Untitled - Bildwechsel
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Welcome to issue number four of qunst.mag. The theme for this issue is ‚hair‘. Qunst.mag is an e-zine created by members of Bildwechsel and the contributing artists. Our aim is to provide a platform for queer feminist artists working in various media. The contributors to this issue are: Christina Schäfer, Chris Regn/Helga Broll, Dana Krusche, Muriel González Athenas, die Waschfrau, *durbahn, Finn K. Buchwald, Evi Merwie, MoniKa, Sabine Rollnik, Risk Hazekamp, Bax, Reny, Claude, Nameless, Paula Zucker. Thank you to all the contributers, those who helped & everybody at Bildwechsel! Enjoy! Claude Claude…qunst.net Chris Regn/Helga Broll…galerie-broll.com Bärtige und haarige Frauen ...besitzen oft vielen sicheren Takt1 Einstieg in die Geschichte und Wirkungsmacht der Kontrolle von Körperbehaarungvon Muriel González Athenas Kopf Warum gibt es so wenig bärtige Frauen in unserer heutigen Gesellschaft? Warum sind so viele damit beschäftigt diese und andere Körperhaare zu beseitigen oder unsichtbar zu machen? Warum werden Frauen mit Bärten, Achselhaaren oder Beinhaaren gefragt ob sie Frauen oder Männer wären? Warum ist die Abwertung von sichtbar behaarten Frauen so vehement bis militant? Diese Fragen beschäftigt die feministische Bewegung seit den 80ern Jahren mit unterschiedlicher Ausdauer. Dieser Text ist ein noch in den Kinderschuhen steckender Versuch das Thema Körperpraktiken, Macht und Geschlechterkonstruktion aus 1 „ Wenn aber eine schon bejahrte Dame ein Bärtchen hat, so ist dies für ein Zeichen ihrer Klugheit zu halten, und man hat sie nur um desto höher zu schätzen. Solche Damen besitzen oft vielen sicheren Takt.“ Ignaz Jackowitz, Das Buch der Haare und Bärte, Leipzig 1844. feministischer Sicht zu analysieren. Mit dem Ziel einen mächtigen Gegendiskurs und Widerstandswerkzeug zu entwickeln bzw. dazu aufzurufen. Geschichte In der Mythologie der meisten Kulturen haben Haare und Behaarung eine entscheidende gesellschaftliche Funktion. Magische Wirkungen, Lebenskräfte, sexuelle Potenz, Fertilität, Virilität usw. spielen prägende Rollen von den frühsten Götter- und Göttinnensagen über Heldengestalten bis hin zu den frühneuzeitlichen Hexen. Da einige von den Interpretationen Geschlechter-Symboliken implizieren und diese auch über jahrhunderte tradiert wurden, ist es kein neues Phänomen, wenn Geschlechterdifferenzen moderner Ausprägung auf diesen Interpretationstraditionen aufbauen. Wobei die Auslegung nicht immer die gleiche war, da und deshalb auch das Geschlechterverhältnis historisch unterschiedliche war. Kurz soll durch die Nennung einiger bekannter Beispiele an die unterschiedlichen Wertungen erinnert werden: Die biblische Geschich- te des Samsons, Märchengestalten wie Rapunzel, historisch-mythologische Figuren wie die Königin von Saba, andere Legendengestalten wie die Loreley etc. In patriarchalen Religionsgemeinschaften besteht und bestand eine negative Einstellung zum Frauenhaar. Deswegen müssen sie versteckt werden. Soldaten hingegen mussten schon immer als symbolische Freiheitsbeschneidung ihre Haare lassen. Andernorts werden zusätzlich Haare oder Kopfschmuck angebracht, beispielsweise bei dem Federschmuck der Häuptlinge wodurch Macht, Ansehen und Würde signalisiert