Untitled - Bildwechsel

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Untitled - Bildwechsel
Welcome to issue number four of qunst.mag.
The theme for this issue is ‚hair‘.
Qunst.mag is an e-zine created by members
of Bildwechsel and the contributing artists.
Our aim is to provide a platform for queer
feminist artists working in various media.
The contributors to this issue are:
Christina Schäfer, Chris Regn/Helga Broll,
Dana Krusche, Muriel González Athenas,
die Waschfrau, *durbahn, Finn K. Buchwald,
Evi Merwie, MoniKa, Sabine Rollnik,
Risk Hazekamp, Bax, Reny, Claude,
Nameless, Paula Zucker.
Thank you to all the contributers, those who
helped & everybody at Bildwechsel!
Enjoy!
Claude
Claude…qunst.net
Chris Regn/Helga Broll…galerie-broll.com
Bärtige und haarige Frauen
...besitzen oft vielen sicheren Takt1
Einstieg in die Geschichte und Wirkungsmacht der Kontrolle von Körperbehaarungvon Muriel González Athenas
Kopf
Warum gibt es so wenig bärtige Frauen in
unserer heutigen Gesellschaft? Warum
sind so viele damit beschäftigt diese
und andere Körperhaare zu beseitigen
oder unsichtbar zu machen? Warum
werden Frauen mit Bärten, Achselhaaren
oder Beinhaaren gefragt ob sie Frauen
oder Männer wären? Warum ist die Abwertung von sichtbar behaarten Frauen
so vehement bis militant? Diese Fragen
beschäftigt die feministische Bewegung
seit den 80ern Jahren mit unterschiedlicher Ausdauer. Dieser Text ist ein
noch in den Kinderschuhen steckender
Versuch das Thema Körperpraktiken,
Macht und Geschlechterkonstruktion aus
1
„ Wenn aber eine schon bejahrte Dame ein Bärtchen hat, so
ist dies für ein Zeichen ihrer Klugheit zu halten, und man hat sie
nur um desto höher zu schätzen. Solche Damen besitzen oft
vielen sicheren Takt.“ Ignaz Jackowitz, Das Buch der Haare und
Bärte, Leipzig 1844.
feministischer Sicht zu analysieren. Mit
dem Ziel einen mächtigen Gegendiskurs
und Widerstandswerkzeug zu entwickeln
bzw. dazu aufzurufen.
Geschichte
In der Mythologie der meisten Kulturen
haben Haare und Behaarung eine entscheidende gesellschaftliche Funktion.
Magische Wirkungen, Lebenskräfte,
sexuelle Potenz, Fertilität, Virilität
usw. spielen prägende Rollen von den
frühsten Götter- und Göttinnensagen
über Heldengestalten bis hin zu den
frühneuzeitlichen Hexen. Da einige von
den Interpretationen Geschlechter-Symboliken implizieren und diese auch über
jahrhunderte tradiert wurden, ist es kein
neues Phänomen, wenn Geschlechterdifferenzen moderner Ausprägung auf
diesen Interpretationstraditionen aufbauen. Wobei die Auslegung nicht immer
die gleiche war, da und deshalb auch
das Geschlechterverhältnis historisch
unterschiedliche war. Kurz soll durch die
Nennung einiger bekannter Beispiele
an die unterschiedlichen Wertungen
erinnert werden: Die biblische Geschich-
te des Samsons, Märchengestalten
wie Rapunzel, historisch-mythologische
Figuren wie die Königin von Saba,
andere Legendengestalten wie die
Loreley etc. In patriarchalen Religionsgemeinschaften besteht und bestand
eine negative Einstellung zum Frauenhaar. Deswegen müssen sie versteckt
werden. Soldaten hingegen mussten
schon immer als symbolische Freiheitsbeschneidung ihre Haare lassen. Andernorts werden zusätzlich Haare oder
Kopfschmuck angebracht, beispielsweise bei dem Federschmuck der Häuptlinge wodurch Macht, Ansehen und
Würde signalisiert werden soll. Haare
auf der Brust und an den Beinen gelten
oft als dem Tiere ähnlich oder Widerspiegelung der ungezähmten Natur, was
beides je nach Kultur und Epoche für
alle Geschlechter als etwas Positives
bzw. Besonderes gesehen wurde. Die
Venus (später Aphrodite) beispielsweise galt als Göttin der Fruchtbarkeit und
sinnlicher Liebe. Sie ist der Innbegriff
der weiblichen Schönheit. Auf Zypern
und im Süden Frankreichs wurde sie
lange als Bärtige verehrt. Der Bart galt
auch bei Frauen als Machtsymbol. Er
verlieh ihnen hellseherische Fähigkeiten
und Weisheit. Der obersten Priesterin,
die römische Göttin der Weisheit und
der Kunst, Minerva, wuchs ein langer
Bart solange der Ort Amphyctien in
Gefahr war.
