(Un-)Gleichheit und Wohlfahrtsstaat im globalen Süden
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(Un-)Gleichheit und Wohlfahrtsstaat im globalen Süden
Karin Fischer / Bernhard Leubolt JKU Linz / WU-Wien (Un-)Gleichheit und Wohlfahrtsstaat im globalen Süden – Fallstudien aus Brasilien und Chile Paper präsentiert bei momentum11 Draft. Bitte nicht ohne Kontaktaufnahme mit den AutorInnen zitieren! [email protected] [email protected] Einleitung In unserem Beitrag wollen wir die weitgehend auf den Norden konzentrierte Diskussion um Sozialstaat und (Un-)Gleichheit erweitern und Erfahrungen aus dem globalen Süden einbringen. Wir haben dafür zwei Länder gewählt, die in mehrfacher Hinsicht paradigmatisch sind für Problemlagen und aktuelle sozialreformerische Initiativen: Brasilien und Chile. Beide Länder wurden als Peripherie unter abhängig kapitalistischen Bedingungen in die internationale Arbeitsteilung einbezogen. Beide weisen ein hohes Maß an Ungleichheit auf, haben aber auch spezifische wohlfahrtsstaatliche Entwicklungspfade zurückgelegt. Ab den 1980er Jahren (im Falle von Chile schon zeitlich früher) wurden die Bevölkerungen zum Ziel neoliberaler Strukturanpassung. Nach dem formellen Übergang zur Demokratie Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre traten Parteien oder Parteienbündnisse an, die mit unterschiedlichen Schwerpunkten sozialpolitische Programme und gleichheitsorientierte Politik betreiben. Wir untersuchen in unserem Beitrag die Sozialpolitik der sozialdemokratischen bzw. sozialistischen Regierungen Lagos/Bachelet (2000–2010) in Chile und die Regierungen Cardoso und Lula (1994–2010) in Brasilien und gehen der Frage nach, ob deren Reformen eine gleichheitsfördernde Wirkung entfaltet haben. Am Ende suchen wir die verfolgten Strategien vor dem theoretischen Hintergrund macht-sensibler institutionalistischer Zugänge zu Wohlfahrtsstaaten und Distributionsregimen zu verorten und die Frage zu beantworten, ob bzw. inwieweit die Regierungen mit dem neoliberalen Paradigmen gebrochen haben und eine neuen Form sozialdemokratischer Reformpolitik in Lateinamerika festgestellt werden kann. Theoretischer Zugang Im Feld der Sozialpolitik gilt Gøsta Esping-Andersen als wichtige, wenn nicht gar die wichtigste theoretische Referenz. Er entwickelte eine Typologie von Wohlfahrtsstaaten, die „sozialdemokratisch“, „liberal“ oder „konservativ“ geprägt sein können. Die Grundlage für diese Typologie von welfare state regimes bilden die historisch gewachsenen, unterschiedlichen Rentensysteme Europas (Esping-Andersen 1990, Esping-Andersen 1998). Ob diese, an Hand der europäischen Länder entwickelten Kategorien auch auf die Peripherie angewendet werden können, wird vielfach angezweifelt (vgl. Gough 2004; Wehr 2009). Gough und Wood (2004) schlagen etwa vor, von „informal security regimes“ zu sprechen, die maßgeblich durch Klientelismus geprägt sind, oder gar von „insecurity regimes“ wie sie in sogenannten „failed states“ anzutreffen sind und in denen das staatliche Gewaltmonopol kaum gewährleistet ist. Seekings (2008) wiederum setzt an den unterschiedlichen Strategien zur Erreichung sozialer Kohäsion an. Er unterscheidet agrarian welfare regimes (v.a. in Afrika), die auf eine Landreform setzen und auf diese Weise die familiäre Reproduktion zu ermöglichen trachten. Workerist welfare regimes (v.a. in S-O-Asien) wollen eine soziale Inklusion über den Arbeitsmarkt erreichen. Pauperist welfare regimes richten ihr Hauptaugenmerk auf Armutsbekämpfung und sind eher neuere Erscheinungen. Auch solche, auf die Peripherie abzielenden Typologien blieben nicht von der Kritik verschont. Bemängelt wird insbesondere das schematische Vorgehen und die mangelnde Berücksichtigung von gesellschaftlichen Machtstrukturen (Wehr 2009). Trotz des auf die Zentren bezogenen Modells bietet Esping-Andersen wichtige Anknüpfungspunkte für die vorliegende Untersuchung. Dazu zählen der historische Institutionalismus und die sogenannte „Klassenmobilisierungsthese“, die als theoretischer Hintergrund Esping-Andersens (Esping-Andersen 1990) fungieren. Letztere ist die Weiterentwicklung eines austro-marxistischen Konzepts, das die Bedeutung der sozialdemokratischen Reformen hervorhebt und von Korpi (1983) später konkretisiert wurde. Für Korpi stellt das sozialdemokratische parlamentarische Engagement, das sich stark auf Gewerkschaften stützt, eine Form des „demokratischen Klassenkampfes“ dar. Dem zu Folge üben Akteure wie Gewerkschaften außerparlamentarischen Druck auf politische EntscheidungsträgerInnen aus. Vor allem im Fall von gesellschaftlich gut verankerten und institutionalisierten Gewerkschaften können im Zusammenspiel mit starken sozialdemokratischen Parteien soziale Gesetze erlassen werden – der Klassenkampf wird somit also über Parlament und korporatistische Organisationen geführt. Esping-Andersen sieht in sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaaten einen spezifischen Klassenkompromiss am Werk: Öffentliche Dienstleistungen werden universalistisch, das heißt für alle, bereit gestellt. Es bildet sich ein Kompromiss zwischen ArbeiterInnen und Angehörigen der Mittelschicht, da die vorwiegend von der Mittelschicht eingehobenen Steuern in Dienstleistungen fließen, die allen gleichermaßen zugute kommen, jedoch besonders stark von der Mittelschicht genutzt werden. Dieses Klassenbündnis konnte vor allem in den Wohlfahrtsstaaten entstehen, die auf Universalismus setzten. Dieses Modell zeichnet sich durch einen großzügig geregelten Zugang zu den Versicherungsleistungen anstelle streng definierter Zugangsvoraussetzungen aus. Universelle Leistungen beinhalteten Bildung, Gesundheit sowie im Umlageverfahren geregelte Renten1. Diese Leistungen wurden auf diese Weise der direkten Logik der Kapitalverwertung entzogen, „rentierten“ sich jedoch meist über Umwege, da sie die Grundlage für den reibungslosen Ablauf des Wirtschaftslebens sicherten. Esping-Andersen (1990: 35ff.) bezeichnete den entstehenden gesellschaftlichen Bereich als „de-kommodifiziert“. Institutionell zeigte sich vor allem in sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaaten ein starker Hang zum Universalismus. Liberale Varianten setzten eher auf eine marktförmige Bereitstellung von Dienstleistungen, die jedoch oft durch staatliche Leistungen für die Ärmsten ergänzt wurden. Die Betroffenen mussten ihre Bedürftigkeit nachweisen. Konservative Zugänge hingegen waren weniger universalistisch, da sie nach Berufsgruppen differenzierte Leistungen anboten. Unter Bismarck erstmals eingeführt, waren es traditionell die BeamtInnen, denen besondere Privilegien zuteil wurden. Dieser Bruch mit dem Universalismus wurde institutionell über die Existenz verschiedener Kassen und Systeme bewerkstelligt, die sich – zumindest teilweise – über Beiträge finanzierten (Esping-Andersen 1998). Die Frage der Universalisierung ist auch für die sozialpolitische Forschung in der Peripherie interessant. Liberale Reformen, die eine größere Treffsicherheit als Ziel formulieren, führen nämlich zur Aufgabe des universalistischen Anspruchs. Staatliche Leistungen sollen nur noch den Ärmsten bzw. den „Bedürftigen“ zukommen (Mkandawire 2005). Normative Schlussfolgerungen können jedoch insofern kritisiert werden, als Wohlfahrtsstaaten in der Peripherie tendenziell dem Paradigma konservativer Wohlfahrtsstaatlichkeit folgten und einzelne gesellschaftliche Gruppen besonders begünstigten und andere ausschlossen. Die Systeme sozialer Sicherheit spiegelten nämlich die „strukturelle Heterogenität“ (Córdova 1973) der (semi-)peripheren Gesellschaftsformationen wider. Ungleiche Sozialstrukturen führten dazu, dass ein großer Teil der Bevölkerungen von den gesellschaftlichen Fortschritten ausgeschlossen blieb. Außerdem spiegelt Sozialpolitik die Machtverhältnisse wider. In der 1 Im Umlageverfahren werden die Beiträge der arbeitenden Bevölkerung direkt für die Bezahlung der RentnerInnen verwendet, während im Kapitaldeckungsverfahren individuell in Fonds investiert wird. Das in den Fonds angesparte und erwirtschaftete Kapital soll in weiterer Folge der Altersvorsorge dienen. Bezüglich der Verteilungswirkung weist Esping-Andersen (2006) darauf hin, dass Beitrags-basierte Systeme beider Systeme generell regressive Wirkungen aufweisen: „je mehr sie [die Rentenfinanzierung] auf den Lohn- und Gehaltszahlungen beruht, desto degressiver ist sie […] Die sozial gehobenen Schichten leben durchschnittlich etwa fünf bis sieben Jahre länger als die Durchschnittsarbeiter. Und diejenigen, die die Sonnenseite des Alterns genießen werden, sind eben jene, die das privilegierteste Leben geführt, die größten Einkommen und die meiste Lebenszeit akkumuliert haben“ (Esping-Andersen 2006: 53). Periode des „peripheren Fordismus“ wurden große Teile der Bevölkerung, eventuell mit Ausnahme Costa Ricas, von den im Zuge der importsubstituierenden Industrialisierung (ISI) implementierten sozialen Sicherungssystemen ausgeschlossen. Die ISI-Sozialpolitik bevorzugte naturgemäß die soziale und politische Basis des Entwicklungsmodells: Die in der Hauptsache männlichen, organisierten Arbeiter des städtischen formellen Sektors, die Beschäftigten des öffentlichen Sektors, die Staatsbürokratie und das Militär (MesaLago/Bertranou 1998). Am Beispiel der Militärs wird deutlich, dass sich soziale Organisation nicht zwangsweise anhand von Klassenzugehörigkeit bzw. -repräsentanz bestimmen lässt. Außerdem gilt für viele Staaten der Peripherie – insbesondere in Lateinamerika –, dass der Fokus auf Inklusion der formell Beschäftigten weitaus größere Ausschlüsse produziert als in der OECD-Welt. Da oftmals die Mehrheit der Bevölkerung im informellen Sektor arbeitet, bleiben sie von beitragsfinanzierten wohlfahrtsstaatlichen Arrangements abgetrennt. In Staaten wie Peru führte das sogar dazu, dass sozialpolitische Leistungen von Arm zu Reich umverteilt wurden. Der Grund dafür sind großzügige Pensionsregelungen, die v.a. den besser verdienenden zu Gute kommen, in Verbindung mit einem regressiven Steuersystem (Wehr 2009: 178ff.). Um diesen ungleichheitsrelevanten Problemen auf den Grund gehen zu können, kann Sozialpolitik nicht losgelöst von staatlicher Verteilungspolitik betrachtet werden.2 Daher stellt sich die Frage, wie sich aktuelle Reformen der Einführung von nicht-beitragsabhängigen Einkommenstransfers in Bezug zu anderen Reformen von Sozial-, Wirtschafts- und Steuerpolitik darstellen. Dafür wird das von Seekings und Nattrass zur Analyse von Ungleichheit in Südafrika entwickelte Distributionsregime vorgestellt. Dabei handelt es sich um eine Erweiterung von Esping-Andersens welfare (state) regime. Innerhalb des auf Pfadabhängigkeit setzenden Regime-Zugangs steuerliche Umverteilungsmaßnahmen sowie werden hier wohlfahrtsstaatliche und arbeits- und beschäftigungsbezogene Institutionen untersucht, die als ungleichheits-relevant identifiziert werden. Internationale und nationale politische Ökonomie sowie das Wechselspiel mit Wirtschaftspolitik beeinflussen die vorher genannten Faktoren maßgeblich. Mit Hilfe des Konzepts des Distributionsregimes 2 Die verschiedenen Dimensionen von sozialer Ungleichheit und Stratifizierung (Geschlecht, Ethnie, Arbeitsverhältnisse, Bildung, Beruf, Einkommen etc.) und ihre wechselseitigen Interdependenzen mit geeigneten Messinstrumenten zu erfassen, stellt ein komplexes sozialwissenschaftliches Unterfangen dar. Zu den generellen Problemen der Ungleichheitsmessung kommen spezielle Anforderungen hinzu, die aus den Spezifika peripherer Gesellschaften erwachsen . Zu Problemlagen, Anforderungen und einem Projekt zur multidimensionalen Analyse sozialer Ungleichheit am Beispiel Chile siehe: Barozet 2011. kann empirisch gezeigt werden, dass sozialpolitische Maßnahmen und insbesondere Armutsbekämpfung nicht zwangsläufig zur Reduktion sozialer Ungleichheit führen. Budgetpolitisch sind zusätzlich sowohl Steuer- als auch Ausgabenpolitik relevant, während die Wirtschaftspolitik sich auch zentral auf den Arbeitsmarkt auswirkt. Dies findet im Kontext von Pfadabhängigkeit