werden soll. Haare auf der Brust und an den Beinen gelten oft als dem Tiere ähnlich oder Widerspiegelung der ungezähmten Natur, was beides je nach Kultur und Epoche für alle Geschlechter als etwas Positives bzw. Besonderes gesehen wurde. Die Venus (später Aphrodite) beispielsweise galt als Göttin der Fruchtbarkeit und sinnlicher Liebe. Sie ist der Innbegriff der weiblichen Schönheit. Auf Zypern und im Süden Frankreichs wurde sie lange als Bärtige verehrt. Der Bart galt auch bei Frauen als Machtsymbol. Er verlieh ihnen hellseherische Fähigkeiten und Weisheit. Der obersten Priesterin, die römische Göttin der Weisheit und der Kunst, Minerva, wuchs ein langer Bart solange der Ort Amphyctien in Gefahr war. Als Zeichen ihrer Königinnenwürde trugen viele ägyptische Königinnen (Königin Hatchepsut beispielsweise) einen künstlichen Bart, sowie Ehefrauen von Pharaonen. Auch die sagenumwobene Königin von Saba gehört zu den behaarten Frauengestalten. Die vom Knie abwärts stark behaart gewesen sein soll (etwa 1000 v.u.Z.). Sie galt als reich, mächtig, klug und schön! Auch in heiligen Vitae der christlichen Lehre gibt es Frauen mit Bart, wie die Kümmernis. Ihr Vater war Heide und wollte sie mit einem ebensolchen verheiraten. Sie, frommchristlich, flehte Gott an er möge sie verunstalten damit sie nicht heiraten muss. Ihr wuchs daraufhin ein Bart. Der Vater ließ, erzürnt, sie kreuzigen. Die Kümmernus wurde später heilig gesprochen. Der Bart also als Zeichen des christlich-weiblichen Widerstandes, Treue und Durchsetzungsvermögen. Die meisten Bilder von bärtigen Frauen sind bekannt aus dem 16., erste Hälfte des 17. und zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Francisco Goya (um 1815) aus den Skizzenbüchern 2: Eine bärtige Frau mit Kind. Aber im 18. Jahrhunderts wurde der weibliche Bart ausschließlich abwertend betrachtet. Zum Ende hin entstand eine Art Anti-Frauenbartbewegung die diese als abnorm bezeichnete und der 2 Volland,Gerlinde, Zwischen Weiblichkeit und Männlichkeit. Behaarte Frauen in der eurpäischen Kunst vom Mittelalter bis zum Barock, in: SIE und ER, Frauenmacht und Männerherrschaft im Kulturvergleich (Bd II), hrsg. Gisela Volger, Köln 1997, S.201. Lächerlichkeit preisgab. Bekannt sind die Zurschaustellungen von Bärtigen auf Jahrmärkten und im Circus zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Wie die bekannte Julia Pastrana die ihr Leben lang zur Schau gestellt worden war. Frauen mit Bärten wurden als Abweichung von der Norm betrachtet und als Missbildung der Natur dargestellt. Annie Jones (18651902) beispielsweise wurde bereits im Alter von 5 Jahren als „Freak“ vermarktet. Zeitgenössische Diskurse Es gibt in vielen wissenschaftlichen Disziplinen Theorien zur Behaarung und ihrer Symbolik in Bezug auf Geschlechterkonstruktionen. Einige von ihnen hatten und haben große Wirkungsmacht auf die Kontrolle, Disziplinierung und Normierung von Körpern. In der Psychoana- lyse beispielsweise wird der Behaarung bzw. den Barthaaren - entsprechend der bipolaren Geschlechterkonstruktion im Sinne von Kultur = männlich, Natur = weiblich - eine libidinöse bzw. aggressive Symbolik zugegesprochen. Das Wachsen der Haare ist eine primär aggressive Handlung der Haare, das Abschneiden hingegen ein Akt der Kontrolle der Ungestümtheit, der Wildnis von Natur und damit eine Notwendigkeit zur Herstellung von männlichen Geschlechtsmerkmalen, als Modell der Kultur. Demzufolge sind bärtige Frauen ein Ausdruck von „wilder Natur“ und „Un-Kultur“ libidinöser Ausprägung, also immer auch sexuell konnotiert. Ähnliche Aussagen werden in den 70ern in der Ethnologie getroffen. Auch hier zählen die Haare zu den public symbols das im Zusammenspiel mit Ritualen sozialen Status, Zugehörigkeit, Geschlecht usw. herstellt. 