RECHTSGESCHICHTE

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RECHTSGESCHICHTE
?zEiTSCHRIFT
_ ...-- DER SAVIGNY-STIFTUNG
I<'OR
RECHTSGESCHICHTE
HERAUSGEGEBEi\
VuI'
J. PARTSCH, O. GRADENWITZ, E. SEeKEL,
E. HEYMANN, U. STUTZ, A. WERMINGHOFF,
H.E. FEINE.
DREIUNDVIERZIGSTER
L VI. BAND
DER ZEITSOHRIPT
BAND
PÜR REOHTSGESOHIOB1'K
KANONISTIseUE ABTEILUNG XII.
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WEIMAR
HERMANN
BÖHLAUS
1922.
NACHFOLGER
...
I.
Die Xenodochien in Italien und Frankreich
im frühen Mittelalter.
l
)
Von
Herrn Privatdozenten
Dr. jur.
Gerichtsassessor
Walther Schönfeld,
a. D. in Breslau.
I.
Von den Xenodochien überhaupt.
1. Ursprung
§ 1.
und Verbreitung.
Für die Kirche und ihr Recht bildet das 4 .• Jahrhundert
den Wendepunkt der Zeiten. Bis dahin verfolgt oder höchstens tatsächlich geduldet, wird sie rechtlich anerkannt.
Neben das alternde Weltreich, aus der Dunkelheit ins Helle,
tritt die jugendstarke Weltkirche, um es allmählich zu ersetzen und schließlich zu beerben. Aber sie gibt mehr, als
sie empfängt. Sie bringt der todkranken, am unversöhnlichen Gegensatz von Reichtum und Armut in einem glän1) Die Abhandlung
ist im Sommer 1921 in Berlin begonnen und
am G. März 1922 im dortigen Kirchenrechtlichen Institut, dessen Assistent
ich zwei Jahre lang war, vorgetragen worden. Herr Geheimer Justizrat Professor D. Dr. iur. et phil, Ulrich Stutz,
seit langen Jahren
um die Bearbeitung dieses Gegenstandes bemüht, hat mich zu ihr
angeregt und die Ausarbeitung mit seinem Rat begleitet.
Dafür wie
überhaupt für alle Förderung spreche ich ihm meinen ehrerbietigsten
und herzlichsten Dank aus. Zu danken habe ich aber auch der hohen
rechts- und staatswissensehaftliehen Fakultät in Brcslau. Denn indem
sie mich für das W.-S. 1921/22 beurlaubte, hat sie mich in den Stand
gesetzt, vor Aufnahme meiner Lehrtätigkeit diese meine Studien in Berlin
in Ruhe abzuschließen und mir dann damit die vcnia legendi auch
für Kirchenrecht
zu erwerben.
1
7.cit,chri ft für Rechtsgeschichte. XLIIl. Kan, Abt. XII.
2
Walther
Schönfeld,
zenden Elend hilflos dahinsiechenden Menschheit das Evangelium von der Liebe, nicht so sehr in Worten als vielmehr
in der Tat. Für das Römertum, trotzdem die Not zum Himmel schreit, gibt es keine soziale Frage; was es in dieser
Hinsicht tut, erschöpft. sich in dem frivolen Worte "panem
et circenses", klingt in unseren Ohren wie eine ·grausige
Verhöhnung und Selbstverhöhnung.v) Erst die Kirche macht
sich an die Arbeit, auch sie nicht so sehr, um den Leib des
zesellschaftllchen
Lebens zu heilen, als vielmehr um Seelen
e
zu retten.") Dieser Liebeswille offenbart sich vornehmlich in
der Gastlichkeit, der hospitalitas, zu Anfang gänzlich in
der Freiheit, seit dem zweiten Jahrhundert, als die Sonne
den Christen zu sinken beginnt und die Schatten der Menschlichkeit größer und dunkler werden, im Gewande des
Rechts.") Gegründet auf die Worte, die der Herr der Kirche
nach seiner Verheißung am jüngsten Tag zu den Gerichteten
1) VgI. hierzu Rob er t v o n Pöhlmann,
Geschichte der sozialen
Frage und des Sozialismus in der antiken Welt. Bel.
1912. S. 437 If.
462. 491. Das Buch ist dadurch bemerkenswert, daß es am Schluß 57
Seiten dem Christentum widmet als der "größten Massenillusion der
Weltgeschichte" (S. 644), ohne auch nur mit einem Sterbenswort der
Werke der Barmherzigkeit zu gedenken. Gegen diese Einseitigkeit wendet
sich mit Recht Ernst
Troeltsch,
Die Soziallehren der christlichen
Kirchen und Gruppen. Bd. I 1912. S. 32. Über Luxus und Elend auch
Ludwig Friedländer,
Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms P.
1919. S. 158ft. Hinsichtlich der Kornverteilungen Rostowzew
unter
Frumentum VIII. bei Pauly-Wissowa,
Realenzyklopädie der klassisehen Altertumswissenschaft.
Bd. 7. 1910. Sp. 172ft.
2) Dies unterstreicht sehr stark Troeltsch,
a. a. O. S. 134ft. Abschwächend Adolf Harnack,
Das Urchristentum und die sozialen Fra.
gen. Preuß. Jahrb. Bd, 130. 1908. S. 456. Basilius d. Gr. in seinem be.
rühmten Rechtfertigungsschreiben
an den Rector provineiae (372) hebt
den usus communis seines Xenodoehiums für die Provinz hervor. :Migne,
Patrol. Graeca. 32 col. 487.
3) Den Wandel hebt hervor G. Uhlhorn,
Die christliche Liebes.
tätigkeit. Bd. 1. 1882. S. 117. 198. 207. Es ist in doppelter Hinsicht,
nach Form und Inhalt,
beachtenswert,
daß die älteste kirchliche
Rechtsquelle, die um die Mitte des zweiten Jahrhunderts
entstandene "Lehre der zwölf Apostel", sich ausführlich mit der Gastfreund.
schaft befaßt.
Ausgabe von Adolf Harnack
in: Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur.
1. 1884.
S. 48. XII 1-4.
n.
n.
Die Xenodochien
in Italien
3
und Frankreich.
reden wird 1), wird diese Gastlichkeit als die höchste aller
christlichen Tugenden gefeiert, von den Episteln des Neuen
Testamentes 2) und dem ersten Clemensbriefe 2) an über die
Schriften der Väter3) und die alten :Mönchsregeln 4) bis hinein
in die Konzilien und Kapitularien der Karolingerzeit.s) Im
Glauben und in der Gastlichkeit sind die Jünger Jesu
Christi unter sich und mit ihrem Haupte zur Einheit der
1) nIatthäus 25, 31-46.
Daneben spielt auch Genesis 18 (Abraham
und die Engel) eine Rolle.: C~ssiani
Co~tiones
XXIV. liber XIV. ~.
C rpus scriptorum eeelesmstJcorum Latinorum vol. 13. p.400.
Ruho.
H'
toria
monachorum
cap.7.
Mig
nc,
Patrologia
Latina
vol.
21.
nus,
15
col. 418.
2) Belege bei Adolf
von Harnack,
. .
MISSIon und Ausbreitung
des
Christentum:'
Bd. P. HJl5. S. ~83 ~nm. 2:
.
3) Sancti Eusebii Hieron~nu StndonensIs. pre~bYU:fl operum Tomus
VII. ed Vallarsi.
Veronae 1137: ~~mentanus
m ~plStolam ad Titum
cap. 1. col. 701: Ante omnia h~splta~tas fu~uro episcopo dcn~ntiatur.
Si cnim omnes iIlud de Evangelio au~e desiderant: Hospes fui et SUBcepistis me, quanto ma?is epis~opus, curus domus omnium commun~ ~se
debet hospitium?
UlCUS emm un~m aut duos aut paUCOBrecipiens
.
lebit hospitalitatis officium. EPISCOPUSnisi omnes receperit, inhuImp
..
manus est. Danac h S . I'd
SI on. H'ispa Iensis. eplScopl
opera omma. T om. VI.
!Wmae 1802 ed. Franciscus
Lorcnzana.
De ecclesiastic is officiis liber
Il. cap. V. De saccrdotio. p. 423. In quo etiam hospitalitas ita erit
praecipua, ut ornnes cum benignitate et charitate suscipiat.
4) Sancti Benedicti Regula Monachorum, cd. Cu t.hb e r t ua Butler.
Friburgi Brisgoviac 1912. cap. 53. p.90. Omnes supervcnientcs hospites
tamquam Christus suscipiantur, quia ipse dicturus est: Hospis fui et
susccpistis me. Regula monachorum Fructuosi cap. 10, ed. Lucac Hols t c n i i Codex regularum monasticarum et canonicarum. I. 1759. p. 204.
Hospitibus vel peregrinis fratribus cum summa revercntia charitat.is et
administrationis
obsequia sunt praebenda.
,) Concilium Matisconense (585) can. 11. )1. G. Conc. I. p. 169.
Sectatores nos hospitalitatis esse non solum Dominus Jesus admonet,
cum se dicit in hospidem receptum fuissc, sed ctiam eiuslapostolus omnibus paene suis pracceptis, - Cap. missorum generale (802) cap. 27. M. G.
Cap. I. p. 96. - Cone. Aquisgranense (816). can. 9. In quo' etiam
et hospitalitas ita erit praecipua, ut ornnes cum bcnignitate et charitate suscipiat.
Si enim omnes fideles etc. (wie Hieronymus oben in
Anm. 3); can. 14J. Cui committi debeant stipendia pauperurn.
Evangelicis atque apostolicis instruimur documentis in colllgendis hospitibus ante omnia operam dare . . . :M. G. Conc. 11. p. 325. 416.
Episcoporum ad Hludowicum Imperatorem Relatio (829) cap. 7. M. G.
Cap. H. p. 31.
.
1*
Walther
4
Schönfeld.
Kirche als einem Leihe zusammengeschlossen.l)
Gäste,
hospites, aber sind alle, die der Heimat entbehren, die
Armen, Kranken, Schwachen, Witwen und Waisen so gut
wie die Wanderer und Pilger.s)
Für die Kirche sind die
pauperes et peregrini eine Klasse, eine Sorge.t)
Sie zu
pflegen ist das Amt des Bischofs und seiner Gehilfen, vornehmlich der Diakone 4), aber auch die Pflich t eines jeden
Christen überhaupt, sind sie doch selbst, alle ohne Ausnahme,
nur Gäste auf Erden.s)
In den Wohnungen des Bischofs
1) VgI. dazu Zahn,
Weltverkehr
und Kirche während der drei
ersten Jahrhunderte.
1877.
2) Hincmari archiepiscopi Rhemensis capitula ad prcsbyteros pa.
rochiae suae cap. 10: Ut curam hospitum, maxime pauperum atque
debilium, orphanorum quoque atque pcregrinorurn haboat, hosque .ad
prandium suum quotidie juxta possibilitatem convocet, eisque hospitium
compctentcr tribuat. M.a n s i, Sacrorum Coneiliorum nova et amplissima
collectio XV col. 477. - Smaragdi Ahbat.is cornmcntarius in rcgulam
S. Bcnedicti cap. 53. Hinc et Apostolus nos inter caetera hortatur
dicens: "H6spitalitatem sectantes"
(Rom. 12). Dicens enim sectandam
esse hospitalitatem,
non illud solurn ostendit, ut venientcm ad nos ha·
spite m suscipiamus, sed et requiramus et solliciti simus et sectemur ae
perquiramus ubique hospites, ne ubi forte in platcis sedeant, ne extra
tectum jaceant.
Migne, Patrologia Latina 102 col. 890. - Daß die
Armen tatsächlich auf den Plätzen herumlagen, bestätigt Capitulare
N 2332 (789) M. G. Cap. 1. p. 64. Damit vergleiche man die Frage Martials,
warum sich solche Leute nach einer Wohnung umsähen, da sie ja "auf
der Brücke" umsonst wohnen, - Friedländer,
a. a. O. I. S. 159 um zu erkennen, wie es um die "größte Massenillusion der \Veltgeschichte" (Pöhlmann)
steht.
3) Andreas
Thiel,
Epistolae Romanerum
pontificum.
I. 186S.
p. 380. Epistula 15 (Gelasius 494): De reditu vero ecclesiae vel oblatione
fidelium quatuor faciat portiones: quarum unam sibi ipsi retineat, alterant
clericis pro officiorum suorum sedulitate distribuat, tertiam paupcribus
et percgrinis, quartarn ecclesiasticis fabrieis noverit reservandam.
Das
wiederholt Richin der Regula Bencdicti cap. 53, im Liber diurnus, form. 6
(Ausgabe Th. Sickei, 1889. p. 6), M. G. Cap. I. N 3322 (802), p. 96; K 36 7
(812), r- 106;
N 29710 (858), p. 427 und in ungezählten Privaturkunden.
VgI. dazu Glrieh Stutz,
Geschichte des kirchlichen Benefizialwesens.
Bd. 1. 189,,). K 27ft 215 mit Anm. 75.
4) Vgl. hierzu August Leder, Die Diakone der Bischöfe und Presbyter und ihre urchristlichen Vorläufer 1905, Kirchenrechtl.
Abh. herg.
von S tu t z , Heft 2:lj24, S. 3 ff. 18 ff.
") In diesem Sinne sehr schön Augustinlls im 111. Sermon: Agnoscitc
hospitali1:.,tt"Il1, per hanc per\'entum est ad Dellm. Suseipis hospitem.
n.
Die Xenodochicn
in Italien
und
Frankreich.
und der Gläubigen ist den Heimatlosen eine Stätte bereitet
um Oot teslohn.') Die Gastfreundscbaft cler vorchristlichen
Zeit dient Handel und Gewinn 2), die hospitalitas der Kirche
Christus und der Seele.
)Ut dem vierten Jahrhundert beginnt auch in dieser
Hinsicht eine neue Epoche. Das Massenelend ist so groß
geworden, daß es in der bisherigen Art und Weise von Person zu Person nicht mehr bewältigt werden kann. Die Anerkennung der Kirche durch den Staat gibt elen Weg zu
neuen Formen frei. Aus der Armen-, Kranken- und Fremdenzelle, die wir uns im Hause des Bischofs und so manches
Christen denken müssen, entsteht das selbständige Armen-,
Kranken- oder Fremdenhaus, das ptochium, nosokomium
oder xenodochium, die öffentliche Anstalt, die alle oder bestimmte Arten der Iiospites versorgt.3) In mancher Nachricht der Überlieferung ist dieser Vorgang zum Greifen
deu tlich. 4) Daneben bleibt die hospitalitas alten Stils noch
cuius et tu es comes in via: quia omnes peregrini sumus.
V. _',[aurinerausgabe col. 563.
1) Georg
1884.
Ratzinger,
Geschichte der kirchlichen
Operum Tomus
.Armenpßegc 2.
S.80ff.
~) }{u dol ph v o n Jhering,
Die Gastfreundschaft
im Altertum,
Deutsche Rundschau.
Bd. 51. 1887/88. S. 379. 395. "den Armen ließ
man verhungern, den Schuldner schlachtete man, den Fremden hegte
unci pflegte man. . ..
Das Motiv, welches die Gastfreundschaft
im
Altertum ins Leben gerufen und sic zu dem gemacht hat, was sie ward,
war nicht ethischer, sondern praktischer Art, nicht das uneigennützige
der Monscbcnliebe, sondern das egoistische der Ermöglichung eines ge.
sicherten Handelsverkehrs. " Ebenso urteilen Schrader , Reallexikon
der indogermanischen Altertumskunde 1901. S. 272f. und R. Leonhard
bei Pu.u ly-Wis so wa , a. a. O. Bd. 8. 1913. Sp.2495.
3) So stellt sich Ra tzinger S. 132. 139ff. die Entwicklung vor, sicher
mit Hecht. \Vas Uhlhorn,
1. S. 318f. dagegen einwendet, istganz unklar.
4) In den Acta Archelai cap. 3. erzählt Hegemonius (Ausgabe
Charles Henry Bc cso n. 1906. p.4) Et quid amplius dicam j Amator
pauperum l\Iarcellus cognominatus est domusque eius peregrinorum et
pauperum hospitium dicebatur, - Paulinus von Kola schreibt an seinen
Freund Sulpicius Severus: domus tuac hospcs es, ut sit hospitiurn domus.
Corpus script. eccles, Latin. '"01. 29. p. 204 N 24. - Von Pelagius
(579-590) schreibt der Liber pontificalis (ed, L. Du ch ean e I, P: 309):
Hic domum suam fecit ptochium pauperum senum. - So erklärt sich auch,
wie mir scheint, daß man zuweilen für Fremdenhaus und Fremdenzello
n.
6
Walther
Schönfeld,
jahrhundertelang bestehen zum Zeichen ihrer Unentbehrlichkeit.l)
Die Wiege der Xenodochien, ~GV(jj1lf:~, ~GVo(joxeia schon der Name zeigt es an - hat im Osten des Reiches
gestanden.P) Wie in den Acta Archelai"), jener Hauptquelle
für die Erkenntnis des Manichäismus, ausführlich berichtet
wird+), gründet in der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts
ein ebenso frommer wie reicher Christ namens Mareellus
an der Straße von Mesopotamien nach Persien fünf hospitia
zur Aufnahme von Armen und Fremden je eine Tagesreise
vonei~ander entfernt, und um das Jahr 356 wird einem
dasselbe Wort gebraucht.
Zur Zeit des heiligen Remigius heißt es auf
dem Grabmal eines gewissen Attolus: Is struxit bis sena suis xenodochia
rebus (Ed mo n dIe Blant, Inscriptions chretiennes de la Gaulei. p. 442),
was Emile Lcsne, Histoire de la propriete eeclesiastique en France. 1910.
p. 402 mit Recht auf eine Anstalt zu 12 Plätzen, J oseph Zettinger,
Die Berichte über Rompilger aus dem Frankenreiche bis zum Jahre SOO.
1900. H. IS auf zwölf verschiedene Häuser, eine nahezu unmögliche Vorstellung, bezieht. In einer Privaturkunde - Il Regesto di Farfa H. P: 72.
N75 (768) - erklärt derStifter : et pro nostra anima orent et pro nobis,
et peregrinos vel minus potentes ibi suscipiant, et senodochias ibidem
faeiant in ipso saneto monasterio.
1) VgI. Concilium Turonense (567). M. G. Cone, I. p. 123. can. 5. Karoli regis Mandatum ad Arnonem archiepiscopum Salisburgensem directurn cap. S. M. G. Cone. II. p. 214. - Formulae Marculfi N 49. M. G.
Formulae p. 104. - Capitulare missorum generale (802) cap. 27. Precipimusque, ut in omni regno nostro neque divitibus neque pauperibus
neque peregrinis nemo hospitium denegare audeat, id est sive peregrinis
propter Deum perambulantibus
terram sive cuilibet iteranti propter
amorem Dei et propter salutern animae suae tectum et foeum et aquam
illi nemo denegat. M. G. Cap. 1. p. 96. - Coneilium Aquisgranense (816)
can. 9. 1\1. G. Cone. H. p. 325.
2) Leo n Lallemand,
Histoire de la Charite tom. H. 1903. p. 127ff.
3) Vg!. oben S.5 Anm. 4.
4) Cap. 3 P: 5. Si quando enim ad vesperam velut peregrinans
ad hospitium pcrvenisset [se. Turbo, der Bote des Manes], quae quidem
ipsa diversorla hospitalissimus Marcellus instruxerat, . ..
Diese lateinische Übersetzung des verlorengegangenen , in der ersten Hälfte des
vierten Jahrhunderts
verfaßten Originals stammt aus der Zeit von
392-450, wie Ludwig Traube, Acta Archelai, in Sitzungsberichte der
philos. philol. hist. Klasse der k. b. Akademie der Wiss. zu München,
Jahrgang 1[103, S. 548 nachgewiesen hat. Viel zu früh, in das dritte Jahrhundert, setzt das Werk Theodor
Zahn a. a. O. S. 24 mit Anm. 18_
Die Xenodochien in Italien
und Frankreich.
i
Priester Aerius 1) von seinem Bischof die Sorge für ein
Xenodochium
in Pontus übertragen,
woran die wichtige
Bemerkung geknüpft wird: Eins modi quippe domicilia
prae amore erga hospites ab ecclesiarum antistibus excitari
solent, in quibus mutilatos et imbecillos collocant, iisque
ad victum necessaria pro virili suppeditant.
Hierbei haben
vermutlich
die antiken privatwirtschaftlich
betriebenen
Herbergen in Ortschaften,
an Straßen und Kultstätten
zum Vorbild gedient.s)
Der Verweltlichung der Kirche im vierten Jahrhundert
folgt wie dem Licht der Schatten die Wcltfluch t., zuerst im
Anachoreten-, dann im Mönchturn.
Daher der Gegensatz
von Kirche und Kloster, wenigstens zu Anfang.t)
Aber
sind sie auch feindlich, so sind sie doch Brüder.
Als Paohomius, der Begründer des l\Iönchswesens, in die Einsamkeit geht, erklärt er ausdrücklich 4), daß er damit nicht nur
die Welt, sondern auch die bis dahin an den Fremden und
Armen geübte Gastfreundlichkeit
aufgeben und der Kirche
samt ihren Gläubigen überlassen müsse. Aber schon in der
äthiopischen Fassung seiner Regel, die wir als deren älteste
und auf ihn selbst zurückgehend ansehen dürfen 5), wird
der Behandlung der Fremden wieder gedacht.
Freilich
sollen sie um der Abgeschiedenheit. der Brüder willen nicht
mit diesen im Kloster, sondern in der Vorhalle versorgt
werden."]