statt, was eine historische Betrachtung nötig macht. Von der Strukturanpassung zum inklusiven Liberalismus: kombinierter Trend zu Universalisierung und Fokalisierung Die Internationale Schuldenkrise Anfang der 1980er Jahre zwang die hoch verschuldeten Länder der Peripherie, weitreichende Strukturanpassungsprogramme umzusetzen. Auf externen Druck der internationalen Finanzinstitutionen (IFI) und vermittelt über die lokalen politischen Eliten, ging ein Land nach dem anderen zu einer restriktiven Geld- und Fiskalpolitik über. Außenhandel, Binnen- und Kapitalmärkte wurden liberalisiert, die Arbeitsmärkte dereguliert. In den meisten Ländern sanken in den 1980er Jahren die Ausgaben für Sozialpolitik, während gleichzeitig die Einkommensdisparitäten und Armut anstiegen (u.a. durch den Abstieg der Mittelschichten). Liberale Reformen zielten darauf ab, staatlich erbrachte Leistungen durch markt-basierte zu ersetzen. Die Logik von sozialen Rechten wurde dabei weitgehend durch eine neue Logik ersetzt: die Wahlfreiheit der KonsumentInnen auf dem Markt (Beresford 2005). Das galt besonders für die peripheren Staaten, wo fiskalische Spielräume von Strukturanpassungsprogrammen stark eingeschränkt wurden. Das vorher schon nicht flächendeckend funktionierende staatliche Sozialsystem wurde somit oft noch weniger finanzierbar. Außerdem fielen hohe Kosten an, wenn Rentensysteme vom Umlageverfahren auf das Kapitaldeckungsverfahren umgestellt werden mussten, was besonders am Beispiel Chiles deutlich wurde (Taylor 2003). Neben steigender sozialer Ungleichheit und Armut führte die Umstellung auch zu einem beträchtlichen Kostenanstieg für den Staat, da RentenbezieherInnen aus dem alten Umlagesystem weiterhin bezahlt werden mussten, während die Zahl der Beitragenden rapide abnahm. Infolge der orthodoxen Stabilisierungspolitik nach der Rezeptur des Washington Consensus erreichte das Ausmaß der sozialen Krise bereits in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre eine Dimension, die auch von den Internationalen Finanzinstitutionen nicht ignoriert werden konnte. Zunehmende internationale Kritik und die Befürchtung, dass aus der drastischen Verschlechterung der sozialen Lage destabilisierende Konfliktpotenziale heranwachsen könnten, veranlassten die internationalen Finanzinstitutionen zu einer Modifikation ihrer Politikempfehlungen. Der „inklusive Liberalismus“ kann als Reaktion auf die Krisenerscheinungen des Washington Consensus betrachtet werden (Ruckert 2006). Im Feld der Sozialpolitik betont er die Notwendigkeit von gezielter Armutsbekämpfung und treffsicheren Cash Transfers an „Bedürftige“. Staatliche Mittel werden als begrenzt angenommen. Da sozialpolitische Maßnahmen in erster Linie den Ärmsten zu Gute kommen sollen, muss mittels Bedarfsprüfung festgestellt werden, ob Anspruch besteht oder nicht. Damit steht diese neue Form der Fokalisierung im Gegensatz zu Konzepten, die sich an einer universalistischen Versorgung mit Sozialleistungen orientierten. Das Einbeziehen von sozialer Basisversorgung kann im Kontext des verstärkten Fokus auf Armutsbekämpfung gesehen werden, während die Betonung der Wichtigkeit inner-familiärer Transfers auf die Nähe zu konservativen Konzepten der Sozialpolitik hinweist, in denen die Familie eine zentrale Position einnimmt (Esping-Andersen 1990; zur Verbindung von konservativer und liberaler Sozialpolitik siehe Dean 1991). In allen Konzeptionen der Weltbank wird die besondere Bedeutung des privaten Sektors hervorgehoben. Dieser soll die Sparneigung der Bevölkerung heben und zur Entwicklung des Finanzsektors beitragen. Besonders die Förderung privater Renten-Fonds über Beitragsverpflichtungen kann als radikaler Schritt zur Kommodifizierung der Sozialpolitik verstanden werden. Der neu hinzugekommene Fokus auf Armutsbekämpfung soll hingegen die Zustimmung größerer Teile der Bevölkerung sichern. Insbesondere die Pensionsreformen deuten in eine Richtung in die auch wirtschaftspolitische Reformen weisen: die Finanzialisierung der Ökonomie (Fine 2009b; 2009a). Darunter wird die zunehmende Dominanz des finanziellen Sektors gegenüber dem produktiven Sektor der Ökonomie verstanden (näher dazu: Epstein 2005; Imhof/Jäger 2007). Der Trend der (Re)Kommodifizierung der Sozialpolitik kann in diesem Licht auch als Unterstützung neuer Wachstumsdynamiken des „finanzgetriebenen Akkumulationsregimes“ (Sablowski 2008) gesehen werden. Die Reproduktion des Systems fußt nicht mehr so stark auf „DeKommodifizierung“ – der „Anti-Wert“ (Oliveira 1988), der durch die Einrichtung von universalistischen öffentlichen Dienstleistungen kreiert wurde, scheint nun stärker dysfunktional zu werden. Die Vorzüge der öffentlichen Dienstleistungen als ermöglichende Faktoren für die Reproduktion von Arbeitskräften (Gesundheitsversorgung, Ausbildung,…) scheinen weniger ins Gewicht zu fallen. Neoliberale Konzepte der Sozialpolitik wie sie beispielsweise Friedman (Friedman 2004: 227ff.) mit der „negativen Einkommenssteuer“ vorgeschlagen hat scheinen ebenso wie Mikro-Kredite besser in dieses Programm zu passen, da sie neuen Gruppen die Teilhabe am Markt ermöglichen, ohne „Anti-Wert“ zu schaffen. Brasilien – vom konservativ-autoritären zum liberal-sozialdemokratischen Distributionsregime Das brasilianische Distributionsregime ist historisch, u.a. als Folge der Sklaverei, durch die strukturelle Heterogenität der Gesellschaft geprägt. Bis heute gehört es zu den ungleichsten Ländern der Welt. Bis in die 1980er Jahre erhielten vor allem potenziell für den Staat wichtige oder gefährliche Gruppen, etwa Militärs, BeamtInnen und IndutriearbeiterInnen sozialpolitische Leistungen. Die Bevölkerung auf dem Land blieb davon weitgehend ausgeschlossen. Die Migration der Ausgeschlossenen in die Städte im Zuge des 20. Jahrhunderts führte in vielen Fällen nicht zu deren Inklusion in den Sozialstaat, da sie als informell Beschäftigte nicht anspruchsberechtigt waren. Es handelt sich also um ein informell-konservatives Sozialregime (Barrientos 2004): Klientelismus im ländlichen