3 Zusätzlich werden in den unterschiedlichen Religionen und Kulturen den Haaren magische und religiöse Funktionen zugesprochen wie beispiels- weise das sichtbare oder un-sichtbare bis hin zur Entfernung von Kopf- und Gesichtshaar. Auch in der Soziologie wurde in den 80ern und 90ern die These vertreten, dass Geschlechterstereotype über bipolare Zuschreibungen hergestellt werden und auch sollen. Eine solcher Symboltheorien übersetzt eins zu eins Körperpraktiken in (dann) naturalisierte Geschlechterdifferenzen: der weibliche Körper ist fast unbehaarte, im Gegensatz zum weiblichen Kopf, der möglichst stark behaart sein soll.4 Ein weiterer einflussreicher Diskurs, ist der der Humanwissenschaften insbesondere der der Medizin. Hier 4 3 Vgl. Hershmann, Paul, Hair, sex and dirt, in: Man (9), S.274-298. Synnot, Anthony, Hair, in: The body social, London 1993, S.103-127. werden behaarte weibliche Körper pathologisiert. Laut einer Untersuchung im Jahre 1993 haben ein Drittel der Frauen in westlichen Ländern einen so genanten Damenbart. Dennoch werden an falschen Stellen behaarte Frauen auf ihre krankhafte Ursache des Wuchses hin untersucht oder behandelt. Die idiopathische (ohne erkennbare Ursache) wie die symptomatische (Folge einer anderen Behandlung oder Organerkrankung) Behaarung von Frauen nennt sich in der Medizin Hirsutismus (Latein: hirsutus = struppig, borstig,). Wohlgemerkt dieses Krankheitsbild ist gekoppelt an den so genanten weiblichen Körper, für den männlichen gibt es ein solches nicht. Wobei es keine exakte oder erfassbare Grenze von „zuviel“ Behaarung oder „normaler“ Behaarung gibt. Außerdem gibt es noch den Begriff der Hypertrichose, der Unterschied liegt darin das dieser auch für Männer verwendet wird und das der in meist büschelweise auf eingegrenzten Hautarealen auftritt. Im Pschyrembel Anfang der 70er steht als Definition für Hirsutismus: vermehrte Behaarung vom männlichen Typ, siehe auch Virilisierung (Vermännlichung von Frauen). Der behaarte Mann oder die Behaarung des Mannes gilt als Norm. Folgerichtig ist die behaarte Frau eine Abweichung der Norm also anormal oder unnormal. Das bedeutet, über die Pathologisierung funktioniert die Geschlechterkonstruktion eindeutig und nachhaltig. Die Mythologisierung der „männlichen Hormone“ als Ursache für Körperbehaarung trägt zum Diskurs der Pathologisierung der behaarten Frau entscheidend bei. Dieser medizinische Zusammenhang ist bisher nicht bewiesen und zum Teil in seiner Praxis sehr widersprüchig. Die Hormonwissenschaft ist ein relativ neues Untersuchungsfeld (1930). Widerlegt ist die Ursache-Wirkung-These (männliche Hormone = viel Behaarung), 90 bis 95 % der stark behaarten Frauen haben einen „normalen“ Androgenspielgel. Bisher gibt es nur Vermutungen und Thesen, aber keine Herleitung und kein direkter Zusammenhang. Anabolika