Aus dieser Vorhalle hatsich
dann infolge des
1) Sancti Epiphanii Panarii liber Ill. tom. 1. haer. 75, 1. Corpus
Hacrcseologicum, ed. Fra n z 0 eh 1er, IT. 1. p. 177.
2) Vg!. bierzu Friedländer,
19 S. 345fT., Erich Ziebarth,
Beiträge zum griechi£chen Recht, Zeitschrift für vgl, Rechtswiss. Bd. 19.
1906. S. 291 If. 296.
3) Kar! ~Iüller, Kirchcngcschiclite. Bd. 1. 1892. S. 215.
4) Georg Grützmacher,
Pachomius und das älteste Klosterleben. 1898. S. 44.
5) Grützmacher
S. 122.
ö) Nach der Übersetzung von Ed uard König - Theologische Studien und Kritiken. Jahrgang 1878. S. 326 - lautet die Regel: "Und wenn
ein Fremder aus einem andem Kloster ankommt, welches nicht eine
solche Ordnung hat, so soli er wedcr mit ihnen cssen noch trinken, noch
soll er in ihr Kloster eintreten, außer wenn sie sich auf der Straße getroffen
naben. Aber wer zu ihnen kommt, um zu bleiben, auch den sollen sie
dicht in ihre Gemeinde aufnehmen, ehe er drei Jahre vollendet hat, sonhem sie Bollenihn in der Arbeit als Knecht verwenden, und dann, wenn er
8
'Valthcr
Schönfcld ,
starken Fremdenverkehrs das Xenodochium vor der Pforte
des Klosters entwickelt, von dem schon Rufinus+) und Palladiuss)
in ihren Mönchsgeschichten, Hieronymus s] und
Cassianus 4) in ihren Ausgaben ägyptischer Mönchsregeln,
sämtlich um die 'Wende des vierten zum fünften Jahrhundert 5), so ausführlich berichten.
So treten uns gleich im Anfang der Bewegung die drei
Mächte entgegen, die das Xenoclochienwesen fast ein Jahrtausend lang ausschließlich getragen haben, die Kirche,
das Kloster, die Gläubigen. Aber wir werden doch einen
Unterschied feststellen dürfen.
Bei der Kirche und den
Gläubigen ist das selbständige, räumlich abgesonderte
Xenodochinm mehr eine zufällige, bei den Klöstern dadrei Jahre vollendet hat, soll er eintreten." - S. 329. "Und wenn einer
aus der \Vclt kommt, um Mönch zu werden, so mag man ihn zuvörderst
das Gebet des Evangeliums lehren, und sodann mag man ihn den Palmengesang lehren, und er bleibe also in der Vorhalle, während er in der Ordnung und Festsetzung der Brüder belehrt und erprobt wird, und sodann
also mag man ihn spine Weltkleider ausziehen und ihn Kleider des
)Iünehs anziehen lassen."
1) Historia monaehorum - l\ligne, Patrol. Lat. 21. col. 391. 439 cap. I. De saneto Joanne (seil. Johannes van Lyeopolis). Collum sane hospitalem cxtrinsecus fieri permisit, in qua adventantes e longinquis regionibus paululum requiescerent, ipse vera intrinsecus solus, soli Deo vacans,
non diebus, non noctibus a eolloquiis Dei et oratione cessabat, - cap. 17.
De monastcrio abbatis Isidori ....
Hie ergo senior in janua, ubi ipse
eommanet, adhaerentcm sihi habebat hospitalem eellulam, in qua ad.
ventantes hospitio recipiat et omni humanitato rcfoveat,
2) Historia Lausiaca. - ~ligne,
Patrol. Grace. 34. col. 1021 _
cap. 7: In hoc monte Nitriae una est maxima ecclesia. . . Prope ecclesiam autem positum est Xenodoehium, in quo venientcm hospitem toto
tempore accipiunt.
3) S. Eusebii Hieronymi Stridonensis presbytcri translatio latina
regulae sancti Paehomii - l\1ignc, Patrol. Lat. 23. col. 70 - cap. 50:
Nemo manens in monasterio suscipiendi quernpiam ad vescendum habeat
potestatem; Ilea his mittet cum ad ostium xenodochii, ut suscipiatur ab
his, qui huie rei pracpositi Bunt.
4) .Iohannis Cassiani Conlat.cncs XXIV.
Corp. script. cccl. Lat.
vol. Xlll. p. 400. 515. libcr XIV. 4. XVIII. 7. - De institutis coenobiorurn libel" IV. 7. Corp. script. cccl. Lat. vol. XVII. P: 52.
5) Er w in Preuschcn,
Palladius und Rufinus. 1897. S.204, und
Ri c h a rd Reitzenstein,
Historia l\lonaehorum und Historia Lausiaca 19Iü.
Die Xcnodoch ien in Italien
und Frankreich.
9
gegen eine notwendige Art ihrer hospitalitas, bei jenen durch
die Umstände des Falles, bei diesen um der Abgeschiedenheit willen durch die Natur der Sache bedingt. So erklärt
sich, zu einem guten Teil wenigstens, um das gleich hier
vorwegzunehmen, daß man jahrhundertelang monasterium
und xenodochium zwar unt erscheidetl}, aber ihre Namen
sehr gern wechselweise für einander gebraucht") und beide
zusammen mit Vorliebe als einen Begriff3) betrachtet; und
dieses wiederum ist für die Verbreitung des Xenorlochienwesens von großer Bedeutung gewesen.
Vom Orient verpflanzt. sich die Einrichtung sehr bald
in das Abendland '), was bei der Ost und \Vest umspannen1) Codice diplomatico Longobardo, hrsg. von Carlo Troya,
vol. V.
:K 906 (ea. 765). Et si (quod non optamus) in deterius irrucrint qui de
codcm monastcrio, tune mutctur ipse monasterium in sincdochio. _
Pippini Italiae regis capitulare - ~I. G. Cap. I. p. 192 - cap. 3: Monastcria virorum et puollarum, tarn que in mundio palatii esse noscuntur, vel etiam in mundio episcopalcs seu et de reliquis horninibus
esse inveniuntur, distringat unusquisquo, in euius mundio sunt, ut regulariter vivant; simul et senodochia, cuiuslibet sint, fratres in omnibus pascantur iuxta iIIorum possibilitatem.
Ihre Selbständigkeit auch in M. G.
Cap. n. p. 79, 80. N 209 (845-S.'i0), :K 210 (845-850) cap.6 und 7.
2) ~I. G. Script. r. ~I. Ill. p. 164. Vita Sancti Eugendi Abbatis
cap. 21: Iste etiam, refutato archimandritarum orientalium instari, utilius
ornnes univit in medium.
Distructis namque ruansionum ediculis, uno
curietos secuni xcnodochio quiesccre fecit, ut quos causa unitac rcfectionis
una elaudebat aedicula, discretis quoque lectulis una ambiret et mansio,
cui tarnen lumen olei, sicut in oratorium, indeficiens prebebatur. Johannis
gesta episcoporum Xcapolitancrum cap. 50: Fabricavit et idem consul
cum coniuge sua monasterium sancti Cyrici et .Iulitae, in quo duodecim
statu it cellulas, quas hospitibus peregrinisquc censuit habitari.
l\I. G.
Scriptores rerum Langobardiearum et Italicamm.
p. 428.
3) Das wird sich später zeigen: unten S.20.
Vorläufig: Euagerii
monachi sentcntia ad cos qui in cocnobiis et xenodochiis habitant fratres
- Holsteniu s, 1. p.405 - eine erbauliche Betrachtung überdiePflichten
der Mönche ohne jede besondere Beziehung auf Xenodochium und Gastfreundschaft.
4) Spreitzenhofer,
Die Entwicklung des alten Mönchtums in
Italien. 1894. S. 8. verlegt mit dem Mönchtum auch das Xenodochienwesen schon in das dritte Jahrhundert.
Allein die Passio S. Bonifacii
martyris cap. II. 13 - Acta Sanctorum tom. 16. p. 283 -, auf die er
sic h beruft, ist schwer lieh ein zureichender Beweis. Es heißt dort: Beam
autem Aglacs abrenuntiavit mundo et pompis eius, uruversa quae passi-
10
Walther
Schönfcld ,
den Einheit der Kirche kein Wunder und den Zeitgenossen
noch lunge im Gedächtnis geblieben ist.1) Von der im Jahre
400 verstorbenen vornehmen Römerin Fabiola weiß Hieronymus zu berichten, daß sie "als erste" ein Krankenhaus
gegriindet habe, in dem sie die Kranken von den Plätzen
sammelte lind pflegte 2), und um dieselbe Zeit muß es gewesen sein, daß er an den reichen und frommen Pa mmachius
schreiben konnte: "Ich höre, daß Du im Hafen von Rom
ein Xenodochium errichtet hast." 3) Wenn aber in der
Historia Lausiaca c. 1194) der jüngeren Melania ohne jede
nähere Erläuterung nachgerühmt wird, sie habe "in occidente" -Kirchen, Klöster und Xenoclochien reichlich unterstützt mit dem, was sie dem Löwen Alarich entrissen habe,
so rechtfertigt das die Annahme, daß die letzteren um diese
Zeit im kirchlichen Bewußtsein schon recht fest eingebürgert waren 5), finden wir sie doch im fünften Jahrhundert
in dem entlegenen Noricum, im sechsten in Sizilien und Sardinien.")
Die bei der Errichtung dieser ersten Anstalten beteiligten Personen gehören samt lind sonders der um diese
Zeit im Abencpande einsetzenden l\lönchsbewcgung an.
Hieronymus ist bekanntlich einer ihrer Hauptförderer,
debut distribuens egenis. Einige Handschriften haben vor egenis: monasteriis quoque et xenodochiis. Dies ist wohl sicher spätere Einschiebung.
1) Passie Praeiecti episcopi et martyris Arverni (7. Jahrh.) cap. 16:
Xenodochium quoque in propriis rebus orientalium more secutus in loco,
qui Columharius dicitur, fabricare curavit. ~L G. S. r. 1\1. V. p. 235.
2) Epistola 77, 6 ad Oceanum.
Migne, Patrol. Iat, 22 col. 694.
3) Epistola 66, 11 ad Pammaehium.
)Iignc, Patrol. !at. ~2 col. 645.
. 4) Migne, Patrol. Grace. 34 co!. 1230. Die Vita Sanctae Me!aniae,
ed. Cardinal Rampolla,
1905 ergibt leider nichts weiteres.
5) Für die Klöster ebenso Hans von Sehubert,
Geschichte der
christlichen Kirche im Frühmittelalter
1921. S. 400. Die rasche Verbreitung der Xenodoehion bezweifelt Uh lh or n , T. S. 321.
6) Eugippi Vita Severini cap. 1. In usurn scholarum p. 12. Jedenfalls beherrschen sie unter Grrgor d. Gr. das Feld. ausweislieh seiner Briefe
nach Palermo - M. G. Ep. 1. p. 10 u. 11. p. 65 N 1. 9 (590) u. NIX. 35 (598)
- und Carales - 1\1. G. Ep. 1. p. 240 u, 258, N IV. 8 (593) u. N IV. 24 (594).
Sind sie aber in Sizilien und Sardinien anzutreffen, so werden wir sie auch
anderwärts annehmen dürfen, und es liegt nur an Zufälligkeiten der Überlieferung, daß wir nichts davon hören: Sardinien und Sizilien unters~ndcn
dem heiligen Stuhle unmittelbar.
Vg!. Stutz,
Benefizialwesen. S.26.
Die Xcnodochicn
in Italien
und Frankreich.
11
Pammachius, Fabiola, Melania hängen ihr begeistert an.l)
Wir werden daher vermuten dürfen, daß die Klöster, die
man jetzt so zahlreich gründete, soweit ein Bedürfnis und
das Vermögen dazu bestand, auch mit einem Xenodochium
ausgerüstet waren 2), nicht nur in Italien, sondern auch in
Gallien. In der Regula Benedicti (cap. 53) aus dem sechsten
Jahrhundert heißt es geradezu, daß die hospites dem Kloster
niemals fehlen. Diese Klöster leben, wie bekannt, zunächst
nach ihrer eignen, voneinander völlig unabhängigen Ordnung"), aber sie sind doch alle nach ägyptischem Vorbild verfaßt und, was an Regeln jetzt und in der Folgezeit Berühmtheit erlangt, das enthält samt und sonders mehr oder weniger
ausführliche Bestimmungen über hospites und hospitalitas.
So die Regula S. Basilii l\Iagni 4), die Conlationes Iohannis
Cassiani 5), die beide zu Anfang das Feld beherrschten 6),
dann die Regula Tarnatensis 7) des l\Iusterklosters Agaunum
(= St. Maurice) in der Schweiz."), die Regula Fructuosi "),
Isidori episcopi 10), Magietri 11), cuiusdam patris 12), namentlich
aber die vornehmste unter ihren Schwestern, die Regula
1) Grützmacher,
Realenzyklopädie für protestantische
Theologie
und Kirche (= R. E.) Bd. 133• 1903. S. 228, unter Mönchtum.
2) Ebenso Ratzinger,
S. 149.
3) von Schubert,
S.612.
4) Interrogatio 98: Pauperes venientes ad ostium et potentes, quo·
modo dimittimus?
Holstcnius,
I. p. 91.
5) oben S. 8 Anm. 4.
G) Spreitzcnhofer,
S.41f1.
7) Cap. 20. Feminae vestrum non frequentent habitaculum, sed
cum pro devotione sua, vel pro amore religionis vestrae expetierint monasterium, non eis eoncedatur interiores monasterii januas introire, sed in
oratorio aut in hospitali domo reddatur illis honor et gratia: non expectationis causa, sed pro constitutione regulae, vel monasterii disciplina.
Holstenius,
I. p. 185.
8) Dazu Theodor
Sickel,
Beiträge zur Diplomatik Ill, Wiener
Sitz.-Ber.
Bd.47 1864, S.5. 28.
8) Cap. 10. Holstenius,
p. 204. Vgl. oben S. 3 Anm. 4.
10) Cap.21. De hospitibus. Praebeantur eis habitacula. Ho Is ten ius,
p.197.
11) Cap.79. Cella peregrinorum scmote monasterio eonstituaturcum
lectis stratis, ubi supervenientes fratres, maxime ignoti, dormiant et
bisacias suas ponant.
Holstenius,
p. 277.
'
12) Cap. 3. Intra septa monasterii vel ostia nullum virorum omnino
vel foeminarum edere vel bibere permittant: sed omnibus advenienti~~s
foris in hospitali, prout honor exigit, per abbatissae ordinationem m1111strent. Holstenius,
p.394.
Walther
12
Schönfeld.
Benedicti.l) Selbst der karge Columban 2), der sonst über der
Sorge für das Seelenheil seiner Mönche alles irdische Wesen
vergißt, hat ein Wort dafür übrig, und was seine Schotten
für die hospitalitas in Klöstern und Hospitia geleistet haben,
bildet ein besonderes Blatt in der ruhmreichen Geschichte
ihrer Tätigkeit.") Unter diesen Umständen werden wir kein
entscheidendes Gewicht darauf legen, ob erst Cäsarius von
Aries (470-542), wie die herrschende Meinung 4), oder schon
Sulpicius Severus (3(jf>-420), wie Hauck
meint."), das
Verdienst zukomme, das erste Hospital in Gallien errichtet
zu haben.
'Vas Pa.ulinus von Nola in diesem Betreff an
Sulpicius Soverus sclrreibt "}, ist schwerlich ein zwingender
Beweis für die Ansicht Haucks,
und jedenfalls gab es
schon im vierten Jahrhundert auch hier Klöster und damit
wohl auch Xenodochien.")
1) Cap. 53. Dc hospitibus suscipiendis. Darin ist ausführlich von der
cella hospitum die Rede; vgl. auch Cap. :ll. De cellarario monasterii
qualis sit. Cap.5G. Dc mensa abbatis. Cap. 61. De monacbis percgrinis
qualiter suscipiantur.
Cap. 58. De disciplina suscipiendorum
fratrum.
Butlcr, p. 61. 90. os. 106. Dazu Grützmacbcr,
Die Bedeutung Benedikts von Nursia und seiner Regel. 1892. Besonders S. 49. 54ft, wo die
Verbreitungsgeschichte dargestellt ist.
2) Regula coenobialis (nach Sccbass,
Zeitschrift für Kirchengeschichte. IM. 17. 1879. S. 225): Procuret oeeonornus de humanitate
advenientibus adhibcnda, tarn pcregrinis, quam reliq uis fratribus et omncs
Irat.ros parati Hint ad ministrandum cum ornni famulatu propter Deum.
Quamvis oeconomus non scnscrit, aut praesens non fuerit, caetcri faeiant
d iligenter, quod nccesse est et custodiant utensilia eorum, donee assignent
ea parata custod i. Sin autem ncgk-xerint, poenitcntia de his, ut videatur,
adhibcri ad iudicium sacerdotis.
3) Carl .Io h, Greith,
Geschichte der altirischen Kirche.
1867.
x,
155.
4) Car! Franklin
Arnold, Caesarius von Arclate. 181)4. S.395.
") In It. E. Bd. 213• 11)08. S. 439 unter Wohltätigkeitsanstalten.
6) oben S. 5 Anm, 4.
7) EdgarLoening,
GeschichtedcsdeutschenKirchcnrechts.
Bd.1.
18i8. S.340. C. A. Bernoulli,
It. E. Bd. 123• 1903. S. 390, unter Martin
von Tours, der gegen ~iO bei Poitiers "vielleicht" die erste klösterliche'
Organisation des Abendlandes gründet. Julius Schlosser,
Die Abendliindische Klosteranlage des frühen Mittelalters. 1889. S. 6, beruft sich
auf eine Stell!' in der Vita S. l\lartini des Sulpicius Severus H. 1: Oratoria
Jla~sim iJina, aliquando tcrna, immo et plum, princeps non raro basilica
YocaiJatur, ct ecclesia. Alia oratoria erant pro infirmis et pro iis, qui aut
Die Xcnodochicn
in Italien
und Frankreich.
13
Ob die Kirche mit den Gläubigen und Klöstern von
Anfang an in Wettbewerb gestanden hat, wie im Orient,
läßt sich bei der Dürftigkeit der Überlieferung mit Sicherheit nicht entscheiden. Prudentius will schon in der zweiten
Hälfte des vierten Jahrhunderts große Mengen von Pilgern
aller Völker in Rom gesehen ha ben 1), und ein Schreiben von
Papst Symmachus'') an Cäsarius von Arles (1514)bestätigt
das für seine Zeit. Vielleicht hat die Kirche an der Sorge
für ihre Unterkunft sich beteiligt; Nachrichten davon erhalten wir freilich erst später. Von dem eben erwähnten
Symmachus berichtet das Papstbuch 3), er habe zu St. Peter,
St. Paulus und St. Laurentins elen Armen habitacula errichtet, und ebendort 4) steht, Stephan H. habe in Rom im
Jahre 752 vier alte, seit langen Zeiten verfallene Xenodochien
wiederhergestellt.
Suchen wir einen Überblick über die Verbreitung der
Xenodochien in der Folgezeit zu gewinnen, so ergibt sich
uns ein sehr verschiedenes Bild: In Frankreich erreicht sie
im sechsten und siebenten Jahrhundert den Höhepunkt"),
sccretis orare aut e communi coetu secedcre volebant, processu temporis
etiam unum pro famulis, mit dem Bemerken: "Das ist wohl die erste
Spur der Spitalkircne".
Aber diese Vita Martini ist bekanntlich .0(Tanz
wertlos - Ad. Harnack,
R. E. Bd. 193• 190i. S. 158 unter Sulpicius
Severus - und jedenfalls enthält sie von dem angefübrten Zitat kein
Sterbenswort.
Sie hat überhaupt nur ein Buch. Sulpicii Severi Vita
Sancti :Martini (cap. 1-2i).
Corpus Script. eccl. Lat. vol. 1. p. 107-137.
1) Carmina Peristophanon
Hymnus 11. Mig n e , Patrol. Lat. 60
col. 550.
2) Migne, Patrol. Lat. 62 col. 66.
3) 1. p. 263.
4) 1. P: 440. Mox vero restauravit quatuor in hac Romana urbe sita
antiquitus xenodochia, quae a diuturnis et longinquis temporibus destituta manebant.
5) Eine reiche, wenn auch nicht vollständige Übersicht der Xenodochien Frankreichs gibt Lesne, p.401ss. Zur Ergänzung mögen dienen
die Angaben bei Al be rt Ha u ck , Kirchengeschichte Deutschlands Ir. 3. u. 4.
1912. S. 291 Anm. 3. - In der folgenden Zusammenstellung bedeutet
"g" die Gründung. Aus dem fünften Jahrhundert: ArIes, 1\1. G. S. r. M.
Ill. p. 464 (470-542) g. - Aus dem sechsten Jahrhundert: Athies, .M. G.
S. r. M. n. r- 366 g; Bordeaux, :M. G. S. r. :\1. 1. 1 p.255; Casa Cajani:
Pardessus,
Diplomata, Chartae, epistolae, leges I N III (528) g (bei
Saint-Calais); Chalons, 1\1. G. S. rer. M. 1,2
803 g; Flcury·en-Vexin,
r-
Walthel'
14
Schönfeld ,
um dann, trotzdem der Pilgerverkehr eher zu-, als abnimmt'), sehr bald schroff abzufallen; in Italien ist es umgekehrt. Dies findet, in der allgemeinen Landes- und Kirchengeschichte seine Erklärung.