Als Zeichen ihrer Königinnenwürde
trugen viele ägyptische Königinnen
(Königin Hatchepsut beispielsweise) einen künstlichen Bart, sowie Ehefrauen
von Pharaonen. Auch die sagenumwobene Königin von Saba gehört zu den
behaarten Frauengestalten. Die vom
Knie abwärts stark behaart gewesen
sein soll (etwa 1000 v.u.Z.). Sie galt als
reich, mächtig, klug und schön!
Auch in heiligen Vitae der christlichen
Lehre gibt es Frauen
mit Bart, wie die
Kümmernis. Ihr
Vater war Heide und
wollte sie mit einem
ebensolchen verheiraten. Sie, frommchristlich, flehte
Gott an er möge sie
verunstalten damit
sie nicht heiraten muss. Ihr wuchs daraufhin ein Bart. Der Vater ließ, erzürnt,
sie kreuzigen. Die Kümmernus wurde
später heilig gesprochen. Der Bart also
als Zeichen des christlich-weiblichen
Widerstandes, Treue und Durchsetzungsvermögen.
Die meisten Bilder von bärtigen Frauen
sind bekannt aus dem 16., erste Hälfte
des 17. und zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Francisco Goya
(um 1815) aus
den Skizzenbüchern 2: Eine
bärtige Frau mit
Kind.
Aber im 18. Jahrhunderts wurde der
weibliche Bart ausschließlich abwertend betrachtet. Zum Ende hin entstand
eine Art Anti-Frauenbartbewegung die
diese als abnorm bezeichnete und der
2
Volland,Gerlinde, Zwischen Weiblichkeit und Männlichkeit.
Behaarte Frauen in der eurpäischen Kunst vom Mittelalter bis
zum Barock, in: SIE und ER, Frauenmacht und Männerherrschaft
im Kulturvergleich (Bd II), hrsg. Gisela Volger, Köln 1997, S.201.
Lächerlichkeit preisgab. Bekannt sind
die Zurschaustellungen von Bärtigen
auf Jahrmärkten
und im Circus zu
Beginn des 19. Jahrhunderts.
Wie die bekannte
Julia Pastrana die
ihr Leben lang zur
Schau gestellt worden war.
Frauen mit Bärten
wurden als Abweichung von der Norm
betrachtet und als Missbildung der
Natur dargestellt. Annie Jones (18651902) beispielsweise wurde bereits im
Alter von 5 Jahren als „Freak“ vermarktet.
Zeitgenössische Diskurse
Es gibt in vielen wissenschaftlichen Disziplinen Theorien zur Behaarung und ihrer Symbolik in Bezug auf Geschlechterkonstruktionen. Einige von ihnen hatten
und haben große Wirkungsmacht auf
die Kontrolle, Disziplinierung und Normierung von Körpern. In der Psychoana-
lyse beispielsweise wird der Behaarung
bzw. den Barthaaren - entsprechend
der bipolaren Geschlechterkonstruktion im Sinne von Kultur = männlich,
Natur = weiblich - eine libidinöse bzw.
aggressive Symbolik zugegesprochen.