beispielsweise sollen Einfluss auf die Behaarung haben da sie Hormone enthalten, Wechseljahre und Alter sollen Behaarung verstärken. Die Herkunft des Fotos von Mrs. Meyers ist ungeklärt. Die These ist, dass sie Jane Devere ist, die 1884 den längsten je gemessenen Damenbart trug. Die Behandlungsmethoden sind, aufgrund der unklaren Ursachen und den unterschiedlichen Effekten die jede erreichen will sehr vielschichtig. Es gibt die Hormonbehandlung mit Antiandrogenen, die aber Einfluss auf den gesamten Organismus haben und nicht nur auf Haare beschränkt werden können! Beispielsweise galt ein Präparat (Cyproteronazetat) als starkes Antiandrogen, dass drohende Fehlgeburten verhindern sollte. Dabei stellte man fest, dass es bei Embryonen unerwünschte Verweiblichungs- effekte hatte. Dann wurde es unter anderem Namen für Medikation von Transsexuelle (Mann zu Frau) verwendet. Diese Hormone werden eben auch zur Behandlung von Hirsutismus eingesetzt. Wohlgemerkt es gibt keinen nachweisbaren Zusammenhang, 90 bis 95 % Prozent der stark behaarten Frauen haben einen „normalen“ weiblichen Hormonspiegel und der Erfolg dieser Behandlung, die Präparate wirken nur bei 10-25% der Frauen und nur während der Einnahme, danach ist die Behaarung wie vorher. Folge ist dass die Frauen lebenslang Hormone schlucken müssen. Eine andere Art mit unerwünschter Behaarung umzugehen ist die Entfernung. Mit Wachs entfernen ist die älteste Methode und wird auf den arabischen Raum zurückgeführt. Seit dem 18. Jahrhundert. wurde mit Enthaarungscremes experimentiert. Gezupft wurde auch schon immer. Dann gibt es die Unterscheidung zwischen Depilation (temporäre Haarentfernung) und Epilation (dauerhafte Haarentfernung). Wirkungsmacht Die Zuordnung von vermehrter Behaarung bei Frauen als krankhaft ist falsch. In den wenigsten Fällen liegen Erkrankungen von Organen oder Stoffwechsel vor, es gibt keine gesundheitsschädigenden oder schmerzhaften Symptome. Behaarte Frauen werden also nachträglich und vorsätzlich pathologisiert ohne einen medizinischen Grund. Tatsache ist auch, dass Frauen mit exakt den selben Hormonwerten sehr unterschiedlich behaart sind. Warum wirken die Bilder der haarlosen Frau dennoch so stark, dass sie zum Unterscheidungsmerkmal naturalisiert werden? Und warum sind so viele Frauen bereit sich täglich. Lebenslänglich und automatisch sich ihrer Behaarung zu entledigen oder sie unsichtbar zu machen? Haare und Behaarung liegen auf der Grenze zwischen Körper, Haut, Schmuck und Kleidung und damit stellen sie einen Schnittpunkt zwischen der vermeintlichen Natur und Kultur dar. Demzufolge bietet sich die Behaarung wunderbar zur Naturalisierung von Körpertechniken an. 5 Beispielsweise weiblicher kurzer Haarschnitt der als „unnatürlich“ klassifiziert wird oder Gesichtshaare als „unweiblich“ also quasi „unnatürlich“ bezeichnet. Aber nicht nur hinsichtlich Geschlecht gibt es soziale und normative Vorgaben wie Behaarung zu zeigen ist. Rasse, Alter, Klasse, Religion werden über Behaarungspraktiken ebenso hergestellt und im dominanten Diskurs naturalisiert. Da Behaarung leichter zu manipulieren ist, kann sie kulturell modifiziert werden. Schwieriger hingegen sind Statur und Größe, doch selbst diese Faktoren lassen sich dank moderner Technomedizin modifizieren, aber eben erst seit