. Also, bestimmte Handlungen,
bestimmte Szenen, bestimmte Dialoge; und eben auch die grobe Handlung. Und wenn
ich das dann hab, dann versuche ich halt immer genauer zu werden und dann mache ich
teilweise auch einzelne Charakterbilder.
An diesem Zitat kann man erkennen, dass die Autorin hier sehr strukturiert vorgeht.
Außerdem erwähnte sie an anderer Stelle, dass sie für ihre Fanfictions auch recherchiert. So veröffentlichte die Studentin eine Geschichte im Fandom von The Mentalist
mit dem Titel Auge um Auge, Zahn um Zahn, worin es um Sekten und Kulte geht.
Krytax ist nach eigenen Angaben ein großer Dan Brown Fan und wollte demnach etwas
Ähnliches schaffen – wozu ein gewisses Maß an Recherche notwendig war. Als Inspirationen für ihre Fanfictions dienen beispielsweise auch Buchrezensionen oder die Fernsehzeitung. Wenn eine Buch- oder Filmhandlung ihr Interesse weckt, dann baut die
dieses Thema möglicherweise in ihre eigenen Texte ein.
Warum die Studentin diese Zeit in ihre Geschichten investiert, erklärt sie im Gespräch
folgendermaßen:
Die Geschichten dazu [The Mentalist, Anm. d. A.] zu schreiben, ich weiß nicht, ich find’s
einfach toll! Man muss halt Spaß am Schreiben haben – und wenn es einem so richtig
Spaß macht, dann findet man auch irgendwie die Themen. Und ich bin jetzt halt bei The
Mentalist weil ich, weil mir die Serie total gut gefällt, und ich kann mir einfach vorstellen, wie das so abläuft. Ich hab einfach unglaublichen Spaß daran, das nochmal für mich
selbst so umzusetzen und zu sehen, was die Leute so dazu sagen. Und das ist dann halt
so, ich weiß nicht – einfach nur der Spaß daran, die Serie mit meinem größten Hobby zu
vereinen.
Wie aus diesem Zitat bereits hervorgeht, sind für die Autorin Kommentare, beziehungsweise Rückmeldungen auf ihre Fanfictions sehr wichtig. Sie mag es beispielsweise nicht, ihrer Familie ihre Geschichten zu zeigen, da sie von ihnen kein wirkliches
Feedback bekommt. Eine ihrer Fanfictions hat Krytax ihrer Schwester als Hörspiel
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kommunikation.medien 4. Ausgabe / Dezember 2014
aufgenommen, damit sie Rückmeldung dazu bekommt. „Ich wollte unbedingt wissen,
wie sie es findet. Und das war die einzige Möglichkeit.“
Die Autorin gibt ihre Geschichten allerdings auch zwei Freundinnen, ebenfalls The
Mentalist-Fans, zur Korrektur und um Kritik zu erhalten. Von den Beiden bekommt sie
meist prompt Rückmeldung: „Von der einen bekomme ich eigentlich immer gesagt: ‚Ui,
super!‘ Und die andere, die zerlegt mir meine Kapitel auch wirklich und das finde ich
toll.“ Krytax bemerkt, dass man diese Diskussion der Kapitel dann beinahe schon als
Zusammenarbeit sehen kann. Die 18-Jährige ist danach immer unglaublich zufrieden
mit diesen überarbeiteten Kapiteln, bei denen ihr selbst schließlich jedes Wort gefällt.
Was die Autorin dabei zusätzlich motiviert, ist das Lob, das sie von ihren Freundinnen
und Freunden bekommt – zum Beispiel, wenn sie ihr sagen, dass sie ihre Geschichten
wirklich gerne lesen. Doch hat für sie auch konstruktive Kritik, wie jene, die sie von
einer ihrer Kritikerinnen bekommt, einen hohen Stellenwert. So reagiert sie beispielsweise auch auf kritische Bemerkungen zu ihren Geschichten auf der Plattform selbst –
allerdings nur, wenn sie stilistische Probleme betreffen. Außerdem wurde ihr bei ihrer
ersten Fanfiction geschrieben, dass die Geschichte zu kurz sei – nachdem sie erst ein
Kapitel hochgeladen hatte. Auch diese Kritik nahm sie sich zu Herzen und sagt mittlerweile, dass sie immer mindestens zehn Kapitel zu einer Fanfiction schreiben will. Dies
sieht die Studentin ebenfalls als Verbesserungsmöglichkeit ihres Schreibstils an. Inhaltlich hat sie ihre Fanfictions allerdings noch nie verändert.
Als Krytax zu schreiben begann, waren ihr die Reviews viel wichtiger, als sie es heute
sind. Die Autorin hat, als sie ihre erste The Mentalist-Fanfiction veröffentlichte, die
Kommentare quasi als Gradmesser gesehen. Je mehr Kommentare man hatte, desto
„besser“ war man, wie sie es während des Interviews formulierte.
Ein weiterer Punkt, warum für sie Kommentare zu ihren Texten so wichtig sind, ist die
Tatsache, dass sie sich so mit anderen Menschen aus dem gleichen Fandom über die
geteilten Interesse(n) austauschen kann. Dabei ist für Krytax auch wichtig, dass diese
Fans die gleiche Begeisterung für die besagten Inhalte aufbringen (können), wie sie
selbst.
Rückmeldungen sind Krytax jedoch nur bei Geschichten wichtig, die sie auch veröffentlicht. Bei ihr zu Hause hat sie einen Ordner, worin sich viele einzelne Kurzgeschichten oder auch Kapitelanfänge finden, die sie noch nie jemandem gezeigt hat. Diese Dinge schreibt die Studentin nur für sich selbst.
Das sind häufig nur einzelne Kapitel, aus dem Zusammenhang gerissen. Einfach nur,
weil mich ein bestimmtes Gefühl genervt hat oder bewegt hat – und das wollte ich halt
irgendwie in einem Kapitel niederschreiben. Und das war nie so etwas fertiges was man
halt jemandem geben könnte. Vielleicht auch weil es persönlich war oder einfach nur
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weil’s ein bisschen blöd war, weil’s peinlich war, weil’s einfach nur so Gedanken waren
… Mein Schreibtraining wenn man so will. Und die Fanfictions, das ist halt etwas wo ich
mir sage: Ja, das kann man durchaus Leuten zeigen. Da hab ich mich auch extra hingesetzt und hab ein Konzept entwickelt um es auch wirklich fertig zu kriegen; um es jemandem zu zeigen, um dann eine Rückmeldung zu kriegen.
Dieses Zitat lässt den Schluss zu, dass die Autorin bewusst abwägt und reflektiert, welche Inhalte sie veröffentlicht und welche sie „zurückhält“.
Zum Zeitpunkt des Interviews plante die Studentin mit einer weiteren Autorin (die sie
allerdings nicht persönlich kennt) auf www.fanfiktion.de eine Kollaboration. Diese Zusammenarbeit, die sich zu diesem Zeitpunkt jedoch erst in der Vorbereitungsphase
befunden hat, gestaltete sich manchmal relativ schwierig. Erste Absprachen führten
bereits zu kleineren Konflikten, da die Vorstellungen etwa über Themen der Geschichte
sehr unterschiedlich waren. So wurde zum Beispiel der erste Vorschlag von Krytax von
der anderen Autorin zurückgewiesen. Doch mittels E-Mails fanden die Beiden meist
einen Kompromiss. Eine weitere Schwierigkeit dabei ist, dass die andere Autorin die
Charaktere eher OOC, also „out of character“ schreiben möchte, während es Krytax
vorzieht, nahe an der Serie zu schreiben und die Personen „richtig“ zu treffen. Als das
Interview geführt wurde, hatten die beiden Autorinnen allerdings mit dem eigentlichen
Schreibprozess noch nicht begonnen; deshalb konnten zum Ablauf noch keine nährenden Informationen gegeben werden.
Wie eingangs schon kurz erwähnt wurde, schrieb Krytax während ihrer Praktikumszeit
Fanfictions, im weiteren Interviewverlauf erwähnte sie, dass sie auch auf langen Zugfahrten viel schreibt. Im Gespräch sagte sie, dass sie schon einige Kapitel ihrer Fanfictions vorgeschrieben hat, die sie den Sommer über postet – eine Art Sommerpause, wie
sie es beschreibt, da sie im Sommer weniger Zeit als üblich zum Schreiben übrig hat.
Krytax plant Schreibphasen auch nicht explizit in ihrem Tagesablauf ein; sie nimmt
sich die Zeit, wenn sie Lust dazu hat. Da kann sie sich auch auf nichts anderes konzentrieren – sie muss dann einfach schreiben.