Das Wachsen der Haare ist eine primär
aggressive Handlung der Haare, das
Abschneiden hingegen ein Akt der Kontrolle der Ungestümtheit, der Wildnis
von Natur und damit eine Notwendigkeit zur Herstellung von männlichen
Geschlechtsmerkmalen, als Modell der
Kultur. Demzufolge sind bärtige Frauen
ein Ausdruck von „wilder Natur“ und
„Un-Kultur“ libidinöser Ausprägung, also
immer auch sexuell konnotiert. Ähnliche
Aussagen werden in den 70ern in der
Ethnologie getroffen. Auch hier zählen
die Haare zu den public symbols das im
Zusammenspiel mit Ritualen sozialen
Status, Zugehörigkeit, Geschlecht usw.
herstellt. 3 Zusätzlich werden in den unterschiedlichen Religionen und Kulturen
den Haaren magische und religiöse
Funktionen zugesprochen wie beispiels-
weise das sichtbare oder un-sichtbare
bis hin zur Entfernung von Kopf- und
Gesichtshaar. Auch in der Soziologie
wurde in den 80ern und 90ern die These vertreten, dass Geschlechterstereotype über bipolare Zuschreibungen
hergestellt werden und auch sollen. Eine
solcher Symboltheorien übersetzt eins
zu eins Körperpraktiken in (dann) naturalisierte Geschlechterdifferenzen: der
weibliche Körper ist fast unbehaarte,
im Gegensatz zum weiblichen Kopf, der
möglichst stark behaart sein soll.4
Ein weiterer einflussreicher Diskurs,
ist der der Humanwissenschaften
insbesondere der der Medizin. Hier
4
3
Vgl. Hershmann, Paul, Hair, sex and dirt, in: Man (9), S.274-298.
Synnot, Anthony, Hair, in: The body social, London 1993,
S.103-127.
werden behaarte weibliche Körper
pathologisiert. Laut einer Untersuchung
im Jahre 1993 haben ein Drittel der
Frauen in westlichen Ländern einen
so genanten Damenbart. Dennoch
werden an falschen Stellen behaarte
Frauen auf ihre krankhafte Ursache
des Wuchses hin untersucht oder
behandelt. Die idiopathische (ohne
erkennbare Ursache) wie die symptomatische (Folge einer anderen
Behandlung oder Organerkrankung)
Behaarung von Frauen nennt sich in der
Medizin Hirsutismus (Latein: hirsutus =
struppig, borstig,). Wohlgemerkt dieses
Krankheitsbild ist gekoppelt an den so
genanten weiblichen Körper, für den
männlichen gibt es ein solches nicht.
Wobei es keine exakte oder erfassbare
Grenze von „zuviel“ Behaarung oder
„normaler“ Behaarung gibt. Außerdem
gibt es noch den Begriff der Hypertrichose, der Unterschied liegt darin das
dieser auch für Männer verwendet wird
und das der in meist büschelweise auf
eingegrenzten Hautarealen auftritt. Im
Pschyrembel Anfang der 70er steht als
Definition für Hirsutismus: vermehrte
Behaarung vom männlichen Typ, siehe
auch Virilisierung (Vermännlichung von
Frauen). Der behaarte Mann oder die
Behaarung des Mannes gilt als Norm.
Folgerichtig ist die behaarte Frau eine
Abweichung der Norm also anormal
oder unnormal. Das bedeutet, über
die Pathologisierung funktioniert die
Geschlechterkonstruktion eindeutig
und nachhaltig. Die Mythologisierung
der „männlichen Hormone“ als Ursache
für Körperbehaarung trägt zum Diskurs
der Pathologisierung der behaarten
Frau entscheidend bei. Dieser medizinische Zusammenhang ist bisher
nicht bewiesen und zum Teil in seiner
Praxis sehr widersprüchig. Die Hormonwissenschaft ist ein relativ neues
Untersuchungsfeld (1930). Widerlegt ist
die Ursache-Wirkung-These (männliche
Hormone = viel Behaarung), 90 bis 95
% der stark behaarten Frauen haben
einen „normalen“ Androgenspielgel.
