Untitled - Deutsches Archäologisches Institut

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Untitled - Deutsches Archäologisches Institut
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Umschlaggestaltung
C. Gerlach, DAI Berlin
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Nach Projekt-Bildern der Zentrale, 7 Abteilungen und 3 Kommissionen des DAI
Erscheint in der Zeitschrift Archäologischer Anzeiger 2007/2 und auf der Homepage des DAI (www.dainst.org)
Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten.
Ohne ausdrückliche Genehmigung des DAI ist es auch nicht gestattet, diese Broschüre oder Teile daraus auf photomechanischem
Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen oder unter Verwendung elektronischer Systeme zu verarbeiten und zu verbreiten.
Deutsches Archäologisches Institut
JAHRESBERICHT 2006
1
Zentrale
50
Abteilung Rom
74
Abteilung Athen
84
Römisch-Germanische Kommission
93
Abteilung Kairo
120
Abteilung Istanbul
138
Abteilung Madrid
161
Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik
170
Orient-Abteilung
207
Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen
225
Eurasien-Abteilung
256
Personelle Gliederung
Berlin
Bonn
Frankfurt
München
Rom
Istanbul
Madrid
Athen
Damaskus
Kairo
Jahresbericht 2006
des Deutschen Archäologischen Instituts
Allgemeines
Teheran
Baghdad
Sana’a
Zentrale in Berlin
Das Deutsche Archäologische Institut konnte während des Jahres 2006 seine
wissenschaftliche Arbeit mit Erfolg fortsetzen. Über die Fülle der Unternehmungen und das vielfältige Spektrum der Forschungsaktivitäten der Zentrale, der Abteilungen und Kommissionen gibt der folgende Jahresbericht
einen Überblick. Weitere Schwerpunkte der Arbeit des Instituts waren die
Rationalisierung und Modernisierung der internen Organisation, der wissenschaftlichen Dienstleistungen und ein Ausbau der Öffentlichkeitsarbeit. Das
Institut dankt der Bundesregierung und dem Bundestag für die Bewilligung
der Haushaltsmittel. Im Besonderen sei dem Auswärtigen Amt für die wohlwollende Begleitung und Unterstützung der Institutsarbeit gedankt. Viele
Projekte in den Gastländern wurden durch zahlreiche Institutionen der Wissenschaftsförderung unterstützt und häufig erst ermöglicht, unter denen die
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), die Gerda Henkel Stiftung, die
Fritz Thyssen Stiftung, die Max-Planck-Gesellschaft, die Volkswagenstiftung
und die Gesellschaft der Freunde des Deutschen Archäologischen Instituts/
Theodor Wiegand Gesellschaft besonders hervorzuheben sind. Dank dafür gilt
ihnen wie weiteren privaten Stiftungen, Kooperationspartnern und Förderern
aus dem Bereich der Industrie, deren Unterstützung bei den entsprechenden
Unternehmungen gewürdigt wird. In die Danksagung an dieser Stelle seien
auch die Institutionen, Behörden und Wissenschaftler unserer Gastländer für
die herausragende Unterstützung der Forschungsarbeit eingeschlossen. Ein
besonderes Ereignis war die Verleihung einer Plakette an die Abteilung Istanbul
durch den Kultur- und Tourismusminister der Türkei, Attila Koç, anläßlich der
Eröffnungsfeier zur Einweihung des rekonstruierten Teilstücks der hethitischen
Lehmziegel-Stadtmauer in Bo=azköy-Hattuša (s. Bericht der Abteilung).
Von der erfolgreichen internationalen – bilateralen wie häufig auch multilateralen – Zusammenarbeit geben die weitgefächerten, hier kurz vorgestellten
Projekte Zeugnis.
Ausgrabungen und Forschungen
Altaj (Mongolei)
Das Altaj-Gebirge erstreckt sich über das Territorium von vier modernen
Staaten: Rußland, Mongolei, Kazachstan und China. Aus vielen Teilen dieser
Hochgebirgsregion sind skythenzeitliche Kurgane bekannt, die unter dem
Oberbegriff »Pazyryk-Kultur« zusammengefaßt werden und überwiegend in
eine späte Etappe der skythischen Periode gehören (5.–3. Jh. v. Chr.). Eine
besondere Fundgruppe bilden die ›Eiskurgane‹, die entstanden, wenn sich die
2 Jahresbericht 2006 des DAI
Grabkammer nach der Beisetzung mit Wasser füllte, gefror und wegen der
speziellen Klimabedingungen im Hochgebirge nie wieder auftaute. In diesen
Eislinsen haben sich nicht nur die Leichname der Toten selbst, sondern auch
ihre Bekleidung und sämtliche Beigaben aus organischem Material – wie
Teppiche, bunte Filzdecken, Holz- und Horngegenstände – hervorragend
erhalten. Diese einmalige und sonst nirgends anzutreffende natürliche Konservierungsweise führt uns die Welt der skythenzeitlichen Reiternomaden
Südsibiriens in einer kaum zu übertreffenden Lebensechtheit vor Augen.
Die gefrorenen Grabhügel der Pazyryk-Kultur haben das Interesse der
Gelehrten schon seit dem 19. Jh. auf sich gezogen, systematische Ausgrabungen fanden bislang jedoch nur im nördlichen Teil des Altaj statt. Eine erste
wissenschaftliche Expedition führte der deutsche Sprachwissenschaftler und
Archäologe F. W. Radloff in den 1860er Jahren durch. Er öffnete die ersten
skythenzeitlichen Eiskurgane im Hochaltaj und wies damit der russischen
Forschung den Weg in eine der faszinierendsten Fundregionen Sibiriens.
Zwischen 1929 und 1955 setzten die russischen Archäologen M. P. Grjaznow
und S. I. Rudenko diese Arbeiten fort und legten in den fürstlich ausgestatteten Grabhügeln von Pazyryk, Tuekta und Bašadar aufsehenerregende Funde
frei, die heute in der Ermitage in St. Petersburg zu bewundern sind. Eine
neue Phase in der Erforschung der Eiskurgane begann in den frühen 1990er
Jahren, als V. I. Molodin und N.V. Polos’mak vom Institut für Archäologie und
Ethnographie der Russischen Akademie der Wissenschaften in Novosibirsk
auf dem Ukok-Hochplateau auf Kurgane stießen, in deren eisgefüllten Grabkammern sich die tätowierten Körper der Verstorbenen mitsamt ihrer Bekleidung und Beigabenausstattung erhalten hatten. Die einzigartigen archäologischen Denkmäler wurden erstmals mit modernen Methoden freigelegt und
interdisziplinär ausgewertet.
Fast 150 Jahre nach Radloff hat sich seit 2004 nun auch für die deutsche
Archäologie wieder die Chance ergeben, im Altaj tätig zu werden und diese
Forschungstradition aus dem 19. Jh. fortzuführen. Das Gemeinschaftsprojekt
zwischen der Zentrale des DAI, dem Institut für Archäologie und Ethnographie der Sibirischen Abteilung der Russischen Akademie der Wissenschaften
in Novosibirsk und dem Institut für Archäologie der Mongolischen Akademie der Wissenschaften in Ulan Bator widmet sich den Denkmälern der Pazyryk-Kultur an der südöstlichen Peripherie ihres Verbreitungsgebietes. Das
Arbeitsgebiet liegt im äußersten Nordwesten des mongolischen Territoriums
an der Grenze zu Rußland, Kazachstan und China. Es umfaßt die U-förmigen, breiten Hochgebirgstäler des Ojgor Gol und seiner Zuflüsse, deren Höhe
ü NN bei etwa 2400–2600 m liegt.
Eine erste Prospektion des Gebietes durch Wissenschaftler der drei Partnerinstitutionen im Sommer 2004 widmete sich der Lokalisierung, Beschreibung
und photographischen Dokumentation der oberirdisch sichtbaren archäologischen Denkmäler. Im Juni 2005 begab sich eine zweite Expedition in das
Arbeitsgebiet, um detaillierte topographische Pläne jener skythenzeitlichen
Nekropolen anzufertigen, die für eine eingehendere archäologische Untersuchung vielversprechend erschienen. Gleichzeitig führte ein GeophysikerTeam der Russischen Akademie der Wissenschaften aus Novosibirsk Prospektionen an ausgewählten Grabhügeln durch. Diese Messungen, bei denen es
sich um speziell modifizierte Verfahren auf der Grundlage von Geoelektrik
und Bodenradar handelte, sollten ohne Bodeneingriffe erste Vorinformationen über das Vorhandensein von Eislinsen unter den Steinpackungen liefern.
Im Ergebnis zeigten einige Kurgane tatsächlich Anomalien, die von den Geophysikern als Eisbildungen interpretiert wurden – eine Deutung, die wegen
Zentrale in Berlin 3
der Neuartigkeit der Verfahren noch durch Ausgrabungen verifiziert werden
mußte. Im Juni und Juli 2006 fand eine Grabungskampagne statt, bei der insgesamt vier Kurgane untersucht wurden.
Die Ausgrabungen begannen mit dem größten Kurgan der Region, Ulan
Daba 1, der an einer nach Westen Richtung Ukok-Plateau führenden Paßstraße lag. Die geophysikalischen Messungen an diesem Steinhügel von 18 m
Durchmesser hatten in 2,50 m Tiefe eine deutliche Anomalie gezeigt, hinter
der eine massive Eislinse vermutet wurde. Im Laufe der Grabungen zeigte sich
aber überraschenderweise, daß der Steinhügel gar keine Grabgrube bedeckte, sondern ebenerdig auf der alten Oberfläche lag. Die einzige Bestattung
bestand aus einer mit mächtigen Steinplatten errichteten Kiste in der Mitte
des Kurgans, welche die schlecht erhaltenen Skelettreste eines erwachsenen
Individuums enthielt. Mangels datierender Funde wie auch vergleichbarer
Befunde kann die Frage nach der Zeitstellung dieses Objektes erst durch die
14C-Datierung geklärt werden. Im weiteren Verlauf der Grabung wurde unter
dem Steinhügel zwar tatsächlich eine Eislinse angetroffen, dabei handelte es
sich aber um eine natürliche Bildung im ungestörten anstehenden Boden.
Das zweite Objekt, das ausgegraben wurde, war der Kurgan 2 des skythenzeitlichen Grabhügelkomplexes Olon Kurin Gol 6 im nach Norden führenden Tal des Olon Kurin-Flüßchens. Der Kurgan mit einem Durchmesser von
14 m wies im Zentrum eine trichterförmige Absenkung auf, wie sie entweder
durch ein Einbrechen der Grabkammerdecke oder aber durch eine Beraubung entstehen kann. Die Ausgrabung zeigte bald, daß bei diesem Objekt
der letztere Fall zutraf: Bereits in der Verfüllung der rechteckigen, unter der
Steinabdeckung gelegenen Grabgrube zeichnete sich der von den Räubern
gegrabene Schacht deutlich ab; die in 2 m Tiefe befindliche Holzkammer
bot ein Bild der Verwüstung: Ihre Spaltbohlenabdeckung war zerschlagen, das
Kammerinnere durchwühlt und selbst die Bodenbretter waren durcheinander
geworfen worden. Die Skelettreste der Bestatteten, einer erwachsenen Frau,
lagen wahllos verstreut, von den Beigaben waren nur mehr wenige Bruchstücke vorhanden (kleine Fragmente von Goldfolie, Reste von Holz- und
Keramikgefäßen, Stoffetzen u. ä.), die allerdings zusammen mit einigen Eisbildungen die ehemals guten Erhaltungsbedingungen im Kammerinneren
andeuteten. Eine Überraschung erwartete die Archäologen auf dem Kammergrund unter den verlagerten Bodenbrettern: Neben einem in Filz gehüllten mehrteiligen Kamm aus Holz und Knochen lagen die winzigen Skelettreste eines wahrscheinlich frühgeborenen Kindes, das hier offenbar mit seiner
Mutter beerdigt wurde. Nördlich der Holzkammer befand sich der Kadaver
eines Pferdes, das von den Grabräubern nicht beachtet worden war. Das Grab
stammt aus der späten Phase der Pazyryk-Kultur (Anfang 3. Jh. v. Chr.).
In der direkt benachbarten Denkmälergruppe Olon Kurin Gol 7 wurde
der kleine Kurgan 2 mit nur 8 m Durchmesser untersucht. Die Ausgrabung
ergab, daß dieser Steinhügel kein Grab enthielt, sondern wahrscheinlich als
Gedenkstätte, Kenotaph oder Kultplatz gedient hatte, wie sie häufig in Verbindung mit Kurganketten anzutreffen sind. Unter der Steinaufschüttung, die
sich im äußeren Aufbau nicht von derjenigen wirklicher Grabkurgane unterschied, kam die Deponierung eines Keramikgefäßes zum Vorschein, das an
den Beginn der auf die Skythenzeit folgenden hunno-sarmatischen Periode
datiert (2. Jh. v. Chr. bis 2. Jh. n. Chr.).
Das vierte untersuchte Objekt war der Kurgan 1 der Hügelgruppe Olon
Kurin Gol 10, die ca. 1 km vom Komplex Olon Kurin Gol 6/7 entfernt
liegt. Während die anderen beiden Grabhügel der Kurganreihe geplündert
waren, wies der mit 12 m Durchmesser größte Kurgan 1 keinerlei Spuren
4 Jahresbericht 2006 des DAI
einer Beraubung auf. Nach dem Abtragen der Steinaufschüttung zeigte sich
im Zentrum eine rechteckige Grabgrube (Abb. 1), die in 1,40 m Tiefe unter
einer schwarzen Filzdecke eine völlig intakte hölzerne Grabkammer sowie
zwei nordöstlich neben ihr liegende Pferde enthielt. Die Pferde, deren Körper gefroren und deshalb sehr gut erhalten waren, sind in voller Ausstattung
mitsamt ihren Sätteln und dem reich mit zinnüberzogenen Holzschnitzereien
verzierten Zaumzeug (Abb. 2) ins Grab gelegt worden.
Die langrechteckige, in Blockbauweise aus mächtigen Lärchenbalken errichtete Grabkammer war vorzüglich erhalten und ließ noch sämtliche Bearbeitungs- und Werkzeugspuren erkennen. Unmittelbar unter der Kammerabdeckung, durch die in mehr als 2000 Jahren keinerlei Erdreich eingedrungen
war, kam das Grab mit seiner gesamten Ausstattung zum Vorschein. Der Tote
und das Inventar waren hervorragend erhalten, obwohl sie nicht innerhalb
einer Eislinse, sondern auf ihr lagen (Abb. 3). Das gesamte Grab war über den
Bodenbrettern mit einer grauen Filzdecke ausgelegt, die mit Holznägeln an
den Wänden befestigt war.
Auf ihr lag vor der südwestlichen Kammerwand der teilweise mumifizierte Tote, ein erwachsener Mann, in Rückenhockerposition mit dem Kopf
im Südosten. Das Gesicht war zerstört, da der Leichnam von der unter ihm
liegenden Eislinse gegen die Kammerdecke gedrückt worden war, am Hinterkopf fand sich ein blonder Haarschopf. Vom Gesäß abwärts hatte sich der
Körper gut erhalten, während der Rumpf weitgehend skelettiert war – in
diesem Bereich fanden sich allerdings Hautreste, die noch Spuren figürlicher
Abb. 1 Altaj (Mongolei), Olon Kurin Gol 10.
Kurgan 1, Blick auf die Verfüllung der Grabgrube nach dem Abtragen der Steinaufschüttung
Abb. 2 Altaj (Mongolei), Olon Kurin Gol 10.
Kurgan 1, holzgeschnitzter Riemenschmuck
vom Pferdegeschirr mit Resten von dünner
Zinnauflage
Zentrale in Berlin 5
3
4
5
Altaj (Mongolei), Olon Kurin Gol 10. Kurgan 1
Abb. 3 Blick auf das Grab nach dem
Entfernen der Balkenabdeckung
Abb. 4 Der Pelzmantel des Verstorbenen
vor Beginn der Restaurierung
Abb. 5 Die knielange Wollhose des
Verstorbenen vor Beginn der Restaurierung
Tätowierungen zeigen. Der Tote war vollständig bekleidet beigesetzt worden:
Er trug einen verzierten Pelzmantel aus Murmeltier-, Schafs- und Zobelfell
(Abb. 4), darunter hatte er eine knielange Wollhose an (Abb. 5). Seine Beine
steckten in hohen, mit roten Bändern geschmückten weißen Filzstiefeln. Auf
dem Kopf trug der Bestattete eine hohe Filzhaube mit einer Verzierung aus
verschiedenen holzgeschnitzten und mit Goldfolie überzogenen, teilweise rot
bemalten Tierfiguren (Abb. 6). Zum Trachtschmuck gehörte ferner ein hölzerner Halsreif, der ursprünglich ebenfalls mit Goldfolie überzogen war und
zwei einander zugewandte Wölfe mit aufgerissenen Mäulern und gefletschten
Zähnen zeigt (Abb. 7). An der Taille des Toten kamen vier hölzerne Gürtelplatten mit geometrisch geschnitztem Rand zutage, deren Form bereits Typen
der folgenden hunnischen Epoche vorwegzunehmen scheint; außerdem hatte
der Mann einen hölzernen Kamm in einem Fellsäckchen bei sich sowie einen
runden Bronzespiegel in einer Filztasche.
Dem Krieger war eine vollständige und für die Skythenzeit im Altaj typische Waffenausstattung beigegeben worden. Unter dem Pelzmantel kamen
ein eiserner Akinakes (Dolch) in einer Holzscheide und ein eiserner Streitpickel mit bemaltem Holzgriff zum Vorschein, beide waren am Gürtel befestigt gewesen. Hinter dem Toten an der südwestlichen Kammerwand lagen
Köcher und Bogen (Abb. 8). Vom Köcher waren die hölzerne Längsleiste,
etliche Holzpfeile und eine aus rotem und gelbem Filz genähte, mit Bommeln und bunten Schnüren verzierte Verschlußkappe erhalten. Durch diese
Kappe hatte man den Bogen in den Köcher eingesteckt. Der ca. 1,20 m lange
Kompositbogen war asymmetrisch geschwungen und bestand aus mehreren
längsverleimten Holzleisten, die mit Lederstreifen umwickelt waren. Bei diesem sensationellen Fund handelt es sich um den ersten Bogen aus der Pazyryk-Kultur der Altaj-Region und einen der wenigen vollständig erhaltenen
der Skythenzeit überhaupt.
Die Grabkammer enthielt eine Reihe weiterer Beigaben: In der östlichen
Ecke stand ein Set aus einem Horn-, einem Holz- und einem Keramikgefäß,
daneben lag ein großes vierfüßiges Holztablett, auf dem sich Schwanzwirbel
6 Jahresbericht 2006 des DAI
6
7
Altaj (Mongolei), Olon Kurin Gol 10. Kurgan 1
Abb. 6 Holzgeschnitzte und ursprünglich mit Goldfolie überzogene Pferdefigur vom Kopfputz des Verstorbenen
Abb. 7 Holzgeschnitzter Halsreif des Toten, ehemals mit Goldfolie
überzogen
Abb. 8 Der aus mehreren Holzleisten zusammengesetzte Kompositbogen kam vor der Südwestwand der Grabkammer zum Vorschein
8
eines Schafes oder einer Ziege, Fleisch- und Fettreste sowie ein eisernes Messer befanden. Nicht nur die Position der Gefäße zur Rechten des Kopfes,
sondern auch die Kombination aus Horn-, Holz- und Keramikgefäß sowie
Holztablett sind eine charakteristische Erscheinung in Bestattungen der Pazyryk-Kultur.
Am 27. Juli 2006 besuchte der mongolische Staatspräsident die Ausgrabungen in Olon Kurin Gol 10, zwei Tage später folgte der deutsche Botschafter mit einer Delegation. Während der Ausgrabungen war ferner ein Team im
Auftrag des ZDF anwesend, um in seiner Reihe »Schliemanns Erben« in allen
Einzelheiten über den Sensationsfund zu berichten.
Der Körper des Verstorbenen, dessen Grab an den Beginn des 3. Jhs. v. Chr.
datiert, wird derzeit am Bereich Humanmedizin der Universität Göttingen
anthropologisch untersucht, während die Fundstücke am Institut für Archäologie und Ethnographie in Novosibirsk konserviert und restauriert werden.
Zu dem internationalen Wissenschaftlerteam, das sich mit der Bearbeitung der untersuchten Gräber und mit der Analyse sowie Konservierung
der menschlichen Überreste und der übrigen Funde befaßt, zählen neben
Anthropologen und Genetikern auch Dendrochronologen, Archäozoologen,
Mikrobiologen, Botaniker, Chemiker, Glaziologen und Vertreter zahlreicher
weiterer Fachrichtungen aus den primär am Projekt beteiligten und anderen
Ländern.
Kooperationspartner: Institut für Archäologie der Mongolischen Akademie der Wissenschaften in Ulan Bator (D. Ceveendorž); Institut für Archäo-
Zentrale in Berlin 7
logie und Ethnographie der Sibirischen Abteilung der Russischen Akademie
der Wissenschaften in Novosibirsk (V. I. Molodin); Institut für Geophysik der
Sibirischen Abteilung der Russischen Akademie der Wissenschaften in Novosibirsk (M. I. Epov, geophysikalische Prospektion); Museum für Vor- und
Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz • Leitung des Projekts: H. Parzinger, V. I. Molodin • Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen: A. Nagler, H. Piezonka, R. Wieland.
Abb. 9 Taganrog (Russische Föderation), Synopse durch die Profile diverser
Bohrlöcher mit einer Rekonstruktion der
Abfolge von geologischen Schichten und
Kulturschichten im Uferbereich
Taganrog (Russische Föderation)
Nachdem in der griechischen Siedlung von Taganrog unweit der Mündung
des Don in das Asovsche Meer 2004 Grabungen angelaufen waren, wurde sehr
schnell deutlich, daß die frühesten Siedlungsschichten im Uferbereich unter
meterhohen Verschüttungen begraben liegen; ein weiterer Teil der antiken
Siedlung verbirgt sich heutzutage unter dem Sandboden in der Bucht von
Taganrog. Die Erforschung der Topographie und der Chronologie der Siedlung stellt deshalb besondere Anforderungen, die nur durch das Zusammenwirken von Archäologie und Naturwissenschaften (Geographie, Geophysik,
Unterwasserarchäologie) bewältigt werden können. Die Forschungen in Taganrog sind eingebettet in die eingehendere Untersuchung der Besiedlungsgeschichte der westlich gelegenen Halbinsel am Myus Liman und des DonDeltas. Für die kommenden Jahre ist daher vorgesehen, in der Umgebung
von Taganrog mit Hilfe moderner Prospektionsverfahren und Ausgrabungen
der Frage nachzugehen, welche Formen der symbolischen Raummarkierung
(Bestattungen, Siedlungen,Verkehrswege) nach dem Aufeinandertreffen einer
nomadisierenden und einer seßhaften Lebensweise im Umland von Taganrog
entwickelt worden sind.
8 Jahresbericht 2006 des DAI
Abb. 10 Taganrog (Russische
Föderation), Ost-West-Profil der 2006
geöffneten Schnitte mit deutlich sichtbarer
Abfolge von Kulturschichten zwischen dem
späten 7./1. Hälfte des 6. Jhs. v. Chr. und
dem späten 4./1. Hälfte des 3. Jhs. v. Chr.
2006 konnte erstmalig die Bucht von Taganrog prospektiert werden. Sie ist
von besonderem Interesse, weil aufgrund massiver Scherbenfunde im Uferbereich der Südküste von Taganrog davon auszugehen ist, daß sich dort noch
Siedlungsreste erhalten haben. Die gefahrenen Teststreifen dienten zur Vorbereitung einer größer angelegten Prospektion des Instituts für Physik der
Universität Kiel im Jahr 2007, mit deren Hilfe ein dreidimensionales georeferenziertes Bild möglicher Siedlungsreste in der Bucht von Taganrog gewonnen werden soll. Um zusätzliche Erkenntnisse über den Ursprungsort
der beständig angeschwemmten antiken Keramik zu gewinnen, wurde eigens
gekennzeichnete moderne Keramik an ausgewählten, mittels GPS markierten
Punkten deponiert. Der Fundort dieser durch die Strömung bewegten Stücke
läßt Rückschlüsse auf die Provenienz der antiken Keramik zu.
In Zusammenarbeit mit dem Institut für Geographie der Universität
Marburg durchgeführte geologische Bohrungen hatten zum Ziel, Aufschlüsse über die Küstenmorphologie in der Vergangenheit, die Meeresspiegelschwankungen des Asovschen Meeres, die zum teilweisen Verschütten der
griechischen Siedlung geführt haben, und die Topographie der griechischen
Siedlung zu erlangen (Abb. 9). Als Endergebnis soll eine Rekonstruktion des
Landschaftsbildes in unterschiedlichen zeitlichen Horizonten erfolgen, um
das Verständnis für die Wahl des Siedlungsplatzes zu befördern. Die Analyse
von Sedimentproben, die derzeit 14C-AMS Datierungen unterzogen werden,
verbunden mit Pollenanalysen und petrogylphischen Untersuchungen, dauert
noch an. Mit Hilfe der Bohrungen konnte die Ausdehnung der Siedlungsbefunde im Küstenbereich in Antike und Mittelalter bestimmt werden.
Archäologische Untersuchungen konzentrierten sich ebenfalls auf den
südlichen Uferbereich Taganrogs. Ein Quadrat von ca. 30 m × 30 m sollte
das Geländeprofil der im vergangenen Jahr angeschnittenen durchweg antiken Schichtungen erschließen (Abb. 10). Als wesentliches Ergebnis kann
festgehalten werden, daß sich zwei neue Phasen der Siedlung aus dem 4. bis
mittleren 3. Jh. v. Chr. verifizieren lassen. Zahlreiche Keramikfragmente vor
allem von ostgriechischen Amphorentypen des 6.–4. Jh. v. Chr. konnten geborgen werden (Abb. 11. 12). Ein im vergangenen Jahr freigelegter Platz gehörte vermutlich nicht wie zunächst angenommen zu einem Haus, sondern
stand möglicherweise in Verbindung mit der Nekropole der antiken Siedlung.
In seiner unmittelbaren Nähe konnten verlagerte Menschenknochen in diesem Jahr dokumentiert werden. Die Grabungsergebnisse werden derzeit mit
Bohrprofilen korreliert und fließen in eine Synopse als Grundlage für eine
3D-Rekonstruktion des Küstenbereiches in der Vergangenheit ein.
Abb. 11. 12 Taganrog (Russische
Föderation), Überrest einer griechischen
Handelsamphora aus Thasos (5. Jh. v. Chr.)
Zentrale in Berlin 9
Abb. 13 Umland von Taganrog (Russische
Föderation), spätbronzezeitlicher Kurgan
Die Umgebung von Taganrog und die Halbinsel am Myus Liman, die unmittelbar westlich an das Stadtgebiet von Taganrog anschließt, wurden im
Rahmen eines Surveys mit Unterstützung des Katasteramtes Taganrog begangen. Insgesamt 60 archäologische Fundplätze – darunter Nekropolen,
Siedlungsplätze und einzelne Kurgane (Abb. 13) – konnten beschrieben und
mittels GPS in eine georeferenzierte Karte eingetragen werden. Ergänzt wurden diese Arbeiten durch die Dokumentation von Lesefunden, die Erfassung
bisher publizierter Literatur und die Sichtung bereits vorhandener, aber noch
nicht publizierter Funde aus ausgewählten Grabhügeln auf der Halbinsel im
Museum von Taganrog. Bei dem Survey konnten drei Siedlungsplätze erstmalig identifiziert werden. Deutlich wurde, daß die Region bereits in der
Bronzezeit besiedelt war. Das System aus Siedlungen, die möglicherweise von
halbseßhaften Nomaden nur temporär genutzt worden sind, muß sich nach
der Gründung von Taganrog spätestens im 5. Jh. v. Chr. geändert haben, wie
zwei weitere Siedlungsplätze mit Oberflächenfunden an griechischer Keramik gezeigt haben.
Die bisher gewonnenen digitalen Daten wurden in ein neu aufgebautes
Datenbank- und GIS-System eingegeben, in das alle Projektpartner über das
Internet Einsicht nehmen können.
Kooperationspartner: Institut für Archäologie der Russischen Akademie
der Wissenschaften (V. Kuznetsov); Don-Archäologische Gesellschaft Rostov
am Don (A. Isakov, P. A. Larenok); Institut für Physik der Christian-AlbrechtsUniversität zu Kiel (Ch. Müller); Institut für Geographie der Philipps-Universität Marburg (D. Kelterbaum) • Leitung des Projekts: O. Dally • Mitarbeiter: T. Schunke, P. Grunwald, U. Kapp • Abbildungsnachweis: D. Kelterbaum
(Abb. 9); T. Schunke (Abb. 10); P. Grunwald (Abb. 11); N. Ullrich (Abb. 12);
U. Kapp (Abb. 13).
Die antike Siedlungstopographie Triphyliens (Griechenland)
Im Spätsommer 2006 startete das von der DFG im Rahmen des Schwerpunktprogramms »Die hellenistische Polis als Lebensform« geförderte Projekt
zur Erforschung der antiken Siedlungstopographie Triphyliens.
Triphylien liegt an der Westküste der Peloponnes und wird von den
Landschaften Elis, Arkadien und Messenien umrahmt. Mehrere Poleis und
Heiligtümer unterschiedlicher Größe und Bedeutung sind von der antiken
Siedlungsstruktur erhalten und bieten eine gute Grundlage, um Fragen zur
Siedlungsdichte sowie zur Form und Ausstattung der Städte zu untersuchen
(Abb. 14). In der antiken Literatur über Triphylien ist im 4. und 3. Jh. v. Chr.
10 Jahresbericht 2006 des DAI
ein entscheidender Wandel von abhängigen Perioikenstädten hin zu selbständigen Poleis zu belegen, der sich in einem neuen Selbstbewußtsein der Bürger
und im Ausbau der Städte widerzuspiegeln scheint (Abb. 15). Nachdem die
triphylischen Städte mehr als ein Jahrhundert in einem Perioikenverhältnis
zur übermächtigen Polis Elis standen, konnten sie nach der Niederlage von
Elis im elisch-spartanischen Krieg (402–400 v. Chr.) diese Abhängigkeit mit
Hilfe der Spartaner abschütteln. Nicht nur ein wirtschaftlicher Aufschwung,
der sich in zahlreichen Um- und Neubauten ausdrückt, war die Folge. Die
Städte legten sich eine neue Identität unter mythistorischen, kulturellen und
architektonischen Aspekten zu, um einem erneuten Anspruch und Zugriff des
allmählich wieder erstarkenden Elis vorzubeugen. Nach 400 v. Chr. schlossen
sich die nun unabhängigen Poleis zu einem Bund zusammen und führten ihre
Herkunft auf Triphylos, den Sohn des Arkas, den Stammvater der Arkadier,
zurück.
Mit archäologischen und bauhistorischen Methoden sollen diese gesellschaftlichen Veränderungen nachgewiesen und deren raumbildende Konsequenzen innerhalb der Städte und des Städtebundes diskutiert werden. Die
Untersuchungen begannen in der ersten Feldkampagne im Gebiet der antiken Stadt bei Skilloundia. Durch den Fund einer bronzenen Bürgerrechtsurkunde kann sie mit der aus der antiken Literatur bekannten Polis Makistos identifiziert werden. Nachdem im Stadtgebiet ein Meßnetz eingerichtet
wurde, konnten alle oberirdisch sichtbaren Gebäudereste aufgenommen werden. Dazu gehören ein großer Peripteros, der Athena geweiht war, Terrassen-
Abb. 14 Die antike Siedlungstopographie
Triphyliens (Griechenland), Platiana.
Unbenannte antike Stadt mit Befestigung
und Theater auf einem schmalen Bergkamm
bei Platiana
Zentrale in Berlin 11
Abb. 15 Die antike Siedlungstopographie
Triphyliens (Griechenland), Samikon. Stadtmauer der Polis Samikon mit Blick über die
Küstenebene und das Ionische Meer
Die antike Siedlungstopographie
Triphyliens (Griechenland), Makistos
Abb. 16 Mauern einer byzantinischen
Kirche auf antiken Fundamenten, im Hintergrund die Akropolis von Makistos mit dem
Athenatempel
Abb. 17 Hellenistische Nekropole mit
Grabbezirken und Steinplattengräbern
außerhalb der antiken Siedlung
16
mauern, Brunnen, eine byzantinische Kircheruine auf antiken Fundamenten
(Abb. 16) und zwei hellenistische Nekropolen (Abb. 17). Die Funde älterer
Grabungen aus dem Stadtgebiet von Makistos, die im Magazin des Museums von Olympia lagern, wurden bearbeitet. In der Chora von Makistos ist
bei der Gemarkung Babes eine antike ländliche Siedlung mit zwei kleinen
Tempeln und Wohnbebauung untersucht worden. Die ersten Ergebnisse von
geophysikalischen Probemessungen, die Aufschluß über die Ausdehnung und
Struktur des Siedlungsgebietes geben sollen, müssen in der nächsten Kampagne vertieft werden.
Kooperationspartner: Lehrstuhl für Baugeschichte der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus (K. Rheidt); 7. Ephorie des griechischen Antikendienstes (G. Hatzi, C. Liangouras); Lehrstuhl für Altlasten der
Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus (W. Spyra, Geophysik)
• Förderung: DFG • Leitung des Projekts: J. Heiden, C. Rohn • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: M. Abele (Baugeschichte), H. Birk (Geodäsie),
S. Bocher (Archäologie) • Abbildungsnachweis: Platiana 1797-06, I. Geske
(Abb. 14); Samikon 1751-06, J. Heiden (Abb. 15); Makistos 29-05, J. Heiden
(Abb. 16); Makistos 1133-06, S. Bocher (Abb. 17).
17
12 Jahresbericht 2006 des DAI
Meroë (Sudan)
Feldarchäologische Arbeiten fanden im Jahr 2006 in Meroë im Areal der
sog. Königlichen Bäder nicht statt, wohl aber konnten die Forschungen zum
Ausstattungsprogramm dieses Gebäudekomplexes fortgesetzt werden. Das
Augenmerk richtete sich dabei auf eine Gruppe von kleinformatigen Statuen aus Sandstein, die Musiker mit Syrinx (Abb. 18), Leier, Aulos, Harfe und
möglicherweise auch mit einer Laute darstellen. Die Figuren stehen in situ
am Rand des Wasserbeckens bzw. wurden bei den Ausgrabungen vor knapp
einhundert Jahren im Wasserbecken verschüttet gefunden. Sie sind als rares
Zeugnis für die Musikkultur der Meroiten in den Jahrhunderten um die
Zeitenwende einzustufen. Für das Repertoire an verwendeten Instrumenten
lassen sich im heimischen meroitischen Kulturraum nur wenige Parallelen
nachweisen, während sie im zeitgleichen Milieu des griechisch-römischen
Ägypten durchaus zu Hause sind. Dies gilt u. a. für die Panflöte (Abb. 18), die
in Ägypten unter der Regentschaft der Ptolemäer in Verbindung mit dem
Kult des Dionysos populär wurde. Auch die Kleidung der Musiker ist fremdländisch: So trägt der Panflötenspieler einen dreifach gestuften Rock, dessen
einzelne Gewandsäume verschiedenfarbig, hellblau, gelb und rosa gefaßt sind,
das Oberteil dazu ist ebenfalls rosa, um die Taille liegt ein hellblauer Gürtel.
Ähnliche Kleidungsstücke sind aus dem levantinischen Raum bekannt. Man
gewinnt den Eindruck, daß am meroitischen Königshof neue musikalische
Klänge aus einer fremden luxuriösen Lebenswelt Einzug gehalten haben.
Kooperationspartner: National Corporation for Antiquities and Museums,
Khartoum • Leitung des Projekts: S. Wolf • Abbildungsnachweis: H.-U.
Onasch (Abb. 18).
Sarno-Becken (Italien)
Im Herbst 2006 wurde ein interdisziplinäres Forschungsprojekt in Kampanien begonnen, das sich mit Fragen der kulturellen Entwicklung und den Siedlungsaktivitäten im Sarno-Becken in ihren wechselseitigen und räumlichen
Bezügen zur Landschaft und Umwelt beschäftigt. Das Ziel der geoarchäologischen Untersuchung ist es, einen Beitrag zur Rekonstruktion der antiken
Kulturlandschaften in dieser einerseits vom Überfluß an Ressourcen und andererseits durch Naturkatastrophen geprägten Mikroregion zu leisten.
Die Ebene des Sarno in Kampanien (Abb. 19) stellt ein durch die Gebirgsketten des Apennin im Osten und Süden begrenztes und zum Golf von Neapel hin offenes, trapezförmiges Becken von rund 200 km2 Fläche dar, das der
in der Antike schiffbare Fluß Sarno mit seinen verzweigten Zuläufen durchfließt und der Vesuv im Norden als symbolische Landmarke beherrscht. Das
Gebiet zeichnet sich aufgrund der vulkanischen Bodenbildung durch extreme Fruchtbarkeit, großen Wasserreichtum und günstige Klimabedingungen
aus und liegt darüber hinaus verkehrsgeographisch an der strategisch wichtigen Schnittstelle der Fernverbindung Kampaniens nach Süditalien, mit einem direkten Zugang zum tyrrhenischen Meer. Angesichts dieser besonders
vorteilhaften naturräumlichen und geographischen Grundvoraussetzungen
stellt sich eine Reihe von grundlegenden Fragen: Ob die Entwicklung der
Kulturlandschaften im Sarno-Becken wegen dieser Besonderheiten spezielle
Ausprägungen zeigt, die in dieser Form nicht in anderen Regionen anzutreffen sind; ob sich der Prozeß der kulturellen Besitznahme des Gebietes seit
der Bronzezeit bis zur Katastrophe von 79 n. Chr. kontinuierlich vollzogen
hat und welche negativen Auswirkungen dabei die destruktiven Dynamiken
der Naturereignisse auf die Entwicklung hatten. Ein Hauptanliegen des Forschungsvorhabens ist es daher, die Aktivitäten der Menschen in der Antike
Abb. 18 Meroë (Sudan), sog. Königliche
Bäder. Sandstein-Statuette eines Musikers
mit Syrinx
Zentrale in Berlin 13
Sarno-Becken (Italien)
Abb. 19 Reliefkarte, dominiert im Norden
vom Vesuv, begrenzt im Osten und Süden
von den Gebirgsausläufern des Apennin
und nach Westen zum Golf von Neapel hin
geöffnet
Abb. 20 Modell des Siedlungshügels von
Pompeji, das den Zugang zum tyrrhenischen Meer strategisch überwachen konnte
im Sarno-Becken unter diesen ambivalenten Umweltbedingungen zu untersuchen und nach dem jeweiligen Siedlungsverhalten der sozialen Gemeinschaften in der landschaftlichen Mikroregion über verschiedene Epochen hin
zu fragen. Im Vordergrund steht dabei die Frage, wie sich die verschiedenen
Siedlungsaktivitäten (Städte, ländliche Ansiedlungen, Niederlassungen, Gehöfte, Villen, Nekropolen, Heiligtümer etc.) räumlich verteilen, in welchen
Wechselbeziehungen sie zueinander stehen und welche Rolle dabei der Bezug zur Landschaft und zu den Ressourcen spielt. Pompeji (Abb. 20) mit
seinem immensen Informationsgehalt an Daten und Fakten der historischen
Zeit und die zahlreichen Gehöfte seines Umlandes sowie die in den letzten
Jahren ausgegrabene mittelbronze- bis eisenzeitliche Flußniederlassung von
Longola bei Poggiomarino (Abb. 21) bilden dabei Schwerpunkte im Rahmen
der Untersuchung, an denen diese Fragen zunächst exemplarisch bearbeitet
werden sollen. Die gewonnenen Erkenntnisse und Zwischenergebnisse sollen
dann an den übrigen Siedlungen im Sarno-Becken nachvollzogen und überprüft werden.
Das Projekt befindet sich in der Aufbauphase, in der zunächst eine Reihe
von Abkommen mit institutionellen Partnern in Italien abgeschlossen wurden,
die den gegenseitigen Austausch von Material und Daten sowie die Koopera-
14 Jahresbericht 2006 des DAI
Abb. 21 Sarno-Becken (Italien), LongolaPoggiomarino. Virtueller Rekonstruktionsversuch einer eisenzeitlichen Hüttenkonstruktion
tion bei GIS-Projekten regeln. Für die Bearbeitung der komplexen fach- und
epochenübergreifenden geoarchäologischen Fragestellungen konnten neben
Partnern an deutschen Universitäten auch Geo- und Altertumswissenschaftler italienischer Einrichtungen zur Mitarbeit gewonnen werden. Das nächstliegende Ziel der geowissenschaftlichen Bearbeitung ist die Rekonstruktion
der Paläooberfläche der unter meterhohen Eruptionslagen liegenden Kulturhorizonte von 79 n. Chr. und früherer Perioden, die anhand der begonnenen Auswertung von Bohrkerndaten erfolgt. Aus Luftbildern von 1943/45
wird zur Zeit außerdem ein Höhenmodell entwickelt, das den Zustand der
Landschaft vor der modernen Urbanisierung rekonstruieren läßt. Durch den
Vergleich beider Höhenmodelle werden Ableitungen zur landschaftlichen
Genese möglich sein, die wiederum für das Verständnis der Siedlungslagen
aufschlußreich ist. Parallel zu den geowissenschaftlichen Arbeiten wurde mit
der Sammlung archäologischer Daten begonnen, die sich zunächst auf die
Klassifizierung der Siedlungsformen und die Rekonstruktion des Wegenetzes
der Nah- und Fernverbindungen konzentrieren.
Kooperationspartner: Soprintendenza Archeologica di Pompei; Autorità di Bacino del Sarno; Institut für Geoökologie der Universität Potsdam;
Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf • Leitung des Projekts: F. Seiler • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: K.-U. Heußner, C. Hof, P. Kastenmeier, W. Linder, M. Märker,
B. Stackebrandt, B. Tschochner • Abbildungsnachweis: Autorità di Bacino
del Sarno (Abb. 19); Modell, F. Seiler (Abb. 20); Modell, C. Hof (Abb. 21).
Rom (Italien), Palatin
Die 2005 durch einen erneuten Auftrag der Soprintendenza Archeologica
di Roma ermöglichte Neuaufnahme und erstmalige umfassende bauforscherische Analyse der sog. Domus Augustana wurde in Kooperation mit dem
Seminar für Klassische Archäologie der Universität Würzburg (N. Sojc) mit
einer Frühjahrs- und Herbstkampagne fortgesetzt. Es konnten der Grundriß des südlichen Teils des Hauptgeschosses, der Grundriß der südlich unterhalb der Exedra gelegenen Räume, die Ansicht der großen Exedra und ein
Längsschnitt im M. 1 : 100 fertiggestellt werden. Es wurde ein Raumbuch
begonnen, in dem alle relevanten Daten und Beobachtungen zu den einzelnen Räumen der Domus Augustana in Skizzen, Photographien und kurzen
Beschreibungen festgehalten sind. Parallel zu den Bauaufnahmearbeiten ist
Zentrale in Berlin 15
Abb. 22 Rom (Italien), Palatin. Bauaufnahmeplan des ›Versenkten Peristyls‹ der
Domus Augustana mit den vorläufigen
Überlegungen zu den Bauphasen, Stand
10/2006 (M. 1 : 800). Gelb = frühe Kaiserzeit,
rot = flavisch 1 (frühflavisch), orange =
flavisch 2 (domitianisch?), grün = Anfang
2. Jh. n. Chr.
auch die Untersuchung der opus testaceum-Konstruktion der ›Domus Augustana‹ durch E. Bukowiecki von der Université di Aix-Marseille fortgeführt
worden. In diese Forschungen integriert sind naturwissenschaftliche Analysen des Mörtels der Fundamente und des aufgehenden Mauerwerks von
R. Kilian (Fraunhofer Institut für Bauphysik, Holzkirchen), um so weitere
Anhaltspunkte für unterschiedliche Bauphasen zu erlangen. Ebenfalls fortgeführt wurden die Untersuchungen zur Bauskulptur des zweigeschossigen
Peristyls von C. Voigts vom Lehrstuhl für Baugeschichte der Technischen
Universität München.
Die bereits 2005 erzielten Ergebnisse zur Phasenabfolge konnten dabei
bestätigt und weiter verifiziert werden (Abb. 22). Die bisher unangefochtene
Annahme, daß der Kernpalast auf eine einheitliche domitianische Neuplanung durch den Architekten Rabirius zurückgeht, ist danach nicht weiter
aufrecht zu erhalten. Die Neudatierung des ›Versenkten Peristyls‹ mit seinen
angrenzenden Banketträumen in frühflavische Zeit legt vielmehr die Vermutung nahe, daß Domitian entweder ein von seinen Vorgängern bereits festgelegtes Konzept übernommen hat und weiter ausbauen ließ oder die bereits
fertiggestellten Bereiche in den Plan seines Neubaus integrieren mußte. Die
spannende Frage, welche Bereiche wirklich auf eine domitianische Ausbauphase zurückzuführen sind, wird deshalb bei den weiteren Untersuchungen
besonders der Hauptebene von zentraler Bedeutung sein. Hier zeichnet sich
ebenfalls bereits ab, daß die Räume nicht einheitlich entstanden sind, sondern
daß mindestens eine große Umbauphase zu verzeichnen ist.
Auch die umfangreichen Umbauten der Räume am ›Versenkten Peristyl‹ – wie die Einrichtung weiterer Zierbrunnen, die Schließung zahlreicher
16 Jahresbericht 2006 des DAI
Raumöffnungen und die Dekoration mit Scheinarchitekturen – stammen
nicht aus der Regierungszeit Domitians. Nach Ausweis von Ziegelstempeln
sind sie frühestens an den Beginn des 2. Jhs. n. Chr. zu datieren. Sie sind daher
eher mit der seit längerem bekannten Neugestaltung der Portiken des zentralen Peristyls, deren Baudekor aus stilistischen Gründen in hadrianische Zeit
datiert, in Verbindung zu setzen.
Vollkommen überraschend ist die Erkenntnis, daß mit dieser umfassenden
Umbauphase Anfang des 2. Jhs. n. Chr. auch erst eine architektonische Beziehung zwischen dem Circus Maximus und dem Kaiserpalast in Form eines
aufwendigen Ausbaus der Fassade erfolgte. Zudem stellte sich heraus, daß die
gerundete Fassade nicht eine reine Schaufassade war, sondern einen Trakt
von Repräsentationsräumen über dem Circus beherbergte. Vor dem Neubau
der Exedra besaß dieser Bereich des Palastes offensichtlich einen geraden Abschluß zum Circus Maximus, der – zumindest im Untergeschoß – keinerlei
Öffnungen nach Süden hatte. Es kristallisiert sich immer mehr heraus, daß
erst mit der großen Umgestaltungsphase Anfang des 2. Jhs. n. Chr. der Kaiserpalast sowohl in seiner Außenwirkung als auch inneren Raumdisposition
die Ausprägung erfahren hat, die bisher allgemein dem domitianischen Bau
zugeschrieben wurde.
Die von der Fritz Thyssen Stiftung geförderte Entwicklung eines Bauwerk-Informationssystems für die ›Domus Severiana‹ und das Gartenstadion
konnten weitgehend abgeschlossen werden. Basierend auf den rechnergestützten Meßdaten wurde ein 3D-CAD-Modell der Domus Severiana erstellt, in
das die Erkenntnisse der Bauforschung zur Phasenabfolge bereits eingearbeitet sind. Die einzelnen Bauphasen können so dreidimensional überprüft und
visualisiert werden. Darauf aufbauend wird unter Einsatz von internetbasierten Open-Source Programmen an der Universität Cottbus ein webbasiertes
Bauwerksinformationssystem entwickelt, das über das Internet alle an dem
Abb. 23 Rom (Italien), Palatin. Hypothetische 3D-Rekonstruktion der flavischen
Phase der ›Domus Severiana‹ (Ansicht von
Südosten). Grundlage für die dreidimensionalen Rekonstruktionsüberlegungen ist das
3D-Modell des Bestandes, das bereits nach
Bauphasen differenziert dargestellt werden
kann. Auf hohen Substruktionen erhoben
sich Aussichtsräume mit einem vorgelagerten Wasserbecken. Die Ausdehnung der
Räume nach Osten ist für diese Phase nicht
sicher zu rekonstruieren
Zentrale in Berlin 17
Abb. 24 Rom (Italien), Palatin. Hypothetische 3D-Rekonstruktion des Blickes von
den Aussichtsräumen auf das Wasserbecken. Nicht gesichert ist, ob sich die das
Wasserbecken begrenzende Portikus auch
nach Süden und Osten hin mit einer Pfeileroder Säulenstellung öffnete und so den
Blick auf den angrenzenden Circus Maximus
freigab
Projekt beteiligten Wissenschaftler ortsungebunden nutzen können. Das analoge Raumbuch wurde hierfür in eine Datenbank überführt und diese mit
zusätzlichen digitalen Photo- und Planarchiven sowie Bauteil-, Ziegelstempel- und Bautechnikkatalogen und Literatur- und Archivhinweisen erweitert.
Durch eine Verknüpfung mit dem 3D-Modell sind alle verfügbaren Informationen zu den einzelnen Räumen nicht nur durch gezielte Suchabfragen themenbezogen schnell miteinander zu verknüpfen, sondern auch relativ einfach
dreidimensional am Modell zu kontrollieren. Das 3D-Modell bildet auch die
Grundlage für die Rekonstruktionsüberlegungen zu den einzelnen Ausbauphasen, die so ebenfalls besser räumlich darstellbar und den jeweils neuesten
Erkenntnissen anzupassen sind (Abb. 23. 24).
Im Herbst 2006 wurde zudem aufbauend auf der Erforschung der Entwicklung der Kaiserpaläste von augusteischer bis maxentianischer Zeit das
Palatinprojekt im Rahmen der Fragestellung des Forschungsclusters 3 »Politische Räume« des DAI erweitert. Es soll exemplarisch aufgezeigt werden,
durch welche Transformationsprozesse aus aristokratischen Häusern nach der
Einrichtung des Prinzipats ein hochkomplexes Palastgebilde entstehen konnte, das nicht nur für die Durchführung der Amtsgeschäfte und der Dienstpflichten sowie für das Leben am Hof geeignet war, sondern vor allem über
Jahrhunderte hinweg als Sinnbild für die höchste Macht im Römischen
Reich und die Vorherrschaft Roms in der antiken Welt stehen konnte. Die
Deutung der Paläste als ein Bestandteil ›symbolischer Politik‹ und Ausdruck
sozialer Distanz erfordert die Einbeziehung der Stadt Rom als Referenzpunkt
dem gegenüber die Paläste erst ihr Profil gewannen. Im Vordergrund steht
18 Jahresbericht 2006 des DAI
deshalb die Untersuchung der stadträumlichen Inszenierung der Paläste und
der Interaktion zwischen Stadt und Palast als jeweilige Reaktion auf Veränderungen sowohl im Stadtraum als auch innerhalb der Palastanlagen. Ziel ist
es, zusammen mit dem neuen, ab 2007 von der Gerda Henkel Stiftung geförderten Schwerpunkt »Palast und Stadt im severischen Rom«, an dem auch
das Seminar für Klassische Archäologie der Universität Würzburg und das
Seminar für Alte Geschichte der Universität Freiburg beteiligt sind, »Palast«
im Sinne von Herrschaftsarchitektur, als ästhetisches, soziales und politisches
Phänomen für den gesamten Zeitraum der römischen Kaiserzeit neu umfassend zu begreifen.
Kooperationspartner: Lehrstuhl für Baugeschichte und Lehrstuhl für Vermessungskunde der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus;
Seminar für Klassische Archäologie der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität Würzburg (N. Sojc); Seminar für Alte Geschichte der Albert-LudwigsUniversität Freiburg (A. Winterling) • Förderung: Soprintendenza Archeologica di Roma; Fritz Thyssen Stiftung (Bauwerksinformationsmodell); Gerda
Henkel Stiftung (ab Frühjahr 2007, Forschungsprojekt: »Palast und Stadt im
severischen Rom«) • Leitung des Projekts: U. Wulf-Rheidt (Bauforschung)
• Mitarbeiter: J. Pflug, A. Müller • Abbildungsnachweis: DAI, Zentrale,
Architekturreferat/Seminar für Klassische Archäologie der Universität Würzburg (Abb. 22); A. Müller nach Angaben von U. Wulf-Rheidt (Abb. 23. 24).
Kırklareli-Aªa=ı Pınar (Türkei)
Die 2005 wieder aufgenommenen Ausgrabungen in Kırklareli-Aªa=ı Pınar,
Türkisch-Thrakien, einem früh- bis spätneolithischen Siedlungshügel der
Stufen Karanovo I–IV, wurden 2006 großflächig fortgesetzt. Es handelt sich
dabei um ein Gemeinschaftsprojekt der Universität Istanbul, der Zentrale des
DAI sowie der Universität Halle-Wittenberg.
Der Ausgrabungskampagne ging ein Survey im Einzugsgebiet des İnece
Dere in der westlichen Umgebung von Kırklareli voraus, der unser Bild dieser
Siedlungskammer in prähistorischer Zeit wesentlich erweiterte. So konnten
hier verschiedene mit Aªa=ı Pınar zeitgleiche Fundplätze begangen werden.
Von großer Bedeutung war auch das verstärkte Auffinden von Siedlungen der
sog. Kocatepe-Gruppe, einer mit der Präcucteni-Kultur im westpontischen
Raum verwandten lokalen Variante frühkupferzeitlicher Erscheinungen, deren keramisches Inventar in der Stratigraphie von Aªa=ı Pınar nicht mehr
vertreten ist.
Nachdem der Schwerpunkt des seit 1993 durchgeführten Projekts zuvor
besonders dem Mittel- und Spätneolithikum (Karanovo III–IV) galt, rückte
bereits mit der Kampagne 2005 verstärkt die Erforschung des frühen Neolithikums in den Vordergrund. Dieses wird in der sog. Nordostfläche von Aªa=ı
Pınar durch bislang zwei Schichten (AP 6 und 7) vertreten. Neben der Freilegung der frühen Siedlung lag ein zweiter Fokus auf der Klärung der Stratigraphie im Norden des Tells (Abb. 25), einem Bereich, der bisher noch nicht
untersucht wurde.
Dem bislang ältesten Stratum kann ein Ost-West verlaufender, leicht geneigter Graben mit ungebrannter Lehmauskleidung von ca. 1 m Tiefe zugeordnet werden. Bereits 1996 entdeckt und 2005 wieder geöffnet, wurde er
in diesem Jahr weiter untersucht und auch in den östlich anschließenden
Schnitten freigelegt. Architekturreste der Schicht 7 waren bislang nicht zu
lokalisieren; hier werden jedoch die kommenden Grabungskampagnen Klarheit bringen können, wie Sondagen nördlich des bisher untersuchten Areals
andeuten.
Zentrale in Berlin 19
Kırklareli-Aşağı Pınar (Türkei)
Abb. 25 Blick auf den Tell von Norden mit
den frühneolithischen Schichten
Abb. 26 Versturz eines verbrannten
frühneolithischen Lehmgebäudes mit fast
quadratischem Grundriß und Anbau
Abb. 27 Kırklareli-Aşağı Pınar (Türkei),
Gefäße in originaler Fundlage aus dem
frühneolithischen Lehmgebäude
Die frühneolithische Schicht AP 6 kennzeichnet eine verbrannte, äußerst
komplizierte Gebäudestruktur, die sich durch eine bemerkenswerte Fundund Befunderhaltung auszeichnet (Abb. 26). Nach der letztjährigen Erweiterung der Untersuchungsfläche wurde nun das Grabungsareal nach Westen
und besonders nach Norden erheblich vergrößert. Vor allem hier stand die
Bausubstanz bereits in sehr geringer Tiefe an. Obwohl von diesen Befundabschnitten derzeit nur der obere Bereich des Versturzes freigelegt und das
Bodenniveau einzig an einigen Stellen erreicht werden konnte, ließen sich
bereits jetzt partielle Wandverläufe und außerordentlich gut erhaltene Installationen, wie Ofen- bzw. Herdanlagen und Silos, sowie zahlreiche in situFunde (Keramikgefäße mit leicht gebrannten Tonverschlüssen, polierte Steinäxte, tönerne Wurfgeschosse, Mahlsteine etc.) dokumentieren (Abb. 27). Der
bislang ergrabene Siedlungsplan ist bisher am besten mit dem von Ilıpınar VI
am İzniksee in Nordwestanatolien zu vergleichen. Das zugehörige balkanisch
geprägte Fundmaterial wirft in diesem Zusammenhang hochinteressante Fragestellungen auf. Der exzellente Zustand erlaubte zudem die Entnahme von
botanischen Proben aus vollständigen Gefäßen. Parallel zur laufenden Grabung begann die Aufnahme und wissenschaftliche Bearbeitung des keramischen Fundmaterials der Schichten AP 5/6 bis 7. Der Horizont AP 5–6, der
20 Jahresbericht 2006 des DAI
den Übergang vom Früh- zum Mittelneolithikum markiert, konnte in diesem
Jahr nicht nur anhand des keramischen Fundmaterials genauer eingegrenzt
werden, sondern es gelang auch, ein wahrscheinlich zugehöriges Laufniveau
freizulegen.
Während der Kampagne 2006 in Aªa=ı Pınar konnten wir demnach unser
Bild von der frühneolithischen Siedlung wesentlich erweitern. Durch die Anlage neuer Schnitte wurde eine großflächige Freilegung der zugehörigen Architektur in den kommenden Grabungen vorbereitet. Von großer Bedeutung
war dabei auch das Ergebnis, daß sich der frühneolithische Siedlungsplatz
offensichtlich wesentlich weiter nach Norden ausdehnt, als es für die bislang
untersuchten mittel- und spätneolithischen Schichten der Fall war.
Kooperationspartner: Lehrstuhl für Prähistorische Archäologie der Universität Istanbul (M. Özdo=an); Institut für Prähistorische Archäologie der
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg • Leitung des Projekts: H. Parzinger • Mitarbeiter: H. Schwarzberg.
Milet (Türkei)
Seit Sommer 2006 führen die Zentrale des DAI und die Antikensammlung
der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz in einem
gemeinsamen Projekt neue Forschungen zu Architektur und Skulpturenausstattung der Faustina-Thermen in Milet durch. Das Interesse des Projekts
»Stadt und Statue in der Spätantike« zielt auf die Situation der kleinasiatischen
Städte in der Spätantike, für deren Verständnis eine Betrachtung der öffentlichen Räume und ihrer Ausstattung ihre Relevanz erhält.
Die Faustina-Thermen in Milet (Abb. 28) zeichnen sich durch ihren besonderen Erhaltungsgrad und durch die zahlreich aufgefundenen Skulpturen,
die alle Spuren späterer Bearbeitungen aufweisen, als ein ideales Objekt aus,
um die Veränderungen in der Ausgestaltung öffentlicher Räume zu untersuchen. Im Juli/August 2006 führten M. Maischberger (Antikensammlung
der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz) und
P. Schneider (DAI, Zentrale, Architekturreferat) eine erste Kampagne in Milet durch, um den sog. Musensaal – insbesondere auf die Aufstellungsbedin-
Abb. 28 Milet (Türkei), Faustina-Thermen.
Blick von Norden
Zentrale in Berlin 21
Abb. 29 Milet (Türkei), Musensaal der
Faustina-Thermen. Blick nach Nordwesten
Abb. 30 Antikensammlung Berlin,
Dionysos-Satyr-Gruppe. Deutlich ist zu
erkennen, daß bei beiden Statuen in der
Spätantike das Geschlecht sorgfältig
entfernt wurde. Die Plinthe und der Rücken
der Dionysos-Statue lassen aufgrund von
Verwitterungsspuren darauf schließen, daß
die Gruppe sehr lange gestanden haben
muß
gungen hin – bauforscherisch und archäologisch zu untersuchen und die
noch vorhandenen Spuren von Ausstattungen zu dokumentieren (Abb. 29).
Bereits in der ersten Kampagne wurde deutlich, daß sich die Baugeschichte
der Faustina-Thermen in mehreren Phasen vollzogen hat. Aufgrund von gezielt angelegten Schnitten im Fundamentbereich ist davon auszugehen, daß
der Musensaal mehrfach Veränderungen erfahren hat, die bis in die Spätantike
hinein erfolgt sein dürften. Die in der früheren Forschung geäußerte Annahme, daß der Musensaal später an das Apodyterium/Ambulacrum angefügt
und der Thermenbau damit insgesamt früher zu datieren sei, konnte eindeutig widerlegt werden.
Mit den Skulpturen des Musensaals hatte sich in den 1990er Jahren bereits C. Schneider auseinandergesetzt. Insbesondere mit den späteren Bearbeitungsspuren und Veränderungen, die von C. Schneider nur am Rande
behandelt worden waren, befaßten sich im Herbst 2006 erneut A. Scholl (Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz) und O. Dally (DAI, Zentrale), die die drei Statuen in der Berliner
Antikensammlung und die 17 Statuen im Archäologischen Museum in Istanbul begutachteten. Alle Skulpturen aus dem Kontext der Faustina-Thermen
wurden von I. Geske und D. Johannes photographisch dokumentiert. Bemerkenswert ist, daß aufgrund von Verwitterungsspuren der Schluß gezogen
werden kann, daß einige Statuen auch noch zu einem Zeitpunkt gestanden
haben müssen, als Teile der Thermengewölbe bereits eingestürzt waren.
Diese Veränderungen, die z. T. aufgrund von Beobachtungen an den Statuen in eine bestimmte relative zeitliche Abfolge gebracht werden können, lassen darauf schließen, daß die Skulpturen über einen langen Zeitraum hinweg
immer wieder an neue Sehgewohnheiten angepaßt worden sind (Abb. 30).
Kooperationspartner: Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin
Stiftung Preußischer Kulturbesitz (A. Scholl, M. Maischberger); Lehrstuhl für
Informatik der Universität zu Köln (U. Lang, Th. van Reimersdahl) • Förderung: Gerda Henkel Stiftung • Leitung des Projekts: O. Dally • Mitarbeiter:
P. Schneider (Bauforschung) • Abbildungsnachweis: P. Schneider (Abb. 28.
29); Antikensammlung Berlin, J. Laurentius (Abb. 30).
22 Jahresbericht 2006 des DAI
Didyma (Türkei), Archaischer Apollontempel
Die Bearbeitung des archaischen Apollontempels (›Tempel II‹) in Didyma ist
ein Forschungsvorhaben im Rahmen der Schwerpunktsforschung »Das Heiligtum in Didyma von den Anfängen bis in spätarchaische Zeit« (2004–2008)
unter der Grabungsleitung von A. Furtwängler von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Bis 2005 leiteten P. Schneider (Fachhochschule
für Technik in Stuttgart) und U. Dirschedl (DAI, Zentrale) das Projekt gemeinsam; die Aufarbeitungskampagne 2006 führte U. Dirschedl alleine durch,
zusammen mit einem Team von Architekturstudenten der Fachhochschule
Stuttgart, der Mimar Sinan Universität in Istanbul und der Bergischen Universität Gesamthochschule Wuppertal. An der wissenschaftlichen Aufarbeitung des Tempels wirken auch V. Kästner (Antikensammlung der Staatlichen
Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz) sowie A. Ohnesorg
(Lehrstuhl für Baugeschichte der Technischen Universität München) mit, die
jeweils die ionischen Volutenkapitelle sowie die Marmordachziegel des Tempels bearbeiten.
Ziel des Vorhabens ist es, diesen Tempel, Stätte eines über die Grenzen
Ioniens hinaus bedeutenden Orakelkultes, seiner Signifikanz für die ionische
Baukunst entsprechend angemessen wissenschaftlich zu publizieren – ein lange überfälliges Desiderat. Zumal die Überreste des archaischen Apollontempels – die Fundamente im Hof des hellenistischen Tempels (Abb. 31) und die
wenigen Architektur- und besonders qualitätvollen Skulpturfragmente (Abb.
32), die bei den gewaltigen Räumungsarbeiten unter der Leitung von T. Wiegand und H. Knackfuß zu Beginn des 20. Jhs. zutage gekommen waren, – im
Rahmen der 1941 erschienenen aufwendigen Publikation des hellenistischen
Tempels lediglich auf einigen Seiten kurz vorgestellt wurden. Auf dieser ver-
Abb. 31 Didyma (Türkei), der Apollontempel in einer Ballonaufnahme. Im
westlichen Hofbereich des hellenistischen
Tempels sind die etwas kleiner dimensionierten Adytonfundamente des archaischen
Tempels zu erkennen, die wiederum die
Fundamente des hellenistischen Naiskos
und dessen Vorgänger einrahmen
Zentrale in Berlin 23
Abb. 32 Didyma (Türkei), Pergamonmuseum Berlin. Kopf und Oberkörper einer der
Koren der sog. columnae caelatae (reliefierte
Säulentrommeln)
Abb. 33 Didyma (Türkei), archaischer
Apollontempel. Säulentrommelfragment
aus Mergel mit durch Grate getrennten
Kanneluren
gleichsweise spärlichen Materialgrundlage, lediglich ergänzt durch einzelne
der im Pergamonmuseum magazinierten Bauglieder, versuchte G. Gruben in
einem 1963 veröffentlichten umfangreichen Aufsatz erstmals eine zwangsläufig hypothetische Rekonstruktion von Grund- und Aufriß des Tempels.
Unberücksichtigt blieb dabei die große Anzahl der von H. Knackfuß nur
beiläufig erwähnten sog. Porosbauglieder des Tempels, wie z. B. rund 150
Säulentrommelfragmente (Abb. 33) aus der ›Alten Grabung‹, an deren Zugehörigkeit zum ›Tempel II‹ wegen der Abmessungen, Technik und Qualität
der Ausführung kein Zweifel bestehen kann, sowie eine beträchtliche Anzahl
weiterer in den letzten vier Jahrzehnten in Didyma entdeckter Architekturglieder, z. B. in den Fundamentrosten der Süd- und Nordperistasen des hellenistischen Tempels verbauter bzw. verfüllter, außerordentlich qualitätvoller
Bauglieder aus Marmor und Mergel/Kalkstein – darunter auch zahlreiche
Bruchstücke der Spiren und Tori der ionischen Säulenbasen.
Die möglichst vollständige Materialaufnahme im Steinmagazin in Didyma sowie in den Magazinen des Pergamonmuseums ist Grundlage für die
katalogmäßige, durch Zeichnungen und Photographien ergänzte Vorlage
der Bauglieder und Bauskulptur sowie für ihre typologische, stilistische und
chronologische Einordnung, für die Rekonstruktion und Interpretation der
einzelnen Bauglieder und die Diskussion ihrer Zuordnung am Bauwerk sowie schließlich für die Diskussion der Grund- und Aufrißrekonstruktion des
Tempels.
In der Kampagne 2006 wurde die 2003 begonnene systematische Katalogisierung und zeichnerische Aufnahme der Architekturfragmente, z. B.
Säulentrommel-, Säulenbasis-, Quader- und Kymafragmente (Abb. 34 a–c)
aus Marmor und Kalkstein/Mergel, fortgesetzt – neben den unerläßlichen
grabungsbegleitenden Dokumentationsarbeiten der in den alljährlichen Sondagen im Tempelareal freigelegten Architektur; von zahlreichen signifikanten
Architekturfragmenten sind maßstäbliche Zeichnungen angefertigt worden
(Abb. 35). Seit 2003 konnten Hunderte von Baugliedern identifiziert, zugewiesen und katalogmäßig erfaßt und vermessen, ihr Material, ihre Erhaltung,
Form, technischen Details, Werkspuren und ggf. Farbreste beschrieben und
dokumentiert werden. Da das Hauptaugenmerk der Untersuchung in den
verschiedenen Kampagnen jeweils einzelnen Baugliedern galt, ergab sich aus
diesem detaillierten Studium eine Reihe neuer Beobachtungen.
Ein bemerkenswerter Neufund kam 2006 in einer Sondage auf der Nordseite des hellenistischen Tempelfundaments zutage: Ein bislang singuläres
Fragment einer Säulentrommel aus Mergel mit dem Ausschnitt eines Wagenlenkers im Flachrelief, das in Machart, Material und Abmessungen den beiden
in der alten Grabung entdeckten reliefierten Säulentrommelfragmenten mit
Schiffsdarstellungen auffallend nahe steht, kann mit großer Wahrscheinlichkeit dem Tempel zugewiesen werden. Die zeichnerische Aufnahme der Bauskulptur in den Magazinen des Pergamonmuseums in Berlin hat U. Dirschedl
bereits im Sommer 2005 begonnen.
Das sog. Didymaion gilt schon seit seiner Auffindung zu Beginn des 20.
Jhs. neben den beiden berühmten Dipteroi im Heraion in Samos sowie dem
älteren Artemision in Ephesos als einer der bemerkenswertesten ionischen
Tempel des 6. Jhs. in Kleinasien und wirkt in einzelnen konzeptionellen, typologischen und stilistischen Besonderheiten bis in die hellenistische Architektur nach. Da sich die Bauglieder des Tempels im Vergleich zu den anderen
ionischen Tempeln in seltener Vollständigkeit erhalten haben, sind vielversprechende Ergebnisse für die Kenntnis der archaischen ionischen Baukunst
zu erwarten.
24 Jahresbericht 2006 des DAI
34 b
34 a
34 c
Didyma (Türkei), archaischer Apollontempel
Abb. 34 a–c Ionisches Kymafragment
A 1857 aus Mergel in einer maßstäblichen
Zeichnung
Abb. 35 Mitarbeiter (C. Einicke, N. Șen) des
Teams bei der zeichnerischen Aufnahme
von Architekturfragmenten
35
Kooperationspartner: Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin
Stiftung Preußischer Kulturbesitz (V. Kästner); Lehrstuhl für Baugeschichte und Bauforschung der Technischen Universität München (A. Ohnesorg)
• Leitung des Projekts: U. Dirschedl • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen:
F. Aydın, C. Einicke, M. Läpple, N. Şen • Abbildungsnachweis: K. Tuchelt
(Abb. 31); H. R. Goette (Abb. 32); P. Grunwald (Abb. 33); U. Dirschedl (Abb.
34. 35).
Die hellenistischen Stadtmauern von Pergamon (Türkei)
Als Teil des neuen Forschungsprogramms der Pergamongrabung zur Urbanistik und zum Gesamtorganismus der hellenistischen Stadt befaßt sich das
Unternehmen mit den zwei Mauerringen, durch welche die Stadt in hellenistischer Zeit neu befestigt bzw. beträchtlich vergrößert worden ist. Sie
werden Philetairos (281–263 v. Chr.), dem Begründer der Attaliden-Dynastie
und Eumenes II. (197–159 v. Chr.), in dessen Regierungszeit das Herrschaftsgebiet seine größte Ausdehnung erreichte, zugeschrieben. In weiten Strecken
sind die Mauern heute nur noch bis zur Geländeoberkante erhalten, wodurch
zumindest ihr Verlauf gesichert ist. Aufrecht stehen sie immer nur noch dort,
wo sie als Hang- oder Wegestützmauer dienen konnten. Der am besten erhaltene Abschnitt der ›Eumenischen Befestigung‹ befindet sich an der Nordostseite der Akropolis (Abb. 36).
Zentrale in Berlin 25
Abb. 36 Die hellenistischen Stadtmauern
von Pergamon (Türkei), Nordostmauer der
Akropolis
Da die Kenntnis über die Entwicklung der antiken Wehrarchitektur in
den vergangenen Jahrzehnten fortgeschritten ist, läßt sich der bauarchäologische Befund nicht mehr ohne weiteres mit der Zuweisung zu den beiden
genannten Herrschern in Übereinstimmung bringen (s. W. Raeck, IstMitt 54,
2004, 23. 24), was genug Anlaß für eine Neuuntersuchung der pergamener
Befestigungen gab.
Nach der Freilegung der Stadtmauern, die unter W. Dörpfeld, C. Schuchhardt, H. Thiersch, W. Kolbe und A. Conze zwischen 1899 und 1901 sowie
1906 durchgeführt worden war, publizierte letzterer die Ergebnisse der Ausgrabungen 1913 in den AvP I 2 »Stadt und Landschaft«. In die Arbeit gingen
auch die Untersuchungen von R. Bohn ein, die dieser bereits 1886 auf »sechs
kostbaren Blättern« zusammenfassend dargestellt hatte, jedoch wegen seines
frühen Todes nicht mehr veröffentlichen konnte. Seit dieser Zeit haben an
verschiedenen Stellen immer wieder räumlich begrenzte, kleinere Untersuchungen und Restaurierungen an den Befestigungen stattgefunden.