Die Autorin macht sich weiterhin Gedanken über künftige Geschichten:
Also, bei The Mentalist habe ich zurzeit ganz viele Sachen angefangen. Auf jeden Fall
einmal den Wilden Westen. Da hab ich auch schon ein paar Kapitel fertig. Die Charaktere kann man einfach so perfekt da reinsetzen: Jane als erfolgloser Bankräuber und dann
hilft Lisbon ihm da raus; Cho als schweigsamer Sheriff und sowas in die Richtung. Oder
ähm, was hab ich noch? Dann hab ich halt einmal eine Geschichte, wie es hätte sein
können: Jane hat seine eigene Beratungsfirma und die lernen sich halt unter völlig anderen Umständen kennen. Das ist wieder sehr humorvoll, zum Beispiel. Und, dann hat
jemand zurzeit etwas hochgeladen: Star Trek – The Mentalist, vielleicht hast du’s gese-
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hen, das finde ich total cool. Also ich kenne jetzt nicht alles von Star Trek, aber andere
Welten finde ich eigentlich ziemlich cool. Das könnte ich mir auch vorstellen. … Ja, und
dann hab ich eine angefangen: Lisbon im Wunderland, das ist auch wieder mehr
Schwachsinn, aber das ist einfach so lustig. Also, manchmal versetzte ich sie einfach in
andere Welten, die du halt schon [aus anderen Kontexten, Anm. d. A.]kennst. Wie eben
das Wunderland von Alice im Wunderland oder sowas. Oder man versetzt sie auf die
Schatzinsel zusammen mit Robert L. Stevenson’s Charakteren oder sowas in die Richtung.
Die Autorin hob hervor, dass sie „ihre“ Charaktere in ihren Geschichten das erleben
lässt, was sie selbst gerne erleben würde.
Wenn ihr die Serie in zehn Jahren auch noch gefällt, kann sich Krytax auch vorstellen,
zu diesem Zeitpunkt noch zum Fandom The Mentalist zu schreiben. Trotzdem erwähnt
die Autorin, dass die Aktualität eines Fandoms auch ein wichtiger Punkt ist – vielleicht
kann dies auch in Relation zu den Kommentaren gesehen werden. Wenn eine Serie, wie
in diesem Fall The Mentalist, in ihrer Beliebtheit abnimmt, kann sich dies auch in den
Zahlen der Leserinnen und Leser und somit in der Anzahl der abgegebenen Kommentare niederschlagen.
5.1.3 Mentasavi: „Das ist meine ganz eigene Geschichte und ich versuche, die jetzt so
gut wie möglich in Szene zu setzen.“
Die
Autorin,
die
unter
dem
Usernamen
Mentasavi
ihre
Geschichten
auf
www.fanfiktion.de veröffentlicht, ist 18 Jahre alt. Sie ist ebenfalls Studentin und
kommt auch aus Deutschland. Zum Zeitpunkt des Interviews hatte die Autorin mit einer Ausnahme nur Fanfictions im Fandom The Mentalist veröffentlicht – bei der Ausnahme handelt es sich um ein Crossover von The Mentalist mit NCIS und Numbers,
also drei Krimiserien. Mittlerweile hat die Autorin 35 Fanfictions veröffentlicht (Stand
29. 12. 2013). Abgesehen von der einen Ausnahme wurden weiterhin nur Texte zu The
Mentalist hochgeladen.
Die Studentin wurde auf The Mentalist vor etwa drei Jahren durch ihre Eltern aufmerksam, die die Serie verfolgt haben. Doch zu Beginn mochte sie die Sendung noch
nicht.
Ich saß da immer neben: ‚Äh, was ist das? Was …?‘ Und ich fand immer Simon Baker total bescheuert, also, den Charakter [Patrick Jane, Anm. d. A.]. Von daher hab ich das nie
gemocht. Aber irgendwann hab ich’s dann nochmal neu geguckt und dacht mir so: Oh
mein Gott, ich versteh‘s endlich. [lacht] Was daran so toll ist. Und ja, dann hat’s so angefangen. […] Ich kann es gar nicht wirklich beschreiben. Ich hab endlich gesehen, wie
das Team so zusammengearbeitet hat. Ich fand das irgendwie mal anders als in diesen
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anderen Krimiserien, wie CSI oder sowas Ähnliches. Das fand ich ganz nett. Ich finde
einfach, dass die Hauptcharaktere, also vor allen Dingen Jane; aber auch mit der Red
John-Geschichte, wenn man da so reinkommt, find ich ganz gut. Wenn man das so
oberflächlich irgendwie betrachtet, finde ich das … blöd, eigentlich. Weil ich finde, dass
man sich damit beschäftigen muss [um die Serie ganzheitlich zu verstehen, Anm. d. A.].
Und das fand ich ganz interessant. Und auch einfach die Beziehungen der Charaktere
untereinander.
Mittlerweile schätzt die 18-Jährige vor allem die unterschiedlichen Figuren der Serie,
beziehungsweise deren verschiedene Charakterzüge. Auch Mentasavi hebt hervor, dass
sie The Mentalist nicht unbedingt wegen der Fälle verfolgt, sondern eher aufgrund der
Charaktere und der Red John-Geschichte. Die einzelnen Staffeln besitzt die Autorin
zwar auf DVD, sie distanziert sich allerdings ganz deutlich von passionierterem FanVerhalten indem sie betont, dass „diese Dinge“ für sie nicht existentiell seien. Im Fernsehen verfolgt sie lediglich jene Folgen, die sie nicht selbst auf DVD besitzt – teilweise
auch, weil ihre Eltern sich diese Folgen ansehen und speziell ihr Vater über die Geschichte mit Red John am Laufenden bleiben möchte. Mentasavi muss ihm dabei öfters erklären, wie es zu gewissen Entwicklungen kam. Ihre DVDs leiht sie auch ihren
Freunden aus, die sie mittlerweile mit ihrer Leidenschaft für die Serie angesteckt hat.
Auf www.fanfiktion.de kam Mentasavi durch eine Freundin, die sie aufgrund einer
gemeinsam produzierten Fanfiction auf die Plattform aufmerksam machte. Was die
Autorin an der Seite besonders reizt, ist die Tatsache, dass man sich in den einzelnen
Fandoms „unter Gleichgesinnten“ befindet.
Bis sie selbst zu schreiben begonnen hat, hat es allerdings noch etwas gedauert. Die
Studentin beschreibt sich selbst als eine Person mit einer sehr lebendigen Phantasie,
die in Gesellschaft ihrer Freunde oft darüber gesprochen hat, wie The Mentalist aufgelöst werden könnte. „Und dann meinten sie: ‚Warum schreibst du das nicht auf? Das ist
doch genau das, was die da [Leserinnen und Leser auf www.fanfiktion.de, Anm. d. A.]
lesen wollen.‘ Und dann hab‘ ich gedacht: Ja gut! Probieren wir’s einfach mal aus.“
Auch Mentasavi reflektiert ihre ersten Schreiberfahrungen heute eher kritisch:
Wenn ich jetzt da zurückgucke und mir die [ersten Fanfictions, Anm. d. A.] durchlese,
denke ich mir einfach so: Oh mein Gott, ich muss die löschen! Wie schrecklich ist das
denn?! Aber ich lass das einfach mal. Meine Schreibweise hat sich auch irgendwie verändert. Das fängt schon allein damit an, dass meine Schreibweise, also die Grammatikfehler oder so, die sind jetzt nicht mehr so schlimm. Und mir fallen die jetzt auch nicht
mehr so auf. Aber früher, also in den früheren Werken sind echt dermaßen viele Fehler
drin. Und ich hasse es, das zu lesen, weil ich da einfach abgehackt schreibe. Und das hat
sich halt entwickelt, weil man halt immer mehr geschrieben hat und … ja, gelernt hat,
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kommunikation.medien 4. Ausgabe / Dezember 2014
sozusagen. […] Und deswegen finde ich es jetzt angenehmer, meine Sachen jetzt zu lesen als die Früheren.
Thematisch bleibt die Autorin allerdings einem Thema treu: Sie lädt hauptsächlich
Fanfictions hoch, die Patrick Jane und Teresa Lisbon als Paar beschreiben:
Wie die beiden miteinander umgehen finde ich sehr interessant. Und das ist halt nicht
so, wie bei, zum Beispiel, Castle, […] da ist das so: Die beiden haben sich einfach ineinander verliebt und dann waren sie ganz schnell zusammen. Und ich finde das halt sehr
interessant bei The Mentalist, dass so viele andere Aspekte daran teilhaben. Dass Jane
beispielsweise ihre Familie verloren hat, und dass die beiden es einfach nicht schaffen
zusammenzukommen. Das finde ich ganz interessant an der Serie. In meinen Geschichten geht’s eigentlich nur darum, dass die Beiden wirklich dann zusammen sind. Ich finde, es ist irgendwie schön, über etwas zu schreiben, was noch nicht da ist, und dass du
deiner Fantasie freien Lauf lassen kannst.
Mentasavi hat Spaß daran, eine Idee, die sie hat, aufzuschreiben, hochzuladen und
dafür Rückmeldungen zu bekommen. Sie vergleicht das damit, einen schönen Traum,
den sie hatte, festzuhalten.
Ich finde es einfach nur schön, zu Hause zu sitzen und ganz spontan zu sagen: Das ist
die Idee, die ich gut finde – die, vor allen Dingen ICH gut finde - und kein anderer hat
da irgendwas dran auszusetzen. Das ist meine ganz eigene Geschichte und ich versuche,
die jetzt so gut wie möglich in Szene zu setzen. Und dann will ich gucken, ob die anderen das mögen oder nicht.