Bisher gibt es nur Vermutungen und
Thesen, aber keine Herleitung und kein
direkter Zusammenhang. Anabolika
beispielsweise sollen Einfluss auf die
Behaarung haben da sie Hormone
enthalten, Wechseljahre und Alter sollen
Behaarung verstärken.
Die Herkunft
des Fotos von
Mrs. Meyers ist
ungeklärt. Die
These ist, dass
sie Jane Devere
ist, die 1884
den längsten je
gemessenen
Damenbart trug.
Die Behandlungsmethoden sind,
aufgrund der unklaren Ursachen und
den unterschiedlichen Effekten die
jede erreichen will sehr vielschichtig.
Es gibt die Hormonbehandlung mit
Antiandrogenen, die aber Einfluss
auf den gesamten Organismus haben
und nicht nur auf Haare beschränkt
werden können! Beispielsweise galt
ein Präparat (Cyproteronazetat) als
starkes Antiandrogen, dass drohende
Fehlgeburten verhindern sollte. Dabei
stellte man fest, dass es bei Embryonen unerwünschte Verweiblichungs-
effekte hatte. Dann wurde es unter
anderem Namen für Medikation von
Transsexuelle (Mann zu Frau) verwendet. Diese Hormone werden eben
auch zur Behandlung von Hirsutismus
eingesetzt. Wohlgemerkt es gibt keinen
nachweisbaren Zusammenhang, 90
bis 95 % Prozent der stark behaarten
Frauen haben einen „normalen“ weiblichen Hormonspiegel und der Erfolg
dieser Behandlung, die Präparate
wirken nur bei 10-25% der Frauen und
nur während der Einnahme, danach ist
die Behaarung wie vorher. Folge ist
dass die Frauen lebenslang Hormone
schlucken müssen. Eine andere Art mit
unerwünschter Behaarung umzugehen
ist die Entfernung.
Mit Wachs entfernen ist die älteste
Methode und wird auf den arabischen
Raum zurückgeführt. Seit dem 18.
Jahrhundert. wurde mit Enthaarungscremes experimentiert. Gezupft wurde
auch schon immer. Dann gibt es die
Unterscheidung zwischen Depilation
(temporäre Haarentfernung) und Epilation (dauerhafte Haarentfernung).
Wirkungsmacht
Die Zuordnung von vermehrter Behaarung bei Frauen als krankhaft ist
falsch. In den wenigsten Fällen liegen
Erkrankungen von Organen oder Stoffwechsel vor, es gibt keine gesundheitsschädigenden oder schmerzhaften Symptome. Behaarte Frauen
werden also nachträglich und vorsätzlich pathologisiert ohne einen medizinischen Grund. Tatsache ist auch,
dass Frauen mit exakt den selben
Hormonwerten sehr unterschiedlich
behaart sind. Warum wirken die Bilder
der haarlosen Frau dennoch so stark,
dass sie zum Unterscheidungsmerkmal naturalisiert werden? Und warum
sind so viele Frauen bereit sich täglich. Lebenslänglich und automatisch
sich ihrer Behaarung zu entledigen
oder sie unsichtbar zu machen?
Haare und Behaarung liegen auf
der Grenze zwischen Körper, Haut,
Schmuck und Kleidung und damit
stellen sie einen Schnittpunkt zwischen
der vermeintlichen Natur und Kultur dar.
Demzufolge bietet sich die Behaarung
wunderbar zur Naturalisierung von
Körpertechniken an. 5 Beispielsweise
weiblicher kurzer Haarschnitt der als
„unnatürlich“ klassifiziert wird oder Gesichtshaare als „unweiblich“ also quasi
„unnatürlich“ bezeichnet. Aber nicht nur
hinsichtlich Geschlecht gibt es soziale
und normative Vorgaben wie Behaarung
zu zeigen ist. Rasse, Alter, Klasse, Religion werden über Behaarungspraktiken
ebenso hergestellt und im dominanten
Diskurs naturalisiert. Da Behaarung
leichter zu manipulieren ist, kann sie
kulturell modifiziert werden. Schwieriger
hingegen sind Statur und Größe, doch
selbst diese Faktoren lassen sich dank
moderner Technomedizin modifizieren,
aber eben erst seit kurzem und auf
umständlichere Art und Weise.
