Leseprobe - einsnull
Transcription
Leseprobe - einsnull
Marko Kregel Dem Film ein Gesicht geben Sechs deutsche Kameraleute im Gespräch Inhalt Vorwort von Marko Kregel 6 The Chau Ngo „Ich habe diesem Land viel zu verdanken“ Filmographie 7 27 Bernhard Jasper „Man gestaltet das Bild möglichst nah an seine Wirkung.“ Filmographie 28 78 Jan Fehse „Dem Film ein Gesicht geben.“ Filmographie 79 119 Hagen Bogdanski „Auch die Ökonomie bestimmt das Künstlerische.“ Filmographie 120 159 Peter Badel „Letzten Endes geht es immer um gegenseitiges Vertrauen.“ Filmographie 160 200 Wolfgang Treu „Das Licht muss für mich glaubhaft sein.“ Filmographie 203 244 Farbabbildungen 248 5 Vorwort Willkommen zu meinem zweiten Buch über Bildgestaltung. Wer mich kennt, weiß, dass ich diesem Thema einfach verhaftet bin und nicht so ohne weiteres davon loskomme. Ich hege eine tiefe Bewunderung und Faszination für den Beruf des Kameramanns und diejenigen, die ihn ausüben. Mein Wunsch ist es, mit diesem Buch erneut das Berufsbild des Director of Photography ins rechte Licht (der Öffentlichkeit) zu rücken, da der Bildgestalter viel zu oft im Schatten seiner eigenen Kamera untergehen zu droht. Wenn die meisten Dialoge schon längst wieder vergessen sind, geistern einem noch Jahre später bestimmte Bilder durch den Kopf. Deswegen kann es gar nicht genug Bücher über Kameraleute und ihre kreative Arbeit geben. Ich bedanke mich bei meinen sechs sympathischen Interviewpartnern, die sich voller Geduld meinen Fragen stellten. Jeder einzelne wäre es wert, dass ein eigenes Buch über ihn geschrieben wird. Leider habe ich nur einen beschränkten Platz zur Verfügung, auch wenn unsere Gespräche um ein vielfaches länger waren. Ich danke The Chau Ngo für das kürzeste Interview (eine Wohltat nach den ganzen Marathonsitzungen, aber Deine Filmographie wird stetig wachsen), Bernhard Jasper für das längste (und die Köstlichkeiten, die Du mir kredenzt hast), Hagen Bogdanski für das witzigste (Du warst so schön entspannt und voller Vorfreude auf Hollywood), Jan Fehse für das Ernsthafteste (und dafür dass Du, trotz Deiner Abneigung gegen solche Interviews, Dich mir gestellt hast), Peter Badel für den neuen Einblick in seine Person (und dafür, das Du meine Lücken im Bezug auf die DEFA und die DDR-Filmgeschichte etwas geschlossen hast), sowie Wolfgang Treu für das spannendste Interview (und für die Ruhe, Routine und Weisheit, die du ausstrahlst). Ihr alle seid mir ans Herz gewachsen. Ich wünsche Euch und Euren Familien alles Gute für die Zukunft. Mögen sich unsere Wege noch oft kreuzen... So ein Buch entsteht nicht ohne die Hilfe diverser Menschen. Mein Dank richtet sich an Thorsten Schmidt, Carsten Fiebeler, Florian Henckel von Donnersmarck, Anja Hecht von Buena Vista Deutschland, die dffb und diejenigen, die ich links und rechts auf dem langen und beschwerlichen Weg getroffen habe und die sich als Förderer und Unterstützer dieses Buches, in welcher Form auch immer, erwiesen haben. Mein Dank gilt auch Annette Schüren, sowie dem Schüren Verlag, für die nächste Möglichkeit ein Buch unter derartigen Umständen ausarbeiten zu dürfen. Möge es nicht die letzte sein. Besonderen Dank auch an den Bundesverband Kamera und vor allem das Stiftungswerk der VG Bildkunst in Bonn, ohne dessen finanzielle Unterstützung dieses Buch nicht hätte realisiert werden können. Marko Kregel Berlin, März 2007 6 Bernhard Jasper1 „Man gestaltet das Bild möglichst nah an seine Wirkung“ Erzähle mir doch zunächst einmal etwas über deinen Hintergrund. Ich bin am 18. November 1972 in Waldshut-Tiengen geboren worden. Das liegt an der Schweizer Grenze und ist eine kleine Grenzstadt. Meine Eltern sind beide Lehrer und ich habe zwei größere Brüder. Der eine ist Profisportler, Extrembergsteiger, der andere ist auch Lehrer