Allerdings macht sie das nur, wenn sie Lust dazu hat – hat sie keine Lust oder Zeit,
macht sie das nicht. Fanfictions mit etwa sechs Kapiteln schreibt die Autorin manchmal
sogar an einem Tag, da sie von sich selbst sagt, dass sie sehr schnell schreibt. Oneshots
(Fanfictions, die lediglich aus einem Kapitel bestehen) werden von der Studentin einfach hochgeladen; für längere Geschichten werden die einzelnen Ideen in einem Notizbuch festgehalten. Mentasavi betont, dass sie so bei umfangreicheren Fanfictions nicht
durcheinander kommt – auch nicht, wenn sie nach einer längeren Schreibblockade
wieder beginnt zu schreiben.
Die 18-Jährige hat bei einer ihrer Fanfictions, Verbotene Liebe, begonnen, jeden Sonntag ein weiteres Kapitel hochzuladen.
Ich versuch mich halt daran zu halten. Dass es nicht immer funktioniert, ist häufig der
Fall. Dann sag ich so: ‚Ja, tschuldigung. Hab jetzt nicht dran gedacht.‘ Oder beispielsweise, wenn ich jetzt so lange frei hab [Sommerferien, Anm. d. A.], muss ich ja manchmal überlegen: Ach, was ist heute für ein Tag? Und dann fällt mir ein: ‚Oh! Ich hab ganz
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vergessen, was zu schreiben.‘ Weil ich da natürlich viel unterwegs war und überhaupt
nicht dran gedacht hab. Das ist nicht schlimm oder so, aber ich versuche immer, das bis
dahin fertig zu machen. Weil ich immer das Gefühl habe, die warten darauf, um das zu
lesen. Weil manche Leser mir wirklich schreiben: ‚Oh mein Gott! Du hast es einen Tag
später hochgeladen. Ist was passiert?‘ Und ich sitz jedes Mal so da: ‚Ja, ich habe mein
reales Leben noch, ne?‘ Keine Ahnung, das finde ich dann immer ein bisschen komisch,
wenn die mich dann darauf anschreiben, was man den ganzen Tag gemacht hat. Weshalb ich das nicht fertig bekommen hab. Deswegen versuche ich das immer ein bisschen
gleichmäßig hochzuladen.
Die Ideen zu ihren Fanfictions kommen Mentasavi häufig, wenn sie Musik hört. Außerdem hört sie auch oft während des Schreibprozesses Musik, die meist thematisch zu
ihrer Geschichte passt. Die Studentin meint, dass ihr das helfe, sich in die Szene hineinzuversetzen. Sie sagt zudem von sich, dass sie bei völliger Stille nicht schreiben
kann. So überlegte sie sich etwa auch in der Schule, wenn ihr langweilig war hin und
wieder einen Plot. Außerdem inspirieren sie Szenen aus anderen Serien oder Filmen.
Zudem finden sich manchmal auch eigene Erfahrungen (oder zumindest Teile davon)
in ihren Texten:
Viele Geschichten beruhen auf Erfahrungen aber Andere dann einfach nur auf meiner
Fantasie. Das ist beides im Prinzip. Weil ich nicht alles, was ich in meinem Geschichten
schreibe, aus Erfahrungen sagen kann. Ich hab das vielleicht so ähnlich erlebt und spinne das aber dann noch weiter. Also, es ist halt beides zusammen. Mit dem Erlebnis und
der Fantasie mach ich das dann ein bisschen anders. Ich schreib ja auch nicht in die Geschichten meinen Lebenslauf. Ich spinn da ja ein bisschen Ideen rein, die jetzt so im Alltag nicht passieren. Und dann einfach mal der Fantasie ein bisschen freien Lauf lassen,
weil bei manchen Sachen wär das mir dann doch mir zu ähnlich. Wenn das dann doch
mit meinem Leben so übereinstimmt, dann denk ich mir so: ‚Oh Gott, jetzt musst du dir
noch irgendwas anderes ausdenken, damit das nicht mehr so auf mein Leben passt oder
so.‘ Ja, aber manchmal passiert das. Wenn man das erlebt hat, dann bringt man die
Emotionen da ja auch mit rein. Ich achte dann aber immer darauf, dass das aber nicht
so wirklich wie mein Leben ist.
Gemeinsam mit ihren Freundinnen versucht sich Mentasavi an einer The MentalistFanfiction, die auch Red John zum Thema haben soll. Dabei sollen allerdings ihre
Freundinnen den Part mit Red John übernehmen, da die Autorin überzeugt ist, dass
ihr selbst diese Szenen nicht sonderlich liegen. Sie ist der Meinung, dass sie eigentlich
nur Liebesszenen wirklich authentisch schreiben kann. Die Ideenfindung funktioniert
bei dieser Fanfiction-Kollaboration so, dass sich die Freundinnen zusammensetzen und
im Laufe eines Abends über die geplante Geschichte sprechen, wobei die Studentin
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betont, dass das keineswegs gezwungen ist. Meist treffen sich die Freundinnen ohnehin
und im Laufe eines Treffens wird schließlich auch über die Fanfiction gesprochen. Außerdem findet die Autorin es sehr amüsant, wie sich die einzelnen Personen in die Geschichte hineinfühlen und Dinge vorschlagen, die die Anderen nie erwartet hätten. Sie
meint, man würde die Freundinnen und Freunde dadurch noch besser kennen lernen.
Zum Zeitpunkt des Interviews waren bereits Teile des Textes fertig.
Mentasavi hat bereits früher Fanfiction mit anderen Autorinnen und Autoren (persönlich oder über Skype) geschrieben; allerdings präferiert sie es, dies anders zu lösen. Sie
meinte, dass sie dabei immer im Hinterkopf hätte, dass es der anderen Autorin, beziehungsweise dem anderen Autor, schließlich auch gefallen soll, was sie im Begriff ist zu
schreiben.
Auch für diese Autorin haben die Rückmeldungen einen sehr hohen Stellenwert. Sie
formuliert das folgendermaßen:
Es ist halt immer schön, wenn andere Leute das auch lesen und dann etwas zurückschreiben. Weil sonst müsste ich es ja nicht hochladen. Ich könnte mir das ja auch einfach nur aufschreiben und bei mir auf dem PC lassen. Ja, die Rückmeldungen der Anderen und die Meinungen vor allen Dingen, ob sie das irgendwie realistisch finden, ob sie
das gut finden oder was auch immer, das ist antreibend. Und vor allen Dingen bei so
längeren Geschichten. Weil da wird’s auf Dauer doch irgendwie anstrengend, weil man
sich halt immer irgendwas ausdenken muss, was noch interessant sein könnte. Dass
nicht alles immer so ist: Ja, sie sind glücklich, sie sind glücklich, sie sind glücklich. Und,
da wird’s dann irgendwie anstrengend, wenn dann fast keiner mehr darauf reagiert,
dann … ist die Motivation nicht mehr so hoch.
Kritik, welche die Autorin über die Rückmeldungen erhält, versucht sie in folgenden
Kapiteln zu berücksichtigen; es sei denn, das Feedback bezieht sich auf Rechtschreibfehler und Dergleichen. Dann bearbeitet sie das betreffende Kapitel auch im Nachhinein. Auch sie findet konstruktive Kritik wichtiger als ständiges Lob, da sie selbst
sagt, das würde ihr längerfristig wenig nützen. Einen Teil der Kritik verwendet Mentasavi
auch
als
Inspiration
für
die
Fortsetzung
ihrer
Texte.
Sie gibt ihre Texte allerdings auch Freundinnen zu lesen, welche ihr Feedback darauf
geben sollen. Im Gespräch erwähnte sie, dass es für sie besonders wichtig sei, dass eine
Freundin, die The Mentalist selbst gar nicht verfolgt, ihr ihre Meinung mitteilt, da sie
einen objektiven Blick auf die Geschichte hat.
Zum Zeitpunkt des Interviews fand es Mentasavi eher einfach, den Schreibprozess in
ihren Tagesablauf einzugliedern, da Sommerferien waren. Wenn sie in dieser Zeit einen
Einfall hat, setzt sie sich schnell dazu und schreibt diesen nieder. Sie betont allerdings,
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dass andere Freizeitaktivitäten wie etwa Treffen mit Freundinnen und Freunden keinesfalls darunter leiden würden.