Während in Gallien die
Franken, nachdem sie uno actu vom Heidentum zum Katholizismus bekehrt worden sind, die Kirche und ihre Einrichtungen übernehmen 2), so wie sie sind, zerstören die arianisehen Langobarden bei ihrem Einfall in Italien blindwütig,
was noch zu zerstören ist.3) Die Nachrichten des Papstbuches über die Wiederherstellung zerfallener Xenodochien
im achten und neunten Jahrhundert
reden eine laute
Sprache.") Aber bald wendet sich die Wage. Den Umschwung bringt dort der fortschreitende Untergang der
~L G. Script. n. p. 275 g; Le :\Ians, Acta sanctorum tom. 16 p. 604 g;
Lyon, ~1. G. Cone. I. p. 105 pg; Heims, Le Blant, I. p. 442g. - Ausdem
sl'ebenkn Jahrhundert:
Autun, ~1. G. Ep, Il, p. 371 g; Columbarius bei
Clcrmont, l\I. G. S. r. ~I. V. p. 235 g; St. Denis, 2\1. G. S. r. l\I. II. p.411 g;
Le Mans, Acta sanctorurn tom. 21 p. 701 g; Longyon, l\Iittelr.oeinisches
Urkundenbuch
T N 6; Maastricht, ~h:tz, beide wie vorher; Nivelle, .M. G..
S.r. ~1.Il. p.458g; Poitiers, Pard e s s us II N 438 g; Pontlieue, Pardessus
IN2:10; Rebais, Acta sanctorum tom. 40 p.585 g; Verdun, l\Iittclrhein UB.
IN 6; St. Wandrille, M. G. S. r. M. V. p. 628 g. - Aus dem achten Jahrhundert: Auxerre , M. G. Script. XIII. P: 394; Corbie, M. G. Script. II.
p, 530 g; Orleans, 1\1. G. Poetae Latini aevi 1. P: 554 g. - Aus dem neunten
.Iahrhundort : Mont-Canis, Historiae patriae Menumenta
Chartarum
IX 18 (825) g.
1) Vg!. darüber Joseph
Zcttinger,
S. 47ff. Ludo Mo r it.z Hartmann,
Geschichte Italiens im Mittelalter.
Bd. n, 2. 1903. S. 160ff.
Alfon s Do psch , Die wirtschaftlichen
und sozialen Grundlagen der
Europäischen Kulturentwicklung
aus der Zeit von Cäsar bis auf Karl
d. Cr. Bd.
1920. S. 212ft - Über Pilgerrecht Ernst l\Ieyer, Italienische Verfassungsgeschicbte.
Bd. I. 1909. S. 141 fI.
2) Kar! Müller,
I. S. 295.
3) Hans Graßhoff,
Langobardisch-fränkisches
Klosterwesen. Göttinger Pbil. Inauguraldissertation,
1907. S. 15fI.
') Stephanus 1I. (752-757). I. p. 440; oben S. 13 Anm. 4. Hadrianus
(772-795). 1. p. 505. Sergius n. (844-847). 1I. p. 92. Ipse vero almificus et beatissimus papa seolam eantorum
quae pridem orphanotrophcum vocabatur, cum prae nimia vetustate mm emarcuerat et pene in
mina posita atquo confracta a prise is temporibus videretur, Dei annuente
dementia,
a fundamentis
in meliorem, ut olim Iuerat , statim noviter
restauravit. Leo Ill. (795-816). II. p. 28.
n.
Die Xf'llodochien
in Italien
und Frankreich.
15
l\Ierovinger, ihres Reichs und ihrer Kirche"), hier der allmähliche Übertritt der Langobarden zum Katholizismus,
vollendet unter Liutprand (712-744).2)
Mit. dem Ende des
siebenten Jahrhunderts hören die Neugründungen in Frankreich im wesentlichen auf, fangen sie in Italien an.3) Das
Bindeglied bilden auch hier die Alpen-:') und Rheinländer.P)
1) Albert
Hauck,
Kirchengeschichte Deutschlands.
I. 3. u.~. 1904.
S.412.
2) Stu tz, Benefizialwesen S. 115.
3) Siehe unten S.17 Anm.7.
und die Frage ihrer Dauer Friedländer,
1. S. 316ff. 322ff., Do ps ch , II. S. 426fI. 445, wo sehr reichliche Literaturnachweise. - Einen guten Überblick auf Grund der Spezialliteratur gibt
P. H. Scheffel,
Verkehrsgeschichte der Alpen.
1914. S. 171ff.
Danach wurden drei Pässe im frühen Mittelalter bevorzugt: der MontCcnis (an Stelle von Mont-Genövrc und Kl, St. Bernhard in derRömerzeit),
der Septimer (an Stelle elf'S Splügen und Julier), namentlich aber der
~Ions Jovis, der nachmalige Große St. Bernhard. Darum finden wir auch
gerade auf diesen drei Bergen Xenodochien: Auf dem Mont-Ccnis von
Kaiser Lotbar 825 errichtet - Chartarum I.N 18 -; auf dem Septimer ( 1)
das scnodochium sancti Petri von Ludwig dem Frommen dem Bischof
von Cur 825 zurückgegeben - Codex diplomaticus Cur-Rätiens und der
Republik Graubünden I N 19 -; über die Streitfrage, die sich hinaiclrt.
lieh der Lagc daran knüpft, vgl, Ulrich Stu tz, Karls des Großen divisio
von Bistum u~d Grafs~haft Chur: Fe~tschrift für Zeumer 1909. S. 113/14
Anm. 2 und seither Fr it zF cc k lin , Urbar des Hospizes St. Peter auf dem
."rptimrf, H1l5. S. IV-nU, der an St. Peter in Wapitines bei Prada
denkt; auf dem Mons Jovis, in den Armales Bertiniani für das Jahr859 bei
der Hcichsteilung erwähnt - ed. in usum scholaruni 1883 D. 53. Außerdem
finden wir Hospize in Xoricum, schon im fünften Jahrhu~dert - Eugippi
Vita Severinicap.l. cd. in usum scholarum. p.12 -,imheutigen
Vorarlberg
- Kaiser Karl schenkt 885 einen Hof samt Kirche zur Rötis in Rätien
(bei Feldkireh) an St. Gallen ea videlicet ratione, ut deinceps de ipsis
rcbus semper XII pelegrini in monte Sancti Victoria pro mercede anime
nostrae proeurentur (U. B. v. St. Gallen II N642, Adolf
Helbok,
Regesten von Voralberg 1. 1920. N 92.) -; in Cur - Testament des
Bischofs Tello von Cur (766) C. dipl, Cur-Rätiens I N9; die Klage des
Bischofs Victor (823): distructa sunt synodochia vel pauperum susceptiones M. G. Ep. V. p. 309 N 7; U. B. St. Gallen II N 646 (885) Zins·
zahlung ad cellam hospitum des Klosters. N 727 (903) hospitium des
Klosters JoIltiwil; vg!. auch P. C. Planta,
Das alte Rätien. 1872. S.380.
_ In einem Schreiben an Karl d. Gr. redet Hadrianus 1. von den hospitales,
qui per calles Alpium siti sunt, pro peregrinorum susceptione M. G. Ep.
Ill. p. 623 N 87 (784-i9l).
.
6) Fulda, nach dem Vorbild von Monte·Cassino errichtet, V~ta.
Sturmi cap. 14 - :M. G. Script. TI p. 371 -, besitzt ein hospitale (Vlta.
4) Über die Römerstraßen
n.
1G
Waither
SchönIeld,
Was sich aus den besonderen Stiftungsurkunden ergibt, bestätigt die allgemeine Überlieferung.
In den fränkischen
KonzilschHissen 1) und Formeln 2) aus dem sechsten und
siebenten ,Jahrhundert gedenkt man der Xenodochien im
Vcrein mit Kirchen und Klöstern, ihres Vermögens und
ihres Errichtungsgeschäfts,
im achten herrscht tiefstes
Schweigen, und im neunten macht man Wiederbelebungsversuche, da offenbar ist, daß sie, insbesondere die von den
Schotten gestifteten, vollständig verfallen und verkommen
aind.P)
In der Gesetzgebung Italiens, den Volksrechten 4),
Leobao abbatissac, M. G. Script. Hi. cap. 23. p. 151). - Karl der Große
gründet in Aaehen ein hospitium. Monschi Sangalli gesta Karoli I. 27.
M. G. Script. 11. p. 744. Dazu Wattenbach,
Deutschlands Geschiehtsquellen im Mittelalter Bd, P. 1904. S. 207. Einhard
schreibt in der
Vita Karoll 1\Iagni, cap. 21: Amabat peregrines et in eis suscipiendis
magna m habebat curarn, adco ut eorum multitudo non solum palatio,
vorum ctiam regno non inmerito viderctur onerosa (in usum seholarum
1911. p. 26). - Beim St. Gerconstift in Köln gibt es ein hospitale - U. B.
davon NI (8(l6) -; ebenso beim Kloster Münstercifcl bei Prüm - Aeta
sanetorum ordinis Bcnedicti IV. l. p. 615 e. 19 (836 gegründet).
1) Concilium Aureliancnse (549) can. 13. M. G. Cone. 1. p. 104: Kc
cui liceat res vel faeultates ecclesiis aut monasteriis vel excnodociis pro
quacuroque elemosina cum iustitia deligatos retentare, aliena re adque
subtrahere.
Dazu Coneilium Agathense (506) Ma ns i, VIII. col. 325.
Ebenso Concilium Arvernense (549) can. 13. Br u ns , Canones Aposto.
lorum et conciliorum n. p. 217.
2) Formulae Marculfi
1. 1\1. G. Formulae P: 70. - Vg~. auch
Formulae Bituriccnses N 17 ebendort p. 177.
3) Konzile von Aachen 8IG und 836. - M. G. Cone.
p. 416 can.
141; p. 455 can. 28; p. 707 can. 3. - Concilium in Francia hahitum
(816-829) e. 7. M. G. Cone. n. P: 591 - Concilium Mcldense-Parisiensc
(845) (M. G. Cap. n. p. 408 can. 40): Admonenda est regia magnitudo de
hospitalibus,
quae tempore praedccessorum
suorum et ordinata et exculta fuerunt et modo ad nichilum sunt redacta.
Sed et hospitalia Scothorum, quae sancti homines gentis illius in hoc regno eonstruxerunt et
rebus pro sanctitate sua adquisitis ampliaverunt, ab codem hospitalitatis
officio Iunditus sunt alienata. Letzteres bestätigt ein von Hinkmar verfaßtcs Schreiben der Synode von Chiersy (858) 111.G. Cap.
p. 427
N 2971°. - Vgl. hierzu auch Ra t.z iug e r , S. 2·Hff. 271fI.
4) Liutprandi
leges 19. 1. (721), 73. IV. (726), Ahistulfi leges 16.
VIJ. 17. VIII. 18. IX. 19. X. (755) - ~1. G. Legum IV. p. 116. 137. 201.
202. -
n.
n.
n.
Die Xenodochien
in Italien
17
und Frankreich.
Konzilsschlüssen 1) und Kapitularien 2), erscheinen sie erst
mit dem achten Jahrhundert, dafür fehlen sie auch hier
während der nächsten drei Jahrhunderte nie. In den Bestätigungs-P], Schutz-J) und Immunitätsprivilegien 5) werden sie stets aufgeführt, mit Kirchen und Klöstern als eine
dritte Klasse der venerabilia oder pia loca, und wenn auch
in der Karolingerzeit über ihren und der Kirchen und
Klöster Verfall geklagt wird 6), ihr Bestand überhaupt ist
dadurch niemals in Frage gestellt worden. In und bei jeder
größeren Stadt ,sind sie anzutreffen.")
1) :M. G. Cone. n. p. 576 N 4623•
Concilium Romanum (826);
789 N 60. Concilium Teatinum (840).
2) M. G. Cap. I. p. 189 N 89 & (780-790),
p. 191 N
12 (7811),
p. 192 N 913 (782-786),
p. 195 N 92 3 (787), p. 198 N 941 (787), p.200
N 951 (790),
201 N 95 3 (790), p.210 N 102 9 (801-810),
p. 316 N 157 1
(822-823), p. 328 N 164 4 u. 7 (825), p. 332 N 166 1. 3 (825), p. 369 N 1796
(821), p. 374 N 18016• 21. 23. 26 (826). Cap. rr. p. 63 N 2021 (832), p. 69
N 204 5 (847), p. 79 N 209 (845-850), p. 80 N 210 6. 7 (845-850),
p. 104
N 2223 (889), p. 107 N 2245 (891), p. 116 N 228 15. 16 (850).
3) Codice diplomatico Toscano II N 21 (783).
') Farfa II N 216 (815).
6) Chartarum
I N 30 (861); N 118 (962).
6) Capitula re l\Iantuanum
(781 ?) can. 12: De sinodochiis volumus
adque precipimus,
ut restaurata
fiant, M. G. Cap. I. N 90. p. 191.
Wiederholt in N 92 3 p. 195 und X 94 1 (i87) p. 198. - Pippini capitular«
Italicum (SOl-810) I N 102 9 p. 210: Ut episeopi et abbates per sinodochia ct monasteria eorum ospitalem, ubi antiquitus
fuit, faciant et
summopere curent, ut nullatenus praetcrmittantur.
- Kaiser Lothar befiehlt 832 seinen missi, ut inq uirant de singulis monasteriis vel senodochiis,
qualiter a conditoribus ordinata sunt vel quomodo nunc permaneant
et
a quibus personis deteneantur.
:M. G. Cap. n. p. 63 N 2021• - Kaiser
Ludwig
(845-850) schärft das noch einmal ein, was die Bischöfe aufnehmen.
M. G. Cap. IT. p. 79 N 209, p. SO N 210 7 -. Für seine Diözese
der Bischof von Brescia in Historiae patriae Monumenta, Chartarum Ill.
Codex diplomaticus Langobardiae.
N 140 (841).
7) AusdemsiebentenJahrhundert:
Cremona, T roya IVN351 (686)g,
vgl. auch Chart. III N 797 (980). N 989 (1000). - Aus dem achten Jahrhundert:
Benevent, Troya
V N 779 (762)g; Gradate, Chart. III NIl
(745) g; Lucca, Toscano 1. 14 (720) g; Troya III N 476 (729) g; Toscano I
N 53 (757) g; Troya V N 809 (764) g; Troya
V N 867 (767); Mailand,
Chart.In
N 61 (787)g; Monza , Chart. III N39 (769)g; Nonantula, M. G.
Script rer. Lang. p. 567 g; Pavia, III N 21 (760) g; N 52 (774); pistoja,
TroyaIV
N621 (748); Rom, LiberPontificalisI.
p.397g, n. p. 25.57. M. G.
Ep. Il. p. 86.97. Mansi XII, col. 684. - Aus dem neuntenJahrhundert:
r-
oo
r-
n.
Zeitschrift für Rechtsgeschichte. XLIII.
Kan. Abt. XU.
2
18
Walthcr
Schänfeld,
§ 2.
2. Name und Arten.
An der großen Ausdehnung, die man dem Begriff der
hospites gegeben hat, nimmt auch der des xenodochium
id est hospitale+) teil.") Im Abendlande ist das xenodochium, seenodochium '}, senodochium 4), senodoxiolum 5),
sinodochium 6), sinodoxium 7), synodochium 8), exsenodochium"), exsenedotium Iv), exinodochium P}, oder welche barbarisierte Form sonst noch vorkommen mag, das hospitium 12), ospitium 13), domus hoepitalis+s}, hospitale l-) grundsätzlich eine allgemeine Herberge, für alle pauperes et
peregrini, die darin Platz haben. Ein Schreiben Alcuins,
in dem er den Erzbischof von York auffordert, Xenodochien,
d. h. Hospitäler,· zu gründen zur Aufnahme von pauperes
et perigrini l"), bestätigt. dies, da es doch offenbar mit Rücksicht auf die tatsächlichen Verhältnisse des Festlandes verfaßt ist. Dem zur Seite steht eine große Zahl von GrünBergamo, Chart. III x ne (830) g; Brescia , Chari.Ill
N 140 (841); Mai·
land, Chart. III N 287 (87fJ) g; !\eape),.:\1. G. S. T. Lang. p. 428 g. p. 44:3 g;
Placencia, Chart. III N 287 (879) g. Padova, Cod. dip!. Padovano I N 15
(874); Pavia, Chart. I N 49 (895), III N 276 (878); Salerno, Cod. dip!.
Cavensis I N 64 (868). - Aus dem zehnten Jahrhundert:
Gaeta Cod. dipl.
Cajetanus I N98 (998); ~lailand, Chart. III N 402 (903)g; Verona, Not.
Stor, delle Chiese di Verona 1. p. 153 (OO2) g.
I} SO in ~1. G. Ep. IV. r- 169 N I. 114 (796) und M. G. Cap. 1I. p. 427
10 (858).
2) Dies scheint mir als das Einfachere von Schuberts
(S. 701) Erklärung vorzuziehen.
3) 1\1. G. S. rer. Lang. p. 568.
4} Toscano I N 39 (749).
~) Pa r d es su s , II N 438 (696).
6) Chart. III N 52 (774).
7) Pardessus,
II N 438 (696).
8} M. G. Ep. V. p.309 N7 (823).
9) Mittelrhein
I N 6 (636).
10) Toscano
I N 39 (749).
11) M. G. S. r. M. IV. p.682.
12) Troya IV N 647 (750).
i3) Cavcmis T N 64 (868).
14} Mittelrhein
I N 441 (1120).
15) Armales Bertiniani
(in usum scholarum) p.53.
16) M. G. Ep. IV. p. 169 N I. 114 (796).
In den sog. arabischen
Canones von Nieara (~25), die in Wahrheit aus der Zeit nach Chalzedon
(451) stammen, heißt es: Ut fit in omnibus civitatibus locus separatus
pcrcgrinis, infirmis et pauperibus,
qui vocctur Xenodochium,
id est
bospitium pcregrinorum.
Ma.ns i, 11. col. 976. can.70.
Dazu J. K. von
Hcfe)c,
Conciliengeschichte
P. 1873. S. 364.
N 297
Die Xenodochien
in Italien
und Frankreich.
19
dungsurkunden, so daß eigentlich keine Belege angeführt
zu werden brauchen.") Wenn demgegenüber ein Kapitulars
aus dem neunten Jahrhundert
fein säuberlich besondere
Arten von Häusern nach Maßgabe der darin Versorgten
unterscheidet2),
so ist das in den tatsächlichen Verhältnissen, wie sie uns für das Abendland überliefert sind, nicht
begründet und lediglich eine gedankenlose oder prahlerische
Entlehnung ausder Epitome Juliani, jenerim Westenam weitesten verbreiteten abkürzenden Ausgabe der Novellen Justinians.8) Dies äußert sich auch darin, daß man den Namen
des Xenodochiums nicht selten mit dem der matricula 4)
n.
1) Vgl. etwa: Vita sanctae Geretrudis c. 3. M. G. Script. r. M.
P: 458: Item sanctorum ecclesias et alia praecipua aedificia ex fundamentis
construxit et orfanis, viduis, captivis, peregrinis alimonia cotidiana cum
omni largitate ministravit. Toscano 1. 1.14 (720) inveniatur esse peregrinus
recipiendum, pauperis vidua et orfanis consolandum. Troya, III N 432
(721) viduam, orfanum et pauperom consolandum, eginum et peregrinum
recipiendum.
2) M. G. Cap. I. p. 310 N 153 (826~) Nulla sub Romana ditione
constituta ecclesia vel exenodocbium vel ptochotropbium vel nosochomium vel orpbanotropbium vel gerontochomium vel brephotrophium vel
monasterium . . . . . . . Exenodochium, id est locus venerabilis in quo
pcrcgrini suscipiuntur. Ptochotrophiurn, id est locus venerabilis, in quo
paupercs et infirmi homines pascuntur. Nosochomium, id est locus venerabilis, in quo aegroti homines curantur.
Orphanotrophium, id est locus
venerabilis, in quo parcntibus orbati pueri pascuntur. Gerontochomium
id est locus venerabilis, in quo pauperes et propter senectutem solam
infirmi homines curantur. Brephotrophium, id est locus venerabilis, in
quo infantcs aluntur.
3) P. Krüger,
Geschichte der Quellen und Literatur des römischen
Rechts 2 1912. S. 401, 433.
4) Gesta Dagoberti I, regis Franeorum cap. 29 M. G. Script. r.
M.
P: 411: Nam et matriculam et senodochium ceteraque diversa
loca ad hoc ibidem instituit, ut pauperes utriusque sexus, sive etiam qui
sanctorum ope sanitate donari digni fuissent, in reliquum ipsius elemosinis
sustcntati, qui veIlent, in servitio ecclesie acsi pro gratiarum actione
permanerent. Pardessus,
I N230 (615): De Ponte leuga haec est matricuIa et xcnodochium in honorem sancti Martini: hoc est, matrieula sancti
Petri et Pauli et xenodochium quod est ad Pontern Leugae. Vgl, auch
Lesne, p. 381 ff. - Auf die damit zusammenhängende, noch nicht ausgetragene Streitfrage nach dem Wesen der matricularii gehe ich nicht ein;
der Stand der Meinungen bei Stutz,
Göttingisehe Gelehrte Anzeigen
1904 S. 4 Anm. 1 und neuerdings von Schubert,
S. 697ff. 702.
2'1'
n.
20
Walther
Schönfeld,
und diaconia+) zusammenstellt, zwei Einrichtungen aus
der Armenpflege. Am häufigsten freilich wird er mit oraculum und oratorium sowie mit monasterium verbunden 2), woraus sich ergibt, daß diese Anstalten sehr oft mit
einem Betraum ausgestattet und einem Verein von Geistlichen oder Mönchen überantwortet waren.P) Bei dem berühmten Hospital des Caesarius von Arles wird jenes als
etwas Selbstverständliches vorausgesetzt 4), in dem Capitulare de rebus ecelesiasticis von 825 von der Weihe der
Xenodochien im Verein mit der der Taufkirche und Bethäuser geredet.s)
Aber auch Ausnahmen von der Regel kommen vor.