geworden. Für mich war immer die Entscheidung, soll ich Musik oder Filme machen? Ich habe sehr früh mit Musik angefangen, habe in vielen Bands als Schlagzeuger gespielt, habe Keyboard gelernt, aber ich habe eben auch mit 13 oder 14 Jahren angefangen, Filme zu drehen. Ich hatte schon Fußball, Musik und war da bereits so viel beschäftigt, aber irgendwie hat mich das schon immer fasziniert. Gerade die alten Schwarzweißfilme haben mich immer in den Bann gezogen. Also das Visuelle und die Atmosphäre hatten mich rückblickend mehr beeindruckt als der Stoff. Deshalb wollte ich das mal ausprobieren und selber machen. Dann habe ich also angefangen „Filmchen“ zu drehen. Erst einfach mal lernen mit dem Medium umzugehen. Nach ein, zwei Jahren, habe ich in der Schule angefangen mit Freunden Filme zu drehen, und da gab es auch die Möglichkeit zu schneiden. Dort bin ich auch zu Super 8 gekommen, über einen anderen Freund, habe also auch damit ein bisschen meine Erfahrungen gesammelt. Aber das war damals von der Technik her einfach nicht das richtige. Mit dem Ton und Schnitt war das viel zu kompliziert, deswegen bin ich bei Video geblieben und habe bis zum Abschluss meiner Schule sehr viele Kurz- und Spaßfilme gedreht. Nach der Schule war dann die Entscheidung, was will ich machen? Musik oder Film? Ich musste gar nicht lange überlegen, denn Film hatte mich mehr fasziniert als Musik, weil ich mich da auch besser ausdrücken konnte. Bei der Musik hatte ich in verschiedenen Bands gespielt, aber da war man nur ein Teil in einem Ausdrucksgebilde und beim Film hatte ich immer das Gefühl, ich könnte mich auch alleine ausdrücken. Als Kameramann ist man zwar auch in einem Team, aber trotzdem hat man eine Position im Leben, bei der man nicht an ein Team gebunden ist. Man kann immer neue Projekte finden, neue Leute kennen lernen, man kann neue Regisseure finden und mit denen verschiedene Sachen machen. Bei der Musik wäre das nicht so gegangen. Ich hätte mich entweder auf eine Band verlassen müssen oder Studiomusiker werden müssen, was ich mir nie vorstellen konnte. Und dann war die Entscheidung ganz schnell gefallen, Filme zu machen. Nach Ende des Zivil1 28 Das Interwiew fand im Juli 2006 statt. „Man gestaltet das Bild möglichst nah an seine Wirkung“ dienstes hatte ich angefangen Praktika zu machen, weil ich gelesen hatte, dass man an den Filmhochschulen ein Jahr Praktikum braucht. Als ich mein Jahr voll hatte, habe ich mich beworben. Ich bin in Ludwigsburg eingeladen, aber später abgelehnt worden. Die Begründung war, ich solle mir erst einmal überlegen, ob ich Regie oder Kamera machen will, weil ich da noch ein bisschen hin und her geschaukelt bin und ich mich auch vor der Prüfungskommission nicht ganz klar ausgedrückt hatte, was ich denn werden will. Die haben mir also praktisch gesagt, ich soll noch ein Jahr Praktika machen und mal herausfinden, was ich nun machen will. Im nachhinein muss ich sagen, das Jahr war ideal, weil ich sehr viel als Beleuchter bzw. Beleuchterassistenz gearbeitet und so meine ersten Jobs gekriegt habe. Ich habe dann auch bei vielen Hochschulprojekten mitgemacht und habe dadurch auch wirklich erkannt, dass mich das Visuelle sehr stark interessiert. Das Geschichten erzählen durch Bilder. Ich habe mich also ein Jahr später wieder beworben, in Berlin und in Ludwigsburg. In Berlin war ich über das finale Gespräch nicht hinausgekommen und in Ludwigsburg haben sie mich aufgenommen. Im Rahmen deines Studiums von 1996 bis 2001 hast du dann trotzdem mal Regie geführt. Man muss in Ludwigsburg im ersten Jahr alle Kurse belegen: Drehbuch, Regie, Filmgestaltung und Kamera. In Filmgestaltung und Regie hatte ich zwei Filme gemacht, was mir auch sehr viel Spaß gemacht hat. Im zweiten Jahr hatte ich dann Filmgestaltung und Kamera