Bereich koexistierte mit selektivem Staatskorporatismus im städtischen Bereich. Erst die partizipativ erstellte Verfassung 1988 (nach der zwischen 1964 und 1984 andauernden Militärdiktatur) beinhaltete umfassende Regelungen zur Universalisierung des Sozialsystems. Das staatliche Gesundheitssystem ist seither universell und nicht beitragsabhängig, für die ländliche Bevölkerung wurden Möglichkeiten nicht-beitragsfinanzierter Pensionen in der Höhe eines Mindestlohns geschaffen. Für die Sozialausgaben wurde eine Mindesthöhe (bemessen an den übrigen Ausgaben) festgelegt (siehe Abb. X; näher dazu: Leubolt i.E.). Abbildung 1: Sozialausgaben Brasiliens als % des BIP 25 21,87 20 15 18,96 19,17 1990 1995 13,85 13,3 10 5 0 1980 1985 2005 Quelle: Castro et al. 2009: 97 Die 1990er Jahre waren jedoch gleichzeitig das Jahrzehnt der neoliberalen Reformen, die in Brasilien ab 1990 unter Präsident Collor de Mello begannen und 1994 mit der Einführung des Plano Real durch den damaligen Finanzminister Cardoso ihre volle Wirkung entfalteten (Fritz 2002). Liberale ÖkonomInnen bezeichnen dieses Programm der Inflationsbekämpfung als die wichtigste sozialpolitische Maßnahme von Cardoso, da besonders die arme Bevölkerung sich nicht vor den inflationsbedingten Verlusten absichern konnte. Die überbewertete Währung verbilligte den Import langlebiger Konsumgüter wie z.B. Fernseher, die seither auch verstärkt in den Armenvierteln zu finden sind. Die Kehrseite des Plano Real war jedoch die Schwächung des Inlandskapitals, die sich in erhöhten Arbeitslosigkeitsraten auswirkte. Außerdem hatte die Hochzinspolitik fatale Auswirkungen auf die Fiskalpolitik (Vernengo 2007): Staatsausgaben mussten zu Gunsten des Zinsendienstes umgeschichtet werden, was teilweise zu Lasten von Sozialausgaben ging. Die unmittelbare Auswirkung der Universalisierung der Sozialpolitik und ihrer nicht im gleichen Rhythmus steigenden Finanzierung war das Absinken der Qualität der öffentlichen Dienstleistungen. Dadurch griffen Ober- und Mittelschicht während der 1990er Jahre zunehmend auf private Dienstleistungsangebote zurück (Ramos 2000), die staatlich gefördert wurden. Der in der Verfassung festgeschriebene Universalismus wurde in der Praxis nicht voll wirksam, da hauptsächlich diejenigen, die sich private Versorgung nicht leisten konnten, auf staatliche Dienste zurückgriffen. Dieses Abweichen vom Universalismus wurde mit Hilfe des Paradigmas „sozialer Treffsicherheit“ legitimiert, da der Staat nur für die Bedürftigen da sein solle. Entsprechende Maßnahmen waren beispielsweise die Umstellung der Zahlung von Subventionen an Gasunternehmen hin zur Förderung Bedürftiger mit einer sehr niedrigen monatlichen Gasbeihilfe oder die Einführung von Schulbeihilfen für bedürftige Familien (Bolsa Escola, Bolsa Alimentação). In Verbindung mit dem in der Verfassung 1988 festgehaltenen und 1996 durch das Sozialhilfegesetz LOAS (Lei Orgânica da Assistência Social) reglementierten Einkommenstransfer an besonders Bedürftige (BPC – Benefício de Prestação Continuada) waren diese Umstellungen hauptverantwortlich für die starke Erhöhung der Ausgaben für Sozialhilfe ab 1995 (siehe Tab. X). Tabelle 1: Prozentuelle Aufsplittung der Sozialleistungen Brasiliens 1980 1985 1990 1995 2005 Kanalisation 5,0 5,0 4,2 1,3 1,2 Arbeitsmarktpolitik 0,3 0,3 5,1 2,2 2,9 Sozialhilfe 1,6 1,7 2,3 2,1 4,8 Wohnbau 13,4 8,8 7,2 7,3 3,8 Gesundheit 16,9 16,4 16,5 16,1 15,2 Bildung 19,6 Leistungen an BeamtInnen (Renten) 42,9 22,0 22,2 20,7 18,5 44,5 41,1 22,5 19,7 26,0 32,0 1,2 1,4 1,9 1,9 Sozialrenten andere 0,4 Quelle: Castro et al. 2009: 98 Die Auswirkungen dieser Politik auf die Sozialstruktur waren einerseits die Abnahme extremer Armut und die Verbesserung entsprechender Indikatoren wie z.B. des Analphabetismus, was sich in der positiven Entwicklung des Human Development Index zeigte. Gleichzeitig erodierten die Beschäftigungsverhältnisse. Der informelle Sektor wuchs von 53,6 Prozent im Jahr 1992 auf 55,5% 2002, und die Arbeitslosigkeit stieg im gleichen Zeitraum von 6,4% auf 9,2% (ILO 2009: 2, Tab. 1). Die funktionale Einkommensverteilung veränderte sich zu Ungunsten der LohnempfängerInnen. Der Anteil der Löhne und Gehälter am Gesamteinkommen sank von 45,4 Prozent im Jahr 1990 auf 36,1 Prozent im Jahr 2002 (Vernengo 2007: 87). Der Gini-Index stagnierte insgesamt auf hohem Niveau (zwischen 0,602 im Jahr 1996 und 0,589 im Jahr 2002; siehe www.ipeadata.gov.br). Die Wirtschaftspolitik unter der Regierung Lula ähnelte anfänglich jener von Cardoso: Hochzinspolitik zum Zweck der Inflationsbekämpfung blieb zentral, während die „Primärüberschüsse“ (vor Zahlung des Schuldendienstes) sogar erhöht wurden. Gleichzeitig wurde aber in der Arbeitsmarktpolitik ein neuer Fokus auf die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohnes gelegt. Zwischen 2003 und 2005 stieg dieser real um 11,7% und um weitere 24,7% zwischen 2006 und 2008 (Barbosa/Souza 2010). Diese Anhebung wirkte sich auch auf die in der Verfassung festgelegten Sozialpensionen aus, die direkt an die Höhe des Mindestlohns gekoppelt sind. Dieser Trend ging einher mit steigenden Reallöhnen (jährlich durchschnittlich um 1,8% bis 2007; Gonzalez et al. 2009: 130) und dem Sinken von Arbeitslosigkeit bei gleichzeitig steigendem Anteil der formell Beschäftigten. In Verbindung mit den Einkommenstransfers führte das zu einer Verminderung der Einkommensungleichheit (Baltar et al. 2010). Trotzdem markiert der Gini-Index von 0,543 für das Jahr 2008 (www.ipeadata.gov.br) weiterhin eine der ungleichsten Einkommensverteilungen weltweit. In der Sozialpolitik Brasiliens wird gegenwärtig das auf Armutsbekämpfung fokussierende Modell des ehemaligen Präsidenten F.H. Cardoso gleichzeitig fortgeführt und radikalisiert. Das bedeutendste Programm war anfänglich Fome Zero (Null Hunger; IPEA 2007: 102ff), das besonders auf die Zusammenarbeit zwischen staatlichen und privaten Akteuren setzt. Ab 2005 verschob sich der Fokus jedoch auf den Ausbau und die bessere Koordination der Einkommenstransferprogramme