Das "Xenodochium leprosorum" 6) kann wegen der Ansteckungsgefahr der Natur der Sache nach nur diesen Kranken dienen, und hin und wieder begegnet eine Anstalt, die
1) Troya III N 351 (686) ut ibi fit exenodochium ut diaconia in
.
infirmorum et Ilerccrinorum. Ebenso Troya,. III
N 476 (729).
suscepclOnc
1
.
_ Über die Diaconia vg!. Haeser,
Geschichte der ohristliehen Kranken.
pflege und Pflcgcrschaften 1857. S. 9ft'.
2) S. unten S. 33 ff.
.
.
.
3) Amedeus
Bondroit,
Do capacitate possidendi ccclcsiae neenon de regio proprietatis vel dispositionis dominio in patrimonio ccclo.
siastlco aerate merovingica (a 481-751).
Diss. iurid, hist, Lovanionsis
1900. p. 85 nimmt die Verbindung mit Klöstern für seine Zeit als Regel an.
Ebenso Lesne, p. 402 für den größten Teil der Xenodoehien. _ Für
Italien vgl. jedoch oben Seite 9 Anm. 1. Der Begriff des monasterium
schwankt übrigens. VgI. Grasshoff,
S. 59 und Franz Wickhoff,
Die
"monastcria" bei Agnellus. 1\1. I. e. G. Bd. 9. 1888. S. 34ff.
') Vita Caesarii episeopi Arelatensis 11. 20. M. G. Script. r. M. Ill.
p.464. Infirmis vero adprime consuluit subvenitque eis et spatiosissimam
deputavit domum , in qua sine strepitu aliquo basilicae opus sanctum
possint audire; lectos, Iectuaria, sumptos cum persona, quae obsequi et
medcri possit, instituit.
5) M. G. Cap. I. p. 332 N 1661: Placuit nobis, ut nullus episcoporum
de consecrationc neque dedicatione baptismallum ecclesiarum aut senodochiorum seu oracnlorum pretium quodlibet contra auctoritatem canonicorum patrum vel iuxta antiquam consuetudinem penitus acciperc prae·
sumat,
8) Gregorii episcopi Turoncnsis liber in gloria confessorum 1\1. G.
Script. r. .M. I. 2. P: 803 (Chalons). Solche Häuser bezeugt für Maastricht, Mete, Verdun in Mittelrhein. U. B. I N 6 (636), für St. Gallen in
S. Otmari Vita M. G. Script.
42 cap. 2. - Über ihre Einrichtung
handelt Lallemand,
a. a. O. Ill. 1906. p.285ff.
n. r-
_"
Die Xcnodochien
in Italien
und Frankreich.
21
nach dem Willen des Stifters nur bestimmte Arten von
Pfleglingen aufnehmen soll.'), wodurch freilich nicht ausgeschlossen wird, daß im Notfalle auch andere Berücksichtigung finden.") Eine Weltstadt wie Rom besitzt außer
mehreren Xenodochien 3) ein orphanotrophium
(Waisenhaus) 4), ein ptochium pauperum senum (Almen- und Altersheim}"), ein gerocomil1m (Altershaus)"), und nicht anders
werden wir es uns in den großen Klosteruntemehmungen
zu denken haben, wie etwa in St. Riquier 7) und Farfa,")
Davon abgesehen ist eine Sonderung nach Ständen
festzustellen, was ja der Kultur des Mittelalters durchaus
entspricht.
In seinem auf eigner Anschauung beruhenden
und darum als Quelle sehr wertvollen Kommentar zur
Regula Benedicti berichtet Paulus Diaconus 9), daß es zwei
voneinander getrennte Häuser gab, das eine für die VOl'1) Im siebenten Jahrhundert
gründet der Bischof Praeiectus in
Clermont ein xenodochium ita. tamen, ut' semper ibidem XX egroti
mcderentur, ut stipendia eibi acciperent, postquam vero convalescerent,
aliis locum curandi darent.
M. G. Script. r. :M. V. p. 235. cap. 16. _
Ebenso Pardessus,
II N 438 (696).
2) Im Jahre 787 gründet in Mailand ein Erzpriestor Datheus ein
"Xenodochium"
zur Pflege von Kindern aus Ehebruch bis zum voll.
endden achten Lebensjahr.
Dabei heißt es: et si forsitan de taIi pro·
creatione parvuli nati aut iactati non fuerint quibus ipsa quarta portio
tribuatur, tunc ex omnibus dentur cgenis, pauperibus, peregrinis. Chart.
HI N 61 col. 116.
3) Über ihren Kamen, illre Lage und Verhältnisse vgl. Kehr, Regesta pontificum Romanerum I. 1906. p. 155. Neben diesen Stiftungen
gibt es noch die scholac peregrinorum auf landsmannschaftlicher, genossenschaftlicher Grundlage, worüber Ferdinand
Gregorovius,
Geschichte
der Stadt Rom im Mittelalter V.s 1913 I. S. 411 zu vergleichen.
4) Liber pontificalis H. p. 92, dazu das Formular 97 im Liber
diurnus.
5) Liber pontificalis I. p. 309, gegründet von Pelagius (579-590).
6) Liber pontificalis I. p. 397, gegründet von Gregor
(715-731).
') wo täglich 300 Arme, 150 Witwen und 60 Kleriker versorgt
wurden, laut Inventar, abgedruckt bei Hariulf,
Chronique de l'abbaye
de Saint-Riquier, pub lie par Ferdinand
Lot. 1894. p. 307.
ti) Farfa ist Absteigequartier
der Kaiser und Könige, worüber ausführlich handelt H ugo in seiner Destructio Farfensis cap. 2 (Fonti per
la storia d'ltalia, tom. 33. p. 30).
8) Archi-Coenobii Casinensis monachi nunc primum edi~erunt 1880.
n.
Walther
22
Schönfeld,
nehmen, das andere für die Armen.tj
Dabei macht der
Scharfsinn, mit dem er dies rechtfertigt, seinem Ruf als
"eleganter Schriftsteller',' alle Ehre.s) Daß dies aber nichts
Vereinzeltes war, sondern allgemeiner Sitte entsprach, werden
wir den Plänen von St. Gallen 3) und Farfa 4) entnehmen
dürfen 5), welches auch immer ihre sonstige Bedeutung sein
mag. Auch die Constitutiones Hirsaugienses aus der Clunyer
Reforrnzeit bestätigen das.P) Dort erfahren wir, wer zu den
Vornehmen gerechnet wird, in erster Linie, was sehr bezeichnend ist, der zu Pferde kommt, dann die Mönche und
einige ausgezeichnete Geistliche und Frauen.")
1) Ad. cap. 53. p. 417. Pulehre dixit "congruus honor exhibeatur''.
quia "omnibus" non aequalis susceptio accepta est. Neque enim rectum
est, si ea, quae praeparanda sunt divitia, omnia pr~epare~tur ~t talia
pauperi, id est dilectio ciborum, et potus abundantIa; m~lUS erum pee. pauper nescit
. se mo derari
eonsuevit
catum est, qUla
erarr;; qu i si tantum . sicut tib
.
patens manducavit. crapulationem
ex h oo sentiet , et nobis dan I us pee.'
. . b ea t us Augustinus , non leve esset hoc
catum generabitur,
et sicut dlClt
. . ea quae paupcri praeparanda sunt prao,
peccaturn.
S·im iliIter SI. d'iviti
paremus, non est rectum. Verbi gratia, si diviti solummo.d~ fabam, ~ut
tale aliquid, vel pedes Iavare voluerimus, dcrisio est, stultl~ta repl~~a~ltur
et damnum: et proptcrea: "omnibus congruus honor exhibeatur , idest
iuxta qualitatem personae, ita recipiendus est hospes. Alles sehr schön
und vernünftig, aber was ist aus dem frommen Tiefsinn der christlichen
Gebräuche, id Sonderheit der Fußwaschung, auf die noch Benedikt (Reg.
cap. 53) solches Gewicht legt, geworden!
2) Chronica monasterii Casinensis 1. 15. M. G. Script. VII. p. 591.
3) Beste Ausgabe Ferdinand
Keller,
Bauriß des Klosters von
St. Gallen vom Jahre 820. 1844. Die reiche Literatur darüber bei Stephani, Der älteste Deutsche Wohnbau und seine Einrichtungen, Bd. n.
1903. S. 21 Anm.l. VgI. auch Keu tgen, Ämter und Zünfte 1903. S.34.
4) Ordo Farfenais
M. G. Script. XI. p. 546. Darüber Julius
Schlosser.
S. 28ft 42fl.
5) Über die Einrichtung der beiden Häuser auf Grund dieses Materials sehr eingehend Uh Ih o r n , n. 1884. S. 74ff., Stephani,
S. 31f'f.
6) l\1igne, Patrol. lat. 150 col. 1066ff. Dazu Fischer,
Studien zur
Entstehung der Hirsauer Konstitutionen.
Tübingen phil. Diss. 1910.
7) Cap. 51 col. BB If. Auf Vornehmheit wird auch bei den Tieren
der Gäste gesehen: Die Pferde unterstehen dem custos hospitii (nobilium),
die Esel dem elemosynarius pauperum, cap. 52 col. 1114. - Bei der Einquartierung der Pferde ist es bisweilen sehr menschlich zugegangen, so
daß der Klosterheilige in eigner Person für Ordnung sorgen mußte. Chron.
man. Cas..
45. M. G. Script. VII. p. 657.
n.
j
Die Xenodochien
in Italien
und Frankreich.
2:l
Diese Einrichtung überträgt sich dann von den klösterlichen auch auf die kirchlichen Hospitäler.l]
n.
Vom Recht der Xenodochien.
§ 3.
1. Gründung
und rechtliche
Natur.
Die Xenodochien sind im römischen Reich und unter
der Herrschaft seines Rechts aufgekommen. Da die antike
Kultur, wie wir gesehen haben, eine eigentliche Wohlfahrtspflege nicht kennt, sind sie kirchliche Anstalten, auch
wenn sie keinen gottesdienstlichen Raum enthalten und
nicht von der Kirche errichtet sind; sie werden in jedem
Falle von Klerikern vcrwaltct.-) lind unterstehen dem zuständigen Bisehof.sj
Venerabiles domus 4), religiosissima
Ioca 5), piac causae 6) genannt, nehmen sie am Recht der
Kirchen und Klöster teiF), soweit sich nicht aus ihrer verschiedenen Natur ein anderes ergibt, etwa hinsichtlich der
Weihe"), falls ihnen, was wohl selten vorkommt, ein BetlH1uS
mangelt. Ihr Vermögen ist Kirchenvermägen 9) und nur
wie solches veräußerlicht"), ihre Dauer ewig,II) Sie sind also
1) Bekgc bei Püschl,
Bischofsgut IIn(1 mensa cpi~copallli. Bd. n.
1909. S. is. 52. oo.
2) Corpus iuris civilis Ill.
Novellae 12:1, 2:J.
3) Nov. 120, 6. Cod. Justinianus I 3, 1. 45.
4) Cod.I3allenthalben.
5) Cod.I2,1.23.
6) Cod.I3,1.45§3.
7) Cod. I 2, I. 15 hinsichtlich der Gründung, l. 19. 22 hinsichtlich
der Beschcnkung, l. 23 der Verjährung, I 3, 1. 32 § 7 hinsichtlich der Privilegierung, l. 45 § 9 der Bedenkurig mit Legaten.
8) Nov. 5 cap. I, Nov. 117, 1. 131,7. Vgl. hierzu Glück, Ausführ.
liehe Erläuterungen der Pandekten. 40. Theil. 1838. S. 20. 28.
') Paul Roth, Über Stiftungen, Jhcrings Jahrbücher Bd. 1. 1857.
S. 198.
10) Cod. I 3, 1. 45 § ll, I. 57 § 1. 2. Nov. 7.
11) Cod. I 3, I. 57 § 3. Unicuique enim homini unus vitae cursus a
creatore datus est, cuius finis omnino mors est: venerabilibus autcm domibus earumque eongregationibus,
quae imlllortales sub Deo custodiuntur, non convcnit finem imponerc ne in possessio nib us quidem, sed
quoad durant venerabiles domus (durant autern in perpetuum et usque
ad ipsum saeculorum finem, donee Christianorum nomen apud homines
est et veneratur), iustum est durare etiam perpetuo rolictas crogationes
vel reditus immortalos, ut semper inscrviant piis actibus numqua m cessaturis. Hierin ist das ganze römische Stiftungsrecht in nuce enthalten.
24
Walther
Schönfeld.
wirtschaftlich
und rechtlich ihrem Zweck unlöslich verbunden, und es ist eine Frage durchaus zweiten Ranges, bis
zu welchem Grade die juristische Technik dieser Selbstän~
digkeit Rechnung trägt.t) Das klassische römische Recht
;lat sich mit diesem Problem kaum befaßt, weil es an einem
allgemeinen Anreiz dazu fehlte. War dies ausnahmsweise
der Fall, so unterstellte
es derartige Zweckvermögen der
Herrschaft
irgendeiner physischen oder juristischen Person mit der Auflage, sie nach ihrer Bestimmung zu verwalten.P) Dies mochte leicht zu Unzuträglichkeiten
führen,
namentlich im Konkurs und in der Zwangsvollatreckung s),
wenngleich wohl nicht bei Kirchengut.
Immerhin setzte
sich im fünften Jahrhundert,
als das Christentum mit seinen
Wohlfahrtseinrichtungen
das Feld beherrschte"), vermutlich
aus verwaltungstechnischen
Gründen der Gedanke durch,
derartige Gebilde als illre eignen Subjekte, als Stiftungen
im strengen Sinne des 'Wortes, wie wir heute sagen, ~u b?~
trachten.s)
Aber schwerlich hat man es, ebensowemg WIe
.
.
Ferdinand
1) Als Gesmnungsgcnossen
darf Ich
wohl an f"hren
u
Regelsberger,
Zeitschrift für Kirchenrecht, Bd. 11. 1873. S. 192f.,
Pandekten 1. 1893. S. 342.
2) Alfred Pernice,
Marcus Antistius Labeo I. 1873. S. 254. Ill.
1892. S. 56. 63. 150ft Ludwig Mitteis,
Römisches Privatrecht bis auf
die Zeit Diokletians. I. 1908. S. 414.
3) Diesen Gedanken betont für die Gegenwart von Tuhr, Der AU·
gemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts I. 1910. S. 596.
') K. E. Zachariae
von Lingenthal,
Geschichte des Griechisch.
römischen Rechts. 3 1892. S. 205.
5) Dies kann jetzt nicht mehr bestritten werden nach der Untersuchung von H. Salleiles,
Les Piae causae dans le droit de Justinien.
~elanges Gerardin 1907. p. 518ff. Zustimmend Girard (von Mayr),
Geschichte und System des römischen Rechts. 1908. S. 260. Sohm,
Institutionen151917.
Gegncr aus älterer Zeitbei Regelsberger,
Pandekten S. 350 Anm. 6, und bei Win decb c id-Kfpp , Lehrbuch des Pandekten.
rechts I. "1906. S. 295 Anm. 5, namentlich aber Edgar Loening, I. S.201
H. S. 648.652. Freilich, was Salleiles p. 5398S. über die rechtliche Natur
der piae causae im besonderen ausführt - keine deutsche, sondern en".
lische Treuhänderstiftung -, scheint mir reichlich kompliziert und ganz
abwegig. Wenn er aber p. 543 schließt: C'est ainsi que la venerabilis
domus elle-mäme, comme la pia causa ou le pium corpus des textes ulte.
rieurs, nous apparait comme un terme abrege et representatif pour figurer
toute la collection des benefieia.ires que retablissement avait en vue, so
~j
Die Xr nodochien
in Italien
und Frankreich.
25
in der Gegenwart, bei allen ohne Rücksicht auf den einzelnen Fall getan.1)
So das römische Recht, wie es im sechsten Jahrhundert
im Codex Justinianus und den Novellen dazu ausführlich,
wenn auch nicht in allen Fragen völlig zweifelsfrei aufgezeichnet worden ist.2) Es hat auch im Abendlande gegolten
und hier den Sturz des Reiches überdauert.
Durch die
spärlichen Reste der Überlieferung, insbesondere durch
einige Briefe Gregors d. Gr., schimmert es für ein aufmerksames Auge deutlich hindurch: Die Xenodochien, von denen
hier die Rede ist, sind vermögens- 3) und handlungsfähig 4),
mithin Rechtspersönlichkeiten,
sie werden von religiosi
verwaltet '') und unterstehen dem Bischof.") Als Gregor
d. Gr. einmal in Carales auf Sardinien darauf dringt, daß
eine letztwillig gestiftete Anstalt binnen Jahresfrist erhat er damit den Nagel auf den Kopf getroffen und das Prinzip der
juristischen
Person überhaupt
zutreffend formuliert,
allerdings nicht
besser, als das bereits Aloys Brinz, Lehrbuch der Pandekten III 2. 1889.
S. 497ff., II 21860. S. 1042fI., vornehmlich S. 1055 mit gewohnter Schärfe
und vorbildlicher Klarheit getan hat, wobei höchstens die vermögensrechtliche Seite zu stark betont ist.
1) Wie F. K. von Savigny,
System des heutigen römischen Rechts.
Bd,
1840. S. 268 meint. Vielleicht darf man sich für den Fortbestand
unselbständiger
Stiftungen neben selbständigen auf Cou. I 3,1. 41 § :l herufen: Nam turn quidam propter spem quam in deo habcnt et ut animae
eorum salvae liant ad sacrosanctas ccclesias accedant iisque ipsis facultates suas offcrant et rclinquant, ut in ptochos et paupercs aliosque pios
usus expendantur,
absurdum
est episcopos haec in proprium lucrum
vcrtcrc vel in liberos suos cognatosque cxpcndere.
2) Diesem Befund entspricht August
Knecht,
System des JU8tinianischcn Kirchenvermögensrechts
Hl05. Kirchenrechtliche
Abhandl,
hrsg, von Ulrich
Stutz,
Heft 22. S. 43f'£.
3) 1\1. G. Ep. p. 240 N IV. 8 (593) ut in praedio, quod appellatur Piscenas quod ad Xenodochii Thomac quondam episcopi iura pervenit.
Ep.
p. 129 N IX 130 (599) quod partem aliquam substantiae suae xenodochio ... dercliquit.. p. 167 N IX 170 (599) xcnodochio, quod ei in octo
unciis iurc pcrhibetur bercditario sucecssisse.
4) M. G. Ep.
p.86 N IX 66a (598) quia. de possessionibus ....
inter praepositos monasterii sanctorum Maximi et Agathae . . . et e
diverso amministratorcs
xenodochii in hoc urbe Roma constituti
longa se traxit contentio.
Dazu P: 97 N IX 82 (598) •
• ) 1\1. G. Ep. 1. p. 258 N IV 24 (594).
~) M. G. Ep. n. p. 65 N IX 35 (598).
n.
n.
n.
26
Walthcr
Schönfcld,
richtet werde, beruft er sich ausdrücklich auf die piissimae
leges"), womit offenbar auf Cod. Just. I, 3, 45 § I und Nov.
131, 10 angespielt ist.
Bei den Kirchen und Klöstern - darüber hat schon
Pö se h 1auf Grund seines ungewöhnlich reichen Materials im
Zusammenhange mit dem gesamten Diözesanvermögensrecht
gehandelt - gehört die Griindung eines Xenodochiums zur
amtlichen Tätigkeit ihrer Vorsteher, des Bischofs oder
Abtes. Gründungsurkunden haben wir hier nicht. In der
Regel wird nur ganz kurz erzählt: Fabricavit."), aediflcavit+),
instituit 4) oder constitnit 5) xenodochium. Damit verbindet
sich, soweit es sich nicht ausnahmsweise um ein wirtschaftlich ganz dürftiges Unternehmen 6) handelt, die Ausstattung mit bestimmten Gütern aus dem Kirchen- oder
Klostervermögen.')
Wird das Unternehmen aus privaten
Mitteln des Bischofs oder Abtes errichtet"), so liegt natürlich
keine kirchliche, sondern eine private Stiftung vor, für die,
1. p. 24:~ K IV 10 (;iD:}).
:M. G. Script. r.1\L IV. p.682 (590). Chron. mon. Cas. III 33. 1\1.G.
Script. VII. p. 725.
3) M. G. Script. rcr. Lang. p. 567 (8. Jahrh.).
4) Liber pontificalis I. p. 397.
5) Vita Adalhardi c. 59. M. G. Script. n. r- 530.
G) M. G. Script. rcr. Lang. p. 428; in quo duodccim statuit cellulas,
quas hospitibus pcrcgrinisque ccnsuit habitari, qui ex ipsius ceelesiac
alcrcntur rcbus.
7) Acta sanctorum tom. 16. p. 604 (Bischof Domnolus von Le Mans
581): Aliud quoque monasteriolum et xenodochium ultra Sartam flumen
in honorem bcatissimae Dci ct virginis Mariae sapienter aedifieavit atque
suae ecelcsiac rebus, dotavit. - Vita Ansbcrti episeopi Rotemagenais
cap. 14 1\1. G. Script. r. 1\1.V. p.628 (7. Jahrh.): In praefato namque
venerabili .Fontanellensi monasterio inter fclicia bonitatis suae gcsta
ctiam oxcnodochium imbecillium ac dccrepitorum pauperum ad instar
duodccim apostolici numeri constituit doputatis cisdem rebus, qui sufficientcr praebercnt alimoniam. Ebenso Vita Athanasii cpiscopi Neapolitani (9. .Iahrh.) 1\1. G. Script, rer. Lang. p. 444. - Vita Anselmi Abbatis
Nonantulani (8. Jahrh.). 1\1. G. Script. rer. Langob. p. 568. - Libcr pont.