kurzem und auf umständlichere Art und Weise. Grossen Einfluss auf Körperpraktiken um einen bestimmten Status herzustellen/zu erreichen haben ästhetische Ideale. Über Medien, Umfeld und Sozialisation wirken Schönheitsideale auf unser Begehren. Enthaarungswerbung beispielsweise verspricht bei Pflege bzw. Befolgung Schönheit und damit sexuelle Attraktivität und gesellschaftliche Anerkennung. In einigen Spots suggeriert Enthaarung auch Gesundheit und Freiheit6 Alles Ideale die Menschen in unserer Gesellschaft anzustreben haben. 5 Vgl. „Naturalisierung des Sozialen“, Burkhart, Günther, Zwischen Körper und Klasse. Zur Kulturbedeutung der Haare, in: Körper und Status, Cornelia Koppetsch hrsg., Konstanz 2000, S. 62. 6 Burkhart, Günther, Zwischen Körper und Klasse. Zur Kulturbedeutung der Harre, in: Körper und Status. Zur Soziologie der Attraktivität, hrsg. Cornelia Koppetsch, Konstanz 2000, S. 61-98. Selbstwahrnehmung und das Blickregime Besondere Aufmerksamkeit möchte ich dem Blickregime in Zusammenhang mit der Selbstwahrnehmung widmen, da mit zunehmender Naturalisierung die Wirkungswerkzeuge subtiler und unscheinbarer werden. Etwas das schwer zu sehen ist und daher Widerstand komplizierter gestalten kann. Der Blick ist ein Instrument der modernen Machtkonstellationen. Ein Kernstück patriarchaler Machttechniken stellt die immer wieder hergestellte allgegenwärtige Sichtbarkeit dar. Hier treffen sich Körper, Blick und Macht auf einem Feld und ordnen die „Dinge“. Es besteht ein unauflöslicher Zusammenhang zwischen dem Selbstbild und der Wahrnehmung durch den Anderen. Über das Erblickwerden konstituiert sich das Selbstbild, das sowohl den leiblichen Zuschreibungen wie körperlichen Präsentationsformen (Praktiken) entspringt.7 Dabei spielt das Erblicktwerden eine entscheidende Rolle in der Identitätsbildung. Dieses Spiel setzt die Sicht- barkeit voraus. Das Feld der Sichtbarkeit ist gesellschaftlich und strukturell gegliedert und gibt wiederum eine Fülle von Kodes visueller Verstehbarkeit vor. Sowohl die Kodes wie das Feld und teilweise der individuelle Blick sind dem Blickregime unterworfen. Der Blick ist nur teilweise diesem unterworfen, da er auch die Fähigkeit des Deplatzierens, Zurückziehens und Entziehens besitzt. Das gleiche gilt für den/die Erblickte. Und nicht jedes Erblickwerden bedeutet Machtverlust. Es kann beispielsweise Teil einer Machkonstellation darstellen oder Instrument dominanter Diskurse sein. Die Reaktionen des Blickregimes ist Gespött, lächerlich machen, „Katastrophe“, Ekel, „unweiblich“, „unheimlich männlich“, „je weniger behaart desto erotischer“, „animalisch“, „dreckig“, „unnormal“ usw. So ist es nicht verwunderlich, dass bei empirischen Studien Frauen ihre Behaarung als störend, ungepflegt, unweiblich und unnormal empfinden.8 Das veränderte sich bei ei8 7 Koppetsch, Einleitung, in: ders. ebenda, Konstanz 2000, S.7-17. Vgl. kritisch zusammengefasste Studien: Matz, Frauke, Infragestellung der Geschlechterpolarität. Körperbehaarung bei Frauen – ein haariges Thema, Reutlingen 1999. nigen Frauen nach dem sie bewusst mit anderen behaarten Frauen zusammen kamen und sich akzeptiert fühlten. Kritik und Widerstand Den Körper zwischen Subjekt und Objekt der Betrachtung zu verorten soll helfen die Wirkungsmacht dominanter Diskurse und