der Regierung Cardoso (v.a. Gas-Beihilfen, Bolsa Escola, Bolsa Alimentação) im Rahmen von Bolsa Famíla (Familienbeihilfe; IPEA 2007: 104ff). Die Regierung Lula erweiterte den Kreis der Anspruchsberechtigten (2009 erhielten über 12 Mio. Familien, d.h. ca. 50 Millionen Menschen die Beihilfe; vgl. Jaccoud et al. 2010: 15) und erhöhte den Betrag der maximalen Förderung, der mehr als verdoppelt wurde. Einkommenstransfers stiegen dadurch von durchschnittlich 1,9 Prozent des BIP pro Jahr zwischen 1995 und 2002 (unter Cardoso) auf 2,58 Prozent des BIP zwischen 2003 und 2005 an (Mercadante 2006: 122). Verglichen mit den Ausgaben für den Schuldendienst, die im gleichen Zeitraum zwischen 9,4 Prozent und 7,3 Prozent des BIP ausmachten, sind die Transferzahlungen zwar weiterhin relativ gering, dennoch war die Erhöhung in diesem Bereich für große Teile der Bevölkerung spürbar (Antunes/Gimenez 2006). Die in der Verfassung vorgesehenen sozialpolitischen Gemeindebeiräte waren 2005 in 79,7 Prozent der Gemeinden für die Planung der Verteilung und in 48,7 Prozent auch als Kontrollinstanzen verantwortlich. Mittels der Zweidrittel-Beteiligung zivilgesellschaftlicher VertreterInnen in diesen Gremien und der Etablierung eines bürokratischen Verfahrens konnte der in Brasilien übliche Klientelismus vermieden werden. Empfangsberechtigt sind in erster Linie Frauen, die aufgrund gesetzlicher Regelungen automatisch als Familienoberhaupt definiert werden. Dadurch wird einerseits die finanzielle Unabhängigkeit von Frauen gestärkt, andererseits aber die gender-spezifische Rollenverteilung in der Familie bekräftigt. Die Auszahlung der Bolsa Família wurde an Impfungen sowie regelmäßigen Arzt- und Schulbesuch der Kinder gekoppelt, was eher der traditionellen sozial-paternalistischen Logik folgt als dem liberalen Paradigma. Der Anspruch auf Bolsa Família kann nicht eingeklagt werden; das Programm etablierte mithin keine neuen sozialen Rechte (Jaccoud et al. 2009: 221). Als kritisch wird jedoch vor allem das Verhältnis der staatlichen Einkommenstransfers und Investitionen in das auf dem Papier universalisierte Sozialsystem gesehen (Hall 2008). Ausgaben für öffentliche Dienstleistungen sind zwar nicht rückläufig, stagnieren jedoch im Vergleich zu Ausgaben für Sozialhilfe (also den Einkommenstransfers; vgl. Tab. 1). In diesem Sinne kann zwar nicht von einem expliziten Rückgang universalistischer Programme der Sozialpolitik gesprochen werden, da nun viele Menschen durch die neuen Programme erreicht werden, die sonst aus dem System ausgeschlossen geblieben wären. Gleichzeitig zeigen sich kaum Tendenzen zur Rückkehr der Mittelschicht in die staatliche sozialpolitische Infrastruktur. Daher handelt es sich gewissermaßen um eine Form der „UniversalisierungFokalisierung“, in der Treffsicherheit mit der Einbindung der vormals Ausgeschlossenen kombiniert wird. Dies wird durch wirtschaftspolitische Maßnahmen dahin gehend unterstützt, dass der wirtschaftliche Aufschwung besonders den Ärmsten zugute kommt, die nun teilweise in die untere Mittelschicht sozial aufsteigen konnten. Dies führt zu einer Verbreiterung der Konsumbasis, also zur Eingliederung ins „kapitalistische Spiel“ von vormals ausgeschlossenen Menschen. Diese Form der Inklusion wird durch die sanfte Transformation der Sozialpolitik begleitet: Die steigende Bedeutung von Einkommenstransfers gegenüber der staatlichen Bereitstellung von Dienstleistungen weist auf einen Trend der Monetarisierung von Sozialpolitik hin. Der periphere „Dritte Weg“ in Chile In Chile war Sozialpolitik lange auf Bildung beschränkt. Ab den 1920er Jahren wurden schrittweise die Arbeitsbedingungen im engeren Sinne modifiziert und der Aufbau eines eng am formalen Arbeitsverhältnis orientierten Sozialsystems betrieben. Die Regierungen regulierten zum einen den Arbeitsprozess (Arbeitsverträge, Streikrecht, Vereinigungsrecht, die Einrichtung eines Arbeitsgerichtes etc.). Zum anderen erfolgte der Aufbau einer Sozialgesetzgebung, die eine obligatorische Kranken- und Pensionsversicherung für Beschäftigte im öffentlichen und privaten Sektor beinhaltete (Jäger 2001). Die Volksfrontregierungen bauten ab den späten 1930er Jahren die staatliche Wohlfahrtspolitik mit Arbeiterschutzbestimmungen, Mindestlohn- und Abfertigungsregelungen weiter aus. Das konzertierte Zusammenspiel von Staat, Unternehmerverbänden und Arbeiterorganisationen stabilisierte auf diese Weise den ökonomischen Wachstumsprozesses und sorgte für die kontrollierte Einbindung und Zustimmung der Masse zum Gesellschaftssystem. Die Leistungsansprüche waren dennoch sehr uneinheitlich geregelt. Sie konzentrierten sich auf jenen Teil der – vornehmlich männlichen, städtischen – Arbeiterschaft, der politisch gut organisiert und in strategisch wichtigen Sektoren beschäftigt war (Militär, Bergbau, ISILeitindustrien, öffentlicher Dienst). Generell waren Angestellte besser gestellt als Arbeiter. Landarbeiter waren bis 1965 gänzlich von sozialpolitischen Regelungen ausgeschlossen. Nach dem Militärputsch 1973 fand eine tief greifende Umgestaltung des wohlfahrtsstaatlichen Systems statt. Das Pinochet-Regime privatisierte und dezentralisierte das Gesundheits- und das Bildungswesen und führte ein flexibles Arbeitsgesetz ein. In allen sozialen Bereichen wurden duale Systeme installiert: Der Staat sorgte für Mindestleistungen; ein erweiterter Leistungsbezug wurde an das individuelle Einkommen gekoppelt. Damit entstand ein profitträchtiger Markt für private Anbieter, wobei der Staat eine Kontroll- und Regulierungsfunktion behielt. Diese Form der Sozialpolitik trug zu drastisch sinkenden Sozialausgaben bei (Taylor 2006). Mit der Übertragung der Rentenversicherung auf private Anbieter übernahm Chile weltweit eine Pionierrolle. Nur die Angehörigen des Militärs und der Polizei erhielten die Wahlmöglichkeit zwischen dem alten, staatlich garantierten und dem neuen System. Alle anderen Arbeitenden übertragen seither einen Teil ihres Gehalts an private Rentenfonds, die so genannten Administradoras