1. p. 440 (752).
8) Passio Praeiecti cpiscopi et martyris Arverni cap. 16. M. G. Script.
r. 111.V. p. 235: xenodochium quoque in propriis rebus . . . fabricare
curavit.
Chart. III N 246 (870). N 402 (903).
1) 1\1. G. Ep.
2)
t
Die Xenodochien
in Italien
und Frankreich.
27
wie wir noch sehen werden, einige Besonderheiten gelten;
auch für Mischlinge aus beiden finden sich Beispiele.J)
Dieses Xenodochium und sein Vermögen ist gegenüber
der Mutteranstalt
selbständig und unabhängig t), womit
nicht gesagt sein soll, daß es immer, auch unter den kleinsten
Verhältnissen, mit eigner Rechtspersönlichkeit ausgestattet
sein miißte.P)
In einem Klosteretat, cler adbreviatio de
Rebus monasterii Bobiensis aus dem Jahre 8624), sehen
wir, wie jedes der sechs Xenodochien seine eignen Ausgaben
und Einnahmen verrechnet als ein vollkommen abgeschlossener Wirtschaftskörper.
Das wird unter gleichen Umständen früher nicht anders gewesen sein. In Gregors von
Tours Historia Franeorum 5) ist einmal von der basilica
Sancti Juliani in der urbs Arverna die Rede und den res
pauperum, quae ibidem fuerant adgregatae, auf dem Konzil
zu Chalons (639-654) wird dem Bischof und seinem Archidiacon verboten, von dem Vermögen des Xenodochiums
beim Tode seines Vorstehers etwas wegzunehmen 6), und
ganz deutlich werden gelegentlich im achten Jahrhundert
die beiden Vermägensmassen voneinander unterschieden.7)
1) 111.G. Ep. H. p. 3i6
Allgusto~o~cllsi a. Syagrio
excellentissima
film nostra
U. B. von Straßburg I N
n.
N XIII 11 (602) Xenodochio quod in civitate
rcv~rL'lldac mcmoriac cpiscopo et praedicta.
regma constructulll
est.
Aus späterer Zeit
118 (1182).
2) Vg!. hierzu Pöschl,
I. S. 30. Ill, II. S. 19. 51. 90. 1771!.
3) Die Grenzen sind überhaupt
fließend und undeutlich Püse hi
S. 121 ff. 308ff.
'
4) Bolletino Storico-Bibliografico
Subalpino Bd. 8. 1903. p. 393 ff.
Dazu Ludo lIIoritz Hartmann,
Zur Wirtschaftsgeschichte
im frühen
Mittelalter.
Analekten. 1904. S. 48 ff. 51.
5) lII.G. Script. r.lI1. I, 1 p. 118. In den 111.G. Diplomata Karolinorum p. III N 77 (772-774)
heißt es: quia res peregrinorum propriae sunt regis.
6) M. G. Cone. I. p. 210 can. 7.
7) Ex gcstis cpiscoporum Autisidorcnsium
cap. 27 (i37) M. G. Script.
XIII. p. 394: Dedit itaque basilicao saneti Stephani ad stipendium clericorum ibidem Deo deservientium villam quae dicitur Matriacus . . . Item
in pago Autissiodorcnsi ad xenodochium prcdicte matris accclesiae villal~l
quae dicitur Miliciacus . . ..
Ceterum basilicc sancti Germuni ad stipendium monachorum villam Abundiacum nomine . . ..
Dedit idem
ad xenodoehium eiusdem basilice domni Germani villas sitas in pago
28
Walther
Schönfeld,
Dieses Gründungsvermögen wird durch Schenkungen.
Dritter vermehrt.
In der collectio de ecclesiis et capellis
Hinkmars von Reims ist von den oblationes fidelium die
Rede, von denen die Xenodochien leben 1), worunter nicht
bloß kleine Almosen zu verstehen sind.P) Um dieselbe Zeit
hören wir gar nicht so selten von Schenkungen an Grundstücken und Grundzinsen, die entweder dem Xenodochium
unmittelbare) oder der l\Iutteranstalt zu Nutz und Frommen
der hospites-j aufgelassen werden.
Von den Erträgnissen seines Vermögens lebt das Hospital. Doch scheinen sie kaum je gelangt zu haben, In den
sogenannten arabischen Kanones des Konzils von Nica.ea, die
zwar nicht von 325, sondern ans späterer Zeit stammen,
aber mit dieser Maßgabe voll verwertbar sind, wird dieser
Fall ausdrücklich vorgesehen und durch Sammlungen "bei
allen Christen" überwunden,")
Sie sind auch im Abendland
veranstaltet worden, wie man wohl aus einer Bemerkung
Augustins 6) schließen dart, sind sie doch auch heute noch
unter uns im Schwange. In den Klöstern bildet sich, wie
wir aus dem Kommentar des Paulus Diaconus erfahren,
schon früh die Übung heraus, den Zehnten sämtlicher Einkünfte überhaupt dem Xenodochium zu überweisen.") DaAutissiodorensi . . . • Ob diese Selbständigkeit immer geachtet worden
ist, ist eine ganz andere Frage. -Iedenfalls ist ein Verstoß dagegen rechts.,
widrig.
s.
1) Abgedruckt
]25.
2)
3)
4)
5)
in Zeitschrift
für Kirchengeschichte Bd. 10. 1889.
Stutz, Benefizialwesen S. 97 Anm. 14.
Chart. III N 80 (806), St. Gallen II N 729 (903).
St. Gallen II N 646 (88:'»),Mittelrhein I N 133 (895). N 200 (956).
Ma ns i, II col. 976.
6) Sancti Aurelii Episcopi operum Tom. V. Maurincrauegabe Sermo
31i6 col. 1388. Pecunia, quae data erat ecclesiae propter xenodochium,
Dazu Hauck, R. E. 2] 3 S. 4:39.
7) Ad cap. 53. p. 418. Verurn quia de Hospitibus dicimus, dicendum
est nunc, unde hospitcs pascere debeamus. Omne enim, quidquid venerit
ad Monasterium, idest aurum, argentum, aes, ferrum, labores, vinum,
poma, animalia, et reliqua, decimas de his omnibus in Hospitale Pauperum
solummodo dare debemus, ut non alii, idest servi vel nobiles, sed solum
modo Pauperes pascantur; quia sic scriptum est in lege et nullus pauper
debet ab his deciniis se excusari. Verum quia Dominus dicit in Evangelio:
Die Xcnodochicn
in Italien
und Frankreich.
29
bei scheint man hinsichtlich der domus divitum und der
domus pauperum nicht überall gleichmäßig verfahren zu
sein. Nach Paulus Diaconus wird an jedes der beiden Häuser
ein besonderer, nach elen Statuta Corbeiensia ') an beide ein
einziger gemeinschaftlicher Zehnte abgeführt.
In den Constitutiones Hirsaugienses ') erhält ihn nur das Armenhaus;
möglicherweise soll das Hospiz der Vornehmen sich selbst
erhalten,
vielleich t a uch durch Geschenke seiner Gäste.
Durch die Aachener Regel von 8163) wird dieses Zehntrecht
auch auf die Xenodochien der Kirchen übertragen.j)
Das römische Recht behandelt grundsätzlich,
wie wir
schon angedeutet
haben, alle Xenodochien gleich, auch
wenn sie von Privaten errichtet sind. Das einzige, was es
dem Stifter zugesteht, ist die Auswahl des geistlichen Verwaiters 5) mit der Maßgabe, daß der Bischof dessen Geschäftsführung gegenüber auf die Aufsicht beschränkt ist.")
Demgemäß unterscheidet Novelle 120 cap. 6 § 17) venerabiles domus. "deren Verwaltung der hochheilige Ortsbischof
in eigner Person oder durch einen Geistlichen führt", und
solche "mit eigner Verwaltung".
Im übrigen besteht zwischen: ihnen nicht der geringste Gegensatz.
'Weder im
Codex noch in den Novellen ist auch nur eine Spur davon
zu beobachten.
Auch die von Privaten - durch Verfügung unter Lebenden oder von Todes wegen 8) - gestifteten Xenodochien sind kirchliche Anstalten,
gegebenenfalls mit eigener Rechtspersönlichkeit, auch ihr Ver~?~~n is!_ Kirchenvermögen,
verfügbar wie solches 9) und
Nisi abundaverit iustitia vestra plus quam Scribarum et Pharisaeorum,
Don intrabis in rE'gnum Coclorum. Iustitia scribarum est, de omnibus
decimas darc; nos cnim ut possimus intrarc in regnum Coelorum, duas
dccimas darc debemus. . ..
Istam enim nonam partein debemus dare
in Hospitale Divitum.
1) Le moyen age 1900 p. 370. Videtur igitur nobis, si omnis decima
de omnibus et in omnibus, sicut constitutum est, datur, ut omnino ad
omnes huiusmodi necessitates divitum vel pauperum suffieere debeat2) Migne, Patrol. lat. 150 col. 1114.
3) M. G. Cone. H. p. 416 N 39181•
4) Vg!. dazu Pöschl, 11. S.52. 93.
5) Vg!. dazu Roth, S. 198.
6) Cod. I 3, I. 46 §§ 3. 4. Nov. 131, 10.
7) Cod. I 3, I. 45 § 3.
8) Regelsherger,
Pandekten S. 347.
0) Cod. I 3, I. 57,1. 2.
)
Nov.7.
30
Walther
Schönfeld,
nutzbar wie solchcs t), in beiden Beziehungen der Herrschaft des Stifters entzogen und nur seinem Zweck unterworfen. Insoweit also dem Stifter dingliche Rechte verbleiben 2), können sie nur als bedeutungslos und leer bezeichnet werden.") Der Stiftungszweck nimmt dem Eigentum jede Bewegungsfreiheit, die tote Hand der Kirche, die
darauf lastet, lähmt ihm jede Lebenskraft.
Auch dieses Recht hat im Abendland gegolten, in den
Grundzügen sicher, vermutlich auch in allen Einzelheiten,
insbesondere hinsichtlich des Rechts, den Verwalter zu ernennen. Aus einer fränkischen Formel bei Marculf: Ista de
magna rem, qui vult exsinodocium aut monasterio construere (H. 1) 4) leuchtet es uns in voller Klarheit entgegen.
Das Gründungsverfahren, wie es hier der Allgemeinheit zur
Nachachtung
empfohlen oder vorgeschrieben wird, gestaltet sich folgendermaßen: Der Stifter errichtet durch
Verfügung unter Lebenden 5) ein Oratorium auf den Namen
eines Heiligen 6) und überträgt ihm und den Armen 7) darin
1) Cod. I :1, 1. 45 §4: Pro omni autem tempore, quo scripti heredes,
qual' iussi sunt facere supersedcrint, fructus et reditus atquo omne legitimum augmentum inde a morte testatoris ab iis exigi iubemus, ut mora
non incipiat ex litis eontestatione vel interpellatione, sed, quasi lege ipsa
quae dicitur mora interveniat, ita fructuum aliorurnque id genus accessio
locum habeat.
2) J. von Zhishman,
Das Stifterrecht in der morgenländischen
Kirche. 1888. S.35.
August Knecht,
S. 44. Jedes Eigentumsrecht
vr-meinf Ni co Cot Iarc i u c. Stifterrecht
und Kirchenpatronat
im
Fürstentum
Moldau und in der Bukowina 1907.
S tut z , Kirchenrechtliche Abhandlungen
74. S. 12 £f. 74 £f.
3) So mit Hecht Stutz,
Boncfizialwescn S. Ill.
Thomas,
Le
droit do proprietö des laiques sur les egliscs, 1906. p. 18 n. l.
4) M. G. Formulae p. 70.
D) Per present cm epistolam donationis meae dono ad presentc die.
6) Oratorio ac cellula in honore sanctae ac semper virginis Marine
genitricis Domini nostri Jesu Christi aut in altcrius saneti. . . Dies geschieht schon um der Heilwirkungen für die Gesundheit wegen. Vgl.
Cal'l Albrecht Bernoulli,
Die Heiligen der Mcrovinger. 1900. S. 296fI.
Vita Dagoberti cap. 29. M. G. Script. r. 1\1. II. p. 411: matriculam et
scnodochium ...
instituit, ut pauperes utriusque sexus, sive ctiam qui
sanctorum ope sanitate donari digni fuissent . . .
') Sicut a me hucusque possessa est, iniure oraturio sanctae Mariae et
predictorum pauperum debeat, Deo protegente et opitulante, persistere.
\
Die Xenodochien
in Italien
31
und Frankreich.
unter Verzicht auf sein Eigentum l) Grundstücke zu Händen des Bischofs"), doch so, daß jede Herrschaft des Bischofs
am Vermögen des Oratoriums
ausgeschlossen ist; 3) das
Oratorium mit seinen Armen ist vielmehr sein eigner Herr,
der Bischof auf die Sorge für die Weihe, die Ernennung des
geistlichen Vorstehers sowie dafür, daß alles mit rechten
Dingen zugehe, beschränkt.")
Mit einem Wort, es handelt
sich ganz augenscheinlich
um eine Stiftung mit eigner
Rechtspersönlichkeit,
ebenso wie bei dem berühmten Xenodochium, das Childebert 1. und seine Gemahlin im sechsten
Jahrhundert
in Lyon errichtet haben.
Zwar besitzen wir
seine Gründungsurkunde
leider nicht, aber was wir aus den
Schlüssen des Konzils von Orleans (549) G) darüber erfahren,
läßt deutlich erkennen, daß das Stiftungsvermögen
völlig
selbständig und für jedermann, auch den Bischof, unantast1) Mihi autem nihil oxindo proprietatis titulum paenitns non reservavi.
2) Ego namquc de conlatis ae supcrius prcnotat.is rebus omnia ad
curarn ct sollicitudinem aut defcnsionem rerum vel gubernationem
ipsorum pauperum sa.ncto ac prenotato domno illius episeopo vel Bueeessori_
bus suis, Deo Bibi tcste. committo et strumcnta, per quod rcs ipsaa, auxili.
ante Deo, per eorum sollicitndinem defenscntur, superscribto domno Iui
cpiseopo per manibus tradcdi, et qualitor ibidem providi, pial', rcctacn«
an secus cgcrit, Christo domino in se iudicio reeognuscat.
3) Remota
pontificum
simulque
ccclcsiastioorun,
omnium
offi.
eialium sou publienrum omnium potcstatc, nullas functioncs vel exactionis
ncque cxquesita et lauda convivia nequo gratiosa vel insidiosa mu nuscola, ncque etiam caballorum pastus aut paraverida vel earrarum anzaria
e
,
aut quodcumquc functiones titulum dici potcst, de ipsa facultate paerritus
non rcquiratur .....
nisi tantum sancti et apostolici illius urbis cpiscopus, in cuius oppedum cxsinodocius ipse ponetur, pro tradcndis benediccionibus vel substituendis abbatibus, pracsbiteris quoque et diaconibus,
absque ulla paecuniarum adempcionem, amplius donandi, exigendi, minuendi vel causam nullam habeat potestatem, sed nee pcr commutationis
locum quiequam ex hoc auferendi nullo tempore occansio vel addetus
tribuatur, sed perpetualiter in potestate prcfati oraturii vel ipsorum pauperu m, Christo faventi, permanent.
4) Vorige Anm.
S) M. G. Cone. I. p. 105 can. 15: nibil exinde ad se quolibct tempore
antestis ecclesiae Lugdunensis revocet aut ad ius ecclcsiae transferat,
ut suecedentcs sibi per temporum ordinem saeerdotes non solum aut de
facultate cxenodocii ipsius aut de consuetudine vel institutionc nil minuant. Ebenso urteilt Lesnc, p. 410. Zweifelnd Locning,
S. 651
Anm. 2, offenbar deshalb, weil er die. Rechtspersönlichkeit
der piae
caUsae überhaupt bestreitet. I. S. 201.
S. 648. 652.
n.
n.
32
Walther
Schönfeld,
bar ist; daß aber auch hier das römische Recht im Spiele
ist, verrät die kurze Bemerkung über die Rechnungslegung,")
Das Gründungsrecht der Formulae Marculfi läßt sich,
wenn nicht alles täuscht, auch in Italien nachweisen, seitdem mit dem Ausgang des siebenten Jahrhunderts die
Quellen reichlicher fließen, freilich nur recht seIten, was bei
der Fülle von einschlägigen Urkunden sehr bemerkenswert
ist. Um 765 gründet ein Geistlicher zwei Klöster, davon
das eine mit einem Xenodochium.
Beide stehen unter
einem Abt, den die Mönche, im Notfalle unter Mitwirkung
des Erzbischofs von Aquileja, zu wählen haben. Jede Herrschaft des Stüters und seiner Erben wird ausdrücklich ausgeschlossen''), was sehrverdächtig klingt und eine gegenteilige
Praxis argwöhnen läßt. Im .Iahre 7693) stiftet in Monza
ein Diaconus an der dortigen Basilica zu St. Johann durch
Verfügung von Todes wegen zwei oraoula vel exsenedocia,
jedes auf einen besonderen Heiligen. Vollstrecker ist ein
anderer Diaconus an derselben Kirche. Der Gründer überweist beiden Häusern Grundvermögen zu .Händen von
St. Johann und seiner custodes 4) mit, der Bestimmung, daß
diese sich dauernd um die Stiftung kümmern, insbesondere
den Vorsteher und Verwalter ernennen sollen.")
Genan
Entsprechendes geschieht in einemMailänderTestament aus
dem Jahre 7776), wobei hervorgehoben zu werden verdient,
1) Expensae rationem petentibus ipsis manuum nostrarum suscriptionc
firmavimus . . . Dazu Nov. 123 cap. 23. sowie M. G. Ep. I. p.258 X IV.
24 (594).
2) Troya,
V N 906: et sub nulla deinceps nostra vel heredum
nostrorum redigatur potestate.
3) Chart. HI N 39 (769).
') Verum etiam et confero ad jura ipsius oraculi vel exsenedoeü
nostri portionem de casa . . ..
Hec omnibus rebus superius nominatis
tarn suprascripto
oraeulo quam et jam dicto .senedochio omnia et in
omnibus in potestate sancti Johannis domini et nutritori moo vel de ipsius
custodes dicioni trado.
5) Eiusdemque custodes inibi talem personam juxta Dei intuitum
ordinent, qui predicti oraculi et jam fate elemosina cutam sine ull (Text
verderbt)
....
6) Chart. III N 56 et confirmo ut suprascriptus
oratorio sancti
Tzenoni potestati beati Ambrosii atque domni Thomae archiepiscopi vel eius
successoribus subjaceat, qualiter mihi pcrtenuit . . . . .. Itcrum et confirmo, ut debeat qui tune in ipso exenedoehiumordinatus
fuerit praepositus.
Die Xenodochicn
in Italien
33
und Frankreich.
daß dem neu errichteten Ora torium und Xenodochium
die Munt über Freigelassene eingeräumt wird 1), wohl ein
deutliches Zeichen seiner Eigenschaft als Rechtspersonliehkeit.2)
Alle Urkunden, die wir bisher vorgelegt haben, die
fränkischen wie die italienischen, stimmen außer anderem
darin überein, daß in keiner von ihnen dem Stifter oder
seinen Erben, wie im Jnstinianischen Recht, die Befugnis
beigelegt ist, den geistlichen Verwalter zu ernennen. Allein
dies beweist nichts. Bekanntlich waren im Abendland abweichend vom Orient dem Griinder von Kirchen, Kapellen
und Klöstern alle Rechte an der Gründung, insbesondere
Ernennungs- oder Vorschlagsrechte, durchaus versagt.3)
Die Xcnodoohien aber, die wir betrachtet haben, waren alle
mit einem Oratorium oder Monasterium verbunden. Es hat
also nich ts Auffälliges, daß bei ihnen der Stifter solche Rechte
nicht in Anspruch nimmt, und es ist keineswegs ausgeschlossen, daß bei reinen Wohltätigkeitsanstalten
- ein freilich
seltener Fall - das Gegenteil gilt. Sicher erweisen läßt es
sich allerdings nicht. In einem Briefe Gregors d. Gr. nach
Autun
((\02) 4) wird den fränkischen Königen <las Recht,
bestätigt, den Vorsteher eines in Antun von dem Bischof
Syagrius und del' Königin Brunhildo errichteten Xenodochium atque monasterium im Verein mit den Mönchen
auszuwählen.
Allein hier scheinen besondere Umstände
vorzuliegen und, was das schlimmste ist, die Echtheit des
ganzen Schreibens begegnet trotz aller Verteidigl1ng, die es
1) Conflrmo, ut omnes serves et ancillas meas sint aldiones et pertcneat mundium eorum ad ipso exenodochium, aventcs per caput unusquis maseoli et femine solidum singolus.
Vgl. auch 'l'roya
III N 381
(708) eo quod ab omni subiugatione hominum earn absolvimus, ut ...
neque a monasteriis subdatur, ncque a xenodoehio defendatur.
2) Mu nt kann immer nur einem Hechtssubjekt
zustehen. Hübner,
Grundzüge des deutschen Privatrechts
3. H)l9. S. 514ff.,
von Amira,
Urundriß des germanischen Rechts 3 Hll:3. S. 137, vor allem aber Heusler,
Institutionen
des deutschen Privatrechts.
1. 1885. S. 95fI.