Praktiken zu sehen. Der performative Charakter des Körpers, sprich die Fähigkeit sowohl Hierarchien, Bilder und Beziehungen darzustellen wie herzustellen (beispielsweise wie die Bildung einer Menschenkette) kann der Analyse eines mächtigen Diskurses dienen wie der Erfindung von widerständigen Praktiken. Die Diskriminierung und Stigmatisierung von behaarten Frauen reicht von abwertenden Blicken bis hin zur körperlichen Gewalt. Vordergründig ist das eine Reaktion auf das Gefühl von Bedrohung. Bedroht wird der Mythos der unbehaarten Frau, hintergründig geht es um die Infragestellung der Konstruktion von Geschlechterverhältnissen, Zweigeschlechtlichkeit, Heteronormativität, Verhältnis Kultur-Natur usw. Mit einigen Bildern und Plakaten unterschiedlicher Arbeiten und Gruppen möchte ich zu einem vielfältigen kollektiven und feministischen Nachdenken über Behaarung und Agieren gegen Zuschreibungen aufrufen. Fuß Ich gehe zum Schluss des Textkörpers kurz auf meine wissenschaftliche und politische Verortung ein. Der feministischen Kritik an der Geschlechterdichotomie ist die heutige Infragestellung biologischer Konstanten zum größten Teil zu verdanken. Obwohl bereits Simon de Beauvoir 1949 in „Le deuxième sexe“ die Biologisierung vom Gemacht-Werden durch geschlechterspezifische Sozialisation kritisierte, wurde erst durch die Frauenbewegung in den 70er Jahren diese Zurückweisung aufgenommen und Geschlechterverhältnisse ins Zentrum des feministischen Erkenntnisinteresses und Kritik gestellt. Historikerinnen fingen, zunächst vereinzelt, an körperbezogene Arbeiten zu produzieren. Sie stellten die Wahrnehmung, Erfahrung, Selbsterfahrung und -wahrnehmung in historischer Perspektive in den Mittelpunkt.9 Resultat erster größerer Untersuchungen in Europa war das fünfbändige Werk zur „Geschichte der Frauen“ von George Duby und Michelle Perrot10. Die Analysen kreisten noch hauptsächlich um normative Diskurse in Theologie, Medizin, Politik und Philosophie und damit war zu Beginn der deskriptiv-historische Charakter zumindest in der feministischen Geschichtswissenschaft vorherrschend. Aus der Kritik körperlicher Selbst- und vor allem Fremdzuschreibungen resultierte eine Gegenwehr als „Kollektiv“ und „Identi9 Vgl. Duden, Barbara, Geschichte unter der Haut, Stuttgart 1987; Bock, Gisela, Zwangssterilisation im Nationalsozialismus, Opladen 1986. 10 Duby, Georges/Michel Perrot, Geschichte der Frauen, 5 Bd., Frankfurt a.M. 1993-1995. tät“ Frau. Positiv feministisch besetzt wurde der weibliche Körper als gesellschaftlich-historische Besonderheit behandelt. Hier schlichen sich durch die Hintertür wieder Biologisierungen ein – Beispiel Gebärfähigkeit als Unterscheidungsmerkmal der Geschlechter – die zunächst jedoch unumgänglich waren um den dominanten patriarchalen Diskursen über den weiblichen Körper wirksame Diskurse entgegenzusetzen. Dies galt auch für die feministische Geschichtswissenschaft. Als Paradigma gesellschaftlich geschaffener Verhältnisse bzw. Dichotomien von Macht und Ohmacht, Natur und Kultur, Produktion und Reproduktion sowie Normalität und Pathologie standen dementsprechend Menstruation, Schwangerschaft, Geburt und verbunden damit die Politisierung des Gebärens bzw. Abtreibens seit den späten siebziger Jahren im Mittelpunkt.11 Der suggerierten Universalität