Früher, als ich Schule hatte, da hatte ich auf jeden Fall nicht so viel Zeit dafür. Vor allen
Dingen nicht, wenn Klausuren oder sowas anstanden. Da hab ich das dann manchmal
komplett auf Eis gelegt. […] Und ich hatte natürlich auch Hausaufgaben auf, musste
lernen. Und wenn ich damit fertig war, heißt das nicht unbedingt, dass ich mich jetzt
damit auseinander gesetzt habe, ob ich jetzt weiterschreibe oder nicht. Also ich mach
das auch manchmal, hab ich ja auch erzählt, im Unterricht. Wenn ich Langeweile hab in
der Schule, da schreib ich dazu mal was. Und wenn kein anderer da ist, beispielsweise
aus meiner Clique oder so, dann sowieso. Dann setze ich mich damit auseinander, weil
ich dann mal ausnahmsweise nicht irgendeinem anderen zuhören muss, das mich vielleicht gar nicht interessiert. Dann schalte ich alles um mich rum aus und konzentriere
mich darauf. Das ist immer ganz spontan gewesen, das war jetzt nicht so: Du machst das
jetzt Dienstag um 18 Uhr oder so, ich hatte jetzt keinen Zeitplan. Mach das da und da,
und du musst jetzt fertig werden. Ich hab das einfach gemacht wenn ich am Dienstag
Zeit hab, dann setz ich mich da dran. Wenn ich viel Zeit hab, vor allen Dingen. Wenn ich
nichts zu tun hab, dann beschäftige ich mich auch mehr damit, sozusagen. Dass ich das
für die andere Tage, wenn ich keine Zeit hab, vorarbeiten kann. Dass ich nicht hier so
sitze: ‚Oh Gott, ich muss das noch machen!‘ Wenn ich einen Tag Zeit hab, dann mach
ich das. Und für die anderen Tage mache ich nur kleine Stücke oder gar nichts.
Mentasavi kann sich nicht vorstellen, in zehn Jahren noch Fanfiction zu The Mentalist
zu veröffentlichen. Sie denkt, dass ihr irgendwann die Zeit dazu fehlen wird. Außerdem
kann sie sich nicht vorstellen, dann immer noch in der „totalen Mentalist-Phase“ zu
sein. Sie bezeichnet dieses Fandom momentan als eine Art Sucht – der entscheidende
Grund, warum sie sich in der Lage sieht, überhaupt Fanfictions zu schreiben. Dieses
Statement steht in ziemlich starkem Kontrast zur Aussage der Autorin am Beginn des
Interviews, in welcher sie sich von exzessivem Fanverhalten distanziert hat.
5.1.4 StarTheBuck: „Wenn du gerne schreibst, ist das die billige Variante. Du hast
Vieles vorgegeben, musst nichts selbst entwickeln und kannst ändern was du möchtest.“
Die Autorin kommt als einzige der Interviewpartnerinnen aus Österreich, ist Lehrerin
und 31 Jahre alt. Als das Interview geführt wurde, hatte StarTheBuck, verglichen mit
den anderen Probandinnen, in den meisten Fandoms veröffentlicht. Sie hatte bereits
Texte zu Law and Order: New York, Dr. House, Grey’s Anatomy, Private Practice,
Navy CIS, Castle, The Mentalist sowie eine Crossover Story veröffentlicht. Mittlerweile
hat sie auch zur Serie The Guardian eine Geschichte veröffentlicht. Insgesamt finden
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sich momentan 27 Fanfictions auf ihrem Account auf www.fanfiktion.de (Stand 02. 01.
2014).
StarTheBuck hat ab der ersten Folge im deutschen Fernsehen die Serie The Mentalist
verfolgt, die sie bereits aus dem Internet kannte. Allerdings erfolgte dies zu Beginn
nicht regelmäßig, sondern nur hin und wieder. Die 31-Jährige hat die einzelnen The
Mentalist-Staffeln als Geschenk bekommen, ansonsten sieht sie die einzelnen Folgen
im Internet.
Was ihr an der Serie besonders wichtig ist, beziehungsweise am besten gefällt, ist die
Figur von Teresa Lisbon. „Also ich schaue am liebsten nur Sachen mit einem starken,
weiblichen Hauptprotagonisten“, meint die Autorin im Interview.
Dieser Simon Baker hat schon so irgendwie was in der Serie, was anders ist. Also nicht
dieser standardmäßige Nebencharakter oder zweiter Hauptcharakter, … ein bisschen
mysteriös, ein bisschen verlogen, nicht 0815“ […] Also, ich kann nicht aus der Perspektive eines Mannes schreiben. Aus der Perspektive einer Frau geht’s ja leicht. Und das ist
mit dem Hineinversetzen und über Gedanken spinnen genauso. Also, da tu ich mich
auch viel leichter, ihre Vergangenheit aufzuarbeiten als seine. Aber abgesehen davon,
ich meine, er ist wunderschön, ja? (lacht) Aber vom Charakter her ist für mich die Lisbon interessanter. Er ist so: Dich schmachten wir an, ja? Und, ich find die Robin Tunney
jetzt nicht unglaublich hübsch oder so, aber sie ist interessant. Und ihr Charakter ist wie
eine Zwiebel, die erst geschält werden muss. Da gibt’s viele Sachen, die wir nicht kennen. Das ist halt das, was Lisbon für mich ausmacht.
Die Autorin begann bereits in den 1990ern Fanfiction zu schreiben; damals war das ein
Projekt mit anderen Autorinnen von einer Pretender-Seite. StarTheBuck hat die Geschichten anderer Fanfiction-Autorinnen und -autoren redigiert und hat dabei festgestellt, dass sie das eigentlich besser könne. Bis vor etwa zwei Jahren kannte die Autorin
die deutsche Fanfiction-Plattform allerdings nicht, sondern nur das Pendant im englischen Raum (www.fanfiktion.net).
Sie begann nach eigenen Angaben erst relativ spät eine Fanfiction zu The Mentalist zu
schreiben (welche bisher auch die einzige ist), da es bei dieser Serie sehr schwierig sei,
einen Anknüpfungspunkt für die Geschichte zu finden. „Da findest du nicht leicht irgendwo einen Anschlusspunkt bei der Serie; wo du sagst, du baust drauf auf. Das ist
irgendwie anders, ja? Bei Castle kannst du an jede Folge problemlos anknüpfen. Bei
The Mentalist ist es durch diesen roten Faden mit dem Red John schon sehr schwer,
finde ich zumindest.“
Für ihre The Mentalist-Fanfiction diente eine Szene direkt aus der Serie als Inspiration;
dabei hält Teresa Lisbon ein Kind auf dem Arm und StarTheBuck hat dies als Anstoß
gesehen, daraus etwas zu entwickeln. Dabei war es ihr allerdings wichtig, dass dies
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nicht zwangsläufig auf eine Beziehung zwischen Patrick Jane und Teresa Lisbon hinauslaufen muss. Generell sieht sie in all diesen unausgesprochenen Dingen der Serie
das größte Potenzial für weitere Geschichten.
So sieht die Autorin auch als mögliche Themen für künftige The Mentalist-Fanfictions
zum Beispiel eine Fanfiction, in der die Hauptpersonen in die Zirkuswelt, die zu Janes
Vergangenheit gehört, abtauchen müssen, oder die problematische Vergangenheit von
Teresa Lisbon [ihre Mutter stirbt, der Vater begann schließlich zu trinken, die Kinder
zu misshandeln und verübt schließlich Selbstmord, Anm. d. A.]. StarTheBuck fände
interessant, Themen zu behandeln, die in der Serie noch nicht gezeigt wurden, also
chronologisch vor der ersten Folge stattfinden und worüber man lediglich aus Erzählungen oder Rückblicke in der Serie Bescheid weiß.
Ansonsten inspirieren die Autorin auch Musik, einzelne Bilder, Filmszenen, andere
Texte oder auch andere Fanfiction zu ihren eigenen Geschichten. Auf ihrem Computer
hat StarTheBuck einen Ordner, der die unterschiedlichsten Gedanken (nicht ausschließlich zu Fanfiction) enthält, auf den sie immer wieder zurückgreift.
Bei ihren eigenen Texten ist ihr besonders wichtig, dass es eine derartige Geschichte
noch nicht gibt. Sie fühlt sich sonst, als würde sie einer anderen Autorin oder einem
anderen Autor die Idee klauen. Um sich zumindest halbwegs abzusichern, tauscht sich
StarTheBuck mit einer Freundin aus, die „aus 100 Fandoms alle Fanfictions [kennt]“.
Außerdem ist es für sie auch von großer Bedeutung, dass man der Serie „treu“ bleibt
und dass es wichtig ist, die Charaktere gut zu kennen – auch diese Autorin präferiert es
also, seriennah zu schreiben:
Man kann nicht einfach, über das, was angedeutet wird, was in ihrer [Teresa Lisbon,
Anm. d. A.] Vergangenheit passiert ist, hinweg sehen. Der Missbrauch durch den Vater,
et cetera. Das sind alles so heftige Sachen, die sie zu dem gemacht haben, wie sie dargestellt wird, zumindest. Und wenn du über das hinwegsiehst, ist der Charakter kaputt.
Das ist zerstört, ja?
Wenn ihr ein Gedanke für eine Fanfiction durch den Kopf geht, schreibt StarTheBuck
diesen in einem Notizbuch nieder, das sie meist bei sich trägt. Irgendwann kommt sie
schließlich wieder auf das Ganze zurück. Die Autorin schreibt sich schließlich ihre Geschichte in groben Zügen – teilweise auch nur in Stichworten – mit der Hand vor. Sie
betont dabei, dass es hierbei egal ist, wo sie sich gerade befindet, das kann sie überall
machen, beispielsweise im Sommer im Freibad oder auch unterwegs.