3) St.u t z , Benefizialwesen S. 56ff. Thaner
in der Besprechung
dieses Werkes Göttingisehe Gelehrte Anzeigen 1898. S. 302. Püschl,
I. S.35ff.
4) ~J. G. Ep.
p. 376 N XIII 11.
n.
Zeitschrift
für Rechtsgeschichte,
XLlII.
Kan. Abt. XII.
3
34
Walther
Schönfeld,
gefunden hat "), sehr gewichtigen Bedenken.2) Zum mindesten muß damit gerechnet werden, daß es im neunten
Jahrhundert von kirchlicher Seite ge- oder verfälscht worden
ist, zu einer Zeit also, da das gesamte Rechtsbewußtsein,
auch das kirchliche, wie ein einziger Blick in die römische
Synode Eugens H. von 8263) lehrt und später zu zeigen ist,
durch neue Anschauungen und Strömungen gründlich verändert ist. Darum werden wir auch kein Gewicht darauf
legen dürfen, daß sich das vermißte Ernennungsrecht in
einigen Urkunden des achten Jahrhunderts findet, dies um
so weniger, wenn es gegenüber einem Xenodochium mit
Oraculum Platz greift, was ganz offenbar im Widerspruch
mit dem altrömischen Kirchenrecht des Abendlandes steht.
So errichten im Jahre 720 in Lucca 4) mehrere Brüder neben
einer von ihnen auf eignern Grund und Boden gestifteten
Kirche zu St. Sylvester ein Xenodochium, statten es mit
Vermögen aus und verzichten auf alle Herrschaftsrechte5)
daran, jedoch ernennen sie den Geistlichen, der dies alles
verwalten und instandsetzen soll.") Im großen und ganzen
wird man hierher auch noch rechnen dürfen die Gründung
eines Findelhauses durch den Mailänder Erzpriester Datheus
aus dem Jahre 787.7) Das durch Verfügung unter Lebenden
errichtete "Xenodochium" wird unter die Herrschaft des
1) Insbesondere
von dem Herausgeber Ludo Moritz
Hartmann
a. a. O. p. 376.
2) Mit Nachdruck geltend gemacht von Loening,
S. 392 Anm. 2.
3) M. G. Cap. 1. p. 370 SB. N 180.
4) Toscano I. N 14.
6) Nam nulIi nostrorum offerentium exinde in aliquo subtragator
aut ha novis minuetur, nee uIla inivi potestatem aveamus neque in ipso
balneum invasionem faciendam, nee in nulla re quas inivi ha novis offerturn est nisi in omnibus, ut prediximus, in potestatem sancti Silvcstri
inveniatur
esse,
n.
6) Et ita addidet animus nostrus, ut ad gubernandum in potestatem
custodis illius Gundoni presbiteri, quem inivi cum comune consilio presbiterum ordinavimus,
inveniatur esse peregrinus recipiendum, pauperis
vidua et orfanis consolandum, mandatum juxta regule ordinem faciendum et pro nostris facinoribus dominum deprecandum,
in omnibus et
per omnia opem ujusee Sinedoci secundum priscorum patrum traditionem
juxta ujus scntentie in omnibus adimplere diveas.
') Chart. III N 61.
Die Xcnodochien
in Italien
und Frankreich.
35
erzbischöflichen Stuhles gestelltl), er hat die Aufsicht über
die Verwalter+), aber sie werden, solange er lebt, vom Stifter
ernannt.P}, bis hierher alles wie im Justinianischen Recht,
dannaber kommt der bedeutungsvolle Satz: reservata autem
mihi diebus vitae meae potesta te inibi in omnibus imperand i et gubernandi, nee non in alio modo iudicandum
habiturus.
Dieser Herrschaftsvorbehalt,
von dem weder im Justinianischen Recht noch in dem der Formula Marculfi und
Genossen je die Rede war, begegnet zum ersten Male in
einer Urkunde aus dem Jahre 68(4): Ein Priester von St.
Marien in Cremona errichtet im Verein mit seinen Brüdern
ein Oraculum, damit es ein Xenodochium und eine Diakonie
zur Aufnahme Kranker und Fremder werde, dergestalt daß
es zu Lebzeiten des Priesters in seiner, sodann in der Gewalt
der Geistlichen von St. Marien stehen solle. Etwa fünfzig
Jahre später geschieht dasselbe in Lueca '}: Ein Geistlicher
zusammen mit seinen Brüdern, die Laien sind, stiftet ein
Oraculum mit Xenodochium, überweist ihm Grundstücke
und Grundzehnten und bestimmt, daß zu seinen Lebzeiten
er die potestas regendi et gubcmandi haben wolle, solange
dadurch die Stiftung gefördert werde, daß aber nach seinem
Tode das Recht, den Verwalter zu ernennen, auf seine Brüder
und deren Erben übergehe. In beiden Urkunden wird, was
1) Et volo ut sit ipsum cxsenodoehium ill potcstato et iura saneti
Ambrosii seu pontificis, qui pro tempore fuerit, et vola, ut regatur per
archipresbitcrum
sanctae Mediolanensis eeclesiae.
2) Quod si forte archiprcsbiter noluerit hujus merccdis fieri particeps et renuerit esse praepositus, volo ut pracfatus pontifex de ipso
ordine presbiterorum seniorum, qualem meliorem praeviderit, ordinare
dignetur, ut ipse hoc exsenodochium gubernet et perficiat universa, sicut
supra statui per providentiam sacri pontificis.
3) Custodes enim pracdicti exsenodochii maiores sint diebus vitae
suae, quos ego aut quem me vivente ordinavero, sub cum eautae solicitudinis pontificis sanctae Mediolancnsis ecclesiae,
4) Troya III N 351: quamdiu Cathaldus primerius aduixero, in
mea sit potestate et post obiturn mei Cathaldus volumus, ut in perpetuum
maneat in potestate de reverentissimis et vencr[abi]libus prcsbiteris et
diaconis see Marie majoris canoniee Cremonensis cuius primerius sum Iicet
indignus.
5) Troya
III N 476 (729).
3"'
Walther
36
Schönfeld,
Beachtung
verdient, ausdrücklich
die Zustimmung
des
Bischofs vermerkt.']
Läßt sich diese potestas des Stifters, sofern er Geistlicher ist und nicht mehr als die potestas regendi et gubernandi beansprucht,
ebenso wie das Ernennungsrecht
der
Erben im praktischen Ergebnis mit dem römischen Recht,
wenigstens in der Justinianischen
Überlieferung,
noch
einigermaßen in Einklang bringen, so gewinnt die Sache
in anderen Urkunden ein höchst bedenkliches Ansehen.
Im Jahre 7(32) stattet jemand eine von ihm aus eignem Vermögen gegründete und vom Bischof geweihte Kirche zu
St. Marien in Lucca durch Verfügung von Todes wegen mit
einem Xenodochium ans derart, daß nach seinem Tode einer
Verwandten des Stifters an der gesamten Gründung die
potestas zukomme regendi, gubernandi,
usufructuandi
et
ordinationem de presbitero vel diaconum faciendi in ipsa
ecclesia; erst nach deren Ableben soll der Bischof das Ernennungsrecht erhalten.
Hier wird also die potestas einer
Frau eingeräumt und zwar in Gestalt nicht nur von Verwaltungs-, sondern weit darüber hinaus auch von Nu.~zu.ngsrechten.
Daß dies eine schwere Verletzung des römischkirchlichen Rechtes bedeutet, ist offenba.r''] und auch den
Zeitgenossen gelegentlich zum Bew~ßtsein
gekommen.s]
Gleichwohl fügt es sich in dem vorhegenden~ besonderen
der KirchenverfasF a11e noc 11· ID d en a IIgemeinen Rahmen ."
e
Xenodochium
bleibt
Stiftung, bleibj
sung. Das b e t ro ff en
.
..
kId"
une e aus ruck'.
k·ITe}1ulCIle A ns t a It . WI'e die Grunduntosur
·
I
bemerkt
0)
1
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ihm
sein
Vermögen
von
memandem
ent1IC 1 emer { o , ( a
(1
1) Troya III N 351: de auetoritate beati~simi patris nostri Dcsiderii
. C
nensis
N 476' una cum auctoritate et conscnsu germani
CP1SCOJH
.rerno
'..
'.
.
ct domini mei Talespcnam
cpiscopi.
2) 'I'r o ya V N 809; vgl. hierzu Stutz,
Bellcfizialwesen S. 120 mit
.
Anm.45.
3) Vg!. zu der Frage der Nutzungsrcehtc
Thomas,
p. 16.
Antiquitatcs V. p.417 (801): Ansuartu Arnifredi ...
construxcrunt ecclesiam monasterii b. Salvatoris in monte Montione . . . .
nullam potestatem
hcredibus suis sibi rcservarunt,
secundum statuta
sanctorum canonum ...
cum Romana lege devenit in potcstate ccclesiae
nostrae s. Martini.
,) Troya V N 809. Et ut hec omnia qualiter superius lcgitur a
me decretum vel offertum est omni tempore in eo ordine stabile debeat
4) l\1uratori,
Die Xcnodochicn
in Italien
und Frankreich.
37
zogen werden, unterliegt seine Verwaltung cl er Aufsichtdes
Bischofs.1) Von hier aus gesehen, erscheint der Inhaber der
potestas gleichsam als ein Organ der von ihm in ihrem Bestande unabhängigen Stiftung, sein Fruchtziehungsrecht
als Nießbrauch an fremdem Vermögen.s) Allein niemandem
kann verborgen bleiben, daß dem Baume des kirchlichen
Stiftungsrechts die Axt bereits an die Wurzel gelegt ist.
Dürfen Gründer und Gründergenossen das Vermägen eines
Xenodochiums erst einmal verwalten und gar nutzen, so
ist es lediglich eine Frage der Zeit und der Macht, daß sie
es, wenn Not an Mann kommt, seinem Zweck überhaupt
entziehen, nachdem und soweit (las Aufsichtsrecht des
Bischofs gebrochen ist. Und in der Tat ist das der Lauf der
Dinge.
Das Xenodochium ist ein gottgefälliges Werk, pro
remedio anime ') errichtet, aller Erleichternngen, die es in
dieser Hinsicht gibt, teilhaftig 4) und durch die Lobgesänge
pennanere et neque ad me neque ad heredes vel consortes moos neque
a nullo homine aliquando posse disrumpi.
1) Si quis de heredibus vel consortes mcos contra hanc eartulam
. "
causa re aut intentionare vel subtrahere prosumpserit in aliquo de
omnia suprascripta res et homenis per quolibct ingenio aut contra episcopum civitatis istius, sit eis componiturus ipsa res aut persona homenis
omnia in ipso loco in duplo meliorata, cum quid aut qualis in die ilia
fuerit.
2) Quidquid a me iterum injudicatum remanserit, sit in potcstate
suprascriptae ecclesiae et monasterio Sanctae Mariae ...
in tali vero
tenore, ut si Rattruda Dei AnciIla ....
super dceessu moo vixerit,
in eins sit potestate ipsa Dei eccI('sia et monastcrio Sanctac Mariao et
omnia suprascriptas res, quos superins in poteetate de ipsa Dei Ecclesia
deerevi, esse rogcndi, gubernandi, usufruetuandi . . . .
3) Codex I 3, 1. 41 § 17 und in allen Gründungsurkunden
hervorgcboben samt und sonders.
Ganz vereinzelt klingt einmal der sozial.
politische Gedanke mit an, so in der Gründungsurkunde des l\Jailänder
'Vaisenhauses für Kinder ans Ehebruch, durch den Erzpriester Datheus
errichtet Chart. III N 61 (787): tam pro mereede animae meae quam pro
universorum civium salute.
4) Kein Launegild Liutprandi leges (726) 73. IV. M. G. Legum IV.
p. 137: quia in loca sanctorum aut in exeneodoehio nee thinx nee launigild inpedirc devit, eo quod pro anirna factum est. - Kann auch auf dem
Seuehebette und sogar von dem Unmündigen vorgenommen werden.
Liutprandi leges (721) 10. I. M. G. Legum IV. p. 116: Et hoc statuimus
Walther
Schönfeld,
der darin Versorgten 1) so manchem Gründer besonders
wertvoll; aber eine gewinnbringende Vermögensanlage ist es
keineswegs, selbst wenn es mit einem Bethaus oder Kloster
verbunden ist. 2) Daher liegt die Versuchung, es bei Gelegenheit wieder eingehen zu lassen, besonders nahe, für den
Stifter sowohl als namentlich für seine Rechtsnachfolger.
Dies wird noch dadurch gefördert, daß es in aller Regel, wie
die Gründungsurkunden
lehren, ganz schlicht aus einem
oder mehreren Wohnhäusern des Stifters besteht."), so daß
seiner Rückverwandlung zu profanem Gebrauch so gut wie
gar keine Schwierigkeiten im Wege stehen. Somit ist der
Bischof sein einziger Bürge. Daher wird es ihm unterstellt,
im römischen Recht von Gesetzes wegen, außerdem von
manchem Stifter im besondern, wenigstens für die Zeit
nach dem Tode; daher erklärt sich auf der andern Seite der
Versuch, es ihm und seinen Gehilfen dauernd zu entziehen.
Schon im Jahre 747 hält es Papst Zacharias, dessen Verdienste um die Erneuenmg altkirchlichen Rechts bekannt
sind 4), für geboten 5), die Vorschrift des Konzils v~n Chalzedon (451)6), daß die Geistlichen in den Xenodochieu d~m
Bischof unterstehen, wiederum einzuschärfen, und um dieselbe Zeit bestätigt ein Langobardenherzog einem Xenoatque definimus, ut si cuicumque ante ipsos decem et octo annos evenerit
egritudo, et se viderit ad mortis periculum tendere, habeat licentiam de
rebus suis pro animam suam in sanctis loeis, causa pietatis vcl in senedochio iudicare, quod voluerit. et quod iudicaverit pro animam suam,
stabilem deveat pennanere.
Praktisehes Beispiel Cod. dipl, Cavensis Ill.
N 536 (1000).
1) Chart. III N 39 (769) ut cum ex ipsis muneribus eseam et potu m
perciperint et Deo gratias retulerint, mihi pertingerint possit ad exultationem animole meae. Ebenso Toscano I N 21 (729), Troya In N 351
(686), V K 896 (768), Padovano I N 15 (874).
2) 'Vegen der großen Ausgaben.
3) Chart. III N 11 (745) Haus und Zehnten von anderm Vermögen.
Ebenso K 270 (877). K 39 (769) Wohnhaus mit ganzem Vermögen. N 112
(830) Wohnhaus mit andern Häusern.
4) Stutz,
Benefizialwesen S.218.
6) M. G. Ep. Ill. p. 479 N XVIII 3.
6) l\lansi,
VII. p. 386 can. 8. Clerici in ptochiis et in monasteriis
aut martyriis constituti, sub potestate sint ejus qui in ea est eivitate
episcopus, secundum traditionem sanctorum patrum.
Die Xenodochien
in Italien
und Frankreich.
39
dochium, daß es niemals der Botmäßigkeit
des Bischofs
unterworfen sein solle.t) In der gleichen Richtung liegt es,
wenn so mancher Stifter das Schicksal seiner Gründung ganz
frei bestimmt.
So erfahren wir aus einem Rechtsstreit
um
.ein Xenodochium vom Jahre 762, daß es dem Erzbischof
von Pisa nur dann untergeordnet sein solle, wenn er es nicht
vernachlässige, andernfalls einer Privatperson
mit Namen
Rottrnda.2)
Entsprechendes
verfügt im Jahre 870 der
Bischof von Bergamo: Das von ihm errichtete Xenodochium
soll nach dem Tode bestimmter Nießbraucher in die Herrschaft des Ambrosiusklosters
zu Mailand, unter gewissen
Voraussetzungen
aber yon diesem in die Herrschaft
eines
Klosters zu Nonantula kommen.P) In dem gleichen Stile
verordnet ein Stifter in Salerno (868) seinem Xenodochium
einen Kreislauf von den Erben über zwei Klöster wieder
zu jenen zurück.t) Dies alles ist nur möglich, weil der Gründer sich die potestas zuschreibt; denn diese potestaa ist
nichts anderes als die proprietas, das Eigentum, wie in den
beiden zuletzt genannten
Urkunden
ganz offen ausgesprochen wird ..5) Nach römischem Recht untersteht
das
1) Troya
IV N 534 (742) et nullius epi.scoporum aliquando subiacebit ditioni, sed in suo permanebit libero arbitrio et sub privilegü roborea firmitate tenendus ad sac ram nostram audientiarn veniat.
2) Troya
V N 791.
3) Chart. III N 246 (870).
') Cavensis I N 64 Et si heredes nostri hoc non adimpleverint,
aut si inde aliquid subtraxerint,
vel si.a parte palatii illorum fuerit contratum aut tultum, vola, ut veniat in potostate abbatis sancti Benedicti
....
Et si abbas monasterii sancti Benedicti ea, que supra legitur, non
adimpleverit
et aliquid inde tollere aut minuere praesumpserit,
vola
enim, ut in ea ratione quomodo superins legitur, eveniat in potesta.te
abbatis qui in die ilia fuerit monasterii saneti Vineentü . . ..
Et si
abbas ipsius monasterii
hec non adimplevcrit
...
tunc reverta.ntur in
proprietate
ad heredibus meis ad dominandum vel ordinandum
sicut
propria sua rebus, narn non ut et ipsi possit ex illa rebus per queneumque
modo dare cuicumquc aut alicnare, nisi semper per ipsorum ordinationem
ista mcrces se adimplcatur,
ut fiat inde ospitium et elemosinam, sicut
duduID lcgitur.
5) Chart. III N 246: Nam si pontifex Mcdiolancnsia et abbas ipsius
monasterü eadem Gundelassium elerieum ca.noniee vivem permiserit ...
tune scncdoehium ipsum cum omni integritate sua eo tcnpore, sicut supra
Icgitur, in eodem monasterio sancti Ambrosii in subsidium fratrum moo
nachorum ibidem Deo servcnciuru deveniat potestatem jure proprietario
l
40
Walther
Schönfeld.
Xenodochium seinem zuständigen Bischof, nicht einer willkürlich vom Stifter ausgesuchten kirchlichen Anstalt, nach
römischem
Rech t greift der Erzbischof
ein, wenn cler
Bischof seine Pflich t verletzt 1), nichtdas freie Belieben des
Gründers. Der Gegensatz der Auffassungen aber kann nicht
deutlicher ausgedrückt werden, als wenn der Mailänder Erzpriester Datheus im Jahre 787 in seiner Gründungsurkunde
die dortigen Erzbischöfe beschwört, sich seiner Stiftung
getreulich anzunehmen,
unter Verweisung auf das jüngste
Gericht, wenn sie es unterließen.s)
Hier die alte, dort die
neue Rechtsanschauung.
Ist aber dem Xenodochium mit der bedingten oder unbedingten Ausschaltung des Bischofs der Charakter als kirchlicher Anstalt genommen, so hat ihm in aller Regel auch als
Stiftung das letzte Stündlein geschlagen, sofern sich nich t
die öffentliche Gewalt, der König oder Herzog, seiner annimmt und es mit, ihrem Schutz umgibt.P) Denn nicht c1a,s
mindeste hindert jetzt den ungetreuen Gründer und Grün_
dergenossen, die Stiftung auf Grund seiner potestas oder
proprietas ihrem mildtätigen Zwecke zu entziehen, durch
Veräußerung. Umwandlung oder Zerstörung.t)
Dies scheint
auch gar nicht selten vorgekommen zu sein, nicht nur im
Bereich der lombardischen Urkunden, für den wir den Entwicklungsprozeß nachweisen konnten, sondern auch in den
übrigen Teilen der Kirche. Papst Eugen
klagt auf der
n.
eo tenore, sicut supra legitur. V~. auch Cavensis I N 64, oben S. 39
Anm.4.
Ka r l Voigt,
D3e königlichen Eigenklöster
im Langobarden.
reiche. 1009. S. 6, hat also die Sache ganz richtig gesehen.
1) Cod. I 3, 1. 45 § 6.
2) Chart. III N 61 (787): adiurans omnes pontificcs sanctae ccclesiac
Mcdiolancnsls per insepcrabilcm Trinitatem advcntumquc
aeterni regis, ut
ha ne dispositloncm
mcarn inconvulsam
et sine allqua transmutatione
conservcnt, et nullam superpositioncni
exsenodochio Iaciant, nisi in quantum mea decrcvit voluntas, et si fcccrint, rctribuatur illis in judicio judicis
sempiterni.
3) Ahistulfi Leges 17. VIII (i55) ~I. G. Legum IV.
202, Pippini
Italiac regis capitulare
cap. 3 ~I. G. Cap. 1. p. 192, Synodus Papiensia
can. in (850) ::\1. G. Cap.
p.116. Über Wesen und Vorteile des Königs.
schutzes Brunner,
Deutsche Rechtsgeschichte
Bd,
1802. S. 48tI.,
vgl. auch Ludo ~I.lIartmann,
Geschichte Italiens im )littelaltcr.
Bd. IV
1. IOI.). S.50. 71.
~) VgI. hierzu Stutz, Bcncfizialwcscn S. 224,.
r-
n.
n.
Die Xcnodoch icn in Italien
und Frankreich.
.
41
römischen Synode von 8~f) ganz allgemein, daß .xlie pia
loca wie andere Häuser durch die Nützlichkeit weltlicher
:l\Ieuschen geschändet. erfunden" würden.')
Dasselbe bestätigen die Beschlüsse der Synode von Pavia. (850)2) und
einige Teilungs-P) -uud Veräußerungsurkundcn.s)
So ist der Stiftungsgedanke
als Rechtsbegriff mit dem
römischen Kirchenrecht hochgekommen und, soweit dieses
durchbrechen ist, mit ihmclahingegangen.