Grossen Einfluss auf Körperpraktiken
um einen bestimmten Status herzustellen/zu erreichen haben ästhetische
Ideale. Über Medien, Umfeld und Sozialisation wirken Schönheitsideale auf
unser Begehren. Enthaarungswerbung
beispielsweise verspricht bei Pflege
bzw. Befolgung Schönheit und damit
sexuelle Attraktivität und gesellschaftliche Anerkennung. In einigen Spots
suggeriert Enthaarung auch Gesundheit
und Freiheit6 Alles Ideale die Menschen
in unserer Gesellschaft anzustreben
haben.
5
Vgl. „Naturalisierung des Sozialen“, Burkhart, Günther,
Zwischen Körper und Klasse. Zur Kulturbedeutung der Haare,
in: Körper und Status, Cornelia Koppetsch hrsg., Konstanz
2000, S. 62.
6
Burkhart, Günther, Zwischen Körper und Klasse. Zur Kulturbedeutung der Harre, in: Körper und Status. Zur Soziologie
der Attraktivität, hrsg. Cornelia Koppetsch, Konstanz 2000,
S. 61-98.
Selbstwahrnehmung und das Blickregime
Besondere Aufmerksamkeit möchte
ich dem Blickregime in Zusammenhang
mit der Selbstwahrnehmung widmen,
da mit zunehmender Naturalisierung
die Wirkungswerkzeuge subtiler und unscheinbarer werden. Etwas das schwer
zu sehen ist und daher Widerstand komplizierter gestalten kann. Der Blick ist ein
Instrument der modernen Machtkonstellationen. Ein Kernstück patriarchaler
Machttechniken stellt die immer wieder
hergestellte allgegenwärtige Sichtbarkeit
dar. Hier treffen sich Körper, Blick und
Macht auf einem Feld und ordnen die
„Dinge“.
Es besteht ein unauflöslicher Zusammenhang zwischen dem Selbstbild und
der Wahrnehmung durch den Anderen.
Über das Erblickwerden konstituiert sich
das Selbstbild, das sowohl den leiblichen Zuschreibungen wie körperlichen
Präsentationsformen (Praktiken) entspringt.7 Dabei spielt das Erblicktwerden
eine entscheidende Rolle in der Identitätsbildung. Dieses Spiel setzt die Sicht-
barkeit voraus. Das Feld der Sichtbarkeit ist gesellschaftlich und strukturell
gegliedert und gibt wiederum eine Fülle
von Kodes visueller Verstehbarkeit vor.
Sowohl die Kodes wie das Feld und
teilweise der individuelle Blick sind dem
Blickregime unterworfen. Der Blick ist
nur teilweise diesem unterworfen, da er
auch die Fähigkeit des Deplatzierens,
Zurückziehens und Entziehens besitzt.
Das gleiche gilt für den/die Erblickte.
Und nicht jedes Erblickwerden bedeutet
Machtverlust. Es kann beispielsweise
Teil einer Machkonstellation darstellen
oder Instrument dominanter Diskurse
sein. Die Reaktionen des Blickregimes
ist Gespött, lächerlich machen, „Katastrophe“, Ekel, „unweiblich“, „unheimlich
männlich“, „je weniger behaart desto
erotischer“, „animalisch“, „dreckig“,
„unnormal“ usw. So ist es nicht verwunderlich, dass bei empirischen Studien
Frauen ihre Behaarung als störend,
ungepflegt, unweiblich und unnormal
empfinden.8 Das veränderte sich bei ei8
7
Koppetsch, Einleitung, in: ders. ebenda, Konstanz 2000, S.7-17.
Vgl. kritisch zusammengefasste Studien: Matz, Frauke,
Infragestellung der Geschlechterpolarität. Körperbehaarung
bei Frauen – ein haariges Thema, Reutlingen 1999.
nigen Frauen nach dem sie bewusst mit
anderen behaarten Frauen zusammen
kamen und sich akzeptiert fühlten.