Ein wichtiger Arbeitsschritt ist es daher, die bisherigen punktuellen Forschungen zusammenzuführen und zu verdichten, um damit ein vollständigeres Bild von den hellenistischen Befestigungen zeichnen zu können, als das
bisher möglich war. In der ersten Kampagne 2006 war es deshalb notwendig,
einen neuen Lageplan der Mauern zu erstellen, da zwischen dem Plan, der
1913 in dem oben genannten AvP-Band publiziert worden ist, und der topographischen Karte, die B. Schlüter und K. Nohlen 1973 veröffentlicht haben
(s. K. Nohlen – B. Schlüter, Topographische Karte von Pergamon 1 : 2500,
Aufnahme der antiken Bauten durch die Pergamongrabung [Bonn 1973]),
z. T. erhebliche Unterschiede in der Darstellung der Grundrisse der Tore und
in der Lage der Mauern bestehen. Mit Hilfe eines Differential-GPS-Gerätes
konnten die gesamten Mauern neu aufgenommen werden. Dabei ging es
vor allem darum, Lage und Dicke der Kurtinen sowie die Grundrisse der
Türme und Tore zu überprüfen. Schon früher war festgestellt worden, daß
die einzelnen Kurtinen unterschiedliche Mauerdicken aufweisen (s. M. Klinkott, IstMitt 54, 2004, 147–159). Man vermutete, daß die Mauern am Fluß,
wo das Gelände flacher wird, aus fortifikatorischen Gründen stärker gebaut
worden sind. Bei der Neuaufnahme konnte festgestellt werden, daß die Mauer-
26 Jahresbericht 2006 des DAI
Abb. 37 Die hellenistischen Stadtmauern
von Pergamon (Türkei), ›Eumenisches Tor‹
zur Zeit der Ausgrabung mit W. Dörpfeld
(rechts)
dicke nahezu kontinuierlich von 1,85 m oben am Berg auf bis zu 2,75 m in
den südlichen Bereichen am Fluß zunimmt. Der Lageplan dient zudem als
Grundlage für die Entscheidung, wo detaillierte Untersuchungen anzusetzen
sind. Grundlage hierfür bilden verformungsgetreue Bauaufnahmen in verschiedenen Maßstäben. In diesem Jahr wurden die Untersuchungen am Südtor, dem sog. Eumenischen Tor (Abb. 37), fortgesetzt und am ›Oberen Nordwesttor‹ (Abb. 38) begonnen. Dabei konnte festgestellt werden, daß nicht nur
das ›Eumenische Tor‹ in mehreren Bauphasen errichtet wurde, sondern auch
das ›Obere Nordwesttor‹ mindestens zwei Bauphasen aufweist. Wie die Bauphasen allerdings zu deuten sind, müssen die Untersuchungen der nächsten
Kampagnen zeigen.
Kooperationspartner: Geodätisches Institut der Universität Karlsruhe
(J. Zimmermann) • Leitung des Projekts: J. Haberkorn (Bauforschung,
Teilprojekt »Hellenistische Stadtmauern«), F. Pirson (DAI, Abteilung Istanbul,
Leiter der Pergamongrabung) • Abbildungsnachweis: D-DAI-IST-PE94163-4, E. Steiner (Abb. 36); D-DAI-ATH-Perg288 (Abb. 37); D-DAI-ISTPE06 Architektur 4161, J. Haberkorn (Abb. 38).
Abb. 38 Die hellenistischen Stadtmauern
von Pergamon (Türkei), Tangentialmauer
des ›Oberen Nordwesttores‹
Zentrale in Berlin 27
Abb. 39 Selinus (Türkei), Şekerhane Köşkü.
Kaiserzeitlicher Bau mit Sockelmauerwerk
aus Ufersedimentgestein und darüber
liegenden Marmorblöcken der Cella
und Vorhalle sowie der seldschukischen
Verkleidung
Abb. 40 Selinus (Türkei),Şekerhane Köşkü.
Tonnenüberwölbter Raum im Sockelgeschoß mit ›doppelgeschossigen‹
Lichtschlitzen an der Rückwand
Selinus (Türkei)
Im Jahr 2006 ist die Erforschung eines kaiserzeitlichen, heute als Şekerhane
Köşkü bezeichneten Gebäudekomplexes in der zu Westkilikien gehörenden
antiken Stadt Selinus (Provinz Antalya) fortgeführt worden. Möglicherweise
wurde die Anlage als Kenotaph für den – nach Cassius Dio – 117 n. Chr. in
Selinus verstorbenen Kaiser Trajan errichtet. Im frühen 13. Jh. n. Chr. bauten
die Seldschuken den Komplex zu einem Jagdschloß um und nutzten diesen
von ihrer Sommer residenz in Alanya aus.
Neben der Dokumentation und Aufschlüsselung der einzelnen Bauphasen
ist das Ziel der Untersuchung dieses Gebäudekomplexes, Aussagen über seine
ursprüngliche Gestalt zu treffen sowie seine Zweckbestimmung zur Erbauungszeit zu klären. Die Fortführung der im Jahr 2005 begonnenen Bauaufnahme erbrachte vertiefende Erkenntnisse zu Konzeption und Ausführung
des Gebäudes, das in einem ausgedehnten, von marmorinkrustierten, teilweise zweischiffigen Säulenhallen umgebenen Hof steht.
Das Sockelgeschoß des kaiserzeitlichen Baus umfaßt zwei tonnenüberwölbte Räume und wurde sorgfältig in abwechselnden Schichten aus stehenden und liegenden Quaderplatten errichtet, die aus dem lokal anzutreffenden
Ufersedimentgestein bestehen. Die heutige Sockelverkleidung aus großen
Blöcken unterschiedlichen Formats besteht z. T. auch aus diesem Gestein, z. T.
aus hellem, mit farbigen Adern durchzogenem Marmor, der ebenfalls lokal
ansteht. Es handelt sich hierbei nahezu ausschließlich um Spolien des römischen Gebäudes, die von den Seldschuken für ihren Umbau verwendet wurden, wobei die Marmorblöcke allem Anschein nach von einem tempelartigen
Aufbau stammen, der aus einer Cella mit Säulenvorhalle bestand (Abb. 39).
In die Front der mittelalterlichen Sockelverkleidung wurden typische Architekturelemente der Seldschuken integriert, wie ein von einer spitzbogigen
Tonne überwölbter ¡wŒn sowie eine auf die Plattform des wohl abgeräumten
Obergeschosses führende Treppe aus Kragsteinstufen. Zudem finden sich im
neu geschaffenen Durchgang zu den Gewölberäumen und z. T. auch an der
Fassade in rot und weiß gehaltene geometrische Wandmalereien. In römischer
Zeit war der Sockel offenbar mit einem aus weißem Marmor gearbeiteten
28 Jahresbericht 2006 des DAI
Selinus (Türkei), Şekerhane Köşkü
42
Abb. 41 Ansicht eines attischen Basisprofils mit Flechtband- und Anthemionverzierung
Abb. 42 Architekturfragmente desselben
Typs, die sich in ihrer Ausführungsqualität
voneinander unterscheiden
41
großformatigen Figurenfries verkleidet, von dem sich Bruchstücke im Museum Alanya befinden.
Die besondere Qualität in der Konzeption des kaiserzeitlichen Kerngebäudes mit seinem steil aufragenden Aufbau, die in der Ausführung nicht
durchgehend erreicht werden konnte, wird u. a. auch in der heute noch begehbaren mehrläufigen Treppe zwischen Erdgeschoß und Cella sowie in der
aufwendigen Belichtung des Treppenhauses und des Raumes unter der Cella deutlich. Vor allem die drei ›doppelgeschossigen‹ Lichtschlitze an seiner
Rückwand zeigen ein hohes Maß an geometrischer Komplexität (Abb. 40).
Neben der Arbeit in Selinus selbst wurden 2006 die zum Gebäudekomplex gehörenden Architekturfragmente in den Depots des Museums Alanya
untersucht. Zum überwiegenden Teil handelt es sich um kleine und kleinste
Bruchstücke der verschiedenen Bauglieder, die in ihrer Gesamtheit dennoch
klare Rückschlüsse auf den Aufbau und die Dekoration des kaiserzeitlichen
Baus zulassen. Deutlich fällt auch hier ein hoher Anspruch auf, der sich in außerordentlich qualitätvoll gearbeiteten Bauteilen widerspiegelt und der dem
Gebäudekomplex in der ansonsten eher bescheiden anmutenden Architektur
Westkilikiens eine herausragende Stellung zukommen ließ (Abb. 41). Neben
den qualitätvollen Stücken finden sich aber auch zahlreiche Bauteile, die in
unterschiedlichsten Qualitätsstufen gearbeitet sind und neben möglicherweise stadtrömischen auf lokale Handwerker hindeuten könnten (Abb. 42).
Kooperationspartner: Museum Alanya (S.Türkmen); DAI, Abteilung Istanbul • Leitung des Projekts: A. Hoffmann, C. Winterstein • Mitarbeiter:
C. Brünenberg • Abbildungsnachweis: C. Winterstein (Abb. 39–42).
Romuliana-Gamzigrad (Serbien)
Die seit Juli 2005 bestehende serbisch-deutsche Kooperation zur Erforschung
des spätantiken Kaiserpalastes Felix Romuliana bei Gamzigrad in Ostserbien
wurde im Sommer 2006 mit einer Kampagne fortgesetzt. Neben den von
G. Sommer von Bülow (DAI, Römisch-Germanische Kommission) geleiteten
archäologischen Arbeiten (s. auch hier S. 88–90) konnte die bauforscherische
Dokumentation der Umfassungsmauer und der Innenbauten der Palastanlage weitgehend abgeschlossen werden. Es liegen nun von allen Innenbauten
Bauaufnahmepläne der Grundrisse im M. 1 : 100 vor (Abb. 43). Diese wurden
in einen AutoCAD-Plan der Gesamtanlage integriert, der neben den Umfassungsmauern auch die Umgebung des Palastes mit den Sondagen und die
Grabanlagen auf dem ca. 1000 m östlich des Palastes gelegenen Hügel Magura umfaßt. Ziel ist es, aufbauend auf dem AutoCAD-Gesamtplan, ein generalisiertes 3D-Modell des Baubestandes zu erstellen, das die Grundlage für
Zentrale in Berlin 29
Abb. 43 Romuliana-Gamzigrad (Serbien),
spätantiker Kaiserpalast. Bauaufnahme des
Grundrisses des ›Palastes 1‹, des ›Kleinen
Tempels‹ und des ›Palastes 2‹ im Original im
Maßstab 1 : 100. Im Südwesten werden die
erhaltenen Mauern des ›Palastes 1‹ von zwei
Basiliken überlagert. Im Osten ist deutlich
zu erkennen, daß die Anlagen zwischen
›Palast 1‹ und dem ›Kleinen Tempel‹ einer
späteren Phase angehören, da sie alle an
die Mauern des Palastes 1 angesetzt sind
(M. 1 : 1000)
Abb. 44 Romuliana-Gamzigrad (Serbien),
spätantiker Kaiserpalast. Blick von Südwesten auf die kleeblattförmigen Triklinienräume des ›Palastes 1‹ und den ›Kleinen
Tempel‹. Deutlich ist zu erkennen, daß die
Anlagen um den Peristylhof im Vordergrund in einer anderen Mauertechnik
ausgeführt sind und einer späteren Ausbauphase angehören
die Rekonstruktionsüberlegungen der einzelnen Bauphasen darstellt. Da die
einzelnen Bauphasen des Palastes besonders für die Spätantike noch nicht abschließend geklärt sind, wurde mit der Erstellung einer Mauertypologie begonnen. Es zeigte sich dabei deutlich, daß die spätantiken Innenbauten nicht
aus einer Phase stammen, sondern sich mindestens zwei, vermutlich sogar drei
Bauphasen unterscheiden lassen (Abb. 44). Über die Module der verwendeten
Ziegel, die Steinformate, die verwendeten Steinsorten und die Ausbildung
der Ziegellagen lassen sich deutlich zwei Mauerarten unterscheiden, die mit
den beiden Phasen der Umfassungsmauern in Verbindung gesetzt werden
können. Dies legt die Vermutung nahe, daß auch die Innenbauten mindestens
in zwei Phasen entstanden sind. Nach der vorläufigen Auswertung scheint
die Hauptausbauphase des Palastes, die den ›Palast 1‹ mit den Repräsentationsräumen sowie den großen Tempel in der Südhälfte umfaßt, zeitgleich mit
dem Neubau der zweiten Mauer zu sein. Da diese über ein Relief sehr genau
30 Jahresbericht 2006 des DAI
Abb. 45 Romuliana-Gamzigrad (Serbien),
spätantiker Kaiserpalast. In einem der
Türme des Westtores sind dekorierte
Bauteile des Palastes ausgestellt. Ein
deutlicher Unterschied läßt sich an Dekor,
Ausarbeitung und Qualität der Bauteile
aus Marmor und der Bauteile aus dem
einheimischen basaltähnlichen Andesit
und Kalkstein feststellen, aus dem auch
die Baudekoration der Umfassungsmauer
gearbeitet ist
in die Jahre 305–306 zu setzen ist, dürfte die Hauptausbauphase im Inneren
des Palastes ebenfalls an den Anfang des 4. Jhs. n. Chr. zu datieren sein.
In der Sommerkampagne 2006 konnte auch mit der Bearbeitung der Bauornamentik durch G. Breitner begonnen werden. Die Arbeiten bauen auf den
Untersuchungen von M. Čanak Medić auf, die 1978 einen Katalog mit 66
dekorierten Baugliedern der Umfassungsmauer vorlegte. Die erste Sichtung
ergab, daß die weitaus größte Zahl der dekorierten Bauglieder bislang unpubliziert ist. Es handelt sich dabei um ca. 350 Bauglieder bzw. Fragmente von
Bauteilen. Dabei ließ sich eine überraschend hohe Anzahl von Baugliedern
aus inselgriechischem und kleinasiatischem Marmor feststellen, die größtenteils von hoher Qualität sind (Abb. 45). Neben dem importierten Marmor
fand hauptsächlich der einheimische basaltähnliche Andesit und Kalkstein
Verwendung. Das Erscheinungsbild dieser Bauteile weicht deutlich von den
Marmorgliedern ab, und es lassen sich hier Unterschiede in Qualität, Stil
und Typus ausmachen. Die Arbeiten sollen in den nächsten zwei Jahren im
Rahmen eines Forschungsstipendiums fortgesetzt werden. Zu untersuchen
ist dabei, ob ein homogenes Formenrepertoire der Bauglieder eine einheitliche Produktion für einen Baukomplex oder eine Bauphase innerhalb des
Palastkomplexes erkennen läßt. Gleichzeitig ist nach der Herkunft und zeitstilistischen Stellung der dekorierten Bauglieder aus Marmor zu fragen. Es
soll geprüft werden, ob durch typologische Herleitung Werkstattgruppen festzustellen sind, die auf Einflüsse großstädtischer Produktionen (Thessaloniki,
Rom) oder auf typologische Vorläufer anderer Regionen schließen lassen. Es
gilt hierbei, ihre Abhängigkeiten zu externen Traditionen und den Grad der
Nachbildung zu untersuchen bzw. eigenständige lokale Traditionen herauszuarbeiten, um so auch neue Datierungsansätze zu gewinnen.
Felix Romuliana steht seit 2005 auf der Nominierungsliste als UNESCO
Weltkulturerbe. Dem Schutz und der Präsentation der Anlage für ein breites
Publikum kommt damit große Bedeutung zu. Die Mitarbeit an der Erarbei-
Zentrale in Berlin 31
46 a
46 b
Abb. 46 a–c Romuliana-Gamzigrad
(Serbien), spätantiker Kaiserpalast.
Als Ergebnis des deutsch-serbischen
Workshops zu Schutzbauten für Felix
Romuliana im Sommer 2006 sind erste
Ideen für einen Schutzbau für den reich
mit Mosaiken ausgestatteten ›Palast 1‹
entstanden. Grundgedanke der Architekturstudenten war es, die ursprüngliche
Raumkonzeption des Palastes durch die
Anordnung abstrahierter Kuben wieder
erlebbar zu machen
46 c
tung von Konzepten für ein Site-Management und für Schutzbauten bildet
einen weiteren Bereich der deutsch-serbischen Kooperation. Neben den Vermessungs- und Bauaufnahmearbeiten fand 2006 ein Workshop mit serbischen
und deutschen Architekturstudenten statt, der von D. Jäger (Lehrstuhl Bauen
im Bestand der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus) geleitet
wurde. Aufgabe war, in unterschiedlichen Arbeitsgruppen ein Gesamtkonzept
für die Präsentation der Anlage, Schutzbauten für den reich mit Mosaiken
ausgestatteten Palast 1 (Abb. 46 a–c) und die beiden Mausoleen auf Magura,
einen Eingangspavillon im Bereich des Tetrapylons und ein bewegliches Café
zu erarbeiten. Die Pläne und Modelle der Entwürfe der Studenten wurden
am letzten Tag in einer kleinen Ausstellung präsentiert und sollen in einer
Broschüre veröffentlicht werden.
Kooperationspartner: DAI, Römisch-Germanische Kommission (G. Sommer von Bülow); Lehrstuhl für Vermessungskunde der Brandenburgischen
Technischen Universität Cottbus; Archäologisches Institut der Akademie Belgrad; Institute for the Protection of Cultural Monuments of Serbia; Museum
Zaječar • Leitung des Projekts: U. Wulf-Rheidt (Bauforschung), G. Sommer
von Bülow (Archäologie) • Abbildungsnachweis: DAI, Zentrale, Architekturreferat (Abb. 43); P. Grunwald (Abb. 44. 45); U. Wulf-Rheidt (Abb. 46 a–c).
32 Jahresbericht 2006 des DAI
Tayma (Saudi-Arabien)
Die Oasenstadt Tayma liegt im Nordwesten der arabischen Halbinsel. Als Ausgangspunkt von Karawanen erscheint der Ort bereits in assyrischen Quellen
des 8. Jhs. v. Chr. Reichlich Wasser hielt ein See bereit, der sich im Norden
der landwirtschaftlichen Flächen erstreckte und noch bis zum Beginn des
2. Jts. n. Chr. bestand. Siedlungskern, landwirtschaftliche Flächen, in Teilen
der See und weitere Areale waren von langen Mauerzügen umfaßt und so
gegenüber der Wüste abgegrenzt (Abb. 47). Nabonid, der letzte babylonische
König, wählte Tayma in der Mitte des 6. Jhs. v. Chr. für zehn Jahre zu seiner
Residenz, die er auch entsprechend ausgebaut haben soll.
Die antike Stätte wird seit 2004 von dem DFG-Projekt Tayma an der
Orient-Abteilung auf breiter Basis untersucht (s. auch S. 175–177). Im Frühjahr 2005 widmete sich ein erster Survey der systematischen Betrachtung der
Maueranlage, die seit Februar 2006 im Rahmen eines eigenständigen, von der
Fritz Thyssen Stiftung geförderten Projekts des Lehrstuhls für Baugeschichte
der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus und des Architekturreferats der Zentrale des DAI bauforscherisch untersucht wird.
Ziel der Forschungen ist es, den Mauerverlauf und den konstruktiven Aufbau der einzelnen Abschnitte zu ermitteln und zu dokumentieren, strukturelle Fragen der Anlage – Durchgänge, Zugänge, Öffnungen, Anbauten – zu
klären und Hinweise für die zeitliche Entwicklung des Mauersystems zu
erlangen. Zu diesem Zweck wurde im März sowie von Mitte November
bis Mitte Dezember 2006 jeweils eine Kampagne durchgeführt. In einem
Aufmaßsurvey, bei dem signifikante Beobachtungen entlang der Mauerzüge
notiert und in einem zweiten Schritt aufgemessen wurden, konnten auf diese
Weise inzwischen zwei Drittel der insgesamt mehr als 15 km langen Mauern,
die aufgrund der Sandverwehungen zumeist nur mit ihren Kronen zu sehen
sind, erfasst werden (Abb. 48).
Im Verlauf des Mauersurveys ergaben sich so erste konkrete Anhaltspunkte für die Existenz einer regelmäßigen Beturmung entlang der westlichen
Mauerzüge. Auf dem Areal nordwestlich des alten Siedlungskerns jenseits des
Wadis zeichnete sich anhand der sichtbaren Mauerreste eine eigenständige
räumliche Struktur ab, die es im Kontext der Siedlungsstruktur noch zu un-
Abb. 47 Tayma (Saudi-Arabien), Maueranlage der Oase Tayma (M. 1 : 50 000)
Zentrale in Berlin 33
Abb. 48 Tayma (Saudi-Arabien), westlicher
Arm der Maueranlage von Tayma. Blick
nach Nordwesten
Abb. 49 Tayma (Saudi-Arabien), Ausführung der Lehmmauer im Süden der Maueranlage mit kastenartigen Hohlräumen
tersuchen gilt. Hinsichtlich der Verwendung von Lehmziegeln zeigte sich
deutlich, daß dieses Material beschränkt auf den engeren Umkreis um den
zentralen Siedlungskern zum Einsatz kam. Markant ist an einigen Mauerzügen der Aufbau aus gleichartigen Segmenten. Konstruktive Beobachtungen
zu Fugen, Nischen und Öffnungen erlauben schließlich die Identifikation
von bislang mindestens sechs unterschiedlichen Mauertypen, deren Verhältnis
zueinander noch zu klären bleibt.
Begrenzte Sondagen wurden in beiden Kampagnen durchgeführt und
dienten dazu, unklare Situationen zu klären, typische Befunde exemplarisch
herauszuarbeiten und Hinweise zur Datierung zu liefern. Ein Schwerpunkt
lag in der zweiten Kampagne auf der Untersuchung der Lehmkonstruktionen
und der dabei realisierten Lehmziegelverbände. Ein gemeinsames Merkmal
und eine Besonderheit der unterschiedlichen Ziegelverbände an den taymanitischen Mauern ist die Aussparung von Hohlräumen, die in mehreren Varianten zu beobachten war (Abb. 49).
Möglichkeit zur vergleichenden Betrachtung der in Tayma festgestellten
konstruktiven Besonderheiten im Kontext anderer, benachbarter nordwestarabischer Oasensiedlungen boten eintägige Exkursionen, die mit Genehmigung der saudi-arabischen Antikenverwaltung im Frühjahr nach Khuraybah
(al-Ula/Dedan) und im Herbst nach Siyani und nach Qurayyah (beide bei
Tabuk) unternommen werden konnten.
Kooperationspartner: Lehrstuhl für Baugeschichte der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus (K. Rheidt); DAI, Orient-Abteilung,
DFG-Projekt Tayma (R. Eichmann, A. Hausleiter, Th. Götzelt) • Förderung:
Fritz Thyssen Stiftung • Leitung des Projekts: P. Schneider • Mitarbeiter:
A. Beuger (FU Berlin), A. Frei (BTU Cottbus), D. Keller (TH Karlsruhe) •
Abbildungsnachweis: Saudi Geological Survey 10097-WSA-62, Zeichnung
über Luftbild 1956, P. Schneider (Abb. 47); P. Schneider (Abb. 48); M. Cusin
(Abb. 49).
Lissos (Albanien)
Im Sommer 2006 fanden erstmalig deutsch-albanische Ausgrabungen in Lezha
im Norden Albaniens statt (Abb. 50). Das Projekt gilt der Erforschung des
hellenistischen Lissos (ca. 323–80 v. Chr.) und wird von der DFG im Rahmen
34 Jahresbericht 2006 des DAI
Abb. 50 Lissos (Albanien), Blick über den
Fluß Drin auf den ›Skanderbeg-Park‹, der
einen Teil des antiken Lissos einschließt. Im
Zentrum liegt die durch einen Schutzbau
überdachte Nikolauskirche, links davon die
Grabungsbereiche A und C, rechts davon
– bereits außerhalb der Stadtmauer – der
Grabungsbereich B. Auf dem Berg im
Vordergrund befand sich einst in einer
Höhe von 160 m die Akropolis der antiken
Stadt, die später von der venezianischosmanischen Festung überbaut wurde. Im
Hintergrund ist der Berg sichtbar, dessen
in einer Höhe von 410 m gelegene Festung
Akrolissos das antike Lissos schützte
des Schwerpunktprogramms 1209 (»Die hellenistische Polis als Lebensform.
Urbane Strukturen und bürgerliche Identität zwischen Tradition und Wandel«) unter dem Titel »Lissos. Urbanistik und sozio-ökonomische Strukturen
einer hellenistischen Polis in Illyrien« gefördert.
Ob Lissos tatsächlich bereits 385/84 v. Chr. von Dionysios I. von Syrakus
als eine seiner Adriakolonien gegründet wurde, wie Diodor (15, 13, 2; vgl.
15, 14, 2) berichtet, oder ob es sich um eine illyrische Gründung des 3. Jhs.
v. Chr. handelt, ist in der Forschung noch umstritten. In hellenistischer Zeit
war Lissos jedenfalls eine stark befestigte Stadt, deren Bedeutung sich aus ihrer Lage an zwei wichtigen Handelsstraßen sowie aufgrund ihres offenbar für
Seeschiffe geeigneten Hafens ergab.
Daß sich das durchgehend besiedelte Lissos/Lissus besonders gut für Forschungen zur hellenistischen Zeit eignet, liegt in der dramatischen Geschichte des modernen Lezha begründet. Nach dem schweren Erdbeben von 1979
wurden große Teile der auf dem antiken Territorium liegenden Stadt neu errichtet. Um die Nikolauskirche herum, in welcher der Nationalheld Skanderbeg im Jahr 1444 die albanische Liga gegründet hatte, entstand ein Archäologischer Park (Abb. 50), für den die mittelalterliche Bebauung weitgehend
abgetragen wurde und der hervorragende Voraussetzungen für Ausgrabungen
bietet. Die albanischen Forschungen in den 1970er und 1980er Jahren widmeten sich vor allem der Stadtmauer, der eindruckvollsten und interessantesten antiken Wehranlage von Albanien, die sich bis zu einer Höhe von 160 m
den Berg hinaufzieht. Die Akropolis wurde später von der venezianisch-osmanischen Zitadelle überbaut.
Die neuen Ausgrabungen in Lissos konzentrieren sich auf die Erforschung
der urbanen Struktur der hellenistischen Stadt. Dafür ist ein neuer Gesamtplan der Stadt mit den heute noch erhaltenen Partien der Stadtmauer erstellt
worden, der die alten Pläne von C. Praschniker und A. Schober (1919) sowie
F. Prendi (1972) in mehreren wichtigen Details korrigiert. Geophysikalisch
untersucht wurden durch die Fa. Eastern Atlas der als Parkgelände zugängliche Teil der Unterstadt sowie zwei Terrassen der Oberstadt. Der kompakte
Lehmboden ließ Georadarmessungen nur bis zu einer Tiefe von etwa 1,30 m
zu. Störungen durch das neuzeitliche und mittelalterliche Lezha verhindern
daher, daß sich so ein vollständiges Bild der antiken Stadt ergibt.
Einen Einblick in das Lissos des 1. Jhs. v. Chr. gestattete der Grabungsbereich A unmittelbar neben dem Skanderbeg-Denkmal. Hier wurde ein
Zentrale in Berlin 35
51
53
52
Gebäude teilweise freigelegt, das bereits im 1. Jh. v. Chr. mit Scherben von
Hunderten von Amphoren aufgeschüttet wurde (Abb. 51). Das Haus gründet
stellenweise auf älteren Mauern, die nach ihrer Technik in die frühe Zeit der
Stadtmauer zu gehören scheinen. Mehrere Phasen urbanen Wandels im Zentrum der Stadt zeichnen sich hier deutlich ab. Das bereits in den 1980er Jahren ausgegrabene ›Hafentor‹ der Stadtmauer (Grabungsbereich C) wurde erneut freigelegt. Sondagen ergaben, daß östlich davon sogar noch spätrömische
Schichten anstehen. Im ›Apsidenbau‹, einem bis in die Spätantike genutzten
Thermengebäude, in dem bereits unter albanischer Leitung Ausgrabungen
durchgeführt worden waren, fanden lediglich kleinere Untersuchungen statt.
In einem der Räume geborgene Keramik des 1. Jhs. v. Chr. weist auf eine
deutlich frühere Nutzung dieses Baus hin und stellt die Frage nach der Zeitstellung dieses Baus, der in das ›Südtor‹ (Abb. 52) der Unterstadt eingreift,
neu. Gegenstand besonderer Forschungen war die ca. 2200 m lange Stadtmauer mit ihren 14 Türmen und 10 Toren, deren zahlreiche Phasen durch
eine zeichnerische Bauaufnahme und detaillierte Beschreibung dokumentiert
wurden (Abb. 53. 54).
Die Arbeiten innerhalb der antiken Stadt Lissos konnten durch multidisziplinäre Forschungen in ihrem Umland ergänzt werden: Im Küstenbereich
wurden 19 Bohrungen durchgeführt, die erste wichtige Ergebnisse zum Ver-
Lissos (Albanien)
Abb. 51 Grabungsbereich A neben dem
Skanderbeg-Denkmal
Abb. 52 Das Südtor von Norden mit den
Geodäten und Bauforschern bei der Arbeit
Abb. 53 Die Akropolis von Lissos, in die
venezianisch-osmanische Zitadelle wurden
Teile der hellenistischen Stadtmauer mit
ihrer polygonalen Werktechnik integriert
Abb. 54 Ein Tor der Stadtmauer auf der
Nordseite der Oberstadt mit Blick in die
Ebene und das Küstengebirge
54
36 Jahresbericht 2006 des DAI
lauf der antiken Küstenlinie, des Flusses Drin und vor allem zur Lage des Seehafens in der Antike erbrachten. Begleitet wurden diese Untersuchungen zudem von einem archäologischen Survey, bei dem zahlreiche Fundorte – darunter bronzezeitliche, ausschließlich aus Steinen errichtete Tumuli sowie eine
hellenistische Stadtanlage – aufzunehmen waren, die bisher der Fachwelt
kaum oder gar nicht bekannt sind. Diese Ergebnisse bilden die Grundlage für
eine systematische Erfassung der archäologischen Denkmäler in der nordalbanischen Küstenebene.
Kooperationspartner: Archäologisches Institut der Albanischen Akademie
der Wissenschaften; Labor für Geodäsie der Technischen Fachhochschule
Berlin; Geographisches Institut der Philips-Universität Marburg • Förderung: Lissos: DFG SPP 1209 • Leitung des Projekts: G. Hoxha, O. Dally,
A. Oettel • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: B. Lahi, M. Fiedler, K. Kondo, G. Kosturi, H. Kühne, K. Mato, E. Seriani, B. Shkodra, W. Streblow,
A. Tanka (Klassische Archäologie), R. Breuer (Prähistorische Archäologie),
H. C. Haas, C. Birke (Bauforschung), U. Rübens, W. Lingemann, K. Schwarzkopp (Geodäsie), C. Meyer, C. Barlieb (Geophysik), H. Brückner, L. Uncu
(Geographie) • Abbildungsnachweis: LI-06-3097, A. Oettel (Abb. 50);
LI-06-1340, A. Oettel (Abb. 51); LI-06-0951, A. Oettel (Abb. 52); LI-062221, A. Oettel (Abb. 53); LI-06-2200, A. Oettel (Abb. 54).
Naturwissenschaftliche Forschungen – Archäozoologie
Im Jahr 2006 wurden Untersuchungen an Tierresten auf verschiedenen Ausgrabungen des DAI sowie anderer Institutionen im In- und Ausland durchgeführt. Sie betrafen u. a. Fundmaterialien folgender Orte/Projekte: Pietrele
(Rumänien), Aruchlo (Georgien), Tall HujayrŒt al-GhuzlŒn und Tell Zera’a
(Jordanien), Begash und Mukri (Kazachstan), Bandixon (Uzbekistan), Tayma (Saudi-Arabien) und Go O Chua (Vietnam). Über ein Projekt wird hier
näher berichtet: Die Ausgrabungen auf dem kupferzeitlichen Fundplatz Tall
HujayrŒt al-GhuzlŒn bei Aqaba am Roten Meer, einem Projekt der OrientAbteilung des DAI (s. auch hier S. 170 f.), haben ein umfangreiches Material
von etwa 42 000 Tierresten geliefert. Dabei handelt es sich zum größten Teil
um Knochen und Zähne von Säugetieren. Dazu kommen zahlreiche Schalen
von Weichtieren (Muscheln, Schnecken) bzw. deren Fragmente sowie einige
wenige Knochen von Vögeln. Insgesamt ließen sich an dem Material 43 Tierarten nachweisen. Unter den Funden der Säugetiere dominieren Reste von
Schafen und Ziegen (Abb. 55). Im Gegensatz zu heutigen Verhältnissen
Abb. 55 Naturwissenschaftliche
Forschungen – Archäozoologie:
Tall Hujayrāt al-Ghuzlān (Jordanien).
Relative Häufigkeit der nahrungsrelevanten Säugetiere im Fundmaterial
(nach dem Fundgewicht)
Zentrale in Berlin 37
Abb. 56 Naturwissenschaftliche
Forschungen – Archäozoologie:
Tall Hujayrāt al-Ghuzlān (Jordanien).
Hornzapfen einer Berggazelle
– Dominanz der Ziegenhaltung – sind Schafe mengenmäßig häufiger als Ziegen. Nach den Angaben zum Alter und Geschlecht der Tiere kann vermutet
werden, daß der Schwerpunkt der Ziegenhaltung auf der Milchgewinnung
lag, während Schafe vor allem für die Fleischproduktion gezüchtet wurden.
Zu den nachgewiesenen Haustieren gehört auch das Rind. Skelettrepräsentanz und Altersstruktur sprechen für eine Haltung am Ort bzw. in der nahen
Umgebung. Ähnlich wie Schafe waren Rinder vor allem als Fleischerzeuger
bedeutsam. Eine interessante Materialgruppe bilden Knochen- und Zahnreste
von Equiden. Der größte Teil stammt von Eseln, wobei sowohl Wild- als auch
Hausesel unter den Funden zu erwarten sind. Eine morphologische Trennung
beider Formen ist nicht sicher durchzuführen. Allein der kulturgeschichtliche
Gesamtkontext spricht für die Haltung von Hauseseln bzw. deren Nutzung
am Ort.
Zu dem Jagdwild gehörten vor allem Gazellen (Abb. 56), Kuhantilopen,
Steinböcke und Hasen. Bezogen auf die Haustiere beträgt ihr Anteil knapp
10 %. Dies weist auf eine geringe Bedeutung der Jagd für die Nahrungsversorgung am Ort hin. Angesichts der Lage des Platzes nahe am Meer verwundert das völlige Fehlen von Fischknochen im Fundmaterial. Eine schlechte
Erhaltung scheidet als Ursache aus. Möglicherweise bestand ein Tabu im Verzehr von Fisch für die hier siedelnden Menschen. Eine zahlenmäßig große
Fundgruppe stellen Schalenreste von Schnecken und Muscheln dar. Zu den
häufigsten Arten gehören Teufelskralle,Trapez-Bandschnecke und Riesenmuschel. Die großen Schalen dieser Tiere sind gezielt gesammelt und als Rohmaterial für die Herstellung von verschiedenen Schmuckgegenständen am
Ort genutzt worden. Unter den Vogelknochen überraschen Nachweise von
Arten wie Weißstorch, Bleßralle, Stockente, Tüpfelralle und Teichwasserläufer,
die bezüglich ihres Lebensraumes an Feuchtland bzw. stehende Binnengewässer gebunden sind. Ihr Auftreten im Fundmaterial weist auf das zumindest
periodische Vorhandensein entsprechender Biotope in der Nähe der Siedlung
Tall HujayrŒt al-GhuzlŒn hin.
Leitung der Projekte: N. Benecke • Abbildungsnachweis: I. Wagner (Abb.
56).
Naturwissenschaftliche Forschungen – 14C-Labor
Im Berliner 14C-Labor zur Altersbestimmung wird eine konventionelle Datierung mit Zählrohren vom Houtermans-Oeschger-Typ sowie mit den FlüssigSzintillationszählern Quantulus und ICELS durchgeführt. Die Datierungsgenauigkeit konnte auch im Berichtszeitraum gewährleistet werden.
Die 14C-Altersbestimmungen wurden mit hohem Aufwand in der Probenchemie und der kernphysikalischen Meßtechnik weitergeführt. Probleme in
der Probenchemie konnten lokalisiert und beseitigt werden. Präzisionsdatierungen wurden durch Sicherung der Langzeitstabilität der 14C-Apparatur
und durch aufwendige Analysen zur Fehlererkennung möglich gemacht.
Die Datierungsergebnisse des Berliner 14C-Labors haben die zeitliche Einordnung zahlreicher Fundplätze ermöglicht und einen Beitrag beim Aufbau
von Chronologiesystemen in vielen Ländern geleistet. Im Berichtszeitraum
wurden Datierungen für Projekte in den Ländern Afghanistan, Armenien,
Bolivien, Deutschland, Georgien, Iran, Jemen, Jordanien, Pakistan, Rumänien,
Rußland, Sri Lanka, Syrien, Türkei, Ukraine und Uzbekistan durchgeführt.
Der Analyse von Datenserien kommt eine immer größere Bedeutung
zu. Die umfangreiche Datenbank des Berliner 14C-Labors ermöglicht eine
schnelle Einordnung der Datierungsergebnisse in die vorhandene Datenbasis.
Die Datierungsergebnisse sind aber nur Wahrscheinlichkeitsverteilungen ent-
38 Jahresbericht 2006 des DAI
lang der realen Zeitachse. Sie müssen interpretiert werden, um zu schlüssigen
Aussagen zu gelangen. Dabei können Modellrechnungen hilfreich sein, die
archäologische Informationen mit den Wahrscheinlichkeitsverteilungen entlang der realen Zeitachse verknüpfen. Im Ergebnis gelangt man zu präziseren
zeitlichen Aussagen.
Zwei Beispiele sollen die Datierungsarbeit demonstrieren.
Zahlreiche Datierungen von Materialien aus der Siedlung Sohr Damb/Nal
(Pakistan), die von der Eurasien-Abteilung des DAI ausgegraben wird (s. auch
S. 245–248), zeigen eine Besiedlung vom Ende des 4. Jts. bis in die 2. Hälfte
des 3. Jts. v. Chr. Die vier archäologisch ermittelten Perioden konnten datiert
werden. Für die Übergänge zwischen diesen waren durch die umfangreiche
Datenbasis und durch zusätzliche Modellrechnungen präzise Zeitangaben zu
finden.
Zahlreiche Datierungen ermöglichten auch die zeitliche Einordnung einer Siedlung, die nahe dem heutigen Tissamaharama in Sri Lanka von der
Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen ausgegraben wird
(s. auch S. 217–219). Fünf Siedlungsphasen zwischen dem 4. Jh. v. Chr. und
dem 5. Jh. n. Chr. wurden bisher datiert.
In einem Projekt zur Verbesserung der Flüssig-Szintillationszähltechnik
mit P. Theodorsson (Science Institute, University of Iceland) wird an einer
neuen Generation von LSC-Spektrometern gearbeitet. Wir konnten unsere
Erfahrungen in der LSC-Probenchemie und der Meßtechnik einbringen. Im
Rahmen dieses Projekts wurde die Leistungsfähigkeit des neu entwickelten
Gerätes getestet. Die erreichte Meßgenauigkeit machte es möglich, das Gerät
für Datierungsaufgaben im Berliner 14C-Labor zu nutzen. Das Gerät ergänzt
die vorhandene LSC-Meßtechnik in hervorragender Weise und eröffnet neue
Möglichkeiten für 14C-Datierungen.
Leitung des Labors: J. Görsdorf.
Naturwissenschaftliche Forschungen – Dendrochronologie
Das Jahr 2006 lieferte eine Fülle von neuen Hölzern aus allen möglichen Komplexen. Das Spektrum reichte dabei von der erfolgreichen Datierung der durch
H. Parzinger neu ausgegrabenen Kurgane von Olon Kurin Gol (Mongolei,
s. auch S. 1–7) über diverse mittelalterliche Holzfunde aus den Landesämtern
bis zum Ausbau der eigenen lokalen Eichenchronologie in das 8. Jt v. Chr.
Das Schwergewicht der dendrochronologischen Arbeit lag im Jahr 2006
auf der Bearbeitung der Hölzer des spätbronze-/früheisenzeitlichen Komplexes von Poggiomarino (Italien). Die Grabung wird unter lokaler Leitung von
C. A. Livadie im Auftrag der Soprintendenza Archeologica di Pompei durchgeführt. Durch die sehr gute Erhaltung der Hölzer in der Feuchtbodensiedlung am Sarno liegen hier ausgezeichnete Bedingungen für den Aufbau einer
Eichenchronologie für Mittelitalien vor. Insgesamt wurden mehr als 3000
Holzproben geborgen, wovon gegenwärtig mehr als 1200 bearbeitet sind. Es
zeichnet sich deutlich ab, daß unter den mediterranen Bedingungen grundsätzlich auch mit Eichenhölzern lange Chronologien aus archäologischem
Holz aufgebaut werden können. Die Schwierigkeiten liegen zum einen in
der größeren Anzahl unterschiedlicher Eichenarten, wovon z. B. Ilex als immergrüne Eiche wegen überwiegend fehlender Jahrringausbildung völlig ungeeignet ist. Zum anderen wachsen die Bäume unter dem günstigen Klima
auf feuchten Standorten ausgesprochen gut und schnell. Das führt zu sehr
breiten Jahrringen, die wiederum wenig Wetterinformation und wenig Fälle
für die statistischen Vergleiche beinhalten. Der Datierungserfolg hängt daher
sehr stark von der Anzahl der verfügbaren Jahrringe ab.
Zentrale in Berlin 39
Abb. 57 Naturwissenschaftliche
Forschungen – Dendrochronologie:
Poggiomarino (Italien). Datierungserfolg in
Abhängigkeit von der Jahrringanzahl
Bei mehr als etwa 50 Jahrringen lassen sich – durchaus mit mitteleuropäischen Verhältnissen vergleichbar – etwa zwei Drittel der Proben erfolgreich
synchronisieren (Abb. 57). Die bisher untersuchten Proben können zu einer
742 Jahre umfassenden Chronologie zusammengeführt werden. Dazu kommen noch einige im Moment nicht sicher zu datierende Mittelwertreihen,
die spezielle Einflüsse, z. B. durch Ausbrüche des Vesuvs, oder andere lokale
Effekte zeigen. Die Datierung der Chronologie gelang mit Hilfe der Chronologie Nordostfrankreichs des Kollegen W. Tegel (Labor Hemmenhofen), der
auch die Vergleiche mit weiteren, bei uns nicht verfügbaren Chronologien aus
seinem Arbeitsgebiet ermöglichte (Tab. 1).
DC-Labcode Referenz
Tab. 1 Statistischer Vergleich der Reihe
Poggm3 mit verschiedenen anderen
Chronologien. GL % Gleichläufigkeit,
WJ % Gleichläufigkeit auf Weiserjahren,
t-Holl t-Test nach Hollstein, t-BP t-Test nach
Baillie/Pilcher
Überlappung GL
WJ
t-Holl.
t-BP
Poggm3
Nord-Ostfrankreich 742
63,6 69,5 10,10
11,20
Poggm3
Süddeutschland
742
57,7 61,4 5,10
5,80
Poggm3
Rhein
742
58,4 58,6 4,90
4,90
Poggm3
Bodensee
337
57,4 58,8 4,10
5,00
Poggm3
Main
742
54,8 58,9 3,60
4,60
Poggm3
Zürich
446
55,9 66,7 3,00
2,40
Poggm3
Oberschwaben
386
55,4 71,4 2,90
3,70
Poggm3
Neuchatel
602
54,4 73,7 2,90
3,00
Poggm3
Ostdeutschland
742
54,0 57,0 2,90
2,60
Poggm3
Auvernier
397
55,5 73,7 2,10
2,30
Es zeigt sich, daß eine sehr große Ähnlichkeit zum Gebiet westlich der Alpen besteht, während in den Alpen selbst und nördlich davon die Verhältnisse
doch stärker abweichen. Das läßt sich mit dem vorherrschenden Durchzug
der Wetterlagen von West nach Ost gut erklären. Die Alpen teilen den Wetterstrom und im Stauraum der Alpen selber bilden sich lokale Situationen aus.
40 Jahresbericht 2006 des DAI
Mit der dendrochronologischen Datierung dieser Reihe auf 1485 v. Chr.
bis 742 v. Chr. gelingt für diesen Raum und diese Zeit erstmalig der Einstieg in die Absolutchronologie. Bisher ließ sich keine dendrochronologische
Reihe für diese Zeit mit dem gut ausgebauten Chronologiesystem nördlich
der Alpen fest verknüpfen. Alle anderen prähistorischen Chronologien sind
bisher nur über Wiggle-Matching, also 14C-Daten, eingeordnet. Die Chronologie von Poggiomarino ist der erste sichere Vorstoß in diesen Raum.
Paradoxerweise sind jetzt die älteren Befunde aus Poggiomarino genauer
zu datieren als die vergleichsweise jüngeren berühmten Befunde des benachbarten Pompeji. Die Datierung der Holzfunde aus Poggiomarino ist im Moment der vordergründige Effekt. Langfristig ist natürlich der Ausbau dieser
Reihe durch Einbeziehung weiterer Hölzer angestrebt und bildet einen Teil
des komplexen geoarchäologischen Projekts zur Rekonstruktion der antiken
Kulturlandschaften des Sarno-Beckens unter Leitung von F. Seiler (s. auch hier
S. 12–14). Die relativ hoch belegte Reihe bildet einen herausragenden Grundstock für paläoklimatische Untersuchungen und für alle Fragestellungen zum
Umgang mit Holz und Wald in dieser Zeit. Darüber hinaus zeigen erste Versuche auch die Aussicht, diese Reihe als Grundlage für die Verknüpfung der
Chronologiesysteme mit dem Projekt zum Aufbau der Dendrochronologie
in Albanien zu verwenden. Damit erlangt diese Chronologie eine Schlüsselposition zur Chronologie der Bronzezeit im mediterranen Raum und eröffnet Perspektiven zu neuen Forschungen.
Leitung des Labors: K.-U. Heußner.
Naturwissenschaftliche Forschungen – Archäobotanik
Auf mehreren Grabungen des DAI wurden 2006 botanische Proben genommen und direkt auf der Grabung sowie im Labor für Archäobotanik des DAI
aufgearbeitet. Archäobotanische Ergebnisse der deutsch-bulgarischen Grabung (DAI, Römisch-Germanische Kommission in Kooperation mit dem
Archäologischen Institut der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften in
Sofia und dem Historischen Regionalmuseum Ruse) der spätantiken Festung
Iatrus-Krivina (Bulgarien) sollen hier näher vorgestellt werden.
Das römische Limeskastell Iatrus liegt am unteren Jantra, einem Nebenfluß der Donau, der heutzutage in etwa 1,5 km Entfernung vom Kastell in die
Donau mündet. Sämtliche Bausubstanz des Kastellareals ist in der Spätantike
völlig vernichtet worden, was zum Vorhandensein von mehreren dicken Zerstörungshorizonten mit teils sehr guter Erhaltung des botanischen Materials
geführt hat. Um 600 n. Chr. wurde das Kastell endgültig aufgegeben. Außer
Räumen mit wenig und unspezifischem Fundmaterial, die als mögliche Wohnräume gedeutet werden, gab es hier Speicher- und/oder Wirtschaftsräume
mit Gruben, Mulden, Vorratsgefäßen, Bretterverschlägen/Getreidekisten aus
Buchenholz, Körben aus Weiden- und Haselruten, Mahlsteinen, etc. Die ehemals hier sortenrein gelagerten Vorräte vermischten sich bei der Zerstörung
des Kastells. Bei den – für die Ernährung in Form von Brot, Brei, usw. – so
wichtigen Getreidearten konnte der anspruchslose Roggen mit dem größten
Anteil nachgewiesen werden. Roggen wurde in Europa erst in der vorrömischen Eisenzeit gezielt als Kulturpflanze angebaut, stieg jedoch schon in
der römischen Kaiserzeit und Völkerwanderungszeit in vielen Gebieten zum
Hauptgetreide auf. Die Ursachen werden in der Ausweitung der kultivierten
Ackerflächen auch auf weniger gute Böden gesehen, um den Nahrungsbedarf einer stetig wachsenden Bevölkerungszahl zu decken. In abnehmender
Rangfolge folgen in Iatrus Rispenhirse, mehrzeilige Spelzgerste, Kompaktweizen, Nacktweizen und Hafer. Bei den Hülsenfrüchten überwiegen Kleine
Zentrale in Berlin 41
Getreide / Hülsenfrüchte total (Gewichtsprozent)
Ackerbohne
8,8%
Linsenwicke
4,7%
Nacktweizen
1,2%
Kompaktweizen
2,6%
Spelzgerste
24,5 %
Rispenhirse
12,2%
Abb. 58 Naturwissenschaftliche
Forschungen – Archäobotanik:
Iatrus-Krivina (Bulgarien). Gewichtsprozentanteile der Getreidearten und
Hülsenfrüchte
Abb. 59 Naturwissenschaftliche
Forschungen – Archäobotanik:
Iatrus-Krivina (Bulgarien). Verkohlte
Samen der Gartenkresse
Roggen
45,9%
Ackerbohne und Linsenwicke; erst viel später folgen Linse und Saatplatterbse.
Das Verhältnis der nachgewiesenen Hülsenfrüchte zum Getreide liegt vom
Gewicht her bei ca. 1 : 6,40 (Abb. 58). Es gibt nur einzelne Nachweise für
Faser- und Ölpflanzen, wie Lein und Schlafmohn. Es scheint, daß diese Pflanzen in Iatrus kaum eine Rolle gespielt haben. Auffallend sind die Hinweise
auf eine gut entwickelte Gartenkultur: Vielfach nachgewiesen sind Weinrebe
und Walnuß, aber auch Pfirsich, Mandel und Süßkirsche. Apfel/Birne, Walderdbeere und die verschiedenen Brombeerarten könnten auch in der Gegend
von Iatrus gesammelt worden sein; Kultur- und Wildformen lassen sich auf
dieser Materialbasis nicht trennen. In den Proben finden sich viele Nachweise
von Pflanzen, die – kultiviert oder gesammelt – als Gemüse, Küchen- oder
Heilkräuter benutzt worden sein könnten, wie z. B. Gartenkresse (Abb. 59),
Gezähnter Feldsalat, verschiedene Kohlarten, Weißer und Unechter Gänsefuß, Gemüse-Portulak, Wilde Malve, Mangold, Koriander, Schwarzer Nachtschatten oder Spitzwegerich. Interessant ist der frühe Fund von verkohlten
Hopfenfrüchten; daß Hopfen schon als Bierwürze eingesetzt wurde, ist möglich, es gibt jedoch dafür noch keinen Beleg.
Zur Frage, was in Iatrus selbst angebaut bzw. gesammelt und wieviel importiert wurde, kann festgestellt werden, daß die nachgewiesenen Ackerunkräuter und sonstigen Pflanzenarten den hiesigen Bodenverhältnissen entsprechen
und sehr wohl in der Gegend um Iatrus ihren Standort gehabt haben können.
Es sollte aber in Betracht gezogen werden, daß die Donau-Ebene ein relativ
großes Gebiet mit den gleichen Standortbedingungen umfaßt. Die Nähe zum
Transportweg Donau bedeutet letztendlich, daß bei Bedarf relativ leicht die
benötigten Mengen an Getreide, Hülsenfrüchten sowie Holz nach Iatrus verschifft werden konnten, wie dies für Tannen- und Buchenholz sicherlich der
Fall war. Alle anderen Holzarten, wie das am meisten als Bauholz eingesetzte
Eichenholz, aber auch Hölzer wie Ahorn, Linde, Ulme, Hainbuche, Esche
42 Jahresbericht 2006 des DAI
und Pappel könnten in den Auen oder dem Hügelland um Iatrus herum geschlagen worden sein. Mit Sicherheit als Import aus dem mediterranen Raum
sind einzelne Funde von Olivenkernen und eine Konstruktion aus Feigenholz zu bezeichnen. Auch Olivenöl und wahrscheinlich ebenso Wein werden
aus diesem Raum nach Iatrus transportiert worden sein.
Insgesamt waren im spätantiken Iatrus über 1,3 Mio. Großreste des sehr gut
erhaltenen botanischen Materials zu bestimmen und mehr als 30 unterschiedliche Kultur- und Sammelpflanzen nachzuweisen. Das gab uns die einmalige
Gelegenheit, ein realitätsnahes Bild von der Bedeutung der unterschiedlichen
Nutzpflanzen für den Speiseplan der Bewohner des Kastell Iatrus zu zeichnen.
Leitung des Labors: R. Neef.
Bibliotheken und Archive des DAI
Die Bibliotheken des DAI haben einen Gesamtbestand von ca. 850 000 Bänden, verteilt auf 11 Standorte. Bisher arbeiten neun Bibliotheken im Bibliotheksverbund ZENON des DAI (s. im Internet unter: opac.dainst.org), die
Bibliothek der Abteilung Kairo nahm im Sommer 2006 ihre Arbeit im Verbund auf. Mittelfristiges Ziel ist die retrospektive Eingabe und der gemeinsame Nachweis aller noch nicht elektronisch erfaßten Bestände des DAI. Im
Jahr 2006 konnten ca. 400 000 Datensätze der »Archäologischen Bibliographie« in ZENON eingespielt werden, nachdem in den vorhergehenden Jahren schon die »Bibliographie zur Archäologie der Iberischen Halbinsel« sowie die »Bibliographie zur Archäologie Eurasiens« integriert worden waren.
Seit Frühjahr 2006 nehmen die Abteilungen Athen und Istanbul aktiv an
der Bibliographie teil. Über die Römisch-Germanische Kommission des
DAI ist weiterhin die »Bibliographie zur Vor- und Frühgeschichte Europas«
abrufbar (Informationen im Internet unter: http://www.dainst.org/index.
php?id=3503), die in Kooperation mit anderen deutschen und osteuropäischen Institutionen entsteht.
Seit 2006 ist das DAI Kooperationspartner bei dem Projekt für das Informationsportal Virtuelle Fachbibliothek Altertumswissenschaften »Propylaeum«, unter der Federführung der Bayerischen Staatsbibliothek München und
der Universitätsbibliothek Heidelberg mit den jeweiligen altertumswissenschaftlichen Sondersammelgebieten.
Erstmalig haben die Bibliotheken der Berliner Abteilungen die Aufgabe
übernommen, innerhalb von drei Jahren zwei »Fachangestellte für Medienund Informationsdienste« auszubilden.
Zum 1. Juli 2006 nahm M. Linder ihre Tätigkeit als Bibliotheksdirektorin auf, im Oktober fand ein Treffen von Bibliotheksleiterinnen und -leitern
sowie Bibliothekarinnen und Bibliothekaren aller Bibliotheken des DAI in
Berlin statt. Die Arbeitsschwerpunkte für die Jahre 2007/2008 sind u. a. die
gemeinsamen Recherchen über alle Bestände des Instituts, die Ausweitung
des Angebots an elektronischen Publikationen, die Kooperation mit weiteren
internationalen Institutionen sowie die Einbindung in Fachportale.
Für die vielfältigen und reichhaltigen Nachlaß- und Autographen-Archive
des DAI wurde begonnen, eine Gesamtübersicht zu erstellen sowie die technischen Möglichkeiten der Erschließung auszuloten. Hinsichtlich der durch
Forschungscluster 5 »Geschichte des Deutschen Archäologischen Instituts im
20. Jahrhundert« des DAI angestoßenen Forschungen ist der Bedarf sowohl
für einen verbesserten Nachweis als auch für die Bestandserhaltung der Materialien deutlich geworden. Dies soll in den kommenden Jahren systematisch
realisiert werden.
Bibliotheksdirektorin: M. Linder.
Zentrale in Berlin 43
Wissenschaftliche Veranstaltungen
Hauskolloquien der Wissenschaftlichen Abteilung
8. Februar Der Oxus-Tempel – Ein Heiligtum im Osten der hellenistischen
Welt: Gunvor Lindström (Berlin), Der Oxus-Tempel – Die Weihgaben und
Votive; Anjelina Drujinina (Berlin), Neue Ausgrabungen im Tempelbereich
15. Februar Peter Baumeister (Berlin) – Dorothea Roos (Berlin), Die Keloşk
Kale. Zur baugeschichtlichen Untersuchung eines spätantiken Gebäudekomplexes im türkischen Euphratbogenxxx22. März Valentina Mordvintseva (Simferopol), Der sarmatische Tierstilxxx5. April Zisis Bonias (Kavala), Argilos.
Eine griechische Kolonie in Thrakienxxx3. Mai Lorenz Rahmsdorf (Mainz),
Zur Ausbreitung vorderasiatischer Innovationen in die frühbronzezeitliche
Ägäisxxx17. Mai Mathias Döring (Adenstedt), Wasserversorgung in den phlegräischen Feldernxxx26. Juli Rachel Kousser (New York), Destroying the
Power of Images in Roman Germany.
Vortragsreihe »Bauforschung im Wiegandhaus«
12. Januar Albert Distelrath (Köln), Herakleia am Latmos. Wohnen in der
Ruinexxx16. Februar Jens Birnbaum (Berlin), Didyma. Der Apollontempel
und die Timaios-Tonleiterxxx2. März (in Zusammenarbeit mit dem Italienischen Kulturinstitut) Heinz Jürgen Beste (Rom), Agrigent – Neue Forschungen; Maria Grazia Nini (Rom) – Paolo Saracini (Rom), Agrigent – Virtuelle
Rekonstruktionxxx6. Juli Andrea Schmölder-Veit (München), Zum Wohl
der Stadt. Die öffentliche und private Wasserversorgung in der Republik und
der frühen Kaiserzeitxxx20. Juli Hans Rupprecht Goette (Berlin), Choregische Weihgeschenke in Athen. Zeugnisse architektonischer Innovation und
demokratischer Selbstdarstellung.
Naturwissenschaftliche Forschungen an der Zentrale
29. Mai Stefanie Jacomet (Basel) – Jörg Schibler (Basel), Zum Potential archäonaturwissenschaftlicher Forschungen am Beispiel der neolithischen
Seeufersiedlung Arbon Bleiche 3 (Thurgau)xxx19. Oktober Angela Kreuz
(Wiesbaden), Bandkeramische Landwirtschaft – Tradition oder Innovation?
Archäobotanische Ergebnisse zum Frühneolithikum aus West- und Südosteuropa im Vergleich.
Berichte der Wissenschaftlichen Abteilung
13. Januar Hans-Rupprecht Goette, Die antiken Skulpturen im ChryslerMuseum von Norfolk (Virginia).
Kolloquien
24. Februar Kolloquium »Neue Forschungen zur Archäologie des nördlichen Schwarzmeerraumes«. – Es sprachen: Alla Buyskihk (Kiev), New Data
about the Initial Period of Greek Colonisation in the North-Western Part of
the Black Sea; Jochen Fornasier (Berlin), Der Kimmerische Bosporos in archaischer Zeit – Zwischen Kolonisation und Konsolidierung?; Ortwin Dally
(Berlin), Der Beginn der griechischen Kolonisation im nördlichen Schwarzmeerraum – Deutsch-russische Ausgrabungen in Taganrog; Yuri Zaytsev (Simferopol), Votivschätze im nördlichen Schwarzmeergebiet (3.–1. Jh.
v. Chr.). Chronologie und kulturelle Zuschreibung; Valentina Mordvintseva
(Simferopol), Die Sarmaten und die Phaleren des graphischen Stils im nördlichen Schwarzmeergebiet (3.–1. Jh. v. Chr.). Fragen kultureller Zuschreibung;
Krysztof Domzalski (Warschau), Terra Sigillata and Red Slip Pottery in the
44 Jahresbericht 2006 des DAI
Black Sea Region: Similarities and Differences in Production and Distribution Patterns; Ellen Kühnelt (Berlin), Die Römer auf der Krim. Beobachtungen
am Rande; Denis Zhuravlev (Moskau), Roman Lamps in the Northern Pontic Area: Distribution, Imports and Local Production; Vladimir Vlasov, Handmade Pottery of Alma Kermen and the Germanic Elements in Krim’s Culture
of the Roman Period; Viktor Mytz, The ›Bergkrim‹ in Late Roman Times.
31. März/1. April Kolloquium »Aizanoi« (in Zusammenarbeit mit der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus). – Es sprachen: Ortwin
Dally (Berlin), Begrüßung; Klaus Rheidt (Cottbus), Einführung; Ina Lochner (Köln), Der Siedlungshügel in Aizanoi. Neue Forschungen auf dem Tempelplateau; Dietrich Berges (Hamburg), Hellenistische Tonsiegel aus Aizanoi;
Gülşen Dikbaş, Zusammentreffen zweier Keramikgattungen – das Verhältnis
zwischen der Grauen Keramik und der roten Glanztonkeramik von Aizanoi;
Hans Christoph von Mosch (München), Der Zeus von Aizanoi; Thekla Schulz
(Regensburg), Die Gebälk- und Dachkonstruktion des Zeustempels; Kai Jes
(Köln), Fest datiert? – Zur Bauornamentik des Zeusheiligtums von Aizanoi;
Richard Posamentir (Istanbul) – Michael Wörrle (München), Die Weihinschrift des Zeustempels; Corinna Rohn (Cottbus), Das Theaterstadion; Philip
Brize (Regensburg), Skulpturenfragmente aus den Theatersondagen; Friederike Naumann (Köln), Die Thermenanlagen – zeitliche und typologische
Einordnung; Michael Wörrle (München); Güler Ateş (Heidelberg), Der Kultplatz in Ilicikören – Neue Forschungen zur Ikonographie der Kybele in der
Ainaitis; Philipp Niewöhner (Heidelberg), Aizanoi, Anatolien und der Nahe
Osten. Siedlungsentwicklung, Demographie und Klima in Frühchristlicher
Zeit; Stefan Blum (St. Georgen), Çavdarhisar – die neuzeitliche Bebauung im
Ruinengebiet; Klaus Rheidt (Cottbus), Zur Stadtentwicklung von Aizanoi.
28. bis 30. April Kolloquium »Austausch & Inspiration. Kulturkontakt als
Impuls architektonischer Innovation« (Abb. 60). – Es sprachen: Rolf-Dieter
Schnelle (Berlin) – Hermann Parzinger (Berlin), Begrüßung; Felix Pirson
(Istanbul), Einführung; Wolfram Martini (Gießen), Kykladen oder Zypern?
Zur Herkunft des ›kykladischen Mauerwerks‹ in Perge in Pamphylien; Aenne
Ohnesorg (München), Der Kroisos-Tempel in Ephesos im Spannungsfeld
zwischen Ost und West; Martin Bachmann (Istanbul), Machtdemonstration
und Kulturimpuls. Die Festung auf dem Karasis; Frank Kolb (Tübingen), Akkulturation und epichorische Tradition in der lykischen Architektur; Zeynep
Kuban (Istanbul), Griechische und persische Moden an lykischen Gräbern;
Paul Zanker (Rom), Die Nekropole von Ghirza/Libyen; Stefan Freyberger
(Rom), Die Karawanenstation Petra als Kreuzungspunkt von Kulturen des
hellenisierten Ostens; Ehud Netzer (Jerusalem), Mixture of Cultures in Nabatean Architecture; Gertrud Platz (Berlin) – Ortwin Dally (Berlin), Grußworte; Helmut Kyrieleis (Berlin), Der Orient und die frühgriechische Kunst;
Gunnar Brands (Halle), Persien und Byzanz. Anmerkungen zur Geschichte
einer Irritation; Felix Arnold (Madrid), Der Kaiserpalast in Konstantinopel
als Vorbild für die Palaststadt des Kalifen von Córdoba. Kulturaustausch zwischen christlicher und islamischer Welt; Stephan Westphalen (Göttingen),
Die Dominikanerkirche der Genuesen von Pera und die Spuren ihrer Ausmalung. Mittelalterliche Kulturkontakte zwischen Orient und Okzident im
Konstantinopel des 14. Jhs.; Marianne Bergmann (Göttingen), Kulturkontakt
und Innovation am Beispiel der ›tempietti‹ in den fauces der Casa del Fauno
in Pompeji; Orhan Bingöl (Ankara), Innovationen und Impulse durch und
von Hermogenes; Wolfgang Radt (Berlin), Ein Blattkapitell in Istanbul und
andere Kapitelle aus dem Jemen. Einheimische Tradition und mediterrane
Einflüsse im antiken Südarabien; Inge Nielsen (Hamburg), Das kultische
Abb. 60 Ministerialdirigent Schnelle
anläßlich des Kolloquiums »Austausch &
Inspiration«
Zentrale in Berlin 45
Theater. Ein Beispiel architektonischer Innovation im Orient; Corinna Rohn
(Cottbus), Olympisches in Aizanoi. Griechische Kultur in den anatolischen
Bergen; Peter I. Schneider (Berlin), Nach Timur. al-Adil-Sulaiman und sein
neues Hasankeyf; Dorothée Sack (Berlin), Ein Bau im Einflußbereich von
Orient und Okzident. Bauforschung an der Unterkirche der Capella Palatina
in Palermo; Stefan Weber (Beirut), Ein Strauß bunter Blumen. Die Hauptstadt Istanbul im Baudekor des osmanischen Damaskus; Andreas Schachner
(Istanbul), Direkter Einfluß oder allgemeine Inspiration? Zur Entwicklung
repräsentativer Architekturformen im östlichen Mittelmeerraum im ausgehenden 3. und frühen 2. Jt. v. Chr.; Mustafa Sayar (Istanbul), Die Tarkondimotiden. Ein späthellenistisches Kleinkönigreich im Ebenen Kilikien; Richard
Posamentir (Istanbul), Anazarbos. Eine vergessene Grenzstadt zwischen Ost
und West; Henner von Hesberg (Köln), Einheimische Bauherren und römische Architekturkonzepte im Westen des römischen Reiches; Siegmar von
Schnurbein (Frankfurt a. M.), Kulturkontakte über den Limes in Germanien;
Corinna Brückener (München) – Ulrich Mania (Halle), Hadrians Ägyptenreise und die Rote Halle in Pergamon; Ulrike Wulf-Rheidt (Berlin), Zusammenfassung und Abschlußdiskussion; Hermann Parzinger (Berlin) – Adolf
Hoffmann (Istanbul), Abschlußworte.
Workshops
26./27. Januar GIS-Workshop (in Zusammenarbeit mit dem Interdisziplinären Zentrum Alte Welt der Freien Universität Berlin). – Es sprachen: Ortwin Dally (Berlin), Eröffnung; Andreas Zimmermann (Köln), Konzepte einer
Landschaftsarchäologie; Knut Rassmann (Frankfurt a. M.), Die Vorzüge und
Nachteile von AutoCAD und Geoinformationssystemen beim Einsatz auf
Ausgrabungen. Erfahrungen bei der Integration beider Programme in ein
System der Grabungsverwaltung und -auswertung; Katja Heine (Cottbus),
Trends und Entwicklungen im GIS; Hartmut Kühne (Berlin), Methodische Vorstufen zur Anwendung eines GIS-Systems; Markus Reindel (Bonn)
– Karsten Lambers (Bonn) – Martin Sauerbier (Zürich), Das Peru-Projekt;
Reinhard Senff (Athen), Von Milet nach Olympia; Felix Pirson (Istanbul),
Von Pompeji nach Pergamon; Thomas Götzelt (Bonn), Erfahrungsbericht zur
Verwendung des Manifold-GIS im Tayma-Projekt; Axel Posluschny (Frank
furt a. M.), Über die Datenverwaltung hinaus: Räumliche Analysen von Fundstellenverteilungen als Grundlage von Mensch-Umwelt-Untersuchungen.
Fallbeispiel: Fürstensitze; Knut Rassmann (Frankfurt a. M.), Raumbezogene
Datenanalyse aus kulturgeographischer Perspektive. Fallbeispiele aus der Arbeit
mit Metallanalysen; Nils Müller-Scheeßel (Frankfurt a. M.), Der Einsatz von
Datenbanken und Geoinformationssystemen bei Ausgrabungen. Fallbeispiel:
Die Aufbereitung, Verwaltung und Auswertung von Daten der neolithischen
Siedlung bei Okolište (Zentralbosnien); Christiane Brasse (Cottbus) – Frank
Henze (Cottbus), Hybrides Bauwerkinformationssystem für das Palatin- und
das Baalbek-Projekt; Iman Kulitz (Wien), Virtuelle Archäologie am Beispiel
Elephantine (Ägypten); Ullrich Lang (Köln) – Thomas van Reimersdahl
(Köln) – Reinhard Förtsch (Köln), Virtuelle Realität am RRZK: Begehbare
rechnergenerierte Welten am Beispiel der Cryptoporticus der Domitiansvilla
von Castel Gandolfo; Florian Willems (Köln), Die dynamische Verbindung
von 3D-Modell und Datenbank am Beispiel des Basilica Aemilia-Projekts des
DAI, Abteilung Rom; Benjamin Ducke (Kiel), Open Source GIS-Programme.
27./28. Oktober Workshop »Archäologiegeschichte im 20. Jahrhundert« zu
Forschungscluster 5 »Geschichte des Deutschen Archäologischen Instituts im
20. Jahrhundert« des DAI. – Es sprachen: Hermann Parzinger (Berlin), Begrü-
46 Jahresbericht 2006 des DAI
ßung; Gunnar Brands (Halle/Saale), Einleitung; Rüdiger vom Bruch (Berlin), Einführung; »Das DAI 1900–1945«: a) Die Präsidenten: Esther Sophia
Sünderhauf (Rom), Gerhart Rodenwaldt; Stefan Altekamp (Berlin), Theodor
Wiegand; Martin Maischberger (Berlin), Martin Schede; Diskussion; b) Die
Auslandsabteilungen: Sylvia Diebner (Rom), Abteilung Rom: Ludwig Curtius; Thomas Fröhlich (Rom), Abteilung Rom: Armin von Gerkan; Diskussion; Hubertus Manderscheid (Rom), Abteilung Rom und Vatikan: Hermine Speier; Michael Krumme (Athen), Abteilung Athen: Walther Wrede; Diskussion; c) RGK und Beziehungen zur Prähistorie: Timo Saalmann (Jena),
Wilhelm Unverzagt; »Die deutschen Universitäten und ihr Verhältnis zum
DAI«: Mathias Hofter (Berlin), Ernst Buschor, Ludwig-Maximilians-Universität München; Diskussion; »Emigration«: Frederick Jagust (Berlin), Paul Jacobsthal; Diskussion; »Internationale Beziehungen«: Gudrun Wlach (Wien),
Österreich: Camillo Praschniker und das ÖAI; Abschlußdiskussion; Interner
Teil »Lebensbilder« mit vertiefenden Panels: Martin Miller (Stuttgart), Otto
Wilhelm von Vacano; Rachele Dubbini (Rom/Heidelberg), Giulio Emanuele
Rizzo; Jorgen Mejer (Kopenhagen), Frederic Poulsen; Alain Schnapp (Paris),
Henri Stern; Aubrey Pomerance (Berlin), Otto Rubensohn; Stefan Lehmann
(Halle/Saale): Hans Schleif; Katharina Lorenz (Nottingham), Otto Brendel.
15. November Workshop zu Forschungscluster 1 »Von der Seßhaftigkeit zur
komplexen Gesellschaft: Siedlung, Wirtschaft, Umwelt« des DAI. – Es sprachen: Hermann Parzinger (Berlin), Einführung; »Vorderer Orient und Transkaukasien«: Klaus Schmidt (Berlin), Göbekli Tepe; Karin Bartl (Damaskus),
Orontes-Tal; Nicholas J. Conard (Tübingen), Syrien, Iran; Svend Hansen
(Berlin), Aruchlo; »Südosteuropa«: Hermann Parzinger (Berlin), Heiner
Schwarzberg (Halle), Kırklareli; Knut Rassmann (Frankfurt a. M.), Johannes
Müller (Kiel), Okolište; Martin Furholt (Kiel), Agrarische Lebensweise in
Südosteuropa; Wolfram Schier (Berlin), Südosteuropa; »Nordeuropa«: Friedrich Lüth (Frankfurt a. M.), SINCOS; Henny Piezonka (Berlin), Nordosteuropäische Waldzone; »Nord- und Zentralafrika«: Josef Eiwanger (Bonn),
Marokkanisches Küstengebiet; Peter Breunig (Frankfurt a. M.), Zentralafrika; »Südamerika«: Markus Reindel (Bonn), Andentranssekt; Burkhard Vogt
(Bonn), Südperu; Heiko Prümers (Bonn), Bolivianisches Tiefland; Henning
Bischof (Mannheim), Südamerika; »Naturwissenschaften«: Norbert Benecke
(Berlin), Viehzucht; Reinder Neef (Berlin), Ackerbau; Abschlußdiskussion.
1./2. Dezember Workshop »Politische Ziele und Deutungen archäologischer Grabungen im späten 19./frühen 20. Jahrhundert im europäischen Vergleich« zu Forschungscluster 5 »Geschichte des Deutschen Archäologischen
Instituts im 20. Jahrhundert« des DAI. – Es sprachen: Hermann Parzinger
(Berlin), Begrüßung; Christian Jansen (Bochum), Einführung; Ingo Wiwjorra (Wolfenbüttel), »Germanen« oder…? Die Rezeption historiographischer Deutungskonflikte in der mitteleuropäischen Archäologie des 19. Jhs.;
Marga Díaz-Andreu (Durham), Colonising Spain’s Past: French, German and
British Archaeologists in Spain; Hubert Fehr (München), Politische Hintergründe des Projekts »Germanische Denkmäler der Völkerwanderungszeit«;
Martijn Eickhoff (Nijmegen), »Ausgrabungen voller Glanz«: niederländische
Archäologen und ihre Aktivitäten in der klassischen und kolonialen Welt
(1900–1950); Can Bilsel (San Diego), The Archaic and the Modern: the Turkish History Thesis of the 1930’s and its Afterlife; Suzanne Marchand (Baton Rouge), Transformations along the Twentieth-Century Silk Road: Sven
Hedin between ›Open Door‹ and Post-Colonial Field Science (1900–1937);
Oliver Gilkes (Norwich), The Fifth Shore: Personality and Politics in Fascist
Archaeology; Dietrich Hakelberg (Freiburg), Zwischen Reaktion und Mo-
Zentrale in Berlin 47
derne. Für eine Wissenschaftsgeschichte der Archäologie vor 1933; Abschlußdiskussion.xxx17. November Workshop »Neue Forschungen zur Archäologie
des nördlichen Schwarzmeerraumes« (in Zusammenarbeit mit dem Interdisziplinären Zentrum Alte Welt der Freien Universität Berlin). – Es sprachen:
Ortwin Dally (Berlin), Einleitung; Udo Schlotzhauer (Berlin) – Denis Zhuravlev (Kiev), New Archaeological and Geo-archaeological Investigations in
the Northern Part of the Tamanpaeninsula; Valentyna Krapivina (Kiev), Olbia in the 3rd and 4th Century A. D. – A Report of the New Excavations;
Sergey Buyskykh (Kiev), Die griechische Kolonialchora im unteren BugGebiet; Nadjeschda Gavryluk (Kiev), The Hillforts in the Region of the Lower Dnijepr from the 2nd Century B. C. to the 2nd Century A. D.; Vassif
Gaibov (Moskau) – Vladimir Kuznetsov (Moskau), Phanagoria: Forschungen
in den Jahren zwischen 2003 und 2006; Sergei Monakhov (Saratov), Die keramischen Komplexe von Phanagoria; Gennady Garbuzov (Rostov am Don),
Die archäologischen Untersuchungen der ländlichen Siedlungen innerhalb
der Chora von Phanagoria; Tadeusz Sarnowski (Warschau), The Romans in
the Crimea. Results of Recent Polish-Ukrainian Excavations in the Territory of Chersonesos Tauricae; Abschlußdiskussion; Friederike Fless (Berlin),
Schlußworte.