studiert. Filmgestaltung heißt Animation bzw. ein eher künstlerisch freies Feld. Man hatte da durch den Professor Kuhn sehr viele Möglichkeiten, frei Filme zu drehen. Freier als in der Regie. Ich hatte dann im zweiten Jahr Frei Parken (1998, ca. 7 min.) gedreht. Ein kleiner Actionfilm, in dem eine Frau einen Parkplatz sucht und sich daraufhin eine wilde Verfolgungsjagd mit einem Porschefahrer liefert und am Schluss gibt es dann große Explosionen, die waren dann Teil der Filmgestaltung. Deswegen konnte ich dieses Projekt da realisieren. Der Film hatte weltweit sehr viel Erfolg, hatte viel Geld eingespielt und die Schule wollte mich auch in die Regieklasse stecken, aber für mich ist Regie etwas, das mit Lebenserfahrung zu tun hat und was ich mir damals nicht vorstellen konnte, zumal mir auch der richtige handwerkliche Bezug gefehlt hatte. Bei der Kamera ist es so, dass man auf der einen Seite ein Handwerk hat, eine technische Aufgabe und auf der anderen Seite eine künstlerische Aufgabe. Für mich ist diese Verschmelzung sehr interessant und genau das richtige. Einen analytischen Weg durch die Technik zu gehen, man überlegt sich wie und wo welche Lampen hingestellt werden, um welches Resultat zu kriegen. Man überlegt sich, wie man einen Film in verschiedenen Einstellungen erzählt, um die richtige Emotion zu kriegen. Man kann also viel analytischer an den Film herangehen, als ein Regisseur, der über Charaktere, über Geschichten und über Emotionen gehen muss, die, wie ich finde, sehr viel mit Lebenserfahrung zu tun haben. Das konnte ich mir damals nicht vorstellen. Gut, du konntest es dir damals nicht vorstellen. Wie sieht es heute aus? 29 Bernhard Jasper Rückblickend bin ich extrem zufrieden mit meiner Entscheidung, mich füllt mein Beruf voll aus und macht super Spaß. Ich kann es mir immer noch nicht vorstellen, Regie zu machen. Es ist zwar immer eine große Lust da, auch das mal zu probieren und in dieses Feld zu gehen, aber ich sehe auch immer wieder, wie extrem beschnitten, limitiert und eingeengt Regisseure werden, besonders in Deutschland. Je mehr ich drehe, um so mehr Distanz nehme ich dazu, zu sagen, ich würde jetzt doch gerne mal einen Spielfilm drehen. Es ist sicher anders, wenn man einen freien Low BudgetFilm so drehen kann, aber ich sehe sehr viele Regisseure immer wieder Kompromisse machen müssen, bis es ihnen auch extrem weh tut. Die leiden dann arg beim Filme machen, was sich sehr tragisch finde. Bei der Kamera muss man auch oft Kompromisse machen, aber ich leide nicht. Wenn man von vorne herein weiß, wo seine Grenzen liegen, kann man in diesem Rahmen sehr viel bewegen und nahe an das Ergebnis kommen, was man sich persönlich vorgestellt hatte. Bei der Regie habe ich sehr oft das Gefühl, das was im Kopf da ist, wäre noch so viel größer und so viel stärker, teurer, dass es einfach nicht realisierbar ist, was einfach auch frustrierend ist. Der Kampf mit Geldgebern, Redakteuren, dem ganzen System, belastet die Regie ganz schön stark und da frage ich mich, warum soll ich mir das unbedingt antun? Wenn mir mein Beruf doch so Spaß macht. Und nur um mich Regisseur nennen zu können, lohnt sich das nicht. Ich bin glücklich mit meinem Status und in meinem Beruf. Deshalb muss ich nicht Regisseur werden. Also unter bestimmten Voraussetzungen, jenseits von Quotendruck oder ähnlichem, könntest du es dir doch vorstellen? Wenn ich ein Drehbuch lese, entwickle ich ja auch eine Vision, die beschränkt sich ja nicht nur auf Bilder, sondern meine Herangehensweise beim Lesen ist eine dramaturgische. Ich überlege mir, was ist gut für die Geschichte, was stimmt an ihr oder dem Drehbuch nicht? Wenn ich sagen würde, man kann bei dem Drehbuch viele schöne, tolle Bilder machen, also drehe ich das, verrate ich meine Idee des Filmemachens. Ich