Dieauf das Recht
am Grund und Boden gestützte potestas des Stifters und
seiner Genossen ha t sich gegen ihn erhoben, eine Art juristisches Erdbeben ihn verschlungen. Seitdem wird das Zweckvermögen der Xenodochien nicht mehr rechtlich, sondern
nur tatsächlich, nur durch die gute Laune und Frömmigkeit
der Eigentümer
zusammengehalten.
An die Stelle der
ihrem kirchlichen Zweck unlöslich verbundenen Vermözenso
einheit mit oder ohne Rechtspersön1ichkeit
ist das reine.
nackte Sondereigentum in der Hand des Stifters getreten.P)
Die getreulich weitergeführten
römisch-rechtlichen
For1) ~I. G. Capv I. P: 3i5 can. ~4. Sunt quaedarn pia loca, ut fertur,
in diversis regionibus invcnta, quae ita impia solitudine et sacerdotibus
dcstituta.,
nulloquc debito ibidem resonant nee existunt officia, ut, cum
si nt pro sola. Dei laude constituta, divino attestants oraculo: "domus mea
doni us orat ionis est", nunc autem ut aliae domus utilitate secularium
hominum
sordidae inveniuntur.
Z) ~1. G. Cap. 11. p. 116 can. 15: Quodsi heredes, sivo clerici sive
seculares, adeo inportunc
contra maierum suorum decreta ire ternptaverint, ut testatoris
institutionem
subprimcre vel obscuraro nitantur ct
inter se sinodochii subst antiam dividere, nuntietur sacrat.issimo impcratori, ut eius auetoritute
huiusmodi transgressorum nequitia colicrceatur,
3) Chart. III X HO (843) ut quandocumque gerrnani einsdem Liruinoni prcsbitero ad divisionem vcnisscnt, dc ipsis casis vel rcbus nullatcnus
cxinde divisionem accepisscnt, set! ex integrum in ipso sancta scnedochia
in pl'rpetuum permansi:;~cnt pro remedio anime ipsius Liminoni presbitero.
~) Char t. III ~ 5~ (i74) Prneceptum Caroli ~lagni regis Franeorum
pro sancti :llartini monasterio
Furocnsi: Insuper adiungimus ad pre·
fatum locum sinodochiulll ilium inter Padum et Ticinum. Chart. I X ·iO
(S05) PI'Opri urn . " monasterio traditlerunt cum insula. Teplcusc xcnadochium
citm ecclesia in Paria.
5) Daß dic rechtliche
Bindung des Ei;; enkirchenvermög<'ns
zu
pinem SondeITel'lllö"en
Icdi"licb auf kirchlic hen, nicht auf germanischen r:echt:;"ätze~
beruht~ ergibt auch di c eindringcnde
Untersucb ur.g von eh' ic h S tu tz Das Eigcnkirt::henvcrruügen,
Festschrift
für Otto Gicrkc zum iD. Geburtstag. Hlll S. 1187 II" besonders S. 1262.
I
42
WaIt her Schönfeld.
meln der Gründungsurkunden
vermögen darüber
nie h t
hinwegzutäuschen.
Ja so stark ist die Macht dieser sachenrechtlich betonten Ideen, daß sie allmählich sogar auf die
Anstalten der Kirche selbst abfärben.']
Dies ist um so
weniger auffällig, als die Kirche, wie wir gesehen haben,
im Wege der Rechtsnachfolge
häufig in clen Besitz Von
Xenodochien neuen Stils gelangte.P)
In dem allgemeinen
Niedergang der Xenodochien aber,
den man zu Beginn
und während der Karolingerzeit
beklagt '), spiegelt sich
wider, was dieZerstörung einesRechtsgedankens
in der Welt
der Tatsachen bedeuten kann, wobei die Wirkung der kriegerischenEreignisse nicht im mindesten verkleinert werden soll.
Diese Katastrophe
hat sich, wie wir sehen, sehr rasch
vollzogen, binnen weniger als hundert Jahren.
Sie fällt
in die Zeit, da die Germanen - in Italien die Langobarden - das Übergewicht
in der katholischen
Kirche erlangen. Sie kann auch ursächlich nur darauf zurückgeführt
werden.") Die potestas des Gründers, die den römischen
Stiftungsbegriff
zerstört hat, ist nichts anderes der
. Name sagt es schon 5) - als die Gewere des germanischen
Sachenrech ts. In ihr ist die Fülle aller überhaupt denkbaren Herrschaftsrechte
in ungebrochener
Einheit
beschlossen, da die auf äußerer Zweckmäßigkeit,
nicht auf
1) :J1. G. Cap. 1. p. 37-1 ~ 180 e. 16: Ut episcopo de subieetis plebibus
aliisque piis locis non.Iiccat res auferre, Kulli cpiscoporum liceat res immobiles de subiectis plebibus aliisque piis locis in proprio usu habere. ne
maiores enormiter locuplctentur et minorcs tali facto paupcres invcniantur,
Dazu S tu t z , Göttinglsclie Gelehrte Anzeigen 190J, S. 69. - )1. G. Cap. 1.
p. 31G :N 157 c. I: Capitulate Olonnense (8:22-823):
Si quis episcopus
aut propinquitatis
affectu aut muneris ambitione
aut causa. amicit iae
scnodocbia aut monastcria vel baptismales ecclcsias suao ccclesiae per·
t.incntcs euilibet per enfithcuseos contractus elcderit se suosque successores
poena. multaudos conscripscrit, potestatem talia mutandi recto rib us ccclesiarum absque poenac co nscriptac solutione conccdiuius - siehe auch die
Urkunde: unten Seite 50 Anm. 15. - Vgl. zu dieser ganzen Frage S t u tz,
Bencfizialwcsen S. 1:12. 21!). Piisehl,
II S. 308f1.
Z) Vgl. hierzu besonders ~eite :3!) Anm, [) und Stutz,
Bcncfiz ialwcscn S. 3:3:':iI.
3) Vgl. oben s. 16 fI.
t) Eo aucll Püsch I, r. S.3G.
5) nIa.n denke etwa an die potestas eles :\littc!sUlJ.llnc3 iu Lex SJ.lic:J.
tit.46.
Die Xcnodoch icn in Italien
43
und Frankreich.
innerer Notwendigkeit beruhende und darum im einzelnen
Falle stets willkürlich vor sich gehende Aufteilung in öffentlich- und privatrechtliche
Befugnisse noch nicht begonnen
hat.l) Ob dieser rücksichtslosen Durchsetzung der Gewere
gegenüber dem römischen Kirchenrecht germanische Kultanschauungen
aus heidnischer Zeit zugrunde liegen, wie
die Eigenkirchentheorie
von Ul r ich Stu tz vermutet"), ist
bekanntlich bestritten 3) und hier nich t weiter zu erörtern.
Wie dem auch sei, so viel ist sicher, daß dem naiven germanischen Rechtsbewußtsein
bei seinem Eintritt
in die
Kultur des Katholizismus
der Gedanke der Stiftung unbekannt war 1) und unverständlich blieb, ist er doch auch
den Römern erst ganz allmählich aufgegangen
und auch
dann noch in der Praxis nich t immer festgehalten worden,
wie die unberechtigten
Verfügungen
der Stifter
über
Stiftungsgut beweisen.") Der Germane konnte es aber erst
recht nicht begreifen, was eigentlich kein 'Wunder ist, daß
auf seinem Grund und Boden, aus seinem Vermögen, durch
seinen Willen ein Gebilde entstehen sollte, über das er
keine Macht mehr hätte. Er übernahm zwar mit der christ-'
lichen Religion auch die kirchliche Kultur und förderte,
schon urn seines Seelenheiles willen, ihre Einrichtungen,
aber er verbrannte dabei nicht alles, was er bisher unzebetet
hatte, und erst recht nicht betete er alles an, was die '"Kirche
verbrannte,
zumal dann nicht, wenn ihm das Verständnis
dafür cbging.P) So richtete er wohl pro remedio anime auf
seinem Grund und Boden ein Xenodochium ein, weil das
kirchliche Sitte war, aber er verzichtete nicht darauf, es
Gierke,
Das deutsche Gcnosscnscbaftarccht
Bd. n, 13i3.
Stutz,
Die Eigenkirche 1SG5. S. W.
:) Vgl. darüber den zusammenfassenden
Artikel von S t u t z , Eigenkirche und Eigenkloster in R. E. Bd, 23. 1913. S. 364fI., wo die gesamte
bis IG12 erschienene Literatur
zu finden ist.
3) Neuatona mit besonderer Energie von Do psc h,
S. 223 ff.
') In Am ira s Grundriß des germanischcn Rechts sucht man dergleichen vergeblich.
Vgl. auch Locning,
H. S. 632 und namentlich
Stutz,
Bcneflzialwcscn S. 92 hinsichtlich der nordischen Eigentempel.
&) von Zhis h m a n, S.8.
6) Vg!. hierzu An dr ea.s Heusler,
Alt~crmanischo
Religion in
Hinnebergs,
Kultur der Gegenwart.
Teil 1. 3. Bd. 13• UH3. S.2;0.
1) Otto
S. GO. Ulrich
n.
Wa.lther
Schönfeld,
wie jeden a ndem Teil seines Vermögens zu behandeln, es
zu verwalten und zu nutzen und, wenn Not an Mann kam,
zu veräußern oder umzuwandeln,
Dies muß unbefangener
Betrachtung
so selbstverständlich
erscheinen, daß eher das
Gegenteil verwunderlich
wäre '), und auch das kann nicht
auffallen, daß die germanische Anschauung den römischen
Stiftungsbegriff
nicht mit einem Schlage, sondern erst a,11mählich zerstörte.
Die Bekehrung zum Katholizismus
bedeutet für die germanische Kultur eine Katastrophe.
In
solcher Lage pflegt der erste Ansturm ailes zu vernichten j
freilich nur oberflächlich.
Ist er vorüber, dann setzt sich
die von ihm überwältigte Eigenart, wenn sie noch Lebenskraft hat, nach einer an Kämpfen reichen Übergangszeit um
so schneller und gründlicher wieder in Geltung. So erklärt
sich der große Erfolg des germanischen Gegenangriffs.
Allein auch das Kirchenrecht
seinerseits ist nur geschlagen, nicht besiegt.
Gestärkt und gefördert durch die
Arbeit des großen Kar! und seiner Söhne"), müht es sich,
im neunten Jahrhundert,
das Verlorene zurückzuerobern,
soweit es die Verhältnisse gestatten.
Die von den Germanen durch Gewalt und Rechtsbruch
geschaffene
tatsächliche Lage cler Dinge wird jetzt als Recht anerkannt,
freilich nur deshalb, um sie von elen schlimmsten Auswüchsen und Mißbräuchen
zu reinigen: Es verbleibt bei
dem vollen Eigentum des Gründers und seiner Rechtsnachfolger, aber der durch den Germanismus
gesprengte Rahmen der allgemeinen Kirchenverfassung
wird wieder darum
geschlossen und damit auch der Stiftungsbegriff
wieder
hergestellt.
So bekanntlich Eugen n. auf der römischen
Synode von 826. Was hier für Eigenkirchen und -Klöster
bestimmt wird 3), hat auch für die Xenodochien Bedeutung,
1) Darin, daß Gelasius auf einen ausdrücklichen Verzicht aller Rechte
dringt - S t u t z , Bcncfizialwescn S. 5D -, zeigt sich schon, daß das Gegenteil dem gemeinen Rechtsbewußtsein
al~ das Nornmlc erscheint,
Z) Darüber Stutz,
Benefizialwcscn S. 216ff., 2:l5fI.
3) ;:\1. G. Cap. 1. 3.4 can. 21. Monastcrium vel oratorium canonice
constructurn a dominio constructor is invito non aufcratur, Iiccatque ilii id
prcsbitcro cui volucrit pro sacro officio illius diocceseos et bonae auctoritatis dimissoriae cum conscnsu cpiscopi ne malus existat, cornmcndare, ita ut
ad placita et iuxta revcrcntiam ipsius episcopi oboedienter saccrdos rccurrat,
r-
Die Xcncdochicn
in Italien
und Frankreich.
45
nicht nur unmittelbar,
da viele von diesen mit jenen verbunden sind, sondern auch mittelbar.
Erst von hier aus
nämlieh fällt das richtige Licht auf die Vorschriften
der
Synode, die sich mit den Xenodochia et alia pia loca im
besonderen befassen.v) Danach sollen alle derartigen Anstalten von Geistlichen geleitet werden und dem Bischof
unterstehen,
entweder zu Verwaltungs- oder zu Aufsichtsrecht. Dies sieht sich so an wie das alte Recht der Novelle
120 cap. 6 § 12), allein der Schein trügt.
Die Privatxenodochien Justinians, wenn cler Ausdruck erlaubt ist, sind wirtschaftlich und rechtlich ihrem Gründer gegenüber völlig unabhängig,
mägen sie Rechtspersönlichkeit
besitzen oder
nicht, die Privatxenodochien
Eugens 11. sind das keineswegs.
Behält der Herr des Bethauses und Klosters sein
volles Eigentum und damit vornehmlich sein Nutzungsrecht,
so muß es dem Herrn des Xenodochiums
erst recht zustehen, wie dies auch dem tatsächlichen Zustand der Dinge
nach Ausweis der Urkunden 3) entspricht.
Freilich gehört
ewia
seinem
frommen
Zweck.
Es
bleibt
es
o
. im Vermözen
0
des Gründers, aber es ist wieder Stiftung geworden. Darum
soll es dem Bischof unterworfen sein. In einem von Hinkmar verb ßten Schreiben der Synode von Chiersy-j an Ludwig den Deutschen, wie man die verfallenen Xenoclochien
1) )1. G. Cone. n, p. 5i6 X 46:!3 (S~6) De xenodochiis et aliis piis
locis.
Per sollicitudinem
episcoporurn, quorum dioceseos existunt, ad
easdem utilitates, quibus constituta sunt, ordinentur,
ut debiti panes
atque cure pertinentibus
rc v ertantur, - )1. G. Cap. I. p. 3i5 e.24. De piis
Iocis, quae sine presbytcris existunt. . . . .. Itaquc si proprio iure eclesiae sint subicctnc, episcopus ibidem sine intermissione presbiterum cum
sufficiente suae utilitatis ope constituat,
Et si sccularium hominum sunt
iurc constituta,
ab episcopo illius dioeeseos admoneantur ; et si admoniti
presbiterum
infra triuru mensium spatium ibidem ncglexerit constituerc ,
curam cxinde habcns cpiscopus absque neglcetu principi suggerat, quatenus eius e'mendetur sentcntia.
2) VgI. oben S. 29.
3) Chart. !II X IS:1 (833) post nostrorurn amborum dicessum volumus adque ordinamus, ut sit excnodochium, sicut superius dixirnus ...
tunc post nostrum amborum dicessum ipsas gcrmanas nostras, dum una.
ex ipsas vixerit, dicbus vite suorurn cam abcrc et ordinare adque usum
fruere et regere dcbeant dicbus vite suorum.
Ebenso Chart. III X 173
(S51), X 246 (S70), X 270 (877).
.
4) )1. G. Cap.
p. 427 X ~()7 10.
n.
Wa lther
4ü
Schönfcld,
wieder aufrichten könne, tritt dieser Zusammenhang zwischen Stiftung und Bischof deutlich in die Erscheinung.
Freilich ist diese Säule mittlerweile selbst schwach geworden
und gerade im Begriff, von einer andern Macht ersetzt zu
werden. Schon im Jahre 790 hat Pippin für Italien kurzerhand erklärt.'}: De monasteria et senedochia qui per diversos comites (= comitatus) esse videntur, ut regales sint ; et
quicumque eas habere voluerint, per beneficium damno nostro
regis habeant.
Damit hängt es zusammen, daß Eugen 11. 2)
sowohl als namentlich die berühmte Synode von Pavia
(850)3) den Bischof an den weltlichen Arm verweisen, falls
der Eigentümer eines Xenodochiums sich widerspenstig
zeigt. Darum lassen sich die Bischöfe mit ihren Kirchen,
Klöstern und Xenodochien von den Kaisern und Königen
in Schutz und Schirm nehmen 4), erbitten von ihnen nötigenfalls die Veranstaltung einer Inquisitio 5) nach ihnen entwendetem Kirchengut, und schließlich machen sie selbst
gar kein Hehl daraus, daß nach Ansicht von vielen Gläubigen "die höchste Gewalt", insbesondere das sacrum
palatium, der wirksamste Schutz der Klöster und Xenodochien sei, wobei freilich zutage tritt, daß dies mitunter
ein Irrglaube ist.") Immerhin verdient hervorgehoben zu
werden, daß die Synode von Pavia (850) 7), ebenso wie die
1) :11.G. Cap. 1. p. 201 X!l5 G. Dazu Y. Sc h ub er t , S. 611; vor allem
Pösehl,
I. S. 165 mit Anru. 2 und Theod.
Sickei,
Die Immunitä.ts.
rechte nach den Urkunden der ersten Karolinger
bis zum Jahre 84.0.
Beitr. zur Dipl. V. 'Sitz.· Ber. der 'Yiener Akad. d. Wiss. Bd, 49. 1865.
S. 311 e., bes, S. 315.
2) Oben Seite 45 Anm. 1.
1) Oben Seite 41 Anm. 2.
4) Z. B. die Bischöfe von Cremona, Repertorio diplomatico Cremo.
nese I X 2 (ea, 8,)0), vgl. auch oben S.40. Anm. 3.
S) SO z. B. der Bischof von Bergamo Chart. In x 164 (841-842)
de rebus prefatae sed is inquisitio fiat per circummanentes
et idonoos
homines, qui degunt in illis Iocis, ubi ipsae res adjacent, nee non de rebus
baptismaliurn
ecclesiarum vel synodochiorum
ejus, ne per malerum homirrum invasionern aut injustam refragationem
arnittat, quod ei juste et
legaliter habere competit.
6) ~I. G. Cap. II. p. 121 N 22816 Synodus Papiensis (850).
') ~1. G. Cap. H.
121 N 22813: Similiter et de synodochiis statuimus, ut, quaecumque in episcoporum sunt potestate, secundum dispcsitionem eorum, qui ea instituerunt,
gubernentur;
quae autem sub de.
fensione quidem sunt ecclesiae, set iuxta institutorum
decreta per heredes
r-
Die Xenodochien
in Italien
und Frankreich.
47
frühere Zeit+), zwei Arten von Xenodochien kennt, die einen
in potesta.te episcoporum, die andern sub defensione ecclesine, und zwar nicht nur als frcmmen Wunsch, sondern als
wirklichen Tatbestand.P)
Dies wird man, wie immer das
Verhäl tnis von defensio und potestas, von Munt und Eigentum, sonst sein mag"), als einen Beweis dafür ansehen
dürfen, daß es damals noch Xenodoehien, von Privaten errichtet, mit eigner Rechtspersönlichkeit gab. Sonst hätte der
Gegensatz ja gar keinen Sinn. Indem aber überhaupt Xenodochien Privater unter dem Bischof erwähnt werden, enthüllt
sich uns des weiteren, daß das alte Recht nicht völlig erdrückt
sein konnte"), mag dies auf die Bestrebungen Eugens H,
vel pertincntes, qui religiosam vitam duxerint, rcgi debent, procuret episcopus, ut ab eis non neglegantur; et si in aliquo malae tractationis obnoxii
reperiuntur,
ecclesiasticae subiaceant disciplinae.
1) In den Leges Ahistulfi li VIII (i55):\1. G. Legum IV. p. 202 heißt
es: Xunc aut em statuimus, ut monasteria, baselica vel exenodochia que
ad palatii defensione esse videntur, si compositionem exegere debuerint,
non exegant sicut de causa regia dublum, nisi sicut alia venerabilia loco.
e:xegunt, que ad palatio non perteneunt. Dies setzt sinnvollerweise voraus,
daß es daneben noch Xenodochia in potestato palatii gab, bei denen doppelte Buße fällig war. Ygl. hierzu Br u n ner ,
S. 5-! Anm. 31 und
namentlich Voigt, S. 92ff. -. Siehe auch :\1. G. Cap.T, P: Hl2 Pippini
Italiae regis capitula re (iS2 -i86) cap. 3: Monasterie, virorum et puellarum,
tam que in mundio palatii esse noscuntur vel etiam in mundia episcopales
seu et de reliquis hominibus esse inveniuntur, distringat unusquisque in
cuius mundio sunt, ut regulariter vivant ; simul et senodochia, euiuslibet
sint, fratres in omnibus pascantur iuxta illorum possibilitatem.
2) Vg!. auch S t u tz, Benefizialwesen S. 122 mit Anm, 52.
3) Vg!. hierzu Siekei, Immunitäten und Privilegien.
Beitr, z. Dipl.
Ill. Wiener Sitz.-Ber. Bd.4i.
1864. S. 39. 6i. 69. 9}' Stutz, Bcnefizialwesen S. 1:!6 Anm. iO, lind Voigt, S.40. 72.79. Neuerdings besonders
Ado If \Va 3. s, Vogtei und Bedc in der deutschen Kaiserzeit 1. l!)l9.
S.22. 25. 53. Dazu die Besprechung von Hans PI a n i t z in Z. Sav.
Germ. Bd.41.
1920. S. 427 ff. Die Frage bedarf noch der Klärung:
') Ein gewisser Stabilis bat ein Xenodochium
errichtet und ausgestattet, seine Tochter verspricht dem Bischof von Bergamo, diese sowie
andere Gaben zu achten. Chart. III ~ 112 (830). - Der Erzbischof Andreas
von :\Iailand trilIt im Jahre 903 sebr eingehende Verfügungen über das
von ihm testamentarisch
errichtete Xenodochium, aber die Unterstellung
unter den Bischof erscheint ihm offenbar als selbstverständlich,
wenn er
am Schluß sagt: et si quod fieri non credo nee Deus permitat, si umqllam
in tempore ulla \'enerit persona vel potestas aut pontifex huius sancte
mediolanensis ecclesie qui hane mcam statutam iudicati et hordinationis
n.