Öffentlichkeitsarbeit
Abb. 61 Workshop für Kinder und Erwachsene. Spielen wie in der Antike: Geschicklichkeits- und Würfelspiele mit Knöchelchen
13. Mai Lange Nacht der Wissenschaften »Auf den Spuren der Ewigkeit –
Rund um die Welt. Entdecken Sie die modernen Werte der klassischen Kulturen.« Posterausstellung: Präsentation einer Auswahl laufender Projekte des
DAI. – Filmvorführungen: »Aus der Geschichte der Menschheit« (von HansJoachim Hossfeld, 1962); »Hittite Sun« (1959). – Führungen durch das Wiegandhaus. – Archäologie für Kinder, Workshop für Kinder und Erwachsene:
Gefunden, gegraben, geborgen – Eine Schatzsuche; Urgeschichtliche Keramik
selbst gemacht; Entziffern alter Dokumente aus dem Archiv des DAI; Leseund Schreibkurs für die in alten Dokumenten gebrauchten Schriften Sütterlin
und Fraktura; Spielen wie in der Antike: Geschicklichkeits- und Würfelspiele
mit Knöchelchen (Abb. 61); Nachbauen antiker Musikinstrumente: Rasseln,
Schwirrhölzer, Panflöten (mit den Musikern der Gruppe »Musica Romana«).
– Multimediapräsentationen: Baalbek (CD Rom); Interaktive automatisch
ablaufende Überflüge über die Bodenzeichnungen der Paracas- und NascaKultur von Peru. – Posterpräsentation:Vom Foto zum Plan – Photogrammetrie in der Archäologie. – Naturwissenschaften und Archäologie: Gruppenführungen zu den naturwissenschaftlichen Laboren des DAI; Präsentationen:
Archäozoologie, Tierknochen erzählen Geschichte; Dendrochronologie, Holz
als Kalender. – Archäologie-Quiz. – Benefiz-Tombola. – Büchertisch mit Publikationen der Archäologie. – Musik: Musik der Antike wird lebendig in
Tanz und Gesang (Gruppe »Musica Romana«). – Podiumsdiskussion: Archäologie im Spannungsfeld internationaler Politik. – Es nahmen teil: Clemens
Wergin (Berlin), Margarete van Ess (Berlin), Ricardo Eichmann (Berlin),
Günter Dreyer (Kairo), Ulrike Wulf-Rheidt (Berlin), Burkhard Vogt (Bonn).
– Vorträge: Dirce Marzoli (Madrid) – Josef Eiwanger (Bonn), Auf nach Süden
– Die Phönizier am afrikanischen Atlantik; Siegmar von Schnurbein (Frankfurt a. M.), Der gescheiterte Plan des Kaisers Augustus – Die Römer bauten
bei Wetzlar am Rhein zu Beginn der Zeitrechnung eine regelrechte Stadt;
Günter Dreyer (Kairo),Von der Grabgrube zur Pyramide – Die Entwicklung
der frühen ägyptischen Königsgräber; Burkhard Vogt (Bonn), Dammbrüche
48 Jahresbericht 2006 des DAI
und andere Katastrophen – Der Große Damm von Marib, Jemen; WolfDietrich Niemeier (Athen), Der Jüngling vom Heiligen Tor – Ein spektakulärer Fund im Herzen von Athen; Ingo Motzenbäcker (Berlin), Zwischen
Okzident und Orient – Archäologie im Brückenland Kaukasien; Christof
Schuler (München), Bürste, Stein, Papier: Epigraphische Feldforschungen in
der Türkei; Felix Pirson (Istanbul), Pergamon: Stadt der Bürger – Residenz
der Herrscher; Mayke Wagner (Berlin), China: Alte (Seiden)Straßen zwischen
Kunlun Shan und Altaj; Daniel Polz (Kairo), Geplant für die Ewigkeit – Die
Särge des Imeni und der Geheset in Luxor; Svend Hansen (Berlin), Pietrele.
Eine Siedlung des 5. Jts. v. Chr. an der unteren Donau; Hermann Parzinger
(Berlin), Das Gold von Tuva.
Veröffentlichungen
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts 120, 2005
Archäologischer Anzeiger 2005/1 und 2005/2
33. Ergänzungsheft zum Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts:
M. Meyer, Die Personifikation der Stadt Antiocheia. Ein neues Bild für eine
neue Gottheit
Archäologische Forschungen 22: F. Rumscheid, Die figürlichen Terrakotten
von Priene. Fundkontexte, Ikonographie und Funktion in Wohnhäusern und
Heiligtümern im Licht antiker Parallelbefunde
Bo=azköy-Berichte 8: J. Seeher (Hrsg.), Ergebnisse der Grabungen an den
Ostteichen und am mittleren Büyükkale-Nordwesthang in den Jahren 1996–
2000. Mit Beiträgen von J. Seeher, S. Herbordt, H. Genz, A. Baykal-Seeher
Didyma III 3: H. R. Baldus, Fundmünzen aus den Jahren 1962–1998
Die antiken Sarkophagreliefs I 3: C. Reinsberg, Die Sarkophage mit Darstellungen aus dem Menschenleben
Die römischen Skulpturen von Caesarea Mauretaniae 3: Ch. Landwehr, Idealplastik. Bacchus und Gefolge, Masken, Fabelwesen, Tiere, Bukranien, nicht
benennbare Figuren
Kerameikos 17, 1. 2: U. Knigge, Der Bau Z
Milesische Forschungen 4: A. Herda, Der Apollon-Delphinios-Kult in Milet
und die Neujahrsprozession nach Didyma. Ein neuer Kommentar der sog.
Molpoi-Satzung
Milet VI 3: N. Ehrhardt – W. Günther – P. Herrmann, Inschriften von Milet
Olympische Forschungen 31: H. Kyrieleis, Anfänge und Frühzeit des Heiligtums von Olympia. Die Ausgrabungen am Pelopion 1987–1996. Mit Beiträgen von B. Eder und N. Benecke
Sarkophag-Studien 4: T. Korkut, Die Girlanden-Ostotheken aus Kalkstein in
Pamphylien und Kilikien. Untersuchungen zu Typologie, Ikonographie und
Chronologie
Simitthus III: Michael Mackensen, Militärlager oder Marmorwerkstätten.
Neue Untersuchungen im Ostbereich des Arbeits- und Steinbruchlagers
von Simitthus/Chemtou. Mit Beiträgen von H. R. Baldus
Stipendien
Das Reisestipendium wurde an Francis Breyer verliehen, das Wülfing-Stipendium erhielt Holger Schwarzer.
Zentrale in Berlin 49
Je ein Fortbildungsstipendium wurde Soi Agelidis, Claudia Beuger, Dirk
Brandherm, Georg Breitner, Martin Furholt, Christoph Gerber, Renate Hekkendorf, Jörg Holzkämper, Oliver Hülden, Claudia Lacher, Daniel Lohmann,
Juren Meister, Sonja Magnavita, Timm Radt, Verena Stappmanns und Mike
Teufer zugesprochen.
Je ein Auslandsstipendium des Instituts wurde an Reinhard Jung, Constanze von Rüden, Ulf-Dietrich Schoop sowie Nicole Röring verliehen.
Mitglieder des Instituts
Das Institut betrauert den Tod seiner Mitglieder Pilar Acosta Martínez (Sevilla), Pierre Amandry (Paris), Sedat Alp (Ankara), Antonio Beltrán Martínez
(Zaragoza), Ernst Berger-Doer (Riehen), Herbert Bloch (Belmont), Gudrun
Corvinus (Pune), Xavier Dupré i Raventós (Rom), Christian Ewert (Madrid),
Eugen Ewig (Bonn), Gerhard Fecht (Berlin), Philipp Filtzinger (Neckartailfingen), Alexander Fol (Sofia), Gino Vinicio Gentili, Bologna, Klaus Günther
(Bielefeld), Zdravko Marić (Sarajevo), Liliana Mercando (Turin), Reinhold
Merkelbach (Köln), Pere de Palol Salellas (Barcelona), Eduardo Ripoll Perelló
(Barcelona), Ann Perkins (New Haven), Vadim Aleksandrovic Ranov (Dushanbe), Eckehart Schubert (Olpe), Günter Smolla (Königsstein/Taunus), August Strobel (Neuendettelsau), Michel Vanderhoeven, (Tongeren).
Das Institut wählte zu Ordentlichen Mitgliedern Jan Bemmann (Bonn),
Peter Kaulicke (Lima) und Stefan Rebenich.
Zu Korrespondierenden Mitgliedern wurden gewählt Alexander Aibabin (Simferopol), Said al-Said (Riyadh), Claudia Antonetti (Venedig), Jan
Assendorp (Lüneburg), Jozef Bátora (Nitra), Franz Alto Bauer (München),
Matthias Becker (Halle), Wojciech Brzezinski (Warschau), Dimitris Bosnakis (Athen), Georgia Chatzi (Olympia), Bruno Chaume (Courban), Filippo
Delpino (Rom), Senarath Dissayanake (Colombo), Claude Domergue (Toulouse), Yahya el-Masri (Kairo), Wafaa el-Saddik (Kairo), Yaşar Ersoy (Izmir),
Thomas Fröhlich (Rom), Irina Gambaschidze (Tbilissi), Alexander Gertsen
(Simferopol), Andrej Gotlib (Abakan), Caterina Greco (Trapani), Sönke Hartz
(Schleswig), Jana Horvath (Ljubljana), Janka Istenic (Ljubljana), Klaus Junker (Mainz), Eleni Korka (Athen), Luigi Malnati (Bologna), Ivan Marčenko
(Krasnodar), Jianjun Mei (Beijing), Abdal-Razzaq Moaz (Damaskus), Helmut
Müller (München), Friederike Naumann-Steckner (Köln), Johannes Nollé
(München), Enriqueta Pons i Brun (Girona), Dieter Quast (Mainz), Salvador
Quero Castro (Madrid), Christopher Ratté (New York), Charles Brian Rose
(Philadelphia), Frank Rumscheid (Berlin), Thomas Saile (Göttingen), Eduardo Salas Vázquez (Madrid), Klaus Schmidt (Berlin), Stephan F. Schröder
(Madrid), Francesca Spatafora (Palermo), Viktor A. Trifonov (St. Petersburg),
Andrea Vaday (Budapest), Christina Vlassopoulou (Athen), David Wigg-Wolf
(Frankfurt a. M.), Donny George Youkhanna (Baghdad), Christopher Young
(Oxford), Bernhard Zimmermann (Freiburg).
50 Jahresbericht 2006 des DAI
Ausgrabungen und Forschungen
Rom, Basilica Aemilia
Aula, Marmorfußboden: Die Untersuchungen im Berichtsjahr galten der
Gestaltung der Basilica Aemilia in ihrem Inneren und der nach Süden zum
Forumsplatz ausgerichteten Außenfassade. Der Fußboden im Inneren der
Basilica war vollständig mit Platten aus farbigem Marmor bedeckt (Abb. 1).
Sämtliche Platten wurden gesäubert, geodätisch vermessen und photographisch sowie teilweise auch mit Zeichnungen dokumentiert. Aus den Spuren
des Bodens lassen sich Aussagen über die Ausstattung der Basilica ableiten. In
den Zwischenräumen zwischen den Säulen und auch in den Seitenschiffen
zeichnen sich auf den Platten zahlreiche Verfärbungen von verbrannten Objekten und einige in den Marmor geschmolzene Metallreste ab (Abb. 2). Die
flächigen Schwarzfärbungen des Bodens entstanden wohl beim Brand einer
größeren Menge von Holz, das vermutlich von herabgestürzten Decken- und
Dachbalken stammt. Um die verbrannten Münzen und Metallgegenstände,
deren Konturen auf Türangeln, Nägel und Beschläge mit Nagellöchern schließen lassen, breiten sich Korrosionsverfärbungen aus. Nach diesen Spuren zu
urteilen, standen zwischen den Säulen verschließbare Geschäftsstände aus
Holz mit Metallbeschlägen, wie sie auch auf Reliefs dargestellt sind. In diesen verwahrten die Bankiers ihre Münzen und wohl auch kostbare Objekte
aus Silber, die sie den Besuchern in der Basilica zum Kauf feilboten. Es hat
den Anschein, daß der Platz zwischen den Säulen und in den Seitenschiffen
vollkommen den Bank- und Geldgeschäften vorbehalten war. Im Boden sind
keine Spuren von Dübellöchern und Fundamenten vorhanden, die einen Verweis auf größere Einbauten geben könnten. Aufgrund der nun nachweisbaren
Abteilung Rom
Rom, Basilica Aemilia
Abb. 1 Aula, Fußboden aus bunten
Marmorplatten
Abb. 2 Aula, Marmorfußboden mit
Spuren von geschmolzenem Eisen und
verbranntem Holz
2
1
Abteilung Rom 51
Abb. 3 Rom, Basilica Aemilia. Aula, Südfassade (M. 1 : 250)
Möblierung der Aula und ihrer konkreter faßbaren Funktion wird vielleicht
besser verständlich, warum die Basilica auch aus Sicherheitsgründen unbedingt
als gänzlich geschlossenes Gebäude und nicht als frei zugängliche Wandelhalle
zu verstehen ist. Das Fehlen von Spuren für innere Einbauten läßt darauf
schließen, daß es in der Aula der Basilica Aemilia kein fest installiertes Tribunal
gab. Dennoch könnten durchaus Tribunale stattgefunden haben, wobei dann
der für die Richter und Beamten bestimmte Platz durch ephemere Schranken
vom übrigen Raum abgegrenzt worden wäre. Zu denken ist vor allem an die
Finanztribunale und andere abgegrenzte Geschäftsbereiche, die vorzüglich in
das Ambiente eines luxuriösen Bankgebäudes passen. Es fanden sich auf dem
Fußboden auch keine bearbeiteten Flächen und Anrißlinien, die eine Aufstellung monumentaler Statuen befürworten könnten. Dabei stellt sich die Frage
nach der Aufstellung der ›Partherstatuen‹, die orientalische Gegner Roms darstellten. Eine Plazierung der über 3 m hohen Figuren im Inneren der Basilica
wäre nach den neuesten Rekonstruktionsergebnissen nur auf der Verkröpfung
der ersten Gebälksordnung möglich gewesen. In diesem Aufstellungskontext
hätten sie aber isoliert vor der Umgangsbrüstung des Obergeschosses gestanden. Zudem würden sie auf keinen Fall einen Brand in der Aula überdauert
haben, der die Tragfähigkeit des Steins herabgesetzt hätte. Ihre Anbringung
am Südrand der über den Läden und Säulenhallen liegenden Aussichtsterrasse
der Basilica Aemilia wäre nach statischen und inhaltlichen Gesichtspunkten
am ehesten denkbar.
Südlicher Außenbau der Basilica: Die Untersuchungen galten auch dem
nach Süden zum Forumsplatz hin ausgerichteten Außenbau der Basilica Aemilia, dessen Aufbau weitgehend rekonstruiert werden konnte (Abb. 3). Über
den Läden und den Säulenhallen verlief eine monumentale Plattform als Aus-
52 Jahresbericht 2006 des DAI
sichtsterrasse. Auf dieser ragte vor der Südwand eine Loggia empor. Zu ihr gehörten nach den bisherigen Erkenntnissen die bekannten Rankenpfeiler, die
durch eine Brüstung miteinander verbunden waren. Die so entstandene, nach
Süden offene und von einem Pultdach überdeckte Loggia war durch Türen in
der Rückwand vom Obergeschoß der Basilica, aber auch über die seitlichen
Treppenhäuser und die Terrasse selbst erreichbar. Während der Innenraum
der Basilica Aemilia vorwiegend dem Geldwesen vorbehalten war, übernahm
der Außenbau die völlig divergierende Funktion einer Zuschauertribüne und
eines Monuments mit politischer Konnotation. In dieser Konstellation sind
die ›Partherstatuen‹ aus logischen Gründen dem äußeren Funktionsbereich
zuzuordnen, dessen Bildwerke sich der Heiligen Straße als der Hauptachse
des Platzes zuwendeten. Als Brüstungsfiguren, die in erhöhter Position den
Abschnitt der Heiligen Straße im zentralen Forumsbereich säumten, vervollständigten die ›Partherstatuen‹ den propagandistischen Architekturrahmen,
den Augustus für den zentralen Forumsplatz schuf. Wie der Partherbogen über
der Heiligen Straße nördlich des Tempels des Divus Iulius, so sind auch sie als
Verweis auf die diplomatischen Erfolge des Princeps zu verstehen. Bei dieser
Terrasse könnte es sich um eine der in zahlreichen schriftlichen Zeugnissen
überlieferten maeniana (Aussichtsloggien) über den Läden handeln, welche die
Langseiten des zentralen Forumsplatzes flankierten. Von diesen aus konnten
die in diesem Bereich stattfindenden Gerichtsverhandlungen, religiösen Feiern und Gladiatorenspiele gesehen werden. Dank dieser Einrichtung waren
die Basilica Aemilia und aller Wahrscheinlichkeit nach auch die Basilica Iulia
auf dem Forum Romanum eng mit dem politischen und gesellschaftlichen
Tagesgeschehen auf dem zentralen Forumsplatz verknüpft. Durch die Verbindung mit anderen politischen Räumen sind die beiden Basilicae jeweils nicht
nur als ein auf sich bezogenes Gebäude, sondern auch als ein Interaktionsfeld
zwischen verschiedenen politischen Bereichen definiert.
Kooperationspartner: Soprintendenza Autonoma per i Beni Archeologici
di Roma (A. Bottini, I. Iacopi); Archäologisches Seminar der Universität
zu Köln (H. von Hesberg); Forschungsarchiv Antike Plastik der Universität zu Köln (R. Förtsch); Archäologisches Institut der Ludwig-MaximiliansUniversität München (R. Schneider); Institut für Geodäsie der Technischen
Universität München (K. Schnädelbach, T. Wunderlich); Institut für Historisch-Kulturwissenschaftliche Informationsverarbeitung an der Universität zu
Köln (M. Thaller) • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: K. S. Freyberger • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: I. D’Angelo, A. Darwisch, C. Ertel,
J. Lipps, K. Tacke, F. Willems • Abbildungsnachweis: K. S. Freyberger (Abb.
1. 2); H. Behrens (Abb. 3).
Rom, Columbarium des C. Scribonius Menophilus
Zur weiteren Untersuchung der Malereien des Columbariums, einer unterirdischen Grabkammer mit vielen Bestattungsplätzen, die im Jahr 1984 vor der
Villa Doria Pamphilj in Rom entdeckt wurde, wurden in diesem sowie im
benachbarten ›Großen Columbarium‹ Putz- und Farbproben entnommen, die
unter Einsatz der Raman-Mikroskopie analysiert worden sind. Die naturwissenschaftliche Untersuchung bestätigte den zuvor bereits durch den Stil- und
Motivvergleich gewonnenen Eindruck der engen Verwandtschaft der beiden
Dekorationen und erbrachte als erstes überraschendes Ergebnis den sicheren
Nachweis von Lapislazuli in den blauen Farbproben. Die Fortsetzung der stilistischen und ikonographischen Untersuchung vor allem der Landschaftsbilder
(Abb. 4), der Architekturdarstellungen (Abb. 5) und der verschiedenen figürlichen Elemente ergab eine Absicherung der kunstgeschichtlichen Einordnung
Abteilung Rom 53
4
5
6
7
Rom, Columbarium des C. Scribonius
Menophilus
Abb. 4
Architekturlandschaft
Abb. 5
Treppenhaus D: Ädikula
Abb. 6
Hauptraum A: Bokchoris (?)
Abb. 7
Raum A: Opferkorb und Kultmal
der Malereien in die frühaugusteische Zeit. Enge Parallelen finden sich, außer
im ›Großen Columbarium‹, vor allem in den Malereien der Villa Romana della
Farnesina, des Augustushauses auf dem Palatin und in verschiedenen pompejanischen Wänden des sog. frühen Dritten Stils. Ein leider nur in wenigen
Abschnitten erhaltener Figurenfries (Abb. 6) zwischen der 5. und 6. Nischenreihe des Hauptraumes A konnte sicher als bisher einzige bekannte ikonographische Parallele des Frieses des ›Schwarzen Trikliniums‹ (Gelageraum) der
Villa Romana della Farnesina erkannt werden, in welchem der Interpretation
Emanuel Löwys zufolge wahrscheinlich berühmte Urteilssprüche des Bokchoris dargestellt sind. Die Szenen des Columbariums sind in ihrer Qualität
deutlich bescheidener als jene der Villa und verzichten auf einige Figuren und
Elemente, die zum Verständnis des Geschehens nicht unbedingt erforderlich
sind. An der grundsätzlich übereinstimmenden Bildaussage ändert dies aber
nichts. Unter den gemalten Gegenständen und Attributen des Grabbaus überwiegen jene aus dem dionysischen Bereich. Besonders bemerkenswert sind die
Darstellungen mehrerer Masken und das gleich zweimalige Vorkommen eines
Opferkorbes (Abb. 7), des vielleicht wichtigsten Attributes der dionysischen
Mysterien. Die Klassifizierung des epigraphischen Materials des Baus wurde
weiter vorangetrieben und erlaubt inzwischen eine recht präzise Bestimmung
der sozialen Zusammensetzung der hier Bestatteten, unter denen Sklaven und
Freigelassene überwiegen.
Kooperationspartner: Soprintendenza Autonoma per i Beni Archeologici di
Roma (F. Catalli, Architektur, Topographie); Università di Siena (M. G. Granino Cecere, Epigraphik); Università di Modena e Reggio Emilia (P. Baraldi,
Farb- und Putzanalysen) • Leitung des Projekts: F. Catalli, M. G. Granino
Cecere, Th. Fröhlich (Wandmalerei) • Abbildungsnachweis: K. Anger (Abb.
4. 6); Th. Fröhlich (Abb. 5. 7).
54 Jahresbericht 2006 des DAI
Rom, Palatin, Kaiserpalast, Gartenstadion
Im Rahmen der Dissertation zur Bauornamentik des Gartenstadions des flavischen Kaiserpalastes auf dem Palatin wurden im Jahr 2006 die Dokumentation
der in situ befindlichen Bauglieder sowie die Katalogarbeit abgeschlossen. Die
im Archiv der Soprintendenza Archeologica di Roma (Lapidario Forense) aufbewahrten Unterlagen zu den Bauteilen des Stadions wurden gesichtet und
ausgewertet. Die Zusammenarbeit vor Ort mit A. Riedel (Brandenburgische
Technische Universität Cottbus), die die Bauaufnahme des Gartenstadions
unter architektonisch-technischen Gesichtspunkten vornimmt, wurde auch in
diesem Jahr erfolgreich vorangetrieben. Die Grundlagen für die Auswertung
sind die Datierung der Bauteile, ihre Zuordnung zu einzelnen Dekorationssystemen und die Rekonstruktion des Baus.
Im Fokus der weiteren Betrachtung stehen vornehmlich die Auswahl der
Baumaterialien und des Dekors, die Qualität der Ausführung, die Disposition
und Hierarchie der Dekorationsformen sowie die Bedeutung der Integration
dieses Bautypus in die Palastarchitektur (Abb. 8). Ziel ist es, auf der Grundlage
der wieder gewonnenen Marmordekoration des Gartenstadions die spezifischen Qualitäten des architektonischen Ausstattungsluxus im kaiserlichen
Stadtpalast zu untersuchen: einerseits hinsichtlich seiner Aussagekraft als Mittel
kaiserlicher Repräsentation, andererseits als Ausdruck kaiserlicher Luxusvorstellungen im Kontext vergleichbarer herrschaftlicher Bautätigkeit.
Kooperationspartner: Soprintendenza Autonoma per i Beni Archeologici
di Roma (A. Bottini, I. Iacopi, M. A. Tomei) • Projektbearbeiterin: K. Iara •
Abbildungsnachweis: K. Iara (Abb. 8).
Rom, Palatin, Palastvestibül
Bei den Untersuchungen zur Rekonstruktion des frühbyzantinischen Palastvestibüls am Nordwestfuß des Palatin ging es zunächst um eine Annäherung
an die spätantike Gestalt des Baus, d. h. im wesentlichen um eine Zuordnung
und Interpretation der noch in situ befindlichen strukturellen und dekorativen
Elemente und ihre Abgrenzung von Einbauten, die erst im Kontext der Kirche
S. Maria Antiqua entstanden.
Es konnte zunächst festgestellt werden, daß zur spätantiken Neuausstattung
der Exedra am Südende des Peristyls offenbar eine Wanddekoration in vier
Zonen gehörte, von der Reste gefunden wurden. Über einem profilierten
Sockel aus grauem Marmor befand sich eine Verkleidung aus Marmorplatten,
die nach oben durch ein Stuckprofil mit vegetabilem, ursprünglich farbig
gefaßtem Schmuck begrenzt wurde. Dieser Fries wurde erst bei der Ausmalung der Kirche verputzt und mit Fresko überzogen. Darüber befand sich
eine weitere Marmorverkleidung, offenbar eine ältere Malerei überdeckend,
von der noch Teile zu sehen sind, die bis unter den Stuckfries reichen (der
Status dieser Malerei ist noch nicht geklärt). Über dieser Zone ließ die noch
sichtbare Vorbereitung des Untergrundes auf eine Verkleidung mit Marmororthostaten schließen. Diese Dekoration erstreckte sich auf beide Seitenwände
der Exedra, geringe Reste an der Stirnseite (Süden) der Exedra deuten auf
eine einheitliche Gestaltung. Eine entsprechende Marmorverkleidung in drei
Zonen konnte auch für den südöstlichen Nebenraum (heute Theodotuskapelle)
rekonstruiert werden. Die Marmorverkleidung, deren Spuren im Mauerwerk
auch hier noch zu sehen sind, wurde dort später allerdings offenbar teilweise
in die Dekoration der Kapelle integriert: Die in der unteren Zone nach
738 n. Chr. angebrachte Freskoschicht schließt oben an den erhaltenen Sims
der Marmorplatten direkt an, setzt diese also voraus. Als Fazit dieser ersten
Untersuchungen kann festgehalten werden, daß hier vor der Installation der
Abb. 8 Rom, Palatin, Kaiserpalast,
Gartenstadion. Korinthisches Kapitell
Abteilung Rom 55
Kirche (um 600 n. Chr.) eine ungewöhnlich hohe Marmorinkrustation in vier
Registern übereinander angebracht war, was den Bau entschieden nobilitierte
und Parallelen am ehesten in der Hagia Sophia oder auch in Agios Demetrios,
Thessaloniki, hat. Die These einer Neuausstattung des großen Vestibüls zum
Palatin durch die auf dem Palatin residierende byzantinische Besatzung scheint
hierdurch gestützt.
Kooperationspartner: Soprintendenza Autonoma per i Beni Archeologici
di Roma (A. Bottini, I. Iacopi) • Leitung des Projekts: D. Knipp.
Römische Steinsarkophage im Kontext, Stadtrom und Umgebung
Das seit November 2006 an der Abteilung Rom des DAI fortgeführte Promotionsvorhaben widmet sich den Aufstellungs- und Nutzungskontexten römischer Steinsarkophage in Rom und Umgebung von der Republik (5./4. Jh.
v. Chr.) bis in die Kaiserzeit (3. Jh. n. Chr.). Die Bearbeitung der bisher kaum
zusammenfassend behandelten republikanischen Sarkophage aus Stadtrom und
den Latinerstädten der Umgebung, insgesamt über 500 publizierte, größtenteils aus Palestrina stammende Exemplare, ist bereits abgeschlossen. Auffällig
ist die Homogenität der Sarkophagtypen, ihrer Aufstellung – überwiegend in
Bodengräbern, in fossae – und des Grabinventars an den verschiedenen Fundorten Rom, Tivoli, Palestrina, Lanuvio, Lavinium, Fidenae und »La Rustica«.
Allein schon aus Gründen der Fundbedingungen und -dokumentation
liegt der Schwerpunkt der Untersuchungen jedoch auf der Kaiserzeit. Hierzu
konnten bereits weit über 200 Sarkophage aufgenommen werden, die an
ihrem ursprünglichen Fundort erhalten oder deren Fundumstände hinreichend dokumentiert sind. Der Katalog ist somit weitgehend fertiggestellt.
Anhand dieser Fundkontexte sollen die Einbindung der Sarkophage in den
Grabbau und dessen Innenausstattung, eventuell vorhandene Bau- und Sarkophaginschriften, Grabkult und Beigabensitten behandelt werden. Mittels
chronologischer Analysen gilt es abschließend, die Entwicklung der Aufstellungs- und Nutzungsgewohnheiten in Hinblick auf diese Fragestellungen
aufzuzeigen.
Projektbearbeiterin: K. Meinecke.
Die Städte Latiums
Die Forschungsperspektive des Projekts richtet sich in einem ersten Zugang
insbesondere auf die Bedeutung der Stadtmauern für die Verteidigung und für
die Selbstdarstellung der städtischen Gemeinden. Betrachtet man die Befestigungsanlagen vor dem historischen Hintergrund des Latinerbundes, so stellt
sich die Frage, welche Rolle die monumentalen Mauern, Tore und Türme
innerhalb der regionalen Kommunikation von Stadt zu Stadt übernommen
haben. Im Jahr 2006 wurde als ein Untersuchungsschwerpunkt die Stadt
Gabii im latinischen Kernland ausgewählt. Aufgrund der günstigen Überlieferungsbedingungen können hier aller Voraussicht nach Aussagen zur Datierung der Stadtmauer und zur innerstädtischen Bebauung gewonnen werden.
Neben Literaturrecherchen wurde bereits eine fachgerechte Bauaufnahme
eines Abschnitts der Stadtmauer aus Quadermauerwerk durchgeführt, die eine
Reihe neuer Erkenntnisse erbracht hat.
Die einschalige Mauer aus Tuffstein gehört zur nördlichen Stadtbefestigung
Gabiis (Abb. 9). Für ihren Bau wurde der hier anstehende Fels abgearbeitet und
zur Fundamentierung sauber geglättet. Die Quadermauer im Läuferverband,
vermutlich mit einer Hinterfüllung aus größeren Steinen, ist als Stützmauer
ausgebildet und in ihrer Konstruktion von bemerkenswert hoher Qualität.
In einer zweiten Phase wurde eine weitere Quadermauer, wahrscheinlich
56 Jahresbericht 2006 des DAI
Abb. 9 Die Städte Latiums, Gabii. Ansicht
der aus Quadern gefügten Stadtmauer von
Norden
zur Verstärkung der ersten, auf höherem Niveau davorgesetzt und an deren
Mauerfuß ein kleiner Erdwall angeschüttet. Damit handelt es sich hier sicher
um eine Maßnahme zur Erhöhung der fortifikatorischen Eigenschaften der
Stadtmauer, die in einer weiteren, dritten Phase durch das Anlegen eines
Wallgrabens noch unterstützt wurde. Die Bauweise beider Mauern sowie die
Zurichtung der Steine (Fasen und Spiegel) legen eine Erbauung in frührepublikanischer Zeit nahe. Im Tuffsteinplateau vor der Mauer wurde als dritte
Verbesserungsmaßnahme ein Graben eingetieft; zugehörig ist wohl eine kleine
Treppe. Das Eintiefen eines solchen Grabens parallel zur Befestigungsmauer
kann als Reaktion auf die Entwicklung neuer Belagerungstechniken verstanden werden. Damit ist sehr wahrscheinlich, daß Gabii auch nach seiner Eingliederung in den römischen Herrschaftsbereich, die den historischen Quellen
zufolge im 6. Jh. v. Chr. stattfand, weiter ein gemeinschaftliches Projekt wie
eine Stadtmauer, die dem Schutz und der Repräsentation der Stadt diente,
realisieren konnte.
Kooperationspartner: Soprintendenza di Roma (S. Musco); Soprintendenza di Lazio (S. Gatti, G. Ghini) • Leitung des Projekts: S. Helas • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: A. Werner (Bauaufnahme), G. Zuchtriegel •
Abbildungsnachweis: DAI, Abteilung Rom, D. Gauss (Abb. 9).
Castel Gandolfo,Villa des Domitian
Die Dokumentation und Rekonstruktion des Theaters und der Kryptoportikus (langer geschlossener Gang) innerhalb der Villa des Domitian in
Castel Gandolfo sind weitgehend abgeschlossen und werden für eine virtuelle
Rekonstruktion der Reste ausgewertet (Abb. 10. 11). Als weiterer Bereich
steht die mittlere Terrasse für eine Untersuchung an. Dieser Teil ist so gut wie
Abb. 10 Castel Gandolfo, Villa des
Domitian. Rekonstruktionsvorschlag des
Bühnengebäudes (M. 1 : 1000)
Abteilung Rom 57
Abb. 11 Castel Gandolfo, Villa des
Domitian. Rekonstruktionsvorschlag des
Inneren der Kryptoportikus
unbekannt. Lediglich eine Serie von großen Exedren, die an die Ausstattung
öffentlicher Hallen erinnern, ist heute noch zu sehen. Hinzu kommt eine
Apsis, die sich stark überwachsen deutlich im Gelände abzeichnet. Andererseits geben sich mehrere Treppenhäuser zu erkennen, die eine relativ kleinteilige Architektur miteinander verbunden haben.
Die mangelnde Dokumentation der Reste und die Unzugänglichkeit des
Terrains erlaubten bisher nur allgemeine Vermutungen über die Eigenart dieses Bereiches. Deshalb wurden die vorhandenen Mauerzüge, soweit sie sich
im Gelände ausmachen lassen, photogrammetrisch dokumentiert bzw. mit
geodätischen Methoden eingemessen. Für die übrigen Bereiche wird eine
Prospektion mit geophysikalischen Methoden angestrebt, wofür ebenfalls
2006 schon erfolgreich Probemessungen durchgeführt wurden.
Auf diese Weise wird es möglich sein, den Charakter der Anlagen im nördlichen Kernbereich der Villa besser zu bestimmen. Denn über die Kombination der Daten aus der photogrammetrischen Bauaufnahme und der Bodenprospektion sollte sich die Form der Portikus in diesem Bereich in wesentlichen Bestandteilen klären lassen. Gleiches gilt für die Apsidenkonstruktion,
deren Bezug zur Kryptoportikus dabei deutlich werden müßte. Denn die
Achse dieser Apsis liegt in Höhe des Abschlusses des Gangs, der Apsidensaal
könnte also gleichsam den Zielpunkt innerhalb dieser Raumfolge gebildet
58 Jahresbericht 2006 des DAI
haben.Wenn es sich derart verhielte, ergäbe sich möglicherweise eine ähnliche
Konstellation wie auf dem Palatin, mit einer Abfolge großräumiger Anlagen
auf der einen Seite (sog. Domus Flavia) und einer Serie kleinteiliger Räume,
die um große Peristyle gelegt sind, auf der anderen (sog. Domus Augustana).
Zusätzlich können einzelne, im genannten Terrain der Villa in Castel Gandolfo früher durchgeführte, aber niemals ausgewertete Grabungen zusätzliche
Einblicke in die Ausstattung der einzelnen Bauten gewähren. Es lassen sich
schon jetzt von ihrer Ausstattung her Versorgungsgänge von repräsentativen
Trakten unterscheiden. Möglicherweise haben wir Konstellationen vor uns,
wie sie später in anderer Weise aus der Villa des Hadrian in Tivoli bekannt
sind.
Kooperationspartner: Direzione delle Ville Pontificie (S. Petrillo); Lehrstuhl für Informatik der Universität zu Köln (U. Lang, Th. van Reimersdahl);
Universität Karlsruhe (K. Ringler); Geophysikalisches Institut der ChristianAlbrechts-Universität zu Kiel (H. Stümpel) • Leitung des Projekts: H. von
Hesberg • Abbildungsnachweis: Virtuelle Rekonstruktion, K. Ringler (Abb.
10. 11).
Die Siedlung von Castellina Vecchia
Ziel des jüngst begonnenen Projekts ist die Erforschung einer etruskischen
Siedlung in ihrem räumlichen Umfeld während des 1. Jts. v. Chr.
Die Wüstung Castellina Vecchia liegt auf einem Höhenzug im Norden von
Siena, der sich nordsüdlich zwischen den Flußtälern der Elsa einerseits und
des Arbia bzw. des Ombrone andererseits erstreckt. Die Fundstelle ist mitsamt
ihrem näheren Umfeld ein unverbautes und im jüngsten Bebauungsplan der
heutigen Gemeinde Castellina in Chianti als denkmalgeschützt ausgewiesenes
antikes Habitat, das nur in den 1970er Jahren einmal oberflächlich untersucht
wurde. Soweit es heute im Gelände erkennbar ist, hat es die Größe von etwa
einem halben Hektar. Damit gleicht es als befestigter Hügel, der vermutlich
bereits seit archaischer Zeit bewohnt war, einem großen Gehöft oder Herrensitz. Es gibt jedoch Hinweise, daß die Bevölkerung schon früh einen deutlich
größeren Umfang hatte und die Fundstelle vermutungsweise als Akropolis
angesprochen werden kann, die zumindest phasenweise den Kern einer größeren Ansiedlung bildete.
Im Hinblick auf die Frühzeit soll der ländliche Raum von Castellina durch
den Bezug auf den Herrensitz als im praktischen und in Beziehung auf das
nahegelegene Fürstengrab von Monte Calvario als im ideellen Sinne strukturiert verstanden werden.
Es stellt sich also die Frage nach den Formen räumlicher Sichtbarkeit und
Sichtbarmachung der Territorialherrschaft im engen geographischen Gebiet.
Daß eine solche Evidenz beabsichtigt war, beweist der große Grabhügel, das
einzige, weithin sichtbare Monumentalgrab im größeren Umkreis, mit Dimensionen, die denen des Habitats gleichkommen. An einem festen, augenfälligen
Punkt in entschiedener Distanz zum Siedlungskern selbst wird somit die Überlegenheit eines lokalen Fürstengeschlechts anschaulich demonstriert, wodurch
mithin die Dominanz über das Territorium vor Augen geführt wird.
Für spätere Epochen steht vor allem die Rolle von Castellina im Rahmen
von Verbindungen und Grenzziehungen im Vordergrund. Für das 4. und 3. Jh.
kann im Hochchianti ein System befestigter Höhensiedlungen, sog. Oppida
(Cetamura, Poggio La Croce), angenommen werden, das vermutlich von der
raumgreifenden übergeordneten Instanz des im Wachsen begriffenen Stadtstaates Faesulae (Fiesole) organisiert wurde. Für diese Periode ist von der Zielsetzung der Erschließung landwirtschaftlicher Ressourcen im Chiantigebiet
Abteilung Rom 59
seitens Fiesoles auszugehen, die sich in Konkurrenz zu Volterra vollzog. Es
wird dabei angenommen, daß Castellina in dieser Phase die Rolle eines Vorpostens im Rahmen der Territorialordnung von Fiesole spielte.
Von zentraler Bedeutung für die Chronologie und die Entwicklungsgeschichte der Siedlung ist eine Untersuchung der Befestigungsanlage. Zu erforschen ist, ob das Habitat die Gestalt verstreuter Einzelgehöfte hatte oder ob es
eine geschlossene räumliche Form besaß bzw. wann eine solche entstand und
welche Formen der räumlichen Organisation zur Anwendung kamen.
Die seit 2006 in Arbeit befindliche Aufarbeitung von Archivmaterial, Altfunden, historischer kartographischer Dokumentation und historischen Quellen soll die Voraussetzung für die Untersuchungen im Gelände bilden. Dabei
ist vor allem der Frage nach der genauen Lokalisierung des mittelalterlichen
Salingolpe nachzugehen, das gegebenenfalls die Befunde der antiken Wüstung
gestört haben könnte. Geplant ist, nach einer topographischen Aufnahme die
Ausdehnung des Habitats und sein unmittelbares Umfeld sowie die Frage nach
einem hypothetischen zweiten Mauerring mittels Surveys zu untersuchen, ferner die erhaltenen Reste der rechteckigen Ummauerung des Hügels zu analysieren. Die Ergebnisse werden in einer georeferenzierten Datenbank zusammengeführt.
Kooperationspartner: Soprintendenza Archeologica della Toscana; Museo
Archeologico del Chianti Senese (Castellina in Chianti, http://www.museoarcheologicodelchianti.it) • Leitung des Projekts: O. Dräger.
Zur Bucchero-Pesante-Keramik von Chiusi
Für das auf zwei Jahre angelegte Projekt wurde eine Studie vorbereitet, die
primär auf der Grundlage zeichnerischer Dokumentation die Produktion
eines der wichtigsten Zentren für die Herstellung des etruskischen Bucchero
aufarbeiten soll, nämlich von Chiusi. Erste Resultate der Arbeiten sind acht
zum Druck eingereichte Beiträge für den Sammelband »Materiali dimenticati,
memorie recuperate. Acquisizioni, ritrovamenti e restauri nel Museo Archeologico Nazionale di Chiusi«.
Bearbeiter: O. Dräger.
Italische Kulturen des 7. bis 3. Jhs. v. Chr. in Süditalien und Sizilien
Eine Ausstellung zu »Alta Terra di Lavoro. Nuove scoperte da Teano e Presenzano« im Museo Archeologico Nazionale di Napoli und anschließend auch in
den Räumen des Instituts widmete sich dem Thema der italischen Kulturen
in Nordkampanien, ebenfalls ein Studientag zu »Teanum Sidicinum« und
schließlich der Studientag zu »Verso la città. Forme insediative in Lucania e
nel mondo italico fra IV e III secolo a. C.« in Venosa, an denen jeweils Vertreter
des Instituts teilnahmen.
Das gilt auch für den Kongreß »Crisi e trasformazioni nelle società dell’Italia
meridionale dal IV al III secolo a. C.«, der in der Abteilung Rom des DAI
stattfand und an dem italienische, deutsche, französische, amerikanische und
schweizerische Forscher teilnahmen.
Im Rahmen des Schwerpunktprogramms nahm M. Köder die Arbeit zu
seiner Dissertation über das Thema »Griechen und Italiker in Kampanien.
Siedlungsarchäologische Untersuchungen (8.–5. Jh. v. Chr.)« auf. Die Stipendiatin M. Sclafani widmete sich einer Untersuchung zu »Dei ed eroi greci
nei siti indigeni della valle del Belice«, wozu sie auch Recherchen vor Ort
durchführte. Die Stipendiatin N. Burckhardt führte ihre Dissertation über
Nekropolen süditalischer Städte weiter. A. Thomsen war auf mehreren Kampagnen in Sizilien tätig. Mit den Mitarbeitern des Schwerpunktprogramms
60 Jahresbericht 2006 des DAI
unternahm er eine Exkursion zu Siedlungsstellen und Grabungen im Tal des
Belice in Sizilien sowie mehrere kleinere Tagesexkursionen.
Kooperationspartner: Soprintendenza per i Beni Archeologici delle Province di Napoli e Caserta • Förderung: Gerda Henkel Stiftung • Leitung
des Projekts: H. von Hesberg, D. Mertens, R. Neudecker • Mitarbeiter:
H. J. Beste, A. Thomsen.
Selinunt
Durch die Grabungen der Abteilung Rom des DAI in enger Zusammenarbeit mit der Soprintendenz Trapani in der großen griechischen Kolonialstadt
Selinunt in Südwestsizilien wurde weiterhin das politische Zentrum der Stadt,
die Agora, erforscht. Nach der intensiven Flächengrabung in dem Wohnblock
am Ostrand des Platzes, die bereits grundlegende Informationen über wesentliche Funktionen des Platzes und seinen Wandel durch die Geschichte gegeben hatte, geht es seit 2005 darum, den ausgedehnten Platz selbst sowie seine
Randbebauung im Westen und Norden zu untersuchen.
Die langen, teils intermittierend angelegten Ost-West- und Nord-SüdSchnitte (Abb. 12) lassen im Großen eine ungefähre Teilung der ausgedehnten,
ca. 3 ha großen Fläche in eine westliche und östliche Hälfte erkennen, die auf-
Abb. 12 Selinunt, Agora. Plan mit Angabe
der Grabungsschnitte (M. 1 : 2500)
Abteilung Rom 61
13
14
Selinunt
Abb. 13 Agora, Ansicht der Reste der
Weststoa von Westen
Abb. 14 Ansicht der Kammern und des
Stoafundaments in der Nordostecke der
Agora von Westen
fällige Unterschiede aufweisen: Während die Westhälfte des im Ganzen leicht
muldenförmigen Platzes an der Oberfläche geebnet ist, also Felsüberstände
abgearbeitet und Löcher sowie Falten der karstig verwitterten Oberfläche
aufgefüllt wurden, ist die Osthälfte durch bemerkenswerte Unregelmäßigkeiten in der in natürlichem Zustand belassenen Oberfläche gekennzeichnet. Die
Entdeckung des mutmaßlichen Heroengrabes auf der westlichsten Erhebung
dieser Felsformation hat bereits 2004 die Vermutung nahegelegt, daß diese
Gegebenheiten wohl am ehesten im Zusammenhang mit einer besonderen
Reserviertheit dieses zentralen Gebietes der Agora – und damit der Stadt im
Ganzen – gesehen werden können. Dies zumal, da im selben Kontext auch
die 1975 bereits von A. Rallo ausgegrabene, bisher aber noch nicht vorgelegte
›necropoli arcaica‹, also eine mutmaßliche Gräberstätte, gesehen werden muß,
die sich ca. 30 m südöstlich des Grabes eines prominenten Bürgers fand. Daher
wurden auch 2006 die Sondagen im Bereich zwischen beiden Anlagen sowie
dem ganzen nordöstlichen Platzareal fortgesetzt. Dabei kamen allerdings in
den bislang angegrabenen oberen Schichten nur Reste der Bebauung punischer Zeit zutage, die offenbar einen großen, ca. 20 m breiten Streifen vor dem
Wohnblock am Ostrand des Platzes einnahm. Die Grabung in diesen Flächen
ist also fortzusetzen.
Klarer wurde das Bild im Jahr 2006 durch die Schnitte, die den West- und
Nordrand des Platzes erreichten. Im Westen wurden die Fundamente sowie
Fundamentgräben eines die Hauptstraße NO begleitenden und gewiß zum
Platz geöffneten Baus aufgedeckt, der ca. 5 Meter tief war und bislang über
40 m Länge verfolgt werden konnte: also gewiß eine Stoa. Deren nördliche
Flanke ist etwa 28 m südlich der Kreuzung der Hauptstraße mit der Querstraße NA ergraben worden, während das Südende des Baus noch unklar ist.
Möglicherweise wird es auch unter den die Südwestecke des Platzes einnehmenden – und vorerst nicht zu entfernenden – Dünen in absehbarer Zeit nicht
feststellbar sein. Unmittelbar nördlich an die Stoa anschließend liegt die Südflanke eines Nachbarbaus von noch unbekannter Art und Bestimmung, der im
Jahr 2007 erforscht werden soll. Beide Anlagen sind nach der archäologischen
Schichtenfolge und den Charakteristika ihrer Steinbearbeitung in die Zeit
gegen oder sogar vor die Mitte des 6. Jhs. v. Chr. zu datieren (Abb. 13).
62 Jahresbericht 2006 des DAI
Im Norden wurde eine bereits im Jahr 1996 angegrabene Situation im
Winkel zwischen Straße NA und Straße N5-E wieder aufgenommen, wo
bereits in den anstehenden abgearbeiteten Fels geschmiegte Kammern sichtbar geworden waren. Sie erwiesen sich jetzt als Reste von in ihrem unteren
Teil gut erhaltenen Räumen einer wohl gewerblichen Zwecken dienenden
Raumfolge punischer Zeit, welche sich auf einen mit Kieseln sorgfältig gepflastertenVorraum öffnete. Bei der stratigraphischen Grabung kam schließlich ein
Quaderfundament der griechischen Periode, das bisher noch nicht genauer zu
datieren ist, zutage, welches vorerst ebenfalls am ehesten an eine Stoa denken
läßt (Abb. 14). Die Fortsetzung der Grabung 2007 wird auch darüber gewiß
weitere Auskunft geben. Dagegen kam die Grabung weiter westlich am Nordrand des Platzes, im Schnitt Y 2006, vorerst zum Abschluß, nachdem sich
erwiesen hatte, daß an dieser Stelle kein eigener Bau den Platzrand einnahm.
Vielmehr muß die durch großformatige Quaderbauweise ausgezeichnete
Errichtung der Hauseinheiten am Nordrand der Straße NA den optischen
Abschluß des Platzes dargestellt haben. Die 2005 entdeckte Ziegellage in dem
anschließenden großen Raum erwies sich zwar wie erwartet als Sturzlage des
Daches des 5. Jhs. v. Chr., versiegelte aber einen Raum, der vor dem Einsturz
des Daches all seiner Einrichtung beraubt worden war: wohl ein weiteres
Zeugnis der Verheerungen des Karthagersturmes von 409 v. Chr.
Gleichzeitig wurde die Fundbearbeitung im Zuge der Vorbereitung der
Publikation des ersten Grabungsabschnitts auf der Agora »Selinus III, 1:
Die Bebauung am Ostrand der Agora« fortgesetzt und steht damit vor dem
Abschluß. Im Rahmen der Druckvorbereitung des Bandes »Selinus II: Die
punische Wohnstadt« von S. Helas wurde noch die singuläre Ladenstoa durch
J. Schumann rekonstruiert (Abb. 15).
Kooperationspartner: Soprintendenza ai Beni Culturali e Ambientali di
Trapani • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: D. Mertens • Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen: A. Achilles, L. Degen, Ch. Dehl-von Kaenel, N. Ebinger, W. Filser, N. Hoesch, M. Jonasch, M. Krämer, D. Schmehle, M. Schützenberger, J. Schumann, A. Schwarz, A. Seifert, A.Thomsen, M. Zatti • Abbil-
Abb. 15 Selinunt, die punische Ladenstoa.
Schnitt durch eine rekonstruierte Ladeneinheit (M. 1 : 100)
Abteilung Rom 63
dungsnachweis: D. Mertens, A. Thomsen (Abb. 12); A. Thomsen (Abb. 13);
D. Schmehle (Abb. 14); J. Schumann (Abb. 15).
Abb. 16 Zentralisierungsprozesse im
Hinterland von Selinunt, Castello della
Pietra und Pizzo Don Pietro von Süden. Im
Vordergrund der Belice
Zentralisierungsprozesse im Hinterland von Selinunt
Im Jahr 2006 konnte im Rahmen des von der Gerda Henkel Stiftung geförderten Projekts »Italische Kulturen des 7. bis 3. Jhs. v. Chr. in Süditalien und
Sizilien« ein erster, auf zwei Kampagnen verteilter Survey durchgeführt werden. Gegenstand des Projekts ist die Entwicklung indigener Siedlungen im
Spannungsfeld der griechischen Kolonisation und darüber hinaus, bis hin zur
römischen Expansion. Die hierbei angestrebte phänomenologische Studie soll
durch gezielte Feldforschungen vertieft werden, in denen exemplarisch Fragen
der Siedlungsgenese sowie nach den Ursachen und Folgen von Zentralisierungsprozessen nachzugehen ist.
Die erste dieser Fallstudien betrifft die im Hinterland von Selinunt gelegenen Lokalitäten Pizzo Don Pietro und Castello della Pietra, deren oberirdisch sichtbare Baureste mitsamt der Topographie geodätisch aufgemessen
und gezeichnet wurden (Abb. 16). Es handelt sich um eine etwa 10 km nördlich der Belice-Mündung unmittelbar westlich des Flusses gelegene indigene
Höhensiedlung mit hohem natürlichen Defensivpotential. Sie besteht aus zwei
Teilen, nämlich dem dreieckigen, im Osten, Westen und Süden von steilen
Felsabbrüchen begrenzten Felsplateau Pizzo Don Pietro, an das sich im Süden
das Castello della Pietra, ein Tafelberg mit allseitig senkrecht abfallenden Felswänden anschließt. Verbunden sind beide Felshügel durch einen schmalen
Geländesattel, dessen Osthang wohl ebenfalls besiedelt war.
Ihre größte Ausdehnung erreichte die Siedlung offenbar in der späten
Eisenzeit (ca. 6 ha), während sich die spät- und nacharchaische Besiedlung vor
allem auf Castello della Pietra beschränkt zu haben scheint, eine Entwicklung,
die mit der Gründung von Selinunt in Zusammenhang stehen dürfte.
64 Jahresbericht 2006 des DAI
Außer an der Keramik ist die indigene Siedlungsphase auch an verschiedenen Felsabarbeitungen und vor allem an den zahlreichen, in den felsigen Boden getriebenen Pfostenlöchern erkennbar, die sich stellenweise zu teils rechteckigen, teils kurvigen Hüttengrundrissen ergänzen lassen. Hervorzuheben
sind insbesondere mehrere fast kreisrunde Hütten, deren Umrisse durch in
den Fels gegrabene Rinnen definiert sind (Abb. 17).
Ein Hinweis auf differenziertes Wohnen und eine daraus abzuleitende hierarchische Gesellschaftsordnung scheint sich auf der Nordspitze von Castello
della Pietra gefunden zu haben, die durch einen künstlich verbreiterten Felsgraben als Akropolis vom Rest der Siedlung abgetrennt ist. Hier befinden sich
die großzügiger dimensionierten Reste eines teilweise in den Fels gehauenen
und von Pfostenlöchern umgebenen, mindestens zweiräumigen Rechteckbaus, bei dem es sich durchaus um eine Residenz handeln könnte.
Diese Geländeprospektion stellt den ersten Versuch der Gesamtaufnahme
einer indigenen Siedlung in dieser Region dar, seine Auswertung verspricht
daher wichtige Erkenntnisse über deren Aufbau und Struktur. Auch kann er
als Ausgangspunkt für die Untersuchung der Frage dienen, welche Folgen eine
Koloniegründung für die Einheimischen in deren unmittelbarem Hinterland
gehabt haben könnte.
Kooperationspartner: Soprintendenza ai Beni Culturali e Ambientali di
Trapani; Fachhochschule Karlsruhe • Förderung: Gerda Henkel Stiftung
• Leitung des Projekts: A. Thomsen • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen:
A. Achilles, I. Honikel, D. Koch, F. Lentini, A. Rieger, M. Schützenberger •
Abbildungsnachweis: A. Thomsen (Abb. 16. 17).
Metapont
Die von achäischen Siedlern aus der Peloponnes angelegte großräumige Kolonie Metapont in Unteritalien war in den 1970er und 1980er Jahren der
Schwerpunkt der Bemühungen der Abteilung Rom des DAI, in Zusammenarbeit mit den lokalen Stellen, Grundzüge der griechischen Kolonisation in
Unteritalien zu erarbeiten und besonders die architektonische und urbanistische Gestalt dieser Städte kennenzulernen. Dabei standen das Stadtheiligtum
und die Agora im Mittelpunkt, und man darf heute sagen, daß diese Zentren
des kultischen und zivilen Lebens in Metapont mittlerweile die vollständigsten
und anschaulichsten Beispiele ihrer Art unter den Städten des festländischen
Unteritalien darstellen.
Die gleichzeitig von der Soprintendenz eingeleiteten Untersuchungen zur
gesamten Stadtstruktur haben nun in den letzten beiden Jahren durch den
Einsatz des DAI eine neue Dimension erhalten. Nach der positiven Erfahrung
in Selinunt ist auch in Metapont eine flächendeckende geomagnetische Prospektion eingeleitet worden. Dabei sind die schon durch die überaus günstigen
topographischen Grundgegebenheiten erweckten Erwartungen noch übertroffen worden. Im Stadtzentrum ist nicht nur das ganze Straßenraster sichtbar,
sondern es sind auch einzelne Hausstellen bis hin in einzelne Räume sowie das
für die in der Schwemmlandebene angelegte Stadt lebenswichtige Kanalsystem
zu erkennen. Im Osten ist die Situation an der Küste geklärt worden, und im
Süden bestätigte sich unsere Vermutung, daß eine auffällige Einbuchtung in
der Kontur des Stadtrandes, welche schon aus Luftphotos ersichtlich war, von
einer Überflutung – und folglich Zerstörung – durch den mäandrierenden
Basento-Fluß herrührt. Die bedeutendsten Erkenntnisse aus der Kampagne
des Jahres 2006 betreffen neben den Erweiterungen der Kartierung nach
Westen und Süden vor allem den Bereich um die Agora (Abb. 18). Ihre Nordgrenze und ein daran anschließendes Stadtareal, aber auch Hinweise auf eine
Abb. 17 Zentralisierungsprozesse im
Hinterland von Selinunt, Pizzo Don Pietro.
Rundhütte mit Pfostenlöchern (genordet)
Abteilung Rom 65
Abb. 18 Metapont, der regelmäßige Stadtplan in der geomagnetischen Prospektion.
Stand 2006 (M. 1 : 10 000)
leicht unregelmäßige, wohl späte Überbauung des nordöstlichen Gebietes der
einst mit ca. 7 ha überaus ausgedehnten Agora sind von besonderem Interesse.
Abschließend muß noch die Frage nach den nördlichen Stadtbereichen jenseits des Stadtheiligtums geklärt werden.
Im Rahmen des angestrebten Strukturvergleiches zwischen einem unteritalischen und einem sizilischen (Selinunt) Musterbeispiel – zwei Städte von
vergleichbarer Größe, aber sehr unterschiedlicher Geschichte und Bevölkerungszusammensetzung – könnte das damit erreichte Bild vorläufig ausreichen.
Gleichzeitig gibt es aber wie in Selinunt alle Mittel an die Hand, um nun ganz
gezielte Grabungen zu einzelnen Themen anzulegen. Dies ist in Metapont
deswegen besonders wichtig, weil hier die Wohnbesiedlung noch so gut wie
unbekannt ist. Es war seit langem ein Ziel, auch in der Wohnstadt zu graben:
Jetzt wird dafür die bestmögliche Voruntersuchung angestellt. Auch hier lassen
sich auf den ersten Blick dichter besiedelte Stadtareale von weniger intensiv
genutzten unterscheiden. Die Kriterien für ihre Lage innerhalb der Stadt sind
aber nicht so eindeutig wie in Selinunt. Denn es scheint auch in vermeintlich
zentralen Lagen recht wenig intensiv genutzte Flächen zu geben. Ehe man sich
66 Jahresbericht 2006 des DAI
darüber aber ein Urteil bildet und eine konkrete Grabungsstrategie entwickelt,
muß auf jeden Fall die Prospektion abgeschlossen werden.
Kooperationspartner: Soprintendenza per i Beni Archeologici della Basilicata (A. De Siena); Geophysikalisches Institut der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (H. Stümpel) • Leitung des Projekts: D. Mertens, A. De Siena
• Mitarbeiter: H. Stümpel • Abbildungsnachweis: H. Stümpel (Abb. 18).
Agrigent
Eine ganze Reihe von Projekten der Abteilung Rom des DAI ist in enger
Kooperation mit den italienischen Soprintendenzen entstanden. Die bauhistorische Untersuchung des Tempels B, dem ›Olympieion‹ in Agrigent, und
des Amphitheaters in Catania gehört zu solchen Projekten.
Dem vom Parco Archeologico e Paesaggistico della Valle dei Templi di
Agrigento bereits 2005 geäußerten Wunsch nach einer Beteiligung des Instituts an den vorbereitenden Untersuchungen für die Restaurierung von Tempel B konnte in diesem Jahr nachgekommen werden (Abb. 19). Dabei ist es das
Anliegen beider Institutionen, das Monument vor der dringend notwendigen
Restaurierung zunächst archäologisch und bauhistorisch zu untersuchen. In
einer diesjährigen Bauaufnahmekampagne wurde ein steingerechter Grundriß
des Tempels im M. 1 : 100 aufgenommen. Im Zuge dieser Arbeit begann man
auch mit der Katalogisierung der Bauglieder (Abb. 20–22).
Die Ruine des größten dorischen Tempels (Diodor 13, 81) gestattet trotz
der starken Zerstörung – in der Mitte des 18. Jhs. wurden seine Quader für den
Bau der Mole des Hafens von Porto Empedocle verwendet – noch weitergehende Aussagen über seinen ursprünglichen Zustand zu entlocken. Handelt es
Abb. 19 Agrigent, links: Tempel B
(›Olympieion‹), rechts: Tempel des Herakles
Abteilung Rom 67
Abb. 20 Agrigent, Tempel B. Kapitell der
Südostecke
22
21
Agrigent, Tempel B
Abb. 21
Schnitt
Ostseite, Säule, Grundriß und
Abb. 22
Geison
sich doch um ein Bauwerk (480 v. Chr. begonnen), das nicht nur hinsichtlich
seiner Ausmaße (ca. 113,45 m × 56,30 m), sondern auch aufgrund von Besonderheiten in seiner Gestaltung (Halbsäulen und Atlanten) einzigartig ist.
Trotz zahlreicher Rekonstruktionsvorschläge für den Standort der Atlanten
– bislang wurden acht vorgelegt – ist ihre Einbindung als konstruktives Element zwischen den Halbsäulen der Außenfassade nach wie vor ungeklärt.
Gleiches gilt für die Höhe und den Durchmesser der Halbsäulen. Anhand
einer auf der Südseite des Tempels neu entdeckten Sturzlage vom Gebälk war
es möglich, die noch immer gültige Rekonstruktion (1908) des Gebälkaufbaus
von R. Koldewey und O. Puchstein dahingehend zu vervollständigen, daß nun
die zur Ringhalle ausgerichteten Quader des Gebälks bekannt sind. Ferner
68 Jahresbericht 2006 des DAI
konnte sichergestellt werden, daß die zwei in der südlichen Cellawand verbauten Zisternenbecken nicht zum Originalplan des Tempels gehören und damit
nicht der Entwässerung eines hypäthralen Daches dienten. Ob es sich bei der
von A. Prado eingezeichneten Aussparung im vierten Pfeiler der nördlichen
Cellawand auch um eine Zisterne handelt, soll im kommenden Jahr mittels
einer Sondage geklärt werden.
Kooperationspartner: Parco Archeologico e Paesaggistico della Valle dei
Templi di Agrigento • Förderung: Parco Archeologico e Paesaggistico della
Valle dei Templi di Agrigento • Leitung des Projekts: H.-J. Beste • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: Ch. Eichinger, H. Türk • Abbildungsnachweis:
DAI, Abteilung Rom, H. Schläger 1968 (Abb. 19); DAI, Abteilung Rom,
H.-J. Beste (Abb. 20–22).
Catania, Amphitheater
Das Amphitheater von Catania, das in den Jahren 1902 bis 1925 nur auf einer
kleinen Fläche im Stadtgebiet freigelegt und anschließend umfassend restauriert wurde, ist – wie auch viele andere römische Monumente auf Sizilien
– bis auf wenige Betrachtungen allgemeiner Natur unerforscht. Ausgehend
von der neuen Bauaufnahme durch den Bauforscher F. Becker konnte erstmals
Abb. 23 Catania, Amphitheater in der
modernen Bebauung (M. 1 : 1000)
Abteilung Rom 69
die Ausdehnung und Form der gesamten Anlage sowie ihre Lage im Verhältnis
zu der aus dem 17. Jh. stammenden Überbebauung geklärt werden (Abb. 23).
Auf der Grundlage dieser neuen Daten kann nun Fragen zur Urbanistik der
antiken Stadt, zur Wahl des Standortes für das Bauwerk und zu seiner inneren Erschließung nachgegangen werden. Ferner dient die neu geschaffene
Dokumentation als Grundlage für die Erstellung eines Arbeits- und Restaurierungsprogramms.
Die parallel zur Bauaufnahme vorgenommene Untersuchung ergab, daß
die Mauerzüge, welche das Zuschauerrund, die cavea, tragen, in zwei verschiedenen Techniken ausgeführt sind, nämlich in opus africanum und einem grob
ausgeführten opus quadratum. Da auch die Mauer, welche die gesamte Anlage
des Amphitheaters zur Stadt hin abgrenzt, aus opus africanum besteht, diese
Mauertechnik aber nur im Inneren der Anlage Verwendung fand, ist zu klären,
ob der Wechsel der Mauerwerkstechnik durch eine lange Bauzeit bedingt ist,
oder ob es sich um eine spätere Erweiterung der gesamten Anlage handelt.
Kooperationspartner: Soprintendenza Archeologica di Catania • Förderung: Soprintendenza Archeologica di Catania • Leitung des Projekts: H.-J.
Beste • Mitarbeiter: F. Becker • Abbildungsnachweis: F. Becker (Abb. 23).
Totenbrauchtum italischer Kulturen Süditaliens und Siziliens
Im Rahmen eines Auslandsstipendiums wird seit dem 1. November 2006 das
Totenbrauchtum italischer Kulturen Süditaliens und Siziliens unter dem Einfluß griechischer Kolonien erforscht. Es handelt sich um eine thanatoarchäologische Untersuchung zur Konstituierung von Identitäten anhand exemplarisch
ausgewählter Nekropolen. In einer Pilotstudie werden zunächst Fundplätze
des 8. bis 5. Jhs. v. Chr. in Südostsizilien behandelt. Ziel ist es, komplementär
zur Analyse der Siedlungen vorrangig anhand der Grabbefunde ein kulturgeschichtliches Entwicklungsmodell für das Untersuchungsgebiet zu erarbeiten
und die Veränderungen der sich im Totenritual manifestierenden kulturellen
und sozialen Identitäten der indigenen Bestattungsgemeinschaften vor dem
Hintergrund des Kontaktes mit Fremden nachzuvollziehen. Es sollen die
Möglichkeiten und Grenzen, politische Räume am archäologischen Befund zu
analysieren, aufgezeigt werden. Die theoretischen Grundlagen hierfür wurden
durch eine Auseinandersetzung mit dem Problem der ethnischen Deutung
und verschiedenen Akkulturationskonzepten geschaffen.
Projektbearbeiterin: K. P. Hofmann.
Armin von Gerkan, Rezeptionsgeschichte
Im Rahmen eines von G. Brands und M. Maischberger ins Leben gerufenen
Buchprojekts zu Lebensbildern deutscher und italienischer Archäologen des
20. Jhs. und in Verbindung mit dem Forschungscluster 5 »Geschichte des
Deutschen Archäologischen Instituts im 20. Jahrhundert« des DAI wurde
mit Archiv- und Bibliotheksstudien zu Armin von Gerkan begonnen, der
von 1924 bis 1937 als Zweiter und von 1938 bis 1945 als Erster Sekretär der
Zweigstelle Rom des DAI tätig war. Ziel ist es, das Wirken von Gerkans als
Wissenschaftler und leitender Wissenschaftsfunktionär im historischen Kontext und in seinem Bezug zur allgemeinen Entwicklung der Altertumswissenschaften darzustellen.
Bearbeiter: Th. Fröhlich.
Rom, Colle Oppio, Antikenrezeption
Ausgangspunkt für diese Untersuchung war eine im Photoarchiv befindliche, aus dem Jahr 1939 stammende Luftaufnahme des Parco del Colle Oppio
70 Jahresbericht 2006 des DAI
(s. AA 2006/2, 150 Abb. 5). In ihr sind südlich der Trajansthermen gelegene
Strukturen sichtbar, die durch Grünbepflanzung an der Oberfläche gekennzeichnet sind. Auf den ersten Blick scheint sich unter der Bepflanzung ein antiker Baubestand mit einer Nischenreihe, einem theaterförmigen Halbrund und
einer Art Zisterne abzuzeichnen. Nach Prüfung der topographischen Zeugnisse, Recherche zur Entstehung der Gartenanlagen auf dem Oppius und Autopsie ergab sich allerdings, daß in diesem Hügelbereich keinerlei antike Bausubstanzen existieren und es sich um Aufschüttungsniveaus aus der Mitte der
20er Jahre des 20. Jhs. handelt. Diese Art der Gartengestaltung des Architekten
R. de Vico aus dem Jahr 1928 darf jedoch nicht als Vortäuschung von auf dem
Hügel effektiv nicht vorhandenem antiken Bestand gewertet werden. Aus
den verschiedenen Planungsstufen läßt sich ablesen, daß der letztendlichen
Ausführung durch R. de Vico Ideen von G. Boni aus den Jahren der Jahrhundertwende zugrunde liegen. Das historistische Gartenkonzept, in dem die
Erholung der Bürger im Vordergrund stand, wurde 1928 mit Symbolen des
Regimes bestückt, die versuchten, die Geschichte des Platzes und ihrer Protagonisten – in diesem Falle die Kaiser Nero und Trajan – mit der Geschichtssicht der zeitgenössischen Gouverneursregierung von Rom in Einklang zu
bringen: So sind die Pfeiler des zum Kolosseum hin gelegenen Parkeingangs
mit Köpfen geschmückt, die dem Porträt des Kaisers Nero nachempfunden
sind und denen das aus dem Rutenbündel der Antike abgeleitete Symbol des
Faschismus beigegeben ist (Abb. 24). Laufbrunnen und steinerne, barock wirkende Fruchtkörbe tragen ebenfalls politische Zeichen. Direkt an den Park
von R. de Vico im Norden anschließend wurde 1936 der vom städtischen
Soprintendenten, A. Muñoz, entworfene Parco di Traiano eingeweiht. Bei
Anlegung dieser ausgedehnten Grünzone standen nun ganz andere Aspekte
im Vordergrund: Zum einen der zivilisatorische Anspruch des Regimes, aus
dem im Herzen der Stadt gelegenen, ungepflegten Grundstück, das man
den alten Besitzern (Familie Brancaccio) abgekauft hatte, eine großzügige
Parkanlage zu schaffen; zum anderen der Wunsch der Stadtregierung, sich als
moderne Hauptstadt mit breiten, zügig mit dem Automobil zu befahrenden
Straßen darzustellen. Angeblich verkehrstechnisch bedingte Wünsche ließen
den diesen Park durchschneidenden Viale del Monte Oppio entstehen. Die im
Gelände hochaufragenden Ruinen der Trajansthermen wurden auf diese Weise
zusammen mit dem Blick auf Kolosseum, Konstantinsbogen und Palatin zur
Kulisse, vor der das Regime die eigenen Rituale zelebrierte. Für das Problem
des Umgangs mit Antiken während des Faschismus bilden die Nutzungskonzepte des Oppius ein aussagekräftiges Beispiel.
Kooperationspartner: Soprintendenza Archeologica di Roma (Servizio
Giardini); Archivio Centrale dello Stato • Leitung des Projekts: S. Diebner •
Abbildungsnachweis: DAI-Rom-Dig 2007.0294 (Abb. 24).
Gadara/Umm Qais (Jordanien), Bogenmonument extra muros
In Ergänzung zur Dissertationsarbeit »Das Bogenmonument extra muros in
Gadara« von C. Bührig lieferte K. Freyberger einen Beitrag zur Datierung des
Torbaus auf der Basis einer formanalytischen Auswertung der Bauornamentik. Aus dem typologischen und stilistischen Befund ließ sich eine Datierung
des Bogenmonuments in das 2. Jahrzehnt des 3. Jhs. n. Chr. ableiten. Für das
Formenrepertoire und die plastische Wiedergabe der Dekorelemente lassen
sich als beste Vergleichsbeispiele die Ornamentik severischer Bauten in Nordjordanien wie das ›Podienmonument‹ in Gadara und das nördliche Tetrapylon
in Gerasa anführen.
Bearbeiter: K. S. Freyberger.
Abb. 24 Rom, Colle Oppio. Parkeingang
mit reliefierten Pfeilern
Abteilung Rom 71
Byblos (Libanon),Theater
Die Untersuchung des Theaters in Byblos von K. S. Freyberger war auf die
Bauornamentik sowie die Funktion und Bedeutung des Gebäudes gerichtet.
Wie die Forschungen von C. Ertel ergaben, wurde das Theater im Zuge
einer monumentalen Neugestaltung der Kultstätte auf dem Tell von Byblos in
augusteischer Zeit errichtet. Dadurch läßt sich das Theater als zentrale Schaltstelle verstehen, mit der die traditionellen, auf dem Tell praktizierten Kulte in
römischer Zeit eine grundlegend neue Ausrichtung erhielten. Dabei wurde
neben der traditionellen Verehrung der lokalen Götter auch dem Kaiserhaus
gehuldigt. Die von hellenistischen und zugleich stadtrömischen Vorbildern
beeinflußte Bauornamentik legt ebenso wie die Gestaltung des Fußbodenmosaiks in der orchestra eine Datierung des sakralen Theaters in die letzten beiden
Jahrzehnte des 1. Jhs. v. Chr. nahe. Die Gestaltung der Bühnenanlage folgt dabei vor allem in der Art des pulpitum den Entwicklungen der augusteischen
Zeit im Westen des Reiches.
Bearbeiter: C. Ertel, K. S. Freyberger, H. von Hesberg.