de Fondos de Pensiones (AFP). Diese verwalten die Gelder und legen sie an. Ziel dieser Maßnahme war es, den Staat von sozialen Leistungen zu entlasten und gleichzeitig Kapital für die Akkumulation freizusetzen (Elter 1999). Die Führer des breiten Parteienbündnisses Concertación, die den Übergang zur Demokratie verhandelten, setzten nach 1990 auf ein „Wachstum mit sozialem Ausgleich“. Dabei wusste die neue regierende Klasse die Parteigänger des alten Regimes auf ihrer Seite. Denn angesichts der Erwartungen in der Bevölkerung hatte sich auch bei den alten Herrschaftseliten und Unternehmern die Einsicht breit gemacht, dass ein sozial stärker inkludierendes System besser geeignet war, das neoliberale Modell zu sichern. Die Concertación akzeptierte die bestehenden Machtbeziehungen zwischen den sozialen Klassen und Gruppierungen, wodurch radikale Veränderungen in der Einnahmen- und Ausgabenstruktur des Staates und im Steuersystem außer Reichweite blieben (Fischer 2007). Die ersten, christdemokratisch geführten Regierungen verbuchten bei der Armutsbekämpfung ihren größten Erfolg. Mit gezielten Sozialausgaben verbesserte die Concertación die miserablen Lebensbedingungen, unter denen breite Teile der Bevölkerung während des Militärregimes gelitten hatten. Galten nach offiziellen Statistiken im Jahr 1990 13 Prozent der Bevölkerung als extrem arm und 25,6 Prozent als arm, so waren es im Jahr 2006 nur mehr 3,2 bzw. 10,5 Prozent. Das bedeutet einen Rückgang von insgesamt 38,6 auf 13,7 Prozent. Allerdings stellte die Erhebung für das Jahr 2009 erstmals in der demokratischen Periode wieder einen Anstieg fest: auf 3,7 Prozent bei der extremen Armut und 11,4 Prozent bei der Armut (Mideplan 2009: 3).3 Im Unterschied zur Armutsbekämpfung war die Minderung der Einkommensungleichheit kein politisches Ziel der Concertación. Sie blieb seit 1990 auf gleichbleibendem Niveau. Obwohl in Chile weiterhin geschätzte 30 Prozent der Bevölkerung an der Armutsgrenze leben, zeigt die Tabelle, dass Ungleichheit in Chile weniger auf akuter Armut der unteren Schichten beruht, sondern hauptsächlich der Einkommenskonzentration an der Spitze zuzuschreiben ist (siehe Tabelle 2). Tabelle 2 : Entwicklung der Verteilung der Haushaltseinkommen, 1990–2009 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2003 2006 2009 Primäreinkommen Verhältnis 20/20 14,0 13,2 14,0 14,8 15,6 14,5 14,5 13,1 15,7 Verhältnis 10/40 3,5 Verhältnis 10/10 30,5 28,1 30,9 33,0 34,7 34,2 34,4 31,3 46,0 Gini-Koeffizient 0,57 0,56 0,57 0,57 0,58 0,58 0,57 0,54 0,55 3,3 3,4 3,5 3,5 3,5 3,4 3,0 3,4 Geldeinkommen (mit staatlichen Transferleistungen) 3 20/20 13,0 12,3 12,4 13,6 13,9 13,3 12,8 11,5 11,9 10/40 3,3 10/10 27,1 25,2 25,7 28,7 28,4 29,5 27,3 23,9 25,9 Gini-Koeffizient 0,56 0,56 0,55 0,56 0,57 0,58 0,56 0,53 0,53 3,2 3,1 3,4 3,3 3,3 3,2 2,8 2,9 Die Armutsgrenze berechnet das chilenische Planungsministerium Mideplan auf Grundlage eines eingeschränkten und veralteten Warenkorbs aus dem Jahr 1987. Kritiker wenden ein, dass diese niedrige Schwelle die gemessene Armut erheblich verringert. Derzeit wird die Berechnungsgrundlage erneuert. Quelle: Mideplan 2009, 13. Man beachte: Nach den Berechnungen des UN-Entwicklungsberichts 2006 war der Gini-Koeffizient im Jahr 2004 der höchste seit dem Übergang zur Demokratie. Grundsätzlich ist zu beachten, dass eine Verminderung des Gini-Koeffizienten nicht unbedingt den Abbau von Einkommensungleichheiten bedeutet. Zu den unverändert hohen Ungleichheitsraten in Chile trägt die Struktur der Sozialausgaben bei. Sie zielen auf den Gesundheits- und Bildungssektor und auf Wohnzuschüsse. Bis zum Jahr 2000 gab es kaum Cash Transfer-Programme für bedürftige Familien. Das wird auch dadurch deutlich, dass der Gini-Koeffizient für Geldeinkommen nur geringfügig unterhalb des Wertes für Primäreinkommen liegt. Die Ausgabensteigerungen im Bildungsbereich waren zunächst nicht nur sozialpolitisch, sondern auch wirtschaftlich motiviert: Unternehmerkreise hatten das schlechte Ausbildungsniveau moniert und ein stärkeres Eingreifen des Staates gefordert. Dennoch kann die Steigerung bestenfalls als moderat bezeichnet werden. Gleiches gilt für die Aufwendungen für die öffentliche Gesundheit. Seit 2005 werden beide Bereiche wieder etwas besser dotiert. Die Regierung reagierte damit auf die zähen Proteste der betroffenen Gruppen auf der Straße (siehe Tabelle 3). Mit der Zielgruppenorientierung gab die Concertación allerdings insgesamt geringere Mittel aus. Die Sozialquote lag mit 12,2 Prozent des BIP in den Jahren 2005 und 2006 auf demselben Wert wie 1992, im Jahr 2007 sogar darunter. Die Gelder für die Armutsprogramme stammen aus Kürzungen bzw. Umschichtungen anderer Töpfe. Antizyklische soziale Maßnahmen, die im Gefolge der Asienkrise und in der Finanzkrise 2008/2009 getätigt wurden, finanzierte die Regierung aus dem gesetzlich vorgeschriebenen strukturellen Budgetüberschuss, der aus den Kupferexporterlösen gespeist wird.4 Während Brasilien in Lateinamerika die höchste Steuerquote aufweist (36% des BIP im Jahr 2004), verzeichnet Chile den geringsten Anstieg. Die Steuereinnahmen stammen vorwiegend aus Verbrauchssteuern, allen voran der Mehrwertsteuer, und nur in geringem Umfang aus Steuern auf Besitz und Vermögen. Auch in Brasilien liegen die Verbrauchssteuern vorne, wenngleich dort die Sozialversicherungsbeiträge einen vergleichsweise hohen Anteil ausmachen. Die Steuerstruktur blieb aber in beiden Ländern regressiv (Ortíz/Schorr 2008). 