Grundstein für die Regulierung des Waffenhandels gelegt
Transcription
Grundstein für die Regulierung des Waffenhandels gelegt
rolle Beiträge · Aufsätze · Berichte Exportkont Grundstein für die Regulierung des Waffenhandels gelegt Arms Trade Treaty (ATT) von den Vereinten Nationen verabschiedet Von Klaus-Dieter Ordemann, Berlin. Der Autor ist Regierungsdirektor im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi). Der Beitrag gibt seine persönliche Meinung wieder. Nach siebenjähriger Diskussion hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen (VN) am 02. April 2013 mit großer Mehrheit den Entwurf eines internationalen Waffenhandelsvertrags (Arms Trade TreatyATT) angenommen. Mit dem Vertrag wurden erstmals rechtlich verbindliche, weltweit einheitliche Mindeststandards für den Handel mit konventionellen Rüstungsgütern beschlossen. Ziel des Vertrags ist die Verhinderung von Waffentransfers, die u.a. zur Verletzung von Menschenrechten und des humanitären Völkerrechts führen. Gleichzeitig wurden in dem Vertrag klare Definitionen festgelegt, um für die Industrie vergleichbare Wettbewerbsregeln („level playing field“) zu erreichen. Insbesondere die Schwellenländer sollen mit dem Vertrag ein höheres Maß an Verantwortung übernehmen. Der Vertragstext stellt einen Kompromiss zwischen den Verhandlungspartnern dar. Der tiefe Graben zwischen denjenigen Ländern, die einen ATT konzeptionell grundsätzlich ablehnen, und denen, die einen starken und humanitär ausgerichteten Vertrag befürworten, war während der Verhandlungen unübersehbar. Im Rahmen dieser Erwartungen ist das Ergebnis deutlich positiv ausgefallen. Der Vertrag stellt gegenüber der gegenwärtigen Situation des völligen Fehlens global gültiger Normen einen erheblichen Fortschritt dar. fen. Munition sowie Teile und Kompo- Die Implementierung und Durchsetzung INHALT nenten sind nur teilweise in den Rege- der Verbots- und Exportbewertungskrilungsumfang des Vertrags einbezogen. terien wird für die meisten Vertragsstaa• Kernstück des Vertrags Für diese Kategorien finden die Im- ten – v.a. diejenigen mit keiner oder ei• Regelungsumfang bei Ein- und Durchfuhr port-, Durchfuhr- und Vermittlungsvor- ner nur schwach ausgebildeten Export• Führen von Aufzeichnungen und Berichtschriften sowie die Aufzeichnungs- und kontrolle – die größte Herausforderung erstattung Berichtspflichten keine Anwendung. darstellen. Sie müssen ein System ein• Ratifizierung und Umsetzung Eine vollständige Aufnahme von Muni- führen, mit dem sie sich dem hohen Extion in die Regelungen des ATT wurde portkontrollniveau der EU-Staaten und dem der USA annähern. Kernstück des Vertrags insbesondere von den USA abgelehnt, Als internationales Regelwerk bleibt der da nicht zuletzt wegen der enormen Neben den Bewertungskriterien für die ATT, in dessen Mittelpunkt die Bewer- Mengen von Munitions-Transfers eine Ausfuhr nimmt auch das Thema Umtungskriterien für den Export stehen, Aufzeichnungs- und Archivierungs- leitung von Rüstungsgütern im Vertragstext einen breiten Raum ein. Der deutlich hinter den strengen deutschen pflicht nicht möglich sei. ATT enthält ein Bündel von GesamtBestimmungen zur Exportkontrolle zuDie Exportbewertungskriterien, die vor maßnahmen gegen Umleitungsgefahrück. Der Vertrag regelt grundsätzlich nur den Handel mit solchen Waffen, die einer Ausfuhrgenehmigung anzuwen- ren für die vom Vertrag erfassten Wafim deutschen Recht als Kriegswaffen im den sind, bilden das Kernstück des fen. Sämtliche an einer Transferkette Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes ATT. Neben ausdrücklichen Verboten beteiligten Vertragsparteien werden eingestuft sind. Ein gesetzlicher Ände- bei schweren Völkerrechtsverletzungen verpflichtet, Maßnahmen zur Vermeidung der Umleitung zu ergreifen, worungsbedarf oder größere Belastungen (UN- oder EU-Embargofälle) ist eine bei die Verpflichtungen des ausführenfür die Unternehmen sind bei der Um- sog. „Goldene Regel“ vereinbart, nach den Staates besonders umfassend sind. setzung des Vertragswerks daher nicht der bei einem eindeutig bestehenden Risiko (in Englisch: „overriding risk“) Eine der Aufforderungen besteht darin, zu erwarten. die Gefahr der Umleitung innerhalb des Inhaltlich bezieht sich der Vertrag auf schwerer Menschenrechtsverletzungen nationalen Kontrollsystems zu bewerden internationalen Handel mit Groß- oder des Kriegsvölkerrechts keine Ge- ten und Maßnahmen zu dessen Mindewaffensystemen (u.a. Panzer, gepan- nehmigungen erteilt werden dürfen. rung zu prüfen. zerte Fahrzeuge, großkalibrige Artille- Dieses Kriterium ist bereits integraler riesysteme, Kriegsschiffe und Kampf- Bestandteil der deutschen Politischen Regelungsumfang bei Ein- und flugzeuge), die in dem Vertrag Grundsätze und des Gemeinsamen Durchfuhr abschließend aufgelistet sind und im Standpunkts der EU. Der Begriff wesentlichen den sieben Kategorien „overriding risk“ lässt allerdings in der Einigkeit bestand darüber, zu umfangdes VN-Waffenregisters entsprechen, englischen Sprachfassung einen gewis- reiche und aufwändige Regelungen einschließlich kleine und leichte Waf- sen Interpretationsspielraum offen. beim Import und Transit zu vermeiden. Juli 2013 AW-Prax_07-13.indd 205 www. .de 205 05.07.2013 09:38:48 Beiträge · Aufsätze · Berichte Die effektivste Kontrolle könne nur durch den exportierten Staat gewährleis tet werden. Die Regelungen zum Import und zur Durchfuhr enthalten daher keine detaillierten Verpflichtungen, sondern billigen dem jeweiligen Vertragsstaat ein weites Ermessen bei der Ausgestaltung seiner Import- und Durchfuhrkontrollen zu. Allerdings muss rechtlich und organisatorisch durch entsprechende Regulierungsmaßnahmen die grundsätzliche Möglichkeit zur Kontrolle gewährleistet sein. Beim Import wird der einführende Vertragsstaat verpflichtet, dem ausführenden Staat - auf dessen Ersuchen - geeignete und entscheidungserhebliche Informationen bereitzustellen, um ihn bei dessen Bewertung von Ausfuhren zu unterstützen. Umfang und Inhalt dieser Informationen sind durch die nationalen Gesetze des einführenden Vertragsstaates begrenzt. Bei der Durchfuhr verpflichtet sich der Vertragsstaat, diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, die es ihm erlauben, Durchfuhren durch sein Hoheitsgebiet zu regeln, wenn dies durchführbar und erforderlich ist. Deutschland verfügt auf der Grundlage der einschlägigen Regeln des Kriegswaffenkontrollgesetzes, des Außenwirtschaftsgesetzes und des Waffengesetzes (Einzeleingriff) bereits über Kontrollmöglichkeiten, die den Anforderungen des ATT entsprechen. Führen von Aufzeichnungen und Berichterstattung Um das Ziel der Transparenz zu erreichen und gleichzeitig Vertrauen zwischen den Vertragsstaaten zu schaffen, wurden bestimmte Aufzeichnungs- und Berichtspflichten in den Vertrag aufgenommen. Bei den Aufzeichnungspflichten zeigt sich, dass primär der exportierende Staat in der Pflicht ist: Er muss – im Einklang mit seinen innerstaatlichen Gesetzen – Aufzeichnungen über die durch ihn erteilten Genehmigungen für die Ausfuhr oder die tatsächlich erfolgten Ausfuhren führen. Ferner