Italo Gismondi als Bauforscher
Die Soprintendenz Roma (F. Filippi) plant eine Ausstellung zum Leben und
Werk Italo Gismondis, der zu den überragenden Persönlichkeiten innerhalb
der Erforschung antiker Architektur in Italien und im Mittelmeerraum allgemein gehört. Der Schwerpunkt seiner Aktivitäten fällt in die Zeit zwischen
den Weltkriegen, er arbeitete aber bis in die 1960er Jahre. Im Zusammenhang
des Projekts soll sein Werk unter methodischen und zeithistorischen Aspekten
anhand einzelner Monumente kritisch gewürdigt werden, besonders seine Art
der Aufnahme und der Rekonstruktion.
Teilnehmer des Projekts von deutscher Seite: H.-J. Beste, H. von Hesberg,
V. Kockel, U. Wulf-Rheidt.
Corpus Vasorum Antiquorum, Erlangen Band 2
Die Bearbeitung des zweiten Korpusbandes über die Vasen der FriedrichAlexander-Universität Erlangen-Nürnberg von O. Dräger wurde abgeschlossen und das Manuskript zum Druck eingereicht. Der frühere Band zu dieser
Sammlung von seiner Hand liegt vor. In dem Buch werden insgesamt 165
Gefäße und Fragmente vornehmlich attisch und etruskisch schwarzfiguriger
Bemalungstechnik sowie attisch rotfigurige Lekythen und ferner etruskische
und andere Vasen besprochen. Die Vorlage geschieht primär in Gestalt umfangreicher und detaillierter Beschreibungen und photographischer Dokumentation, ergänzt durch Schnitte sowie Umzeichnungen. Die Analyse wird in der
bekannten Form des Corpus Vasorum Antiquorum präsentiert.
Projektträger: Bayerische Akademie der Wissenschaften München • Projektbearbeiter: O. Dräger.
Wissenschaftliche Veranstaltungen
Vorträge
12. Januar Emilio Marin (Rom), Le mura di Naronaxxx23. Februar Henning Fahlbusch (Lübeck) – Christoph Ohlig (Lübeck), Die Wasserkultur der
Villa Hadrianaxxx2. März Claudio Mocchegiani Carpano (Rom) – Stefania
Fogagnolo (Rom), Templum Pacis: Nuove acquisizioni dallo scavo dell’aula di
cultoxxx16. März Bettina Rommel (Berlin) – Gregor Vogt-Spira (Greifswald),
Eine visuelle Topographie des alten Europa: Jakob Philipp Hackert »Zehn
72 Jahresbericht 2006 des DAI
Aussichten von dem Landhause des Horaz«xxx23. März Eugenio La Rocca
(Rom) – Chrystina Haeuber (Regensburg), Il GIS »Forma Romae« – Das »AIS
ROMA«: Neue Forschungen zur Topographie des antiken Romxxx6. April
Christine Ertel (Rom) – Klaus S. Freyberger (Rom), Neue Forschungen zur
Basilica Aemilia in Rom. Bauphasen und Rekonstruktionxxx19. April (Palilienadunanz) Fausto Zevi (Rom), Pompei prima e dopo l’eruzionexxx25. Mai
Paola Santoro (Rom) – Enrico Benelli (Rom), Nuove scoperte nella necropoli di Colle del Forno (Montelibretti, RM)xxx8. Juni Francesco D’Andria
(Lecce) – Paul Kessener (Nijmegen) – Tullia Ritti (Neapel), »Stridentesque
trahens per levia marmora serras«, il più antico schema di una sega idraulica
per pietra, rappresentato su un sarcofago da Hierapolis di Frigixxx26. Juni
Eröffnungsvortrag des Internationalen Kongresses »Crisi e trasformazioni nelle
società dell’Italia meridionale dal IV al III secolo a. C.«, Pier Giovanni Guzzo
(Pompei), Fra i Brettiixxx14. Dezember (Winkelmannadunanz) Andreas
Kablitz (Köln), Petrarca e l’antichità: L’adorazione dei classici e il significato
del concetto di novità (wegen der Bauarbeiten im Institut fand die Adunanz
im Auditorium der Ara Pacis statt).
Kolloquien und Symposien
19. Januar Studientag »Winckelmann a Roma. L’esperienza dell’antico« anläßlich der kompletten Ausgabe von Johann Joachim Winckelmanns »Ville e Palazzi a Roma. Il primo incontro di Winckelmann con le collezioni romane«
(Joselita Raspi Serra) (in Zusammenarbeit mit dem Istituto Italiano di Studi
Germanici und dem Istituto Italiano di Studi Filosofici). – Es nahmen teil:
Paolo Chiarini, Dieter Mertens, Norbert Miller, Joselita Raspi Serra, Maria
Fancelli, Filippo Coarelli, Michele Cometa, Wolf-Dieter Heilmeyer, Adolf
Heinrich Borbein, Thomas Fröhlich, Antonio Giuliano, Adriano La Regina.
26. Januar Studientag »Un ripostiglio monetale di età romana imperiale dal
territorio di Fidenae. Analisi archeologica e tecnica di restauro«. – Es nahmen
teil: Dieter Mertens, Angelo Bottini, Francesco di Gennaro, Pietro Barbina,
Francesca Ceci, Marina Angelini, Olimpia Colacicchi, Ida Anna Rapinesi,
Marco Ferretti, Luigi Campanella, Susanne Plattner.xxx2. Februar Symposion
»Intrecci culturali con Asia nel periodo arcaico« anläßlich des 75. Geburtstags von Walter Burkert (in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Institut).
– Es nahmen teil: Christoph Riedweg, Dieter Mertens, Antonio Panaino, Ivo
Hajnal, Walter Burkert, Giovanni Casadio, M. Laura Gemelli Marciano, Gherardo Gnoli, Giovanni Pugliese Carratelli.xxx4. Mai Studientag »Venere e il
porto di Pompei: Una giornata di studi« (in Zusammenarbeit mit der Scuola di
Specializzazione in Archeologia di Matera). – Es nahmen teil: Alison Carnell,
Fulvio Coletti, Emmanuele Curti, Girolamo F. De Simone, Girolamo Fiorentino, Pier Giovanni Guzzo, Paola Iannuzziello, Antonella Lepone, Giampiero
Marinò, Claudio Mazzoli, Claudia Melish, Dieter Mertens, Marcello Mogetta,
Marcella Nicodemo, Chiara Prascina, Jamie Sewell, Giulia Sterpa, Neelson
Witte, Markus Wolf.xxx18. Mai Studientag »Teanum Sidicinum« zu Ehren
von Werner Johannowsky. – Es nahmen teil: Alfredo Balasco, Heinz-Jürgen
Beste, Renata Cantilena, Virginia D’Avino, Gabriella Gasperetti, Sophie Hay,
Werner Johannowsky, Simon Keay, Dieter Mertens, Maria Luisa Nava, Richard
Neudecker, Pier Paolo Petrone, Paolo Poccetti, Francesco Sirano, Giuliana
Tocco, Fausto Zevi.xxx26. bis 28. Juni Internationaler Kongreß »Crisi e
trasformazioni nelle società dell’Italia meridionale dal IV al III secolo a. C.«
anläßlich des 65. Geburtstags von Dieter Mertens (Organisation: Richard
Neudecker). – Es nahmen teil: Carmine Ampolo, Malcolm Bell, Francesco
D’Andria, Antonio De Siena, Maurizio Giangiulio, Liliana Giardino, Michel
Abteilung Rom 73
Gras, Emanuele Greco, Piero Guzzo, Sophie Helas, Hans Peter Isler, Enzo Lippolis, Massimo Osanna, Angela Pontrandolfo, John Scheid, Andreas Thomsen,
Stefano Vassallo, Giuliano Volpe.
Buchvorstellungen
9. Februar Vorstellung des Buches von Attilio Mastrocinque, Sylloge Gemmarum Gnosticarum I (Rom 2003). – Es nahmen teil: Silvana De Caro Balbi,
Gemma Sena Chiesa, Attilio Mastrocinque.xxx16. Februar Vorstellung des
Bandes Supplementa Italica – Imagines. Latium vetus I. Latium vetus praeter
Ostiam (Rom 2005). – Es nahmen teil: Silvio Panciera, Werner Eck, Daniele
Manacorda, Carlo Tedeschi.
Öffentlichkeitsarbeit
Die öffentlichen Führungen in Rom und Umgebung erfolgten vom 4. Februar
bis 27. Mai.
Der traditionelle Pompejikurs für Gymnasiallehrer wurde dieses Jahr durch
den Romkurs ersetzt, der vom 5. bis 11. November stattfand. Daran beteiligten sich alle wissenschaftlichen Referenten der Abteilung.
Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen stellten ihre aktuellen Forschungsprojekte Kollegen aus dem Aus- und Inland vor. Darüber hinaus wurden zu
verschiedenen Projekten und aktuellen Entwicklungen der Archäologie in
Italien verschiedene Interviews gegeben und Informationsmaterial an die
Medien weiter gereicht.
Ausstellung
18. Mai bis 15. Juli Alta Terra di Lavoro. Nuove scoperte da Teano e Presenzano (Organisation: Francesco Sirano, Richard Neudecker)
Veröffentlichungen
Römische Mitteilungen 112, 2005/2006
Palilia 15: N. Mekacher, Die vestalischen Jungfrauen in der römischen Kaiserzeit
Palilia 17: M. Vonderstein, Der Zeuskult bei den Westgriechen
Sonstiges
Das Institut ist wegen Sanierungsarbeiten einschließlich der Gästeräume seit
dem 9. September für den Publikumsverkehr geschlossen.
74 Jahresbericht 2006 des DAI
Ausgrabungen und Forschungen
Abteilung Athen
Athen, Kerameikos
Gegenstand der Untersuchungen am Südwestrand der Kerameikosstraße vor
dem Dipylon waren die durch Xenophon (Hellenika 2, 4, 33) bezeugten und
von A. Brueckner wiedergefundenen Lakedaimoniergräber, die im Jahr 403
v. Chr. während des athenischen Bürgerkrieges am südwestlichen Straßenrand
angelegt worden sind (Abb. 1).
Ziele der Kampagne waren u. a. die Untersuchung der früheren Bebauung unter den Lakedaimoniergräbern, die im Mai 403 v. Chr. dieser Anlage
weichen mußte, sowie die Gewinnung ergänzender Befunde zu den Gräbern
und dem Opfer am Grab.
Festgestellt wurde zum einen, daß sich unter den Lakedaimoniergräbern
im Südosten Teile einer Badeanlage des 5. Jhs. befinden, nach Südwesten hin
jedoch Reste einer ausgedehnten Töpferei. Zwei Töpferöfen (Abb. 2), die
Reste von Schlämmbecken mit Kieselestrich sowie eine Fülle von Töpferschutt (Tonklumpen mit den Fingerabdrücken der Töpfer, Fehlbrände und
Brennstützen) aus diesem Areal geben Aufschluß über Art und Umfang der
Produktion dieser Werkstätten (Abb. 3). Diese Töpfereien setzten auch nach
der Einrichtung der Gräber ihren Betrieb fort. Aufgegeben wurden lediglich
die Teile, die direkt unter dem Staatsgrab zu liegen kamen. Die Töpfer arbeiteten hier bis in die späthellenistische Zeit.
In einem von früheren Grabungen unberührten Teil einer späthellenistischen Töpferanlage, die direkt an die nördliche Erweiterung der Lakedaimo-
Abb. 1 Athen, Kerameikos. Die Kerameikosstraße von Nordwesten. Rechts am südwestlichen Straßenrand die Grabanlage der
Lakedaimonier (403 v. Chr.)
Abteilung Athen 75
2
niergräber ansetzt, konnten weitere Scherben von rotfiguriger Keramik geborgen werden, die zu dem Opfer am Grab der Spartaner gehörten und im
Jahr 403 v. Chr. ausschließlich für diesen Zweck als Sonderbestellung in einer
Athener Töpferei produziert worden sind. Die neuen Scherben passen z. T. an
Fragmente aus den Grabungen der 1930er Jahre an.
Überraschend war die Auffindung eines Grubenofens. Der Ofen besteht
aus einer runden, oben 1,60 m weiten Grube von 0,40 m Tiefe, die mit Lehm
ausgekleidet war (Abb. 4). Der flache Boden der Grube und die Wände sind
verbrannt und rauchgeschwärzt, der Lehm durch das Feuer verfestigt. Im Inneren fand sich ein angebrannter Marmorstein, der zum Zweck der besseren Durchlüftung auf den Boden des Ofens gelegt war. Der Ofen wurde
am Ende des 5. Jhs. v. Chr. einheitlich aufgefüllt, wie die Keramik (darunter
Kochgeschirr) aus der Verfüllungsschicht zeigt. Die rote Erde der Verfüllung
wurde auch in der Fläche über und rund um den Ofen ausgebreitet. Aus
Zeitgründen konnte nicht geklärt werden, ob und in welchem baulichen Zusammenhang der Ofen stand. Da der Ofen für ›private‹ Nutzung zu groß ist
und am Ende des 5. Jhs. verfüllt wurde, gleichzeitig aber in direkter Nähe
zum Grabbau der Lakedaimonier liegt und nicht lange benutzt worden zu
sein scheint, wäre entweder an eine Verwendung in Zusammenhang mit dem
Opfer am Grab oder an eine Nutzung in Zusammenhang mit den Töpfereien
zu denken.
3
Athen, Kerameikos
Abb. 2 Reste eines Töpferofens
des 4. Jhs. v. Chr. an der Rückseite der
Lakedaimoniergräber
Abb. 3 Tonbatzen mit Fingerabdrücken
der Töpfer, Produktionsabfall aus den
Töpfereien am Südwestrand der
Kerameikosstraße
Abb. 4 Grubenofen bei den
Lakedaimoniergräbern
4
Leitung des Projekts: W.-D. Niemeier • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: J. Stroszeck (Lakedaimoniergräber), K. Heyken, H. Schneider (Vermessung), J. Papagrigoriou (Restaurierung) • Abbildungsnachweis: DAI Athen,
Kerameikosgrabung Nr. 06-0-23, J. Stroszeck (Abb. 1); DAI Athen, Kerameikosgrabung Nr. 06-2-46, J. Stroszeck (Abb. 2); DAI Athen, Kerameikosgrabung Nr. 06-127-4, J. Stroszeck (Abb. 3); DAI Athen, Kerameikosgrabung
Nr. 06-3-102, J. Stroszeck (Abb. 4).
76 Jahresbericht 2006 des DAI
Kalapodi
Im Heiligtum von Kalapodi in der antiken Phokis, bei dem es sich aller Wahrscheinlichkeit nach nicht – wie bisher angenommen – um das Heiligtum der
Artemis Elaphebolos von Hyampolis, sondern um das Orakelheiligtum des
Apollon von Abai handelt (s. die Diskussion in ARepLond 53, 2006/2007),
wurden die 2004 im Bereich des Südtempels wieder aufgenommenen Grabungen fortgesetzt.
Von dem um 570/60 v. Chr. erbauten und 480 v. Chr. durch die Perser zerstörten hocharchaischen Südtempel konnten die noch fehlenden Teile
des stark verbrannten Stylobats im Norden und Westen freigelegt werden.
Überraschenderweise wurde im Westen des Tempels eine zweite Steinrampe
angetroffen, die – etwas schmaler – der im Osten exakt in der Mittelachse
des Tempels gegenüberliegt. Die Perserzerstörungsschicht, die 2004 und 2005
im Nordpteron zwischen den Säulen 5 und 8 von Osten gefunden worden
war (s. AA 2005/2, 166 f.; AA 2006/2, 166–168) setzte sich in der Nordhälfte
der westlichen Vorhalle fort. Unter dem Versturz von Dachziegeln, verkohlten
Balken der Dachkonstruktion und verbrannten Lehmziegeln kamen die Eisenteile von vier weiteren Streitwagenrädern zutage, wobei es sich um Naben,
Verbindungsstücke für die Speichen und teilweise stark verbogene Segmente
von Radreifen handelte (Abb. 5).
Abb. 5 Kalapodi, Eisenteile von Streitwagenrädern in situ im Westpteron des
480 v. Chr. von den Persern zerstörten
Südtempels
Wie die letzte Phase des spätgeometrischen bis früharchaischen Südtempels, so wurde auch die zweite Phase durch ein Erdbeben zerstört, bei dem
die innen weiß stuckierte südliche Langmauer aus Lehmziegeln auf einem
Steinsockel auf eine große Eschara (Aschengrube) im Tempel stürzte. Eine
unerwartete, sehr aufregende Entdeckung stellte dar, daß der Stuck zumindest
partiell bemalt war. Es konnten Teile einer Wandmalerei geborgen werden,
die eine Kampfszene zeigte: Auf einem größeren Fragment (Abb. 6) ist der
Teil eines Helmes mit Helmbusch zu erkennen, hinter ihm zwei erhobene
Arme, die Lanzen in den Händen halten. Der eine Arm gehört zu dem Krieger mit dem Helm, der zweite zu einem hinter ihm befindlichen weiteren
Krieger. Wir haben hier also den Ausschnitt aus einer Phalanx vor uns, wie sie
einer der Friese der etwa gleichzeitigen, um 640 v. Chr. zu datierenden protokorinthischen Chigi-Kanne (E. Simon, Die griechischen Vasen [München
1976] Taf. 25.VII) zeigt. Wie dort war auch auf der Wandmalerei in Kalapodi
eine gegnerische Phalanx dargestellt, von welcher der Helm mit Helmbusch
und die eine Lanze führende Hand eines in entgegengesetzter Richtung
agierenden Kriegers identifiziert werden konnte. 2006 wurde am Ende der
Abteilung Athen 77
Abb. 6 Kalapodi, Wandmalereifragment
mit der Darstellung von Kriegern aus dem
Südtempel des mittleren 7. Jhs. v. Chr.
Abb. 7 Kalapodi, Fragment eines Kraters
mit Kriegerdarstellung aus der Zeit SH IIIC
Mitte (ca. 1130–1070 v. Chr.)
Kampagne nur ein kleiner Teil des Fundkontextes der Wandmalereifragmente
ausgegraben. So besteht die Hoffnung, daß 2007 noch mehr Fragmente dieser
Komposition zutage kommen werden. Diese ist von großer Bedeutung für
die Geschichte der griechischen Wandmalerei, die – nachdem sie mit dem
Ende der mykenischen Kultur in Vergessenheit geraten war – anscheinend ab
dem mittleren 7. Jh. v. Chr. wieder auftrat. Bisher bildeten nur die schlecht
erhaltenen Wandmalereifragmente aus dem archaischen Poseidontempel in
Isthmia, deren Darstellungsmotive kaum zu identifizieren sind, die einzigen
Zeugnisse hierfür (s. O. Broneer, Temple of Poseidon, Isthmia I [Princeton
1971] 33–34 Taf. A–C). Die Fragmente aus Kalapodi bereichern nun entscheidend das Bild und bestätigen den Einfluß der großformatigeren Malerei auf die Vasenmalerei, für den sich H. Payne (Necrocorinthia: A Study of
Corinthian Art in the Archaic Period [Oxford 1931] 94–97), M. Robertson
(Greek Painting. The Great Centuries of Painting [Genf 1959] 43–47) und
G. P. Schaus (The Beginning of Greek Polychrome Painting, JHS 108, 1988,
107–117) ausgesprochen haben.
Neben der Nordostecke des Südtempels kamen in der jüngsten mykenischen Schicht Fragmente von mehreren Krateren der Phase SH IIIC Mitte
(ca. 1130–1070 v. Chr.) mit interessanten Krieger- und Kampfdarstellungen
zutage (Abb. 7). Zusammen mit anderem Tongeschirr bilden sie Indizien für
die Abhaltung von rituellen Mahlen im Heiligtum. Einen Hinweis auf Kult
geben die Fragmente von Terrakotta-Stierfigurinen mit auf der Drehscheibe
geformten Körpern, wie wir sie aus einer Reihe von spätmykenischen Heiligtümern kennen. Die Kraterfragmente zeigen Verbindungen zu der Koine
an den Küsten des euböischen Golfes an, in der sich die nach dem Untergang der Paläste neu herausbildenden aristokratischen Eliten, die sich auf die
Führungsschicht der mykenischen Palastzeit beriefen und deren Bräuche und
Symbolik fortsetzten, durch solche ›Prunkvasen‹ (S. Deger-Jalkotzy) präsentierten (s. J. P. Crielaard, Basileis at Sea: Elites and External Contacts in the
Euboian Gulf Region from the End of the Bronze Age to the Beginning
of the Iron Age, in: S. Deger-Jalkotzy – I. S. Lemos (Hrsg.), Ancient Greece.
From the Mycenaean Palaces to the Age of Homer [Edinburgh 2006] 282–
284 Abb. 14. 4). Das Heiligtum von Kalapodi war im 12. Jh. v. Chr. anscheinend ein Ort, an dem sich Mitglieder dieser Elite zu gemeinsamen rituellen
Mahlen und Opferhandlungen trafen.
Bisher galt die Aussage der älteren Ausgräber, daß das Heiligtum erst nach
dem Untergang der mykenischen Residenzen in der Phase SH IIIC Früh
78 Jahresbericht 2006 des DAI
(ca. 1190–1130 v. Chr.) gegründet wurde. In dem Tiefschnitt, der 2004 im
von dem westlichen Fundament des römischen Tempels abgeschnittenen Ostteil des Südtempels begonnen wurde (s. AA 2005/2, 167; AA 2006/2, 167) kamen in einer Schicht unter dem SH IIIC-Stratum Fragmente von SH IIIA2und SH IIIB-Keramik (14.–13. Jh. v. Chr.) zutage, die den bereits früher ausgesprochenen Verdacht (s. AA 2005/2, 167) bestätigen, daß das Heiligtum
älter als das 12. Jh. v. Chr. ist. Möglicherweise reicht es sogar bis in die mittelhelladische Periode (20.–18. Jh. v. Chr.) zurück. Zuunterst wurden im Tiefschnitt Fragmente grauminyscher Keramik gefunden, außerdem ein importiertes minoisches Siegel der kretischen Altpalastzeit, ein vierseitiges Prisma
aus dunkelgrünem Serpentin des sog. Mallia-Werkstatt-Komplexes (Abb. 8;
s. P. Yule, Early Cretan Seals: A Study of Chronology, Marburger Studien zur
Vor- und Frühgeschichte 4 [Mainz 1980] 65. 143–144. 212–213). Der Fund
altpalastzeitlicher kretischer sog. Kamares-Keramik, die in Thessalien in Volos
und auf der Pevkakia-Magula sowie 2006 auch in der opuntischen Lokris im
nicht weit von Kalapodi entfernten Hafenort Mitrou zutage kam, bezeugt
einen minoischen Seehandelsweg der Altpalastzeit zwischen Euböa und dem
mittelgriechischen Festland nach Thessalien (s. W.-D. Niemeier, Creta, Egeo e
Mediterraneo agli inizi di bronzo tardo, in: M. Marazzi – S. Tusa – L.Vagnetti
[Hrsg.], Traffici micenei nel Mediterraneo: problemi storici e documentazione archeologica, Magna Graecia 3 [Taranto1986] 246–247 Abb. 3).Von einem
der Hafenorte wie Mitrou oder Livanates (Kynos) könnte das Siegel damals
nach Kalapodi gelangt sein.
Kooperationspartner: 14. Ephorie des griechischen Antikendienstes, Lamia
• Förderung: Gerda Henkel Stiftung • Leitung des Projekts: W.-D. Niemeier
• Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: R. Felsch, A. Felsch-Klotz, N. Hellner,
I. Kaiser, B. Niemeier, O. Pilz, S. Prignitz, L. Rizzotto, Ch. Vaporakis • Abbildungsnachweis: W.-D. Niemeier (Abb. 5. 7–8); B. Niemeier (Ergänzung),
W.-D. Niemeier (Abb. 6).
Kleonai
Die antike Polis Kleonai liegt etwa 25 km südlich von Korinth auf der Peloponnes. Hier werden seit 2000 regelmäßig Feldstudien durchgeführt, die
zunächst den vor der Stadt gelegenen Herakles-Tempel zum Ziel hatten.
Nach Abschluß der Arbeiten am Herakles-Tempel wurde seit 2002 die ›Untere Akropolis‹, ein Bergrücken mit beeindruckender Fernsicht östlich unterhalb der Akropolis (Abb. 9), untersucht. Hier konnte im Süden des Areals
ein Heiligtum (S1, früher: ›Athena-Tempel‹) freigelegt werden, das seit dem
7. Jh. v. Chr. nachzuweisen ist. In der 1. Hälfte des 6. Jhs. v. Chr. wurde das
Heiligtum ausgestaltet und eine ungewöhnlich massive Pflasterung von etwa
15 m × 15 m an den Hang angesetzt (Abb. 10). Sie diente vermutlich als Platz
für einen Chor oder Musiker, welche die Kulthandlung begleiteten, und hat
bislang kaum architekturgeschichtliche Vergleiche. Letzteres gilt auch für eine
frühbyzantinische Basilika, die sich durch eine besondere Gestaltung ihres
östlichen Abschlusses auszeichnet. Aufgrund der Kreuzung aus einer Dreikonchen-Kirche und einer Kirche mit abgesetzten Pastophorien stellt sie einen kaum bekannten Typus frühbyzantinischer dreischiffiger Basiliken dar.
Sie wurde als erste von mehreren Kirchenphasen im 7. Jh. n. Chr. über dem
archaischen Heiligtum errichtet. 2006 konnten die Grabungsarbeiten hier abgeschlossen werden.
Den nördlichen Abschluß der ›Unteren Akropolis‹ bildet eine natürliche,
ebene Hangstufe. Jenseits dieser Hangstufe ist das Gelände stark geneigt und
ohne aufwendige Terrassierung kaum zur Bebauung geeignet. 2006 konnten
Abb. 8 Kalapodi, importiertes minoisches
Siegel (vierseitiges Prisma aus Serpentin)
der Altpalastzeit
Abteilung Athen 79
Abb. 9 Kleonai, vereinfachter Stadtplan
mit Lage der ›Unteren Akropolis‹, des Heiligtums (S1) und des Terrassenbaus (S2)
(M. 1 : 10 000)
Abb. 10 Kleonai, Heiligtum auf der
›Unteren Akropolis‹ (S1). Blick von Osten
auf das Heiligtum, im Vordergrund die
Terrassierung des 6. Jhs. v. Chr.
80 Jahresbericht 2006 des DAI
hier die Befunde (S2, sog. Terrassenbau) untersucht werden. Dabei gelang es,
ein hellenistisches Propylon freizulegen (Abb. 11). Säulenstandspuren ermöglichen die Rekonstruktion als kleinen, ca. 5 m × 5 m im Stylobat messenden,
tetrastylen und prostylen Bau ionischer Ordnung, doch blieben leider keine
Bauglieder erhalten. An das Propylon schließt eine zweilagige Quadermauer in Nord-Süd-Richtung an. Wahrscheinlich bildete diese den Sockel einer
kleinen Halle mit einer Rückwand aus Lehmziegeln und einer hölzernen
Stützenreihe. Östlich vor der natürlichen Hangstufe lag bereits vor der Feldkampagne eine niedrig erhaltene Stützmauer offen. Bei der Untersuchung
des Durchlasses eines vermeintlichen Drainagekanals dieser Terrassenmauer
wurde ein massiv ausgebauter Quellzugang aufgedeckt (Abb. 12). Mauer und
Quellzugang gehören ebenfalls in den Hellenismus.
Ergänzend wurde im Frühjahr 2006 eine geophysikalische Meßkampagne
durchgeführt. Durch die Prospektion der ›Unteren Akropolis‹ konnten einerseits die für die lokalen Bodenverhältnisse geeigneten Meßverfahren erprobt
werden, andererseits die Ergebnisse aufgrund der Grabungen in übergreifenden Flächen verifiziert werden. Die Bebauung der ›Unteren Akropolis‹ und
ihre urbanistische Einbindung wurden auf diese Weise weitgehend geklärt.
Es ist vorgesehen, die weitere archäologische Erforschung der peloponnesischen Kleinstadt, die zuvor nur durch ihre Nähe zum Zeus-Heiligtum von
Nemea und durch den nemeischen Löwen bekannt war, mit geophysikalischen Meßkampagnen vorzubereiten. Im Fokus des Interesses stehen insbesondere die Agora, aber auch die Akropolis, die wahrscheinlich eine größere
mykenische Siedlung trägt.
Kooperationspartner: 37. Ephorie des griechischen Antikendienstes, Korinth (A. Mantis) • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: T. Mattern
(Marburg) • Mitarbeiter: J. Marchand (Wright University, Ohio) • Abbildungsnachweis: T. Mattern (Abb. 9–12).
Olympia
Die unter der Leitung von W. Königs stehende Bauaufnahme des Zeus-Tempels führte im Juni und Juli weiterhin A. Hennemeyer durch. Auch die Untersuchung anderer Bauten wurde fortgesetzt, so diejenige des Metroon durch
W. Osthues und die der Südwesthermen durch A. Haseley. K. Herrmann bereitete den nächsten Abschnitt der Restaurierungen des Zeus-Tempels vor.
S. Bocher nahm weitere 2185 Objekte in die Datenbank der Bronzefunde
auf. Aus Mitteln des Forschungsclusters 4 »Heiligtümer: Gestalt und Ritual,
Kontinuität und Veränderung« des DAI begann J. Schumann mit einem GIS
des antiken Heiligtums, für das zunächst alle Basen von Einzeldenkmälern
genau kartiert und in einer Text- und Bilddatenbank erfaßt wurden.
Kooperationspartner: 7. Ephorie des griechischen Antikendienstes, Olympia • Förderung: Fritz Thyssen Stiftung • Leitung des Projekts: R. Senff
• Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: K. Herrmann (Restaurierungsprojekte),
S. Bocher (Digitalisierung der Bronzefunde), J. Schumann (GIS).
Tiryns
Ausgrabung: Im August und September 2006 wurden die seit 1974 unterbrochenen archäologischen Untersuchungen in Tiryns-Stadt-West wieder aufgenommen. Die auf drei Kampagnen angelegte Ausgrabung wird mit dem
Ziel durchgeführt, die Grundlage zur Interpretation der Befunde und Stratigraphie der Ausgrabung der Jahre 1969–1974 in diesem Areal zu verbessern
und einen Beitrag zur Aufklärung der langfristigen Besiedlungsgeschichte
von Tiryns zu leisten. Gegraben wurde in den Quadranten L51 und 52.
11
12
Kleonai
Abb. 11 Hellenistisches Propylon im
Bereich des sog. Terrassenbaus (S2) mit
südlich ansetzender Mauer, Blick von Süden
Abb. 12 Quellzugang an der östlichen
Terrassenmauer des sog. Terrassenbaus
(S2), Blick von Osten
Abteilung Athen 81
Abb. 13 Tiryns, Stadt-West. Deckplatten
eines großen Grabes der frühen Eisenzeit
Kurz vor Ende der Ausgrabung wurden an einigen Stellen des Quadranten
L52 ungestörte Ablagerungen der mykenischen Zeit erreicht. Die chronologische Analyse der Keramik zeigt, daß die jüngsten ungestörten mykenischen
Sedimente nicht später als SH IIIB1 sind. Dabei ist der Anteil von SH IIIAzeitlicher sowie frühmykenischer, mittelhelladischer und sogar frühhelladischer Keramik so hoch, daß eine lange Schichtenfolge des 2. und 3. Jts. v. Chr.
an dieser Stelle zu erwarten ist. Funde von keramischen Fehlbränden und
eines Fragments der Lochtenne eines Töpferofens lassen auf eine mykenische
Töpferei in der näheren Umgebung schließen.
Infolge einer ausgedehnten späteren Störung haben sich im größten Teil
der Fläche L52 keine Hausreste oder Laufflächen der submykenischen, protogeometrischen oder geometrischen Zeit erhalten. Als einziger Befund, der
mit der früheisenzeitlichen Besiedlung in Zusammenhang stehen dürfte, ist
ein aus kleinen, plattenartigen Steinen und großen Gefäßfragmenten bestehendes Pflaster zu nennen, das in einem kleinen Ausschnitt in den südöstlichsten Winkel der Fläche hineinreichte. In der letzten Woche der Ausgrabung
kamen vor dem Ostprofil der Fläche L52 zwei Deckplatten eines großen
Grabes der frühen Eisenzeit zum Vorschein (Abb. 13). In der Erde unmittelbar
oberhalb einer Steinlage, welche die östliche Deckplatte überlagerte, fand sich
der Rest einer Schädelkalotte. Um eine möglichst sorgfältige Untersuchung
des Grabes zu gewährleisten, wurde beschlossen, es erst in der folgenden
Kampagne weiter freizulegen.
Für den Zeitraum zwischen dem Ende der geometrischen Zeit und dem
Beginn der byzantinischen Zeit kann nur ein Befund namhaft gemacht werden (Abb. 14). Es handelt sich um ein in L52 freigelegtes gebogenes Mauerfragment, das zu einem Gebäude ovaler Form gehört zu haben scheint und
anhand von Dachziegelfragmenten, die zwischen den Steinen der Mauern
steckten, in die klassische oder hellenistische Zeit datiert werden kann. An
der Außenseite des Mauerzugs gibt es an zwei Stellen annähernd gleich große
rundliche Aussparungen, in denen Pfosten gestanden haben dürften.
Abb. 14 Tiryns, Stadt-West. Gebogenes
Mauerfragment eines Gebäudes wahrscheinlich ovaler Form der klassischen
oder hellenistischen Zeit
Mykenische Kanalisation: Im Oktober und November 2006 setzten M. von
Aufschnaiter und B. Tobias die Erforschung der Kanalisation der Oberburg
(OB) und Unterburg (UB) fort. Im Vordergrund stand die tachymetrische
Einbindung der Kanäle in das Gesamtbild der Burg. Im Zuge dieser Aufnahme konnten zum einen ein weiterer Schacht zum Kanal OB 9 entdeckt, zum
anderen zwei bereits von W. Schnuchel gesichtete Kanäle an der Außenseite
82 Jahresbericht 2006 des DAI
der östlichen Unterburg-Mauer identifiziert werden (UB 7 und UB 8). Außerdem wurde der letzte stehen gelassene Rest des Kanals OB 12 lokalisiert.
Der zweite Schwerpunkt dieser Kampagne lag auf der Säuberung und Dokumentation des Profils der bis zur Decke anstehenden Verfüllung von Kanal
OB 8.
Fresken: In Zusammenarbeit mit der 4. Ephorie wurde mit der Restaurierung und wissenschaftlichen Erschließung eines großen Bestandes an Fresken
begonnen, der zwischen 1999 und 2001 bei Ausgrabungen des griechischen
Antikendienstes an der Westtreppe zutage kam. Die Neufunde gehören zu
dem gleichen Freskenkomplex, dem die berühmten, 1910 gefundenen Fresken (z. B. Fries der großen Frauenprozession, Jagdfries, Hirschfries) angehören. Die Bearbeitung der Neufunde erfolgt im Rahmen des durch Sondermittel des DAI geförderten Forschungsclusters 3 »Politische Räume« des DAI
in dem Projekt »Bildräume und Raumbilder. Mykenische Paläste als performativer Raum«.
Kooperationspartner: 4. Ephorie des griechischen Antikendienstes (A. Papadimitriou) • Förderung: Institute for Aegean Prehistory • Leitung des Projekts: J. Maran • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: U. Thaler (Assistent und
Mitarbeiter im Fresken-Projekt), C. Casselmann (Vermessung), S. Matskevich,
M. Kostoula (Zeichnung), D. Ben-Shlomo, J. Evrenpoulos, V. Hachtmann,
E. Kardamaki, M. Siennicka, I. Vahlhaus, S. Velijianni, S. Wirghova (Ausgrabung), M. von Aufschnaiter, B.Tobias (Erforschung der Kanalisation) • Abbildungsnachweis: Archiv der Tirynsgrabung, J. Maran (Abb. 13–14).
Wissenschaftliche Veranstaltungen
Vorträge
18. Januar Alexander Gavrilov (Simferopol), La Théodosie et sa chora pendant l’antiquitéxxx23. Januar Melissa Vetters (Athen und Heidelberg), Mykenische Terrakotta-Figurinen aus Tiryns. Fallstudien zu Form und Funktionxxx1. März Michael Krumme (Athen), Archäologe und Parteisoldat:
Walther Wrede, Direktor des DAI Athen 1937–1944 (Aigeiros)xxx15. März
Anno Hein (Athen), Scientific Approaches to Analytical Studies of Ancient
Ceramics: An Overview (Aigeiros)xxx21. März Martha Weber (Freiburg),
Der Artemistempel auf Korkyraxxx10. April Volker Grieb (Hamburg), Vom
Alexandermosaik zum Alexanderroman – Eine archäologische Analyse und
historische Betrachtung des Schlachtenmosaiks aus der Casa del Fauno in
Pompejixxx11. April Kostas Kalogeropoulos (Athen), Votive und Kultpraxis
der früharchaischen Zeit in Attikaxxx19. April Ulrich Thaler (Heidelberg
und Athen), Pylian Perspectives and a Look Further East: Considerations of
Mycenaean Palatial Architecture and Society (Aigeiros)xxx4. Mai Orhan Bingöl (Ankara), Die neuesten Forschungen zu Magnesia am Mäanderxxx8. Mai
Richard Posamentir (Istanbul), Die Griechen am Schwarzen Meerxxx10. Mai
Vicky Barlou (Marburg), Parische Kouroi (Aigeiros)xxx17. Mai Silke Müth
(Berlin) – Jürgen Giese (Berlin) – Ute Schwertheim (Berlin), Die Stadtmauer
von Messene – Fortifikationskunst und städtische Repräsentationxxx22. Mai
Dimitris Grigoropoulos (Athen), Neue Forschungen zur Urbanistik und
Hausorganisation im römischen Piräus: Das Beispiel der Bauinsula »Dikastiko
Megaro«xxx30. Oktober M. Stern (Hilversum), Glas für die Götter. Glas im
Athen des 5. und 4. Jhs. v. Chr.xxx31. Oktober Helga Bumke (Bonn), Ägyptische Götter bei Hera. Überlegungen zu den Bronzen ägyptischer Götter
aus dem Heraion von Samosxxx15. November Ph. Koutsoukou (Athen),
Abteilung Athen 83
Aspekte der deutschen Kulturpolitik in Griechenland in der Zeit 1933–1944
(Aigeiros)xxx12. November H. Schörner (Jena), Griechische intraurbane
Bestattungen. Untersuchungen zu einem identitätsbildenden Phänomen
(Aigeiros)xxx23. November Peter Baumeister (Berlin), Die Keloşk Kale.
Zur baugeschichtlichen Untersuchung eines spätantiken Gebäudekomplexes im türkischen Euphratbogenxxx28. November M. Spathi (Athen), Die
Koroplastik Äginasxxx6. Dezember A. Lyrintzis (Athen/Herakleion), Water
Supply in Bronze Age Crete: A Reconstructive Approachxxx13. Dezember
N. Todorova (Sofia), Late Chalcolithic Pottery from Southern Bulgaria. Balkan and Aegean Analogies.
Am 19. Mai wurde der diesjährige Sommerfestvortrag von Wolf-Dietrich
Niemeier (Athen) zu »Hellas und Hatti: Die Beziehungen zwischen Mykenern und Hethitern nach den neuesten Forschungen« gehalten. Anschließend
wurde auf der Institutsterrasse zu einem Empfang geladen.
Am 8. Dezember fand die Winckelmannfeier statt. Nach dem ausführlichen Jahresbericht des Ersten Direktors hielt Felix Pirson (Istanbul) den Festvortrag über »Pergamon: Stadt der Bürger – Residenz der Herrscher. Neue
Forschungen des Deutschen Archäologischen Instituts«. Anschließend wurde
im Institutsgebäude zu einem Empfang geladen.
Kolloquien
27. bis 29. Januar Internationales Kolloquium »Kreta in der geometrischen
und archaischen Zeit« (Organisation: Wolf-Dietrich Niemeier, Ivonne Kaiser,
Oliver Pilz). – Es sprachen: Eduardo Federico (Neapel), Poleogenesi e memoria del Minoico a Creta. Due invenzioni del passato a confronto; Nicola
Cucuzza (Genua), Minoan Ruins in Archaic Crete; Vincenzo La Rosa (Catania), Una nuova strada protogeometrica nell’abitato di Festòs; Margaret S.
Mook (Ames) – D. Haggis (Chapel Hill), Excavations of an Archaic City at
Azoria in Eastern Crete; Antonella Pautasso (Catania), New Researches in
the Area of the Temple A (Priniàs); Saro Wallace (Cardiff), Citadel and Citystate: Studying Complexity in Geometric-Archaic Communities Using Settlement Pattern and Ceramic Dating Evidence; Metaxia Tsipopoulou (Agios
Nikolaos), Eteocretan Geometric Revisited: The Pottery from the Geometric
Burial Cave at Kephala, Pisokephalo, Siteia; Maria Englezou (Herakleion)
– Giorgos Rethemiotakis (Herakleion), Το γεωμετρικ νεκροταφεο στην
αρχαα λτυνα; Giacomo Biondi (Catania), La necropoli di Aphrati-Arkades
dopo il tardo Orientalizzante; Katerina Tzanakakis (Chania), Αγα Ρουμλη
(Τρρα) 1970: οι πρωιμ τερες ταφς; Angelos Chaniotis (Heidelberg), Memories from Early Crete: From Individual Portraits to Stereotypes; Angeliki Lebessi (Athen), Πλινο ανθρωπ μορφο ειδ!λιο απ το ιερ της Σ#μης
(Κρτη). Μα τυπολογικ και ερμηνευτικ προσγγιση; Polymnia Muhly
(Athen), Attic Influence on Cretan Zoomorphic Terracottas of the Geometric Period; Vasiliki Zografaki (Agios Nikolaos), Πλακδια και ειδ!λια απ
το γεωμετρικ -αρχαϊκ αποθτη Σητεας; Antonis Kotsonas (Athen), Orientalizing Wares in Iron Age Crete; Emanuela Santaniello (Neapel), Gortyn
between the late Xth and the VIth Century B. C.: Local Pottery, Imports
and Imitations; Dario Palermo (Catania), Un elmo di bronzo cretese dalla
Sicilia; Matteo D’Acunto (Neapel), The Fortetsa Bronze Belt and the First
Orientalizing Bronzes in Geometric Crete; Daniela Lefèvre-Novaro (Straßburg), L’organisation territoriale de la Messara occidentale de la fin du monde
mycénien à la naissance des poleis; Giovanni Marginesu (Rom), Gortina ed il
piano urbano cittadino alla luce delle epigrafi; Francesco Guizzi (Rom), Synoikismoi in Archaic Crete; Präsentation von Metaxias Tsipopoulous neuem
84 Jahresbericht 2006 des DAI
Buch: Η ανατολικ κρτη στην πρ!ϊμη εποχ του σιδρου durch Nicolas
Coldstream (London); Nicolas Coldstream (London), Geometric and Archaic
Crete: a Hunt for the Elusive Polis; Milena Melfi (Oxford), The Lithos and
the Sea: Some Observations on the Cult of the Greek Sanctuary at Kommos;
Matthew Haysom (Athen), Archaic and Classical Cretan Religion as Polis
Religion; Oliver Pilz (Jena und Athen), Die Kulte von Praisos in geometrischer und archaischer Zeit; Eva Simantoni-Bournia (Athen), Μιν!ταυρος. Ο
εγκλιματισμ ς εν ς κρητικο# υβριδου στις Κυκλδες; Katja Sporn (Köln),
Kretische Mythen – Mythen über Kreta. Zur Entstehung von Mythenbildern
mit kretischer Thematik; James Whitley (Athen), The Cretan Orientalizing:
A Comparative Perspective; Alan Johnston (London), Cretan Writing in the
Greek World; Anastasia Christophilopoulou (Cambridge und Athen), Does
the Cretan House Stand Alone? Households in Geometric Crete Viewed in
the Context of Domestic Architecture in the Cyclades and the Eastern Aegean; Mieke Prent (Amsterdam und Athen), Orientalizing Imagery in Crete:
The Example of Gortyn; Eleonora Pappalardo (Catania), The Role of Crete
in the IX-VIII Century Mediterranean: A Near Eastern Perspective; Giannis
Sakellarakis (Athen), Concerning the Throne of Zeus in the Idaean Cave;
Nikos Stampolidis (Rethymnon und Athen), Ελε#θερνα: quaestiones ›daedalicae‹.
Öffentlichkeitsarbeit
J. Stroszeck wirkte bei der Ausstellung: »Der heilige Mammas – Beschützer
der Hirten und Herden« mit, die am Deutschen Hirtenmuseum, Hersbruck
im März und Juni 2006 stattfand. M. Krumme gestaltete im Rahmen des
vom Pnevmatiko Kentro Dimou Levkadion veranstalteten Internationalen
Wilhelm-Dörpfeld-Kongresses vom 6. bis 9. August eine Photoausstellung
über Grabungstätigkeit und Reisen W. Dörpfelds, die im August und September 2006 im Kulturzentrum der Stadt Leukas gezeigt wurde.
Ein ausführlicher Tätigkeitsbericht für 2006 wird im Bericht der RömischGermanischen Kommission Band 87, 2006, veröffentlicht.
Ausgrabungen und Forschungen
Okolište (Bosnien-Herzegowina)
Die Forschungen auf dem befestigten neolithischen Siedlungsplatz von Okolište wurden mit Ausgrabungen auf zwei Grabungsflächen fortgesetzt. Im
Norden des Siedlungshügels galt das Interesse dem Graben- und Befestigungssystem und im Besonderen der Datierung der verschiedenen Gräben. Weitere
Ausgrabungen konzentrierten sich auf einen Hausbefund im Nordwesten der
Siedlung, der sich bei der geomagnetischen Prospektion sehr deutlich abgezeichnet hatte. Die geophysikalische Prospektion wurde auf bislang nicht zu-
Römisch-Germanische Kommission,
Frankfurt am Main
Römisch-Germanische Kommission 85
Abb. 1 Okolište (Bosnien-Herzegowina),
vollständig erhaltenes Skelett eines erwachsenen Mannes aus der jüngsten Grabenphase
Abb. 2 Okolište (Bosnien-Herzegowina),
menschliche Figur. Wohl Handhabe eines
Keramikgefäßes (M. 1 : 2)
gänglichen Flächen fortgeführt. Der Verbesserung der topographischen Aufnahme diente der Einsatz eines differentialen GPS. Mit hoher Genauigkeit
(± 2 cm) wurden hiermit Meßdaten für die Vervollständigung des digitalen
Geländemodells erhoben.
Ausgrabungen im Grabenbereich: Nach dem Abtrag von 40–50 cm Mutterboden durch einen Bagger und dem Erstellen eines Planums zeigten sich
an wenigen Stellen erste Hinweise auf die Gräben und den Wall. Nach einer abermaligen geophysikalischen Prospektion waren die Strukturen des
Grabens so präzise zu erfassen, daß die Grabungsfläche verkleinert werden
konnte. Die Kombination von Geomagnetikplan und Grabungsbefunden im
Planum ermöglichte die Präzisierung der Vorgehensweise. Es wurden nun in
sechs kleinen Flächen von ca. 6 m2 die Schlüsselbefunde geschnitten. Demnach sind die äußeren Doppelgräben älter als die inneren. Somit ist mit einer
Verkleinerung der Siedlungsfläche von 7 ha auf 1,200 ha zu rechnen. Nach
den Radiokarbondaten aus den im Jahr 2004 untersuchten Grabungsflächen
vollzog sich dieser Vorgang um 5000 v. Chr. Bei der Untersuchung der jüngeren Gräben kamen vollständige menschliche Skelette und Deponierungen
von Skelett-Teilen zum Vorschein (Abb. 1). Dabei handelt es sich um die ersten anthropologischen Befunde für die Butmir-Kultur.
Im Grabenbereich konnte ein reiches Fundspektrum geborgen werden.
Neben dem Standardrepertoire an Keramik und Steinartefakten ist der gute
Erhaltungszustand der Menschen- und Tierknochen zu erwähnen.
Ausgrabungen im Hausbereich: Die Ausgrabungen des geomagnetisch
prospektierten Hausbefundes im nordwestlichen Siedlungsareal erfolgten
zunächst in sechs Schnitten. Nach Abgraben einer Deckschicht von 30 cm
wurde in künstlichen Abträgen von 10 cm bei gleichzeitiger Differenzierung
nach natürlichen Schichten tiefer gegangen. Die Hausreste bestanden nur im
Nordostbereich aus verziegeltem Lehmversturz, der nach Südwesten hin abnahm. Nahezu die Hälfte des Hausbefundes war unverbrannt. Der Fußboden
des Hauses war sehr gut sichtbar. Die Wände im Nordosten waren verstürzt
und an keiner Stelle in Originallage erhalten. Wiederum zeigte sich, daß die
geomagnetischen Messungen die verschiedenen Zustände von verziegeltem
und nichtverbranntem Lehm genau abbilden.
Das keramische Fundmaterial (Abb. 2) korrespondiert mit den bisher jüngsten Funden von Okolište und kann Butmir III (um 4500 v. Chr.) zugewiesen
86 Jahresbericht 2006 des DAI
werden. Die Ergebnisse der Kampagnen 2005 und 2006 erlauben somit den
Schluß, daß sich die geomagnetisch ermittelten Hausgrundrisse nicht einem
einzigen Zeitraum, sondern verschiedenen Siedlungsphasen zuordnen lassen.
Die naturwissenschaftliche Datierung und weitere Grabungen werden dies
noch präzisieren. Die 2005 untersuchten Hausbefunde aus dem zentralen Bereich der Siedlung lassen sich nach Butmir II datieren und sind etwa 300 Jahre
älter als der jetzt untersuchte Butmir-III-Hausbefund aus dem Nordosten der
Siedlung.
Kooperationspartner: Landesmuseum Sarajewo (Z. Kujundžić-Vejzagić);
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (J. Müller); Kreismuseum Visoko •
Förderung: DFG • Leitung des Projekts: K. Rassmann • Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen: N. Müller-Scheeßel, R. Hofmann (DFG), B. Ramminger
(RGK), D. Kučan (Niedersächsisches Institut für historische Küstenforschung,
Wilhelmshaven, Paläobotanik), W. Dörfler, H. Kroll (Christian-AlbrechtsUniversität zu Kiel, Paläobotanik), N. Benecke (DAI, Zentrale, Naturwissenschaftliches Referat, Archäozoologie), Studierende der Universitäten Berlin,
Brünn, Kiel, Posen, Sarajewo und Sheffield • Abbildungsnachweis: DAI,
RGK (Abb. 1. 2).
Rybnik (Slowakei)
Auf der befestigten frühbronzezeitlichen Siedlung von Rybnik wurden die im
Jahr 2004 begonnenen Untersuchungen fortgesetzt und durch eine Sondagegrabung auf der ca. 20 km entfernten frühbronzezeitlichen Siedlung von Madarovce-Santovka und Prospektionen im näheren Umfeld der Siedlung sowie
auf anderen Fundstellen im Tal von Gran und Eipel ergänzt.
Die Ausgrabungen auf der etwa 85 m × 50 m große Siedlung von Rybnik
erfolgten vor allem innerhalb der 2004 geöffneten Flächen. Eine Erweiterung der Grabungsflächen wurde im südlichen Wallsektor vorgenommen. Die
Arbeiten am Nord-Süd-Suchschnitt und am nördlichen Wall wurden abgeschlossen (Abb. 3). Im Areal eines Suchschnitts wurde eine frühbronzezeitliche
Siedlungsgrube ausgegraben, die bis in eine Tiefe von 2,30 m reichte. Dieser
Befund zeigt, daß auch im zentralen Teil der Siedlung, wo durch Erosion
die oberflächennahen Siedlungsschichten größtenteils zerstört wurden, noch
Rybnik (Slowakei)
Abb. 3 Steinfundament der frühbronzezeitlichen Wallanlage
Abb. 4 Frühbronzezeitliche Scheibenkopfnadel (M. 1 : 2)
3
4
Römisch-Germanische Kommission 87
frühbronzezeitliche Siedlungsgruben erhalten sein könnten. In Wallnähe und
im südlichen Teil der Siedlung aufgedeckte Flächen mit Pfostenstandspuren
waren zwar für eine genauere funktionale Ansprache zu klein; die Befunde
machen aber deutlich, daß sich im wallnahen Areal auf einem schmalen Streifen von jeweils 10 m Breite Reste der frühbronzezeitlichen Innenbebauung
erhalten haben. Das Fundmaterial bestand wie in den Kampagnen 2004 und
2005 vor allem aus Keramik der Madarovce-, der späten Hatvan-, der Otomani-Füzesabony und der Nordpannonischen Kultur. Bemerkenswert sind eine
Scheibenkopfnadel (Abb. 4) und Fragmente von Spiralschmuck.
Auf dem eponymen Fundplatz von Madarovce, heute Santovka, fand eine
kleine Sondagegrabung statt. Die frühbronzezeitliche Siedlung liegt inmitten
des Ortes und ist durch die moderne Bebauung größtenteils zerstört. Die begrenzte Untersuchung erbrachte den Nachweis, daß kleinere Areale der frühbronzezeitlichen Siedlung von der modernen Bebauung unberührt sind.Trotz
der kleinen Grabungsfläche trat ein reiches keramisches Fundmaterial zutage,
daneben Knochen- und Geweihartefakte, darunter eine Geweihtrense und
eine spiralverzierte Knochenröhre.
Kooperationspartner: Archäologisches Institut der Slowakischen Akademie
der Wissenschaften (J. Batora); Otto-Friedrich-Universität Bamberg (F. Falkenstein) • Leitung des Projekts: K. Rassmann • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: N. Benecke (DAI, Zentrale, Naturwissenschaftliches Referat, Archäozoologie), H. Kroll (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel), W. Schulz,
H. Manteuffel (Universität zu Köln), Studierende der Universitäten Bratislava,
Brünn und Trnava • Abbildungsnachweis: DAI, RGK (Abb. 3. 4).
Lahnau-Waldgirmes
Die diesjährigen Arbeiten in der unter Augustus gegründeten und bereits im
9. Jh. n. Chr. wieder aufgegebenen Stadt bei Lahnau-Waldgirmes widmeten
sich der Untersuchung von etwa 4400 m2 im Westen der Siedlung. Die Bebauung bestand aus zwei Atriumhäusern (18 und 19) im Süden der Grabungsfläche sowie einem weiteren, nur sehr schlecht erhaltenen Gebäude (20) unmittelbar südlich des Ost-West verlaufenden Wassergrabens. Nördlich des Wassergrabens wurden in einem mindestens 1400 m2 großen Areal regelmäßige
Reihen von Einzelpfosten erfaßt. In den Monaten Juli und August konzentrierten sich die Arbeiten auf die Klärung des Grundrisses von Gebäude 20
sowie auf die Bebauung aus Einzelpfosten nördlich des Wassergrabens (Gebäude 21). Dort konnte durch die Kartierung der tiefer erhaltenen Standspuren ein Kernbau von 12 m Breite und mindestens 36 m Länge herausgelöst
werden, dessen Ausdehnung nach Norden noch offen ist. Die Dimensionen
des Bauwerks weisen enge Übereinstimmung mit den Mannschaftsteilen der
Truppenunterkünfte in Dangstetten, Oberaden und Rödgen auf.
Das südlich des Wassergrabens gelegene Gebäude 20 war auf einer Grundfläche von etwa 12 m × 9 m errichtet worden und wies in der nördlichen
Hälfte drei, in der südlichen Hälfte zwei Räume auf. Die Baufluchten des
Gebäudes stimmten mit den Fluchten der Mannschaftsbaracke nördlich der
Straße überein, seine Größe entsprach den Kopfbauten der Offiziersunterkünfte in Dangstetten, Oberaden und Rödgen.
Vermutlich handelt es sich bei den Bauten 20 und 21 um eine Mannschaftsbaracke mit abgesetztem Kopfteil südlich der Straße. Der Kopfbau
wurde unverbrannt abgebrochen, während der Mannschaftsteil bis zum Brand
der gesamten Anlage stehen blieb. Nach Abbruch des Kopfbaus blieb das Areal
jedoch durch einen Zaun oder eine Palisade von den weiter im Süden gelegenen Teilen der Siedlung (Gebäude 18 und 19) abgetrennt.
88 Jahresbericht 2006 des DAI
Abb. 5 Lahnau-Waldgirmes, vollständig
erhaltene silberne sog. Augenfibel. Der
Bügel ist in der Mitte mit einem doppelten
Punzenband verziert. Mit einem Gewicht
von 12 g entspricht die Fibel einem Gegenwert von drei römischen Denaren
(L 4,30 cm)
Die frühe Form der Truppenunterkunft spricht für einen Bau ganz zu
Beginn der Besiedlung von Waldgirmes, wobei das unterschiedliche Schicksal
von Offiziers- und Mannschaftsteil sowie das weitgehende Fehlen von Gruben
im Mannschaftsteil eine Nutzung des Baukomplexes als Truppenunterkunft
während der gesamten Besiedlungsdauer unwahrscheinlich machen.Vermutlich gehört er in die Gründungsphase, in welcher Straßen und Umwehrung
von Truppen angelegt wurden. Aus dem zwischen Mannschaftsbaracke und
Kopfbau gelegenen Straßengraben konnte eine silberne germanische ›Augenfibel‹ geborgen werden (Abb. 5), eine Form, die vornehmlich zwischen Elbe
und Weichsel sowie vor allem im böhmischen Raum verbreitet ist.
Kooperationspartner: Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Th. Keller,
A. Kreuz); Akademie der Wissenschaften und Literatur Mainz (D. Wigg-Wolf);
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a. M. (G. Brey, U. Ehmig,
A. Stobbe, H. Thiemeyer); Freie Universität Berlin (G. Schneider); Justus-Liebig-Universität Gießen (H.-R. Wegener); Universität Hamburg (Chr. Schäfer); Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (H.-R. Bork); D. Baatz (Darmstadt) • Förderung: DFG; Land Hessen; Landesamt für Denkmalpflege Hessen
• Leitung des Projekts: G. Rasbach • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen:
A. Becker, A. Popa, Th. Westphal, N. Benecke (DAI Zentrale, Naturwissenschaftliches Referat, Archäozoologie) und Studierende der Universitäten Amsterdam, Freiburg und Marburg • Abbildungsnachweis: DAI, RGK (Abb. 5).
Romuliana-Gamzigrad (Serbien)
Im Rahmen der Arbeiten im spätantiken Kaiserpalast Felix Romuliana bei
Gamzigrad in Ostserbien konnte die Bauaufnahme der Palastinnenbauten im
wesentlichen abgeschlossen werden. Es wurden Vorarbeiten für ein GeländeComputermodell geleistet und zur Vervollständigung des Gesamtplanes weitere Messungen an der Umfassungsmauer vorgenommen (s. auch hier S. 28–31,
Leitung der bauforscherischen Arbeiten: U. Wulf-Rheidt, DAI, Zentrale, Architekturreferat). Außerdem wurde ein Geoinformationssystem eingerichtet,
in das sämtliche vorhandene Daten der Vermessung, der archäologischen, geophysikalischen und bauforscherischen Arbeiten eingearbeitet wurden.
Außerhalb des Palastes wurde eine im geomagnetischen Meßbild deutlich
erkennbare Struktur, die sich etwa 20 m südlich des im Vorjahr untersuchten
Grabbaus befindet, in einer Schnittfläche von etwa 12 m × 10 m freigelegt.
Dabei zeigte sich bereits 20–30 cm unter der Oberfläche das ca. 10 m × 8 m
Römisch-Germanische Kommission 89
Abb. 6 Romuliana-Gamzigrad (Serbien),
Schnitt 06/1. Übersicht über das BruchsteinMörtel-Fundament. Blick von Süden
große Bruchstein-Mörtel-Fundament von vermutlich drei Räumen (Abb. 6).
Seine Ausrichtung entspricht der des im Vorjahr untersuchten Grabbaus. Das
aufgehende Mauerwerk ist durch die landwirtschaftliche Nutzung weitestgehend beseitigt worden. Von der nordöstlichen Außenmauer ist nur ein kurzer
Abschnitt an der Nordecke erhalten. An der südwestlichen Außenseite befand
sich nahe der Südecke ein etwa 2 m × 3 m großer Ausschnitt einer Plattform
aus großen, in Kalkmörtel verlegten Ziegelplatten in mindestens drei Lagen
übereinander, die offenbar durch die Südwestmauer des ›Objekts‹ unterbrochen worden war. Das Fußbodenniveau der zwei nebeneinander liegenden
Räume und der südöstlich vorgelagerten Querhalle ist ebenfalls nicht mehr
erhalten, so daß auch keine Anhaltspunkte für dessen Aussehen und seine
Funktion vorhanden sind.
Im Nordwestteil des ›Objekts‹ zeigte sich eine ehemals vom Fußboden
überdeckte Steinschuttschicht, welche stratigraphisch mit einem aus Bruchsteinen und Ziegelplatten bzw. Ziegelfragmenten zusammengefügten Kanal
in Verbindung steht. Die in den Kanal verstürzten Ziegelplatten von dessen
Abdeckung waren in Kalkmörtel verlegt, während seine Seitenwände und der
Boden aus Steinen und Ziegeln in Lehmbindung bestanden.
Unter der Steinschuttschicht im Nordwestteil sowie unter dessen Nordwestmauer kamen zwei Körpergräber mit unterschiedlicher Ausrichtung zutage. Ein weiteres Körpergrab (Kind) lag nördlich des Kanals. Das Skelett
war West-Ost ausgerichtet und die Grabgrube mit Ziegelplatten und Bruchsteinen ausgekleidet; von einer Abdeckung fanden sich keine Spuren. Das
Grab war mit Stein- und Ziegelschutt bedeckt, welcher wahrscheinlich vom
benachbarten Kanal stammt. Vor der gestörten Nordostmauer und zugleich
etwa 25 cm tiefer liegend als die Mauerunterkante fand sich ein aus Ziegelplatten gefügtes Grab. Einige Ziegelplatten der ehemaligen Abdeckung lagen
auf dem vermutlich männlichen Skelett. Ungefähr 60 cm über diesem Grab
kamen Reste eines weiteren Ziegelgrabes zutage. Beide Gräber sind stratigraphisch jünger als die Mauern.
Insgesamt ließen sich also im Bereich des Bauwerks drei bis vier Nutzungsphasen ausmachen. Verstreute Münzfunde machen hier eine Siedlungstätigkeit vom letzten Viertel des 3. bis zur 2. Hälfte des 6. Jh. n. Chr. wahrscheinlich, gründliche Analysen der Funde und der Befunde stehen jedoch
noch aus.
Zur weiteren Untersuchung des Grabens vor der Südseite der Palastumfassung wurde östlich des Südwesteckturmes eine etwa 8 m lange und 2 m
breite Sondage über der im geomagnetischen Meßbild erkannten Anomalie
90 Jahresbericht 2006 des DAI
angelegt. Die Befunde bestätigen und präzisieren die Ergebnisse der in den
Vorjahren angelegten Schnitte zur Untersuchung dieses Grabens. Durch zwei
nach Süden anschließende Schnitte wurde eine stratigraphische Verbindung
zwischen dem Graben und der Umfassungsmauer hergestellt, die genaue zeitliche Einordnung des Grabens muß noch erarbeitet werden.
Im Rahmen eines Workshops entwickelten 14 Architekturstudenten aus
Cottbus und Belgrad Ideen und Konzepte zur touristischen Präsentation der
Gesamtanlage und zu Schutzbauten für die Gräber und Tumuli auf der Magura-Höhe. In einer Abschlußveranstaltung wurden die entstandenen Modelle in einem produktiven Austausch zwischen Architekten und Archäologen
diskutiert.
Bei einer geophysikalischen Prospektion in der Umgebung des Palastes
zeigten sich dicht vor dem Westabschnitt der Nordmauer unregelmäßige
Gebäudestrukturen, die wahrscheinlich dem auf einem Plan von 1978 vermerkten ›Wirtschaftsgebäude‹ entsprechen. Weiter nördlich wurden zusätzliche Mauerstrukturen sowie eine kreisrunde Anlage aus 16 regelmäßigen
Einzelstrukturen mit einem Durchmesser von etwa 35 m sichtbar. Auf bereits
geomagnetisch prospektierten Flächen, u. a. auf einer ca. 14 000 m2 großen
Fläche vor der Südmauer des Palastes, wurden zudem vertiefende elektromagnetische Messungen durchgeführt.
Kooperationspartner: DAI, Zentrale, Architekturreferat (U. Wulf-Rheidt);
Lehrstuhl für Archäologie an der Universität Belgrad (Z. Mikić, M. Vujović,
M. Milinković); Archäologisches Institut der Akademie Belgrad (S. Petković);
Museum Zajear (M. Živić) • Leitung des Projekts: G. Sommer von Bülow
(Archäologie), U. Wulf-Rheidt (Bauforschung) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: M. Grötzschel (Vermessung, FHT Dresden), G. Breitner (Bearbeitung der Bauornamentik), P. Grunwald, Studierende der Universitäten
Rostock, Cottbus und Belgrad • Abbildungsnachweis: DAI, RGK (Abb. 6).
Langobardische Grabfunde in Szólád (Ungarn)
Etwa in der Mitte des südlichen Balatonufers zieht sich ein kleines Tal nach
Süden. Am Ende seiner auch heute noch sumpfigen Ausdehnung – unweit
des Ortes Szólád – liegt an einem nach Süden geneigten Hang ein Gräberfeld
des 6. Jhs. n. Chr. Die Fläche des Jahres 2005 wurde im Süden und Osten
sowie Norden bis an die Straße erweitert. Dabei konnten weitere 13 frühmittelalterliche Gräber aufgedeckt werden, ferner zahlreiche prähistorische
Grubenkomplexe sowie zwei awarenzeitliche Öfen. Ein Suchschnitt nördlich
der Straße erbrachte keine langobardenzeitlichen Befunde, sondern ebenfalls
prähistorische Gruben und awarenzeitliche Öfen. Die Fläche wurde nicht
weiter untersucht, sondern wieder zugedeckt.
Bei den in diesem Jahr entdeckten Gräbern handelt es sich um langobardenzeitliche Bestattungen von sieben Männern und zwei Knaben sowie von
vier Frauen. Fünf der Gräber waren bereits in frühmittelalterlicher Zeit wieder geöffnet worden, ein Grab war durch Tieraktivitäten sehr stark in Mitleidenschaft gezogen. Bei der diesjährigen Kampagne entnahm eine Studentin
der Anthropologie von der Universität Mainz Proben für die molekulargenetischen Analysen.
Wie auch im letzten Jahr zeichneten sich die Befunde ganz hervorragend
im hellen Lößboden ab. Dabei konnten erneut zahlreiche Beobachtungen zu
Grabbau und Bestattungssitte gemacht werden; bei einigen Gräbern zeigte
sich über dem unteren schmalen Schacht eine Balkenabdeckung. Diese war
im Falle von Grab 24 bereits durch die Wiederöffnung des Grabes aufgerissen
worden.
Römisch-Germanische Kommission 91
8
Szólád (Ungarn), langobardenzeitliches
Gräberfeld
Abb. 7 Grab 20, adulter Mann mit Spatha.
Entzerrtes Foto von Planum 6 (M. 1 : 20)
Abb. 8 Frauengrab 21, vergoldete Silberfibeln in S-Form mit Almandineinlage
(M. 1 : 1)
Abb. 9 Frauengrab 21, einglättverzierte
Kanne (H 23 cm)
7
9
Für die Dokumentation wurde erstmals mit sehr gutem Erfolg die Möglichkeit des maßstabgetreuen Entzerrens von digitalen Photos erprobt (Abb. 7).
Unter den Funden sind drei Spathen zu nennen, die im Block geborgen
wurden. Ferner ist die Bestattung einer Frau mit Vierfibeltracht und reichem
Gehänge zu erwähnen (Abb. 8. 9) sowie die einer weiteren Frau, die vielleicht
zur ortsansässigen romanischen Bevölkerung gehörte.
Kooperationspartner: Ungarische Akademie der Wissenschaften • Leitung des Projekts auf ungarischer Seite: T. Vida • Leitung des Projekts auf
deutscher Seite: U. von Freeden • Abbildungsnachweis: DAI, RGK (7–9).
Wiskiauten, Siedlungsarchäologische Forschungen zur Wikingerzeit
im Kaliningrader Gebiet (Russische Föderation)
Etwa 2 km südlich der Ostsee bei Selenogradsk (ehemals Cranz) befindet sich
am südlichen Ufer der Kurischen Nehrung ein kleiner Wald, die sog. Kaup,
der um die 500 Hügelgräber und eine nicht bekannte Anzahl an Flachgräbern des 9.–11. Jhs. verbirgt.
Im Vordergrund der diesjährigen Forschungen stand auf der Suche nach
wikingerzeitlichen Siedlungsspuren in der Umgebung des Gräberfeldes ein
Befund, der bereits im Jahr 2005 partiell untersucht wurde.
Mittlerweile steht nun fest, daß es sich nicht – wie bisher vermutet – um
ein Grubenhaus, sondern um einen aus größeren Feldsteinen gemauerten
Brunnen handelt, der nach Nutzungsende mit Siedlungsresten verfüllt wurde. Die Tiefe kann bislang auf 3 m geschätzt werden. Die endgültige Ausgrabung mußte auf das kommende Jahr verschoben werden. Dieser Befund ist in
der archäologischen Forschung des Kaliningrader Gebietes bisher einzigartig.
Es ist zu hoffen, daß über erhaltene organische Materialien oder Funde wie
Münzen die Datierung des Brunnens erfolgen kann. Er ist als ein deutlicher
92 Jahresbericht 2006 des DAI
Hinweis auf Siedlungsaktivitäten unmittelbar südlich des bekannten Gräberfeldes anzusehen.
In einer zweiten Grabungsfläche nördlich des Gräberfeldes wurde eine
in den Geomagnetikbildern als Hausgrundriß interpretierte Struktur durch
einen 10 m × 10 m großen Grabungsschnitt überprüft. Tatsächlich konnten
60 Reste von Holzpfosten als dunkle Verfärbungen im Boden dokumentiert
werden. Die zahlreichen Funde aus den Pfostenstandspuren und aus den darüberliegenden – allerdings durch Pflugtätigkeit gestörten – Schichten legen
eine Datierung dieser Strukturen ins 11. oder frühe 12. Jh. n. Chr. nahe.
Als besondere Einzelfunde wurden eine Fibel des sog. kurischen Typs,
eine byzantinische Silbermünze, eine Gagatperle, ein Bronzegewicht, ein
Knochengerät und mehrere skandinavische Schiffsniete sowie Keramik und
Knochen geborgen. Alle diese Funde belegen, daß nach der Aufgabe der zu
postulierenden wikingerzeitlichen Siedlung, die auch durch die aktuellen
Forschungen noch nicht genauer lokalisiert werden konnte, eine einheimische Siedlung der Prussen existiert hat, die zeitlich direkt an die skandinavische Siedlungsperiode anschloß.
Es deutet sich damit an, daß vom 8. bis zum 12. Jh. in Wiskiauten eine
Siedlung existierte, die im 9. und 10. Jh. unter skandinavischer Beteiligung
bestanden hat. Von diesen skandinavischen Siedlern zeugen weiterhin die
Gräber im Bestattungsplatz. Die Existenz eines Gräberfeldes der einheimischen Prussen direkt neben der Wikingergrabstätte läßt auf eine polyethnische Siedlungsgemeinschaft schließen. Die sicherlich größtenteils friedliche
Koexistenz läuft am Ende der Wikingerzeit in der Mitte des 11. Jhs. aus, die
Funktion als internationaler Handelsplatz mit weitreichenden Fernkontakten
bleibt der Siedlung aber erhalten. Diese Fernkontakte werden durch die Silbermünze aus Byzanz und die Gagatperle, aber auch durch aus Skandinavien
importierte Wetzsteine verdeutlicht.
Kooperationspartner: Archäologisches Landesmuseum Schleswig; Stiftung
Schleswig-Holsteinischer Landesmuseen Schloß Gottorf; Baltische Expedition des Archäologischen Instituts der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau • Leitung des Projekts: T. Ibsen (Schleswig) • Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen: Studierende der Universitäten Kiel und Kaliningrad.
Sitzungen und wissenschaftliche Veranstaltungen
Die Jahressitzung fand unter Vorsitz von Herrn von Schnurbein vom 23. bis
24. Februar in der Römisch-Germanischen Kommission statt. Dabei wurden
14 Gelehrte zu Korrespondierenden Mitgliedern des Deutschen Archäologischen Instituts gewählt. Zum Nachfolger von Siegmar von Schnurbein wurde
Friedrich Lüth gewählt.
Es fanden 13 Vortragsveranstaltungen statt. Die Kommission war ferner
Gastgeber für mehrere Kolloquien und Arbeitsgespräche.
Veröffentlichungen
Germania. Anzeiger der Römisch-Germanischen Kommission 83, 2005,
2. Halbband
Germania. Anzeiger der Römisch-Germanischen Kommission 84, 2006,
1. Halbband
Bericht der Römisch-Germanischen Kommission 86, 2005
Abteilung Kairo 93
Römisch-Germanische Forschungen 63: D. Krausse, Eisenzeitlicher Kulturwandel und Romanisierung im Mosel-Eifel-Raum. Die keltisch-römische
Siedlung von Wallendorf und ihr archäologisches Umfeld
Germanische Denkmäler der Völkerwanderungszeit, Serie B, 20: R. Pirling
– M. Siepen, Das römisch-fränkische Gräberfeld von Krefeld-Gellep. Der
Fundstoff aus den römischen Gräbern (Grabungen 1934–2002)
Corpus der römischen Funde im europäischen Barbaricum, Deutschland 6:
Land Sachsen-Anhalt
Internet-Zeitschrift http://www.spuren-der-jahrtausende.de 4/2006: G. Rasbach, Die ›Trabantenstadt‹. Ausgrabungen in Lahnau-Waldgirmes
Stipendien
Auf der Jahressitzung 2006 wurde Eva Rosenstock und Philipp von Rummel
das Reisestipendium zuerkannt.