4 Im Jahr 2000 verfügte der sozialdemokratische Finanzminister, dass der Staatshaushalt einen Überschuss von mindestens einem Prozent des BIP aufzuweisen habe. Ziel der strukturellen Haushaltsbilanzregel (Balance Estructural) ist es, die Budgetpolitik von den Schwankungen des Kupferpreises zu entkoppeln. Mit anderen Worten: In guten Zeiten sollte gespart werden, um für schlechte gerüstet zu sein. Die Erträge aus dem Rohstoffsektor fließen zum Teil in Wohlfahrtsfonds, aus denen dann sozialpolitische und antizyklische Maßnahmen, wie etwa im Zuge der Finanzkrise 2009, finanziert werden (Fischer 2011). Tabelle 3: Staatsausgaben 1987–2008 (in % des BIP), ausgewählte Jahre Militär, öffentliche Sicherheit Wirtschaft und Infrastruktur Transport Landwirtschaft Forschung und Entwicklung anderes Sozialausgaben Pensionen Bildung Gesundheit Wohnen Familien Arbeitslosigkeit Umwelt Städtische Dienstleistungen Umweltschutz Öffentliche Verschuldung Gesamt 1987 5,3 3,1 1,3 0,1 0,5 1,2 15,3 8,1 3,0 2,0 0,8 0,9 0,5 0,2 0,2 0 2,0 26,3 1990 3,9 2,0 0,8 0,1 0,1 1.0 12,3 6,7 2,3 1,9 0,7 0,7 0,0 0,2 0,2 0 1,9 20,7 1994 3,2 2,7 1,4 0,2 0,2 0,9 11,7 5,4 2,5 2,4 0,9 0,5 0,0 0,3 0,2 0,1 1,0 19,9 2000 3,6 3,0 1,5 0,3 0,2 1,0 14,2 6,1 3,7 2,8 0,8 0,7 0,1 0,4 0,3 0,1 0,4 22,3 2005 3,4 2,5 1,6 0,3 0,2 0,4 12,2 4,8 3,2 2,8 0,8 0,5 0,1 0,3 0,2 0,1 0,4 19,1 2008 3,6 3,5 1,7 0,3 0,2 1,3 13,7 4,5 4,0 3,5 1,0 0,6 0,1 0,5 0,4 0,1 0,2 21,9 Quelle: Dipres 2004; 2009. Seit dem Übergang zur Demokratie 1990 fließt der größte Teil der Aufwendungen für soziale Sicherheit – mehr als ein Viertel – in die Umstellung des privatisierten Pensionssystems. Der Staat muss bis heute für die Pensionsansprüche aus dem alten System aufkommen und den Wechsel in das AFP-System finanzieren. Darüber hinaus gleicht er das Defizit aus, das die Pensionskassen des Militärs und der Polizei verursachen. Diese Ausgaben bedeuten de facto Transferleistungen an Bevölkerungsschichten mit hohen Einkommen. Arme und andere verletzbare Gruppen erhalten niedrige Assistenzzahlungen. Die beiden sozialdemokratisch geführten Regierungen Lagos und Bachelet sorgten nach der Jahrtausendwende im sozialpolitischen Bereich für wichtige sozialpolitische Reformen, die zugleich eine Tendenz zur Fokalisierung und zur Universalisierung aufweisen. Zum einen wurde 2002 mit Chile Solidario ein mehrdimensionales Armutsbekämpfungsprogramm eingeführt. Das Programm soll die Lebensbedingungen extrem armer Familien – zur Zeit seiner Einführung 225.000 Familien bei einer Gesamtbevölkerung von 16,7 Millionen – mit treffsicheren monetären Transferleistungen verbessern. Die Leistungsempfänger müssen ihre Bedürftigkeit nachweisen und werden regelmäßig überprüft (Mideplan 2003; www.chilesolidario.gob.cl/). Die Höhe der Fürsorgeleistung nimmt halbjährlich im Verlauf der 24 Monate ab; sie beträgt am Ende ein Drittel des ohnehin niedrigen Anfangsbetrags. Untersuchungen zeigen, dass das Programm zielgenau trifft: 40 Prozent der ärmsten Familien erhalten 80 Prozent der Leistungen. Da das Finanzvolumen dieser fokalisierten Cash Transfers ausgesprochen gering ist, tragen sie auch nicht zu einer nennenswerten Verminderung der Einkommensungleichheiten bei (Soares et al. 2007: 4f, 17). Anders als in Brasilien tragen auch die – dort weniger konzentrierten – Arbeitseinkommen nicht zu einer Verminderung der Ungleichheit bei, ganz im Gegenteil. In Chile verstärkt der segmentierte Arbeitsmarkt die Ungleichheit. Einen Ausgleich stellen die sozialen Sicherungsleistungen, inklusive der nicht-konditionierten fokalisierten Transferzahlungen und der nicht-beitragsabhängigen Pensionen, dar. Letztere wurden im Jahr 2008 reformiert. Für die erste große Reform des unter Pinochet privatisierten Pensionssystems gab es mehrere Gründe. Erstens war sein Deckungsgrad relativ gering, das System wirkte bis weit in die Mittelschichten hinein nicht existenzsichernd. Im Jahr 1990 waren 50 Prozent der Erwerbsbevölkerung Mitglied einer AFP. Dieser Anteil stieg bis 2000 nur um zehn Prozent. Von den Mitgliedern zahlten über die Hälfte keine Beiträge ein. Erreichte man nicht die gesetzlich verlangten Einzahlungen, erhielt man am Ende nur das Geld, das man eingezahlt hatte plus eine staatliche Assistenzleistung. Darüber hinaus waren die Verwaltungsabgaben wegen der hohen Konzentration des Sektors sehr hoch, die Effizienz der AFP hingegen gering (Taylor 2006; Quiroga 2009). Den marktkonformen Empfehlungen der Weltbank und der OECD folgend, führte die Regierung Bachelet ein Solidaritätsrentensystem (Sistema de Pensiones Solidarias) ein, das die alte Assistenzleistung ersetzte. Dieses weist eine entscheidende Neuerung – und eine Tendenz zur Universalisierung – auf: eine nicht-beitragsabhängige Pensionszahlung, die allen StaatsbürgerInnen gebührt, die älter als 65 Jahre sind, mehr als 20 Jahre in Chile gearbeitet haben und die Mindestpension aus eigener Kraft nicht erreichen. Sie haben seither, unabhängig von ihren Einzahlungen in AFPs, Anspruch auf eine staatliche Rente. Sie macht etwa 40 Prozent des gesetzlichen Mindestlohns aus. Die Finanzierung der breiteren Absicherung erfolgte nicht durch progressive Steuern, sondern aus dem Fondo de Reserva de Pensiones. Dieser Wohlfahrtsfonds wird aus dem gesetzlich dekreditierten strukturellen Budgetüberschusses gefüllt, der der aus den Kupferexporterlösen gespeist wird.5 Auch das kapitalgedeckte, von privaten Unternehmen verwaltete Pensionssystem stand bei dieser Reform nicht zur Disposition. 5 Im Jahr 2009 bezogen rund 950.000 Personen eine staatliche Mindestpension. Eine weitere Reform mit positiven Umverteilungswirkungen ist der Plan AUGE (Acceso Universal con Garantías Explícitas/Umfassender Zugang mit ausdrücklichen Garantien). Die Gesundheitsreform von 2005 beschränkt die Eigenbeteiligungen beim öffentlichen Krankenversicherer und den privaten Isapre (Instituciones de Salud Previsional) auf zwei Monatseinkommen. Davor mussten Versicherte unabhängig vom Einkommen Teile der Behandlungskosten übernehmen. Die Regierung legt eine Liste von Erkrankungen fest, die eine unentgeltlich oder mit geringen Zuzahlungen behandelt werden. Die Liste wurde seit ihrer Einführung beständig erweitert (sie beinhaltet etwa Krebs, Diabetes, Bluthochdruck und psychische Erkrankungen). Schlussfolgerungen Chile ist ein Beispiel für eine periphere „Dritte-Weg-Variante“ (Taylor 2006; Sandbrook et al. 2007: 147ff.). Sein Sozialsystem ist durch einen „institutionellen Isomorphismus“ gekennzeichnet. Einerseits verfolgen die sozialdemokratischen Regierungen, im Einklang mit dem