48
Walther
Schönfeld.
zurücksehen
oder nicht. Davon abgesehen freilich werden
o
wir diesen Rcformversl!chcn
keine große praktische
Bedentune beimessen dürfen.
Infolge der unaufhörlichen
äußeren '" und inneren Kriege und Wirren, die das Ende der
Karolingerzeit hüben wie drüben der Alpen ausfüllen, beginnt sich schon jetzt. die tiefe Nacht herabzusenken,
die
dann im folgenden Jahrhundert
das gesamte kirchliche und
kulturelle Leben des Abendlandes in vollkommenes,
fast
undurchdringliches
Dunkel hüllt.")
Auch die Schärfe des
auf der Synode von Pavia, bezeugten Dualismus werden wir
uns in der Wirklichkeit des Rechtslebens nicht so groß vorstellen dürfen, wie sie den Begriffen nach erscheint.
Schon
aus verwaltungstechnischen
Gründen mußte den Eigenxenodochien wenigstens der Großen, der Könige, Herzöge,
Grafen und Klöster") eine gewisse Unabhängigkeit
und
Selbständigkeit eingeräumt sein, zum mindesten gegenüber
Dritten. Wie sie sich aber ihrenHerren gegenüber verhielten,
worüber wir leider so gut 'wie nichts erfahren 3), das wird
sehr von den Umständen des einzelnen Falls abgehangen
haben und noch nicht dadurch restlos entschieden, daß sie
gelegentlich veräußert wurden.t)
In einer Zeit, die den
Gegensatz von Rechtssubjekt
und Rechtsobjekt
bei den
Menschen durch zahlreiche Übergangsstufen
milderte, wie
das Recht der Halbfreien aller Art zeigt 5), die gerade erst
dabei war, die alte Vorstellung von der Vcriiußerliehkeit
muntunterworfener
Personen zu überwinden, wie das Verlöbnis- und Elterecht lehrt6), dürfen diese Fragen überhaupt
nicht so scharf zugespitzt werden wie heutzutage."]
Nicht
inrumperc quaesierint,
et in ea omnia, qualiter superius legitur et mea.
dccrcvi voluntas, firnnun et stabilem pcrmanere non premiscrit, CUIll Juda.
traditore sit condcmpnatus in perpetuum.
Chart. III ~ 402.
na.
1) Ernst
Sa c k u r, Die Cluniaccnscr
1. ISD2. S. oarr., Pöschl,
1!)12. S. 3fT.; v, Schubert,
S. 407.
~) Zumal wenn sie mehrere haben. Chart. III X 173 (8.31), X 21.3 (86.3).
3) Dazu Vo ig t , S.80. I·H.
4) Obcn S. 41 Anm.4.
5) Hühner,
S.81fT.
6) Hübner,
S. ;321. j·H.
') Dies gegen Aridr ca Galante,
La condiziono giuridica
delle
cose sacre 1!)03. p.l06, 132$s., 146; Il diritto di Patronato cd i Docu monti
longobardi. Studi in ...
onere d i Vittorio Sciu loja !!)05 p. 4!J6, der den
Persönliclikcitscharakter, und gegen Vo ig t, S. H. 63. 70, der den Eigen.
tumscharaktcr
zu stark betont.
Ill.
Die Xenodochien
in Italien
49
und Frankreich.
Person oder Sache, sondern Bindung oder Freiheit, das
ist die Schicksalsfrage
für das Vermögen
der Xenodochien,
mit einem Wort, auf den Stiftungsgedanken
kommt es an. 'Wird er mißachtet, dann ist es urn sie geschehen, wird er hochgehalten, dann ist den Herrschaftsrechten des Gründers
und seiner Rechtsnachfolger
die
Schlinge um den Hals gelegt, dann ist es nur eine Frage der
Zeit lind der Macht, daß die Stiftung den Stifter überwältigt und zur vollen Freiheit einer selbständigen Rechtspersönlichkeit
aufsteigt, wie dies nach langer Nachtl) in
der folgenden Periode, dem hohen Mittelalter,
als das
Hospitalwesen
zu neuer, alles Vorhergehende weit in den
Schatten stellender Blüte gelangte2), unbestrittenermaßen
geschehen ist.3)
.
§ 4.
2. Verfassung
und
Verwaltung.
Die Ordnung in den Xenodochisn, die von der Kirche
oder einem Kloster gegründet sind, wird durch deren allgemeine Verfassung bestimmt.
Demgemäß unterstehen sie
zu oberst dem Bischof und dem Abt sowie deren Organen,
dem Oeconomus oder Archipresbyter+j auf der einen, dem
Cellerarius 5) oder der Celleraria 6) auf der andern Seite.
l) lJlrich
Stutz,
Kirchenrecht
in Holtzendorff-Kohlers
En.
zyklcpüdie der Rechtswissenschaft
7, Bd. V. 1914. S. 339.
2) Aloys Schulte,
Geschichte des mittelalterlichen
Handels und
Verkehrs 1. 1900. S. soe., Scheffel,
n. S_ 26ff.; Heinrich Schäfer,
Die Kanonissenstifter
im Deutseben )Iittelalter. lD07. Kirchenrechtliche
Abhandlungen
hrsg. von Ulrich Stutz, Heft43/4-1. S. 252ff.; Hermann
No t t.a r p , Die Vermögensyerwaltung
des münsterischen Domkapitels im
Mittelalter.
~Iiinstercr phil, Diss. 1909. S. 11; Ar no Id Pösehl,
Steirische
Kirebenhospize
im )Iittclalter.
Zeitschrift des hist. Vereins für Steiermark.
Lusebin-Festscbrift.
1922. S. 46-50.
J) Heusler,
Institutionen
I. S. 325. Otto Gierke,
Genossenschaftsrecht
II S. 546 IT. 965, woselbst mit Recht hervorgehoben
wird,
daß der Unterschied zwischen selbständiger und unselbständiger
Stiftung
gering blieb, Ill. IS81. S. Ü9 Cf.
~) ~I. G. Ep. II. p. 420 X XIV 2 (603).
:i) Paulus Diaconus ad cap. 31. p_ :H3: Debet enim illi Abba. constituere isto modo verbi gratia: sub cum tua sunt infantcs, hospites,
infirmi, paupercs, scrvi et iam qui ad usum orti vel coquinac sunt depuZcibchrift
Ciir Rcchtsccschlchto.
XLIII.
Kan, Abt. X:I.
4
Waltber
50
Schönfeld ,
Unter deren Aufsicht.') wird die unmittelbare
Verwaltung
geführt von dem amministrator+),
custos P), guberna tor '),
minister 5), praepositus"), rector 7) xenodoch ii, dem xenodochus"), bei den kirchlichen von einem Kleriker, presbyter"},
diaconus-'') oder subdiaconus+'}, bei den klösterlichen von
einem Bruder unter dem Namen hospitalarius-P) oder elemosynarius P), für jedes Hospiz, das der Vornehmen und das der
Armen, von einem besonderen.P)
Dieser Xcnodochus - im
Abendland übrigens eine sehr seltene Bezeichnung - erhält in Italien eine Besta llungsurkundc.P)
Nach den beiden
tati . . . Deinde debet iIIi constituere curarn hospitum, isto modo vcrb i
gratia: si venerint episcopi, abbatos aut comites, tali modo iIIis scrvire
stude, si autcm vencrint clerici eanonici, ta li modo servitium exhibe; si
secrete venerint monachi, tali tenore ilIOB rccolligc. similitel si pauperes,
sub taii ordine .. Et postremo debet illi dicere: si in his tibi dubietas
venerit., me interroga.
Zu Scitc49·
6) Ho ls t c n iu s, I. p. 300. Regula cuiusdam patris cap. 4.
1) Paulus Diaeonus ad cap. 31. p. 315: Sed hoc intuendum
cst,
quia cum dicit "hospitum",
quod mos crat apud ant iquos, ut cellararius
curam haberot hospitum: sed nunc propter multitudinem
hospitum, qui
pene omni hora ad monasterturn
vcniunt, ideo alii constituti sunt ad
suscipiendos hospites.
2) ~I. G. Ep.
p.
X IX 66 a (50S).
~) Toscano I ~ 14 (720).
4) Mern. di Lucca V 2 X 643 (847).
;;) M. G. Ep. Ir. p. 86 N IX 66" (598).
6) Ahistulfi Leges 16 VII (i5;;).
:\1. G. Legum IV. p. 201.
7) :\1. G. Cap. Ir. p. 427 X 2!Ji 10 (858).
8) ~1. G. Ep. I..p. 258 N IV 24 (504).
9) :\1. G. Ep.
p. 382 N XIII 14 (602).
10) Libel' pontificalis
I. p. 440 (7;32).
11) ~I. G. Ep.
S6 N IX
(50S).
12) Paulus Diaconus ad cap. 53 p. 420.
13) Const.
Hirsallg. cap. 52. :\Iigne, Patrol. lat. 150 co!. 1114.
11) Paulus
Diaconlls ad cap. 53 p. 410: et alium fratrem debet constituere ad paupcres, alium autcm debct constituere propter honoratos
hospites.
15) .llelllorie
di Luecn. V.2. X 643 (84i): Ideo considcravi una cum
COll8ensum sacerdotum meorum de Ecc!. S. Columbani, quod est Sino.
dochio, sita propre murus istius civitatis Lucensc, pertincns Eccl. Epis.
nostro S. :\Iartini, ut magis ac magis in Dei omnipotcntis Iaudibus proficiat.
rroptercn. te Alipcrtulll prcsbitrrum
nostrum filio quondam Aliprandi
in prcfatam Dei Ecclcsiam S. Columbani, ct in olllnibus casis et rebus
ejus ubicunque ad eam pertincnti!Jus,
rectorcm et gubcrnatorcm
esse
n.
se
n.
n. r-
oc-
Die Xcnodochicn
in Italien
und Frankreich.
51
Formularcn
im Libel' diurnus 1) wird ihm sein Amt auf
Lebenszcit übertragen.
Von Zeit zu Zeit muß er seinem
Oberen Rechenschaft
lcgen.s) Die Verwaltung umfaßt die
Geschäftsführung
im Innern und, soweit es in Betracht
kommt, die Vertretung nach außen bei Rechtsgeschäften 3)
und Rechtsstreitigkeiton.s) DemXenodochus unterstehen die
höheren und niederen Bediensteten der Anstalt, wenn solche,
was von deren Größe abhängt, vorhanden
sind, etwaige
andere Geistliche 5), "4~rzte" 6), Pfleger und Pflegerinnen.")
Die Zahl dieser Hilfskräfte für den Fall, daß "viele Gäste"
kommen, gibt Paulus Diaconus") auf zwei bis drei an. Nach
constituo.
Sic tarnen omnibus diebus vitc tue eas abendi regcndi ac usu.
fructuandi, officium Dei et luminaria pcr te aut per tuarn dispositionem die
noctuque in eadem Eccl. recto moderamine faciendi et semper tres diebus
per singulas ebdomadas ibidem duodecim pauperes pascere debeas, sicut
statuta institutionem
anteecssorum
mcorum preordinatam
est, lUOS dill.
gentissime ad implcndum ad susccptionem
et refectionem pauperum,
pro salutem ct redcmptioncm
animarum predietorum Dominorum no.
strorurn.
1) X GQ. Gi.
") )f. G. Ep. 1. p. 238 X IV 2·1 um4). )l. O. Cone. 1. r- 105 Concilium
Aurcliuncnse (54!)) can, 15.
3) Chart. In N 453 (!H3) Tausch; vor allcm Aliistulfi Legcs Iß.Yfl,
:J[. G. Legum 1\'. p, 20I.
4) Oben S. 25 Anm. 4. Insbesondere
Ahistulfi Leges HI. X. :J1. G.
Legum IV. p. 202.
5) Chart. III X 707 (OSO) Leo diaconus cardinalis sancte :Jlarie
maioris de Cremona, rector diaconio sancte "{arie in Bethel regionis
quintc suprascripta
civitato Crernona, tibi .Ambrosio presbitero per anc
cartularn ad tuas prcces facta committimus,
providemus et perdonamus,
quat inns in oraculum sito xenodochio sancte lIIarie in Bethel, ubi rector
ordinatus esse vidcmur, pro quot tempera michi bene paruit, debeas omni
die et noctibus residcre pro bona custodia, offitio et luminaribus in prodicto oraculo , ibique, permittente
eplscopo, valeas Iibere ae liceat diebus
dominicis cclebrare missam, set ianuis eIusis, ne populus a. missarum
soIemniis in domo Domini a. predicationc abstrahatur;
aliis diebus, per·
mittente
episcopo, tibi perdonau1Us ut ianuis apertis vaIeas missa.m
celebrare.
6) Erwähnt
in)1. G. Script. r. M. Ill. p.464 (Cäsarius von ArlC3);
V. p. 235; Liber diurnus form. 66; )1. G. Script.
p. 530 (Vita .Adalliardi).
Dazu Haeser,
S.40.
1) Z. B. Ammen für die Säuglinge Chart. In N 61 (787).
8) Ad cap. 53. p: 420.
n.
.p
Walther
52
Schönfeld,
der Regula Magistr i-) sollen immer zwei Brüder anwesend
sein, schon aus Mißtrauen gegen die Besucher, "damit sie
nicht statt als geistliche Gastfreunde zum Schaden plötzlich
als Diebe erfunden werden".
Außerdem müssen alle, die
in das Noviziat aufgenommen werden wollen, vorher eine
gewisse Zeit in der cella hospitum Dienst tun, damit sie sich
in der Demut üben.s)
Die Verfassung der von Privaten gegründeten
Xeno ,
dochien richtet sich nach der Stiftungsurkunde,
dem ordo
dispositionis ") oder institutionis s), auch dann, wenn sie
durch Rechtsnachfolge
in geistliche Hand gelangt sind.P)
Dagegen scheint man sehr häufig verstoßen zu haben, wie
die ständige Erneuerung dieses Satzes durch Konzilien und
Kapitularien
lehrt. Der Stifter bestimmt, ob seine Anstalt
mit einem Oratorium oder Monasterium
verbunden
sein
soll oder nicht, er verordnet, welche Organe sie hat, er setzt
den praepositus, custos oder rector ein 6) nach Maßgabe der
allgemeinen Rechtslage, wie das im vorigen Abschnitt ausführlich geschildert worden ist. Er befindet endlich darüber,
1) Holstenius,
I. p. 2j'i cap. iD. Die Sittlichkeit der Pilger und
Pilgerinnen ließ z. T. überhaupt sehr zu wünschen übrig, vgl, das böse
Urteil des Bonifacius gegenüber dem Erzbischof von Canterbury.
~r. G.
Ep. Ill. p. 354 N VI 78 (H7).
2) Regula Benedieti cap. 58, Butler,
p. 90: "paucis diebus"; Reg.
Isidori episeopi cnp.4, Holstenius,
P: IS9: drei "Ionate. Rcg, S. Fruc.
tuosi cap. 21, Ho ls t.e n ius , p. 20G: ein Jahr.
3) Chart. III X -01 (iSi).
') :1\1.G. Cone. 1. p. 105 Cone. Aurel. can. 1;> (549); M. G.COllC. IT.
p. 591 N 48 7 (SlO-S2!)) Cone. in Francia halritum: Qualiter senedoch iorum
ordo servctur, promulgata ab auctoribus corum testamenta
fatentur.
--M. G. Cap. I. p. 328X 104 -I Capitulare Olonnense ecclesiasticum
(825):
De senodochiis precipimus, ut secundum posaibilitatcm vel tcmporis fertilitatem testamentorum
scripta scquantur.
Ebenso :\1. G. Cap. I. p.332.
369 N lOG 3 (825), N
G (821).
.
5) Oben S. 42.
6) Toseuno I. J..!, (720), Chart. III N 246 (870), X 402 (903), durch
cartola Toseuno Il 1 N 2U (789) et dum ipsa ecclesia agcntibus incensa et
desolata fuisset, tum ipse Sichcradus cleric us per cartulam me, qui supra,
Jacopum Diaconum in prcdicta Dei Ecclesia Sancti Vitulis et in omnibus
rebus ad cam pertincntibus
rectorcm et 'gubcrnatorem ordinavit, quamvis
ipsa inccnsa esset Basilica, ita ut in mea esset potestatem
in omnibus
secundum Deum ordinandum
et ipsos paupcrcs pascendum.
no
Die Xcnodoch ien in Italien
und Frankreich.
53
welche Art und Zahl von Gästen Aufnahme finden, welche
Werke der Barmherzigkeit
an ihnen verrichtet werden.v)
Dies alles in seiner bunten Mannigfaltigkeit. und zufälligen
Besonderheit darzustellen, ist hier nich t der Ort. Regelmäßig werden zwölf hospites nach dem Vorbild der Apostel
verpflegt"), wenn sie krank sind, bis zur Genesung"), sonst
üblicherweise nur auf kurze Zeit, meistens drei Tage in der
Woche,") Zum Danke sollen sie den Ruhm des Stifters
verkünden 5) und ihm dadurch im Verein mit den Messen
lind Gebeten des geistlichen Verwalters 6) in der ewigen Heimat eine 'Yohnnng bereiten helfen.
Ill. \
Das ist die Geschichte der Xenodochien in Italien und
Frankreich im frühen Mittelalter; für den Rechtshistoriker,
der hier das '"Vort geführt hat, ein Schauspiel von ganz
außergewöhnlicher
Schönheit des Rhythmus.
An den
Xenodochien hat sich im römischen Recht der Gedanke der
Stiftung zur Höhe einer selbständigen Rechtspersönlichkeit
entwickelt, mit ihnen hat. er den Sturz des Reiches im Abendland überdauert.
Dann ist er in der germanischen Zeit zersetzt und zerstört worden, bis er in sein Gegenteil umschlug,
die Xenodocliien a us Subjekten in reine Objekte des Rechts
verwandelnd, und schließlich haben sich gegen Ende unserer
Epoche diese beiden Entwicklungsreihen
in einer höheren
Einheit wiedergefunden als Grundlage für neue Bildungen
in dem dara uffolgenden Zeitalter.
Allein ihre Geschichte
1) Dabei spielen Bäder eine große Rolle; vgl, etwa Troya
III
N 425 (i20), Chart. III X 402 (003), Toscano II 1 X 20 (780) in der Karwoche besonders ; namentlich aber Speisungen, wie fa.st jede Stiftungs.
urkunde lehrt.
2) Dafür als einziges charakteristisches
Beispiel Formula Marculfl
11 1. :U. G. Formulae p. 70.
3) Pa r dcs s us , II :N 438 (6\l6) ut scmper eint numero duodecim
egrotantium, cum unus invaluerit de infirmitate et rccedit, alter egrotus
in ejus introeat locum.
C) Troya V N SOO (764) ad mensam duodecim pauperes et perigrini
brs dies ... lit in' alia Senodochia pauperes ad mensam pasccre videtur.
$) Oben S. 38 Anm. 1.
') Toseano 114 (720), Troys. V N 896 (j68), Chart. III ~ 402 (003).
54
WaltberScbönfcld,
DieXenodocbicn
in Italien
und Frankreich,
vollendet sich nicht in der Dialektik ihres Rechtsbegriffs.
Auch bei ihnen war zu sehen, daß sie mit der allgemeinen
politischen und wirtschaftlichen Kultur standen und fielen
im Widerschein
realer Machtvorgänge.
Freilich auch so
nicht ist ihr \Vesen ausgeschöpft.
Wie die Menschen nicht
vom Brot allein, also leben auch die Xenodochien nicht nur
von Recht und Wirtschaft.
In den schlichten, schönen Versen, mit denen der Bischof Theod ulf von Orleans, ein Germane und Freund des ersten germanischen
Kaisers der
Christenheit, sein Xenodochium in Orleans gefeiert hat 1),
wird offenbar, welcher Geist sie trug, was sie, wiewohl ein
bescheidener
Anfan g s), der leidenden
und pilgernden
Menschheit ihrer Zeit für Leib und Seele bedeutet haben.
Darum haben sie, selber ein Fremdling, den \Veg zum
Herzen der abendländischen
Völker so schnell gefunden
und diese ihre neue Heimat durch alle Stürme behauptet,
bis auf den heutigen Tag. Freilich cler griechische Name
ist ihnen im Laufe cler Zeit 3) abhanden gekommen; nur wie
eine ferne, dunkle Sage klingt er im Codex iuris canonic!
von 10174) ans Ohr der Gegenwart.
1) Theodulfi
Carmina X 5!l. ~I. G. Poetae Lat. med, aevi 1. p.554.
- Andere Gedichte über Xenodochien Alcuini Car mina N !l!) 10, N 1003,
)1. G. Poctae Lat. I. p. 324, 328 Carmina Centulensia
N so. 88. 11n. 136.
M. G. Poetae Lat. Ill. p. 320. 32!l. 344. :l4!l.
2) Ebenso v. Sc h ub e r t , S. GGi.
3) Das Corpus. iuris canonici, e. 39 C XVI q. 1, kennt ihn noch,
ebenso das Urkundentum
dieser Zeit: Cod. dipl. Ra tisbon, I X 206 (1133),
t; B. Straßburg I. N!H (ll44), :\rittclrhein.U. B. I X 1340(1163), Cart.
general de Paris I N 5G5 (1179), V. B. Zürich I X 351 (1191).
4) Can. 1192.