Abteilung Kairo
Abb. 1 Elephantine, südöstliches Stadtgebiet. Bestattung der späten 1./frühen 2. Dyn.
(um 2800 v. Chr.)
Ausgrabungen und Forschungen
Elephantine
Die erste Siedlung auf Elephantine nahm nur geringen Raum ein, zu wenig
war den starken Flutschwankungen zu trauen. Wie ein im vergangenen Jahr
freigelegter Befund beweist, konnte die Nilflut im späteren 4. Jt. v. Chr. bis
auf eine Höhe von 99 m ü NN ansteigen und damit 14 m über dem derzeitigen Winterhöchststand liegen. Die besiedelbare Fläche während des Sommers
reduzierte sich somit auf kleinere Gebiete. Dies änderte sich im frühen 3. Jt.
v. Chr. und es ist dem Bau der Stadtmauer um 2800/2700 v. Chr. zu verdanken, daß einige Grabbefunde dieser frühen Zeit versiegelt und ungestört
erhalten blieben.
Aus der Zeit der späten 1./frühen 2. Dynastie (um 2800 v. Chr.) ist in einem Strudelloch eine in Leinenbahnen gehüllte Frau in einem aus zusammengebundenen Papyrusstengeln bestehenden Sarg bestattet worden (Abb. 1). An
den Hand- und Fußgelenken sowie am Hals trug sie Knochenperlenketten.
Als Beigaben besaß sie einen hölzernen Schminklöffel sowie ein kugeliges
Keramikgefäß. Ein ähnliches Gefäß hatte die zweite, kurz darauf eingebrachte
Bestattung eines Mannes als Beigabe, die auf eine Matte gebettet war. Diese
Zweitbestattung hatte als Besonderheit einen Haufen von Getreide als Kopfunterlage – eine naheliegende, aber in dieser Form in Ägypten bisher selten
belegte Form der Speisebeigabe.
Abschließende Nachuntersuchungen fanden in der Stadt des späten Alten
Reiches statt (2200–2150 v. Chr.). Das Pflaster des römischen Chnumtempelvorhofes ist unmittelbar auf den Schichten dieser Bebauung gegründet
(Abb. 2). Auffallend ist das durchgehend sehr starke Mauerwerk. Die Funde
dieser Räume erlauben keinerlei funktionale Zuweisung. Insgesamt paßt sich
diese neue Raumgruppe jedoch gut in das Bild der flächigen Parzellenbebauung des späten Alten Reiches und der frühen 1. Zwischenzeit (Abb. 3) ein,
94 Jahresbericht 2006 des DAI
in dem sich Wirtschaftsbereiche, Speicher- und Vorratsanlagen sowie äußerst
sorgfältig errichtete Räume ohne jegliche Bodenbefunde abwechseln. Weiterhin fehlen Parzellen, die man – vergleichbar mit späteren Epochen auf der
Insel – als abgeschlossene Wohnhauseinheiten ansprechen könnte. Die Anlage
dieser Architektur ist flächendeckend, übergreifend und somit wohl als staatlich geplant anzusprechen. Die Inventare hingegen zeigen eine Vielzahl von
Nutzungen des privaten Wohnbereiches.
An verschiedenen weiteren Plätzen führte das Schweizerische Institut Untersuchungen durch, so z. B. in den Siedlungsschichten des Neuen Reiches
sowie zur Baugeschichte des Chnumtempels und in den Schichten seiner Zerstörung und anschließenden Nachnutzung in frühchristlicher Zeit im 5. Jh.
n. Chr. Aus dem Fundament der ptolemäischen Vorhalle wurde hierbei eine
Anzahl von Blöcken mit bemerkenswert gut erhaltener polychromer Bemalung geborgen. Sie stammen überwiegend aus dem Tempelhaus Thutmosis III. (um 1450 v. Chr.), aber auch von seinen Nachfolgern sind verschiedene
Bau- und Dekorationsaktivitäten nachzuweisen (Abb. 4).
Im Rahmen der Aufarbeitung des Fundmaterials früherer Kampagnen
wurde die Arbeit an der epigraphischen und architekturgeschichtlichen Aufnahme am Satettempel des Mittleren Reiches und am griechisch-römischen
Chnumtempel, den Kleinfunden und der Lithik des 3.–2. Jts. v. Chr., den
Siegelfunden des Alten Reiches, der nubischen Keramik des 3. Jts. v. Chr., der
römischen und spätantiken Keramik, der griechischen Ostraka, Lederfunde,
Münzen, Textilien, Botanik und an den Tier- und Menschenknochen sowie
dem Glas fortgesetzt.
Kooperationspartner: Schweizerisches Institut für Ägyptische Bauforschung und Altertumskunde • Leitung des Projekts: G. Dreyer; D. Raue
(DAI, Abteilung Kairo), C. von Pilgrim (Schweizerisches Institut, Leitung vor
Ort) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: F. Arnold, J. Auenmüller, A. Bloe-
Abb. 2 Elephantine, Gebäudekomplex des
späten Alten Reiches und der 1. Zwischenzeit (um 2150 v. Chr.). Raumgruppe unter
dem Ostrand des Chnumtempelvorhofes
Abb. 3 Elephantine, Gebäudekomplex des
späten Alten Reiches und der 1. Zwischenzeit. Vorläufiger Gesamtplan (M. 1 : 400)
Abteilung Kairo 95
Abb. 4 Elephantine, Chnumtempel.
Bauteile des Neuen Reiches
(um 1450–1250 v. Chr.)
baum, R. Colman, R. Cortopassi, E. Delange, A. von den Driesch, E. Endenburg, E.-M. Engel, P. Ferschin, J. Gresky, Th. Hikade, M. Hoffmann, H. Jaritz,
A. Jonas, J. Jones, D. Keller, Ch. Kitagawa, P. Kopp, A. Kozak, E. LaskowskaKusztal, M. Lehmann, P. Matejowski, I. Milosavljevic, R. Neef, H.-Chr. Noeske, A. Paasch, J. Peters, B. von Pilgrim,V. Podsiadlowski, M. u. E. Rodziewicz,
N. Roumelis, M. Schultz, A.Veldmeijer, C.Vormelker, M. Weber, P. Windszus.
Felsinschriften der Region von Assuan
Die Arbeit zur archäologischen, epigraphischen und topographischen Erfassung der durch die moderne Stadtbebauung aufs äußerste gefährdeten pharaonischen Felsinschriften im Assuaner Gebiet konzentrierte sich auf einen
Platz südlich des modernen Stadtkerns Assuans, parallel zur modernen Straße
nach Philae. Diesen Ort zeichnen nicht nur Zahl und Dichte der Inschriften,
sondern vor allem eine ungewöhnlich lange Nutzungskontinuität durch das
Mittlere und Neue Reich hindurch (ca. 1950–1070 v. Chr.) aus.
Die epigraphische Arbeit hier bietet zahlreiche Herausforderungen. Nur
schwach in den grobkörnigen Granit eingeklopft sind die Inschriften schwer
zu erkennen und wo im Laufe der Zeit mehrere – bis zu vier – Texte übereinander angebracht wurden, ist es eine lohnende Aufgabe, den Befund möglichst vollständig wiederzugewinnen. Nach dem Abschluß der epigraphischarchäologischen Dokumentation ist mit nunmehr 77 Einzeltexten gegenüber
dem Dutzend bislang von dieser Stelle bekannter Inschriften ein substantieller Zugewinn zu verzeichnen.
Rund zwei Drittel der Inschriften stammen aus dem Mittleren Reich.
Neben kurzen Texten mit Namen, Titulatur und formelhaften Opfergebeten stehen etliche große Familientableaus und repräsentative Felsreliefs hoher
Funktionäre, die durch Königsnamen datiert sind. Prosopographisch handelt
es sich durchweg um Militärs (Abb. 5), ein Hinweis auf die Kontrolle des
Grenzgebietes, von dem auch Kampagnen nach Nubien ausgingen. Auch in
das Neue Reich (ca. 1550–1070 v. Chr.) datieren zahlreiche Inschriften. Hier
repräsentieren Felsreliefs der Vizekönige die Spitze der regionalen Administration. Daneben ist das Personal der Steinbrüche sowie der Tempelverwaltung belegt (Abb. 6).
96 Jahresbericht 2006 des DAI
Region von Assuan
Abb. 5 Felsinschrift eines Offiziers aus
dem Mittleren Reich, wie ein Verstorbener
ist er vor einem Opfertisch sitzend dargestellt
Abb. 6 Felsinschrift des Priesters Bekenchons anbetend vor der Triade des Karnaktempels: Amun, Mut und Chons
Entscheidend zum Verständnis der Inschriften ist insbesondere die früher
vernachlässigte Analyse der topographischen Situation. Eine ausgedehnte, archäologisch-epigraphische Geländebegehung ergab, daß die Inschriften einen Weg säumen, der die kürzeste und bequemste Verbindung zwischen der
Uferregion der Assuaner Bucht und der weiten Geländesenke der Steinbrüche und der Umgehungsstraße des Katarakts bildete und damit eine zentrale
Rolle im Wegenetz der Region einnahm. Die prominente Sichtbarkeit der
Inschriften zu Seiten dieser viel begangenen Straße machte den Ort zu einer
privilegierten Stelle der öffentlichen Repräsentation. Hinsichtlich der Entstehung eines öffentlichen Raumes im Alten Ägypten zeigen die Texte, wie persönliche Statusdarstellung stets in eine Matrix ritueller Formen eingebettet
war. Ihr religiöses Bezugssystem verschob sich jedoch vom Mittleren Reich,
als noch ganz aus ikonographischen und textuellen Formaten des Totenkults
geschöpft wurde, zum Neuen Reich hin zu Darstellungsformen aus dem Kult
der Götter, insbesondere des Assuaner Raumes.
Abteilung Kairo 97
Die landschaftsarchäologische Rekonstruktion des Raumes in Verknüpfung mit dem epigraphischen Befund bildet damit auch in Zukunft eine erstrangige Perspektive des Projekts.
Kooperationspartner: Freie Universität Berlin (Projektträger) • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: S. J. Seidlmayer (Ägyptologisches Seminar
der Freien Universität Berlin) • Mitarbeiter: M. Lehmann • Abbildungsnachweis: S. J. Seidlmayer (Abb. 5. 6).
Abb. 7 Theben-West, Nekropole von
Dra‘ Abu el-Naga. Blick über das Grabungsareal H. Durch Verlegung einer modernen
Mauer konnte ein größeres Grabungsareal
östlich der Reste der Pyramide des Königs
Nub-Cheper-Re Intef hinzugewonnen
werden, mit dessen terrassenförmiger
Ausgrabung im Herbst 2005 begonnen
wurde (im Vordergrund). Die Ruine der
Pyramide ist oberhalb der Holzdachkonstruktion in der rechten Bildmitte sichtbar
Theben-West, Nekropole von Dra‘ Abu el-Naga
Die Grabungskampagne 2005/2006 in Dra‘ Abu el-Naga verfolgte zunächst
das Ziel, innerhalb des seit 2001 untersuchten Areals H eine im Januar 2005 für
die Ausgrabung vorbereitete Fläche östlich der Pyramide des Nub-CheperRe Intef (Ende 17. Dynastie, ca. 1570 v. Chr.) auszugraben. Nach einer detaillierten geodätischen Aufnahme dieser neuen Fläche wurde mit einer terrassenförmigen Ausgrabung derselben begonnen (Abb. 7). Die geodätische
Aufnahme des gesamten Areals stellt die Basis für eine photorealistische Animation und teilweise Rekonstruktion des Grabungsgeländes nebst der unterirdischen Grabanlagen dar, die derzeit in Vorbereitung ist. Die diesjährige
Grabung ergab dabei erwartungsgemäß keine substantiellen Ergebnisse: Die
alte Felsoberfläche ist hier von einer bis zu 4 m mächtigen Schicht aus Nekropolenschutt bedeckt, der an keiner Stelle vollständig abgegraben werden
konnte.
Außerdem wurde die Ausgrabung einiger im Jahr 2003 entdeckter Schachtgräber im Südwesten der Pyramide des Nub-Cheper-Re Intef fortgesetzt.
98 Jahresbericht 2006 des DAI
Die Anlagen K03.1, K03.3 und K03.6 liegen inmitten des Gräberfeldes, das
schon seit längerem bearbeitet wird und in dem u. a. das nahezu vollständig
erhaltene Sargensemble des Imeni und der Geheset geborgen werden konnte
(s. AA 2006/2, 190 f.). Während eine der Anlagen (K03.1) nach Ausweis des
stark gestörten Inventars sicher zur jüngeren Belegungsphase dieses Friedhofsabschnitts zu zählen ist (d. h. an die Wende von der 17. zur 18. Dynastie, um
1550 v. Chr.), datieren die beiden anderen in die 1. Hälfte der 13. Dynastie
(ca. 1700 v. Chr.). Bemerkenswert ist die interne Belegungsgeschichte der
Anlage K03.3: Sie war nach der in ihr aufgefundenen Keramik ursprünglich in der früheren 13. Dynastie angelegt, dann aber am Ende der 17., in der
18. und schließlich in der 20./21. Dynastie wiederbenutzt worden. Dabei
wurden offensichtlich die während der späteren Benutzungsphasen vorgefundenen älteren Bestattungen und deren Ausstattung nicht entfernt, sondern
lediglich zur Seite geräumt.
Parallel zu den Ausgrabungen wurden verschiedene Untersuchungen in
Zusammenhang mit dem Sargensemble des Imeni und der Geheset durchgeführt: A. Loprieno konnte die umfangreichen Inschriften der Särge untersuchen (Abb. 8). Die in den Inschriften des Imeni-Sarges wiedergegebenen
Sargtexte enthalten demnach einige Sprüche, die bislang nicht bekannt waren,
so daß bei der Zusammenstellung derselben von einer örtlichen thebanischen
Redaktion ausgegangen werden muß. R. Neef und V. Podsiadlowski führten
botanische Analysen der bei den Särgen des Imeni und der Geheset benutzten
Holzarten durch. Dabei ergab sich, daß alle größeren für die Herstellung des
Sarges des Imeni verwendeten Teile aus Sykomorenholz bestehen. Für den
Sarg der Geheset kam fast ausschließlich das Holz des Christdorns zur Anwendung – grundsätzlich wurden also heimische, keine Importhölzer für die
Herstellung der Särge benutzt.
Während der Ausgrabung der Grabanlage K03.4, aus welcher die Särge
stammen, fanden sich zahlreiche Knochen und ein Schädel in unmittelbarer
Nähe des Sarges. Bereits bei der Bergung der Knochen wurde davon ausgegangen, daß es sich dabei um die Reste der Leiche der Geheset handeln
könnte, die von Grabräubern aus dem Sarg entfernt und auf der Suche nach
wertvollen Amuletten vor Ort zerstört worden war. Die nun erfolgte anthropologische Untersuchung bestätigte die Vermutung vollauf, das Skelett konnte mit Ausnahme einiger Langknochen rekonstituiert werden. Demnach war
die Frau bei ihrem Tod zwischen 50 und 60 Jahre alt, etwa 1,5 m groß und
afrikanischer, vermutlich sudanesischer Herkunft (Abb. 9).
Leitung des Projekts: D. Polz • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: A. Kilian, E. Kruck, A. Loprieno, J. Lücke, S. Michels, U. Rummel, A. Seiler,
S. Voß, P. Collet, E. Hower-Tilmann, A. Nerlich, A. Zink, M. Maschke,
R. Neef, V. Podsiadlowski, E. Peintner, P. Windszus • Abbildungsnachweis: DAI-KAI (Abb. 7–9).
Theben-West, spätantike-koptische Klosteranlage Deir el-Bachit von Dra‘ Abu el-Naga
Im Herbst 2005 fand in Deir el-Bachit, der größten bislang bekannten spätantik-koptischen Klosteranlage auf der Westseite Thebens in Oberägypten, eine
Kampagne zur exemplarischen Untersuchung einer im Frühjahr 2005 gefundenen koptischen Mönchsmumie statt. Außer einem Lendenschurz und
einem dünnen Totenhemd war der Leichnam in vier grobe Leinentücher
eingeschlagen, die zum Schluß sehr kunstvoll mit rot-weißen Bändern verschnürt wurden. Die pathologische Untersuchung vor Ort ergab, daß der
Mönch im Alter zwischen 40 und 60 Jahren verstorben ist und daß er unter
einer Skoliose und mehreren Zahnabszessen gelitten hat.
8
9
Theben-West, Nekropole von
Dra‘ Abu el-Naga
Abb. 8 Sarg des Imeni, die beiden Hieroglyphen sind Teil einer Inschriftkolumne auf
der Innenseite des Sargdeckels und geben
die en face Darstellung eines Gesichts und
die Abbildung eines Herzens wieder
Abb. 9 Schädel der Geheset, das durch
Grabräuber stark zerstörte Skelett der
Geheset konnte fast komplett rekonstituiert werden. Auch der Schädel ließ sich
nahezu vollständig zusammensetzen. Die
Aufnahme läßt das ungewöhnlich gut
erhaltene Gebiß der Geheset erkennen – die
fehlenden Zähne sind das Ergebnis der
Zerstörungen durch die Grabräuber
Abteilung Kairo 99
Abb. 10 Theben-West, spätantike-koptische Klosteranlage Deir el-Bachit von Dra‘
Abu el-Naga. Tonnengewölbte Speicherbauten
Abb. 11 Theben-West, spätantike-koptische Klosteranlage Deir el-Bachit von Dra‘
Abu el-Naga. Nekropole, Mumie eines koptischen Mönches
Im Frühjahr 2006 folgte eine knapp vier Monate dauernde Ausgrabungskampagne in Deir el-Bachit. Im Anschluß an die 2005 ergrabenen Areale
wurde die Grabung auf den südlichen Terrassen der Klosteranlage fortgesetzt.
Kleinere Sondagen unter den Fußböden der in den Vorjahren bereits ausgegrabenen Räume ergänzten die Grabungstätigkeit dieses Jahres.
Auf den südlichen Terrassen sind zwei Schnitte angelegt worden. Ausgegraben wurde ein großer Raum, in dem sich zwei Webstuhlgruben und aneinandergereihte Vorratsbehälter aus Lehm befanden. In einer späteren Phase
wurden kleinere Einbauten vorgenommen, die wohl im Zusammenhang mit
einer Lederwerkstatt stehen, da sich hier zahlreiche Lederabfälle fanden. In
dieser späten Phase wurden für die Einbauten außerdem mit pharaonischen
Inschriften dekorierte Blöcke als Spolien wiederverwendet.
Daneben ist unter dem Plattenboden im östlichen Umgang des sog. Zentralgebäudes die wohl älteste Phase des Klosters ergraben worden: Hier fanden sich zwei in Ost-West-Richtung angelegte, innen sorgfältig mit Lehmschlamm verputzte Tonnengewölbe, die als Speicherbauten anzusprechen sind
(Abb. 10). Sie wurden in einer späteren Phase zugeschüttet und mit dem
Plattenboden des Umgangs überdeckt.
Die bereits im Frühjahr begonnene Grabung in der zugehörigen Nekropole des Klosters konnte fortgesetzt werden. Hier sind weitere in Nord-SüdRichtung angelegte Grabreihen aufgedeckt worden, die durch schmale Wege
voneinander getrennt werden. In den rechteckigen und von Lehmmauern
eingefaßten Grabgruben kamen weitere intakte Mumien von Mönchen zutage (Abb. 11).
Neben den Grabungsarbeiten fanden in diesem Jahr erstmals auch im Magazin Untersuchungen der bisher gefundenen koptischen Ostraka und Papyri
statt. Außerdem erfolgten die Restaurierung einiger herausragender Objekte
sowie die Konservierung mehrerer koptischer Stoffe.
Kooperationspartner: Ludwig-Maximilians-Universität München • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: G. Burkard, I. Eichner • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: T. Beckh, R. Fey, G. Herdt, S. Hodak, C. Holler,
C. Jones, E. Petersmark, S. Richter, J. Sigl, A. Zink • Abbildungsnachweis:
Ludwig-Maximilian-Universität München (Abb. 10. 11).
100 Jahresbericht 2006 des DAI
Theben-West, Memnon Kolosse und Totentempel Amenophis’ III.
Die Arbeiten der »Mission International des Colosses de Memnon et Conservation du Temple d’Amenhotep III« wurden mit Unterstützung des DAI im
Frühjahr 2006 mit einer 8. Kampagne am Totentempel Amenophis’ III. weitergeführt. Neben den Grabungsarbeiten konnten die Dokumentation, die
Studien der älteren Befunde und die Konservierung der Statuen und Funde
fortgesetzt werden.
Parallel dazu begann die erste Phase des »Dewatering Projects« im Bereich
des Peristylhofes und der Hypostylen Halle (Abb. 12). Damit wurde am Ende
der Kampagne der Grundwasserspiegel erfolgreich um 3,50 m abgesenkt.
Daran schloß sich eine Kampagne der Geländekonservierung an, in der die
Gräben im Grabungsbereich unter Beachtung der originalen Bodenverhältnisse wieder geschlossen und die Oberfläche geschützt wurde.
Um Peristyl und Hypostyl kamen in den Entwässerungsgräben wie auch
in den Planquadraten der Ausgrabung im Bereich der Außenmauern 41 Statuen der Göttin Sachmet zutage, allein 17 fanden sich im Zerstörungsgraben
der Außenmauer in einem Planquadrat der Nordhälfte der Ostportikus des
Peristyls (Abb. 13).
Der Entwässerungsgraben im Süden des Peristyls mußte geändert werden,
um Fundamentblöcke aus Kalkstein zu erhalten, die nicht versetzbar waren.
Dabei mußte der Graben eine Bankette schneiden, die vor ca. 10 Jahren vom
Antikendienst angelegt worden war. Direkt darunter fand sich ein herrlicher
monumentaler Kopf Amenophis’ III. aus rotem Assuangranit, der schönste
und besterhaltene seiner Art (Abb. 14). Teile des Torsos dieser kolossalen Sta-
Abb. 12 Theben-West, Memnon-Kolosse
und Totentempel Amenophis’ III.
Entwässerungsarbeiten am Totentempel
Abteilung Kairo 101
14
Theben-West, Memnon-Kolosse und Totentempel Amenophis’ III.
Abb. 13
Sachmetstatuen im Grundwasserbereich
Abb. 14
Kopf einer Monumentalstatue Amenophis’ III.
13
tue, die früher von Steinräubern zerschlagen worden war, sind erhalten und
werden zusammengesetzt. Ein kleinerer Königskopf von einer stärker beschädigten lebensgroßen Statue fand sich in dem Abwassergraben nördlich des
Peristyls. Beim graduellen Absenken des Wassers, konnten die Planquadrate
im Peristyl Nord und Ost tiefer ausgegraben werden als bisher. Im Norden
kamen große Architekturteile zutage, u. a. Architravblöcke, Fragmente von
Säulen und erstmals die Fundamente der starken Außenmauern.
Am 2. Pylon wurde die Freilegung des nördlichen Turmes fortgesetzt. Der
450 t schwere Torso des nördlichen Kolosses vor diesem Pylon, der im letzten
Jahr mittels Luftkissen um 3,12 m angehoben worden war, wurde nochmals
behandelt und dann ebenfalls mit Luftkissen auf Stahl- und Holzschienen
11,50 m weit nach Nordosten bewegt. Die Fragmente des Kolosses und seiner Basis mit einzigartigen Darstellungen von Fremdvölkern konnten teilweise zusammengefügt und untersucht werden.
An den Memnon-Kolossen wurde die Untersuchung der Polychromie
durch eine Spezialistin vollendet. Am nördlichen Koloß ist eine Detailanalyse
der Steinschichten durchgeführt worden, verbunden mit einer Analyse der
Art und Herkunft der Steine. Auf der Nordseite wurde als Fortsetzung der
Untersuchung der mächtigen Fundamentblöcke der letzten Jahre ein weiterer
kleiner Schnitt angelegt.
Kooperationspartner: Supreme Council of Antiquities • Förderung: Association des Amis des Colosses de Memnon; Förderverein Memnon; American Research Center in Egypt; World Monuments Fund®Robert W. Wilson
102 Jahresbericht 2006 des DAI
Challenge to Conserve Our Heritage und Mr. Jack A. Josephson, supporter
of the World Monuments Fund • Leitung des Projekts: H. Sourouzian •
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: A. Abdelghaffar, F. Adrom, S. Bakhyt Abdel
Hafez, A. u. O. Chéné, J. Dorner, M. El-Dorry, M. El-Essawy, Th. Gayer-Anderson, M. Haase, N. Hampikian, A. Hasan, T. Hasan Ibrahim, E. Kamimura,
M. Khaled, U. Köhle, U. Lewenton, M. Lopez, B. Madden, J. Meier, Ch. Mende, I. Noureddine, C. Perzlmeier, M. Seco Alvarez, A. Schlüter, R. Stadelmann
• Abbildungsnachweis: H. Sourouzian (Abb. 12–14).
Abydos, Umm el-Qaab
Im prädynastischen Friedhofsabschnitt U wurden neun Bestattungen geborgen, die bei der Freilegung der Gräber für anthropologische Untersuchungen zunächst am Ort belassen worden waren. Sie können sämtlich der Stufe
Naqada I zugeordnet werden. Neben einem Kind waren sieben männliche
und ein weibliches Individuum zu bestimmen. Auffälligerweise zeigen drei
der männlichen Bestattungen an den Unterarmen (verheilte) Verletzungen,
die sie sich bei der Abwehr eines Schlages durch erhobene Arme zugezogen
haben dürften. Diese drei Fälle sind die bisher einzigen Beispiele für derartige
Verletzungen im Friedhof U.
Vom Grab des Königs Djer (1. Dynastie, um 2950 v. Chr.), das seit dem
Mittleren Reich als Begräbnisstätte des Totengottes Osiris galt, wurden die
Mauerkronen der Königskammer bis ca. 60 cm Tiefe freigelegt, wodurch
auch die Oberkanten einiger der inneren Zungenmauern sichtbar wurden,
die auf der Ost-, Nord- und Westseite an einen zentralen Holzschrein führten
(Abb. 15). Die Größe der Königskammer beträgt ca. 17 m × 18 m, die Ausmauerung ist etwa 2,60 m stark. Die durchweg rot verbrannten Seitenwände
sind zwar nach innen etwas ausgebrochen, am Außenrand sind aber allseitig
noch Abschnitte vom Deckenverputz vorhanden. Er liegt nur wenig tiefer als
das umgebende Wüstenniveau. Anders als im Grab des Nachfolgers Wadj gab
es also keinen in der Grabgrube versteckten Tumulus. Von der Abdeckung
sind vor allem auf der Südwand noch einige Balkenlöcher (z. T. mit verkohlten Holzresten) erhalten. Die Nord-Süd im Abstand von 15–20 cm verlegten
Balken hatten Durchmesser von 12–24 cm. Darüber befanden sich Schilfmatten und zwei Ziegellagen als Deckschicht.
Abb. 15 Abydos, Königsfriedhof Umm elQaab. Grab des Königs Djer, Königskammer
Abteilung Kairo 103
16
17
Abydos, Königsfriedhof Umm el-Qaab
Abb. 16 Spielstein aus dem Grab des
Königs Djer, Elfenbein
Aus der Grabfüllung und den mit Material aus dem Friedhof B vermischten Schutthalden wurden neben großen Mengen an Keramik, zahlreichen
Siegelabrollungen, Pfeilspitzen, Elfenbeinfragmenten (Abb. 16) und zwei beschrifteten Anhängetäfelchen auch verschiedene in Zusammenhang mit dem
Osiriskult stehende Objekte geborgen, u. a.Teile eines Hörneraltars, Scherben
von beschrifteten Gefäßen und Votivgaben. Besonders interessant sind einige
Fragmente aus kristallinem Kalkstein, die wahrscheinlich von der Wanne und
dem Deckel eines sehr großen Sarkophages stammen. Auf einem Stück ist
noch eine ausgehackte Kartusche erhalten, in der das Re-Zeichen – wie bei
den Inschriften des von E. Amélineau in der Königskammer gefundenen Osirisbettes – ausgespart wurde (Abb. 17). Weitere Fragmente aus dem gleichen
Material erwähnen sowohl E. Amélineau wie F. Petrie. Es liegt nahe, daß sie
alle von einem zu der Osirisstatue gehörenden Sarkophag stammen.
Am Grab des Königs Semerchet (1. Dynastie, um 2850 v. Chr.) wurde
der Rampenzugang zur Königskammer untersucht und die Umgebung des
Grabes im Osten und Süden gereinigt. Die etwa 4 m breite Rampe setzt ca.
10 m östlich des Grabes an. Bis zur Grabaußenmauer hat sie ein Gefälle von
ca. 12º, setzt sich dann aber in unregelmäßigen Abstufungen sehr steil bis in
den Eingang der Königskammer fort (Abb. 18). Im Vergleich mit den anderen
Gräbern der 1. Dynastie, die seit Dewen alle eine Ziegeltreppe aufweisen, ist
dieser auffällige Befund wahrscheinlich damit zu erklären, daß eine solche
Treppe erst zuletzt, nach der Ausstattung der Grabkammer mit dem großen
Holzschrein, hätte eingebaut werden sollen. Wie auch die Ausführung der
z. T. unverputzten Nebengräber zeigt, standen die Bauarbeiten aber unter so
großem Zeitdruck, daß es nicht mehr dazu kam. Besonders auf dem oberen
Rampenabschnitt fanden sich mehrere, zumeist vollständige Tongefäße zusammen mit Matten- und Holzresten sowie Korbabdrücken. Wie ähnliche
Deponierungen beim Grab des Dewen sind sie vermutlich mit der Freilegung
und Restaurierung der Grabanlagen im Mittleren Reich in Zusammenhang
zu bringen.
Förderung: DFG • Leitung des Projekts: G. Dreyer • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: F. Barthel, C. Benavente, J. Bock, A. u. U. Effland, E.-M. Engel,
Abb. 17 Sarkophagfragment mit ausgehacktem Königsnamen, von dem nur das
Re-Zeichen (Sonne) ausgespart ist
Abb. 18 Rampenzugang zur Königskammer des Königs Semerchet
18
104 Jahresbericht 2006 des DAI
A. Fahmy, R. Hartmann, U. Hartung, Ch. Hochstrasser-Petit, A. Hohlbein,
J. Jones, Ch. Kitawaga, I. Köhler, K. Köster, C. Lacher, E.-S. Lincke, V. Müller,
D. Schulz, A. von den Driesch, P. Windszus, A. Zink • Abbildungsnachweis:
DAI-KAI (Abb. 15–18).
Dahschur, Taltempel und andere Anlagen um die Knickpyramide
Die Arbeiten in Dahschur konzentrierten sich im Herbst 2005 zum einen auf
die abschließende Aufmessung aller Mauern und verstürzten Blöcke des Taltempels, zum anderen auf die Freilegung und Vermessung der Ziegelmauern
des Temenos und der durch diesen eingeschlossenen Wohnbauten.
Die Außen- und Innenfassaden des Tempels wurden anschließend nochmals digital photogrammetrisch zur Erstellung eines dreidimensionalen Planes
aufgenommen. Im offenen Festhof konnten auch die tonnenschweren Umrahmungsblöcke der Pfeiler dreidimensional aufgenommen und so angeordnet werden, daß sie in der nächsten Kampagne an ihren ursprünglichen Plätzen einzufügen sind. Mit Zustimmung der Antikenverwaltung durfte die entstellende moderne Mauer im Magazintrakt entfernt werden. Im südlichen
Tempelteil wurde das Vestibül mit den beiden Ausgängen nach Westen zum
Pyramidenaufweg und nach Osten zu dem zum Tal führenden Ziegelaufweg gereinigt und aufgemessen. Der Talaufweg ließ sich in zwei entfernteren
Schnitten verfolgen. Vor der Südwand des Tempels wurden die beiden Stelen
wieder aufgerichtet. Sie stehen jeweils in einem aufwendigen Rahmen von
vier gewaltigen, monolithen Kalksteinblöcken (Abb. 19). Bau-Graffiti auf der
Innenseite dieser Rahmenblöcke belegen ein Datum nach dem 30. Regierungsjahr des Snofru und dem Baubeginn der Nördlichen Pyramide. Die
Spitze der westlichen Stele ist komplett abgeschlagen; vielleicht finden sich
die Fragmente unter den Dekorationselementen, die A. Fakhry 1956 in ein
Magazin nach Giza transportieren ließ. Auf den Stumpf der östlichen Stele
wurden zwei größere Fragmente aufgesetzt, die in den vergangenen Kampagnen gefunden worden waren.
Abb. 19 Dahschur, Taltempel der Knickpyramide
Abteilung Kairo 105
Auf der Nordseite des Tempels wurde eine großräumige Wohnanlage mit
dicken, weiß verputzten Mauern und Säulenbasen freigelegt; vermutlich handelt es sich um eine königliche Tempelsakristei. Von dort aus zieht ein breiter,
etwa 50 cm tief aufgemauerter Ziegelaufweg nach Norden; er hatte ursprünglich eine Seitenbegrenzung aus Stein, die ausgeraubt ist. Etwa 200 m nördlich
kam eine typische Arbeitersiedlung zutage; der Aufweg zieht sich aber weiter
in Richtung der Nördlichen Pyramide hin.
Leitung des Projekts: R. Stadelmann • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen:
M. Lopez, C. Perzlmeier, M. Seco Alvarez • Abbildungsnachweis: DAI-KAI
(Abb. 19).
Dahschur, Residenznekropole des Alten Reiches
Im Tal nördlich der Pyramide Amenemhets II. und östlich der Roten Pyramide konnte die 2002 begonnene Ausgrabung eines Friedhofes der fortgeschrittenen 4. und 5. Dynastie fortgesetzt werden. Insgesamt wurden in einem
45 m × 30 m großen Gebiet sieben mittelgroße und große Mastabas (arab.
Bank) freigelegt (Abb. 20). Der Schwerpunkt der diesjährigen Kampagne lag
auf der Ausgrabung der Grabschächte (Abb. 21). Um ein zusammenhängendes Bild von der Belegung eines Grabes zu bekommen, wurde entschieden,
die Schächte zweier großer Gräber vollständig auszugraben. Ein neun Meter
tiefer, unberührter Hauptschacht führte zu einer im Süden gelegenen Grabkammer. Die ehemals in einem Holzsarg untergebrachte männliche Bestattung war durch die Bodenfeuchtigkeit in schlechtem Zustand. Beigegeben
wurden dem Begräbnis ein Teller und 15 Miniaturtellerchen aus Keramik
(Abb. 22). Eine Nebenbestattung in demselben Grab war ebenfalls ungestört.
Sie fand sich aber wesentlich besser erhalten, weil sie nur 3 m in den Boden
abgetieft worden war. Die in Tücher gehüllte weibliche Bestattung lag kontrahiert in einer hölzernen Sargkiste (Abb. 23). Die Bestattung enthielt keine Beigaben und demonstriert damit die unterschiedliche Ausstattung von
Haupt- und Nebenbestattungen. Neben dem Studium der Grabsitte sind die
regelmäßig auf den Schachtböden angetroffenen Keramik- und Aschefunde
von großem Interesse. Sie können als Relikte von in den Schächten und beim
Bestattungsfest durchgeführten Ritualen interpretiert werden. Große Bedeutung hat auch eine neu entdeckte Statuettenbasis eines »königlichen WabPriesters« namens Kai-cher-Ptah, denn der Priestertitel bestätigt die These,
daß es sich bei den Besitzern der Gräber um die Bewohner der nördlichen
Abb. 20 Dahschur, Residenznekropole
des Alten Reiches. Plan der im Talfriedhof
freigelegten Gräber (M. 1 : 500)
106 Jahresbericht 2006 des DAI
22
21
Pyramidenstadt des Snofru handelt. Die dort ansässigen Priester hielten den
Kult an der Roten Pyramide des Snofru über 400 Jahre aufrecht.
Im Wadifriedhof wurde von H. Becker (Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege) eine geomagnetische Prospektion durchgeführt. Das erstellte Magnetogramm umfaßt ein Gebiet von ca. 400 m (Nord-Süd) × 300 m und zeigt
eine dichte Bebauung des Tales mit mittelgroßen und großen Lehmziegelmastabas. Die Kombination aus geomagnetischer Prospektion und Geländebegehung zeigt insgesamt eine Belegung des Friedhofes von der Mitte der 4. bis
zur 6. Dynastie (2600–2200 v. Chr.) und ein räumliches Wachstum sowohl
von Westen nach Osten wie vom Zentrum des Wadis nach Süden.
Bei einer Geländebegehung in Dahschur-Nord und Dahschur-Süd wurden zahlreiche bisher unbekannte unfertige Pyramidenanlagen und Elitegräber identifiziert und kartiert. Durch die Oberflächenkeramik können die
Monumente eindeutig als Anlagen der 13. Dynastie (um 1800 v. Chr.) angesprochen werden. Von besonderem Interesse sind bisher unbekannte Pyramidenausschachtungen in der Umgebung der Pyramide des Chendjer in
Dahschur-Nord/Saqqara-Süd. Südwestlich der ›Unvollendeten Pyramide‹
liegt ein ausgedehnter Friedhof mit Mastabagräbern der 13. Dynastie. In der
Literatur unerwähnt blieben bisher auch zahlreiche Elitegräber der 13. Dynastie, die sich exponiert auf Hügelkuppen im Gebiet zwischen der Pyramide
des Imeni-Qemau in Dahschur-Süd und Mazghuna befinden.
Kooperationspartner: Freie Universität Berlin (Projektträger) • Förderung:
DFG • Leitung des Projekts: S. J. Seidlmayer, N. Alexanian (Grabungsleitung)
• Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: M. Beer, D. Blaschta, R. Bußmann,
R. Döhl, J. Goischke, M. Lehmann, E. Messmer, R. Schiestl, M. Schmidt •
Abbildungsnachweis: Freie Universität Berlin (Abb. 20–23).
Saqqara
Am Grab des Ninetjer, des 3. Königs der 2. Dynastie (um 2700 v. Chr.), konzentrierte sich die Grabungstätigkeit im Frühjahr 2006 auf die Suche nach
Resten eines tumulusartigen Oberbaus, der aufgrund der Befunde an Königsgräbern der 1. und 2. Dynastie in Abydos und der ersten Baustufen des
Djoserkomplexes auch hier vorhanden gewesen sein muß.
23
Dahschur, Residenznekropole des Alten
Reiches
Abb. 21 Blick auf die Lehmziegelmastabas
und Grabschächte
Abb. 22 Beigaben einer Hauptbestattung
aus dem Talfriedhof
Abb. 23 Unversehrte Nebenbestattung
einer Frau
Abteilung Kairo 107
Abb. 24 Saqqara, Grab des Königs
Ninetjer. 2. Dynastie (um 2700 v. Chr.).
Lage des Grabes am Unas-Aufweg
Zunächst wurde ein bereits von P. Munro teilweise aufgedeckter Mauerzug aus kleinen Kalksteinbrocken auf der Kante eines bis zu 1 m hohen gebel
(Fels)-Abstichs wieder freigelegt. Abstich und Steinsetzung verlaufen in ca.
17–18 m Abstand etwa parallel zur Südmauer des Unas-Aufweges und reichen nach Westen bis dicht an den Totentempel des Unas (Abb. 24). Im Osten
knickt der Abstich etwa 2,50 m vor der Einfassung der Schiffsgruben des
Unas nach Süden ab und verläuft dann dicht hinter den Schiffsgruben wieder
nach Osten. Damit ist eindeutig, daß Abstich und Steinsetzung erst in Zusammenhang mit den Baumaßnahmen des Unas erfolgten, um das Gelände gegen
höher anstehende Formationen im Süden abzugrenzen.
Da es in der Abstichkante keine Lücken von der Freistellung eines Felskerns
für den Ninetjer-Oberbau gibt, kann der Oberbau nur auf höherem Niveau
auf den leicht nach Süden ansteigenden gebel gegründet gewesen sein. Um
festzustellen, ob davon noch Spuren vorhanden sind, wurde im Bereich der
unterirdischen Grabkammer, ein ca. 25 m langer Schnitt in Ost-West-Richtung angelegt, in dem ca. 3,50 m unter der Oberkante anstehender Schichtung der gewachsene gebel erreicht wurde. Unmittelbar darauf kamen jedoch
Abschnitte einer ca. 2,50 m breiten Mauer aus großformatigen Ziegeln mit
Stempeln des Haremhab (späte 18. Dynastie) zutage. Innerhalb des Schnitts
ließ sich diese etwa Ost-West orientierte Mauer über 23 m verfolgen und
am Westende des Schnitts war anhand der gerade noch erhaltenen inneren
Südostecke zu erkennen, daß es sich dabei wohl um eine Umfassungsmauer
handelt, die einen weiter südlich anzunehmenden größeren Baukomplex eingegrenzt haben dürfte. Spätestens bei der Errichtung dieser Umfassungsmauer sind wahrscheinlich alle bis dahin eventuell noch vorhandenen Spuren des
Ninetjer-Oberbaus vollständig abgetragen worden.
Die Mauer des Haremhab scheint aber keinen langen Bestand gehabt
zu haben. Eingetieft in ihren Ziegelversturz fanden sich zwei Bestattungen
in Holzsärgen, die wahrscheinlich in die 19./20. Dynastie zu datieren sind.
108 Jahresbericht 2006 des DAI
25
Einer der Särge war mit reichen Beigaben ausgestattet, u. a. mit zwei verzierten Schminklöffeln (Abb. 25) und einem Schminknapf in Fischform aus Holz,
einer Perücke, zwei Alabastergefäßen und mehreren Tongefäßen.
Oberhalb der Bestattungen folgt eine Lage Flugsand und dann eine dikke taffl (Tonschiefer)-Packung, auf der einige Kalksteinplatten eines Pflasters
aufliegen, das wohl einer ramessidischen Grabanlage zuzuweisen ist, zu der
vermutlich auch ein am Ostende des Schnitts befindlicher Schacht aus gut
behauenen Kalksteinblöcken gehörte. Von dieser Grabanlage könnte zudem
das im Schnitt verworfen aufgefundene Unterteil einer Sitzstatue eines Mannes und seiner Frau stammen.
Im Grab wurde u. a. eine vermutlich in die 3. Zwischenzeit zu datierende
Bestattung in einer sekundär ausgehauenen Grube vor Kammer I 300 untersucht. Dabei stellte sich heraus, daß sie drei eng verschachtelte Holzsärge
enthielt, von denen der äußere aber an Kopf- und Fußende durch grobes
Abhacken gekürzt worden ist (Abb. 26). Offenbar hatte sich erst beim Einbringen gezeigt, daß die Grube nicht lang genug war. Der äußere, stärker
beschädigte Sarg, ist aus Palmholz gefertigt, die beiden anderen aus Sykomorenholz (Abb. 27). Wie Aufschriften auf den inneren Särgen zeigen, gehörten
sie einem Priester namens Nes-Imen-(m)-Ipet.
Kooperationspartner: P. Munro (Freie Universität Berlin/Technische Universität Hannover) • Leitung des Projekts: G. Dreyer • Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen: C. Lacher, M. Hartwig, D. Raue, S. Boos, E. Peintner,
A. Quast, A. Rifaat Isa, M. Ali Ibrahim, P. Windszus • Abbildungsnachweis:
DAI-KAI (Abb. 24–27).
Matariya/Heliopolis
Heliopolis bildet einen der zentralen Orte der pharaonischen Kultur, jedoch
ist aufgrund der Landeigentumsverhältnisse im Haupttemenos das Innere des
größten Tempelbezirks Altägyptens (1100 m × 450 m) bisher weitgehend unerforscht. An der Oberfläche ist, abgesehen vom Obelisken Sesostris’ I. (um
1950 v. Chr.), kaum etwas zu sehen.
Auf Einladung des für das Stadtgebiet zuständigen Departments des ägyptischen Antikendienstes begannen die Arbeiten im nordwestlichen Teil des
Tempelbezirks (Abb. 28). Von diesem Tempelteil war bislang lediglich durch
Beschreibungen des 19. Jhs. bekannt, daß dort Sphingenfragmente von gewaltiger Größe gesehen worden waren.
Parallel zur Grabung wurden Bohrungen im Grabungsareal durchgeführt.
Sie erbrachten überraschende Einsichten in die wegen des hohen Grundwasserspiegels nicht mehr erreichbaren Schichten. Unter Schichten des Alten und
26
27
Saqqara, Grab des Königs Ninetjer.
2. Dynastie (um 2700 v. Chr.)
Abb. 25 Schminklöffel, Beigabe aus einem
Sarg des Neuen Reiches
Abb. 26 Bestattung der 3. Zwischenzeit in
einer Grube im Grab des Ninetjer
Abb. 27 Mumienmaske vom inneren Sarg
des Nes-Imen-(m)-Ipet aus der 3. Zwischenzeit
Abteilung Kairo 109
Abb. 28 Matariya/Heliopolis, Tempelruine
im nordwestlichen Temenosbereich
29
30
Matariya/Heliopolis
Abb. 29 Kopf einer Statue Sesostris’ I.
(um 1950 v. Chr.)
Abb. 30 Sitzbildnis Ramses’ II.
(um 1250 v. Chr.)
Mittleren Reiches sowie einer Bauschicht der Hyksoszeit (um 1650 v. Chr.)
liegt ein Landschaftsausschnitt des 4. und wohl auch noch früheren 3. Jts. mit
einem Seen- oder Sumpfverlauf innerhalb des späteren Haupttempels von
Heliopolis vor. Es sollte zukünftig weiter verfolgt werden, ob die Schöpfungslegende von Heliopolis mit dem Bestandteil des Urhügels möglicherweise
durch topographische Besonderheiten des 4. Jts. v. Chr. inspiriert wurde.
Zahlreiche Bauteilfragmente aus Kalkstein bilden über diesen Straten eine
dichte Deckschicht. Mehrere Stücke weisen Reliefreste des Echnaton und der
Nofretete (um 1350 v. Chr.) auf und illustrieren, wie der Sonnentempel von
Heliopolis als einziger der alten Göttertempel Ägyptens auch in der Amarnazeit seinen Bestand hatte.
Diese Blöcke gelangten als Baumaterial in das folgende Großprojekt, das
Ramses II. (um 1250 v. Chr.) in diesem Teil des Temenos realisierte. Über den
Hauptkult in diesem Tempel lassen sich keine bestimmten Aussagen machen.
Möglicherweise spielte in ihm Isis, die auf einem Architrav genannt wird, eine
besondere Rolle.
Im Bereich der Ausgrabung deuten die zahlreichen Belege monumentaler
Königsplastik von zwei- bis vierfacher Lebensgröße auf einen Festhof hin. Bei
diesen Kolossalstatuen aus Rosengranit handelt es sich offenbar um eine Wiederaufstellung in jüngerem Kontext, denn stilistisch können die Königsköpfe
in die Zeit Sesostris’ I. (um 1950 v. Chr.) datiert werden. (Abb. 29).
Diese statuarische Monumental-Ausstattung wurde durch zumindest eine
weitere Statuenaufstellung Ramses’ II. ergänzt (Abb. 30). Es handelt sich um
ein Sitzbild in Lebensgröße aus gelbbraunem Quarzit des nahe gelegenen
Gebel Ahmar.
Die folgende archäologische Fundlücke zwischen 250 v. Chr. und dem
5. Jh. n. Chr. deckt sich mit den Beschreibungen von Strabon über die Vernachlässigung des Bezirks in augusteischer Zeit. Der Tempel war zu sehr an
die Existenz der pharaonisch-ägyptischen Kultur gebunden, als daß er die Verlagerung des Machtzentrums nach Alexandria mit dem spirituellen Zentrum
in Memphis hätte überleben können. Aus dem Gelände wurden bald zahlreiche Obelisken und Statuen nach Alexandria und Rom abtransportiert.
110 Jahresbericht 2006 des DAI
Kooperationspartner: Supreme Council of Antiquities • Förderung:
Berthold Leibinger Stiftung; Gerda Henkel Stiftung • Leitung des Projekts: M. Abd el-Gelil, R. Suleiman, G. Faris, D. Raue • Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen: H. Badia Hosni, K. Karam Malek, T. Ahmed Mohammed,
E. Mohammed Ali Rifai, W. Abd el-Aziz Mohammed, A. Mahmud el-Asab,
U. Ahmed Mohammed, D. Salah Abd el-Daim, F. Ahmed Fuad, N. Es-Syayed
Saafein, E. Fahmy El-Sayed Ahmed. I. Khalil Abd el-Radi, H. Ismail Sedqi,
E. Cocke, P. Collet, R. Schiestl, D. Swiech, P. Windszus • Abbildungsnachweis: DAI-KAI (Abb. 28–30).
Buto, Tell el-Fara‘in
Schwerpunkte der diesjährigen Grabung waren die Fortsetzung der Untersuchungen am frühdynastischen Gebäudekomplex der 1. und 2. Dynastie (frühes 3. Jt. v. Chr.) und an der im Vorjahr begonnenen neuen Grabungsstelle im
Nordwesten des Siedlungshügels.
In dem Gebäudekomplex konzentrierten sich die Arbeiten auf den Eingangsbereich und den Magazintrakt. Hinter dem im Vorjahr festgestellten
breiten Tordurchgang schließt sich ein größerer Raum an, von dem aus verschiedene Bereiche zugänglich sind. Seine Türdurchgänge waren durch besondere Laibungen – wohl Kalksteinblöcke oder Holzsäulen – hervorgehoben, allerdings waren nur noch deren Unterlagen bzw. Fixierungen erhalten
(Abb. 31). Ein derartiger Befund ist anderswo im Gebäude bisher noch nicht
festgestellt worden und unterstreicht den repräsentativen Charakter des Raumes. In einem Nachbarraum kam entlang der Wände eine Steinsetzung aus
kleineren Kalksteinblöcken zutage, deren Funktion jedoch noch nicht geklärt
ist.
Im Magazintrakt ergaben die nur spärlich erhaltenen Raumfüllungen keine Hinweise auf die Waren, die hier einst gelagert waren. Die Zerstörung des
Magazins durch ein heftiges Feuer wird durch die verziegelten Außenseiten
der Mauern und größere Mengen rot gebrannten Lehmziegelbruchs, Asche
und Holzkohle eindrücklich illustriert. Der Brand war vermutlich auch die
Ursache für die Aufgabe des Gebäudes in der Mitte der 2. Dynastie. Die Magazinmauern sind unmittelbar auf Resten kleiner, nachlässig gebauter Räume
errichtet (Abb. 32). Zahlreiche Keramik, u. a. Kochtöpfe, und Fragmente von
Flint- und Sandsteinbohrern zur Herstellung von Steingefäßen lassen vermu-
31
32
Buto, Tell el-Fara‘in
Abb. 31 Gebäudekomplex der 1./2. Dynastie, Mauerzüge südlich des Eingangsbereiches mit Kalksteinplatten als Sockel für
Türlaibungen
Abb. 32 Kleinräumiger Wohn- und Werkstattbereich im Osten des frühdynastischen
Gebäudekomplexes
Abteilung Kairo 111
33
Buto, Tell el-Fara‘in
Abb. 33 Mehrfachbestattung des 1. Jhs.
v. Chr. in einer einfachen Erdgrube
Abb. 34 Teil einer Atef-Krone aus Bronze
(M. 1 : 2)
Abb. 35 Bronzener Götterbart einer
hölzernen Statue (M. 1 : 2)
34
35
ten, daß es sich um einen Wohn- und Werkstattbereich handelt, der hier zunächst gleichzeitig, wohl außerhalb des eigentlichen Gebäudekomplexes bestand und später, aber noch während der 1. oder frühen 2. Dynastie, überbaut
wurde.
In einigen Bereichen der Grabung zeigte sich bereits die aus größeren,
gehöftartigen Einheiten mit zahlreichen Rundspeichern bestehende Vorgängerbebauung aus der frühen 1. Dynastie.
Der zweite Schwerpunkt der Arbeiten war die erstmals durch die DFG
unterstützte Fortsetzung der Grabungen im nordwestlichen Bereich Butos,
wo Bohrungen und Magnetometermessungen ungewöhnliche Befunde geliefert hatten. Durch eine Vergrößerung der Grabungsfläche sollten die im
Vorjahr freigelegten spätzeitlichen Baureste weiter untersucht werden. Dieses Vorhaben gelang nur bedingt, da in der Erweiterung der Fläche zahlreiche Gräber aus dem 1. Jh. v. Chr. zutage kamen und den geplanten zügigen
Mauerabbau verhinderten. Die in der Mehrzahl schlecht erhaltenen, zumeist
beigabenlosen Bestattungen waren entweder einzeln oder zu mehreren in
einfachen Erdgruben oder in Keramiksarkophagen beigesetzt (Abb. 33). In
mehreren Fällen konnten spärliche Reste von farbigen Kartonagen festgestellt
werden, die jedoch zu schlecht erhalten waren, um ein Dekorationsschema
erkennen zu lassen. Die Gräber dürften zum nördlichsten Bereich eines großen spätptolemäisch-frührömischen Friedhofes gehören, der den gesamten
nordwestlichen Teil Butos einnimmt.
Während die Klärung der architektonischen Befunde damit auf die nächste
Kampagne verschoben werden mußte, konnte die Reinigung und Konservierung zahlreicher Funde aus dem Vorjahr abgeschlossen werden. Zu erwähnen
sind vor allem Bronzeobjekte, die zu hölzernen Götterstatuen verschiedener
Größe gehört haben dürften und die die besondere Bedeutung dieses Platzes
unterstreichen (Abb. 34. 35).
Kooperationspartner: Universität Poitiers (P. Ballet) • Förderung: DFG
• Leitung des Projekts: U. Hartung • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen:
V. Audé, R. Bernard, J. Bourriau, P. French, N. Dieudonné-Glad, D. Dixneuf, Ph. Fluzin, Th. Fournet, R. Hartmann, P. Kopp, S. Krause, A. Le Bian,
G. Le-cuyot, G. Marouard, B. Redon, A. Schmitt, A. Sturm, P. Windszus,
T. de Wit • Abbildungsnachweis: DAI-KAI (Abb. 31–35).
112 Jahresbericht 2006 des DAI
Abu Mina
Die Grabung im frühchristlichen Wallfahrtsort Abu Mina war vor allem solchen Objekten gewidmet, deren Freilegung schon im Vorjahr begonnen worden war. So konnte der Nordabschluß des Doppelbades weiter geklärt werden (Abb. 36. 37). Die These von einer nordsüdlich verlaufenden Säulenreihe
im Nordwesten mußte aufgegeben werden. Die ursprünglich allein sichtbare,
zunächst als Ante einer Kolonnade angesehene Mauervorlage erwies sich als
die vortretende Laibung einer Tür, an die Stelle der Säulenreihe trat eine
durchgehende Wand. Die Vorstellung von einzelnen Bauphasen wurde präzisiert. Offensichtlich erfolgte der Ausbau des Nordendes des Doppelbades im
Zusammenhang mit dem Bau der zum Zentrum der Menasstadt führenden
Pilgerstraße. Darüber hinaus ist die große Latrine F4 mit ihren Nachbarräumen der nördlichen Abteilung des Bades erst in der letzten Ausbauphase des
Doppelbades hinzugekommen. Wo sich zuvor die Latrine dieser Abteilung
befand, ist unbekannt. Eine endgültige Klärung der übrigen Zusammenhänge
wird jedoch erst herbeigeführt werden können, wenn es gelingt, den von
C. M. Kaufmann zu Beginn des 20. Jhs. aufgeschütteten Erdhügel am Nordende des Doppelbades vollends abzutragen. Gleichzeitig ist von dieser Aktion
auch eine Klärung der Verbindung mit der auf der Nordseite des Hügels folgenden Straßenbebauung zu erwarten.
Im Bereich des großen Xenodochiums wurden die mittelalterlichen Einbauten weiter untersucht, wobei auch einige noch bestehende Fragen zur
Gestalt des frühchristlichen Xenodochiums weiter zu klären waren. Im Gegensatz zu dem großen, zweiteiligen und nur eingeschossigen Peristylbau, der
als Armenherberge (hospitium pauperum) angesehen wird, handelt es sich bei
dem großen Xenodochium um ein mehrgeschossiges Gebäude. In der Erdgeschoßzone scheinen sich vor allem die offiziellen Räume befunden zu ha-
Abb. 36 Abu Mina, Nordende des Doppelbades. Gesamtplan mit Ergänzung der noch
überdeckten Räume und den Läden auf der
Ostseite (M. 1 : 200)
Abteilung Kairo 113
Abb. 37 Abu Mina, Nordende des Doppelbades, Blick von Westen auf die Läden C5
und C6
ben. Bemerkenswert ist ein großer, dreischiffiger Saal auf der Südseite des
Peristylhofes, der auch unmittelbar von Außen betreten werden konnte. Die
eigentlichen Gästeräume waren dagegen erst in den Obergeschossen untergebracht, wohinauf eine großzügig angelegte zweiläufige Treppe auf der Westseite führte.
Durch Zufall wurde bei den Freilegungsarbeiten im Peristylhof des großen Xenodochiums der Schacht eines weiteren Hypogäums (Grab mit unterirdischen Bestattungsräumen) angeschnitten, so daß inzwischen die Lage von
drei Hypogäen im Zentrum von Abu Mina bekannt ist. Das Hypogäum, in
das später das Menasgrab eingefügt wurde, bestand also nicht allein, sondern
gehörte zu einer größeren Nekropole. Wegen des infolge des Bewässerungsprogramms in der Nachbarschaft inzwischen hoch angestiegenen Grundwasserspiegels ist jedoch vorläufig nicht daran zu denken, die Grundrißgestalt
dieser neu gefundenen unterirdischen Hypogäumsbereiche zu vermessen. Es
besteht sogar die Gefahr, daß diese unterirdischen, nur aus der seit Jahrtausenden gehärteten Lehmerde herausgearbeiteten Hohlräume in naher Zukunft
einstürzen werden.
Weitere Arbeiten betrafen die Klärung der Magazinräume hinter der Ladenzeile gegenüber dem Nordbad. Sie waren jenseits eines gepflasterten Gangs
angeordnet, aber offenbar nicht für alle Läden gleichermaßen zugänglich.
Leitung des Projekts: P. Grossmann • Mitarbeiter: J. Ko°ciuk, H.-Ch. Noeske, A. Rehkopp • Abbildungsnachweis: DAI-KAI (Abb. 36. 37).
Oase Siwa, Ammoneion
Die Auffindung einer Krypta mit Sargkammer und Sarkophagen aus Alabaster
war das herausragende Ergebnis der am Tempel von Umm UbaydŒ durchgeführten Grabungen (Abb. 38. 39). Die unterirdische Anlage, 3,64 m unter den
komplett dem Steinraub zum Opfer gefallenen hinteren Räumlichkeiten des
von Nektanebos II. (30. Dynastie) für den Ammonier-König Wenamun errichteten Tempels, maß ca. 7,85 m × 10,75 m (15 × 20,50 Ellen) und bestand
mutmaßlich aus einem Vorraum mit anschließender, aus bemalten AlabasterMonolithen gefügten Sargkammer, die – den erhaltenen Sarkophagfragmenten nach zu urteilen – wenigstens zwei Bestattungen barg. Das Bruchstück
114 Jahresbericht 2006 des DAI
Abb. 38 Oase Siwa, Plan des Tempels von
Umm Ubaydā
eines Sarkophagdeckels zeigt reliefierten Hieroglyphentext. Gründungsgruben markieren die Ecken dieser Gruft, die ohne Zweifel für die Bestattung
der Familie Wenamuns angelegt wurde, dessen Grab im Tempel(bereich) aufgrund eines auf seinen Namen lautenden Mundöffnungsritual-Textes schon
seit längerem vermutet werden durfte.
Sondagen im Nordosten, Südosten und Südwesten ergaben die Ausdehnung der Plattform aus großen Steinblöcken, die der (inneren?) Umfassungsmauer des Tempels im Osten und mutmaßlich auch auf der Südseite vorgelagert ist. Alle auf dem Niveau des Oasenbodens errichteten Bauten im Bereich
des dromos und von Umm UbaydŒ weisen eine solche Fundamentierung auf,
vermutlich weil sie (damals wie heute) im Drainagegebiet der Agh´rm¥Quelle sowie anderer Quellen im Umkreis des Ammoneion lagen. Auch der
Tempel von Umm UbaydŒ verfügte über seine eigene Quelle nahebei – die
berühmte »Sonnenquelle« (Curtius Rufus 4, 7, 22: »in medio habet fontem«;
Diodor 17, 50, 4: »totou de pl·sion hyparxei kr·n·«), deren ›Auffangbecken‹ in
einem an die östliche Plattform angrenzenden Brunnenhaus vermutet wer-
Abteilung Kairo 115
Abb. 39 Oase Siwa, als Steinbruch
genutzter Architekturversturz im Bereich
der Krypta unter dem Sanktuar des Umm
Ubaydā-Tempels. Darunter zahlreiche
Bruchstücke einer aus lokalem Alabaster
gefertigten Sargkammer sowie mehrerer
Sarkophage
den darf. Die Plattform mag daher eine doppelte Funktion als Besucher- und
Kultterrasse (›Ambulatorium‹) des Götterbildes besessen haben.
Auf der Akropolis von Agh´rm¥ erbrachte die Freilegung des westlich an
den Palast angrenzenden Areals (30 m × 10 m) bis auf Felsniveau nur Bebauungsreste aus moderner Zeit sowie Spuren eines flächig abgetragenen (und
daher vielleicht zur späteren Nutzung als ›Platz‹ [Hof] vorgesehenen) Steinbruchs.
Nordöstlich des Orakeltempels wurde großflächig (20 m × 20 m) mit der
Freilegung der dort z. T. 2,50 m über dem Fels anstehenden Schuttberge und
Häuserreste des modernen Dorfes begonnen, und der Bereich nach erfolgter
Dokumentation für touristische Zwecke abgesichert und hergerichtet. Das
Gebiet war ursprünglich vielleicht Teil der nach Aussage antiker Quellen im
Tempelbezirk gelegenen Quartiere für die als »Sängerinnen des Amun« fungierenden weiblichen Angehörigen des Herrscherhauses (des sog. Frauenhofes, gynaikonitis aul·) sowie der (vornehmlich Priesterämter bekleidenden?)
Königsverwandten, doch fanden sich auch hier nur noch Spuren in die Fläche
gehender Steinbruchtätigkeit.
Im dromos-Bereich wurde östlich der über den Hauptentwässerungskanal
(Masraf Agh´rm¥) führenden Brücke auf der Südseite des Kanals auf einer
Fläche von 20 m × 10 m eine antike Fundamentierung aus großen Steinblöcken freigelegt, die mit einer bis zu 1,30 m dicken Schicht aufgeschütteten Garten-Erdreiches bedeckt war. Bislang keinem Baukontext zuordenbar,
scheint sie sich auf der Nordseite des Kanals fortgesetzt zu haben. Eine vergleichbare Steinsetzung findet sich 90 m westlich davon.
Leitung des Projekts: K. P. Kuhlmann • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: B. Böhm, C. Defernez, A.-C. Escher, B. Fleischmann, K. Lakomy, I. Milosavljevic, A. al-Tayyib • Abbildungsnachweis: DAI-KAI (Abb. 38. 39).
Westwüste, Fundstelle Chufu 01/01
Im Frühjahr 2006 wurden in einer Gemeinschaftsunternehmung der Abteilung Kairo des DAI und der Forschungsstelle Afrika des Instituts für Ur- und
Frühgeschichte der Universität zu Köln die Untersuchungen an der – nach
Inschriftenfunden aus der 4. Dynastie – Chufu 01/01 genannten Fundstelle
116 Jahresbericht 2006 des DAI
südwestlich von Mut (Oase Dachla) fortgesetzt (Abb. 40). Zunächst wurde
der 2002 angelegte und zwischenzeitlich zerstörte Schnitt (Fläche 1) ausgeräumt und das entnommene Sediment gesichtet.
Zur Vorbereitung der neuen Grabungsflächen sind die großen Felsblöcke
auf Gravierungen und eventuelle Zusammen- bzw. Anpassungen an die Felswand hin untersucht und anschließend zur Seite geräumt worden. Bei der
Grabung war sukzessive so vorzugehen, daß die Erstellung eines vollständigen
Längsprofils in der Mitte des südlichen Terrassenabschnitts gewährleistet ist.
Während die bereits in Schnitt Fläche 1 dokumentierte Schichtabfolge aus
fundsterilem Verwitterungsschutt, zwei darüber liegenden Laufhorizonten
und einer darauf aufliegenden bis ca. 20 cm starken Schuttschicht auch in der
neu bearbeiteten Teilfläche bestätigt werden konnte, ließ sich in deren Südteil
eine stark mit Tierdung, Tierhaaren und Pflanzenfasern durchsetzte, bis ca.
10 cm starke Schicht beobachten, die auf den Laufhorizonten auflag und von
der abschließenden Schuttschicht überdeckt wurde.
Unter den festgestellten Befunden ist die bereits in Schnitt Fläche 1 angeschnittene schachtartige Grube besonders mächtig. Bei der vollständigen Entnahme der Verfüllung konnten noch weitere geröstete Heuschrecken geborgen werden (Abb. 41). Weiter wurden mehrere in den grauen Laufhorizont
eingetiefte, bis ca. 13 cm breite Pfostenlöcher beobachtet, deren Anordnung
bislang allerdings keine Regelhaftigkeit erkennen läßt. Ob diese mit den in
der Felswand vorhandenen Ösen korrespondieren, ist bis dato nicht zu erkennen.
Parallel zur Grabung war die Dokumentation der bereits bekannten Felsbildstellen fortzuführen. Neben der bereits 2002 durchgeführten photographischen Dokumentation wurde mit einer zeichnerischen Aufnahme begonnen. Dabei konnte ein gutes Drittel der Felsbildstellen auf Folie kopiert und
Abb. 40 Westwüste, Fundstelle Chufu
01/01 südwestlich von Mut (Oase Dachla)
Abb. 41 Westwüste, Fundstelle Chufu
01/01. Teile gerösteter Heuschrecken
– Speisereste vom Cheops-Berg
Abteilung Kairo 117
mit exakten metrischen Daten erfaßt werden. Durch wiederholte Prospektion und Neufunde, unter anderem auf Felsbrocken aus der Grabung, stieg
die Zahl der bekannten Felsbildstellen auf 126. Bezüglich Größe, Art und
Anzahl der Motive sowie der verwendeten Technologie variieren diese sehr
stark. Die Felsbilder sind sicher verschiedenen Zeitstufen des Alten Reiches
und der Vorgeschichte zuzuordnen, wobei auch deutliche Überlagerungen
vorhanden sind.
Im näheren Umfeld des Fundplatzes wurden im Bereich eines natürlichen
Outcrops mehrere nischenartige Steinsetzungen (eine große und sieben kleinere Abteilungen) ausgegraben. Diese waren jedoch bis auf ein Steinartefakt
weitgehend fundleer. Der Fund einer großen flächenretuschierten Blattspitze
in einem der Steinkreise auf der Rückseite des Berges läßt eine Datierung der
Konstruktion in die neolithische Feuchtphase vermuten. Anhand einer Holzkohlenprobe aus einer Feuerstelle in gleicher Fundschicht wird die Klärung
der genauen Zeitstellung über AMS-Datierung möglich sein.
Das Fundmaterial aus der Terrassengrabung beinhaltet neben größeren
Mengen an Keramik und Steinartefakten auch sehr große Mengen an archäobotanischem und archäozoologischem Material. Besonders erwähnenswert
sind unter den Funden 13 Clayton-Disks und ein zugehöriger Clayton-Ring,
zahlreiche Siegel und Siegelfragmente (z. T. mit Schnur- und Stoffabdrükken), ein weißliches, grob gewebtes Stoffragment, das mit den Abdrücken auf
den Siegeln zu korrespondieren scheint, Haifischzähne (z. T. mit Gebrauchretusche), ein größeres Stück Leder mit randseitigen (Naht)-Löchern sowie
die abgebrochene Spitze eines Kupfermeißels. Aus dem näheren Umfeld des
Platzes stammen u. a. ein Keulenkopf aus Travertin oder Alabaster und zahlreiche flächenretuschierte Pfeilspitzen.
Leitung des Projekts: K. P. Kuhlmann • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: G. Wagner, K. Heller, P. Schönfeld, H. Riemer, F. Bartz, A.-L. Fischer,
I. Kretschmer, J. Ruland • Abbildungsnachweis: DAI-KAI (Abb. 40. 41).
Pharan/Sinai
Die Grabungen in Pharan waren auf ein größeres Wohnhaus im Stadtgebiet
konzentriert sowie auf einige Bereiche der sog. Bischofskirche und der kleinen Kirche auf der sog. Akropolis.
Das untersuchte Wohnhaus liegt am südlichen Hang des oberen Stadtgebietes. Es handelt sich um ein über einem hohen Bruchsteinsockel errichtetes,
mehrgeschossiges Lehmziegelgebäude, das stellenweise bis in das erste Obergeschoß erhalten ist (Abb. 42). Der Eingang ist auf der Ostseite zu ergänzen
und führte in einen größeren Eingangsraum, an den in der Südwestecke die
Treppe anschloß. Auf der Nordseite liegt der Zugang zu den übrigen Räumen, deren erster zu einem unbestimmten jüngeren Zeitpunkt noch einmal
unterteilt wurde. Im Obergeschoß sind die inneren Trennwände von geringerer Wandstärke, wobei sie nicht mittig auf den unteren Wänden sitzen, sondern auf einer Seite die Wandflucht der unteren Wände übernehmen. Für die
Zwischendecken wurden Palmstämme verwendet (Abb. 43).
Bei der Treppe handelt es sich um eine mehrläufige, um einen mittleren Pfeiler herumgeführte Treppe. Ihre Stufen bestehen aus unbearbeiteten,
aber sorgfältig ausgesuchten großen Granitplatten. Im Bereich des oberen
Rücklaufs fehlen die Stufen. Statt dessen fand sich dort ein unter dem Boden
freigehaltener Hohlraum, der aufgrund seiner ungewöhnlichen Lage als Geheimfach anzusehen ist.
Die Untersuchungen im Bereich der ›Bischofskirche‹ erstreckten sich auf
deren östliche Außenwand, die im Vergleich zu den übrigen Außenwänden
118 Jahresbericht 2006 des DAI
42
eine um rund 45 % geringere Stärke aufweist. Ein Grund für diesen Wechsel
konnte nicht gefunden werden, es sei denn, daß er durch Unachtsamkeit beim
Bau entstand. Zur Behebung dieses Fehlers hatte man auf der östlichen Außenseite der Kirche nachträglich mehrere z. T. sehr starke Stützwände errichtet. Es zeigte sich jedoch, daß die originale schmale Ostwand der Kirche eine
bessere Standfestigkeit als die äußeren Stützvorlagen besaß. Während erstere
noch einwandfrei senkrecht steht, neigen sich die Stützwände nach außen,
so daß zwischen beiden ein sich nach oben zunehmend verbreiternder Spalt
entstand (Abb. 44).
Im Bereich der Kirche auf der ›Akropolis‹ von Pharan wurden die bisher
nicht freigelegten Südräume ausgegraben. Da sie der Abbruchkante des Fel-
43
44
Pharan/Sinai
Abb. 42 Grundriß des Hauses am Südhang
der Oberstadt (M. 1 : 125)
Abb. 43 Haus am Südhang der Oberstadt.
Allgemeine Übersicht von Nordosten
Abb. 44 Ostwand der Bischofskirche mit
sich abspaltenden äußeren Stützwänden
Abteilung Kairo 119
sens folgen, haben sie einen teilweise bizarren Grundriß. Andererseits geht
die gemeinsame Außenwand auf ältere Ursprünge zurück und dürfte zunächst auch wohl nur eine Art Umfassungsmauer für einen unüberdeckten
Hof gewesen sein. Vermutlich erst mit dem Bau der kleinen Kirche wurden
Zwischenwände eingezogen und als Räume nutzbar gemacht. Es entstanden
zwei Räume, die beide separat aus dem südlichen Seitenschiff der Kirche zu
betreten waren. In funktioneller Hinsicht könnten sie den Seitenräumen vieler palästinischer Kirchen entsprochen haben.
Kooperationspartner: St. Katharinen Kloster im Sinai • Leitung des
Projekts: P. Grossmann • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: E. Grossmann,
E. Mahmoud Abdel Latif (Inspektor, Süd Sinai) • Abbildungsnachweis: DAIKAI (Abb. 42–44).
Wissenschaftliche Veranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit
Abb. 45 Minister Steinmeier am DAI-Stand
auf der Internationalen Buchmesse in Kairo
Auf der 38. Internationalen Buchmesse Kairo vom 17. Januar bis 2. Februar,
bei der Deutschland Ehrengast war, hatte das Institut einen eigenen Messestand mit Publikationen und Informationsmaterial, der täglich von zwei
Mitarbeitern betreut wurde. Den Stand besuchte am 19. Januar auch der
deutsche Außenminister, Frank-Walter Steinmeier, bei seinem Eröffnungsrundgang (Abb. 45). Am 25. Januar fand eine Paneldiskussion mit dem Titel »Begegnung mit der Vergangenheit« statt. Teilnehmer waren A. Radwan
(Kairo), F. Junge (Göttingen) und G. Dreyer sowie D. Raue, der das Gespräch
moderierte.