neoliberalen Wohlfahrtsstaat, fokalisierte Maßnahmen zur Armutsbekämpfung. Gleichzeitig verbreiterten sie den Zugang zu staatlich garantierten Versorgungsleistungen im Pensions-, Gesundheits- und ansatzweise auch im Bildungssystem. Im Vergleich zum konservativen Sozialsystem der ISI-Ära profitieren nicht nur wichtige oder gefährliche Gruppen, sondern breitere Teile der Bevölkerung. Die Regierungen reagierten mit diesen Reformen auf die vehementen und anhaltenden Proteste der betroffenen Gruppen (GesundheitsarbeiterInnen, öffentlicher Dienst, Studierende und SchülerInnen). Sie lösten sich aber weder von ihrem technokratischen Verständnis sozialpolitischer Steuerung noch von den dualen Systemen. Auch vor einer stärker progressiven Besteuerung von Einkommen und Vermögen schrecken sie zugunsten konsensualer Politiken mit den poderes fácticos zurück. Die fokalisierten Fürsorgeleistungen werden genauso wie die breitere Absicherung durch Umschichtungen der Staatsausgaben oder aus den Wohlfahrtsfonds finanziert. Sozialpolitik bleibt damit abhängig von den Überschüssen, die im Rohstoffexportsektor erzielt werden. Die arbeitsmarktpolitischen Reformen blieben auf halbem Wege stecken. Die Regierungen sind hier mit den gut organisierten Kräften der Arbeitgeber in der Zivilgesellschaft und den neoliberal orientierten Rechtsparteien im institutionellen System konfrontiert. Eine strukturelle Stärkung der Gewerkschaften gegenüber dem Kapital (etwa durch eine grundlegende Reform des noch aus der Diktatur stammenden Arbeitsgesetzes), die wohl die Voraussetzung für mehr Gleichheit wäre, blieb aus (Fischer 2011). Brasilien hingegen tendierte schon historisch zu mehr Universalismus in der Sozialpolitik, die jedoch bis in die 1980er stark konservativ und klientelistisch die Gruppen bevorzugte, die als strategisch wichtig betrachtet wurden, während große Gruppen ausgeschlossen blieben. Die Verbindung von sozial und politisch motivierten Protesten während der Zeit der Demokratisierung in den 1980ern führte 1988 zur Verabschiedung einer vergleichsweise progressiven Verfassung. Die dort vorgesehene Universalisierung wurde jedoch im Zuge neoliberaler Reformen während der 1990er konterkariert, da die Finanzierung nicht ausreichend ausgeweitet wurde und somit die Qualität vieler sozialer Dienstleistungen sank (v.a. in Gesundheits- und Grundbildungssektoren). Wirtschaftspolitische Reformen während der 1990er führten zu erhöhter Arbeitslosigkeit und Informalität des Arbeitsmarktes und damit auch zu einem Anstieg der ohnehin schon sehr hohen Einkommensungleichheit. Seit dem Amtsantritt der Regierung Lula im Jahr 2003 begannen sich die Trends teilweise zu ändern. Die Grundtendenz blieb jedoch ähnlich: Dich wichtigsten Dogmen neoliberaler Reformen (v.a. Preisstabilität durch Hochzinspolitik und die Bevorzugung der Bedienung des Schuldendienstes gegenüber anderen Staatsausgaben, z.B. im Sozialen) blieben weitgehend unangetastet. Gleichzeitig wurde der Mindestlohn entscheidend angehoben und auch die Durchschnittslöhne sowie der Grad der Formalisierung zeigten aufwärts. Diese keynesianisch anmutenden Maßnahmen – die einen „inklusiven Entwicklungsstaat“ (Novy 2008) anvisieren – wurden durch die Intensivierung der Armutsbekämpfung gestärkt. Die gezielten Maßnahmen zur Armutsreduktion bewegten sich dabei auch innerhalb der in den 1990ern geprägten Paradigmen – es wurde weiterhin auf Fokalisierung („Treffsicherheit“) gesetzt und der Trend zu Cash Transfers wurde verstärkt. Dabei wurde gleichzeitig auf klassisches staatliches Eingreifen (mit paternalistischen Zügen) gegenüber Tendenzen zu Private-Public Partnerships und philanthropischen Charity-Maßnahmen gesetzt. Somit unterscheidet sich Brasilien auch von Ländern wie Indien oder Bangladesh, die stärker auf Mikro-Kredite (Ahlin/Jiang 2008) und somit auch weniger auf staatliche Sozialpolitik setzen. Daher kann für Brasilien der widersprüchliche Trend in Richtung „Fokalisierung-Universalisierung“ beobachtet werden – der Anspruch auf staatliche Sozialleistungen wird auf breitere Gruppen ausgedehnt und bisher ausgeschlossene Gruppen (die Ärmsten) kommen nun in den Genuss sozialer Leistungen – vor allem in Form von Cash Transfers. Dieser in beiden Fällen zu beobachtende Trend zu „Fokalisierung-Universalisierung“ wird von einer Monetarisierung der Sozialpolitik begleitet. Als positiv sehen wir diesbezüglich die Tendenz zur verstärkten Inklusion der Ärmsten in Wohlfahrtsstaaten in der Peripherie. Damit wird mit dem Erbe „struktureller Heterogenität“ in der konservativ geprägten Sozialpolitik der ISI-Periode gebrochen. Gleichzeitig wird der damit eingeschlagene Weg zur Universalisierung konterkariert durch die nun dominante Fokalisierung auf die Ärmsten. Vor allem, wenn die Ausweitung eines Sozialsystems nicht von Mehr-Investitionen in die soziale Infrastruktur begleitet ist, können services for the poor zu poor services werden. In diesem Zusammenhang stellt sich eine weitere Frage im Hinblick auf die Monetarisierung der Sozialpolitik: Wie wirken sich die Cash Transfers auf die übrigen Sozialleistungen aus? Befördern sie die Annahme, dass nun alle befähigt werden, am Markt sozialpolitische Leistungen zu kaufen, wie es Milton Friedman im Sinn hatte, oder wird dadurch das Angebot an Sozialleistungen ergänzt und unter Umständen sogar neue Zustimmung für staatliche Sozialpolitik geschaffen, da nun weniger Menschen ausgeschlossen sind? Das zweite, positive, Szenario ist in Chile nicht zu beobachten, in Brasilien gibt es zarte Anzeichen dafür. Dennoch stagniert die Entwicklung der staatlichen Sozialleistungen (und somit des „Anti-Werts“) auch in Brasilien. Somit kann abschließend kritisch konstatiert werden, dass sich die neue Tendenz der Monetarisierung zwar relativ direkt auf die Hebung des Einkommens der Ärmsten (und damit positiv auf die Einkommensungleichheit) auswirkt, aber im Hinblick auf andere Dynamiken im Zusammenhang mit (De-)Kommodifizierung problematisch ist. 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