lese erst das Drehbuch und mache mir die Geschichte stimmig und wenn ich den Regisseure treffe, rede ich immer erst über das Buch. Ich will nicht irgendeine Bildversion verkaufen, wenn man noch nicht einmal über die Story geredet hat. Die Herangehensweise ist am Anfang auch wie bei einem Regisseur, ich denke das unterscheidet sich zunächst nicht so sehr voneinander. Nur dann in der Ausführung mache ich einen Teil vom Filmprojekt, anders als der Regisseur, der den Gesamtbogen spannt. Dadurch wäre der Schritt in meinem Kopf nicht sehr viel größer, zu sagen, ich mache jetzt mal Regie. Ich überlege mir ja auch beim Drehen Sachen zum Schnitt und sage dann dem Regisseur, wenn der es vielleicht nicht sieht, wäre es nicht gut noch das und das zu machen? Entweder er sagt ja, du hast recht, oder, wir brauchen es nicht, weil wir es so und so machen können. Dann hat er eben eine andere Idee für die Szene. Aber trotzdem überlege ich mir immer, wie es später aussehen wird. Und dadurch beschäftigt man sich mit dem gleichen Umfeld. Ich glaube, ich hätte immer noch ein wenig Bedenken, wie kann man den Schauspielern die Emotionen, die sie 30 „Man gestaltet das Bild möglichst nah an seine Wirkung“ erzählen müssen, nahe bringen, wenn man doch selber noch nicht ganz so viel erlebt hat. Ich hoffe, je älter ich werde, um so mehr kann ich auch über das Leben reden. Jetzt im Moment sehe ich das noch nicht so. Und es gibt auch noch so viel zu tun und ich kann noch so viel lernen. Lass uns doch mal in deine Filmographie einsteigen und zu Schwarz & McMurphy, auch bekannt als Die Großstadtsheriffs, wechseln, deinem richtigen Spielfilmdebüt. Dieser Film von Regisseur Stephen Manuel ist, wie ich es beschreiben würde, eine Action-Trash-Komödie für RTL. Er wurde 2001 gedreht, lief aber erst viel später im Fernsehen. Wie kam es denn dazu? Das war mein erster Langfilm und ich hatte noch nicht einmal richtig mein Diplom in der Tasche. Vom Regisseur war es der Debütfilm und auch vom Producer war es glaube ich die erste richtig selbständige Arbeit für die Produktionsfirma. Wir hatten auch einen Redakteur, der von der Hochschule kam und das war alles eine glückliche Konstellation, weil alle Leute, die Vision vom Film, wie wir sie entwickelt haben, geteilt haben. Wir wollten einen sehr actionreichen Film machen, aber wir wollten anders herangehen, als diese ganzen Filme, in denen die Crime-Handlung halbherzig gefilmt und dann alles in die Action gesetzt wird und oftmals auch, wie ich finde, emotionslos im Film herüberkommt. Wir hatten uns überlegt, wie können wir das Buch, das auch seine Schwächen hatte, trotzdem rund und temporeich erzählen. Da wir alle Musikclip- und Werbeerfahrung hatten, hatten wir uns gesagt, wir müssen in den wenigen Tagen, die uns zur Verfügung stehen, möglichst so drehen, wie man Musikclips dreht, also dass man es schafft, acht bis neun Minuten Dialog am Tag zu drehen. Und das nicht nur in zwei Größen, sondern dass man nachher beim Schnitt auch wirklich viele Optionen hat. Ich habe bei der Produktionsfirma einen zweiten Operator durchgesetzt bekommen und wir haben permanent alles mit zwei Kameras gedreht. Ich habe beim drehen immer überlegt, wo ein Schnitt gut wäre und einen Crashzoom gesetzt, um in einem Durchlauf verschiedene Größen hinzukriegen. Während des Drehens hatte ich gemerkt, dass es einfach ein gutes Stilmittel wäre, dieses auch in den Schnitt reinzuversetzen. Und der Cutter Nils Langmark, der auch aus dem Musikclipbereich kam, hat das genauso gesehen. Es hat auch noch das Tempo forciert. Wir haben uns eine Stilistik ausgesucht, die auch die Dialoge darstellt wie Actionsequenzen. Wir haben auch probiert, eine Überhöhung der Charaktere zu erzählen, weil wir fanden, dass die Geschichte, so wie sie im Buch stand, nicht