Ich versuche mir schon am Anfang einen roten Faden mehr oder weniger zu legen. Da
bin ich und da möchte ich hin, das und das brauche ich im Laufe der Zeit. Wenn ich einen Kriminalfall oder so drinnen hätte, brauche ich die und die Stationen. Ich meine, es
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gab auch schon Sachen, da hab ich einfach keinen Faden gehabt und einfach geschrieben. Aber das ist meistens dann für mich unzufriedenstellend.
Diese „Stationen“ werden von der Autorin schließlich abgearbeitet, obwohl sie betont,
dass meist ein Punkt während des Schreibprozesses kommt, wo sie alles wieder „über
den Haufen wirft“ und das Konzept wieder umstellt. Wenn sie etwas Abstand zum Kapitel hat, überarbeitet die 31-Jährige den Text nochmals, da sie ansonsten etwaige Fehler nicht finden würde, betont sie. Sie versucht zudem, trotz zahlreicher Ideen, wenig
anzufangen, aber diese Texte fertigzustellen.
Die Autorin hat auch einmal im englischen Raum veröffentlicht und wurde einmal via
Kommentarfunktion gebeten, eine ihrer Geschichten fortzusetzen; etwas, das für sie
selbst nicht funktioniert hat, wie sie sagt:
Für mich ist eine Geschichte fertig und aus. Wenn mein Konzept abgearbeitet ist. […]
Und wenn’s für mich nicht passt, dann landet es in irgendeinem Ordner und aus, ja?
Wenn es für mich abgerundet ist, dann geht’s eigentlich nicht mehr. Da müsste mir
schon eine komplett neue Idee kommen, wo ich sage: Okay, ich kann anknüpfen an die
Geschichte an dem und dem Punkt. Sonst, nein.
Eine ihrer Fanfictions lässt sich StarTheBuck von einer Freundin Korrektur lesen, da
diese Geschichte (im Fandom Castle) einen Missbrauchsfall zum Thema hat. Da dies
ein sehr heikles Thema ist, ist die Lehrerin froh, eine zweite Meinung und konstruktive
Kritik dazu zu hören und so die Fanfiction weiterentwickeln zu können. Ansonsten
schreibt die Autorin allerdings alleine. Es ist eher so, dass sie anderen Autorinnen und
Autoren bei ihren Geschichten hilft – auf Fehler aufmerksam macht und die Storyline
durchgeht.
Für StarTheBuck ist das Schreiben von Fanfictions in gewisser Weise eine Art des Zeitvertreibes und der Entspannung:
Ja, es ist so ein Hirnfreikriegen, Zeitvertreib. Also das Fernsehprogramm kennst du
auswendig; dass du dich jetzt hinsetzt und wirklich liest – also, ich lese sehr, sehr viel –
aber dazu hast du auch keine Lust. Das [Fanfiction-Schreiben, Anm. d. A.] ist so richtig
abtauchen. […] Also, sagen wir, du schreibst einen Krimi oder so, und du machst das im
deutschsprachigen Raum … der Reiz fehlt. Das amerikanische System kennen wir zu
wenig. Oder ich zumindest. Ähm, du spielst gerne mit Sachen, die schon existieren. Das
ist leicht. Und ich meine, du brauchst eine Basisidee, und die hast du halt irgendwann
mal aufgeschrieben, oder du schreibst Kapitel für Kapitel. Das ist unterschiedlich,
kommt auf die Leute an. Es ist eher entspannend, und es ist so schön, wenn man wieder
mal was schreiben kann, wenn man sechzig Schularbeiten verbessert hat, zum Beispiel.
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Daraus geht auch hervor, warum die Autorin Geschichten zu bereits bestehenden Storylines schreibt, anstatt ihre eigenen Geschichten zu entwickeln. Im weiteren Interviewverlauf wurde dieses Thema nochmals kurz angesprochen. Die 31-Jährige meinte
hier: „Ich bin eher zu faul, eigene Charaktere zu entwickeln. Wenn du gerne schreibst,
ist das die billige Variante. Du hast vieles vorgegeben, musst nichts selbst entwickeln
und kannst ändern was du möchtest.“
Das Schreiben ihrer Fanfictions ist für StarTheBuck kein fixer Bestandteil ihres Tagesablaufs. Für sie gibt es Phasen, wo sie keine Zeit findet, an ihren Geschichten zu arbeiten. Ansonsten schreibt sie auch öfters neben dem Fernsehen oder wenn sie abends mit
Korrekturen fertig ist:
Oft mal ist es dann eher so, keine Ahnung, ich habe einen Korrekturstapel an Hausübungen fertig, schlafen gehen kannst du eigentlich noch nicht, weil du bist nicht unten.
Wenn ich lese, und ich lese meistens Krimis, dann will ich wissen wie es weitergeht,
dann ist es zwei in der Früh. Ich muss um sechs Uhr aufstehen – geht auch nicht. Vor
dem Fernseher schlafe ich mit Sicherheit ein und wach dann um drei Uhr in der Früh
auf der Couch auf. Das ist eher so – Kopffreikriegen am Abend, ja?
Die Autorin ist nicht der Meinung, dass sie in zehn Jahren noch Fanfiction zu The Mentalist veröffentlicht. Das liege vor allem daran, dass sie nach eigenen Angaben sehr viele Serien verfolgen würde. Sie ist der Meinung, dass ihr zu einem derartigen Zeitpunkt
die Motivation fehlen würde – teils, weil es wahrscheinlich niemand mehr lesen würde.
Möglicherweise würden StarTheBuck Ideen kommen, wenn sie wieder eine Folge The
Mentalist sehen würde oder eventuell einen anderen Film mit einer der Schauspielerinnen oder einem der Schauspieler.
5.1.5 Laa-chan: „Und in dem Moment dachte ich dann: Ne, das kann ich besser.“
Die Autorin, die ihre Fanfictions unter dem Usernamen Laa-chan veröffentlicht, ist 13
Jahre alt und lebt in Deutschland. Zum Zeitpunkt des Interviews hat die Schülerin Texte zu den Fandoms Fairy Tail, Detektiv Conan, Die Wilden Kerle und The Mentalist
veröffentlicht.
Mittlerweile
kam
eine
Fanfiction
in der Kategorie
„Internet
Stars/YouTuber“ hinzu – die Fanfiction zu The Mentalist wurde jedoch wieder gelöscht. Insgesamt befinden sich 14 Fanfictions auf dem Profil der Autorin (Stand 02. 01.
2014).
Gemeinsam mit einer Freundin, mit der Laa-chan bereits Navy CIS verfolgt hat, begann die Schülerin auch The Mentalist regelmäßig zu sehen. Anreiz dafür war, dass die
besagte Freundin immer dabei war, wenn ihre Mutter The Mentalist angesehen hat. In
der Schule unterhalten sich beide Mädchen schließlich über die Serie und diskutieren
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Gesehenes. Die Autorin besitzt keine der The Mentalist-Staffeln auf DVD, sie sagt zudem im Interview, dass sie sich nie Serien auf DVD kaufen würde. Für sie sei das Geldverschwendung, da man sich die Sendungen auch im Internet ansehen könne. Dafür
nimmt die Schülerin auch eine schlechtere Qualität in Kauf.
An der Serie gefällt der Autorin vor allem Eines: die Interaktion zwischen Patrick Jane
und Teresa Lisbon:
Also, in den ersten Folgen fand ich Jane total blöd. (lacht) Aber Lisbon halt voll cool, also Teresa, und mit der Zeit hat sich das dann so halt ergeben. Ich bin ja sowieso voll der
Pairing-Typ, und dann ging das eigentlich recht schnell, dass ich die halt weiterverfolgt
habe, die ganze Serie. […] Ich hab ja nur die erste Folge gesehen, zumindest glaube ich,
dass das die erste Folge ist, und ganz am Anfang ich fand Jane jetzt nicht so atemberaubend heiß, würde ich jetzt mal so sagen. Aber mit der Zeit hab ich halt auch irgendwo
immer mehr über seine ganzen Sprüche geschmunzelt. Und Lisbon war ja sowieso so
eine voll nette Person. Und als die ersten Annäherungsversuche kamen bin ich halt totaler Fan geworden und hab halt dann erst angefangen, so richtig zu suchten.
Aus diesem Zitat geht hervor, dass es für die Autorin wichtig ist, dass zwischen verschiedenen Charakteren einer Serie, in diesem Fall The Mentalist, eine bestimmte Beziehung besteht, die man in einer Fanfiction auch auf eine Liebesbeziehung umschreiben kann. Dies lässt sich möglicherweise mit dem Alter von Laa-chan in Verbindung
setzen, da dieses Thema in ihrem Leben vielleicht zunehmend an Relevanz gewinnt.
Die Schülerin kam das erste Mal mit Fanfiction in Berührung, als sie mit zwei Freunden
Pokémon-Kämpfe nachgespielt hat. Die beiden Freunde von Laa-chan haben im Gegensatz zu ihr diese nachgespielten Szenen nicht weiter verfolgt. Die Autorin hat jedoch
begonnen, diese Dinge und Dialoge aufzuschreiben – und gleichzeitig noch viele Bücher zu lesen. Als sie schließlich einmal ein Bild zum Manga Digimon gesucht hatte,
kam sie über den Link dieses Bildes auf eine Fanfiction-Homepage. Als sie diese Geschichte gelesen hatte, hat sich die Schülerin gewundert, ob das eine Fortsetzung des
Mangas sei. Erst später wurde ihr klar, dass dies das Werk eines Fans war und keine
offizielle Weiterführung des Mangas.