ist jeder Vertragsstaat verpflichtet, dem VN-Sekretariat innerhalb des ersten Jahres einen Auftaktbericht über die nationalen Maßnahmen zur Durchführung des Vertrags vorzulegen, wozu 206 AW-Prax_07-13.indd 206 innerstaatliche Gesetze, nationale Kontrolllisten und sonstige Vorschriften und Verwaltungsmaßnahmen gehören. Darüber hinaus ist jährlich zum 31. Mai ein Bericht über die tatsächlich erfolgten oder genehmigten Aus- und Einfuhren abzugeben. Diese Verpflichtung bezieht sich jedoch nicht auf Munition sowie Teile und Komponenten. Der Bericht kann die gleiche Information enthalten wie entsprechende Berichte im Rahmen des VN-Waffenregisters. Sensible Geschäftsinformationen oder solche, die die nationale Sicherheit betreffen, können ausgeklammert werden. Ratifizierung und Umsetzung Der Vertrag liegt seit dem 03. Juni 2013 bei den Vereinten Nationen in New York zur Unterzeichnung auf. Deutschland hat den Vertrag bereits unterzeichnet und will ihn noch in dieser Legislaturperiode ratifizieren. Für das Inkrafttreten des Vertrags bedarf es der Ratifikation durch 50 Staaten. Bevor der Vertrag in Kraft treten kann, ist daher von einem Zeitrahmen von mindestens zwei Jahren auszugehen. Der Handel mit Rüstungsgütern auf multilateraler Ebene außerhalb der EU ist bislang nur im Rahmen des Wassenaar Arrangements geregelt. Wichtige Schwellenländer sind hieran nicht beteiligt wie z.B. Indien, Indonesien, China und Malaysia. Beim ATT geht es darum, auch diese Länder stärker zu verpflichten, internationale Kontrollstandards bei der Exportkontrolle einzuführen. nal Rifle Association eher zweifelhaft. Falls große Rüstungsexporteure den Vertrag nicht ratifizieren, würde dies die angestrebte Universalität stark einschränken. Abgesehen von der Ratifizierung durch möglichst viele Vertragsstaaten spielt die effiziente Umsetzung und Anwendung des Vertragswerks eine entscheidende Rolle. Im weiteren Prozess wird es darauf ankommen, dass die Vertragspartner ein möglichst gleiches Verständnis von der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Bestimmungen haben, um eine einheitliche Implementierung des ATT sicherzustellen. Wichtig wird sein, Staaten mit keinem oder einem nur gering ausgeprägten Ausfuhrkontrollsystem beim Aufbau eines solchen zu unterstützen und entsprechende Hilfsleistungen anzubieten. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob der ATT seinem Ziel gerecht werden kann, als geeignete Plattform zur Verhinderung unverantwortlicher und illegaler Waffentransfers zu fungieren und zu mehr Transparenz und Berechenbarkeit im internationalen Waffenhandel beizutragen. Durch die erstmalige Vereinbarung weltweit bindender Mindeststandards für den grenzüberschreitenden Handel mit Rüstungsgütern wurde hierfür in jedem Fall ein wichtiger Grundstein gelegt. Mehrere große exportierende und importierende Staaten haben jedoch nach wie vor Vorbehalte gegen den ATT. Indien, Russland und China – sie hatten sich bei der Abstimmung am 02. April 2013 in der VN-Generalversammlung der Stimme enthalten – haben deutlich gemacht, dass sie vor einer Ratifikation den Vertragstext und deren Auswirkungen noch eingehend prüfen wollen. Auch eine Ratifikation durch den weltweit größten Rüstungsexporteur, die USA, erscheint fraglich. Multilaterale Verträge bedürfen in den USA einer Zustimmung mit Zweidrittel-Mehrheit durch den US-Senat; eine Annahme des ATT ist angesichts des nach wie vor erheblichen Widerstandes zahlreicher Senatoren und der einflussreichen Natio- www. .de Juli 2013 05.07.2013 09:38:48