ernst zu nehmen war. Man musste da eine Überhöhung reinbringen, um einen Comedyfaktor zu kreieren. Aber wir wollten die Action natürlich nicht vernachlässigen und hatten uns überlegt, um schnell zu sein und eine Dynamik zu bekommen, fast alles mit Handkamera zu drehen, oft auch Weitwinkeleinstellungen, um zu karikieren. Im Endeffekt ist es von der Stilistik ein Film geworden, den man bis dato im deutschen Fernsehen sicher nicht gesehen hatte. Was vielleicht schon ein paar Mal in Ansätzen probiert wurde, aber was so noch nicht gemacht wurde. Unser Redakteur fand das alles ganz wunderbar, Teile der Spielfilmabteilung fanden das ganz super, doch dann, 31 Bernhard Jasper als der Film schon lange fertig war und jemand anders den Film bei RTL gesehen hatte, ist ein Pro und Contra entstanden. Die eine Hälfte wollte den Film zeigen, die andere nicht und man hat sich dann Ewigkeiten darüber gestritten. Wahrscheinlich erst nach irgendwelchen Personalwechseln, wurde der Film dann etwa zwei Jahre später ausgestrahlt. Das lustige an der ganzen Geschichte ist, dass der Regisseur, als der Film Anfang 2006 im österreichischen Fernsehen lief, einen Anruf bekam, das sei ein wunderbarer und toller Film, er sei so modern. Und als er sagte, den hätten wir bereits 2001 gedreht, wollten sie das gar nicht glauben, weil erst in den letzten fünf Jahren dieser Werbe-Handkamera-Zoom-Style salonfähig geworden ist. Es ist inzwischen ein Stilmittel geworden, mit dem jeder umgehen kann. Vor fünf Jahren hat man das aus Zeit- und Budgetmängeln bei Musikvideos gemacht und das hat erst langsam den Weg über die Werbung und das Kino, ins Fernsehen gefunden. Stilistisch bietet der Film das volle Programm: die bereits genannten Zooms, Jumpcuts, ständig Steadicam, verwackelte Handkamera, extreme Winkel, ganz speziell low-angles. Die ganze Musikvideoästhetik wurde komplett auf die Spitze getrieben, gemäß des comichaften, übertriebenen Stils des Buches. Seid ihr nie auf die Idee gekommen, dass ihr es vielleicht übertrieben habt? Na ja, das war unser erster Film, und niemand hatte etwas dagegen gesagt, alle fanden es gut als wir es gedreht haben. Und deswegen dachten wir auch, dass alles so wunderbar funktioniert, also ich empfand das zumindest so. Er ist vielleicht für RTL übertrieben. Wenn man so eine Stilistik für einen Low Budget-Film machen würde, was man ja ganz oft in Hongkong-Filmen sieht, da wird es wunderbar akzeptiert und da passt es vielleicht auch hin. Für einen RTL-Film, das sehe ich heute auch so, da verstehe ich, dass sie damit Probleme hatten. Ich finde es aber lustig, dass sie während des Drehs nichts gesagt haben, da hätte ich eigentlich gedacht, dass da ein Aufschrei durch die Redaktion ging. Passierte aber nicht. Und trotzdem hat der Film seine Quote gemacht. Gehen wir einen Schritt weiter und kommen zum Pro Sieben-Film Ein Yeti zum Verlieben (2001), unter der Regie von Thorsten Schmidt. Der hat ja auch in Ludwigsburg studiert, wenn auch ein paar Jahre vor dir. Wir haben uns auch nicht wirklich an der Schule kennen gelernt. Das heißt ein bisschen schon, ich habe bei seinem Diplomfilm mal ein wenig ausgeholfen, aber eben nur ganz, ganz wenig. Der Abstand war damals leider etwas zu groß. Der Film ist für einen Fernsehfilm relativ ungewöhnlich, denn er hat so ein fantastisches Märchenelement, mit dem Pro Sieben mal eine Familien-Entertainment-Schiene am Donnerstagabend ausprobieren wollte. Auch ist er, im Vergleich zu anderen TV-Movies, kinetischer, dynamischer und weist eine ausgesprochen expressive Bildsprache auf. Ist das ein Resultat aus dem Stoff? 32 Bernhard Jasper – Bilder 1-6 oben Ratten 2: Überhöhung mit Effektkamera und Spiel mit Genre-Konventionen. Bilder 7 und 8 unten Ein Yeti zum Verlieben: Ergänzter Lichtaufbau innen und außen. 250