Ausschlaggebend dafür, dass sie selbst Fanfiction zu schreiben begann, war abermals
eine Fanfiction im Fandom Digimon:
Eine grottenschlechte Fanfiction. […] Alles mit Rechtschreibfehlern; also sogar schlimmer, als ich das gemacht habe. Die hatte keine Handlung und keinen wirklichen Sinn.
Aber zum Schluss waren sie zusammen und haben ein Kind bekommen, also, das weiß
ich noch. Es war total schrecklich. Ja. Und in dem Moment dachte ich dann so: Ne, das
kann ich besser. Und dann hab ich halt angefangen, mir von Charakteren immer wieder
Storys zu überlegen, wie es weitergehen könnte, oder wenn sie eine andere Entschei-
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dung getroffen hätten, was hätte passieren können. Oder wenn ich, beispielsweise bei
The Mentalist, das Pairing Jane und Lisbon total cool finde; was wäre, wenn sie in einer,
ich weiß nicht, anderen Welt sein würden und so.
Laa-chan war mit dieser einen Fanfiction unzufrieden, und der Meinung, selbst eine
bessere Leistung erzielen zu können. Unzufrieden ist sie auch mit der Tatsache, dass in
der Serie The Mentalist Patrick Jane und Teresa Lisbon es nicht schaffen, sich „zu küssen oder sich die Liebe zueinander zu gestehen“. Das war auch der ausschlaggebende
Punkt, an dem die Autorin beschloss, selbst eine The Mentalist-Fanfiction zu schreiben. Ähnlich war es für sie auch im Fandom Die Wilden Kerle: Für Laa-chan waren
Klette und Nerv das Traumpaar, kamen jedoch in der Vorlage nicht zusammen, weshalb sich die Schülerin eine eigene Geschichte dazu ausdachte. Weiter hat die Autorin
eine Slash-Fanfiction zu Die Wilden Kerle veröffentlicht, nachdem sie selbst einige Geschichten in dieser Rubrik gelesen hatte:
Da wurden halt zwei Jungs, ich sag jetzt einfach mal zwangsverschwult. Dann hab ich
halt so nachgedacht: Ja, den einen Jungen, also Juli, den mag ich besonders. Und halt
seinen kleinen Bruder, ja? Also total an Grenzen stoßend. Die beiden hab ich halt dann
irgendwie zusammen gebracht so … Ja, dass er halt so langsam Gefühle für seinen kleinen Bruder entwickelt, aber halt natürlich weiß, dass das nicht geht und so. Und irgendwie wollte ich das dann auch so schreiben und dann hab ich das einfach so geschrieben.
Dabei betont die Autorin, dass es wichtig sei, seine Texte auch vertreten zu können. Bei
dieser Fanfiction hat Laa-chan allerdings gleich vorne weggenommen, dass es in dieser
um die Beziehung zwischen zwei Jungs geht und betont, deshalb auch keine negativen
Kommentare diesbezüglich erhalten zu haben, wie dies ohne Verweis auf den Inhalt
möglicherweise der Fall gewesen wäre.
Inspiriert wird die Schülerin beispielsweise durch einzelne Filmszenen, die sich möglicherweise in ihre eigenen Texte eingliedern, beziehungsweise darauf abstimmen lassen. Manchmal inkludiert sie auch alltägliche Erfahrungen in ihre Fanfictions. So diente beispielsweise ein Telefongespräch mit ihrer besten Freundin als Vorlage für eine
Geschichte im Fairy Tail-Fandom.
Im speziellen Fall ihrer The Mentalist-Fanfiction wurde die 13-Jährige durch die Vergangenheit der handelnden Personen inspiriert. Dadurch, dass man ziemlich viel über
Patrick Janes Vergangenheit weiß, aber relativ wenig (oder zumindest nichts Konkretes) aus Teresa Lisbons Geschichte, wurde Laa-chan dazu bewogen, ihre Fanfiction zu
beginnen. Die Geschichte handelt davon, dass Teresa Lisbon in ihrer Vergangenheit
eine relativ böse Person war, woran auch ihr damaliger Freundeskreis schuld war – bis
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etwas Schlimmes passiert und sie sich ändert. Ihre Vergangenheit holt sie dann in ihrer
Arbeit beim CBI allerdings wieder ein.
Mögliche künftige Themen wären für die Autorin einerseits, dass sie in eine bereits
bestehende, aber noch nicht abgeschlossene Fanfiction mit dem Titel Der Fluch das
Thema Adoption als Erweiterung mit hineinbringen möchte. Weiter hat die Schülerin
einen Film gesehen, in dem sich ein Mädchen in einen Lehrer verliebt hat. Dabei kam
ihr auch die Idee, eine ähnliche Story in eine ihrer Geschichten einzubauen.
Auch dieser Autorin sind Kommentare, beziehungsweise Rückmeldungen besonders
wichtig. Dies unterstrich die 13-Jährige während des Interviews durch einen Verweis
auf das Fandom zu Fairy Tail:
Ich finde, in dem Fandom Fairy Tail sind die Leute auch am Nettesten. In den Meisten
ist das ja so: Ja, du schreibst einen Oneshot, und dann bekommst du kein Feedback –
obwohl du dir Mühe gibst. Und bei Fairy Tail finde ich das besonders schön, weil die
Leute versuchen, sich da zu unterstützen. Also ich hab jetzt, glaube ich, keine einzige gesehen, die nicht ein Feedback hatte. Und das fand ich besonders toll, weil die Leute, die
lesen sich da wirklich fast alles durch und versuchen den Leuten dann auch konstruktive
Kritik zu geben.
Laa-chan findet Kritik, insbesondere konstruktive Kritik besonders wichtig, da es sie in
dem, was sie produziert und veröffentlicht, bestärkt. Aus diesem Grund versucht sie
auch, selbst möglichst konstruktive Rückmeldungen auf Geschichten zu geben, die sie
selbst liest. Würde die Schülerin keine Rückmeldungen bekommen, dann könnte es
durchaus passieren, dass sie die Geschichte abbricht. Allerdings nur, wenn ihr selbst
der Inhalt nicht mehr voll und ganz gefällt – wäre sie noch immer von der Story überzeugt, würde sie sie trotzdem hochladen.
Am Prozess des Fanfiction-Schreibens und auch der Interaktion mit anderen Usern der
Plattform reizt Laa-chan auch das Spiel mit der eigenen Identität:
Aber, also ich schreib ja eigentlich irgendwo, nur um der bösen Realität zu entfliehen.
Wenn ich schreibe, weiß ja niemand, wie ich wirklich bin. Also, wie ich jetzt, zum Beispiel in der Schule bin. Oder was ich jetzt, keine Ahnung, beruflich mache, und wie mein
Charakter ist. Ich kann das letzte A. sein, und meinen Hauptcharakter total nett wirken
lassen. Also, eigentlich weiß man dann nicht besonders viel über mich. Und vielleicht
möchte man, also zumindest ist das bei mir so, ich weiß jetzt nicht, ob es bei den Anderen auch so ist, irgendwo möchte man immer jemand anderes sein, finde ich. […] Beispielsweise möchte man ja manchmal jemandem so richtig eine knallen. Aber ich bin
dann trotzdem total nett und freundlich. Und dann im Nachhinein denkst du dir: Wieso
hast du den nicht angeschrien? Und das kann ja dann die Person in deiner Fanfiction
für dich machen.
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Außerdem meint die Autorin, dass man die Personen in den eigenen Texten das erleben
lassen kann, was man selbst gerne erleben würde.
Zum Zeitpunkt des Interviews befand sich die Schülerin in den Ferien – womit es ziemlich einfach war, das Schreiben der eigenen Geschichten in den Tagesablauf einzugliedern. Laa-chan schreibt in den Ferien beinahe jeden Abend an ihren Geschichten.
Wenn sie wieder zur Schule gehen muss, muss sie ihren Fanfiction-Schreibprozess mit
ihren übrigen Aktivitäten wie Hausaufgaben oder Sport abstimmen. Seit sie ihre erste
Geschichte veröffentlicht hat, versucht sie allerdings trotzdem, fast täglich an ihren
Texten zu arbeiten.
Dass sie in zehn Jahren noch zu The Mentalist veröffentlichen wird, kann sich Laachan nicht vorstellen. Allerdings ist sie sich sicher, dass sie weiterhin Schreiben wird –
wenn auch möglicherweise ohne die Resultate zu veröffentlichen.
5.2 Zusammenführung / Querschnittanalyse
Die bisher ausgeführten Ergebnisse der Interviewgespräche werden in diesem Teilkapitel nochmals in einer Art Querschnittanalyse hinsichtlich ihrer Gemeinsamkeiten, aber
auch ihrer Unterschiede zusammengeführt.