An den Veranstaltungen der »Langen Nacht der Wissenschaften« am
13. Mai in der Zentrale des DAI beteiligte sich die Abteilung mit Vorträgen
von G. Dreyer und D. Polz über die Unternehmungen in Abydos, Saqqara und
Dra‘ Abu el-Naga. Am 19. September fand der Herbstempfang für Kollegen,
Journalisten und Freunde des Instituts statt. Der Winckelmanntag wurde am
18. Dezember mit einem Vortrag von Hans J. Nissen (Berlin), »The Origins
of the Ancient Mesopotamian Writing System« und daran anschließendem
Empfang begangen.
Auf den Grabungen des Instituts, im Ägyptischen Museum Kairo und
verschiedenen antiken Stätten wurden zahlreiche Gruppen, Sponsoren und
Einzelbesucher geführt, u. a. vom 19. bis 20. Januar Prinzessin Jawaher
bint Majid Ibn Abdul Aziz (Elephantine), am 6. März Bundesminister a. D.
Otto Schily (Giza), am 23. März HRH Prince Charles und der Gouverneur
der Provinz Matr´h (Siwa) sowie am 8. Juni Bundesforschungsministerin
Annette Schavan (Giza).
G. Dreyer, U. Fauerbach, D. Polz, D. Raue gaben Rundfunk und Presse mehrere Interviews und betreuten verschiedene internationale Fernsehteams.
Veröffentlichungen
Mitteilungen des DAI Kairo 61, 2005
Archäologische Veröffentlichungen des DAI Kairo 118: P. Kopp, Elephantine
XXXII: Die Siedlung der Naqada-Zeit
Archäologische Veröffentlichungen des DAI Kairo 120: C. Ubertini, Elephantine XXXIV: Restitution architecturale á partir des blocs et fragments
épars d’époque ptolémaique et romaine
120 Jahresbericht 2006 des DAI
In Bo=azköy-Hattuša wurde am 27. Juli das rekonstruierte Teilstück der hethitischen Lehmziegel-Stadtmauer im Beisein von Kultur- und Tourismusminister Herrn Atilla Koç und des deutschen Botschafters Eckart Cuntz offiziell
der Öffentlichkeit übergeben. Minister Koç würdigte in seiner Rede die Bedeutung solcher Projekte und dankte der Abteilung Istanbul des DAI mit der
Überreichung einer Plakette.
In Didyma wurde am 16. September mit einer Feier der einhundertjährige
Geburtstag der Grabung begangen und an die Leistungen von Th. Wiegand
und H. Knackfuß erinnert, denen es in kurzer Zeit gelang, einen der größten
Tempel der griechischen Welt freizulegen und richtungsweisend, für die damalige Zeit, zu restaurieren.
Abteilung Istanbul
Ausgrabungen und Forschungen
Göbekli Tepe
Die Arbeiten der zwölften Kampagne 2006 zielten wie in den Vorjahren auf eine Vergrößerung des Grabungsgebietes, um die monumentalen Kreisanlagen
des 10. und 9. Jts. v. Chr. vollständig erfassen zu können. Wie erwartet traten
auch in den neuen Arealen Baubefunde der Schicht II zutage, für die rechteckige Räume und vergleichsweise kleine, durchschnittlich nur 1,50 m hohe
und undekorierte Pfeilersetzungen charakteristisch sind.
In einem der neu geöffneten Areale wurde allerdings ein in dieser Art bisher unbekannter Befund angetroffen. Es handelte sich um eine Reihe von
großen, dicken, waagerecht gelagerten Steinplatten, die als Abdeckung einer
lang gestreckten ovalen Ummauerung dienten (Abb. 1). Die beiden mittleren
Platten ließen jeweils auf der Oberseite bogenförmige Flachreliefs erkennen.
Da es sich möglicherweise um eine Grabanlage handelt, wurden die Deckplatten entfernt und die lockere, strukturlose Erdfüllung entnommen. Ein
Boden war nicht zu erreichen, denn die umgrenzenden Mauern traten wie
bei einem Kraggewölbe zurück. Da das Mauerwerk einen sehr instabilen Eindruck machte, wurden die Grabungen in 2 m Tiefe aus Sicherheitsgründen
bis zur Einrichtung einer Abstützung gestoppt.
Abb. 1 Göbekli Tepe, Areal westlich
von Anlage D. Mit großen Kalkplatten
überdeckte ovale Struktur
Abteilung Istanbul 121
Göbekli Tepe
Abb. 2 Pfeiler 43 in Anlage D, Reliefs auf
der westlichen, rechten Pfeilerseite
3
Abb. 3 Hochrelief eines Raubtieres auf der
Bauchseite von Pfeiler 27 in Anlage C
2
Neben den Arealerweiterungen wurden die Grabungen auch in Anlage C
und D fortgeführt. Zwei wichtige Befunde sollen hier herausgegriffen werden. Bei Pfeiler 43 in Anlage D ist jetzt die Westseite auf einer Höhe von
2,90 m sichtbar. Es erschien eine Vielzahl von fast teppichmusterartig angeordneten Reliefbildern (Abb. 2). Das Geschehen beherrscht augenscheinlich
ein großer Geier. Der vom Betrachter aus linke Flügel ist erhoben, der rechte
weist nach vorne. Es scheint, als gelte die Geste des Vogels einer Kugel oder
Scheibe, die sich über der rechten Flügelspitze befindet. Rechts vor dem Geier erscheint ein zweiter, ibisartiger Vogel. Es folgen eine Schlange und zwei
H-förmige Symbole und darunter ein weiterer Vogel. Darüber gibt es ein
Wechselspiel von bandförmig angeordneten Winkeln, Quadraten und großen,
merkwürdig kastenförmigen Objekten mit halbkreisförmigen, henkelartigen
Aufsätzen, vor die jeweils ein sehr klein dargestelltes Tier gesetzt ist.
Darunter, auf dem Schaft des T-förmigen Pfeilers, erscheinen ein riesiger
Skorpion, eine Schlange, ein Fuchs und Kopf sowie Hals eines weiteren Vogels, dessen Körper von der Steinbank, die an dieser Stelle das vorläufige Ende
der Grabung erzwungen hatte, überdeckt wird. Rechts neben dem Vogel erscheint ein merkwürdiges Motiv. Infolge der hier beginnenden Beschädigung
der rechten inneren Pfeilerkante ist es leider nicht vollständig erhalten, doch
scheint es sich um eine kopflose, mit erigiertem Penis dargestellte Person zu
handeln.
Neben Pfeiler 43 erbrachte auch der Pfeiler 27, der im westlichen Kreissegment der Anlage C steht und schon vor Jahren bekannt, aber angesichts fehlender Reliefs bisher wenig beachtet wurde, eine Überraschung. Auf der
Bauchseite des Pfeilers erschien die Skulptur eines zähnefletschenden Raubtiers (Abb. 3). Das Tier ist kopfüber am Pfeiler plaziert. Auf einen kräftigen
Schwanz folgt ein massiger Körper, die Beine scheinen sprungbereit angezogen. Im halb geöffneten Maul wird ein kräftiges Raubtiergebiß sichtbar.
Das Besondere des Neufundes: Tier und Pfeiler sind aus einem Stück geschaffen, gleichsam aus einem Guß, ein wahres handwerkliches Kunststück.
Es handelt sich bei dem Raubtier eigentlich nicht um eine Skulptur, sondern
um ein frei in den Raum ragendes, vollplastisch skulptiertes Hochrelief.
122 Jahresbericht 2006 des DAI
Kooperationspartner: Museum in Ûanlıurfa • Förderung: DFG; ArchaeNova e.V. Heidelberg • Leitung des Projekts: K. Schmidt • Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen: C. Hübner, F. Jarecki, Ç. Köksal-Schmidt, A. Murgan,
R. Neef, J. Peters, J. Schlichting, K. Thömel, A. von den Driesch • Abbildungsnachweis: K. Schmidt (Abb. 1–3).
Boğazköy-Hattuša
Die langjährigen Forschungen in der hethitischen Hauptstadt Hattuša haben
ein lebendiges Bild vieler Aspekte einer Metropole der Bronzezeit erarbeitet.
Der übergeordnete urbanistische Zusammenhang der Stadt und ihr Funktionieren sind jedoch bisher weitgehend unerforscht. Die laufenden Arbeiten
bemühen sich durch eine Kombination verschiedener Methoden – Ausgrabungen, Begehungen und geophysikalische Prospektionen – um ein besseres
Verständnis dieser Mechanismen.
Der Schwerpunkt der Arbeiten lag wie in den letzten Jahren in der westlichen Oberstadt. Das langfristige Ziel, die übergeordnete Struktur und Funktion dieses Stadtbereiches zu untersuchen, wurde mittels Ausgrabungen (Abb. 4)
und geophysikalischen Prospektionen sowie Untersuchungen an Yenicekale
fortgesetzt. Durch die Erweiterung der Grabungsflächen nach Osten in Richtung des Felsens von Sarıkale wurden zwei nebeneinander angelegte Gebäude
des 14. Jhs. v. Chr. freigelegt. Zahlreiche Umbauten verraten ihre lange Nutzung und wechselvolle Geschichte. Mehrere rundplastische Fundstücke von
besonderer kulturgeschichtlicher Bedeutung, darunter der Kopf einer männlichen Figurine, möglicherweise eines Königs, und ein weiterer eines Löwen,
wurden hier jedoch ohne Bezug zu einem der Gebäude in dem darüber liegenden Erosionsschutt gefunden (s. AA 2007/1 Abb. 4. 5).
Hinter diesen Bauten liegt ein nach Osten bis zum Felsen von Sarıkale hin
durch mehrere parallel angelegte Mauern terrassierter Hang. Diese planmäßige Gestaltung des Terrains und zahlreiche sorgfältig behauene Steine, die in
einem bereits ausgegrabenen Bereich gefunden wurden, lassen auf die Existenz größerer Gebäude auf einer Terrasse unterhalb von Sarıkale hoffen.
In einer etwa 150 m südlich neu angelegten Fläche am Übergang vom
Tal vor Sarıkale zum zentralen Tempelviertel in der Oberstadt wurde ein gut
erhaltenes Gebäude mit verbrannten Lehmziegelmauern teilweise ausgegraben (Abb. 5). Ein einmaliger Fund aus dem Brandschutt des Gebäudes ist eine
Tontafel, die syrische und hethitische Praktiken der Verwaltung und Siegelung
Abb. 4 Boğazköy-Hattuša, die beiden
Grabungsstellen im Tal vor Sarıkale
Abteilung Istanbul 123
5
Boğazköy-Hattuša
Abb. 5 Gebäude mit verbrannten
Lehmziegelmauern am Tal-Übergang zum
zentralen Tempelviertel in der Oberstadt
Abb. 6 Geo-Radarmessungen am
Löwentor
Abb. 7 Boğazköy-Hattuša, bei der von
der Sponsorfirma JT International ausgerichteten Eröffnungsfeier wurde die rekonstruierte Lehmziegel-Stadtmauer effektvoll
angestrahlt
6
verbindet. Die Funde deuten auf eine Entstehung ebenfalls im 14. Jh. v. Chr.
Die zeitliche Parallelität der im Tal vor Sarıkale festgestellten Bebauung ist ein
weiterer Beleg für die großflächige planvolle Gestaltung und Nutzung der
westlichen Oberstadt in diesem Zeitraum.
In dem neuen Grabungsareal wurden auch Gebäude der jüngeren Großreichszeit angetroffen, ohne daß beim derzeitigen Stand der Arbeiten eine genaue Einordnung möglich wäre. Schließlich belegen byzantinische Einbauten
eine Nachnutzung dieses Areals.
Die in diesem Jahr umfangreich durchgeführten geophysikalischen Prospektionen zeigen (Abb. 6), daß trotz gewisser Schwierigkeiten, die auf die Geologie von Bo=azköy zurückzuführen sind, in weiten Bereichen mit Hinweisen
auf Bebauung zu rechnen ist. So konnten unter anderem auf Taanıkkaya zwei
zentral angeordnete große Gebäude festgestellt werden, die durch eine Mauer
auf der Außenkante des Plateaus abgegrenzt sind. Weiter im Süden wurde die
hier verbrannte Stadtmauer in ihrem Verlauf geklärt. Besonders interessant ist,
daß im Norden außerhalb der Stadtmauer im Bereich bereits früher festgestellter Scherbenstreuungen freistehende, wahrscheinlich verbrannte Bauten,
möglicherweise Gehöfte, nachzuweisen sind.
An dem zwischen 2003 und 2005 rekonstruierten Abschnitt der hethitischen Lehmziegel-Stadtmauer wurden abschließende Arbeiten durchgeführt
und der Bau dann offiziell eingeweiht (Abb. 7).
124 Jahresbericht 2006 des DAI
Kooperationspartner: Generaldirektion für Kulturdenkmäler und Museen des Kultur- und Tourismusministeriums der Republik Türkei; Akademie
der Wissenschaften und Literatur Mainz, Kommission für den Alten Orient;
Institut für Altorientalistik der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität
Würzburg; Institut für Vorderasiatische Archäologie der Ludwig-Maximilians-Universität München; Institut für Geowissenschaften der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel • Förderung: Japan Tobacco International-Türkiye
(Arbeiten im Gelände); Real-Türkiye (Stiftung eines Containers als Arbeitsraum) • Leitung des Projekts: A. Schachner • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: G. Wilhelm (Bearbeitung der Keilschrifttafeln), S. Herbordt (Bearbeitung der Siegel- und Bullaefunde); für eine vollständige Liste der Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen s. auch den Vorbericht im AA 2007/1, 67 ff. • Abbildungsnachweis: Archiv der Boğazköy-Expedition (Abb. 4–7).
Milet
Die Arbeiten des Jahres 2006 in Milet gliederten sich wie in den vergangenen
Jahren in eine Frühjahrs- und Sommerkampagne. In der Frühjahrskampagne
lag der Schwerpunkt auf der Fortsetzung der Bearbeitung und Restaurierung
der reichen Funde aus der vorangegangenen Sommerkampagne und umfangreichen Zeichenarbeiten im Zusammenhang mit den neuen sowie unerwarteten Funden figürlicher milesischer Vasenmalerei des 6. Jhs. v. Chr. aus dem
Jahr 2005.
Im Zentrum der Sommerkampagne 2006 standen erneut die Grabungsarbeiten im archaischen Aphroditeheiligtum auf dem Zeytintepe. Hier ergaben
die Sondagen im Westen des ursprünglichen Tempels wiederum das Bild einer Terrassenauffüllung aus Heiligtumsschutt, nachdem an dieser Stelle vorher
die Fundamentblöcke für den spätarchaischen Tempel gebrochen worden waren. Wie in den vergangenen Jahren setzte sich die Fundausbeute aus viel und
z. T. äußerst qualitätvoller Keramik – bei der besonders der Anteil an attischer
Importkeramik auffällt –, aus Bronzen, Terrakotten und sonstigen Kleinfunden aller Art zusammen. Herausragend war der Depotfund von über 150
vollständig erhaltenen Terrakottafiguren des 6. Jhs. v. Chr. (Abb. 8). Sie waren
alle zusammen an einer Stelle geschützt niedergelegt, also geradezu mit Sorgfalt bestattet worden. Der Fund erweitert das Typenspektrum der archaischen
milesischen Koroplastik und ergibt vor allem ein vollständig neues Bild von
der Polychromie dieser archaischen Figuren. Unter den Bronzefunden ist eine
große Omphalosschale hervorzuheben (Abb. 9), deren Weihinschrift Aphrodite nicht nur nennt, sondern sie auch ausdrücklich und ausgeschrieben als
diejenige von Oikus bezeichnet.
Auf der Ostterrasse des Kalabaktepe wurden unter der Projektleitung von
M. Kerschner die Ausgrabungen in dem 1995 entdeckten Heiligtum der Artemis Khitone wieder aufgenommen. Nach den Quellen handelt es sich hierbei um eines der ältesten milesischen Heiligtümer, das bis auf Neleus, den
Gründerheros der Stadt, zurückgehen soll. Erste Ergebnisse sprechen dafür,
daß der nach 494 v. Chr. abgebrochene Kult im Hellenismus wieder aufgenommen worden war. Entdeckt wurden Heiligtumsdeposite der spätgeometrischen Zeit und des 7. Jhs. v. Chr.
Aus einem Nachbarareal mit einem großen, aus Kalksteinquadern aufgebauten Brunnen kamen zwei unfertige Statuen kleiner archaischer Mantelkuroi hervor.
Unter der Projektleitung von Ph. Niewöhner wurde mit der Ausgrabung
der im Jahre 2003 im Rahmen der geophysikalischen Prospektion des Stadtgeländes von Milet entdeckten Basilica an der Nordseite des Kalabaktepe be-
Abteilung Istanbul 125
8
9
Milet, Aphroditeheiligtum
Abb. 8 Depotfund von über 150 vollständig erhaltenen Terrakottafiguren
des 6. Jhs. v. Chr.
Abb. 9 Omphalosschale aus Bronze mit
einer Weihinschrift für die Aphrodite von
Oikus
gonnen. Durch einige gezielte Sondagen konnte der Plan des Baus als der einer Transeptbasilica bestimmt und die Datierung in das fortgeschrittene 5. Jh.
gesichert werden. Die Einzelergebnisse dieser Grabungsarbeiten sind auf der
Internetseite der Abteilung Istanbul des DAI nachzulesen und befinden sich
bereits an anderer Stelle im Druck.
Im Sommer 2006 wurden neue Forschungen zu den Faustina-Thermen
von Milet aufgenommen. Ziel des von der Zentrale des DAI, von der Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz und vom Lehrstuhl für Informatik der Universität zu Köln initiierten
Projekts ist es, die These einer einheitlichen Entstehung der Gesamtanlage
(F. Krischen) kritisch zu überprüfen (s. auch S. 20 f.). Das Projekt geht weiterhin davon aus, den Umgang der Spätantike mit Architektur und Skulptur
der Kaiserzeit nicht als bloßen Epilog, als Symptom eines Verfalls verstehen
zu wollen, sondern als historisches Faktum, das in all seinen verschiedenen
Facetten zu erforschen und möglichst detailliert zu beschreiben ist. Erste Ergebnisse sind nach Auswertung der verschiedenen während der Kampagne
angelegten Sondagen zu erwarten.
Im Delphinion setzte A. Herda sein Projekt zur Erforschung der archaischen Phase dieser Kultstätte fort. Der zentrale Bereich des Delphinion-Innenhofes mit dem Apollon-Delphinios-Altar, dem umgebenden Pflaster und
dem Ringfundament des sog. Rundbaus wurden vollständig gereinigt. Eine
Bauaufnahme des Altarfundaments zeigte, daß das sichtbare Fundament des
Altars nicht in die Zeit des Wiederaufbaus der Stadt nach 479 v. Chr. gehört,
sondern zusammen mit dem Pflaster um den Rundbau wohl erst in hellenistischer Zeit errichtet wurde. Im Hofpflaster um den Altar, das vermutlich erst
in späthellenistischer Zeit verlegt worden ist, waren zahlreiche Spolien mit
bisher nicht bekannten Resten von Inschriften zu finden.
Im Rahmen der Ruinenpflege wurde die gepflasterte Straße an der Ostund der Nordseite des Delphinions von Bewuchs und Wurzel gereinigt sowie
durch eine teilweise Neuverlegung der Platten für die Besucher begehbar
gemacht. Damit ist jetzt ein gesicherter Rundweg um die Ostseite der im
Winter überschwemmten zentralen Ruine geschaffen.
Das interdisziplinäre Programm der Miletgrabung umfaßte geoarchäologische Bohrungen rund um das Delphinion (A. Herda und Arbeitsgruppe der
126 Jahresbericht 2006 des DAI
Universität Marburg), anthropologische Untersuchungen an Skelettresten der
Basilicagrabung, des Zeytintepe und aus den Brunnengrabungen am Athenatempel von 1995 (M. Kunter) sowie abschließende archäozoologische Untersuchungen an dem Material aus den Grabungen von B. und W.-D. Niemeier
am Athenatempel (H. Manhart, N. Pöllath). In der diesjährigen Geophysikkampagne gelang es H. Stümpel und seiner Gruppe, eine zweite Gräberstraße
neben der Heiligen Straße zu entdecken. Diese Straße zweigt noch vor dem
Kazartepe westlich von der Heiligen Straße ab und läuft in einem Bogen auf
den Kalabaktepe zu, wo sie vermutlich an einem Stadttor des südöstlichen
Befestigungsringes von Milet endete.
Förderung: DFG; Ruhr-Universität Bochum • Leitung des Projekts:
V. von Graeve • Abbildungsnachweis: Archiv der Miletgrabung (Abb. 8. 9).
Didyma
Im Rahmen der Untersuchungen zur räumlichen Planung und Ausdehnung
des Orakelheiligtums in archaischer Zeit hat es sich die Grabungsleitung 2006
zur Aufgabe gemacht, die vor der Ostfront des Didymaion gelegene und von
H. Knackfuß publizierte Terrassenmauer mit ihren Treppenanlagen und archaischen Hallenbauten zu überprüfen. Bisher wurde die Meinung vertreten,
daß der südliche Abschnitt die Terrassenstützmauer in archaischer (Abb. 10,
Abschnitt 1–2, Treppen 1–3), der nördliche aber in hellenistischer Zeit errichtet worden sei (Abb. 10, Abschnitt 3–4, Treppe 4 und 5; vgl. zuletzt K. Tuchelt, ÖJh 69, 2000, 320), ferner, daß die Fundamente zweier oberhalb der
Terrassenmauer gelegener ›Weihgeschenkhallen‹ ebenfalls aus archaischer
Zeit stammen. Die Terrassenmauer, die aus relativ großen Kalksteinblöcken
besteht, ist mit auffälligem Material hinterfüllt, darunter Bruchstücke archaischer Kymaplatten, die dem archaischen ›Tempel II‹ oder dessen Altar (?)
zugeschrieben werden und teilweise auch für den bekrönenden Abschluß der
Terrassenmauer wiederverwendet wurden (s. P. Schneider, IstMitt 34, 1984,
326–343). Nach neuen Erkenntnissen empfiehlt es sich nun, den südlichen
Teil der Terrassenmauer in klassische Zeit zu situieren, zu einem Zeitpunkt
als der östliche Tempelvorplatz, vorbereitend für die Arbeiten am jüngeren
Didymaion, gegen Osten erweitert wurde. Entsprechend können auch die
Treppenanlagen 1–3 angesetzt werden. Schließlich ergaben weitere Sondagen
(Abb. 10, Sondagen OTB/OTD), daß die von H. Knackfuß rekonstruierte,
südöstliche ›Weihgeschenkhalle‹ nie bestanden hat.
Geophysikalische Untersuchungen durch die Fa. Eastern Atlas wurden am
südlichen Heiligtumszugang auf einen ca. 130 m langen Abschnitt und 2 ha
umfassenden Bereich durchgeführt. Brunnenanlagen und mehrere Gebäudereste ließen sich bei der ersten Sichtung der geomagnetischen Vermessungen
erkennen.
Im Anschluß an die Pteron-Sondage des Jahres 2005 wurde ein Rasterfundamentschacht (›Caisson 2‹) des jüngeren Didymaion sondiert. Aus rund 20
Kubikmetern Füllmaterial wurden archaische Architekturglieder und Skulpturenfragmente aussortiert, unter denen ein Säulentrommelfragment mit der
Reliefdarstellung eines Wagenlenkers hervorzuheben ist (Abb. 11). Erste Georadarmessungen in dem 12-Säulensaal und in einem Adytonzugangstunnel ergaben interessante Ergebnisse, die eventuell über die Untergrundstruktur in
archaischer Zeit Auskunft geben könnten. Schon jetzt erkennt man in einer
3D-Optik die Abstufungen im Gelände und die Rasterfundamentierung im
Pronaos. In einem von U. Dirschedl (DAI, Zentrale) geleiteten Projekt wurde
die systematische Dokumentation der dem archaischen ›Tempel II‹ zuzuweisenden Fragmente fortgesetzt (s. auch hier S. 22–24).
Abteilung Istanbul 127
Abb. 10 Didyma, Terrassenanlage vor
der Ostfront des Didymaion. Überprüfungssondagen 2006 (M. 1 : 750)
Abb. 11 Didyma, archaisches Säulentrommelfragment mit der Reliefdarstellung eines
Wagenlenkers, das aus einem Rasterfundamentschacht des jüngeren Didymaion
geborgen wurde
Im Umland von Didyma wurden unter der Leitung von F. Bertemes erste
Sondagen auf der 6 km vom Apollon-Heiligtum entfernten, rund 180 m langen Insel Tavşan Adası durchgeführt. Sie hatten zum Ziel, die stratigraphischen
Verhältnisse zu präzisieren, die Datierung zu konkretisieren und die Bedeutung des Fundplatzes, der vom spätesten Chalkolithikum bis in die minoisch
geprägte Mittelbronzezeit besiedelt war, zu klären. Neben spärlichen antiken
bis frühbyzantinischen Oberflächenfunden zeigten sich auch unberührte mittelbronzezeitliche Schichten unmittelbar unter dem Humus in weiten Teilen
der Insel. Aus dieser Periode konnten Reste von einem Gebäude mit schmallangrechteckigen Räumen freigelegt werden (Abb. 12). Das Versturzmaterial
ist einheitlich mittelbronzezeitlich und kann nach einer ersten Durchsicht gut
mit der zweiten Palastzeit in Kreta verglichen werden. Zwischen Mittelbronzezeit und Frühbronzezeit schiebt sich eine Zerstörungsschicht, gefolgt von
einem nahezu fundlosen Stratum (Hiatus?), ein. In Anbetracht der großen Bedeutung dieses Fundplatzes soll das frühbronzezeitliche Schichtenpaket, das
unmittelbar auf dem Felsen aufliegt, zukünftig ebenfalls untersucht werden.
Einer der Schwerpunkte dieser Kampagne lag wie bisher auf den Tempelkonsolidierungs- und Konservierungsmaßnahmen. Die unter der Leitung von
128 Jahresbericht 2006 des DAI
Abb. 12 Didyma, Freilegung eines
mittelbronzezeitlichen Gebäudes auf der
Didyma nahe gelegenen Insel Tavşan Adası
Chr. Kronewirth durchgeführten Arbeiten am jüngeren Didymaion galten im
Jahr 2006 vor allem der Sanierung der Ostwand des 12-Säulensaals.
Leitung des Projekts: A. Furtwängler • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen:
F. Bertemes (Tavşan Adası), D. Mauermann, U. Weber (Terrassensondagen) •
Abbildungsnachweis: Archiv der Didymagrabung (Abb. 10–12).
Pergamon
Dank langjähriger archäologischer Forschungen ist das antike Pergamon in seinen städtebaulichen Grundzügen, einzelnen Stadtquartieren und öffentlichen
Monumenten gut bekannt. Große Wissenslücken bestehen hingegen immer
noch auf dem Gebiet des städtischen Gesamtorganismus, d. h. der Gliederung
der Stadt durch Straßenraster und Gebäudeensembles, ihrer Besiedlungsdichte
und ihrer Abgrenzung bzw. Öffnung zum Umland. Diesem dringenden Desiderat begegnet das neue Forschungsprogramm der Pergamongrabung durch
Untersuchungen zum Gesamtorganismus der hellenistischen Residenzstadt
(3.–2. Jh. v. Chr.) und durch Projekte in der Umgebung Pergamons.
Im Jahr 2006 wurden der archäologische Survey und die geophysikalischen
Prospektionen am bislang unerforschten Südostabhang des Burgberges fortgesetzt. Gemeinsam mit den bereits 2005 erzielten Ergebnissen zeichnet sich
nun ein völlig neues Bild vom Straßenraster der großen hellenistischen Stadterweiterung des 2. Jhs. v. Chr. ab. Anders als bisher hypothetisch rekonstruiert folgt die Straßenführung keinem streng orthogonalen System, sondern
scheint fächerförmig aufgebaut und damit stärker an der Beschaffenheit des
Geländes ausgerichtet zu sein (Abb. 13). Durch Grabungsschnitte konnten
Straßenbreiten von bis zu vier Metern nachgewiesen werden, was im Vergleich zur Oberstadt von Pergamon von einem gesteigerten städtebaulichen
und verkehrstechnischen Anspruch zeugt.
Die stratigraphischen Sondagen zur Datierung von Schlüsselmonumenten
der hellenistischen Stadterweiterung konzentrierten sich im Jahr 2006 auf die
sog. Eumenische Stadtmauer, die anhand stratifizierter Befunde mit einiger
Sicherheit in die 1. Hälfte des 2. Jhs. v. Chr. datiert werden kann. Damit stützt
sich die Zuschreibung der Stadtmauer an Eumenes II. (197–159 v. Chr.) nun
auch auf archäologische Daten.
Abteilung Istanbul 129
Abb. 13 Pergamon, Südostabhang des
Burgberges mit einer neuen Rekonstruktion
des Straßenrasters (M. 1 : 5000)
Im Rahmen des Projekts zur Erforschung der visuellen und funktionalen Gestaltung des hellenistischen Gymnasiums konnte anhand verschiedener
Grabungsbefunde gezeigt werden, daß die Anlage in vorrömischer Zeit weitaus schlichter ausgestattet war als bisher angenommen.
Ein Überraschungsfund von erheblicher historischer Relevanz gelang bei
der Untersuchung antiker Straßen am noch unausgegrabenen Südosthang des
Burgberges: Erstmals konnte in Pergamon ein frühbyzantinisches Grab des
7. Jhs. mit Schmuck, Trachtbestandteilen und Waffenbeigaben geborgen werden (Abb. 14).
Die Arbeiten im Umland von Pergamon konzentrieren sich derzeit auf
das westliche Tal des Kaikos (Bakır Çay) mit dem antiken Atarneus sowie auf
Elaia, den Haupthafen Pergamons. Dort konnten im Bereich der modernen
Küstenlinie durch geophysikalische Messungen ausgedehnte Molen, Kaianlagen und Gebäudestrukturen nachgewiesen werden, die unsere Erwartungen
130 Jahresbericht 2006 des DAI
an die Größe des Hafens weit übertroffen haben (Abb. 15). Mächtige Befestigungsanlagen und der Fund von Geschoßkugeln unterstreichen die militärische Bedeutung der Anlage. Der archäologische Survey hat Keramikfunde
archaischer bis byzantinischer Zeit erbracht. Damit steht nun fest, daß wir
mit älterer Besiedlung vor der ersten schriftlichen Erwähnung Elaias im 5. Jh.
v. Chr. rechnen müssen. Einzelne Bauglieder weisen deutliche Parallelen zu
Stücken aus Pergamon auf und sprechen damit für den Einfluß der Metropole
auf den Hafenort Elaia, der allem Anschein nach in hellenistischer Zeit zu
einem maritimen Satelliten der Residenzstadt ausgebaut wurde.
In Atarneus läßt sich hingegen zeigen, wie eine prosperierende spätklassisch-frühellenistische Stadtanlage unter dem Einfluß der erstarkenden Metropole Pergamon ab hochhellenistischer Zeit spürbar an Bedeutung verlor.
Damit liefert Atarneus ein Beispiel für die gegensätzliche Entwicklung, die ältere Poleis im Umfeld der neuen hellenistischen Zentren nehmen konnten.
14
Pergamon
Abb. 14 Inventar eines frühbyzantinischen
Grabes vom Südosthang des Burgberges
Abb. 15 Umland, Elaia. Geophysikalische
Prospektionen im Bereich des Hafens
15
Kooperationspartner: Generaldirektion für Kulturdenkmäler und Museen des Kultur- und Tourismusministeriums der Republik Türkei; DFGSchwerpunktprogramm 1209 »Die hellenistische Polis als Lebensform. Urbane Strukturen und bürgerliche Identität zwischen Tradition und Wandel«;
Ankara Üniversitesi, Başkent Meslek Yüksekokulu, Restorasyon ve Konservasyon Programı; Archäologisches Institut der Albert-Ludwigs-Universität
Freiburg; Archäologisches Institut der Universität zu Köln; Geodätisches Institut der Universität Karlsruhe; Historisches Seminar der Abteilung für Alte
Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität München; Institut für Geomatik der Hochschule Karlsruhe; Institut für Geowissenschaften der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel; Institut für Strahlenphysik der Universität
Bonn; Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik des DAI; Professur
für Historisch-Kulturwissenschaftliche Informationsverarbeitung der Universität zu Köln; Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung
Preußischer Kulturbesitz; Studiengang Konservierung/Restaurierung und
Grabungstechnik der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin •
Förderung: DFG • Leitung des Projekts: F. Pirson • Mitarbeiter: R. von
den Hoff (Gymnasium), M. Zimmermann (Chora von Pergamon) (für eine
vollständige Liste der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen s. auch den Vorbericht im AA 2007/2) • Abbildungsnachweis: Archiv der Pergamongrabung
(Abb. 13–15).
Abteilung Istanbul 131
16
Pergamon, Rote Halle
Abb. 16 Das neue Depotgebäude mit den
Schwerlastregalen von Südosten, rechts im
Hintergrund der südliche Rundturm. Die
Lamellenverkleidung der Fassade fehlt noch
Abb. 17 Die flußseitige Stützmauer des
Temenos im Bereich des Depots vor
Beginn der Maßnahmen
Abb. 18 Die flußseitige Stützmauer des
Temenos im Bereich des Depots nach
Abschluß der Restaurierungsarbeiten 2006
17
Pergamon, Konservierungsprojekt Rote Halle
Eine Ruinenanlage in der Dimension der Roten Halle in Pergamon, einer
der größten römischen Bauanlagen in Kleinasien, erfordert immer wieder Anstrengungen zu ihrem baulichen Erhalt, zumal frühere Maßnahmen mehrere
Jahrzehnte zurückliegen und sich auch nur auf Teilbereiche richten konnten.
In einem besonders problematischen Zustand befindet sich der südöstliche
Bereich mit dem Rundturm, der dem großen Ziegelbau südlich vorgelagert
ist. In die originale römische Kuppel dringt ungehindert Regenwasser ein
und im Inneren sind tonnenschwere Fundstücke auf einem empfindlichen
caementicium-Gewölbe gelagert, das bereits an mehreren Stellen eingebrochen ist. Hier setzt ein neues Restaurierungsprojekt der Pergamongrabung an
(s. F. Pirson, AA 2006/2, 78 Abb. 22). Es sieht vor, im Anschluß an den Rundturm ein neues Depot zu errichten, die Fundstücke hierher auszulagern, die
Kuppel und das Innere des Turms zu restaurieren und anschließend diesen
eindrucksvollen Raum in musealer Weise den Besuchern zu öffnen. Gleichzeitig sollen die dem Turm benachbarten Bereiche, insbesondere die große
Stützmauer zum antiken Fluß Selinus, in die Restaurierungsmaßnahmen einbezogen werden.
Im Mittelpunkt der Arbeiten 2006 standen der Abbruch des ehemaligen
Wächterhauses neben dem südlichen Rundturm und die Errichtung des
neuen Depotgebäudes an dessen Stelle (Abb. 16). Im Bereich des Depots
wurde die südliche Temenoswand (Abb. 17) restauriert und die großflächigen
Fehlstellen in der Handquadermauerschale in Natursteinmauerwerk ergänzt
(Abb. 18). Dieser Mauerabschnitt, der als Musterstreifen für die Restaurierung
der gesamten Temenossüdwand konzipiert worden ist, wurde im aufgehenden Bereich weiter aufgehöht, um eine vollständige Kaschierung der südlichen Schmalseite des neuen Depotgebäudes zu ermöglichen. In den Substruktionen unterhalb des neuen Depots – einem aufwendigen caementiciumKreuzgewölbe auf Mauerwerkspfeilern – wurden in geringerem Maß Sicherungsarbeiten durchgeführt, die in der nächsten Kampagne erweitert werden
sollen.
Die Kuppel über dem Rundbau wurde ebenso wie dessen Westwand nach
Erstellung eines Baugerüsts gründlich in Augenschein genommen, um die für
2007 zu treffenden Maßnahmen in diesem Bereich planerisch vorbereiten
zu können. Außerdem wurden große Mengen an Dachziegeln, die auf der
Kuppel gelagert waren und eine unzulässige Belastung ihres statischen Gefüges darstellten, entfernt. Sie waren später zur Eindeckung des neuen Depots
18
132 Jahresbericht 2006 des DAI
wieder zu verwenden. An der Westwand des Rundbaus wurden kleinere Sicherungsarbeiten vorgenommen, um die Besucher vor herabstürzenden Bauteilen zu sichern.
An den Stützfigurenfragmenten des ehemaligen Südhofes der Roten Halle konnten schließlich umfangreiche Dokumentations- und Restaurierungsmaßnahmen vorgenommen werden, die von der Restaurierungsbaustelle logistisch begleitet wurden. Sie sind Voraussetzung für die photographische und
wissenschaftliche Bearbeitung der bedeutenden antiken Bildwerke.
Kooperationspartner: Ingenieurgruppe Bauen, Karlsruhe • Förderung:
Studiosus-Foundation; DFG • Leitung des Projekts: M. Bachmann, F. Pirson
• Mitarbeiter: J. Steiner, T. Bunk, C. Kronewirth • Abbildungsnachweis: Archiv der Pergamongrabung (Abb. 16–18).
Priene
Die Grabung in der Wohninsula F 15 im Osten der Stadt konnte in dieser
Kampagne abgeschlossen werden. Es lassen sich vier Hauptbesiedlungsphasen feststellen, die von spätklassisch-frühhellenistischer Zeit bis an das Ende
der byzantinischen Besiedlung im 14. Jh. reichen. Zur Funktion der Gebäude
sind vor einer detaillierten Auswertung der Funde und der Grabungsdokumentation noch keine Angaben möglich, die über eine allgemeine Charakterisierung als Wohnviertel hinausgingen.
Ein neues Grabungsareal wurde im Heiligtum der Ägyptischen Götter eröffnet (Abb. 19). Die Datierung des zentralen Podiumtempels, der lange als Altar gegolten hatte, ist eines der Hauptanliegen der aktuellen Untersuchugen,
denn frei stehende Podientempel werden in Kleinasien auf römischen Einfluß
zurückgeführt. Eine möglichst genaue zeitliche Einordnung wäre daher von
großer Bedeutung für das Verständnis baulicher Veränderungen und ihres soziopolitischen Umfeldes in der Polis Priene. Das einschlägige Fundmaterial
aus dem Fundamentbereich des Baus ist noch nicht ausgewertet, doch sind
bisher bisher keinerlei kaiserzeitliche Funde aufgetreten. In jedem Fall gehört
der Tempel einer späten Ausbauphase des Heiligtums an. Dessen Gründung
wird gewöhnlich in die 2. Hälfte des 3. Jhs. v. Chr. datiert. Die Frage nach seiner Vorgängerbebauung ist von erheblicher Bedeutung für unser Verständnis
urbanistischer Veränderungen in hellenistischer Zeit, und ihre Beantwortung
stellt daher das zweite Hauptziel dieser Ausgrabung dar. In dieser Kampagne
wurde jedoch zunächst ein bislang unbekannter spät- bis nachantiker Fried-
Abb. 19 Priene, Heiligtum der Ägyptischen Götter von Nordwesten. Links der
Mitte befindet sich der Podiumtempel
Abteilung Istanbul 133
20
Priene
Abb. 20 Südlich des Tempels im Heiligtum
der Ägyptischen Götter finden sich einfache
Plattengräber in zwei Lagen übereinander
Abb. 21 Treppenzugang zu einem Turm
der Stadtmauer
21
hof entdeckt und zum Teil untersucht (Abb. 20). Seine Gräber gehören zwei
Belegungsphasen an, die sich in Ausrichtung, Niveau und Technik deutlich
voneinander unterscheiden und daher vermutlich nicht unmittelbar aufeinander gefolgt sind. Angaben zur absoluten Datierung lassen sich bis jetzt nicht
machen.
Den Schwerpunkt der Bauforschung bildete neben Detailuntersuchungen
am Heiligtum der Ägyptischen Götter in diesem Jahr das Prytaneion. Die
Identifizierung dieses Gebäudes ist nicht völlig sicher, sondern wird vor allem
aus seiner Lage neben dem Bouleuterion und einer spätkaiserzeitlichen Inschrift erschlossen. In diese Epoche gehört auch der durch die alte Grabung
bekannte Bauzustand. Eine detaillierte Bauaufnahme als Grundlage für eine
Untersuchung der Entwicklung des Komplexes fehlte bislang und wurde in
dieser Kampagne durchgeführt. Es scheint, daß an der Stelle älterer Häuser in
hellenistischer Zeit zunächst eine Hofanlage mit wenigen Räumen entstand,
deren Anzahl im Laufe der folgenden Jahrhunderte zunahm.
Die Untersuchung der Stadtmauer von Priene wurde im Rahmen eines
Dissertationsprojekts fortgesetzt (Abb. 21). Das bisher gültige Bild dieser Befestigung hat sich bereits grundlegend verändert. Ging man zuvor von einem
im wesentlichen unveränderten Fortbestehen der ursprünglichen Anlage aus
dem 4. Jh. v. Chr. aus, so sind nunmehr in fast allen Bereichen Reparaturen
und Umbaumaßnahmen beobachtet worden, die auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren. Es waren auch zahlreiche bislang unbekannte Pforten,
Türme, Treppen usw. festzustellen, die eine bessere Beurteilung der Verbindung von Wehranlage und Stadtstruktur erlauben.
Neben den Arbeiten im Gelände konnten materialorientierte Themen anhand der Funde aus den vergangenen Grabungskampagnen bearbeitet werden, so z. B. zu Produktion und Verbreitung kaiserzeitlicher Küchenkeramik.
Ferner sind Sicherungs- und Restaurierungsarbeiten im antiken Stadtgebiet
durchgeführt worden.
Kooperationspartner: Generaldirektion für Kulturdenkmäler und Museen
des Kultur- und Tourismusministeriums der Republik Türkei • Förderung:
DFG • Leitung des Projekts: W. Raeck (Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a. M.), W. Koenigs (Technische Universität München) •
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: A. Filges, B. Gossel-Raeck, A. Hennemeyer, A. von Kienlin, U. Mandel, J. Rumscheid, F. Rumscheid, U. Ruppe,
B. Weißer, Z. Yılmaz • Abbildungsnachweis: Archiv der Prienegrabung
(Abb. 19–21).
134 Jahresbericht 2006 des DAI
Anazarbos
In Kilikien liegen bislang sowohl Anfänge als auch Erscheinungsbild urbaner
Strukturen völlig im Dunkeln. Wichtigstes Ziel des 2004 begonnenen Surveyprojekts in Anazarbos (Abb. 22) stellt daher die Erfassung und Interpretation eines Siedlungsprozesses über eine Zeitspanne von mehr als siebzehn
Jahrhunderten dar.
Einen Schwerpunkt bildete 2006 die intensive Erforschung der drei großen Nekropolengebiete (Abb. 23), die mit ihren unterschiedlichen Grabformen und den zahllos in situ erhaltenen Inschriften wichtige Aufschlüsse zur
Stadtentwicklung versprachen. Hinzu kamen auch alle freistehenden Grabmonumente rund um das Stadtgebiet, da diese im besonderen Hinweise auf
die Wichtigkeit von Verkehrswegen und Veränderungen des urbanistischen
Gesamtkonzepts geben können.
Zudem wurde die geophysikalische Prospektion fortgesetzt, die einerseits
mittels Geomagnetik der weiteren Erschließung des antiken Straßenrasters, andererseits mittels Georadar der Untersuchung ausgewählter Strukturen diente. Vor allem im Stadtzentrum waren diese Arbeiten von außergewöhnlichem
Erfolg gekrönt (Abb. 24).
Parallel hierzu fanden intensive Begehungen des gesamten Geländes statt,
um die Oberflächenfunde in weitere Überlegungen einfließen lassen zu können. Dieser Keramiksurvey erbrachte erstaunlich klare Resultate, denen zufolge nun auch in der Ebene mit bronzezeitlicher Besiedlung zu rechnen ist;
danach setzt Keramik erst wieder im 3. Jh. v. Chr. ein. Die weitere und aus dem
Keramikbild ablesbare Entwicklung stimmt gut mit der historischen Überlieferung überein: Die Stadt erfährt im 2. Jh. dank ihrer strategisch wichtigen
Lage einen fundamentalen Aufschwung, der ab dem 6. Jh. mit der sukzessiven
Aufgabe von ehemals besiedelter Fläche sein Ende findet.
Intensiv wurde zudem von einem Architektenteam die virtuelle Rekonstruktion bereits erfaßter Gebäudekomplexe (Abb. 25) aus verschiedenen
Epochen vorangetrieben, da nur auf diese Weise der sich über Jahrhunderte
hinziehende dynamische Prozeß einer Stadtbildentwicklung einigermaßen
begreifbar wird. Zu diesem Zweck wurden Aufrisse und Schnitte der jeweils
Abb. 22 Anazarbos, Blick auf den
Burgberg mit den byzantinischen und
armenischen Befestigungsanlagen. Im
Vordergrund ein kaiserzeitlicher Aquädukt
Abb. 23 Anazarbos, römische Nekropole. Kaiserzeitliche Felssarkophage mit
Inschriftentafeln
Abteilung Istanbul 135
Abb. 24 Anazarbos, Stadtzentrum. Georadarbild der oberflächlich nicht sichtbaren
Strukturen, die möglicherweise einer
Phase vor dem Ausbau der Stadt im 2. Jh.
zuzurechnen sind
Abb. 25 Anazarbos, Burgberg. Kaiserzeitliches Propylon, das nur noch in seinen
untersten Lagen erhalten ist
wichtigsten Strukturen angefertigt und in Perspektivansichten umgewandelt,
die dazu dienen, dieVeränderungen des Erscheinungsbildes und der Raumaufteilung der Stadt Anazarbos verständlich zu machen.
Neben der Fortsetzung der geophysikalischen Prospektion müssen die Arbeiten in der Folge vor allem auf dem Gebiet der Oberflächenfunderfassung
intensiviert werden, da hierin – nach der bereits erfolgten Dokumentation
baulicher Strukturen – sicherlich das größte Potential zum Verständnis der
Entwicklung von Anazarbos liegt. Geplant ist zudem die archäometrische Beprobung ausgewählter Keramikfunde, da der begründete Verdacht besteht, daß
einige der besonders gehäuft auftretenden Waren am Ort selbst hergestellt
worden sind. Einen weiteren Schwerpunkt bilden geodätische bzw. bauforscherische Arbeiten auf dem Burgfelsen, die dazu dienen sollen, die diversen Phasen der gewaltigen Befestigungsanlagen zu dokumentieren und mit
den Bauten der Ebene in zeitliche und funktionale Beziehung zu setzen.
Abschließende Überarbeitungen der bereits angefertigten Rekonstruktionen,
die dazu dienen sollen, den jeweiligen Zustand bestimmter Areale zu visualisieren, runden die Liste geplanter Arbeiten im Jahr 2007 ab.
Kooperationspartner: Generaldirektion für Kulturdenkmäler und Museen
des Kultur- und Tourismusministeriums der Republik Türkei; Institut für Alte
Geschichte der Universität Istanbul (M. H. Sayar); Geophysikalisches Institut der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (H. Stümpel) • Förderung:
Fritz Thyssen Stiftung • Leitung des Projekts: R. Posamentir • Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen: N. Alpaslan, H. Birk, N. Çalışır, I. Engelmann, T. Gering, S. Held, B. Kellner, U. Kelp, C. Klein, C. Nowak, A. Schanze, K. Skokow,
M. Weisensel, T. Wunderlich • Abbildungsnachweis: R. Posamentir (Abb. 22.
23. 25), H. Stümpel (Abb. 24).
136 Jahresbericht 2006 des DAI
Wissenschaftliche Veranstaltungen
Vorträge
2. Februar Ulf Schoop (Istanbul), Zwischen Wald und Steppe. Zur Anatolischen Kulturentwicklung im Neolithikum und Chalkolithikumxxx16. Februar Engelbert Winter (Münster), Doliche und Jupiter Dolichenusxxx2. März
Richard Posamentir (Istanbul), Die Griechen am Schwarzen Meerxxx30.
März Andreas Schachner (Istanbul), Assyriens König am Tigris. Archäologische Forschungen an einer der Tigris-Quellenxxx6. April Martin Bachmann
(Istanbul), Steine und Zeichen. Zur Bautechnik und Bauorganisation auf dem
Karasisxxx20. April Adolf Hoffmann (Istanbul), Bericht über die Aktivitäten
der Abteilung im Jahr 2005xxx9. November Axel Filges (Frankfurt a. M.), Eine Bilderbuchmetropole im Miniaturformat – ein Blick auf Blaundos (Phrygia) nach den Feldforschungenxxx12. Dezember Ralf von den Hoff (Freiburg
i. Br.), Das Gymnasium von Pergamon: Neue Forschungen zur Gestaltung
eines urbanen Raumes.
Hauskolloquien
16. Januar Melissa Vetters (Athen), Zur Verwendung und Bedeutung mykenischer Figurinenxxx6. Februar Oliver Hülden (Tübingen), Achämenidische
Gräber in Kleinasienxxx13. Februar Elena Bozhinova (Sofia), Chronology
and Periodization of the Early Iron Age in Ancient Thracexxx20. Februar
Janet Haberkorn (Istanbul), Die hellenistischen Stadtmauern von Pergamon
13. März Torsten Zimmer (Istanbul), Die Palastanlagen von Pergamon
20. März Bahadır Yıldırım (Ankara), A Visual Encomium: The So-called Ninos Frieze from the Civil Basilica at Aphrodisiasxxx27. März Ingrid Laube
(Tübingen), Panzertorsixxx3. April Ergün Laflı (Izmir), Drei Spätantike Kirchen in Süd-Paphlagonien. Überlegungen zur frühchristlichen Kunst Paphlagoniens wärend der Spätantikexxx6. November Thomas Zimmermann (Ankara), Kalınkaya: Eine chalkolithisch/frühbronzezeitliche Siedlung mit Bestattungsplatz im nördlichen Zentralanatolienxxx20. November Roman Stoyanov (St. Petersburg), About the Necropolis of Chersonesosxxx27. November
Deniz Beyazit (Zürich), Bauplastik der Artuqiden in Mardin (1108–1408).
Ionien-Kurs
Gemeinsam mit der Abteilung Athen des DAI wurde im April ein zehntägiger
Fortbildungskurs für promovierte Wissenschaftler unter dem Rahmenthema
»Ionische Heiligtümer« durchgeführt. Dreizehn Teilnehmer der Forschungsrichtungen Klassische Archäologie, Alte Geschichte, Klassische Philologie,
Bauforschung aus Deutschland, der Türkei und Griechenland bereisten eine
Kulturlandschaft, in der das DAI seit mehr als hundert Jahren mit zahlreichen
Forschungsprojekten vertreten ist, und diskutierten an diversen Ruinenstädten den aktuellen Forschungsstand bzw. übergreifende Fragestellungen.
Wissenschaftliches Netzwerk
Im Juni wurde an der Abteilung ein wissenschaftliches Netzwerk zum Thema
»Manifestationen von Macht und Hierarchien in Stadtraum und Landschaft«
eingerichtet. Hier werden Projekte von Mitarbeitern und Stipendiaten der
Abteilung sowie von Kolleginnen und Kollegen, die im Rahmen von Abteilungsprojekten forschen, methodisch und inhaltlich zusammengeführt. Ziel
ist es, das spezifische Profil der Abteilung für die Nachwuchsförderung zu nutzen und so wissenschaftliche Synergien auf dem Gebiet der archäologischen
Raumforschung zu erzielen. Am 10./11. November fand ein erstes Treffen
Abteilung Istanbul 137
in Istanbul statt, bei dem die Teilnehmer ihre Forschungsvorhaben vorstellten. Das Netzwerk gehört als Teilprojekt zum Forschungscluster 3 »Politische
Räume« des DAI.
Öffentlichkeitsarbeit
Die öffentlichen Führungen in Istanbul durch Mitarbeiter der Abteilung
fanden zwischen dem 9. April und dem 18. Juni statt. Presseinterviews für
nationale und internationale Zeitungen und Zeitschriften sowie Funk- und
Fernsehanstalten wurden vor allem im Rahmen der einzelnen Arbeitsprojekte gegeben. Beratend tätig waren Mitarbeiter der Abteilung für den Fernsehfilm »The Dark Lords of Hattusha«, der von der BBC im Rahmen der
Dokumentarfilmserie »Lost Cities of the Ancients« in Boğazköy-Hattuša gedreht worden ist. Im Institutsgebäude, auf den Grabungen des Instituts sowie
an anderen archäologischen Stätten und in verschiedenen Museen wurden
zahlreiche Gruppen und Einzelpersonen geführt.
Abb. 26 Farbige Rekonstruktion einer
Figurengruppe vom Westtympanon des
Aphaia-Tempels in Aigina in der Ausstellung »Renkli Tanrılar« im Archäologischen
Museum Istanbul
Ausstellungen
Die Abteilung war an mehreren Ausstellungsprojekten beteiligt: In Zusammenarbeit mit dem Archäologischen Museum Istanbul wurde dort im
März mit Reliefs und Freiplastik ein Themenschwerpunkt zum Thema
»Kontroverse Bilder von Krieg und Gewalt« eingerichtet. Ebenfalls im Archäologischen Museum Istanbul wurde mit Unterstützung der Staatlichen
Antikensammlungen München und der Stiftung Archäologie im April unter dem Titel »Renkli Tanrılar« die zuvor in zahlreichen europäischen Städten gezeigte Ausstellung »Bunte Götter. Zur Farbigkeit antiker Skulptur«
eröffnet (Abb. 26). Ab Juli wurde in Sevastopol in der Ukraine eine Ausstellung zu den Grabstelen von Chersonesos, die sich schwerpunktmäßig mit dem Akkulturationsaspekt beschäftigte, gezeigt. Anfang November
wurde im Sadberk Hanım Museum in Istanbul die Photoausstellung »Latmos Dağlarından Tarihöncesi Kaya Resimleri« eröffnet. Thema dieser von
A. Peschlow konzipierten Ausstellung sind die prähistorischen Felsmalereien
des Latmos-Gebirges in der Südwesttürkei.
Veröffentlichungen
Istanbuler Mitteilungen 55, 2005
Istanbuler Forschungen 47: J. Chr. Gerber, Hassek Höyük III. Die frühbronzezeitliche Keramik
Istanbuler Forschungen 48: Axel Filges (Hrsg.), Blaundos. Berichte zur Erforschung einer Kleinstadt im lydisch-phrygischen Grenzgebiet
Byzas 3: W. Radt (Hrsg.), Stadtgrabungen und Stadtforschung im westlichen
Kleinasien – Geplantes und Erreichtes
Byzas 4: D. P. Mielke – U.-D. Schoop – J. Seeher (Hrsg.), Strukturierung und
Datierung in der hethitischen Archäologie. Voraussetzungen – Probleme –
Neue Ansätze/Structuring and Dating in Hittite Archaeology. Requirements
– Problems – New Approaches
Byzas 5: F. A. Bauer (Hrsg.), Visualisierungen von Herrschaft. Frühmittelalterliche Residenzen – Gestalt und Zeremoniell
J. Seeher, Hattuscha Führer. Ein Tag in der hethitischen Hauptstadt (Deutsch/
Englisch/Türkisch), 3. überarbeitete und erweiterte Auflage
138 Jahresbericht 2006 des DAI
Sonstiges
Das Bauaufnahme-Projekt am Şekerhane Köşkü in Selinus, einem vermutlichen Kenotaph für Kaiser Trajan (A. Hoffmann und C. Winterstein), wird als
Kooperationsprojekt der Abteilung Istanbul und des Architekturreferats der
Zentrale des DAI durchgeführt (s. auch hier S. 27 f.).
Persönliches
Am 20. April wurde dem scheidenden Ersten Direktor Adolf Hoffmann in
einer Feierstunde im deutschen Generalkonsulat in Istanbul das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen. Ebenfalls im April ernannte ihn das Türkische Institut für Altertumswissenschaften zum Ehrenmitglied.
Ausgrabungen und Forschungen
Abteilung Madrid
Zambujal (Portugal)
Die kupferzeitliche befestigte Siedlung von Zambujal (3. und 2. Jt. v. Chr.) liegt
im Concelho Torres Vedras, etwa 50 km nordwestlich von Lissabon. Im Jahr
2006 fanden dort keine Ausgrabungen statt, sondern es wurde ein neuer Gesamtplan erarbeitet, in den die während der Grabung im Jahr 2004 gemessenen Höhenlinien und Strukturen, der von E. Sangmeister und H. Schubart
Abb. 1 Zambujal (Portugal), die Prospektionsergebnisse im November 2006 von
N. Lutz innerhalb des von der Stadt Torres
Vedras neu erworbenen Geländes auf
einem Orthophoto. In der Bildmitte links ist
das Zentrum der kupferzeitlichen Befestigungsanlage zu erkennen und auch das
darin liegende Bauernhaus von Zambujal
Abteilung Madrid 139
1981 publizierte Gesamtplan sowie die seit 1994 ausgegrabenen Bereiche aufzunehmen waren. Alle Daten wurden mit dem Computer-Programm AutoCAD im derzeit gültigen Vermessungsnetz, das im Jahr 1994 von M. Höck
eingerichtet worden war, dargestellt.
N. Lutz schloß ihre Magisterarbeit über Schnitt 92 der vierten Befestigungslinie ab. Die Stratigraphie des Schnittes liefert die besten Grundlagen für
die Chronologie dieses Bereichs. Dazu konnte auch im Kieler Laboratorium
eine Serie von 17 14C-Daten gemessen werden, die u. a. zu den ältesten von
Zambujal zählen und außerdem darstellen, daß die vierte Befestigungslinie offensichtlich den gesamten Zeitraum vom Beginn des 3. Jts. v. Chr. bis in die
erste Hälfte des 2. Jts. (kalibriertes Enddatum ca. 1750 v. Chr.) bestanden hat.
Im Verlauf des Jahres 2006 kaufte die Stadt Torres Vedras, nach jahrelangen
Verhandlungen, schließlich dem ehemaligen Besitzer einen Bereich von ca.
40 ha Land rund um die kupferzeitliche Befestigungsanlage ab. Prospektionen,
die N. Lutz im November desselben Jahres auf dem neu erworbenen Gelände
durchführte, ergaben, daß offensichtlich die gesamte Westseite des Berges, auf
dessen Sporn die bisher bekannte kupferzeitliche Befestigungsanlage liegt,
während der Kupfer- und frühen Bronzezeit besiedelt war (Abb. 1).
Leitung des Projekts: M. Kunst • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen:
Chr. Hartl-Reiter (Topographie), N. Lutz • Abbildungsnachweis: Orthophoto, Câmara Municipal de Torres Vedras (Abb. 1).
Informationen im Internet unter: http://www.dainst.org/index_595_
de.html
Sizandro-Alcabrichel (Portugal)
Im Rahmen der Forschungscluster 2 »Innovationen: technisch, sozial« und 3
»Politische Räume« des DAI entstand ein neues interdisziplinäres und internationales geoarchäologisches Projekt, in dem das zur kupferzeitlichen Befestigung von Zambujal gehörende Territorium erforscht werden soll. Die
Ende der 1980er Jahre im Rahmen des damaligen Küstenforschungsprojekts
durchgeführten Untersuchungen einer ehemaligen Meeresbucht im Sizandrotal liefern wichtige Vorarbeiten.
Im Berichtszeitraum war N. Lutz mit der Zusammenstellung grundlegenden Kartenmaterials befasst, wobei wir vor allem der Stadt Torres Vedras sehr
dankbar sind für die Überlassung von hervorragenden Orthophotos (Luftbilder) und digitalisierten Karten mit Höhenlinien und Katasterdaten dieser Region. In einer ersten Prospektionskampagne konnte N. Lutz die aus der Literatur bekannten Plätze aufsuchen und sich so ein Bild über den Arbeitsraum
verschaffen, der die Grundlage für ihre Dissertation über die Analyse der Lage
von Ressourcen und Siedlungsplätzen sowie die Zirkulation von Rohstoffen
innerhalb des Arbeitsgebietes ist. Dazu wurde auf der Basis des Programms
Manifold damit begonnen, ein GIS zu entwickeln, in das auch die Grabungen von Zambujal integriert werden sollen. Ab 2007 ist innerhalb des Projekts eine enge Zusammenarbeit mit der Universität Iowa (USA) vorgesehen.
Ein entsprechender Antrag für die nächsten vier Jahre wurde zusammen mit
K. Lillios (Universität Iowa) ausgearbeitet und an die portugiesische Denkmalbehörde gestellt.
Wie schon aus dem Titel des Projekts hervorgeht, wird sich das Untersuchungsgebiet auf die beiden parallelen Flußtäler des Río Sizandro und des
Río Alcabrichel beschränken. Sie können vermutlich als zwei Siedlungskammern aufgefaßt werden, die entweder zu einem Territorium gehörten oder
aber zwei verschiedene Territorien darstellten. Das Ziel des Projekts ist es herauszufinden, ob es Merkmale gibt anhand derer sich diese Frage klären läßt.
140 Jahresbericht 2006 des DAI
Abb. 2 Sizandro-Alcabrichel (Portugal),
Blick über das Tal des Río Sizandro von Ost
nach West. Durch den Pfeil wird die tiefste
Stelle der Bohrungen im August 2006
angezeigt. Das Bild wurde Ende November
2006 aufgenommen, nach starken Regenfällen, die zu ausgedehnten Überschwemmungen führten
R. Dambeck (Institut für Physische Geographie der Johann Wolfgang
Goethe-Universität Frankfurt a. M.) berichtet, daß Sondierbohrungen im Tal
des Río Sizandro, südlich der Ortschaft Benfica, der Erkundung des Sedimentaufbaus dienten, um Erkenntnisse zur Landschaftsgeschichte in der Umgebung der kupferzeitlichen Befestigungsanlage von Zambujal zu gewinnen.
Entlang eines Querprofils in der Sizandroaue konnten in Abständen von 30 m
insgesamt 8 Rammkernbohrungen mit einer Gesamtbohrleistung von 160 m
durchgeführt und 263 Sedimentproben gewonnen werden (Abb. 2). An einer
Lokalität wurden Ablagerungen mit marinem Fauneninhalt (Schalenbruchstücke fossiler Muscheln) geborgen, die für die Interpretation der holozänen
Talgeschichte von besonderem Wert sind.
Die Bohrungen belegen eine lokal bis zu 24,3 m mächtige Sedimentverfüllung. Daraus läßt sich ein einfaches Bild der Talentwicklung seit Beginn des
Holozäns vor ca. 11 500 Jahren rekonstruieren. Folgende Phasen der Landschaftsentwicklung sind grob zu modellieren: 1) Ablagerung von Hochflutsedimenten am Talgrund und anschließende Bodenentwicklung (altholozäne
Landoberfläche), 2) marine Transgression als Folge des gegen Ende der letzten
Kaltzeit einsetzenden, klimatisch bedingten Meeresanstiegs, Ausbildung einer
Bucht (mittleres Holozän), 3) Verlandung der Bucht als Folge des terrestrischen Sedimenteintrags aus dem Hinterland, verursacht durch Bodenerosion
(etwa ab Kupferzeit).
Anhand der Geländebefunde ist es jetzt möglich, die bisherigen Annahmen zur Ausdehnung der im Sizandrotal entwickelten ehemaligen Meeresbucht zu präzisieren. Das Gewässer dürfte schmaler als bislang angenommen
(G. Hoffmann 1988) gewesen sein, könnte aber eine etwas größere Wassertiefe aufgewiesen haben.
Die Auswertung der Daten dauert an. Derzeit werden die Proben gesichtet
und separiert. Ein Teil des Probenmaterials wird Spezialanalysen zugeführt
(Pollen, Ostracoden, Gastropoden, pflanzliche Großreste, 14C-AMS Datierungen). Diese sollen detailliertere Erkenntnisse zur Sedimententwicklung
und zu paläoökologischen Veränderungen liefern.
Vom 2. bis 28. August führte R. Dambeck eine geoarchäologisch-bodenkundliche Geländekampagne durch, als studentische Hilfskräfte waren N. Herrmann (Leipzig), S. Sylla und Y. Thöne (beide Frankfurt a. M.) beteiligt.
Leitung des Projekts: M. Kunst • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen:
N. Lutz (Prospektionen), H. Thiemeyer, R. Dambeck (Geowissenschaftliche Untersuchungen), A. J. Kalis (Pollenanalysen) • Abbildungsnachweis:
M. Kunst (Abb. 2).
Abteilung Madrid 141
Abb. 3 Prähistorische Kupfermetallurgie
in Zambujal (Portugal), Mocissos. Fragment
eines Schmelztiegels mit verschlackter
Randlippe und Einschlüssen von Kupfertröpfchen
Prähistorische Kupfermetallurgie in Zambujal (Portugal) – Von der Erzlagerstätte
zum Fertigprodukt
Im Mittelpunkt des Forschungsprojekts steht die Frage nach den Rohstoffquellen für die kupferzeitliche Metallproduktion und -verarbeitung im Siedlungsraum der portugiesischen Estremadura sowie die Rekonstruktion der
Produktionskette vom Erz zum Fertigprodukt. Nach guten Erfolgen im ersten Projektabschnitt (2004/2005) wurde ein Verlängerungsantrag gestellt und
von der DFG im Mai 2006 ein drittes Forschungsjahr bewilligt. Während die
materialkundlichen Untersuchungen an Kupferartefakten, metallurgischen
Prozeßrückständen und Kupfererzen auch im Jahr 2006 fortgeführt wurden,
konnte im Juni 2006 mit ersten archäologischen Sondierungsgrabungen in
ausgewählten Bergbaurevieren begonnen werden.
Ausgrabungen wurden in alten Bergbaurevieren innerhalb der Ossa Morena Zone im Alentejo durchgeführt. Hier waren im Zuge der zuvor durchgeführten Prospektion prähistorische Bergbauaktivitäten durch Oberflächenfunde von prähistorischen Steingeräten in alten Halden nachgewiesen
worden. Von vier ausgewählten Bergbaubereichen konnten zwei Lokalitäten
mit jeweils einer Grabungskampagne näher untersucht werden. Eine der beiden Fundstellen erbrachte dabei besonders vielversprechende Ergebnisse, die
bronzezeitlichen und kupferzeitlichen Bergbau archäologisch belegen.
a) Mocissos (Alandroal, Évora): Von Anfang Juni bis Mitte Juli 2006 fand
eine Grabungskampagne im Bergbaurevier Mocissos bei Alandroal im Distrikt
Évora statt. Die Lokalität befindet sich in unmittelbarer Nähe des Río Guadiana an der Grenze zu Spanien. Entlang eines etwa 800 m langen Erzganges
liegen hier markante Bergbauspuren mit ausgedehnten Halden vor, auf denen
im Zuge der Prospektion zahlreiche Steingeräte (bergmännische Werkzeuge)
aufgefunden wurden. Eine linear verlaufende Abbaustruktur mit verfallenen
Tagebauen, Tagebrüchen und Schächten markiert den Verlauf des ehemaligen
Erzganges. Dieser enthält neben Quarz eisenreiche und kupferhaltige Erzminerale. Nach der Analyse von Haldenfunden treten reiche Kupfererze wie
Malachit, Pseudomalachit und Kupferoxide auf, die für den prähistorischen
Bergmann von besonderem Interesse waren. Die Lagerstätte wurde zuletzt im
20. Jahrhundert abgebaut.
Als wesentliches Ergebnis der Grabung konnte der stratigraphische Aufbau
des untersuchten Haldenbereichs geklärt und dokumentiert sowie umfangreiches Fundmaterial in Form von Steingeräten und Keramikscherben aus
den sich mehrfach überlagernden Haldenschüttungen geborgen werden. Das
keramische Fundmaterial läßt sich nur relativ grob datieren, wobei einzelne
Fundstücke in die frühe Eisenzeit weisen, die Masse der Funde in die späte
bis mittlere Bronzezeit.
Der Aufbau der Halde konnte durch vertikale Profile bis in eine Tiefe
von 2 m und bis zum anstehenden Felsuntergrund erfaßt werden. 14C-Datierungen aus den oberen und mittleren Haldenabschnitten weisen diese als
mittelbronzezeitlich bis früheisenzeitlich aus, während aus tieferen Haldenbereichen kupferzeitliche Datierungen vorliegen. Hier fanden sich auch zwei
Steinbeile sowie Fragmente eines Schmelztiegels mit Einschlüssen von Kupfertröpfchen (Abb. 3). Dieser bedeutende Fund belegt Pyrometallurgie unmittelbar im Bereich der abgebauten Lagerstätte – bislang ist diese sonst nur
in Siedlungsbereichen nachgewiesen.
In der Zusammenschau von Prospektionsergebnissen und Grabungsbefunden kann davon ausgegangen werden, daß ein bedeutender Teil der heute
sichtbaren Bergbauspuren und Halden von Mocissos auf prähistorische Bergbauaktivitäten zurückzuführen ist! Dieser Bergbau war mehrphasig, begann
142 Jahresbericht 2006 des DAI
4
5
bereits in der Kupferzeit und hat vor allem während der Bronzezeit stattgefunden (Abb. 4). Hinweise auf römischen Bergbau liegen bislang nicht vor.
b) Volta Ferreira (Barrancos, Beja): Von Ende August bis Mitte Oktober
2006 fand eine weitere Grabungskampagne im Bergbaurevier von Monte da
Volta Ferreira bei Barrancos im Distrikt Beja statt (Abb. 5). Diese Lokalität
befindet sich am Río Murtéga an der Grenze zu Spanien. Im Gegensatz zu
Mocissos sind die heute sichtbaren Bergbauspuren räumlich eng begrenzt
und beschränken sich auf einen etwa 20 m langen Abbau (Tagebaurelikt) mit
vorgelagerter Halde. Auch hier konnten im Zuge der Prospektion zahlreiche
Steingeräte aufgefunden werden. Nach der Analyse spärlicher Erzreste von
der Halde liegt hier eine Lagerstätte vor, in der sekundäre Kupfererze wie Malachit, Azurit, Kupferoxide und Kupfersulfide auftreten. Diese waren offenbar
der Anlaß für den früheren Bergbau.
Eine auffällige Verebnungsfläche neben den Abbauspuren wurde zunächst
als ehemalige Arbeitsplattform für Aufbereitungsarbeiten interpretiert. Während der Grabungen mußte diese Vermutung jedoch relativiert werden. Im
Untergrund der Plattform setzen sich vielmehr die Abbauspuren in Verlängerung des Tagebaus weiter fort und konnten während der Grabungen an zwei
Stellen und bis in 3,5 m Tiefe verfolgt werden, ohne daß eine Sohle erreicht
werden konnte. Die Abbauhohlräume sind heute in einem Fall durch Abraum
aus dem Bergbau selbst, im anderen Fall durch Hangsedimente (Erosion) vollständig verfüllt. Im Verfüllungsmaterial (Abraumhalde) wurden geringe Erzreste, hauptsächlich Azurit, vereinzelte Keramikscherben und wenige meist
grobe Steinwerkzeuge aufgefunden. Bei den kleinteiligen Scherben handelt
es sich um auf einer Drehscheibe hergestellte Töpferware unbestimmbaren
Alters. Aus dem Haldenmaterial innerhalb und außerhalb der Mine konnten
Holzkohleproben zur 14C-Datierung entnommen werden. Die Ergebnisse
belegen römerzeitlichen Bergbau im 1. Jh. v. Chr.
Kooperationspartner: A. Monge Soares, R. Mataloto, J. Matos • Förderung: DFG (Projekt PA 368/8) • Leitung des Projekts: H. Parzinger, M. Kunst,
M. Bartelheim, E. Pernicka • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: G. Goldenberg (Ausgrabungen auf den Minen, Prospektionen, Mineralogie), R. Müller,
E. Hanning, T. Schifer • Abbildungsnachweis: G. Goldenberg (Abb. 3–5).
Die Kontakte zwischen der Iberischen Halbinsel und dem Maghreb während des
Chalkolithikums und der Frühen Bronzezeit, Studien zum Austausch von Elfenbein
Im Rahmen eines von der DFG geförderten Projekts werden aufgrund von
1000 Elfenbeinfunden die Kontakte zwischen der Iberischen Halbinsel und
Prähistorische Kupfermetallurgie in
Zambujal (Portugal)
Abb. 4 Mocissos, Schnitt durch die prähistorische Halde bei Mocissos mit G. Goldenberg (auf Laufhorizont der Mittelbronzezeit), E. Hanning (auf anstehendem Fels)
und S. Becker (in einer vermutlich kupferzeitlichen Abbaukuhle) – Grabungsteam
Juni/Juli 2006
Abb. 5 Volta Ferreira, Blick in die teilweise
freigelegte, bislang nicht datierte Grube
von Volta Ferreira bei Barrancos mit
Grabungsassistentin E. Hanning
Oktober 2006
Abteilung Madrid 143
dem Maghreb während des Chalkolithikums und der frühen Bronzezeit erforscht. Es handelt sich um eine interdisziplinäre Untersuchung, die dank der
spektroskopischen Analysen von der Gruppe INCENTIVS unter der Leitung
von A. Banerjee (Universität Mainz) überraschende Ergebnisse erbrachte: Es
ließ sich nämlich vorrangig Elfenbein des nordwestafrikanischen Waldelefanten und des asiatischen Elefanten nachweisen. Die chalkolithischen und frühbronzezeitlichen Netzwerke, welche die damaligen Eliten mit exotischen Materialien versorgten, waren offensichtlich vielfältiger und weiter gespannt als
bisher vermutet.
Förderung: DFG (Projekt SCH 1539/2-1) • Leitung des Projekts: H. Parzinger, Th. X. Schuhmacher (Forschung) • Mitarbeiter: A. Banerjee.