Kritik und Widerstand
Den Körper zwischen Subjekt und
Objekt der Betrachtung zu verorten soll
helfen die Wirkungsmacht dominanter
Diskurse und Praktiken zu sehen. Der
performative Charakter des Körpers,
sprich die Fähigkeit sowohl Hierarchien,
Bilder und Beziehungen darzustellen
wie herzustellen (beispielsweise wie
die Bildung einer Menschenkette) kann
der Analyse eines mächtigen Diskurses
dienen wie der Erfindung von widerständigen Praktiken.
Die Diskriminierung und Stigmatisierung
von behaarten Frauen reicht von abwertenden Blicken bis hin zur körperlichen
Gewalt. Vordergründig ist das eine
Reaktion auf das Gefühl von Bedrohung.
Bedroht wird der Mythos der unbehaarten Frau, hintergründig geht es um
die Infragestellung der Konstruktion von
Geschlechterverhältnissen, Zweigeschlechtlichkeit, Heteronormativität,
Verhältnis Kultur-Natur usw.
Mit einigen
Bildern und
Plakaten unterschiedlicher
Arbeiten und
Gruppen möchte
ich zu einem
vielfältigen
kollektiven und
feministischen
Nachdenken
über Behaarung und Agieren gegen
Zuschreibungen aufrufen.
Fuß
Ich gehe zum Schluss des Textkörpers
kurz auf meine wissenschaftliche und
politische Verortung ein.
Der feministischen Kritik an der Geschlechterdichotomie ist die heutige
Infragestellung biologischer Konstanten
zum größten Teil zu verdanken. Obwohl
bereits Simon de Beauvoir 1949 in
„Le deuxième sexe“ die Biologisierung vom Gemacht-Werden durch
geschlechterspezifische Sozialisation
kritisierte, wurde erst durch die Frauenbewegung in den 70er Jahren diese
Zurückweisung aufgenommen und
Geschlechterverhältnisse ins Zentrum
des feministischen Erkenntnisinteresses und Kritik gestellt. Historikerinnen
fingen, zunächst vereinzelt, an körperbezogene Arbeiten zu produzieren. Sie
stellten die Wahrnehmung, Erfahrung,
Selbsterfahrung und -wahrnehmung
in historischer Perspektive in den
Mittelpunkt.9 Resultat erster größerer
Untersuchungen in Europa war das
fünfbändige Werk zur „Geschichte der
Frauen“ von George Duby und Michelle
Perrot10. Die Analysen kreisten noch
hauptsächlich um normative Diskurse in
Theologie, Medizin, Politik und Philosophie und damit war zu Beginn der
deskriptiv-historische Charakter zumindest in der feministischen Geschichtswissenschaft vorherrschend. Aus der
Kritik körperlicher Selbst- und vor allem
Fremdzuschreibungen resultierte eine
Gegenwehr als „Kollektiv“ und „Identi9
Vgl. Duden, Barbara, Geschichte unter der Haut, Stuttgart
1987; Bock, Gisela, Zwangssterilisation im Nationalsozialismus,
Opladen 1986.
10
Duby, Georges/Michel Perrot, Geschichte der Frauen,
5 Bd., Frankfurt a.M. 1993-1995.
tät“ Frau. Positiv feministisch besetzt
wurde der weibliche Körper als gesellschaftlich-historische Besonderheit
behandelt. Hier schlichen sich durch die
Hintertür wieder Biologisierungen ein
– Beispiel Gebärfähigkeit als Unterscheidungsmerkmal der Geschlechter
– die zunächst jedoch unumgänglich
waren um den dominanten patriarchalen
Diskursen über den weiblichen Körper
wirksame Diskurse entgegenzusetzen.
Dies galt auch für die feministische
Geschichtswissenschaft.