Die wohl offensichtlichste Gemeinsamkeit der hier beteiligten Probandinnen ist die
Tatsache, dass alle fünf Interviewpartnerinnen weiblich sind. Diese doch sehr kleine
und nicht repräsentative Stichprobe stützt also Jenkins (2006: 43) These, in der er behauptet, dass ein Großteil der Fanfiction-Produzentinnen und -Produzenten Frauen
seien.
Ein Unterschied, der bereits bei den Kurzausführungen der Interviews unter dem
Punkt 4.2.2.1 ins Auge fällt, ist das Alter der Probandinnen. Die jüngste Autorin war
zum Zeitpunkt des Gespräches 13 Jahre alt, die Älteste 53, was eine Altersspanne von
40 Jahren ergibt. Dennoch sind drei der fünf Fanfiction-Autorinnen unter 20 Jahre,
das Erstellen eigener Texte ist also tendenziell in der jüngeren Generation vertreten.
Diese Annahme müsste allerdings in einer repräsentativeren Studie überprüft werden.
Ebenso variieren die veröffentlichten Fanfictions in den dazugehörigen Fandoms von
Autorin zu Autorin, was allerdings im Rahmen dieses Forschungsprojektes gewollt war.
Da im Umfang dieser Studie keine Repräsentativität möglich war, wurden, um ein breites Spektrum von Fanfiction-Produktion abzudecken, ganz bewusst Autorinnen mit
unterschiedlichen Präferenzen ausgewählt. So veröffentlichten Bob-Kirkland-Fan und
Mentasavi (beide mit nur einer Crossover-Ausnahme) lediglich Fanfictions im Fandom
von The Mentalist, wohingegen die anderen drei Autorinnen in unterschiedlichsten
Fandoms veröffentlichten. StarTheBuck hat eine Geschichte zu The Mentalist veröffentlicht; jene die Laa-chan hochgeladen hatte, ist aktuell wieder gelöscht worden.
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Hierbei wird verdeutlicht, wie verschieden die Autorinnen hinsichtlich ihrer FanfictionGewohnheiten sind.
Ein weiterer Unterschied manifestierte sich in der Zeitspanne, in welcher die jeweiligen
Autorinnen bereits Fanfiction produzierten. Bob-Kirkland-Fan etwa hatte erst vier bis
sechs Wochen vor dem Interview zu schreiben begonnen, während Krytax angab, ohnehin „schon immer“ zu schreiben – Fanfiction veröffentlicht sie auf der deutschen
Plattform seit 2010. Auch StarTheBuck erzählte, dass sie bereits seit den 1990ern Fanfiction schreibt und auch teilweise veröffentlicht hat.
Ebenso unterschiedlich sind die Themen der jeweiligen Fanfictions:
Während Mentasavi, Laa-chan und auch StarTheBuck in ihren Texten mehr oder weniger zentriert eine Beziehung zwischen Patrick Jane und Teresa Lisbon thematisieren,
hebt StarTheBuck allerdings hervor, dass für sie insbesondere jene Aktionen, die in der
Vergangenheit der handelnden Personen stattgefunden haben, von großem Interesse
sind. Dies zeichnete sich ebenfalls in der mittlerweile gelöschten Fanfiction von Laachan ab. Bob-Kirkland-Fan hingegen distanziert sich ganz klar von diesem Thema und
schreibt ganz bewusst konträre Geschichten, sogar eine, die Patrick Jane und Red John
als Paar beschreibt. Die Autorin Krytax hingegen transferiert die Charaktere der Serie
gerne in bereits bestehende Welten, wie etwa in Alice im Wunderland oder auch in den
Wilden Westen.
Hieraus könnte man ableiten, dass auch hier ein inhaltliches Vergnügen, wie Klaus
(1998: 338) es formulierte, eine Thematisierung des traditionell weiblichen Lebenszusammenhanges, also Beziehungen, eine wichtige Rolle spielen. Auch zum phantasievollen Vergnügen (Klaus 1998: 340), welches Menschen, in diesem Fall Autorinnen und
Autoren, die Möglichkeit bietet, spielerisch mit der Wirklichkeit umzugehen. So haben
beispielsweise Krytax und Laa-chan darauf hingewiesen, dass die Figuren in ihren
Fanfictions das erleben, was sie selbst gerne erleben würden.
Damit korrespondieren auch Angaben, dass teilweise eigene Erfahrungen als Inspiration für eigene Geschichten fungieren, wenn auch in abgewandelter Form. Anderweitig
wurden häufig Musik, Filmszenen oder Szenen aus anderen Serien oder ferner auch
konstruktive Kritik an den Texten via Rückmeldungen, Buchrezensionen oder auch
Bilder als Inspiration für die eigenen Fanfictions dienen.
Besonders auffällig ist, dass die Autorinnen in ihrem Schreibprozess sehr strukturiert
vorgehen:
Bob-Kirkland-Fan gab an, sich die einzelnen Kapitel vorzuschreiben und schließlich
nochmals zu überarbeiten, StarTheBuck schreibt Einfälle und Ideen in ein Notizbuch,
das sie immer bei sich trägt, bevor sie sich einen roten Faden notiert und diesen
schließlich abarbeitet und im Anschluss ebenfalls redigiert. Krytax führt eigens Re-
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cherche für ihre Fanfictions durch, bevor eine sehr detaillierte Planung der Geschichte
beginnt. Wenn die Autorin eine bestimmte Idee hat, schreibt sie diese auf und wartet
erst einmal ab, bevor sie darauf zurückgreift und abwägt, ob sie diese Idee zu einer fertigen Geschichte weiterentwickeln kann. Danach notiert sie sich ihre Einfälle auf einen
Zettel und wird von Schritt zu Schritt immer genauer in ihrer Planung. Auch Mentasavi
notiert sich ihre Einfälle in einem Notizbuch, um speziell bei längeren Geschichten
nicht durcheinanderzukommen.
Diese Beschreibungen lassen darauf schließen, dass den Autorinnen die Qualität ihrer
Fanfictions wirklich wichtig ist und sie Zeit darin investieren, ihren eigenen Maßstäben
gerecht zu werden oder sich sogar noch zu verbessern. So führte Krytax an, dass sie
ihre privaten Texte, die sie niemandem zeigt, quasi als Schreibtraining verwendet; Laachan und Mentasavi betonten, dass sie ihre früheren Geschichten nur ungern lesen, da
sie viele Rechtschreib- und Grammatikfehler beinhalten würden. Andererseits könne
man daraus eine gewisse Entwicklung erkennen, weshalb sie die hochgeladenen Fanfictions nicht überarbeiten würden. Dieser eigens generierte Qualitätsanspruch (etwa
grammatikalische Richtigkeit oder durchdachte Handlungsbögen) an die produzierten
Texte, lässt das Bild der Serienrezipientinnen und Serienrezipienten als passives Publikum veraltet erscheinen.
Die Fanfiction-Produktion, welche auf diesen teilweise sehr intensiven Planungsprozess folgt, wird von Autorin zu Autorin unterschiedlich gehandhabt. Großteils wird das
Verfassen eigener Texte jedoch mit anderen Aktivitäten (Schule, Studium, Job, Hobbies, Freunde) koordiniert und dabei meist hinten angereiht. Nur Krytax meinte, dass
es Phasen gäbe, in denen sie sich auf nichts anderes konzentrieren könne, als auf ihre
Geschichten und sich somit auch Lernen oder andere Aufgaben verschieben würden.
Eine weitere Gemeinsamkeit der Autorinnen ist die Bedeutsamkeit der Kommentare,
was oftmals als Motiv für das Hochladen der Geschichten auf www.fanfiktion.de genannt wurde.
Bob-Kirkland-Fan bezeichnete die Kommentare und Reviews auf ihre Fanfictions als
Bestätigung ihrer Arbeit, worin für sie auch der Reiz läge, ihre Geschichten zu teilen.
Für Krytax sind Rückmeldungen zu ihren Fanfictions ebenfalls äußerst wichtig – so
wichtig, dass sie ihrer Schwester sogar einen ihrer Texte als Hörspiel aufnahm, nur um
Feedback zu ihrer Geschichte zu bekommen. Gewöhnlich gibt die Autorin ihre fertiggestellten Fanfictions zwei Freundinnen, die ihre Texte durchgehen und kommentieren.
Eine der Freundinnen geht die Geschichten mit kritischen Kommentaren durch, was
Krytax fast als eine Art Zusammenarbeit bei der Textproduktion wertet. Außerdem
waren für die Autorin bei ihrem Einstieg auf der Plattform Reviews fast ein Prestigeobjekt – je mehr man hatte, desto besser war man. Mentasavi betonte ebenfalls, dass man
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ohne Kommentare die Fanfictions gar nicht hochladen müsse. Die Autorin Laa-chan
bezeichnete die Kommentare von anderen Usern der Plattform als Unterstützung und
Bestärkung. Man könnte also die Behauptung aufstellen, dass die Kommentare und
Rückmeldungen einen wesentlichen Teil des Phänomens Fanfiction ausmachen. Jede
der Autorinnen schätzt insbesondere konstruktive Kritik an den Fanfictions und sie
würden diese auch auf die Geschichten anwenden – sofern sich die Kritik auf stilistische Aspekte bezieht. Inhaltliche Kritik wird meist nicht berücksichtigt.