Informationen im Internet unter: http://www.dainst.org/index_7243_
de.html
Abb. 6 Los Castillejos de Alcorrín
(Spanien), befestigte Anlage der Endbronzezeit mit den Arealen der geophysikalischen Prospektion und den Schnitten
der Kampagne 2006: Schnitt A/D: Gebäude;
Schnitt B: Grube/Silo; Schnitt C: Innere
Befestigung (M. 1 : 5000)
Los Castillejos de Alcorrín (Spanien)
Alles weist darauf hin, daß es sich bei der befestigten Anlage von Los Castillejos um einen Zentralplatz handelte. Ihre geographische Lage an der Meerenge
von Gibraltar und am Wege zum erzreichen Hinterland ist von hervorragender Bedeutung, sie bietet beste Voraussetzungen für einen Umschlag- und
Kontrollplatz. Außerdem genießt sie eine Sicht, die bei 360° von der Sierra
de Crestellina, der Sierra de Utrera und Bermeja im Nordwesten, über das
Mittelmeer im Osten und bis Gibraltar sowie Djebel Musa bei Tanger im
Süden reicht.
Im Rahmen der Phönizierforschung fand eine erste Grabungskampagne
statt. Den Ergebnissen der geophysikalischen mit Geomagnetik und Geoelek-
144 Jahresbericht 2006 des DAI
Abb. 7 Los Castillejos de Alcorrín
(Spanien), Mauer, Glacis und Graben des
inneren Befestigungsringes
trik durchgeführten Prospektion zufolge und der Genehmigung von Seiten
der Junta de Andalucía entsprechend, wurden im Inneren der 11,3 ha großen
Befestigungsanlage, dort wo sich eine ›akropolenartige‹ Erhöhung abhebt, drei
Schnitte angelegt (Abb. 6). Damit waren ein Abschnitt der inneren Befestigungsanlage (Schnitt C), eine Grube (Schnitt B) und ein Teil eines rechteckigen in drei Räume gegliederten Gebäudes (Schnitt A/D) zu dokumentieren.
Die innere Befestigung besteht aus einem 3 m breiten und etwa 1 m tiefen
Graben und einer 4 m breiten, in zwei Phasen errichteten Mauer aus lokal
gebrochenem Stein (Abb. 7). Sie zieht an der Geländekante vor der flachen
Kuppe entlang, die ›akropolenartig‹ hervorragt. Vergleiche für eine derartig
gestaltete fortifikatorische Innenbebauung sind von gleichzeitigen Anlagen
des spanischen Südens bisher nicht bekannt.
8
Abb. 8. 9 Los Castillejos de Alcorrín (Spanien), rechteckiges Gebäude der Endbronzezeit mit trapezförmigem mit Muscheln gepflasterten Vorbau
9
Abteilung Madrid 145
Eine Ausnahme bildet auch das Rechteckgebäude (Abb. 8. 9). Während in
zeitgleichen Siedlungen ovale oder runde Hütten üblich sind, haben wir hier
einen 5,60 m × ca. 11,20 m großen Rechteckbau vor uns. Auf dem Steinsokkel erhoben sich Lehmziegelwände, sie sind im niedrigen Schichtpaket nicht
mehr erhalten, doch aufgrund der baulichen Merkmale zu rekonstruieren.
Das Haus ist nach mediterranem Vorbild gebaut, weist gleichzeitig aber auch
eine lokale Eigenheit auf: Der Eingangsbereich ist durch einen trapezoidalen
Vorbau mit einem Muschelpflaster besonders hervorgehoben.
Alle Strukturen sind einheimisch, sie gehören der letzten Phase der Endbronzezeit an. Die Keramik läßt daran keinen Zweifel. Scherben phönizischer
Gefäße weisen ihrerseits mit aller Deutlichkeit auf die erste Kontaktphase
zwischen der mächtigen einheimischen Bevölkerung und den phönizischen
Enklaven an der Küste im frühen 8. Jh. v. Chr. Die eindrucksvolle Befestigungsanlage – der äußere 2380 m lange Mauerring soll bei künftigen Kampagnen aufgenommen werden – zeigt, daß es konfliktreiche Zeiten waren.
Da im Grabungsmaterial keine organischen Reste erhalten waren, können
für die absolute Datierung keine 14C-Daten herangezogen werden. Zudem
ist es auch nicht möglich, Informationen zum damaligen Vegetationsbild zu
gewinnen.
Nach dieser ersten Kampagne sind für die kommenden Jahre weitere geplant.
Kooperationspartner: C. González Wagner (Centro de Estudios Fenicios y
Púnicos, Madrid) • Förderung: Gemeinde Manilva • Leitung des Projekts:
D. Marzoli • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: D. Mielke, M. Carrilero
Milan (†), C. Léon Martín, F. López Pardo, M. Torres Ortiz, T. Bergmann
(Restaurierung), J. Fernández (Zeichenarbeiten), C. Meyer, E. Schönherr
(Geophysik), J. Patterson (Photographie), R. Neef (Paläobotanik), E. Ajona,
H. Domínguez, P. Eisenach, H. Mata, F. Paizal (Hilfskräfte und Praktikanten)
• Abbildungsnachweis: D. Mielke (Abb. 6); D. Mielke, J. Fernández (Abb. 7);
D. Mielke (Abb. 8); Umzeichnung, J. Fernández (Abb. 9).
Mogador (Marokko)
Auf der atlantischen Insel Mogador, auf der im 7. Jh. v. Chr. der am weitesten
südwestlich gelegene bisher bekannte phönizische Handelsposten entstand,
wurden – vorbereitend für die ab 2007 vorgesehenen Grabungen – Prospektionen und Vermessungsarbeiten durchgeführt (Abb. 10). Bei der Unternehmung handelt es sich um ein Gemeinschaftsprojekt der Abteilung Madrid
und der KAAK des DAI.
Die erstmalige auch GIS-fähige Vermessung der Insel erbrachte die Erstellung eines detaillierten Plans mit 1-Meter-Höhenlinien, mit dem bisher ca.
2/3 des Geländes erfaßt sind.
Die Oberflächenbegehung erbrachte Funde, die mittelpaläolithische Silexgeräte, auffallend wenig phönizische, jedoch zahlreiche republikanisch bis
spätrömische, islamische, rezente und z. Zt. noch unbestimmbare Keramik,
Muschel und Meeres- wie Festlandsschnecken sowie zahlreiche Tierknochen
umfassen, von denen ›Exotika‹ wie der Unterkiefer eines jungen Atlaslöwen
und der Hornzapfen eines großen afrikanischen Büffels mit Sägespuren hervorzuheben sind. Bei der Verteilung der Oberflächenfunde sind Konzentrationen zu beobachten: römische und phönizische Funde im Südsektor der
Insel, islamische im Nordsektor und mittelpaläolithische sowie römische im
Nordostsektor. Eine Nekropole, die aus mindestens 24 Gräbern besteht, wurde im Nordsektor dokumentiert. Ihre Datierung ist vorerst unsicher, ihre Zuweisung mit großer Wahrscheinlichkeit islamisch.
146 Jahresbericht 2006 des DAI
Mogador (Marokko)
Abb. 10 Die Insel Mogador, die Stadt
Essaouira und die Mündung des Ksob
Abb. 11 Die Insel Mogador mit den
geophysikalisch prospektierten Flächen
Die archäologisch besonders interessant erscheinenden Areale wurden mit
Geomagnetik und Georadar prospektiert (Abb. 11). Dabei zeichneten sich im
südlichen, dem einzigen relativ windgeschützten und daher für eine Siedlung
günstigen, Teil der Insel in einer Tiefe zwischen 50 und 150 cm kleinräumige
Bauten ab. Sie liegen in einer Senke unmittelbar nördlich der kleinen Bucht,
der allem Anschein nach einzigen in der Antike zugänglichen Anlegestelle.
Geomorphologische Untersuchungen wurden auf der Insel und dem gegenüberliegenden Festland durchgeführt. Mogador besteht vollständig aus
mehreren Äolianit-Generationen. Die Insel war einst Teil eines küstenparallel verlaufenden Dünenzugs, von dem sie vermutlich durch Küstenerosion
im Zuge der holozänen Transgression getrennt wurde. Bei der Entwicklung
Abteilung Madrid 147
paläogeographischer Szenarien ist zu berücksichtigen, daß der Meeresspiegel
zur Zeit der vorgeschichtlichen Besiedlung z. T. erheblich tiefer war als heute.
In altpaläolithischer Zeit gab es wiederholt Phasen, in denen die Menschen
Mogador über eine Landverbindung erreichen konnten. Wann die Abtrennung zu einer Insel erfolgte, ist noch unbekannt.
Eine Verlagerung der Mündung des Oued Ksob erfolgte um 2200 v. Chr.
Etwa um die Zeitenwende mäandrierte der Fluß wieder zurück und verschüttete den Altarm mit seinen Sedimenten. Marine Sedimente in den Sümpfen
nordwestlich von Essaouira und Spuren der Meeresspiegelschwankung, die an
historischen Bauten dokumentiert werden konnte, liefern wichtige Hinweise
auf eine dynamische Landschaftsentwicklung mit einschneidenden Veränderungen, die für die Interpretation der Besiedlungsgeschichte und des wandelnden Ökosystems bedeutend ist.
Parallel zu den Untersuchungen auf der Insel wurden von der KAAK auf
dem Festland bei Oberflächenbegehungen in einem Umkreis von ca. 30 km
zahlreiche archäologische Fundplätze erfaßt. Sie erlauben es, Abschnitte der
Besiedlungsgeschichte der Region bis in das Epipaläolithikum zu verfolgen
(s. auch hier S. 215–217).
Kooperationspartner: Institut National des Sciences de l’Archéologie et du
Patrimoine (INSAP), Rabat (J. Benslimane, A. El Khayari) • Leitung des Projekts: D. Marzoli • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: A. El Bertei, A. Mikdad (Archäologie), H. Brückner, J. Lucas (Geomorphologie), J. Fernández
(Zeichenarbeiten), Chr. Hartl Reiter (Vermessung), C. Meyer, E. Schönherr
(Geophysik), E. Sulzer (Restaurierung) • Abbildungsnachweis: Delegation
Provinz Essaouira (Abb. 10); Fa. Eastern Atlas, Chr. Hartl-Reiter (Abb. 11).
Tharsis (Spanien)
Im November wurde das Castro Cerquillo (Tharsis) in der Provinz Huelva
topographisch vermessen und geophysikalisch untersucht (Abb. 12. 13). Die
Siedlung liegt exponiert auf einem Hügel und ist aufgrund ihrer charakteristischen tellerartigen Form auch von weither sogleich erkennbar. Sie ist
1,08 ha groß, der Höhenunterschied von der Spitze bis zu dem Sporn beträgt
23 m (von 273 m bis 250 m).
Abb. 12 Tharsis (Spanien),
Castro Cerquillo von Norden
148 Jahresbericht 2006 des DAI
Abb. 13 Tharsis (Spanien),
Castro Cerquillo. Geophysikalisches
Bild der Siedlung (Castro)
Ziel dieser Forschung ist die Untersuchung der Kulturgrenze, welche zwischen Castro Cerquillo und Pico del Oro verläuft. Der erstgenannte Ort gehört in den indogermanischen ›keltischen‹ Bereich der Pyrenäenhalbinsel, der
letztgenannte in den einheimischen turdetanischen, also phönizisch-punisch
geprägten. Die Untersuchung verspricht Aufschluß über die Beziehungen der
Siedlungen zueinander, da sie über wenigstens zwei Jahrhunderte gleichzeitig
existieren. Das tertium comparationis bildet das Metall (Silber und Kupfer), das
für beide zugänglich war.
Durch die geophysikalische Untersuchung (Magnetik und Radar) wird
sowohl regelmäßige wie auch unregelmäßige Bebauung erkennbar. Die regelmäßige ist offenbar auf den Südostbereich beschränkt. Es lassen sich zwei
gleichförmige riegelartige Gebäude mit kompartimentierter Binnenraumstruktur (längliche Raumgrundrisse) erkennen, die sich gegenüberliegen. Dazwischen dürfte ein Weg verlaufen. Außerdem fallen ein großes, nahezu quadratisches sowie ein halbkreisförmiges Gebäude auf. Die für das nächste Frühjahr geplanten Grabungen werden darüber Aufschluß bringen.
Das Tharsisprojekt ist in das Forschungscluster 2 »Innovationen: technisch,
sozial« des DAI eingebunden.
Kooperationspartner: Universität Huelva (J. A. Pérez Macías); Museo
de Cerro de Andévalo (J. M. González Parrilla) • Leitung des Projekts:
Th. G. Schattner • Mitarbeiter: Chr. Hartl-Reiter, J. Patterson (Photographie) • Abbildungsnachweis: DAI, Abteilung Madrid, J. Patterson (Abb. 12);
Fa. Eastern Atlas unter Verwendung des topographischen Plans von Chr. HartlReiter (Abb. 13).
Die Romanisierung einheimischer Heiligtümer im Westen der Iberischen Halbinsel
I. São Miguel da Mota (Portugal)
Die Kampagne im Heiligtum des Endovelicus in São Miguel da Mota bei
Anlandroal wurde im Juni 2006 durchgeführt. Ziel war die Ausdehnung der
Grabungsschnitte, die sich in den bisherigen Kampagnen seit 2002 ausschließlich auf die Hügelkuppe konzentriert hatten, auf den Abhang (Abb. 14). Auf
diese Weise sollte ein Eindruck von dessen archäologischer Aussagefähigkeit
erlangt werden, besonders von einer etwaigen römischen Bebauung, die durch
den Fund von als Spolien verwendeten Granitquadern, einer Karyatide, des
Abteilung Madrid 149
Abb. 14 São Miguel da Mota (Portugal),
Heiligtum des Endovelicus. Aktueller
Grabungsplan
Schlußsteins eines Gewölbes sowie von römischer Baukeramik ausreichend
bezeugt ist. Entsprechende Baubefunde im Gelände selbst fehlen bisher.
Hierzu wurden zunächst die Schnitte 6 bis 8 angelegt, Schnitt 9 kam später hinzu. Erwartungsgemäß zeigte sich eine Zunahme der Mächtigkeit der
Stratigraphie von ca. 20 cm in Schnitt 6 unterhalb der Kuppe bis ca. 140 cm
in Schnitt 8 am Fuß des Hügels. Baubefunde fanden sich in den Schnitten 6,
8 und 9, teils gehören sie in die frühe Kupferzeit, teils sind sie römisch oder
aber rezent. Der Schnitt 7 im mittleren Bereich des Abhangs zeitigte Funde,
namentlich römische Bau- und Gebrauchskeramik, aber auch Rezentes, jedoch keine Baureste.
Eine Überraschung stellte der Fund kupferzeitlicher Keramik wohl der
ersten Hälfte des 3. Jhs. v. Chr. in einiger Menge (mehrere Dutzend Scherben)
sowie einer zugehörigen Steinansammlung in Schnitt 6 dar, die angesichts
des Zeitabstandes sowie der fehlenden Kontinuität natürlich keine Verbindung mit dem römischen Heiligtum haben. Entsprechende Funde, geringer
an Zahl, wurden auch in Schnitt 9 beobachtet. Ferner kam in Schnitt 6,
ebenso wie in Schnitt 9, eine Ost-West verlaufende Mauer von schlechter
Qualität zutage, die zu dem Kirchlein des São Miguel gehören muß, da der
entsprechende Maueransatz an der Kapelle auf alten Plänen eingezeichnet ist
150 Jahresbericht 2006 des DAI
(vgl. MM 45, 2004, 200 Abb. 7). Es handelt sich ohne Zweifel um die Einfassungsmauer des Kirchhofs, die genau auf der orographischen Grenzlinie
zwischen dem Plateau und dem Hang entlangschnürt. Die beiden Schnitte 6
und 9 am Hangansatz waren jedoch auch im Hinblick auf römische Funde
am ergiebigsten (Abb. 15). In Schnitt 8 zeigte sich in einiger Tiefe (140 cm)
eine Mauer, die römisch sein könnte. Da ein Mauerversturz nicht beobachtet
wurde, muß dieser später weggeräumt worden sein. In Frage kommt die rezente Zeitepoche (19. Jh.), da entsprechende Scherben in dem dazugehörigen
Horizont gefunden wurden.
Im ganzen verfestigt sich der Eindruck, daß der Kernbereich des Heiligtums im wesentlichen von den in der Vergangenheit geborgenen Statuen mit
den entsprechenden Sockeln und den Altären geprägt war. Eine Bebauung
hat es gegeben, sie muß sich in einem vielleicht randlichen Bereich befunden
haben (unter dem derzeitigen Gehöft?). Es dürfte sich um ein tempelloses
Heiligtum gehandelt haben, dessen Kernbereich sich möglicherweise durch
einen Platz auszeichnete, auf dem die angesprochenen Statuen und Altäre standen, oder der von diesen umstanden war.
Kooperationspartner: Universität Lissabon (C. Fabião, A. Guerra) • Förderung: Instituto Português de Arqueología (IPA), Lissabon • Leitung des
Projekts: Th. G. Schattner • Mitarbeiter: J. Patterson, M. Saraiva • Abbildungsnachweis: DAI, Abteilung Madrid, Endovellicus-Archiv, R. Komp,
Chr. Hartl-Reiter (Aufnahme), L. de Frutos (Umzeichnung) (Abb. 14);
D-DAI-Madrid Inst.-Neg. Nr. 28-05-8, J. Patterson (Abb. 15).
Abb. 15 São Miguel da Mota (Portugal),
Heiligtum des Endovelicus. Neufund eines
Altars
Die Romanisierung einheimischer Heiligtümer im Westen der Iberischen Halbinsel
II. Cabeço das Fráguas (Portugal)
Seit 2006 erforscht die Abteilung Madrid des DAI das Heiligtum und die
Siedlung auf dem Cabeço das Fráguas nahe der Stadt Guarda. In der ersten
Kampagne wurde zunächst eine Testgrabung durchgeführt. Der Platz ist zwar
bereits seit dem 18. Jh. bekannt, hat jedoch erst in den 1960er und 1970er
Jahren verstärkte Aufmerksamkeit gefunden, als die dort auf der Bergspitze in
1050 m Höhe in großen Lettern in den anstehenden Fels gehauene Inschrift
das Interesse von Epigraphikern und Indogermanisten erweckte. Wenn sie
auch in lateinischen Buchstaben gefaßt ist, so ist die Sprache doch lusitanisch
– neuerdings westhispanisch genannt – und gehört also zu den Sprachen, die
dem Siegeszug des Lateinischen zum Opfer gefallen sind. Im Zuge unserer
Arbeiten wurde erneut eine Umschrift in Faksimile angefertigt (Abb. 16), die
gegenüber älteren Lesungen einige Klarstellungen ermöglicht.
Abb. 16 Cabeço das Fráguas (Portugal),
Faksimile der Felsinschrift in lusitanischer
Sprache
Abteilung Madrid 151
OILAM . TREBOPALA ./ INDI . PORCOM . LABBO ./ COMMAIAM . ICCONA . LOIM/INNA . OILAM . VSSEAM ./TREBARVNE .
INDI . TAVROM/ IFADEM [.]/ REVE . TRE[…]
(Lesung M. J. Santos). Die Inschrift nimmt nach einhelliger Meinung auf
eine Opferhandlung Bezug. Interessant ist, daß mit Schaf, Schwein und Rind
Tiere erwähnt werden, die zur Suovetaurilia gehören. Das Zeugnis dieses altrömischen Opfers im abgelegenen Grenzgebiet zwischen Vettonen und Lusitaniern erscheint unerwartet und unvermittelt. Das Ziel der neu begonnenen
Unternehmung ist die Erhellung des Umfeldes und Kontextes der Inschrift,
der vollkommen unbekannt ist, sowie die Eingrenzung der Datierung, die
bisher mit epigraphischen Argumenten in die Zeit zwischen dem 1. Jh. v. Chr.
und dem 2. Jh. n. Chr. gesetzt wird.
Daneben war das Verständnis von 14 Altären zu klären (Abb. 17), die nicht
auf dem Berg selbst, sondern an seinem Fuße gefunden wurden (Abb. 18). Sie
sind teils beschriftet, teils unbeschriftet, wie man weiß, einige sind inzwischen
verschollen bzw. unbekannt verblieben. Einer der dort erwähnten Namen,
Laebo, findet sich sowohl in der oben genannten Felsinschrift wie auch auf
den Altären. Irgendwo am Fuße des Berges muß der Vicus der Ocelonenser
liegen, von dem eine daselbst gefundene Inschrift Zeugnis gibt.
17
18
Cabeço das Fráguas (Portugal)
Auf diese Weise ergaben sich Testgrabungen am Fuße (Sektor A) wie auch
auf dem Gipfelplateau des Berges (Sektor B), an beiden Stellen wurden drei
Schnitte angelegt. Im Sektor A konzentrierten sich die Schnitte zunächst auf
den Bereich der Kapelle, die nach Aussage des Bauern, der heute dort wohnt,
einige Vorgänger hatte. Das Ergebnis der Grabung war jedoch enttäuschend.
Die Schnitte A1 und A2 stießen schon nach 10 cm auf den anstehenden Fels,
Schnitt A3 konnte zwar über einen Meter tief gegraben werden, war aber
nahezu fundleer. An Funden in den übrigen Schnitten ist fast ausschließlich
römische Baukeramik bemerkenswert (Dachziegel und Backsteine), daneben
fanden sich wenige vorrömische Scherben. Eine gut in den Fels gesetzte einschalige Mauer in Schnitt A1 scheint römisch zu sein.
Im Sektor B sind die Schnitte so gelegt worden, daß einerseits die Inschrift
in den Blick genommen wurde, andererseits aber auch das Castro, dessen
Mauerreste dort auf dem Plateau sichtbar sind. Die Grabung erbrachte einen kurvig geführten Mauerzug. Insgesamt ergibt sich, daß die meisten der
zahlreichen Scherbenfunde wohl der späten Bronzezeit angehören, deutlich
Abb. 17
Römischer Altar aus Sektor A
Abb. 18 Der Berg Cabeço das Fráguas
(1050 m) von Westen
152 Jahresbericht 2006 des DAI
weniger Funde sind in die Eisenzeit und zwar mehrheitlich in die Eisenzeit II
(4/3.–1. Jh. v. Chr.) zu datieren, römische Funde fehlen nahezu, hier kann allein auf drei Fragmente von Dachziegeln verwiesen werden. Für die Formulierung eines Ergebnisses ist es zu früh, vielleicht jedoch wird es dahin gehen,
daß das Castro zur Zeit der Felsinschrift nicht mehr bestand.
Nach der Testkampagne im Juni 2006 konnten die Untersuchungen an
diesem Platz im August fortgesetzt werden. Das Augenmerk konzentrierte
sich dabei erneut auf den Sektor A am Fuße des Berges, da die Äcker dort
nach der Ernte und vor der neuen Aussaat vom Bauern freundlicherweise der
Grabung zur Verfügung gestellt wurden.
In einem T-förmigen Schnitt wurde das Gelände großflächig aufgedeckt
und bis auf den Fels hinunter ausgegraben, in der Hoffnung, Hinweise auf das
dort vermutete mögliche Heiligtum zu finden, dem die 14 dort gefundenen
Altäre zugewiesen werden, oder aber wenigstens auf den Vicus der Ocelonenser. Die Grabung erbrachte jedoch weder Mauerreste noch irgendwelche
Hinweise auf Gräber, die sich nach Aussage des Bauern dort befunden haben
sollen. Auch die tief eingreifenden Sporne des Pfluges, dessen Spuren auf dem
Felsgrund stellenweise noch sichtbar waren, können diese vermeintlichen
Reste nicht so vollkommen beseitigt haben, daß sich auch im Schutt keinerlei
Hinweis, wie Bruchsteine, Kalkreste, Ziegelbruch u. a. m., darauf findet. So ist
davon auszugehen, daß sich weder das vermutete Heiligtum noch der Vicus
an dieser Stelle befunden haben. Der Befund war so enttäuschend, daß man
wohl tatsächlich damit rechnen muß, daß die Altäre an der Stelle zusammengetragen wurden, wo man sie dann in den 1950er Jahren beobachtete. Auch
auf den Vicus fehlt bisher jeglicher archäologische Hinweis.
Abb. 19 Cabeço das Fráguas (Portugal),
geometrisch verzierte Wandscherbe der
Endbronzezeit
Die Funde sind mehrheitlich bronzezeitlich, wohl endbronzezeitlich. Am
interessantesten ist ein verziertes Wandungsfragment, das mit außerordentlich
feinem geometrischem Dekor überzogen ist (Abb. 19); es handelt sich um
eine Gattung, die in der Gegend verbreitet scheint. Eisenzeitliche Keramik
wurde kaum verzeichnet, Römisches fehlt nahezu gänzlich. Es wiederholt
sich also das Fundspektrum, das bereits im Juni in den Schnitten auf dem
Gipfel des Berges in Sektor B zutage gekommen war. Alle Funde wurden gewissermaßen in ›Nestern‹ zwischen Rissen des anstehenden Granitfelsens auf
dem Grunde des Schnittes gefunden. Da sich der Grabungsschnitt am Fuße
des Berges in Hanglage befindet, deutet alles daraufhin, daß die Scherben
durch die Kräfte der Erosion, namentlich des Regenwassers, abgeschwemmt
wurden, sich in den Rissen des Felsens verfingen und liegen blieben. Ihre Lage
ist also im Hinblick auf die eingangs gestellten Fragen nicht aussagefähig.
Abteilung Madrid 153
Kooperationspartner: Universität Lissabon (C. Fabião, A. Guerra); Stadtarchäologie Guarda (V. Pereira) • Förderung: Stadt Guarda • Leitung des
Projekts: Th. G. Schattner • Mitarbeiter: M. J. Santos, J. Fernández (Zeichenarbeiten), J. Patterson (Photographie) • Abbildungsnachweis: DAI, Abteilung
Madrid, J. Fernández (Abb. 16. 17); DAI, Abteilung Madrid, Fráguas-Archiv,
J. Patterson (Abb. 18); DAI, Abteilung Madrid, Fráguas-Archiv, M. J. Santos,
Umzeichnung, J. Fernández (Abb. 19).
Abb. 20 Monte do Facho (Spanien), Altar
aus dem Heiligtum des deus lar Berobreus
mit Dedikantennamen VRS[…]
Munigua (Spanien), Steinbruch Mesa
Herrera
Abb. 21 Stufenartiger Abbau der
Kalksteinblöcke
Abb. 22
21
Keilspuren
Die Romanisierung einheimischer Heiligtümer im Westen der Iberischen Halbinsel
III. Monte do Facho (Spanien)
Die Grabungen auf dem Monte do Facho wurden über die Monate Juni und
Juli von den galicischen Kollegen unter Leitung von J. Suárez Otero fortgeführt. Sie galten in erster Linie der Erforschung des Castros, das für Besuchszwecke hergerichtet werden soll.
Im Heiligtum des deus lar Berobreus selbst dauern die Grabungen zur Berichtszeit noch an, werden aber von Seiten der Abteilung Madrid mit dieser
Kampagne abgeschlossen sein. Ziel ist die Ergrabung des westlichen Heiligtumsbereichs, in der Hoffnung, dort eine mögliche Begrenzung der area sacra
zu finden. Die obersten Schichten sind nahezu fundleer und zeichnen sich
durch einen großen Steinversturz aus, der wohl aus der Zeit der Errichtung
des Leuchtturms (facho) stammt (17. Jh.), da auf dem Berg eine Wachmannschaft stationiert war, für deren Unterbringung Unterkunft geschaffen wurde. In dem Versturz fanden sich einige Altäre, unter denen einer deshalb von
besonderem Interesse ist, da die Inschrift einen Dedikanten (Ursus?) nennt
(Abb. 20).
Kooperationspartner: Fundación Xacobeo, Santiago de Compostela (J. Suárez Otero, Leitung der diesjährigen Kampagne) • Förderung: Stadt Cangas
de Morrazo • Leitung des Projekts: Th. G. Schattner, J. Suaréz Otero • Mitarbeiter: M. Koch, J. Patterson (Photographie) • Abbildungsnachweis: DAI,
Abteilung Madrid, J. Patterson (Abb. 20).
Munigua (Spanien)
Im Zuge der Untersuchungen zur Wirtschaftsgrundlage der Stadt wurden im
Jahr 2006 drei römische Steinbrüche in den Gemarkungen Mesa Herrera und
La Jabata, die auf den Höhen nördlich bzw. südlich des Río Puerco liegen,
untersucht und vermessen. Jeder von ihnen ist mehrere hundert Meter lang
und erstreckt sich entlang von Abbruchkanten eines Plateaus (Mesa). Es handelt sich um Kalkstein, der in großen Blöcken gebrochen wurde, wobei Abmessungen um 60 cm bzw. 90 cm die Regel bilden. Der Stein wurde in Stu-
22
154 Jahresbericht 2006 des DAI
fen abgebaut (Abb. 21), drei, gelegentlich vier Stufen sind ebenso sichtbar wie
die Bruchspuren der Keile (Abb. 22). Die Steinbrüche selbst besitzen einen
etwa halbkreisförmigen Grundriß. Im Inneren dieses Halbkreises liegen viele
kegelförmige Erdhaufen mit dem Steinabschlag der Blöcke. In zwei Fällen
wurden Siedlungsreste beobachtet, namentlich Hausgrundrisse, die sowohl
als Wohnhäuser wie auch Werkstätten anzusprechen sind. In beiden Gemarkungen gibt es jeweils prähistorische Abris, die seit der Steinzeit aufgesucht
wurden. Silexfunde in den Unterständen selbst wie auf dem gesamten Plateau
geben Zeugnis davon.
Kooperationspartner: Universität Huelva (J. A. Pérez Macías); Fa. Cobre
Las Cruces, Sevilla (G. Ovejero) • Förderung: Fa. Cometal, Madrid • Leitung des Projekts: Th. G. Schattner • Mitarbeiter: Chr. Hartl-Reiter (Vermessung), J. Patterson (Photographie) • Abbildungsnachweis: DAI, Abteilung
Madrid, Munigua-Archiv, Th. G. Schattner (Abb. 21. 22).
Informationen im Internet unter: http://www.dainst.org/index_607_
de.html
Römische Villen in Hispanien und Gallien – eine vergleichende Untersuchung
zur Architektur, Ausstattung und Funktion römischer Prachtvillen im Westen
des Römischen Reiches
Im Rahmen des Dissertationsprojekts werden die römischen herrschaftlichen
Villen der gallischen und hispanischen Provinzen, die vorerst als »Prachtvillen« zu bezeichnen sind, untersucht und in ihren architektonischen Konzepten sowie ihrer baugeschichtlichen Entwicklung miteinander verglichen. Der
Untersuchungszeitraum erstreckt sich dabei vom frühen 2. Jh. bis zum Ende
des 4. Jhs. n. Chr., ein Zeitraum, in dem das römische System der Villenbewirtschaftung in beiden Provinzen bereits vollständig entwickelt war und das
ländliche Siedlungsbild prägte.
Da es keine klare Abgrenzung und Definition von ›Prachtvillen‹ gibt, sollen
anhand bestimmter Merkmale – wie Länge der Fassade, Hofgröße, Verwendung bestimmter Raumformen und Ausstattung – Kriterien für eine Einteilung in kleinere, sog. villae rusticae, davon abgehoben größere und schließlich
sehr große, bzw. besonders kostbar ausgestattete, Villen herausgearbeitet werden. Villen der letzten Kategorie können offensichtlich in unterschiedlichen
Regionen unterschiedliche Formen und Größen haben, weshalb ein Vergleich hier besonders lohnend erscheint: Während z. B. in der Gallia Belgica
die Portikusvilla mit Eckrisaliten oder Seitenflügeln auch bei sehr großen Anlagen die beinahe ›kanonische‹ Form darstellt, und bei diesen die Betonung
zwangsläufig auf der Fassadengestaltung liegt, überwiegen auf der Iberischen
Halbinsel die mediterran geprägten Peristylvillen, die sich über die Größe
ihrer Peristylhöfe und deren Ausstattung mit Wasserbecken, Skulpturen und
Gärten auszeichnen. Zur Bestimmung einer ›Prachtvilla‹ müssen also unterschiedliche Parameter angelegt werden, da unterschiedliche Gebäudetypen
auch unterschiedliche Möglichkeiten der Selbstdarstellung bieten. Interessanterweise kann man beobachten, daß die Bauform der Portikus-Risalit-Fassade in der Spätantike auch zur repräsentativen Gestaltung von Villen auf der
Iberischen Halbinsel herangezogen wird. Hier stellt sich die Frage, ob dies
auf einen direkten interprovinzialen Austausch zurückgeführt werden kann
oder ein reichsweites Phänomen der römischen Villenarchitektur vorliegt. Es
ließ sich zudem feststellen, daß in den hispanischen Provinzen im 4. Jh. eine
größere Vielfalt bei der Grundrißgestaltung von Villen vorherrschte, die auch
in Aquitanien bemerkbar ist, wohingegen in den nördlicheren Gegenden eine
stärkere Kontinuität und Einheitlichkeit bestand.
Abteilung Madrid 155
Ziel der Untersuchung ist es schließlich, anhand des Vergleichs der beiden
Provinzen, exemplarisch die überregionalen Konstanten des römischen Villenbaus von den jeweiligen lokalen Eigenheiten abzusetzen und den Einfluß
des Zentrums Rom auf die Provinzen sowie deren Kontakte untereinander
zu untersuchen.
Projektbearbeiterin: B. Brühlmann
Abb. 23 Córdoba (Spanien), Villa von
ar-Rumanīya. Die Gartenterrassen der
islamischen Hangvilla
Die islamischen Villen von Córdoba (Spanien)
Die islamischen Villen im Umfeld von Córdoba bieten die Chance, einerseits
die Kontinuität der römischen Villentradition bis in das islamische Mittelalter
zu verfolgen, andererseits römische und islamische Raumkonzepte miteinander zu vergleichen. Durch eine Bestandsaufnahme islamischer Villen sollen im
Rahmen eines neuen Projekts die Grundlagen für einen solchen kulturübergreifenden Vergleich geschaffen werden.
In diesem Jahr konnte die Bauaufnahme der Hangvilla von ar-Ruman¥ya
in Angriff genommen werden (Abb. 23–25). Ar-Ruman¥ya, rund 10 km westlich der Altstadt von Córdoba gelegen, ist das größte bislang bekannte Beispiel einer islamischen Villa auf der Iberischen Halbinsel. Auf einer Fläche von
3,40 ha umfaßte sie vier Terrassen. Die oberste Terrasse wurde von Wohnund Repräsentationsbauten und einem großen Wasserbecken eingenommen,
die unteren drei Terrassen von geometrisch gestalteten Ziergärten. Als Eigentümer wird ad-Dur¥, der Finanzminister des Kalifen al-Hakam II. (961–976
n. Chr.), vermutet.
Zu den Ergebnissen der diesjährigen Bauaufnahme zählt die Beobachtung, daß die Gestaltung der Villa – die Lage ihrer Säle, Wasserbecken und
Gartenterrassen – weitgehend auf der vor ihrem Bau vorgefundenen topographischen Situation beruht. Ein sommertrockener Bach und eine natürliche
Quelle wurden geschickt genutzt, um die Bewässerung der Gärten zu gewährleisten. Zudem wurde die umgebende Landschaft – der Blick über das Tal des
Guadalquivir und die Lage zwischen den Hügeln – in der Gesamtkomposition der Villa berücksichtigt. Besonders eindrucksvoll kommt dies bei der
Anlage eines Saales zur Geltung, dessen Reste bei der Bauaufnahme erstmals
identifiziert werden konnten. Der Saal lag direkt über dem Staudamm des
156 Jahresbericht 2006 des DAI
Córdoba (Spanien), Villa von ar-Rumanīya
Abb. 24 Grundriß der Gesamtanlage
(M. 1 : 2000)
Abb. 25 Orthogonal entzerrte Ansicht
einer Begrenzungsmauer der Gartenterrassen
24
25
großen Wasserbeckens bzw. über dessen Auslauf und war mit großen Arkaden
ausgestattet, die einerseits einen Blick auf das Wasserbecken, andererseits auf
das Flußtal erlaubten. Ein solch enger Bezug zwischen Bauwerk und Landschaft ist in der islamischen Architektur selten anzutreffen und könnte auf
den Einfluß römischer und so letztlich hellenistischer Raumvorstellungen zurückgehen. Im kommenden Jahr soll die Bauaufnahme der Villa fertiggestellt
werden. Im Anschluß sind punktuelle Grabungen vorgesehen, von denen unter anderem Hinweise auf die ehemalige Bepflanzung der Gartenanlagen der
Villa zu erhoffen sind.
Ergänzt wird die Bauaufnahme der Villa von ar-Ruman¥ya durch die Aufarbeitung von Notgrabungen, bei denen in den vergangen Jahre im Umfeld
von Córdoba Reste islamischer Villen zutage getreten sind. Unter anderem
werden dabei die Ergebnisse einer Grabung in der Nähe des heutigen Bahnhofs ausgewertet. In Stadtrandlage wurden hier die Reste einer großflächigen
Anlage freigelegt, bei der es sich um die Villa des Premierministers Ğacfar
Abteilung Madrid 157
Abb. 26 Córdoba (Spanien), Villa von
al-Mushafī. Rekonstruktionsversuch einer
islamischen Villa, deren Reste bei einer
Notgrabung am Stadtrand von Córdoba
entdeckt wurden
al-Mushaf¥ (gest. 983 n. Chr.) gehandelt haben könnte (Abb. 26). Die Villa umfaßte sieben Höfe, von denen zwei als Garten gestaltet waren. Anhand eines
Modells wurden die Möglichkeiten getestet, das ursprüngliche Aussehen der
Villa zu rekonstruieren.
Kooperationspartner: Colegio de Arquitectos de Córdoba (R. Obrero);
Conjunto Arqueológico de Madinat al-Zahra (A. Vallejo Triano); Gerencia
Municipal de Urbanismo, Córdoba (J. F. Murillo Redondo); Universidad
Autónoma de Madrid (A. Canto García) • Leitung des Projekts: F. Arnold
• Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: M. Hofmann, Ch. Kirzinger, Th. Köberle (Geologie), A. Kreisel, A. Waldmann • Abbildungsnachweis: F. Arnold
(Abb. 23); Zeichnung, F. Arnold, nach R. Velázquez Bosco, Medinat Azzahra
y Alamiriya (Madrid 1912) Taf. 5, M. Barceló; A. Kreisel (Abb. 24); Modell,
F. Arnold, Ch. Kirzinger (Abb. 26).
Informationen im Internet: http://www.dainst.org/index_7244_de.html
Wissenschaftliche Veranstaltungen
Hauskolloquien
8. Mai Thomas X. Schuhmacher (Madrid), Objetos de marfil del Calcolítico
y el Bronce Antiguo en la Península Ibérica. Lineas generales de un nuevo
proyecto de investigación interdisziplinar; Arun Banerjee (Mainz), Investigation of Archaeological and Modern Ivory Objects by non Destructive Spectroscopic Methodsxxx6. Juni (in Zusammenarbeit mit der Asociación Española de Amigos de la Arqueología) Lourdes Roldán Gómez (Madrid), El
territorio costero de Carteia (San Roque, Cádiz). Estructuras portuarias y
taller de púrpuraxxx21. Juni: Fedor Schlimbach (Göttingen), Die acht Kapitelle der Basilica San Juan de Baños de Cerrato (Palencia) – Ein fest datiertes
Ensemble des 7. Jhs.
Workshop für junge Wissenschaftler
20./21. April und 1./2. Juni Workshop »Taller de Arqueología para Jóvenes
Investigadores: Espacio, territorio y poblamiento en el mundo Ibérico« (in
Zusammenarbeit mit der Casa de Velázquez, Madrid, Leitung: Dirce Marzoli,
Pierre Moret). – Es sprachen: Javier Baena Preysler (Madrid), Presente y futuro en la aplicación de los signos a la arqueología; Ignacio Grau Mira (Alicante),
Sobre la metodología de aplicación de tecnología digital en la arqueología del
158 Jahresbericht 2006 des DAI
paisaje; Andrea Moreno Martín (Valencia), Paisaje y territorio: El proceso de
territorialización de la ciudad ibérica de Kelin (Caudete de las Fuentes,Valencia); Mar Zamora Mercha (Madrid), Territorio y espacio en la protohistoria.
Estudios de visibilidad: el caso de la Cuenca del Geníl; Francisco José García
Fernández (Sevilla), Paisaje y sociedad en la campiña de Sevilla (II. Edad del
hierro); Antonio Uriarte González (Madrid), El sendero y la morada. La evolución de las sociedades protohistóricas en la Cuenca del Guardiana menor
(Andalucía Oriental); Pierre Moret (Madrid), Sobre la utilización de las fuentes literarias – especialmente las fuentes geográficas/grecolatinas – en estudios
sobre territorios y etnias protohistóricas; Alejandro Ros Mateos (Barcelona),
El mundo ibérico en la Cessetania: de la plenitud a la disolución (siglos III–I
a.c.); Xavier Bermúdez López (Barcelona), Los ilergetes: etnia y territorios;
Lola López Mondejar (Murcia), La bastetanía ibérica y su integración en el
mundo romano; Francisco Burillo Mozota (Zaragoza), Tiempo y espacio, dos
variables en el análisis del poblamiento celtibérico e ibérico del valle medio
del Ebro; Claudia Pankau (Frankfurt a. M.), Diachronic Settlement Analyses
in the Eastern Swabian Alp, South Germany, from the Neolithic until the
Latène Period; David Bea Castaño (Tarragona), El poblamiento protohistórico de la tierra alta y el bajo Aragón: evolución social, política y económica
(siglos VII–IV a.n.e.); David Garcia i Rupert (Barcelona), El poblamiento de
la primera edad de hierro en la Cuenca del Río Sénia (SS. VIII a VI a.n.e.);
Rosa Plana Mallart (Pau), Territorio, espacio rural y paisaje periurbano de
la comunidad de Ullastret en el área nordeste de la costa catalana: la aportación de la prospección sistemática; Daniel Joly (Aix-en-Provence), Cultures
materielles en territoire indikete (IIe siecle av. J.-C.); Jesús Moratalla Jávega
(Alicante), Organización del territorio y modelos de poblamiento en la Contestania Ibérica; Jaume Noguera Guillén (Barcelona), Génesis y evolución de
la estructura del poblamiento ibérico en el curso inferior del ebro: la llercavonia septentrional; Miachael Blech (Freiburg), Paisajes arqueológicos: Una
visión alemana. Dirce Marzoli (Madrid), El territorio ampuritano: deducciones a partir de una investigación interdisciplinar; Virginie Ropiot (Besancon),
Hommes et rivières durant la protohistoire en mediterranee nord-occidentale; Carmen Ruedagalán (Jaén), Culto e imagen en los territorios Ibéricos
(siglos IV a.n.e.–I d.n.e.); Laura Wiña (Jaén), Poblamiento Ibérico en los valles
de los ríos San Juan y Víboras (Sierra Sur, Jaén).
Tafelrunde
25. Oktober Tafelrunde zum Thema »Textos e imagenes para historiar el fascismo« (in Zusammenarbeit mit der Universität Carlos III., Madrid, Instituto
de Historiografía »Julio Caro Baroja«, Leitung: Jaime Alvar, Dirce Marzoli,
Moderation: Mirella Romero Recio). – Es sprach: Sylvia Diebner (Rom),
Iconografía dell’Impero fascista. La Stazione Ostiense a Roma (Hauptvortrag). Es nahmen teil: José Beltrán (Sevilla), Antonio Gonzales (Besancon),
Walter Trillmich (Berlin), Fernando Wulff (Málaga).
Öffentlichkeitsarbeit
Aus Anlaß des 50. Jubiläums der deutschen Ausgrabungen in dem römischen
Munizipium von Munigua (Provinz Sevilla, Spanien), eine der ältesten Grabungsunternehmungen der Abteilung Madrid des DAI, fanden an zwei Tagen
in Sevilla sowie in Villanueva del Río y Minas und in Munigua Feierlichkeiten statt.
Abteilung Madrid 159
Im Museum von Sevilla wurde am Freitag, dem 19. Mai, dem breiten
Publikum eine ganztägige Vortragsreihe geboten, die Einblick in die verschiedenen Themen und Fragestellungen gibt, welche im Laufe der Jahre in Munigua behandelt worden sind. Die beteiligten Archäologen, Bauforscher, Denkmalpfleger, Epigraphiker, Geologen, Metallurgen und Geophysiker aus Spanien, Deutschland, Portugal und England berichteten darüber (s. u.). Eine
Ausstellung, die am Abend durch den Generaldirektor der andalusischen Museen, Pablo Díaz, als Vertreter der andalusischen Kultusministerin und durch
den deutschen Generalkonsul in Sevilla, Michael Richtsteig eröffnet wurde,
rundete diese Veranstaltung ab. Zu dem Ereignis erschien ein Heft, das Ausstellung und Berichte zusammenfaßt. Am 20. Mai wurde vormittags in dem
Ort Villanueva del Río y Minas, der Munigua am nächsten liegt, eine weitere
Ausstellung eröffnet, in der sich das Deutsche Archäologische Institut und
besonders die Abteilung Madrid mit einigen ihrer Projekte präsentierte. Am
Nachmittag folgte sodann der Besuch, die Besichtigung und die Führung
durch die Ruine sowie anschließend ein Fest daselbst. – Es sprachen: Theodor
Hauschild (Mafra), Los comienzos de la investigación; Fransisco Fernández
(Sevilla), Historia de la investigación; Mercedes Vegas (Oxford), Las necropolis; Michael Blech (Freiburg), Las terracottas; Carlos Basas (Valladolid), La
cerámica; Felix Teichner (Frankfurt a. M.), Las casas; Helena Gimeno Pascual
(Alcalá de Henares), Las inscripciones; Francisca Chaves (Sevilla), Las monedas; Lourdes Roldán Gómez (Madrid), Técnicas construtivas; José Maria
Rodríguez Hidalgo (Sevilla), Las restauraciones; Laureano de Frutos (Madrid),
La documentación gráfica; Cornelius Meyer (Berlin) – Burkart Ullrich (Berlin), Geofísica en Munigua; José Beltrán Fortes (Sevilla), Aras, pedestales, y
sarcófagos; Antje Krug (Berlin), Hallazgos menores; Gobain Ovejero (Sevilla),
La Geología; Juan Aurelio Pérez Macías (Huelva), Metalurgía; Carlos Fabião/
Lisboa, Ánforas; Thomas G. Schattner (Madrid), Diferentes perspectivas de la
investigación en Munigua; Pilar León (Sevilla), Valorización, clausura y final
del acto. Den Festvortrag hielt: Armin U. Stylow (Alcalá de Henares), Mis
andanzas epigráficas por Andalucía.
Am 2. Februar wurde eine neue Informationsbroschüre der drei deutschsprachigen Bibliotheken in Madrid (DAI, Goethe-Institut und Goerres-Gesellschaft) im Goethe-Institut Madrid der Öffentlichkeit präsentiert.
Am 9. März gab D. Marzoli in Mogador (Marokko) ein Interview für das
1. Marokkanische Fernsehen.An dem Interview beteiligten sich auch J. Eiwanger, A. Mikdad und A. El Bertai.
D. Marzoli nahm am Vormittag des 28. April im Archäologischen Museum
von Tarragona an einer Pressekonferenz zur Photoausstellung »Blick-Mira!«
teil.
D. Marzoli, M. Kunst und J. Patterson gaben am 28. April anläßlich der
Photoausstellung »Blick-Mira!« im Archäologischen Museum von Tarragona
ein Interview für das katalanische Fernsehen.
Am 19. Mai gaben D. Marzoli und Th. G. Schattner im Archäologischen
Museum von Sevilla eine Pressekonferenz anläßlich der Tagung und Ausstellung: »50 Jahre Deutsche Ausgrabungen und Forschungen in Munigua«.
Am 20. September nahm Th. G. Schattner im Rahmen der Tagung »Spolien im Umkreis der Macht« an einer Pressekonferenz teil und gab ein Interview für den Fernsehsender »Television Castilla – La Mancha».
Ausstellungen
Bei der Photoausstellung »Blick-Mira!« (in Zusammenarbeit mit dem Archäologischen Nationalmuseum Tarragona [Pilar Sada, Francesc Tarrats], Leitung:
160 Jahresbericht 2006 des DAI
Dirce Marzoli, Pilar Sada, Mitarbeit: Michael Kunst, John Patterson [Photographie]) wird anhand von 80 sw-Bildern, vor allem der Photographen
P. Witte und J. Patterson sowie D. M. Noack, P. Grunewald, R. Friedrich
und dreisprachigen Informationsbahnen die Arbeit der Madrider Abteilung
in ihrem Spanien, Portugal und Marokko umfassenden Arbeitsgebiet thematisiert, wobei nicht nur Ausgrabungen der Abteilung sondern archäologische
Monumente und Landschaften sowie Personen zur Geltung kommen. Ein
213 Seiten und 125 Bilder umfassender Katalog begleitet die Ausstellung. In
ihrem ersten Standort, dem Archäologischen National Museum in Tarragona
wurde Blick-Mira! von ca. 30 000 Besuchern besichtigt und fand auch bei
den Medien eine äußerst positive Resonanz.
Zambujal (Portugal)
Abb. 27 Rekonstruktion von Turm B durch
F. Arnold in Zusammenarbeit mit M. Kunst
aufgrund der von E. Sangmeister und
H. Schubart 1981 in MB 5,1 veröffentlichten Zeichnungen
Abb. 28 Rekonstruktion von Turm B im
M. 1 : 1 im Museum von Torres Vedras
aufgrund der Zeichnungen von F. Arnold,
die Arbeiten wurden in Styropor mit
Lehmbewurf und Bemalung sowie einer
hölzernen Innenkonstruktion von
L. J. Trindade ausgeführt
27
28
Anläßlich des 15. Kongresses der Union Internationale des Sciences Préhistoriques et Protohistoriques (UISPP), der Anfang September in Lissabon
tagte, wurde die Ausstellung »Zambujal, Vida, Guerra e Cómercio no 3° Milenio« (Leitung: Michael Kunst, Mitarbeit: Nina Lutz, Olga Moreira [Design
der Ausstellung]) eröffnet. In der Ausstellung, die bis September 2007 zu sehen sein wird, ist u. a. die Rekonstruktion des so genannten Turmes B im
Maßstab 1 : 1 zu sehen (Abb. 27. 28).
Abbildungsnachweis: J. Patterson (Abb. 28).
Veröffentlichungen
Madrider Mitteilungen 47, 2006
Iberia Archaeologica 7: S. J. van Willigen, Die Neolithisierung im nordwestlichen Mittelmeerraum
Iberia Archaeologica 8: Th. G. Schattner – F. Valdés Fernández (Hrsg.), Stadttore – Puertas de la Ciudad. Bautyp und Kunstform. Tagung in Toledo vom
26. bis 29. September 2003
Iberia Archaeologica 9: M. Luik, Renieblas V
Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik 161
Kommission für Alte Geschichte
und Epigraphik, München
Forschungen
Corpus Inscriptionum Latinarum II2: Die lateinischen Inschriften der
Iberischen Halbinsel
Die Internetpräsenz dieses Langzeitprojekts wurde 2006 wesentlich verstärkt.
Jetzt ist der erste Teil der Datenbank mit dem epigraphischen Nachlaß des
bekannten Altertumswissenschaftlers und Direktors der Real Academia de
Historia F. Fita im Portal der Biblioteca Virtual Cervantes zugänglich (http://
www.cervantesvirtual.com/portal/archivo_jesuitas). Auch die Webseite des
Centro CIL II wurde neugestaltet. Auf ihr sind nun die rund 250 Inschriften
der Comunidad de Madrid (Conventus Caesaraugustanus und Carthaginensis
bzw. Lusitanien) komplett zugänglich, ebenso wie die über 100 Inschriften
unsicherer oder unbekannter Herkunft im Madrider Museo Arqueológico
Nacional. Daneben beschäftigte sich der Leiter der Arbeitsstelle, A. U. Stylow,
der im August 2006 in den Ruhestand trat, gemeinsam mit Ch. Schuler und
H. Gimeno Pascual mit deren künftiger Organisation. Zahlreiche Gespräche
mit verschiedenen Partnern hatten zum Ziel, eine neue Unterbringung für
die Arbeitsstelle zu finden, da diese aufgrund ihres wachsenden Archivbestandes an die Grenzen ihrer räumlichen Kapazitäten stößt und ihre Finanzierung neu gestaltet werden muß. Das Gremium der leitenden Herausgeber des
CIL II2, dem weiterhin G. Alföldy (Heidelberg), M. Mayer Olivé (Barcelona)
und A. U. Stylow angehören, wird künftig durch J. M. Abascal Palazón (Alicante) verstärkt.
Ch. Schuler, R. Haensch und A. U. Stylow organisierten und leiteten gemeinsam das internationale Kolloquium »Aufkommen, Entwicklung und
Transformation des epigraphic habit in den hispanischen Provinzen«, das von
der DFG gefördert wurde und vom 5. bis 7. November stattfand. 22 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Spanien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Kanada, darunter viele Mitarbeiter des CIL, trafen sich in
München, um eine Zwischenbilanz zu ziehen und die Zukunft des Projekts
zu diskutieren. Das vorgegebene Thema stellte die Ziele und Möglichkeiten
der Corpus-Arbeit in den Mittelpunkt und griff mit der Frage nach dem
epigraphic habit – also den kulturell bedingten Gewohnheiten bei der Erstellung von Inschriften – ein Konzept auf, das nicht nur für Hispanien, sondern
auch für die internationale epigraphische Forschung insgesamt von zentraler
Bedeutung ist. Bei der Tagung konnte eine erdrückende Fülle von vielfach
unpubliziertem Material vorgestellt und diskutiert werden. Einigkeit bestand
darin, daß Inschriftensteine möglichst ganzheitlich als Monumente in ihrem
architektonischen und räumlichen Zusammenhang betrachtet werden müssen
und daß dieser Zugang die Bündelung einer Vielfalt von Methoden verlangt.
Je vollständiger die einzelnen Monumente in dieser Weise aufgearbeitet sind,
um so eher lassen sich übergreifende Fragestellungen wie diejenige nach dem
epigraphic habit untersuchen. Für die Iberische Halbinsel machte die Tagung
deutlich, daß die empirische Erprobung eines solchen Konzepts wegen der
Fülle an vielfach noch unveröffentlichten Neufunden und der zersplitterten
Publikationslage in vielen Regionen schwierig ist. Vor diesem Hintergrund
bekräftigten die Teilnehmer die Notwendigkeit, die Arbeit an CIL II2 fortzusetzen.
Kooperationspartner: Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Akademievorhaben »Corpus Inscriptionum Latinarum«; Universität
Alcalá • Förderung: DFG; Beihilfen vom spanischen Ministerio de Educación y Cultura und der Autonomen Region Madrid aufgrund von Projektanträgen, vermittelt von J. L. Moralejo Álvarez (Universität Alcalá) • Leitung
162 Jahresbericht 2006 des DAI
des Projekts: A. U. Stylow • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: H. Gimeno
Pascual, M. J. Albarrán Martínez, E. Sánchez Medina.
Corpus der Urkunden der Römischen Herrschaft
Das Projekt, das die in Inschriften und auf Papyri erhaltenen gesetzlichen
Erlasse und Schreiben der römischen Kaiser, Statthalter und Prokuratoren
im Wortlaut und in Übersetzung vorlegen und mit einem Kommentar erschließen will, schritt in verschiedener Hinsicht voran. Vom 1.–3. Juli wurde
in München ein von der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung
finanziertes internationales Kolloquium »Selbstdarstellung und Kommunikation. Die Veröffentlichung staatlicher Urkunden auf Stein und Bronze in der
römischen Welt« durchgeführt. Das Kolloquium wollte von internationalen
Experten der Fächer Archäologie, Alte Geschichte, Epigraphik, Papyrologie
und Römisches Recht grundsätzlich erörtern lassen, in welchen Zusammenhängen Urkunden des römischen Staates auf Stein oder Bronze veröffentlicht
wurden. Einzelne Forschungsbeiträge der letzten Jahrzehnte hatten anhand
von Einzelbeispielen gezeigt, wie problematisch die verbreitete Überzeugung
ist, nach der solche Urkunden normalerweise auf Stein oder Bronze verewigt
worden wären. Wenn aber trotz der für antike Gesellschaften so charakteristischen Praxis, Inschriften zu erstellen, die Veröffentlichung eines solchen
Dokumentes auf Stein oder Bronze eher die Ausnahme als die Regel darstellte, dann war grundsätzlich zu untersuchen, wer – Einzelpersonen, Gemeinden
oder römische Autoritäten – denn in welchem Umfang für eine dauerhafte
Publikation welcher Dokumente des römischen Staates sorgte und aufgrund
welcher Motive. Die Vorträge des Kolloquiums boten nicht nur nach Epochen und Initiatoren gegliederte Zusammenstellungen der inschriftlich aufgezeichneten Dokumente und darauf aufbauend methodische Überlegungen zu den Faktoren, die zu einer Verewigung solcher Urkunden als Inschrift
führten, sondern sie stellten auch mehrfach wichtige, bisher unpublizierte
Dokumente der kaiserlichen Kanzleien vor. Angesichts des breiten Interesses
und der vielversprechenden Ergebnisse des Kolloquiums wurde vereinbart,
die Vorträge bis Anfang 2007 auszuarbeiten und dann als geschlossenen Band
zu publizieren.
Die Papyrologin und Rechtshistorikerin C. Kreuzsaler arbeitete für 6 Monate an der Kommission. Ihre Aufgabe bestand darin, die bisherigen Editionen
der auf Papyrus erhaltenen Edikte und Briefe der Präfekten Ägyptens anhand
von Photos oder Scans der Originale kritisch zu revidieren. Diese Revision
erbrachte in vielen Fällen eine deutliche Textverbesserung, oft auch mit Folgen für die inhaltliche Interpretation. Als Beispiel sei ein Brief (Abb. 1) des
Statthalters M. Mettius Rufus an einen Strategen Ägyptens genannt, einen der
zentralen Amtsinhaber auf der lokalen (Gau-)Ebene, in dem er ihn von der
geplanten Ablösung eines Staatspächters informierte. Der Berliner Papyrus ist
nur fragmentarisch erhalten, weshalb der eigentliche Grund des Schreibens
– warum also der Gaubeamte über diese Ablösung informiert werden mußte –
bislang nicht klar war. Durch die Neulesung des Textes wurden gegenüber
der Erstedition nicht mehr als fünf Buchstaben verändert. Das hat aber nicht
nur Auswirkungen auf die Datierung des Dokumentes (und unsere zeitliche
Einordnung des Gouverneurs), sondern führte auch zu einem grundlegend
besseren Verständnis des Textes: Der Statthalter forderte den Beamten auf,
ihm Namen anderer Kandidaten für das wenig geschätzte, da zwangsweise
auferlegte, Amt mitzuteilen. Das paßt zu dem, was man aus einer anderen,
generellen Anordnung desselben praefectus Aegypti erfährt: Offensichtlich hatte dieser Gouverneur die Modalitäten der Nominierung solcher Kandidaten
Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik 163
Abb. 1 Urkunden der Römischen
Herrschaft, Photo des Papyrus mit
der Abschrift des Statthalterbriefes
(pBerlin Inv.-Nr. 21575)
für die gesamte Provinz in wichtigen Punkten verändert. Die beiden Papyri
bieten eines der wenigen Beispiele aus der Antike dafür, daß im Falle einer
administrativen Reform sowohl die grundsätzliche Anordnung wie auch ein
Beispiel für die praktische Umsetzung erhalten blieb.
Förderung: Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung • Leitung
des Projekts: R. Haensch • Mitarbeiter: C. Kreuzsaler, R. Färber, A. Stürmer • Abbildungsnachweis: Ägyptisches Museum und Papyrussammlung
der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Photo
I. Geske (Abb. 1).
Münzen kleinasiatischer Städte (Türkei)
Im Rahmen der Publikationsvorbereitungen für mehrere Münzcorpora
kleinasiatischer Städte war die Ikonographie städtischer Prägungen aus der
hellenistischen Periode und der Hohen Kaiserzeit zu erforschen. In diesem
Zusammenhang setzte sich J. Nollé mit einer Münze (Abb. 2) der lydischen
Stadt Philadelpheia (dem heutigen Alaşehir) aus der Zeit des Kaisers Decius
(251–253 n. Chr.) auseinander. Sie thematisiert die freundschaftlichen Beziehungen zwischen dieser Stadt und der ionischen Metropole Ephesos.
Dazu stellte man auf der Rückseite dieser Münze Iphigenie, ihren Bruder
Orest und dessen Freund Pylades vor einem stilisierten Tempel dar. Iphigenie hält eine Artemisstatue in ihrem Arm. Bisher war nicht geklärt, warum
dieses Münzbild von Philadelpheia ausgewählt worden war. Der Grund liegt
in dem Umstand, daß sich Philadelpheia und Ephesos für verwandte Städte
164 Jahresbericht 2006 des DAI
Münzen kleinasiatischer Städte (Türkei)
Abb. 2 Münze aus Philadelpheia.
Iphigenie, Orest und Pylades begründen
den Artemiskult der Stadt
Abb. 3 Münze aus Sillyon.
Der Mondgott Men als Reitergott
und Nothelfer
hielten, da sie miteinander verwandte mythische Gründer hatten. In Ephesos
soll Agamemnon, der König von Mykene und Anführer der Griechen im
Trojanischen Krieg, mehrere bedeutende Heiligtümer gegründet haben, in
Philadelpheia richteten Agamemnons Kinder Iphigenie und Orest den Kult
der Artemis ein. Das Kultbild der Artemis hatten sie nach dem Mythos den
barbarischen Taurern am Schwarzen Meer weggenommen – der Stoff wird
auch in Goethes Iphigenie behandelt – und nach Philadelpheia gebracht, wie
es die erwähnte Münze zeigt. Auf der Verwandtschaft von Gründern basierte nach antiken Vorstellungen die Verwandtschaft ganzer Städte miteinander.
Das kleinere Philadelpheia war sichtlich stolz auf seine Verwandtschaft mit
der größten Stadt des antiken Kleinasien, auf die es auch schon in einer Inschrift aus der Zeit Domitians hingewiesen hatte.
Im Falle der kleinen pamphylischen Stadt Sillyon ist anhand der Münzen
ein deutlicher religiöser Wandel zu beobachten. Während in der hellenistischen Epoche und der frühen Kaiserzeit Apollon, Zeus und Ares die wichtigsten Stadtgötter waren, übernimmt seit der Zeit des Antoninus Pius der
kleinasiatische Mondgott Men diese Rolle. Seit der Mitte des 2. Jhs. v. Chr.
ist er die am häufigsten dargestellte Gottheit von Sillyon (Abb. 3). Auf vielen
Münzen ist seine Büste mit phrygischer Mütze und der Mondsichel hinter den Schultern dargestellt, auf einigen ist er als Reitergott wiedergegeben. Wahrscheinlich soll damit auf seine Funktion als schnell einsatzbereiter
Schutzgott und Nothelfer hingewiesen werden.
Ansprechpartner: J. Nollé • Abbildungsnachweis: nach P. R. Franke –
M. K. Nollé, Die Homonoia-Münzen Kleinasiens und der thrakischen
Randgebiete I (Saarbrücken 1997), Taf. 80 Nr. 1729 bzw. SNG von Aulock
Nr. 4873 (Abb. 2–3).
Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik 165
Lykien (Türkei)
Ch. Schuler setzte die Publikation des bei verschiedenen Surveyunternehmen auf den Territorien der zentrallykischen Poleis Kyaneai, Phellos und
Myra gesammelten Materials fort. Das Studium von Sarkophaginschriften
aus dem Grenzgebiet zwischen Phellos und Kyaneai führte zu einer genaueren Festlegung der Polisgrenzen in einem Bergland, das bisher als Teil des
Territoriums von Kyaneai betrachtet wurde. Demgegenüber zeigen die neu
aufgenommenen Inschriften die Zugehörigkeit des Gebietes und damit auch
der dortigen Landgemeinde (peripolion) Tyinda zu Phellos. Mehrere hellenistische Inschriften aus Trysa (Territorium von Kyaneai) sind gemeinsam mit
A. V. Walser herausgegeben und kommentiert worden. Zwei hellenistische
Dekrete zeigen erstmals, daß die Gemeinde (demos) von Trysa von einem
demarchos geleitet wurde und daß der Tempel, der den kultischen Mittelpunkt
der Gemeinde darstellte, der in Zentrallykien beliebten Gottheit Eleuthera
geweiht war. Die in Trysa faßbaren kommunalen Institutionen liefern wichtige Parallelen für die Gemeinde von Tyberissos, deren Inschriften jetzt für die
Publikation vorbereitet werden sollen. In einer dritten Publikation konnten
die Inschriften des demos von Istlada auf dem Gebiet von Myra geschlossen
vorgelegt werden. Abgesehen von einem Grabaltar umfaßt das kleine Corpus ausschließlich Sarkophaginschriften, die jedoch in mehrerer Hinsicht von
besonderem Interesse sind. Bisher singulär ist die in einer späthellenistischen
oder frühkaiserzeitlichen Inschrift (Abb. 4) belegte kommunale Kasse mit der
Bezeichnung TOYXOMENDIOS logos. Das Wort läßt sich sprachlich nicht
zweifelsfrei auflösen, bezieht sich aber offenbar auf die aus lykischen und
frühen griechischen Inschriften bekannte Institution der Mindis, die in der
lykischen Kultur der klassischen Zeit mit der Aufsicht über die Gräber betraut
war. Das Hapax ist demnach einer der wenigen Belege aus Kleinasien für das
Weiterleben einer epichorischen Institution im Hellenismus und die Übernahme des zugehörigen Begriffes in die griechische Sprache. Ein weiterer
Text liefert einen neuen Beleg für den seltenen Begriff probouleusimon, einen
für das kaiserzeitliche Lykien spezifischen Terminus technicus der städtischen
und bundesstaatlichen Administration. Er bezeichnet Dekrete, die vor ihrer
endgültigen Verabschiedung in der Volksversammlung auf dem Weg der probouleusis im Rat der Polis, in diesem Fall von Myra, vorberaten und genehmigt worden waren. Der Terminus unterstreicht die dominierende Stellung,
die der Rat in den kaiserzeitlichen Städten nicht nur in Lykien einnahm. Der
neue Beleg aus Istlada illustriert zudem die Zuständigkeit von Rat und Volksversammlung in Fragen des Grabrechts im römischen Lykien. Reiche Infor-
Abb. 4 Lykien (Türkei), gut erhaltener
Sarkophag in situ. Gemäß der Inschrift
errichteten vier Brüder das Grab für sich
und ihre Familien. Für den Fall einer widerrechtlichen Öffnung wurde eine Geldbuße
angedroht, die an die rätselhafte
TOYXOMENDIS-Kasse zu zahlen war
166 Jahresbericht 2006 des DAI
mationen über Onomastik und Familienstrukturen, darunter ein Hinweis auf
die Rolle der Mitgift (proix) bei der Eheschließung, zeichnen insgesamt das
Bild einer traditionsorientierten dörflichen Gemeinschaft.
Kooperationspartner: Kleinasiatische Kommission der Österreichischen
Akademie der Wissenschaften; Lykien-Projekt der Abteilung für Alte Geschichte der Eberhard-Karls Universität Tübingen (F. Kolb); Th. Marksteiner
(Österreichisches Archäologisches Institut); M. Zimmermann (Ludwig-Maximilians-Universität München) • Ansprechpartner: Ch. Schuler • Abbildungsnachweis: Lykienprojekt Tübingen, Photo Ch. Schuler (Abb. 4).
Pergamon (Türkei)
Zu den größten, wissenschaftlich wie finanziell aufwendigsten, zugleich aber
auch spektakulärsten Restaurierungsprojekten des DAI während der letzten
Jahrzehnte zählt sicher die partielle Wiederaufrichtung des sog. Trajaneums
auf der Spitze des Burgberges von Pergamon. Bei der vorbereitenden Freilegung der im Laufe der Jahrhunderte verfüllten, monumentalen Substruktionsgewölbe wurden 23 Bruchstücke einer beschrifteten Marmorplatte geborgen,
denen sich dann vier weitere, bereits im 19. Jh. gefundene und jetzt im Berliner Pergamonmuseum verwahrte Fragmente hinzufügen ließen (Abb. 5). Man
gewinnt so einen am 19. oder 21. Dezember des Jahres 137 n. Chr. in Rom
abgefaßten Brief des Kaisers Hadrian, nach derzeitigem Wissen die vorletzte
bekannte authentische Äußerung des schon todkranken Herrschers. Aus ihm
ist zu erfahren, daß die Pergamener durch eine prominent besetzte Gesandtschaft den Wunsch vorgetragen hatten, dem Kaiser einen Tempel errichten
zu dürfen. Dies verweigerte Hadrian unter Hinweis auf den Tatbestand, daß
Pergamon bereits zwei provinziale Kaisertempel besäße (den – immer noch
nicht lokalisierten – des Augustus und der Roma sowie den des Trajan und
des Zeus Philios, eben das ›Trajaneum‹) sowie die damit assoziierten zwei
Wettkampfveranstaltungen (Agone) internationalen Zuschnitts. Die Pergamener, die als erste überhaupt einen provinzialen Kaisertempel zugesprochen
bekamen (den des Augustus) und die als erste einen zweiten erhalten hatten
(das ›Trajaneum‹), hatten versucht, Ephesos und Smyrna, die ewigen Rivalinnen um Rang und Prestige in der Provinz Asia und inzwischen ebenfalls
jeweils im Besitz zweier Kaisertempel, erneut zu überflügeln, der Kaiser, auf
ausgeglichenen Status quo bedacht, hatte eben das verhindert. »Aber da ihr
ganz und gar darauf versessen seid, mich irgendwo kultisch zu verehren, so
soll es euch gestattet sein, auch mich [das heißt meine Statue] aufzustellen im
Tempel meines Vaters [des Adoptivvaters Trajan, also im ›Trajaneum‹] an seiner Seite, zumal [so insinuiert der Kaiser] ihr wohl wißt, daß ich an dessen
Tempeln viel mehr Freude habe als an den meinen«. Ein Meisterstück subtiler
Diplomatie: Nicht nur ermöglichte es der Kaiser den Pergamenern, den in der
Hauptsache ablehnenden Bescheid überhaupt Öffentlichkeit und Nachwelt
zu präsentieren – ein in dieser Form bisher singulärer Vorgang –, sie konnten dies auch mit überlegenem Stolz tun, waren doch die zweiten Kaisertempel beider Konkurrentinnen, von Ephesos wie von Smyrna, gerade nicht
Trajan gewidmet, sondern eben Hadrian. Auch wenn die Pergamener diesen
in Rang und offizieller Titulatur weiterhin gleichgestellt blieben, konnten sie
mit ihrer Statue Hadrians im Tempel Trajans doch eines für sich reklamieren:
Vorrang im Herzen des Kaisers.
Gelöst ist damit auch eine alte Streitfrage der Klassischen Archäologie nach
der Datierung der beiden kolossalen Porträtköpfe Trajans und Hadrians vom
›Trajaneum‹ – heute Schmuckstücke des Pergamonmuseums. Der Trajans ist
wohl in das Jahr 114 zu datieren, der Hadrians (Abb. 6) muß – als Kopf der
Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik 167
Pergamon (Türkei)
Abb. 5 Im ›Trajaneum‹ von Pergamon
gefundenes, fragmentarisch erhaltenes
Antwortschreiben Hadrians auf eine
Gesandtschaft von Pergamon
Abb. 6 Der Porträtkopf Hadrians,
Pergamonmuseum Berlin
5
6
vom Kaiser den Pergamenern zugestandenen Statue – 138 geschaffen und
vielleicht erst postum vollendet worden sein, nach dem Tod des Kaisers am
10. Juli dieses Jahres.
Ansprechpartner: H. Müller • Abbildungsnachweis: DAI, Abteilung Istanbul, E. Steiner (Abb. 5); nach AA 1993, 383 (Abb. 6).
Sympolitien und Synoikismen in hellenistischer Zeit
Die griechische Welt ist in klassischer Zeit geprägt von zahllosen Poleis, von
denen viele nur winzige Territorien kontrollierten. Diese kleinteilige politische Landschaft veränderte sich seit dem 4. Jh. und besonders im Hellenismus
ganz erheblich durch Zusammenschlüsse – meist Eingemeindungen kleinerer
Nachbarn durch bedeutendere Poleis. Eine systematische Untersuchung solcher Konzentrationsprozesse fehlt bisher. Sie nimmt A. V. Walser, der von der
Universität Zürich an die Kommission wechselte, seit Juli in Angriff. Das
Projekt mit dem Titel »Sympolitien und Synoikismen. Gesellschaftliche und
urbanistische Implikationen von Konzentrationsprozessen in hellenistischer
Zeit« wird im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms 1209 »Die hellenistische Polis als Lebensform. Urbane Strukturen und bürgerliche Identität
zwischen Tradition und Wandel« von der DFG gefördert (vgl. http://www.
poliskultur.de). Dabei sollen Sympolitien als Indikator oder Katalysator für
gesellschaftliche und städtebauliche Entwicklungen verstanden werden, die
charakteristisch für die hellenistische Zeit waren. Im Mittelpunkt stehen dabei die Interessen der beteiligten Partner: Die Bündelung von Ressourcen
begünstigte die Zentralorte und dämpfte die urbanistische Entwicklung der
peripheren Siedlungen. Deren Bewohner erhielten aber Zugang zur besser
entwickelten Infrastruktur der Zentralorte. Die stärkeren Partner erzielten
territoriale und demographische Gewinne, mußten jedoch die Exklusivität
ihres Bürgerrechts aufheben und ihre Institutionen für die Integration der
kleineren Einheiten öffnen.
Förderung: DFG • Leitung des Projekts: Ch. Schuler • Mitarbeiter:
A.V. Walser.