und anthropologischen Konstanten von weiblicher Leiblichkeit lässt sich je11 Lorenz, Maren, Leibhaftige Vergangenheit. Einführung in die Körpergeschichte, Tübingen 2000, S.75. doch nur unzureichend die Kategorien Menopause, Menstruation usw. als Analyseinstrumente entgegensetzen. So rückten, auch angeregt durch die foucaultsche Machtkonzeption, immer mehr Körperpraktiken und Körperbilder die die Schönheits-, Gesundheits- und Körpernormen hervorbringen und variieren in den Mittelpunkt. Beispielsweise wurde durch frühneuzeitliche Unzuchtund Ehediskurse, Medizindiskurse im 19. Jahrhundert, Weiblichkeit und Wahnsinnszuschreibungen etc. immer wieder Geschlechterstereotype produziert und reproduziert.12 Mit diesen Stereotypen eng verknüpft sozusagen als Handlungsleitung sind sexuelle Normen und Normalitätsbilder. Unterschiedliche Bereiche sozialer Praxis waren und sind sexuell konnotiert – wie Medizin, Familie, Erziehung usw. – und beeinflussen, produzieren, spiegeln o.g. dominante Diskurse. So verwundert es nicht, dass seit den achtziger Jahren vor allem der männliche Körper als Normvorlage 12 Gleixner, „das Mensch“ und „der Kerl“, Frankfurt.a.M. 1994; Burghartz, Zeiten der Reinheit, Paderborn 1999; Foucault, Über Hermaphrodismus, Frankfurt a.M. 1998. und damit die Konstruktion des weiblichen als Antipol und damit wieder als unzureichend in den Wissenschaften vehement von Feministinnen kritisiert wurde. Das und wie sexuelle Normen und Geschlechterbilder konstruiert sind und wie dadurch eine ungleiche soziale Ordnung herstellt wird, wurde zur feministischen Kritik. Bildnachweis (in der o.a. Reihenfolge) - Heilige Kümmernis, Pfarrkirche St.Stephan in HILGERTSHAUSEN, www.kirchenundkapellen.de/kirchen/hilgertshausen.php, 30.09.2007 - Goya; Volland, Gerlinde, Zwischen »Weiblichkeit« und »Männlichkeit«. Behaarte Frauen in der europäischen Kunst vom Mittelalter bis zum Barock, en: „Sie und er: Frauenmacht und Männerherrschaft - Geschlechterbeziehungen im Kulturvergleich“, Ausstellungskatalog, Rautenstrauch-Joest-Museum für Völkerkunde, Köln 1997, Bd.2, p.201. - Julia Pastrana: www.hollywoodstudios.org/~holley/julia. html, 14.2.2009 - Annie Jones, carte de visite, 4 x 2.5 inches, ca. 1880, photographer’s logo stamped on reverse and signed in pencil „Miss Annie Jones Age 18yrs“, photographer: Chas. Eisenmann, 229 Bowery, New York. - Mrs. Meyers: www.missioncreep.com/ mundie/gallery/gallery2.htm, 14.2.2009. - Haarzerstörer: www.alte-historischewerbeanzeigen.de/index.php/cat/c18_ ygiene.html, 14.2.2009. - Lady shave: Djuren, Jörg, Das Behaarte und das Unbehaarte. Körperbehaarung und Geschlecht. Zur Formierung des Leibes und Widerstandspraxen zu Beginn des 21ten Jahrhunderts. Diplomarbeit Hannover 2005, http://irrliche.org/politische_kritik/achselhaare_ rasur.htm, 14.12.2006. *durbahn 09 MoniKa *ancient wigs* by Sabine Rollnik 2009, www.sabinerollnik.blogspot.com Claude…qunst.net Claude…qunst.net nameless paula zucker - hasenzuckers.de paula zucker - hasenzuckers.de Christina Schäfer | Model : Manu & Rosi | [email protected] Impressum / Imprint Alle Beiträge dieses Zines sind urheberrechtlich geschützt. Eine Veröffentlichung, auch in Teilen, ist nur mit der Genehmigung der jeweiligen Künstler_in erlaubt. 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