Neben den Rückmeldungen werden Spaß am Schreiben selbst, eigene Ideen zur Serie
auszuformulieren, Abwechslung zu Studium oder Arbeit, Entspannung, (sinnvoller)
Zeitvertreib oder auch Unzufriedenheit mit dem Primärtext angeführt. StarTheBuck
meinte zusätzlich, dass Fanfiction zu schreiben die „billige Variante“ sei, um selbst Texte zu veröffentlichen.
Eine weitere Auffälligkeit der Interviews war, dass es den Autorinnen wichtig war, die
Charaktere möglichst genau zu treffen, was mit Jenkins (2006: 43) These des Verständnisses der Charaktere übereinstimmt.
„Menschen, die längerfristig eine leidenschaftliche Beziehung zu einem für sie externen, öffentlichen, entweder personalen, kollektiven, gegenständlichen oder abstrakten
Fanobjekt haben und in die emotionale Beziehung zu diesem Objekt Zeit und/oder
Geld investieren.“ – so bezeichnen Roose, Schäfer und Schmidt-Lux (2010: 12) einen
Fan. Diese emotionale Beziehung zu dem jeweiligen Fanobjekt, hier die Serie The Mentalist, ist auch ausschlaggebend dafür, dass Fanfiction überhaupt erst entsteht. Diese
Bindung an einen Primärtext lässt möglicherweise mit dem Ende einer Serie nach –
weshalb wohl viele der Autorinnen sich nicht vorstellen können, weit über das Ende der
Serie hinaus noch Fanfiction zu veröffentlichen. Was ebenfalls öfters angeführt wurde
war die Vermutung, dass in zehn Jahren wahrscheinlich niemand mehr Fanfiction zu
The Mentalist lesen würde, was eine Veröffentlichung überflüssig machen würde. Dies
unterstreicht abermals die Bedeutung der Kommentare und Rückmeldungen auf die
einzelnen Fanfictions. Jedoch wurde von den Autorinnen hinzugefügt, dass sie das
Schreiben wohl nicht aufgeben würden – möglicherweise allerdings nur noch „privat“,
also ohne zu veröffentlichen, oder auch für andere Fandoms arbeiten würden.
6. Fazit
Angesetzt im noch weiterer Definition bedürftigen Bereich des Post-TelevisionDramas, befindet sich dieses Projekt in einem derzeit hochaktuellen Gebiet der Forschung. In regelmäßigen Abständen werden neue, hochwertige Serien produziert und
ausgestrahlt und in weiterer Folge in Fachzeitschriften sowie in Tageszeitungen über
sie berichtet. Durch die wachsende Anzahl besagter Serien scheint sichergestellt zu
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sein, dass für sie auch ein entsprechender Markt besteht – und somit ein manchmal
mehr, manchmal weniger großes Publikum vorhanden ist. Da dieses relativ neuartige
Serienphänomen noch einiger Klärung und Definition bedarf, sollte auch besagtes
Publikum nicht außer Acht gelassen werden. Insbesondere im Zeitalter des Internets
mit diversen Social Media Tools, die die Veröffentlichung eigens generierter Inhalte
wesentlich einfacher als zu Zeiten der Fanzines gemacht hat, scheinen die Publika diverser populärkultureller Texte besonders aktiv zu sein.
Plattformen wie www.fanfiktion.de sind ein Archiv für derartige Fanaktivitäten und
können somit als Beweis für aktive Publika fungieren. Somit würden derartige Fanfiction-Internetseiten neben beispielsweise Fanvideos auf YouTube oder diversen Blogs
mit bearbeiteten Fotos als Basis für weitere Forschung dienen.
Selbstverständlich kann, wie in diesem Forschungsbericht mehrmals erwähnt wurde,
durch die limitierte Anzahl der Interviews kein Anspruch auf Repräsentativität gestellt
werden, allerdings können aus den hier vorliegenden Ergebnissen einige Ansatzpunkte
für weitere Forschung herausgearbeitet werden:
Anschließend an die Serie The Mentalist wäre es von großem Interesse, wie lange nach
Ende der Serie – oder nachdem Red John enttarnt wurde – das Fandom noch aktiv ist.
Wie lange werden die Fanfictions noch geschrieben, beziehungsweise gelesen und
kommentiert? Werden eventuell alternative Ausgänge der Serie geschrieben? Wenn,
oder falls die Vergangenheit der einzelnen Charaktere wie Patrick Jane oder Teresa
Lisbon enthüllt wird, verringert dies die Fanfiction-Produktion? Oder werden die
Schreibprozesse dadurch verstärkt? Nehmen derartige narrative Entwicklungen in der
Serie (falls diese tatsächlich inkludiert werden) anderen Einfluss auf die Themen der
veröffentlichten Fanfictions?
Ein weiterer spannender Punkt wäre zu beobachten, ob es Zeiten gibt, in denen besonders viele Fanfictions veröffentlicht werden, wie beispielsweise nach einem Staffelfinale
oder in einer Sommerpause, oder ob es Durststrecken, während denen nur sehr wenig
hochgeladen wird, gibt?
Entfernt man sich mit künftiger Forschung von der Serie The Mentalist und spezialisiert sich auf die Fanfiction an sich, eröffnen sich weitere interessante Perspektiven:
So könnte beispielsweise quantitativ überprüft werden, ob tatsächlich der Großteil der
Fanfiction-Autorinnen und -Autoren weiblich ist, oder ob die hier gewählte Stichprobe
lediglich durch Zufall ausschließlich weiblich ist. Weiter wäre aufgrund der hier doch
sehr breiten Altersspanne von 40 Jahren das Durchschnittsalter der Textproduzentinnen und -produzenten von großem Interesse. Außerdem könnte überprüft werden, welche Fandoms derzeit florieren und möglicherweise Gründe dafür ermittelt werden.
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Was im Rahmen dieser Arbeit nicht weiterverfolgt werden konnte, waren die kurz angesprochenen Ansprüche an den von den hier befragten Autorinnen gelesenen Fanfictions. Beispielsweise wurde von einigen Autorinnen angesprochen, sie würden englische Fanfictions deutschen vorziehen, da die Qualität auf englischen Plattformen höher
sei als bei dem deutschen Äquivalent. Worin besteht der Unterschied (wenn vorhanden) zwischen englischer und deutscher Fanfiction? Außerdem wurden in diesem Zusammenhang einige Qualitätsansprüche an die Fanfiction anderer Autorinnen und Autoren gestellt, welche ebenfalls in künftige Forschung inkludiert werden könnten. Wonach suchen Fanfictionleserinnen und -leser? Was ist ihnen an einem Fantext wichtig,
wann ist dieser für sie gut? Welche Themen werden in einem bestimmten Fandom präferiert? Was machen jene Leserinnen und Leser, deren präferierte Thematik nicht oder
nicht ausreichend vorhanden ist (bei The Mentalist etwa jene Leserinnen und Leser,
die Jane und Lisbon nicht als ein Paar sehen wollen)? Werden Sie schließlich selbst zu
Autorinnen und Autoren? Suchen diese Leserinnen und Leser schließlich auf anderen
Plattformen nach den gewünschten Inhalten?
Was zu Beginn dieses Projektes nicht absehbar war, war die große Bedeutung der
Kommentar- und Review-Funktion auf Fanfiction-Portalen für die Autorinnen und
Autoren. Diese zu untersuchen würde Aufschluss über die Interaktion zwischen den
Produzentinnen und Produzenten und ihren Leserinnen und Lesern geben – ebenfalls
ein äußerst interessanter Bereich der Faninteraktion. Findet diese statt? Werden die
abgegebenen Kommentare von den Autorinnen und Autoren abermals kommentiert?
Wird konstruktive Kritik berücksichtigt? Sind Kommentare wirklich eine Art Währung
auf den Plattformen, wie Krytax dies zu Anfang gesehen hat? Bekommt eine Fanfiction
keine Reviews mehr, wird diese abgebrochen?
Wie aus diesem Auszug an möglichen Spezialisierungen hervorgeht, bietet der Bereich
der Fanfictions noch großes Potential für weitere Forschung, sowohl quantitativer als
auch qualitativer Natur – und wird wohl in den nächsten Jahren nichts an seiner Aktualität einbüßen.
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http://www.fanpop.com/clubs/the-mentalist/images/34358043/title/red-johnsuspect-galleries-photo (01. 07. 2013).
Kurzbiographie der Autorin
Julia Goldmann, BA wurde 1990 in Bad Ischl geboren.
Nach der Matura begann sie im Oktober 2009 mit dem Studium der Kommunikationswissenschaft an der Paris Lodron
Universität Salzburg. Nach dem Abschluss des Bachelorstudiums im Sommersemester 2012 schrieb sich Julia Goldmann in den Masterstudiengang der KoWi ein. Im Studienjahr 2013/2014 arbeitete sie an der Universität Salzburg als
Studienassistentin der Abteilung Kommunikationstheorien
und Öffentlichkeiten, sowie als Tutorin.
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