Als Paradigma gesellschaftlich geschaffener Verhältnisse bzw. Dichotomien von Macht und Ohmacht, Natur
und Kultur, Produktion und Reproduktion
sowie Normalität und Pathologie standen dementsprechend Menstruation,
Schwangerschaft, Geburt und verbunden damit die Politisierung des Gebärens bzw. Abtreibens seit den späten
siebziger Jahren im Mittelpunkt.11
Der suggerierten Universalität und
anthropologischen Konstanten von
weiblicher Leiblichkeit lässt sich je11
Lorenz, Maren, Leibhaftige Vergangenheit. Einführung in die
Körpergeschichte, Tübingen 2000, S.75.
doch nur unzureichend die Kategorien
Menopause, Menstruation usw. als
Analyseinstrumente entgegensetzen.
So rückten, auch angeregt durch die
foucaultsche Machtkonzeption, immer
mehr Körperpraktiken und Körperbilder
die die Schönheits-, Gesundheits- und
Körpernormen hervorbringen und variieren in den Mittelpunkt. Beispielsweise
wurde durch frühneuzeitliche Unzuchtund Ehediskurse, Medizindiskurse im
19. Jahrhundert, Weiblichkeit und Wahnsinnszuschreibungen etc. immer wieder
Geschlechterstereotype produziert
und reproduziert.12 Mit diesen Stereotypen eng verknüpft sozusagen als
Handlungsleitung sind sexuelle Normen
und Normalitätsbilder. Unterschiedliche
Bereiche sozialer Praxis waren und sind
sexuell konnotiert – wie Medizin, Familie,
Erziehung usw. – und beeinflussen,
produzieren, spiegeln o.g. dominante
Diskurse. So verwundert es nicht, dass
seit den achtziger Jahren vor allem
der männliche Körper als Normvorlage
12
Gleixner, „das Mensch“ und „der Kerl“, Frankfurt.a.M. 1994;
Burghartz, Zeiten der Reinheit, Paderborn 1999; Foucault,
Über Hermaphrodismus, Frankfurt a.M. 1998.
und damit die Konstruktion des weiblichen als Antipol und damit wieder als
unzureichend in den Wissenschaften
vehement von Feministinnen kritisiert
wurde.
Das und wie sexuelle Normen und
Geschlechterbilder konstruiert sind und
wie dadurch eine ungleiche soziale Ordnung herstellt wird, wurde zur feministischen Kritik.
Bildnachweis (in der o.a. Reihenfolge)
- Heilige Kümmernis, Pfarrkirche
St.Stephan in HILGERTSHAUSEN,
www.kirchenundkapellen.de/kirchen/hilgertshausen.php, 30.09.2007
- Goya; Volland, Gerlinde, Zwischen
»Weiblichkeit« und »Männlichkeit«.
Behaarte Frauen in der europäischen
Kunst vom Mittelalter bis zum Barock, en:
„Sie und er: Frauenmacht und Männerherrschaft - Geschlechterbeziehungen
im Kulturvergleich“, Ausstellungskatalog,
Rautenstrauch-Joest-Museum für Völkerkunde, Köln 1997, Bd.2, p.201.
- Julia Pastrana:
www.hollywoodstudios.org/~holley/julia.
html, 14.2.2009
- Annie Jones, carte de visite, 4 x 2.5
inches, ca. 1880, photographer’s logo
stamped on reverse and signed in pencil
„Miss Annie Jones Age 18yrs“, photographer: Chas. Eisenmann, 229 Bowery, New
York.
- Mrs. Meyers: www.missioncreep.com/
mundie/gallery/gallery2.htm, 14.2.2009.
- Haarzerstörer: www.alte-historischewerbeanzeigen.de/index.php/cat/c18_
ygiene.html, 14.2.2009.
- Lady shave: Djuren, Jörg, Das Behaarte
und das Unbehaarte. Körperbehaarung
und Geschlecht. Zur Formierung des
Leibes und Widerstandspraxen zu Beginn
des 21ten Jahrhunderts. Diplomarbeit
Hannover 2005,
http://irrliche.org/politische_kritik/achselhaare_ rasur.htm, 14.12.2006.
*durbahn 09
MoniKa
*ancient wigs* by Sabine Rollnik 2009, www.sabinerollnik.blogspot.com
Claude…qunst.net
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nameless
paula zucker - hasenzuckers.de
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Christina Schäfer | Model : Manu & Rosi | [email protected]
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