168 Jahresbericht 2006 des DAI
Wissenschaftliche Veranstaltungen
Vorträge
13. Januar Peter Eich (Köln), Die letzten Prokuratoren. Die Bedeutung Diokletians für die römische Finanzadministrationxxx10. Februar Jörg Rüpke
(Erfurt), Braucht ein Weltreich eine Religion? Medien und Funktionen ›römischer Reichsreligion‹xxx28. April Robert Parker (Oxford), Subjection,
Synoecism, and Religious Lifexxx19. Mai Tassilo Schmitt (Bremen), Edle
Einfalt und stille Größe im wirren Chaos der zusammenbrechenden alten
Welt? Hypatia im Spannungsfeld imperialer und kirchlicher Strukturen
2. Juni Karl-Joachim Hölkeskamp (Köln), Konsens und Konkurrenz. Die
politische Kultur der römischen Republik in neuer Sichtxxx8. Dezember
Christian Marek (Zürich), Die Inschriften von Kaunos: Genese eines Projekts
8. Dezember Alain Bresson (Bordeaux), Die Verbindung von Hafenstadt und
Hinterland in Karien, Lykien und Pamphylien.
Internationale Kolloquien
18. Mai Doktorandenkolloquium »Ephesos: Neue Forschungen« (Organisation: Christof Schuler). – Es sprachen: Andreas Victor Walser (Zürich), Recht,
Wirtschaft und Politik im frühhellenistischen Ephesos. Zum Schuldengesetz Syll.3 364; Annalisa Calapà (München/Pisa), Inschriften, Gräber und
Paläste: eine ›vergessene‹ Hauptstadt? Quellen zum seleukidischen Ephesos; Colin Bailey (Vancouver), The Development of the gerousia at Ephesos.
1. bis 3. Juli Kolloquium »Selbstdarstellung und Kommunikation. Die Veröffentlichung staatlicher Urkunden auf Stein und Bronze in der römischen
Welt« (Organisation: Rudolf Haensch). – Es sprachen: Henner von Hesberg
(Köln), Jean-Louis Ferrary (Paris), Werner Eck (Köln), Denis Feissel (Paris),
Antonio Caballos Rufino (Sevilla), Rudolf Haensch (München), Georgy
Kantor (Oxford), Christina Kokkinia (Athen), Tor Hauken (Bergen), George
Souris (Thessaloniki), Helmut Müller (München), Claudia Kreuzsaler (München), Armin Eich (Passau), Claude Eilers (Hamilton), Andrea Jördens (Heidelberg), Harriet Flower (Princeton).xxx5. bis 7. November Kolloquium
»Aufkommen, Entwicklung und Transformation des epigraphic habit in den
hispanischen Provinzen« (Organisation: Christof Schuler, Rudolf Haensch,
Armin U. Stylow). – Es sprachen: Werner Eck (Köln), Christophe SchmidtHeidenreich (Lausanne), François Berard (Lyon), Christian Witschel (Heidelberg), Simon Keay (Southampton), Antonio Caballos Rufino (Sevilla), Juan
Manuel Abascal Palazón (Alicante), Helena Gimeno Pascual (Alcalá de Henares), José Luis Ramírez Sádaba – Teresa Pando Anta (Cantabria), Jonathan
Edmondson (Toronto), Francisco Beltrán Lloris (Zaragoza), Raquel López
Melero (Madrid), Concepción Fernández Martínez (Sevilla), Francisco Marco (Zaragoza), Charlotte Tupman (Southampton), Peter Eich (Köln), Marc
Mayer Olivé (Barcelona), Heike Niquet (Heidelberg), Joan Carbonell (Barcelona), Rudolf Haensch (München).
Workshop
20./21. Dezember Workshop zu Forschungscluster 3 »Politische Räume«
des DAI. – Es sprachen: Ortwin Dally (Berlin), Einführung; Felix Arnold
(Madrid), Vom römischen zum islamischen Raumverständnis. Spätantike
Villen als Wurzel islamischer Palastarchitektur; Heinz-Jürgen Beste (Rom),
Syrakus: Die langen Mauern Dionysios’ I. und das Kastell Euryalos; Thomas
Fröhlich (Rom), Fabrateria Nova (Regione Lazio, Provincia di Frosinone);
Ortwin Dally (Berlin), Taganrog und sein Umland; Jutta Häser (Amman),
Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik 169
Transformationsprozesse in Oasensiedlungen in Oman; Roland Färber (München), Administrative Räume der römischen Reichsverwaltung in der Hohen
Kaiserzeit und der Spätantike; Axel Filges (Frankfurt a. M.), Strukturwandel des öffentlichen Raumes im spät- und nachantiken Priene; Klaus Stefan
Freyberger (Rom), Funktion und Bedeutung der Basilica Aemilia auf dem
Forum Romanum in Rom; Markus Gschwind (Damaskus), Raphaneae; Joachim Heiden (Berlin), Die antike Siedlungstopographie Triphyliens; Sophie
Helas (Rom), Die Städte Latiums; Claus-Michael Hüssen (Frankfurt a. M.),
Römische Eroberung und Grenzsicherung; Philine Kalb (Frankfurt a. M.),
Vale de Rodrigo (Co. Évora, Portugal); Joseph Maran (Heidelberg), Tiryns.
Transformationen des sozialen und politischen Raumes von der mykenischen Palastzeit zu den ›Dunklen Jahrhunderten‹; Dirce Marzoli (Madrid),
Essaouira-Mogador: ein deutsch-marokkanisches Projekt in seiner Anfangsphase; Ingo Motzenbäcker (Berlin), Ausgrabung der Tellsiedlung Tachti Perda
(Georgien); Andreas Oettel (Berlin), Die frühbyzantinische Siedlung von Tall
D\·rŒt-Süd (Nordostsyrien); Andreas Oettel (Berlin), Lissos. Urbanistik und
sozio-ökonomische Strukturen einer hellenistischen Polis in Illyrien; Felix
Pirson (Istanbul), Wissenschaftliches Netzwerk »Manifestationen von Macht
und Hierarchien in Stadtraum und Landschaft«; Felix Pirson (Istanbul), Pergamon: Eine hellenistische Residenzstadt und ihr Umland; Felix Pirson (Istanbul), Topographie und Stadträume in Istanbul. Strukturanalysen zum byzantinischen und osmanischen Siedlungsgefüge (2008); Felix Pirson (Istanbul),
Urbane Strukturen und kulturelle Prägung in einer Stadt des hellenistischen
Zentralanatolien: Aizanoi (Çavdarhisar); Richard Posamentir (Istanbul), Anazarbos – Surveyprojekt; Gabriele Rasbach (Frankfurt a. M.), Spätaugusteische
Stadtanlage von Lahnau-Waldgirmes; Knut Rassmann (Frankfurt a. M.), Siedlungsarchäologische Studien zur Frühbronzezeit am Südwestrand des Slowakischen Erzgebirges. Untersuchungen zur Entwicklung der Metallurgie im
nordwestlichen Karpatenbecken; Dietrich Raue (Kairo), Der Erste Katarakt;
Andreas Schachner (Istanbul), Die Hethiterhauptstadt Hattuša-Boğazköy
(Türkei); Udo Schlotzhauer (Berlin), Kepoi – Survey- und Grabungsprojekt;
Florian Seiler (Berlin), Rekonstruktion der antiken Kulturlandschaften des
Sarno-Beckens (Provinz Neapel, Italien); Susanne Sievers (Frankfurt a. M.),
Das keltische Oppidum von Manching/Bayern; Susanne Sievers (Frankfurt
a. M.), Frühkeltische Fürstensitze und ihr Umland; Gerda Sommer von Bülow
(Frankfurt a. M.), Der spätantike Kaiserpalast Felix Romuliana bei Gamzigrad
(Serbien); Jutta Stroszeck-Scheunert (Athen), Die Kerameikos-Straße vor dem
Dipylon: Raum, Verwendung, Entwicklung und Denkmäler; Margarete van
Ess (Berlin), Ausgrabungen in Uruk-Warka (Irak); Margarete van Ess (Berlin), Heliopolis-Baalbek (Libanon); Dieter Vieweger (Wuppertal), Das »Gadara Region Project« in Nordjordanien; Andreas V. Walser (München), Sympolitien und Synoikismen. Gesellschaftliche und urbanistische Implikationen
von Konzentrationsprozessen in hellenistischer Zeit; Hans-Joachim Weißhaar
(Bonn), Frühe historische Stadtentwicklung in Südasien am Beispiel Sri Lanka; Ulrike Wulf-Rheidt (Berlin), Die Kaiserpaläste auf dem Palatin in Rom,
der spätantike Kaiserpalast von Felix Romuliana; Forschungsgeschichtliche
Referate zum Thema »Raum« in den einzelnen Disziplinen: Susanne Sievers
(Frankfurt a. M.), Ur- und Frühgeschichte; Felix Pirson (Istanbul), Klassische
Archäologie; Rudolf Haensch (München), Alte Geschichte; Winfried Schenk
(Bonn), Geographie; Cornelia Jöchner (Cottbus), Bewegung, Ort, Raum:
methodische Ressourcen der Kunstgeschichte; Inhaltliche Diskussion zum
Raumbegriff des Forschungsclusters und zum Begriff »Politischer Raum«.
170 Jahresbericht 2006 des DAI
Öffentlichkeitsarbeit
Vorträge von Angehörigen der Kommission für eine breitere Öffentlichkeit
20. Januar Johannes Nollé, »In Paestum blühen keine Rosen«. Paestum in
den Werken deutscher Dichter (vor der Dante Alighieri-Gesellschaft, München)xxx13. Mai Christof Schuler, »Bürste, Stein, Papier«: Epigraphische
Feldforschungen in der Türkei (im Rahmen der »Langen Nacht der Wissenschaften« an der Zentrale des DAI, Berlin)xxx20. Juni Hans Roland Baldus,
Aus aktuellen Projekten: Miszellen zur Antiken Numismatik (vor der Bayerischen Numismatischen Gesellschaft, München)xxx28. Juni Johannes Nollé,
Geldwertstabilität und Stadtkultur (vor der Deutschen Bundesbank, Frankfurt a. M.)xxx1. November Johannes Nollé, Heilige Bäume des antiken
Kleinasiens im Spiegel der Münzen (vor der Numismatischen Gesellschaft,
Frankfurt a. M.).
Veröffentlichungen
Chiron 36, 2006
Sylloge Nummorum Graecorum Deutschland: H. R. Baldus, Heft München 22 (Karien)
Vestigia 55: Ch. Marek, Die Inschriften von Kaunos
Ausgrabungen und Forschungen
Aqaba (Jordanien)
Die Ausgrabungen am chalkolithischen-frühbronzezeitlichen Tall HujayrŒt alGhuzlŒn unmittelbar nördlich von Aqaba wurden im Jahr 2006 fortgesetzt.
Der Tall befindet sich auf dem Schwemmfächer des Wadi Yitim und trat in
der 1. Hälfte des 4. Jts. v. Chr. als Kupfer produzierendes Handwerkszentrum
hervor, das zu einem bis nach Ägypten exportierenden Werkstattkreis gehörte.
Nachdem in den vorigen Kampagnen ein größerer Teil der Bebauung oberflächennah und auf größerer Fläche freigelegt werden konnte, war das Ziel der
diesjährigen Unternehmung, die stratigraphische Entwicklung des Ortes sowie die Baukonstruktionen punktuell innerhalb von sieben 9 m × 9 m großen Planquadraten zu untersuchen. Nach den diesjährigen Ergebnissen kann
die Siedlungsentwicklung in zwei Bauperioden unterteilt werden.
Die ältere Periode ist durch mehrräumige kleinzellige Lehmziegelbauten
gekennzeichnet, die auf einem Steinfundament gründen und während eines
Erdbebens stark zerstört wurden. Die Mauern weisen massive Schäden auf.
Da die Siedlung nach dem Erdbeben weiter genutzt und die Bauten repariert
wurden, sind die Mauern z. T. noch über 4 m hoch erhalten (Abb. 1). Das
Erdbeben hatte auch ein verheerendes Feuer zur Folge, das die Auffüllung
zahlreicher Räume verursachte. Etliche Mauern wurden in Fallage angetroffen, zahlreiche Ziegel oder Verputze waren stark verbrannt. Die erhaltenen
Teile der Bauten wurden in jüngere Konstruktionen integriert, zu denen
Orient-Abteilung
Orient-Abteilung 171
Abb. 1 Aqaba (Jordanien), Tall Hujayrāt
al-Ghuzlān. Blick auf das gereinigte Profil
der Störung in Quadrat E7
Abb. 2 Aqaba (Jordanien), Tall Hujayrāt
al-Ghuzlān. In den Lehm eingedrückte Hand
Fußbodenniveaus gehören, die zwei bis drei Meter über dem alten Begehungsniveau liegen und sich durch in situ stehende Keramikgefäße auszeichnen. An einigen Stellen wurden die alten Lehmziegelbauten aufgegeben und
von starken Steinfundamenten jüngerer großräumiger Gebäude überlagert,
die die zweite Bauperiode repräsentieren. Mit den Großbauten sind kleinere
Bauten, von denen nur noch die unteren Steinlagen erhalten sind, stratigraphisch verbunden.
An den meisten Wänden ist noch der originale Wandverputz erhalten, der
mit den Händen oder Fingern verstrichen wurde. Während dieses Prozesses
entstanden Fingereindruck-Dekorationen, u. a. Handabdrücke (Abb. 2) – als
apotropäische Zeichen? – oder ein stehender Steinbock.
Geohydrologischen Untersuchungen zufolge, die von der Fachhochschule
Lübeck unter der Leitung von M. Grottker durchgeführt werden, war das
Siedlungsgebiet von HujayrŒt al-GhuzlŒn äußerst wasserreich. Unterwasserströme, die aus dem nahen Wadi Yitim abflossen, drängten bereits während des
späten Chalkolithikums (?) an die Oberfläche und erlaubten den Bewohnern
des Ortes, ein Kanalbewässerungssystem für die Landwirtschaft zu entwickeln
und Terrassenfeldbau zu betreiben. Das genaue Alter wird noch in diesem Jahr
durch Lumineszenzanalysen überprüft werden, für die bereits Probenmaterial
gewonnen wurde.
Unklar ist immer noch, wo die Siedler des Ortes HujayrŒt al-GhuzlŒn ihre
Toten bestatteten. In der diesjährigen Ausgrabungskampagne sind erstmals
zwei Unterkiefer und ein Oberkieferfragment menschlicher Individuen in
den Siedlungsschichten gefunden worden. Es ist allerdings noch unklar, ob es
sich hierbei um Reste von Erdbebenopfern, Hausbestattungen oder Ahnenkultstellen handelt.
Kooperationspartner: University of Jordan • Förderung: DFG; University of Jordan • Leitung des Projekts: K. Schmidt, L. Khalil, R. Eichmann
(Archäologie) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: F. Klimscha, K. Pfeiffer,
U. Siegel (Grabungsleitung vor Ort), D. Bodenmüller (Bauforschung),
G. Heindl (Grabungstechnik), A. Abar, S. Ayyoub, I. Fayoumi, Ch. Keller,
R. Maier, A. al-Manaser, K. Nowak (Schnittleitung), S. Dressler (Keramikbe-
172 Jahresbericht 2006 des DAI
arbeitung), A. Wittmer, M. Khader (Photographie), S. Darar Depolsky (Grabungslogistik), S. al-Fakhri (Vertretung der Antikenbehörde) • Abbildungsnachweis: A. Wittmer (Abb. 1–2).
Informationen im Internet unter: http://www.dainst.org/index_2877_
de.html
Wadi Ruweished (Jordanien)
B. Müller-Neuhof führte im Jahr 2006 im Auftrag der Orient-Abteilung einen Survey in der Wadi Ruweished Region in Nordostjordanien nahe der
jordanisch-irakischen Grenze durch. Ziel dieses Surveys war, einen Fundplatz
(RU 27) zu dokumentieren, den er im Jahr 2000 zusammen mit R. Eichmann
entdeckt hatte, jedoch nicht umfassender dokumentieren konnte. Bei diesem Fundort handelt es sich um einen großen Platz für die Herstellung von
Steingeräten aus Plattensilex. An diesem ›Schlagplatz‹ wurden insbesondere
Rohlinge für die Weiterverarbeitung zu fächerförmigen Geräten (fan-scraper)
produziert, die für das Chalkolithikum und die Frühbronzezeit Vorderasiens
charakteristisch und dort weit verbreitet sind. Dieser sog. Schlagplatz ist durch
eine großflächige und dichte Verteilung von aus dem Boden herausgebrochenen Feuersteinbrocken gekennzeichnet, deren Oberflächen die Negative
der Rohlingsproduktion zeigen. Die große Zahl derartiger Abfallprodukte
läßt eine über den eigenen Bedarf der Hersteller hinausgehende Produktion
der fan-scraper annehmen, mit denen wahrscheinlich Handel getrieben wurde.
Weitere Produktionsplätze dieser Art sind bislang nur aus der Jafr-Ebene in
Südostjordanien bekannt.
Leitung des Projekts: R. Eichmann • Mitarbeiter: B. Müller-Neuhof (Leitung der Feldarbeiten).
Gadara/Umm Qais (Jordanien)
Im Rahmen des aktuellen Forschungsprojekts Gadara »Zur urbanistischen
und kulturhistorischen Entwicklung der antiken Stadt« liegt ein Schwerpunkt
auf der umfassenden Untersuchung der Siedlungsentwicklung des Areals am
›Östlichen Stadteingang‹ (Abb. 3). Erstmalig sind durch die Grabungen in
diesem Bereich die Voraussetzungen geschaffen worden, anhand der archäologischen Hinterlassenschaften die Siedlungskontinuität von der hellenistischen
bis in die byzantinische Zeit zu verfolgen, also über den gesamten Nutzungszeitraum der antiken Stadt. Die umfassende Analyse der archäologischen und
baulichen Befunde erlaubt wichtige Aussagen zur urbanistischen und kulturhistorischen Entwicklung der Stadt.
Seit 2002 konzentrieren sich die Forschungen vornehmlich auf die bauund kulturhistorische sowie städtebaulich-kontextuelle Analyse des Gebäudeensembles im Osten der Stadt, dem gesamten Bereich der ›Ost-Agora‹ mit
dem Nordtheater von Gadara. Das Areal umfaßt das Nordtheater, das sich im
Süden an den Hang des antiken Siedlungshügels schmiegt und vorläufig in
die 1. Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. datiert werden kann. Das Nordtheater orientiert sich mit seinem Bühnengebäude zu der nordöstlich des Siedlungshügels
vorgelagerten Geländeterrasse, die den großflächig und künstlich eingeebneten Tempelbezirk mit dem späthellenistischen Podientempel I im Norden
aufnimmt.
Ein in der frühen Kaiserzeit nördlich des Bühnengebäudes errichteter
zweiter Podientempel, exakt in der Mittelachse des Nordtheaters gelegen,
überlagert Reste einer hellenistischen Vorgängerbebauung der Siedlungskuppe mit bis zu 5 m hohen Ablagerungen (Abb. 4). Die Sondagen im Bereich
des proscaenium sowie in der orchestra des Nordtheaters belegen, daß die römi-
Orient-Abteilung 173
Abb. 3 Gadara/Umm Qais (Jordanien),
archäologischer Bestandsplan des Areals
am ›Östlichen Stadteingang‹ mit dem
Nordtheater und dem kaiserzeitlichen
Podientempel II (ohne Maßstab)
sche Konstruktion in byzantinischer Zeit zur Arena bzw. zum Amphitheater
umgebaut wurde (Abb. 5). Beweise dafür liefern nicht nur die vorgefundenen
Reste byzantinischer Bauten, die unter Wiederverwendung von Architekturteilen aus dem römischen Theater errichtet wurden, sondern auch die mächtigen Abfallschichten bzw. Nutzungshorizonte in diesem Areal.
Ein weiterer Schwerpunkt der Kampagne 2006 lag auf der Klärung des
Verlaufs der hellenistischen und frühkaiserzeitlichen Befestigungsanlage im
Nordosten des Siedlungshügels, des ›Östlichen Stadteingangs‹ und damit einhergehend der Frage nach den Erschließungsmöglichkeiten des Nordtheaters
von Osten.
In Fortsetzung der Kampagnen von 2003 und 2005 wurde im Bereich
nördlich des hellenistischen Nordostturmes der weitere Verlauf der Stadtmauer untersucht. Nach den bisherigen Erkenntnissen handelt es sich um
einen Bereich des Mauerrings, der mit einer sekundären Erweiterung der ursprünglichen Anlage in Zusammenhang steht. Während in der ersten Phase
die Nordflanke der Stadtmauer vom Nordostturm direkt nach Westen verlief,
wurde später die nördlich des Siedlungshügels liegende Tempelterrasse mit
einbezogen, weshalb die Stadtmauer vom Nordostturm in nördliche Richtung weiter geführt wurde. Am Ansatz dieser Mauer am Nordostturm ließen
174 Jahresbericht 2006 des DAI
5
4
sich zwei Bauphasen, die an den beiden leicht auseinander laufenden Außenfluchten einer breiten Mauer zu erkennen sind, feststellen.
Erstmalig konnte der Frage nach der Wasserversorgung und Wasserhaushaltung auf dem Siedlungshügel mittels Zisternen nachgegangen werden. In
einem ersten Schritt wurden 75 Zisternen auf dem Siedlungshügel detailliert
dokumentiert (Abb. 6) und im topographischen Bestandsplan kartiert, außerdem exemplarisch 40 Zisternen im westlichen Stadtgebiet. Einige der untersuchten Zisternen dienten vermutlich bereits der Wasserversorgung der hellenistischen Kuppensiedlung. Ein Teil davon wurde bei der Anlage des Tunnels
für eine Fernwasserleitung geschnitten und aufgegeben.
Im Rahmen eines von der DFG geförderten Projekts wurde das Keramikspektrum ausgewählter Schichtsequenzen untersucht. Kernziel ist die Datierung der in Gadara angetroffenen Gefäßformen. Darüber hinaus soll eine
Grundlage für die Bewertung der sozial- und wirtschaftsgeschichtlichen Entwicklung der Stadt geschaffen werden.
Die bisher gültigen Meinungen zu den Anfängen der Siedlungstätigkeit
werden durch einzelne Gefäßfragmente bestätigt, die in die 2. Hälfte des 3. Jhs.
v. Chr. zu datieren sind. Eine intensive Nutzung der ›Ost-Agora‹ mit dem
Nordtheater ab dem 2. Jh. v. Chr. bezeugt der entsprechend starke Fundniederschlag. Die Wirtschaftsbeziehungen Gadaras in hellenistischer Zeit spiegeln sich insbesondere in importierter Feinkeramik, wie ›Westabhang-Ware‹
und ›Megarische Becher‹ aus dem östlichen Mittelmeerraum sowie Campana,
wider, außerdem in rhodischen Amphorenfunden, die auf einen regelmäßigen Weinkonsum schließen lassen. Zu den häufigsten Keramiktypen zählen
helltonige Zweihenkelkrüge und Kochgeschirr mit rotem Scherben, beide
vermutlich aus örtlichen Töpfereien.
Für die Beurteilung der Verhältnisse ab der römischen Zeit waren insbesondere Fundkomplexe vor der südlichen Außenwand des Nordtheaters von
Bedeutung. Dort – wie auch an anderen Stellen des Untersuchungsgebietes –
enthalten die in römische Zeit zu datierenden Keramikensembles größere
Mengen hellenistischen Materials. Dies läßt auf wiederholte Umlagerungen
schließen. Wie auch andernorts beobachtet dominiert bei der Feinkeramik
ESA (Eastern Sigilata A ware) gegenüber anderen Waren deutlich. In byzantinischer Zeit wurde sehr wenig Tafelgeschirr abgelagert. Dies ist möglicherweise
Gadara/Umm Qais (Jordanien)
Abb. 4 Blick von Norden auf die hellenistische Vorgängerbebauung unter Podientempel II
Abb. 5 Blick von Westen auf die Baustrukturen der Arenaeinbauten im Nordtheater
Abb. 6 Zisterne unter dem Siedlungshügel. Zisterne 11-04 von innen. Blick auf
zwei Felssäulen und den Einstiegsschacht
6
Orient-Abteilung 175
als Reflex eines Funktionswandels des Geländes zu sehen, denn es kommen
beispielsweise die am Nordtheater kaum belegten ARS (African Red Slip ware)
und LRC (Late Roman C ware) in den westlichen Stadtquartieren häufig vor.
Der Fundanfall in umayyadischer Zeit ist schwächer; kennzeichnend sind
insbesondere Zweihenkelkrüge der Brown-slipped-white-painted ware. Spätere
Aktivität zeigt sich nur durch einzelne Fragmente bemalter Pseudo-prehistoric
ware.
Kooperationspartner: Generaldirektion Stiftung Preußischer Kulturbesitz Berlin (SMBPK) • Förderung: DFG (Referenzstratigraphie); Deutsche
Wasserhistorische Gesellschaft e.V. (Grabungskampagne 2006) • Leitung
des Projekts: C. Bührig, G. Schauerte • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen:
B. Liesen (Fundbearbeitung), Chr. Hartl-Reiter (Geodäsie), B. Jansen (Stadtbefestigung), H.-Ch. Noeske (Fundmünzen), P. Keilholz, N. Burkhardt,
H. H. Hirth, A. Prust, G. Pasewald, E. Griesi • Abbildungsnachweis: C. Bührig, Chr. Hartl-Reiter (Abb. 3); C. Bürig (Abb. 4. 5); P. Keilholz (Abb. 6).
Tayma (Saudi-Arabien)
Die archäologischen Untersuchungen in der Oase Tayma wurden in zwei
Kampagnen fortgesetzt. Die Ausgrabungen konzentrierten sich auf öffentliche Gebäude und Wohnviertel im Zentralbereich der Ruine (Qraya) und die
Stadtmauern, um die Kenntnisse von Stratigraphie, Besiedlungsentwicklung,
Funktionsbereichen sowie Konstruktion und Organisation der Befestigungsanlagen zu erweitern. Die geologischen Forschungen zur Rekonstruktion der
antiken Umwelt wurden in der Ruine und der ihr im Norden vorgelagerten
sebkha (ein saisonaler See) durchgeführt.
In den meisten Ausgrabungsschnitten konnte inzwischen der natürliche
Sandsteinfels erreicht werden, was bedeutet, daß die zentrale Erhebung dem
natürlichen Oberflächenrelief folgt. In den bis zu fünf Meter hoch anstehenden archäologischen Ablagerungen wurden fünf Bauschichten als Teil der
Gesamtstratigraphie identifiziert.
Das große repräsentative Gebäude (Areal E) wird angesichts seiner architektonischen Merkmale und seiner Ausstattungsreste als Tempel interpretiert
(Abb. 7). Der während der nabatäischen Zeit zunächst vollständig als Halle
konzipierte Bau wurde offensichtlich in einem Umbauvorgang mit Räumen
versehen, welche die Erstreckung der Säulenhalle auf den südlichen Bereich
des Gebäudes begrenzten. Weitere Baumaßnahmen, die während des 3. Jhs.
n. Chr. stattfanden, führten zur erneuten Veränderung in der Erschließung
Abb. 7 Tayma (Saudi-Arabien), großes
repräsentatives Gebäude (Tempel) im
Zentrum von Tayma. Vermutlich eine
nabatäische Gründung
176 Jahresbericht 2006 des DAI
8
9
des Bauwerks, indem die letzten Zwischenräume der Säulenstellungen geschlossen wurden. Erneut waren Reste des Inventars und der Bauausstattung
aus dem umliegenden Schutt zu bergen. Dazu gehören zahlreiche mit Schlangen, aber auch Boviden und Capriden, Menschen und Pflanzen ritzverzierte
Steinblöcke, die als Türwangen oder -stürze gedient haben können. Einer
ägyptisierenden Sphinx, die früher den Eingangsbereich des Tempels flankiert
haben dürfte, läßt sich ein Stück aus dem Tayma-Museum zur Seite stellen.
Aus der zehnjährigen Residenzzeit des letzten babylonischen Königs Nabonid (556–539 v. Chr.) in Tayma stammen drei neue Keilschrifttextfragmente
(Abb. 8). Außerdem wurde ein weiteres Fragment einer lihyanischen monumentalen Königsstatue (5.–3. Jh. v. Chr.) entdeckt.
Im 2. und 3. Jh. n. Chr. war auch der Wohnbereich südlich des Tempels
besiedelt (Areal E und F), in dessen Schutt mehrere nabatäische Weihrauchständer gefunden wurden (Abb. 9). Am südlichen Ende der zentralen Anhöhe
(Areal D) ließ sich eine Fortsetzung der solide errichteten Mauer eines öffentlichen Gebäudes (?) nach Norden nicht feststellen. Ob die bemalte Keramik des frühen bis mittleren 1. Jts. v. Chr. im Füllschutt dieser Anlage aus
funerären Kontexten in diesem Bereich stammt, ist erst anhand weiterer Untersuchungen zu klären.
An der Stadtbefestigung wurden die Arbeiten im westlichen Teil der Ruine fortgesetzt (Areal C). Dabei ist die Fundamentsituation eines möglichen
Zugangs mit zwei Türmen weiter freigelegt worden, um hier die Bauabfolge
der letzten Jahrhunderte des 1. Jts. v. Chr. und der darauf folgenden Perioden
rekonstruieren zu können. Sondagen an der äußeren Mauer dienten der Feststellung der Konstruktion und der Beziehungen der beiden Maueranlagen
zueinander.
Zwischen innerer und äußerer Mauer befindet sich in Areal O ein Komplex aus mehreren kleineren Kammern, möglicherweise Grabanlagen, östlich
davon die Reste eines großzügig angelegten, mit Plattenpflaster ausgestatteten
Bauwerks. Neben der zuvor in Areal A entdeckten und zwischen das 12. und
10. Jh. v. Chr. datierten polychrom bemalten Keramik mit geometrischen
Motiven und Vogeldarstellungen (Abb. 10), die damit geringfügig später einzusetzen scheint als die bisher bekannte und in Timna’ in das 13. und 12. Jh.
v. Chr. datierte ›Qurayyah painted ware‹ (auch »midianitisch« genannte Keramik), wurden verkohlte Holz- und Elfenbeingegenstände gefunden, die zu
Gefäßen und Intarsien gehören und Parallelen in syro-levantinischen Fundorten haben (Abb. 11). Zwei glasierte Frittefiguren weisen hingegen nach
Ägypten.
Die im Rahmen eines von der Fritz Thyssen Stiftung geförderten Projekts
der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus in Kooperation mit
dem Architekturreferat der Zentrale des DAI durchgeführten Forschungen
Tayma (Saudi-Arabien)
Abb. 8 Sandsteinfragment mit spätbabylonischem Keilschrifttext (6. Jh. v. Chr.)
Abb. 9 Zylindrische Weihrauchbrenner
der nabatäischen Zeit mit Ritzverzierung,
von denen einer beschriftet ist
Orient-Abteilung 177
10
11
Tayma (Saudi-Arabien)
Abb. 10 Mehrfarbig bemalte Keramikschale des ausgehenden 2. Jts./frühen 1. Jts.
v. Chr., Dm 28 cm (Areal O)
Abb. 11 Ritzverzierte Holzfragmente
(ausgehendes 2. Jt./frühes 1. Jt. v. Chr.)
und Ausgrabungen an der Stadtmauer initiierten die erstmalige systematische
DGPS-gestützte Aufnahme der nordöstlichen und nordwestlichen Stränge der
Mauern (s. auch S. 32–33). Im Bereich der südlichen Umschließung der Ruine wurden mehrere archäologische Sondagen angelegt, um Bauweise, Konstruktion, verwendete Baumaterialien und funktionale Aspekte zu klären.
Geoarchäologische Untersuchungen erzielten neue Ergebnisse zur Rekonstruktion der frühen Umwelt von Tayma. Ablagerungen von Algen und
Gastropoden am ordovizischen Fels (ca. 480 Mio. Jahre B. P.) deuten auf die
Existenz eines Paläosees, dessen Niveau nah an das heutige Ruinengebiet gereicht haben dürfte (13 m über dem heutigen sebkha-Niveau). Bohrungen innerhalb und außerhalb der sebkha-Lehmmauer weisen auf ein tiefer gründendes salzhaltiges Milieu außerhalb der Mauer, in welches das höher liegende
Niveau innerhalb dieser Mauer entwässerte. Hier fanden sich keine Hinweise
auf Salzablagerungen, weshalb es sich vermutlich um frühere landwirtschaftliche Anbauflächen gehandelt haben wird. Die sebkha-Mauer markiert damit
die Grenze des fruchtbaren Gebietes der Ansiedlung.
Kooperationspartner: Deputy Ministry of Antiquities and Museums, Riad;
King-Saud-Universität, Riad • Förderung: DFG • Leitung des Projekts:
R. Eichmann • Mitarbeiter: A. Hausleiter (Grabungsleitung vor Ort),
Th. Götzelt (Dokumentation, GIS), M. al-Najem (Vertreter der Antikenbehörde), T. Ewender (Informatik), M. al-Anizy, A. Basonbul, A. Beuger,
Kh. al-Dayel, J. al-Herbi, A. Intilia, H. Jantzen, A. Kose, S. Lora, M. al-Moosa,
M. Möhle, Ch. Purschwitz, N. al-Qanur, Ph. Schwinghammer, G. Sperveslage, A. Ullmann (Archäologie), J. Krumnow, F. al-Mughailly (tachymetrische Bauaufnahme), H. Gräfe (Photogrammetrie), M. Cusin (Photographie),
O. Scheeck (Zeichner), F. Moll (Restaurator), M. Hochmuth (Paläozoologie),
R. Neef (Paläobotanik), J. Bosch, H. Brückner, M. Engel (Geoarchäologie),
A. Frei, D. Keller, P. Schneider (Bauforschung), M. Giannetta, Cl. Mazzoli (Mineralogie), Ch. Bost, F. Ziegler (Vermessung) • Abbildungsnachweis:
M. Cusin (Abb. 7–11).
Informationen im Internet unter: http://www.dainst.org/index_3258_
de.html
Transformationsprozesse in Oasensiedlungen (Oman)
Im Jahr 2006 wurde in erster Linie das Fundmaterial des Projekts für die
Endpublikation aufgearbeitet. Der besondere Schwerpunkt lag dabei auf der
Bearbeitung der knapp 22 000 während der Surveys gesammelten Scherben,
die aus der Zeitspanne von der frühen Bronzezeit (3000 v. Chr.) bis zur Moderne stammen und somit einen Zeitraum von 5000 Jahren abdecken.
Um die Anzahl der definierten Waren einzugrenzen, ihre Zusammensetzung zu überprüfen und eventuelle Fremdstücke, Importe etc., zu erkennen
und auszuschließen, konnte eine naturwissenschaftliche Analyse am Institut
für Anorganische und Analytische Chemie, Arbeitsgruppe Archäometrie der
Freien Universität Berlin (G. Schneider) in Kooperation mit ARCHEA (Archeometric Analysis and research) Warschau (M. Daszkiewicz) durchgeführt
werden. Unterschiedliche naturwissenschaftliche Verfahren zur Keramikbestimmung wurden in Oman bisher vor allem an bronzezeitlicher Keramik
und dabei in erster Linie an Importen aus Iran/Pakistan, Bahrain, Mesopotamien oder dem Industal angewandt. Analysen für Keramik der anderen Perioden liegen bisher nur in wenigen Stichproben vor und für die islamische
Zeit fehlen naturwissenschaftliche Untersuchungen bislang völlig.
Um eine möglichst große Probenzahl hinsichtlich der Ware untersuchen
zu können, wurden zunächst 500 ausgewählte Scherben aller Perioden, die in
178 Jahresbericht 2006 des DAI
erster Linie aus der ersten Projektphase (1999/2000) im Wadi Bani Awf und
al-Hamra (und in kleinerem Umfang aus Nizwa und Izki) stammen, mit der
MGR-Analyse (Matrix Group by Refiring) untersucht.
Die endgültigen Resultate der Analysen stehen noch aus. Die Untersuchungen haben vorläufig gezeigt, daß der Großteil der Proben hohe Magnesium-, Chrom- und Nickelanteile enthält, was für ophiolithaltigen Ton spricht.
Daraus kann man – auch wenn bisher Tonuntersuchungen in Oman nicht
durchgeführt bzw. nicht publiziert wurden – schließen, daß der Großteil der
Keramik lokal hergestellt ist. Der Ton der Scherben ist sehr fein bis fein und
kaum gemagert. Das bedeutet, daß es sich bei fast allen in der makroskopischen
Untersuchung erkennbaren Mineralien nicht um zugefügte Magerungsbestandteile handelt, sondern um unterschiedlich farbige Tonschiefer, die natürlich im Ton enthalten sind. Lediglich die gröberen Waren sind z. T. gemagert;
vegetabile Magerung war nur sehr vereinzelt und Schamott kaum zu beobachten. Die Tone sind insgesamt sehr inhomogen, was die makroskopische
Aufteilung in relativ viele Waren bestätigt und außerdem zeigt, daß vermutlich viele kleine Entnahmestellen genutzt wurden, die aber in der Regel wohl
alle in einem bestimmten Umkreis der Dörfer lagen. Dies wiederum schließt
größere Werkstätten aus und spricht eher für kleinere Produktionseinheiten.
Das könnte für alle Perioden gelten, da keine gravierenden Unterschiede in
der Tonzusammensetzung zu erkennen sind, egal ob es sich um bronzezeitliche oder moderne Waren handelt. Lediglich in der Eisenzeit scheinen die
Tone kalkärmer gewesen zu sein. Im Vergleich zu den islamischen Perioden,
wo eindeutig Importe, beispielsweise aus Mesopotamien, nachzuweisen sind,
zeigt die frühe Eisenzeit eher regionale Fremdstücke.
Kooperationspartner: Sultan-Qaboos-University, Muscat • Förderung:
DFG • Leitung des Projekts: J. Häser, R. Eichmann • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: J. Schreiber (Grabungsleitung vor Ort), A. Dreiser.
Wissenschaftliche Veranstaltungen
Vorträge
18. Januar Hartmut Kühne (Berlin), Dur-Katlimmu in Assyrienxxx4. Oktober Sultan Muhesen (Damaskus), Surprises in Syrian Palaeolithic Archaeology.
Kolloquien
19. bis 23. September Fünftes Symposium der International Study Group on
Music Archaeology mit dem Thema »Herausforderungen und Ziele der Musikarchäologie« (veranstaltet von der Orient-Abteilung des DAI und der Abteilung Musikethnologie des Ethnologischen Museums der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz; Organisation: Adje Both,
Ricardo Eichmann, Lars-Christian Koch). An dem von der DFG geförderten
Symposium nahmen 70 Wissenschaftler, Musiker und Instrumentenbauer
aus 20 Ländern teil.xxx10./11. November Konferenz der Regionalgruppe
»Southern Mesopotamia« des von der European Science Foundation geförderten internationalen Projekts »Associated Regional Chronologies for the
Ancient Near East and the Eastern Mediterranean (ARCANE)« (Organisation: Margarete van Ess). – Es sprachen: Barbara Helwing (Berlin), Elena
Rova (Venedig), Jean-Paul Thalmann (Paris), Önhan Tunca (Liège), Augusta
McMahon (Cambridge), Harriet Martin (Birmingham), Jean M. Evans (New
York).xxx8./9. Dezember Kolloquium »Stadtentwicklung in Baalbek«
Orient-Abteilung 179
(Organisation: Bettina Genz, Margarete van Ess, Klaus Rheidt). – Es sprachen:
Frédéric Husseini (Beirut), Margarete van Ess (Berlin), Jean Yasmine (Jounie),
Frank Henze (Cottbus), Holger Ehrig (Berlin), Bettina Genz (Berlin), Jeanine
Abdel-Masih (Beirut), Heike Lehmann (Cottbus), Natalie Chahine (Batroun),
Konrad Hitzl (Tübingen), Holger Wienholz (Berlin), Ziad Sawaya (Beirut/
Paris), Hanna Hamel (Berlin), Assaad Seif (Beirut), Julia Nador (Berlin), Verena Daiber (Damaskus), Khalid Rifai (Baalbek), Thomas Moenicke (Cottbus),
Friederike Hoebel (Cottbus), Henning Burwitz (Dresden), Daniel Lohmann
(Aachen), Klaus Rheidt (Cottbus).
Workshop
2. bis 5. November Workshop »Recent Trends in the Study of Late Bronze
Age Ceramics in Syro-Mesopotamia and Neighbouring Regions« (veranstaltet von der Orient-Abteilung des DAI und dem Institut für Orientalistik der
Universität Wien; Förderung: Gerda Henkel Stiftung, DAI, Universität Wien;
Organisation: Claudia Beuger, Arnulf Hausleiter, Marta Luciani). – Es sprachen: Graham Philip (Durham), Marie-Claudie Boileau (Athen), Claudio
Mazzoli (Padua), Anacleto D’Agostino (Florenz), Andrzej Reiche (Warschau),
Claudia Beuger (Berlin), Margarete van Ess (Berlin), Behzad Mofidi Nasrabadi
(Mainz), Olivier Rouault (Lyon), Adelheid Otto (München), Annie Caubet
(Paris), Fabrizio Venturi (Bologna), Valerie Matoian (Lyon), Leila Badre (Beirut), Emmanuelle Capet (Paris), Michel Maqdissi (Damaskus), Uwe Sievertsen
(St. Gallen), Stephen J. Bourke (Sydney), Sabina Kulemann-Ossen (Freiburg),
Marta Luciani (Wien), Max Möhle (Berlin), Arnulf Hausleiter (Berlin).
Öffentlichkeitsarbeit
Am 15. Februar wurde der Entwurf eines deutschen Umsetzungsgesetzes
zum »UNESCO-Übereinkommen vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr
und Übereignung von Kulturgut« veröffentlicht. Frau van Ess betonte in
mehreren Radio- und Fernsehinterviews die Dringlichkeit der Umsetzung
des Gesetzes und engagierte sich für notwendige Ergänzungen und Veränderungen des Gesetzentwurfes.
In der »Langen Nacht der Wissenschaften« am 13. Mai in der Zentrale des
DAI beteiligte sich die Orient-Abteilung des DAI an einer Podiumsdiskussion sowie mit einem musikarchäologischen Workshop für Kinder, in dem
antike Musikinstrumente hergestellt wurden, und einer Konzertpräsentation
der Gruppe »Musica Romana«, die Rekonstruktionen griechisch-römischer
Musik zur Aufführung brachte.
Am 14. September informierte Herr Eichmann mit einer Pressekonferenz über das vom 19.–23. September in Kooperation mit dem Ethnologischen Museum (SMB SPK) veranstaltete 5. Symposium der International Study
Group on Music Archaeology.
Am 5. Dezember wurde die in Zusammenarbeit mit der Wartburg-Gesellschaft herausgegebene Publikation »Der Crac des Chevaliers. Die Baugeschichte einer Ordensburg der Kreuzfahrerzeit« im Besucherzentrum des
Auswärtigen Amtes öffentlich präsentiert.
Während des gesamten Jahres berichtete Frau van Ess in zahlreichen Radio- und Presseinterviews über die Auswirkungen der Kriege im Irak sowie
später im Libanon auf archäologische und historische Stätten sowie die notwendigen Maßnahmen zum Kulturerhalt.
180 Jahresbericht 2006 des DAI
Veröffentlichungen
Baghdader Mitteilungen 36, 2005
Orient-Archäologie 18: F. Bloch – V. Daiber – P. Knötzele, Studien zur
spätantiken und islamischen Keramik – Khirbat al-Minya, Baalbek, Resafa
Orient-Archäologie 19: E. Bopp, Die antike Wohnhausarchitektur des Hauran
(Syrien)
Orient-Archäologie 20: E. Hickmann – A. Both – R. Eichmann, Studien zur
Musikarchäologie 5
Th. Biller, Der Crac des Chevaliers, Die Baugeschichte einer Ordensburg der
Kreuzfahrerzeit
Die Außenstelle Baghdad blieb aufgrund der politisch unsicheren Lage im
Irak auch 2006 unbesetzt. Wie in den Vorjahren wurde die Aufarbeitung der
Funde und Befunde von Uruk/Warka fortgesetzt. Margarete van Ess, kommissarische Leiterin der Außenstelle, übernahm wiederum in enger Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt die deutsche Koordination von Krisenmaßnahmen für den Bereich der archäologischen Kulturarbeit. Sie war an
verschiedenen Projekten zum Kulturerhalt im Irak beteiligt und vertrat das
Institut in internationalen Veranstaltungen.
In Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt konnte der irakischen Antikenverwaltung (State Board of Antiquities and Heritage) ein Großformat-Scanner und Plotter sowie Archivkartonagen aus altersbeständigen Materialien zur
Neuordnung und Digitalisierung der Archivbestände übergeben werden.
Die Ergebnisse des aus Mitteln des Auswärtigen Amtes 2005 durchgeführten Projekts »Innovative Methoden zur Kartierung der Archäologischen
Stätten im Irak. Ein Beitrag zur Sicherung des Weltkultur-Erbes« wurden der
irakischen Antikenverwaltung überreicht und das Potential des methodischen
Ansatzes in mehreren Veranstaltungen mit Vertretern des Auswärtigen Amtes,
der UNESCO sowie verschiedener Antikenverwaltungen im Einsatzgebiet
der Orient-Abteilung diskutiert.
Außenstelle Baghdad
Ausgrabungen und Forschungen
Außenstelle Damaskus
Orontes-Survey
Nachdem die Feldforschungen am mittleren Orontes im Herbst 2005 weitgehend abgeschlossen wurden, konzentrierten sich die Arbeiten 2006 auf die
Analyse des Oberflächenmaterials des Surveys. Hierbei wurde von den einzelnen Bearbeitern die abschließende Aufnahme des früh- und spätbronzezeitlichen, eisenzeitlichen sowie des hellenistisch-spätrömisch/frühbyzantinischen
Scherbenmaterials im Museum Hama durchgeführt. Darüber hinaus wurden
die Fundortbeschreibungen vereinheitlicht, das Photomaterial für die Publikation gesichtet sowie die noch fehlenden Karten der Fundorte ergänzt.
Kooperationspartner: Direction Générale des Antiquités et des Musées
de la Syrie (DGAM) • Leitung des Projekts: K. Bartl, M. al-Maqdissi •
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: M. Badawi, G. Shammar, U. Sievertsen,
Ch. Römer-Strehl.
Außenstelle Damaskus 181
Abb. 1 Šīr, neolithischer Siedlungsplatz.
Ergebnisse der geophysikalischen Untersuchungen; dunkel = Geomagnetik,
hell = Georadar (M. 1 : 2500)
Š¥r
Nachdem der während des Orontes-Surveys entdeckte neolithische, etwa
10 km nordwestlich der Provinzhauptstadt Hama gelegene Fundplatz Š¥r
(Abb. 1), im Herbst 2005 durch eine Testsondage auf sein archäologisches
Potential hin untersucht wurde, konnte 2006 mit der Untersuchung dieses
Siedlungsplatzes als Rettungsgrabung begonnen werden. Die während der
beiden jeweils zweimonatigen Kampagnen im Frühjahr und Herbst durchgeführten Arbeiten sollten die Grundlagen für zukünftige Untersuchungen
schaffen und verfolgten mehrere Zielsetzungen: die Ermittlung der gesamten
182 Jahresbericht 2006 des DAI
2
Šīr, neolithischer Siedlungsplatz
Abb. 2
Raumecke mit Kalkmörtelfußboden und eingetieftem Silo
Abb. 3
Raumecke mit Vorratsgefäß
3
Schichtenabfolge der Siedlung, die Erfassung eines repräsentativen Siedlungsausschnitts sowie die Feststellung der Besiedlungsgrenzen.
Zur Durchführung dieses Programms wurden ein Tiefschnitt (K/L7) und
zwei größere Grabungsflächen im nördlichen und südlichen Siedlungsbereich (K/L/M7 und G/H14) angelegt. Darüber hinaus konnten umfangreiche Prospektionen mit Geomagnetik und Georadar durchgeführt werden.
Während der Befund in G/H14 im nördlichen Siedlungsbereich durch starke
Störungen gekennzeichnet ist, in dem keine zusammenhängenden Strukturen
ermittelt werden konnten, wurde im südlichen Schnitt K/L/M7 die Gesamtabfolge der Schichten bis zum gewachsenen Fels erfaßt. Es handelt sich um
insgesamt etwa 6 m Kulturschichten, von denen die mittleren nach Ausweis
von zwei 14C-Daten in den Zeitraum zwischen 6650 und 6500 v. Chr. datieren. Die Stratigraphie von K/L/M weist neun Bauschichten auf und läßt sich
in zwei Komplexe unterteilen: Den unteren/älteren Bereich der Schichten
1–3 sowie die oberen Siedlungsschichten 4–9. Beide Komplexe sind durch
ein aus Asche/Erdschichten bestehendes Schichtenpaket von 1,50 m Stärke
voneinander getrennt, was auf eine längere Stagnation der Bautätigkeit nach
Schicht 3 deutet. Die Siedlung liegt auf einer aus Kalkstein bestehenden Terrassenformation auf, die eine sterile Schicht aus rotbraunem Lehm trägt. Die
darauf befindliche unterste Kulturschicht weist starke Brandspuren auf, was
auf die Brandrodung der ursprünglich anstehenden Vegetation deutet. Die
Baubefunde sind ab Schicht 3 durch Rechteckstrukturen in nordsüdlicher
Ausrichtung charakterisiert, von denen fast ausschließlich die aus Rollsteinen gelegten Fundamentmauern erhalten sind. Die aufwendig konstruierten
Fußböden bestehen fast ausnahmslos aus Kalkmörtel, der häufig mehrfach
erneuert ist. Alle Schichten weisen eine Vielzahl von Installationen auf, die
im weiteren Sinne mit Vorratshaltung in Verbindung zu bringen sind. Hierzu gehören Lehmkästen, ein in den Fußboden eingetieftes, steinernes Silo
(Abb. 2), Plattformen, ein großes Vorratsgefäß aus Keramik (Abb. 3) sowie ein
kleiner Rundbau aus Lehm mit Kalkmörtelverputz auf Boden und Innenwand. Der nördliche Bereich der Grabungsfläche L7 weist starke Störungen
in Form neolithischer Gruben auf und wurde – möglicherweise nach dem
Auflassen der Gebäude – als Bestattungsplatz genutzt. Insgesamt 5 Bestattungen unterschiedlichen Typs wurden hier bisher freigelegt: eine Sekundärbe-
Außenstelle Damaskus 183
Abb. 4 Šīr, neolithischer Siedlungsplatz.
Sichelklinge aus Silex (M. 1 : 2)
Abb. 5 Hama, spätosmanischer Gouverc
neurspalast Qasr
. al- Azm.
. Blick von Nordwesten
stattung mit fünf Individuen, jeweils zwei Bestattungen zweier Neugeborener in der Nähe von Fundamentmauern, ein Hockergrab ohne Schädel sowie
eine disartikulierte Bestattung in einer Grabgrube, ebenfalls ohne Schädel.
Bei den beiden letztgenannten sind im Bereich des Kopfes Lithikgeräte deponiert.
Das Fundmaterial umfaßt neben großen Mengen an Keramik und Lithik
eine Vielzahl von Stein- und Knochengeräten. hinsichtlich der keramischen
Funde läßt sich bereits jetzt eine Entwicklungstendenz von dünnwandigen,
mineralisch gemagerten Formen des dark-faced burnished ware-Typs in den untersten Schichten zu vegetabil gemagerter coarse ware in den oberen Schichten
ablesen. Das gleichzeitige Vorkommen von white ware deutet auf spezifische
Funktionen dieser früher als vorkeramische Entwicklung definierten Behälter.
Die lithischen Funde weisen neben einer sehr großen Zahl von Abschlägen
Sicheln (Abb. 4) als wichtigste Gerätegruppe aus, während Geschoßspitzen
des Amuq-Typs relativ selten sind. Unter den zahlreichen Knochengeräten
bilden Ahlen, Pfrieme und Nadeln die Haupttypen, bei den Steinartefakten
sind neben den typischen kleinen Beilen zwei Stempelsiegel mit geometrischem Muster hervorzuheben. Insgesamt deutet die Befund- und Fundlage in
Š¥r auf eine komplexe Siedlung des Spätneolithikums, für die in der näheren
Umgebung keine Parallelen vorliegen. Wie die geophysikalischen Untersuchungen, die mit Geomagnetik und Georadar durchgeführt wurden (S. Seren,
E. Bayirli, Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik [ZAMG] Wien),
zeigen, handelt es sich um einen halbkreisförmig angelegten Ort, deren östlicher Bereich durch eine Freifläche definiert ist (Abb. 1). Die dichte Bebauung
im nördlichen Siedlungsteil könnte als Hinweis auf den zentralen Siedlungsbereich gedeutet werden. Eine im nordöstlichen Bereich entdeckte Häuserreihe ist vielleicht mit besonderen Funktionen in Verbindung zu bringen. Die
Arbeiten im kommenden Jahr werden sich mit diesen Aspekten befassen.
Kooperationspartner: Direction Générale des Antiquités et des Musées de la Syrie (DGAM) • Leitung des Projekts: K. Bartl, A. Haidar,
M. Hijazi • Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: A. Gubisch, J. Krumnow,
R. Neef, O. Nieuwenhuyse, K. Pfeiffer, Ch. Purschwitz, D. Rokitta,
M. Schulze, M. Tonch, Th. Urban, I. Wagner • Abbildungsnachweis: J. Krumnow (Abb. 2. 3); K. Bartl (Abb. 4); DAI, Orient-Abteilung, ZAMG (Abb. 1).
Hama-Altstadt-Survey, Bauhistorische Untersuchungen am Qa§r al-cA½m
Die 2005 begonnene Baudokumentation am spätosmanischen Gouverneurspalast Qa§r al-cA½m in der Provinzhauptstadt Hama (Abb. 5) wurde 2006
fortgesetzt. Sie umfaßt das vollständige Aufmaß des Gebäudes mit Totalstation, die Erstellung eines Raumbuches mit Einträgen für alle Raumeinheiten
sowie die photographische Dokumentation aller Fassaden, Innenräume und
Details. Die beiden letztgenannten Arbeitsschritte konnten 2005 weitgehend
abgeschlossen werden, die Bauaufnahme des mehr als 70 Räume umfassenden
Gebäudes ist zu zwei Dritteln durchgeführt. Parallel zu den Meß- und Dokumentationsarbeiten verlaufen die Digitalisierungsarbeiten der Orthophotos
der Baudetails – wie Fensterumrahmungen, Steinschnitt, Steininkrustationen
und Fußböden (Abb. 6. 7) –, um diese Daten in den Gesamtplan einfügen zu
können. Die bauhistorischen Untersuchungen konzentrieren sich zur Zeit
auf die Sichtung der in Hama und Damaskus befindlichen Archivakten zu
dem Gebäude. Sie werden weiteren Aufschluß über den historischen Kontext der Anlage geben. Die Ermittlung der Bauphasen anhand von Baufugen,
Ein- und Umbauten bildet derzeit einen weiteren Aspekt der Arbeiten. Den
durchgeführten Dokumentations- und Forschungsarbeiten kommt angesichts
184 Jahresbericht 2006 des DAI
6
Hama, spätosmanischer Gouverneurspalast
c
Qasr
. al- Azm.
.
7
der gegenwärtigen, umfassenden Restaurierungsmaßnahmen und den Überlegungen zur Neukonzeption einer musealen Nutzung des Gebäudes ein besonderer Stellenwert zu, da durch diese ein Teil der Anlage größeren Veränderungen unterworfen sein wird. Die bisher durchgeführten Arbeiten haben
die Komplexität von Architektur und Innengestaltung, die dieses Gebäude zu
einem der hervorragendsten Vertreter der spätosmanischen Architektur des
18. Jhs. in Syrien macht, verdeutlicht. Die Untersuchung des südlich an den
Palast angrenzenden Komplexes, dessen älteste Phase wohl ebenfalls in das
18. Jh. zurückgeht, soll das Projekt in den kommenden Jahren ergänzen.
Kooperationspartner: Direction Générale des Antiquités et des Musées de
la Syrie (DGAM) • Leitung des Projekts: K. Bartl, M. al-Hijazi • Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen: A. Ahmad, B. al-Barry, Th. Urban, I. Wagner • Abbildungsnachweis: I. Wagner (Abb. 5. 7); DAI, Orient-Abteilung (Abb. 6).
Qreiye/cAyyŒš
Im Zuge einer Kurzkampagne konnten in Qreiye/cAyyŒš letzte Fragen der
Fundansprache geklärt werden. Zudem wurde das gesamte Fundmaterial aus
den im römischen Kastell Qreiye durchgeführten Ausgrabungen dem Museum Deir ez-Zor übergeben (Abb. 8). Parallel dazu waren im Euphrattal
Abb. 6
Hof II, südliche Fassade (M. 1 : 100)
Abb. 7
Hof III, Marmorfußboden
Außenstelle Damaskus 185
zwischen îalabiyya-Zenobia und Deir ez-Zor alle erfolgversprechenden
Euphrat-Altarme mit dem Ziel zu untersuchen, Sedimentproben für palynologische Untersuchungen (Pollenanalyse) zu bergen (Abb. 9). Die beobachteten Sedimentfolgen zeigen, daß vor den modernen Staudammbauten
in dem untersuchten Flußabschnitt während der Frühjahrshochwasser eine
hohe Strömungsdynamik herrschte und die Talaue in römischer Zeit durch
ein häufig wechselndes Flußbett geprägt war. Dies hatte allerdings zur Folge,
daß keine analysierbaren Pollenarchive abgelagert wurden.
8
Qreiye/cAyyāš
Abb. 8 Römisches Kastell, figürlich verzierter Gerätegriff, der aus einem Schafsknochen hergestellt ist (M. 1 : 1)
Abb. 9 Euphrattal, Erkundung eines
Euphrat-Altarmes in der Nähe von
Tall ar-Rūm
9
Kooperationspartner: Direction Générale des Antiquités et des Musées de
la Syrie (DGAM) • Mitarbeit: Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a. M. (Ch. Singer, Palynologie) • Leitung des Projekts: M. Gschwind,
H. Hasan (DGAM) • Mitarbeiter: C. Lohwasser, S. Fontana • Abbildungsnachweis: M. Gschwind (Abb. 8. 9).
Raphaneae
Das Ziel der diesjährigen Arbeiten in der in Mittelsyrien gelegenen römischbyzantinischen Stadt und dem Legionslager Raphaneae war es, den im Vorjahr
begonnenen Survey abzuschließen. Die Untersuchungen konzentrierten sich
auf die Aufnahme des Siedlungsbereiches von Nabc at-Tann´r, die flächige
Erfassung chronologisch relevanter Oberflächenfunde sowie die Erkundung
und Dokumentation der Nekropolen und anderer im Umfeld der Stadt gelegener antiker Befunde.
Der nordwestlich der antiken Stadt gelegene Siedlungsbereich von Nabc
at-Tann´r setzt sich aus einem Tall, einer Flachsiedlung, einem am Hang gelegenen Tempel und einer ausgeraubten Nekropole zusammen. Auf dem Tall
fand sich etwas hellenistische Feinkeramik. Sigillaten belegen zudem eine intensive Siedlungstätigkeit vom 1. bis 7. Jh. n. Chr. Nordöstlich von Raphaneae
wurden in einem weitläufigen antiken Steinbruchareal mehrere Grabbauten,
aus dem Fels herausgearbeitete Sarkophage und in den anstehenden Fels eingetiefte Grablegen dokumentiert (Abb. 10. 11). Hinzu kommen Hypogäen in
den Hängen der umliegenden Berge. Nordöstlich des antiken Stadtgebietes
erhebt sich der 524 m hohe ±abal an-Nab¥ ïŒyŒ. Auf seinem Gipfel steht
das inschriftlich 1196 H (= 1781/82 n. Chr.) datierte Heiligengrab an-Nab¥
R´´b¥l (Abb. 12). Direkt westlich des teils aus Spolien errichteten Baus befindet sich eine unterirdische Zisterne, die bis heute Wasser führt. Sie ist aus
186 Jahresbericht 2006 des DAI
11
Raphaneae
Abb. 10 Nekropole nordöstlich der antiken Stadt, Grabgruppe
mit aus dem anstehenden Fels herausgearbeitetem reliefverzierten
Sarkophag, zugehörigem verstürzten Sarkophagdeckel und einfacher in den Fels eingetiefter Grablege
Abb. 11 Nekropole nordöstlich der antiken Stadt, Grabgruppe
mit reliefverziertem Sarkophag und zugehörigem verstürzten
Sarkophagdeckel von Südwesten
Abb. 12 Islamisches Heiligengrab an-Nabī Rū´bīl auf dem
Gipfel des nordöstlich der antiken Stadt gelegenen
Ğabal˘ an-Nabī Hāyā
Abb. 13 Zisterne auf dem Gipfel des nordöstlich der antiken
˘
Stadt gelegenen Ğabal an-Nabī
Hāyā
10
Basalt errichtet und weist zwei Bauphasen auf. Charakteristisch für den antiken Ursprungsbau sind je vier engstehende Pilastervorlagen an den Seitenwänden (Abb. 13). Die systematische Erfassung chronologisch relevanter
Oberflächenfunde erbrachte einen wesentlichen Fortschritt für das Verständnis der Siedlungsentwicklung der antiken Stadt Raphaneae. Späthellenistische
und augusteische Feinkeramik fehlt. Das flächige Vorkommen von Sigillaten
des 1. Jhs. n. Chr. zeigt, daß die Stadtentwicklung durch die Stationierung einer Legion ausgelöst wurde (Abb. 14). Sigillaten des 5. bis frühen 7. Jhs. n. Chr.
konzentrieren sich entlang der Nord-Süd-Achse der Stadt. Dieser Bereich
wurde demnach während der gesamten frühbyzantinischen Zeit genutzt. Im
12
13
Außenstelle Damaskus 187
Abb. 14 Raphaneae, Ziegelfragment mit
Stempel der Legio III Gallica (M. 1 : 1)
Zentralbereich der antiken Stadt, in dem Reste massiver Steinbauten bis heute
sichtbar sind, wird das Oberflächenmaterial von islamischer Feinkeramik des
12. und 13. Jhs. n. Chr. dominiert. Die aus historischen Quellen der Kreuzfahrerzeit bekannte Stadt Rafanea ist daher in diesem Bereich zu lokalisieren.
Testmessungen mit Georadar, die nach Abschluß des Surveys durchgeführt
wurden, zeigen, daß in Raphaneae gute Prospektionsbedingungen herrschen.
Zudem wurde auf der Basis der Surveyergebnisse die Ausweisung einer archäologischen Schutzzone in die Wege geleitet.
Kooperationspartner: Direction Générale des Antiquités et des Musées de
la Syrie (DGAM) • Mitarbeit: Institut für Klassische Archäologie der LudwigMaximilians-Universität München • Leitung des Projekts: M. Gschwind,
H. Hasan (DGAM) • Mitarbeiter: St. Faust, M. Flecker, S. Fontana, T. Kerraschk, N. Koch, S. Schmid • Abbildungsnachweis: S. Fontana nach Vorlagen von M. Flecker (Abb. 10); M. Gschwind (Abb. 11. 12. 14); M. Flecker
(Abb. 13).
Resafa
Auf Beschluß der Zentraldirektion des DAI wurde D. Sack im Mai 2006 als
Nachfolgerin von T. Ulbert, der das Unternehmen seit 1975/76 geführt hatte, zur Leiterin des Gesamtprojekts Resafa ernannt. Mit diesem Wechsel wird
das Projekt nach mehr als fünfzig Jahren Laufzeit nun als Kooperationsprojekt
der Direction Générale des Antiquités et des Musées de la Syrie (DGAM) und
des DAI in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Berlin weitergeführt. Bei dieser Neugestaltung wurde ein Arbeitsprogramm aufgestellt, das
fünf Teilprojekte umfaßt, mit deren Bearbeitung im Sommer 2006 begonnen
wurde (Abb. 15). An der ersten Kampagne 2006 nahmen bis zu 20 wissenschaftliche und studentische Mitarbeiter sowie 20 einheimische Grabungsarbeiter teil. Gegenstand der Untersuchungen war zunächst die Grabung im
besiedelten Umland südlich der Stadt, in dem – aufbauend auf den geophysikalischen Untersuchungen, die in den Jahren 1997 bis 2001 durchgeführt
worden waren – der Bereich untersucht wird, der als Residenz des Kalifen
HišŒm b. ´Abd al-Malik (reg. 105/724–125/743 n. Chr.) angesprochen wird.
Hier konnten Sondagen im Fundpunkt (FP) 143, dem Hauptbau des Palastkomplexes (PK) IV und in den FP 102/105, Teile des PK I, durchgeführt
werden (Ch. Konrad in Zusammenarbeit mit U. Siegel, M. Müller-Wiener
und D. Henker, Abb. 16).
Im FP 143 zeigte sich, daß das erwartete palastähnliche Gebäude, das sich
bereits im Luftbild, bei der Begehung und den geophysikalischen Untersuchungen abgezeichnet hatte, eine andere als die erwartete Form aufwies. Es
ist ein zweiphasiges großes Gebäude, das vergleichbar mit anderen spätantiken Baustrukturen auf einer 6 cm dicken Gipsestrichschicht errichtet, aus
Lehmziegeln gebaut und mit Gips verputzt ist, der einige Stuckreste aufweist.
Es umschließt einen Hof, der möglicherweise durch eine Pergola gegliedert
war, aber keine turmbewehrte Umfassungsmauer hat. Der weitgehend ausgeräumte Bau, dessen Binnengliederung aus Bögen bestand, die sich im Versturz
fanden, läßt sich anhand der Keramik in die Umayyadenzeit datieren. In den
FP 102/105, Teile des PK I, nahe der südöstlichen Stadtmauerecke gelegen,
zeichneten sich die Grundrisse bereits in der Geophysik sehr deutlich ab. Sie
bestehen aus nahezu quadratischen Räumen von etwa 3,90 m × 3,90 m Größe, die untereinander verbunden und um große Höfe angelegt sind. In dem
durch eine große Toranlage geprägten FP 102 ist in der nordöstlichen Ecke
eine Anlage zur Wasserverteilung eingebaut. Ihr gegenüber liegt im Nachbarkomplex eine Küche mit zugehörigem Brotbackofen. Für den Gesamt-
188 Jahresbericht 2006 des DAI
Abb. 15 Resafa, Gesamtplan der Stadt
und ihrer Umgebung mit den Arbeitsbereichen 2006 (M. 1 : 15 000)
komplex gibt es verschiedene Interpretationen, die von der Unterbringung
für die Palastgarde, über Pilgerunterkunft bis zur Unterbringung für die in
den Steinbrüchen beschäftigten Arbeiter reichen. Auch diese Anlage ist in
die Umayyadenzeit zu datieren. Dank der Finanzierung der archäologischen
Untersuchungen durch die Fritz Thyssen Stiftung ist das Teilprojekt zur Bearbeitung der Residenz ein besonderer Schwerpunkt im Arbeitsprogramm.
Es umfaßt darüber hinaus die Erstellung einer archäologischen Karte für die
Stadt intra muros und ihre Umgebung (D. Sack, M. Gussone), die Neubearbeitung der Stadtmauer (C. Hof), Präzisionsmessungen in der Basilika A mit
Laserscanning zur Feststellung der neueren Veränderungen und Deformationen in diesem am längsten benutzten Kirchenbau (H. Heister, M. Stephani,
W. Liebl) und die Erarbeitung eines Site-Managements für den gesamten
Platz (A. Mollenhauer, Y. al-Khoury). Im Rahmen der Bearbeitung der archäologischen Karte werden auch die über den langen Zeitraum erstellten
unterschiedlichen Vermessungsnetze vereinheitlicht. Diese Arbeiten begannen
Abb. 16 Resafa, Sondage im FP 102.
Torbereich
Außenstelle Damaskus 189
mit der Neuaufnahme der Stadtmauer, die nach den jetzigen Beobachtungen
in verschiedenen Baulosen erstellt wurde. Das Ziel dieser Untersuchung ist
die Klärung der unterschiedlichen Bauphasen, in denen die Mauer errichtet,
verändert, repariert und zuletzt saniert wurde. Das umfangreiche Arbeitsprogramm soll im Jahr 2007 mit zwei Kampagnen – einer Frühjahrs- und einer
Herbstkampagne – fortgesetzt werden.
Kooperationspartner: Direction Générale des Antiquités et des Musées de
la Syrie (DGAM) • Förderung: Fritz Thyssen Stiftung • Leitung des Projekts: D. Sack, M. al-Khalaf • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: M. Gussone, H. Heister, C. Hof, Y. al-Khoury, Ch. Konrad, W. Liebl, A. Mollenhauer,
U. Siegel, M. Stephani, M. Müller-Wiener, D. Henk • Abbildungsnachweis:
DAI, Orient-Abteilung (Abb. 15); D. Sack (Abb. 16).
Palmyra
Die deutsch/österreichisch-syrische Mission in Palmyra setzte im Jahr 2006
die Grabungen im Areal der hellenistischen Siedlung fort. Die Arbeiten wurden vom österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) finanziert. Durch die
Erweiterung der Sondage II (Abb. 17) konnten weitere Erkenntnisse über
Baugeschichte und Bestimmung der hier im Zentrum der Siedlung angeschnittenen monumentalen hofartigen Anlage gewonnen werden. Die Nutzung des Baus spätestens seit dem 1. Jh. v. Chr. und bis in das 3. Jh. n. Chr. hat
Palmyra, Grabungsareal der ›hellenistischen‹ Stadt
Abb. 17 Sondage II (›Karawanenbau‹)
von Süden
Abb. 18 Vergoldete Stuckapplikationen,
Oktopus (1.–2. Jh. n. Chr.)
17
18
sich bestätigt. Die luxuriöse Wanddekoration mit polychromer Malerei und
reichen Stuckgesimsen mit z. T. vergoldeten Stuckapplikationen maritimer
Fauna (Abb. 18) sowie weitere Kleinfunde erhärten die Vermutung, daß es
sich um einen Karawanenbau handelt.
Kooperationspartner: Direction Générale des Antiquités et des Musées de
la Syrie (DGAM) • Förderung: Österreichischer Wissenschaftsfonds (FWF)
• Leitung des Projekts: A. Schmidt-Colinet, W. al-As’ad • Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen: N. High, M. Jouma‘ah, R. Ployer, Ch. Römer-Strehl,
D. Svoboda, A. Taha, L. Zabrana • Abbildungsnachweis: A. Schmidt-Colinet
(Abb. 17. 18).
190 Jahresbericht 2006 des DAI
Wissenschaftliche Veranstaltungen
Vorträge
22. Februar Markus Gschwind (Damaskus), Abila Lysaniae im Baradatal. Die
Region westlich von Damaskus im späten Hellenismus und der römischen
Kaiserzeitxxx1. März Kim Duistermaat (Damaskus), Töpfe für den Abarakku. Keramikproduktion im 2. Jt. v. Chr. in Tall Sabi Abyad (Nordsyrien)
22. März Stefan Weber (Beirut), Eine Frage des guten Geschmacks: Form
und Wandel Damaszener Wohnhäuser in spätmamlukischer und osmanischer
Zeitxxx29. März Lutz Martin (Berlin), Aus Tausend mach’ Eins. Die Skulpturen des Tall Halaf (Nordostsyrien) – das Restaurierungsprojekt des Vorderasiatischen Museums Berlinxxx2. März Andreas Schmidt-Colinet (Wien),
Palmyra in hellenistischer Zeit. Ergebnisse neuer Forschungenxxx29. November Karin Bartl (Damaskus), Š¥r – Ein Dorf aus dem 7. Jt. v. Chr. am mittleren
Orontesxxx6. Dezember Matthias Grawehr (Damaskus), Weihrauch, Zimbeln und Eroten. Eine Bronzewerkstatt in Petra.
Öffentlichkeitsarbeit
Kongreß
5. bis 9. November Kongreß »Residences. Castles. Settlements. Transformation Processes from Late Antiquity to Early Islam in Bilad ash-Sham« in Damaskus (veranstaltet von der Außenstelle Damaskus der Orient-Abteilung des
DAI und dem Ministère de la Culture/Direction Générale des Antiquités et
des Musées de la Syrie [DGAM]; Förderung: Gerda Henkel Stiftung, Auswärtiges Amt). Die Veranstaltung stand unter der Schirmherrschaft des syrischen
Kulturministers, R. Nassan Agha. Neben syrischen und deutschen Forschern
waren zahlreiche Kollegen aus Großbritannien, Frankreich, der Schweiz,
Spanien, Polen, Neuseeland und den Vereinigten Staaten vertreten. In fast
40 Beiträgen aus den Bereichen Archäologie, Architektur, Kunst, Philologie
und Numismatik wurden die Entwicklungsprozesse des Zeitraumes zwischen
dem 4.–9. Jahrhundert im weiteren Levanteraum umfassend auf der Basis
neuester Forschungen dargestellt. Die Ergebnisse dieser Arbeiten belegen eindeutig die Pluralität der Einflüsse sowohl aus der spätantik-christlichen wie
auch aus der arabischen, präislamischen Kultur. Dieser Faktor, der in älteren
Theorien zum Thema keine oder eine eher untergeordnete Rolle spielte, läßt
sich heute insbesondere durch die archäologischen Forschungen belegen und
muß, so der allgemeine Tenor, in zukünftigen Theorien zur Kulturentwicklung in der frühislamischen Zeit wesentlich stärker berücksichtigt werden. Die
Beiträge der Konferenz werden gegenwärtig zur Publikation vorbereitet.
Veröffentlichung
Damaszener Mitteilungen 15
Außenstelle Sana’a 191
Außenstelle Sana’a
Abb. 1 Verlauf der geplanten Gaspipeline
von Safīr bis Balhāf mit den untersuchten
Fundplätzen (M. 1 : 10 000)
Ausgrabungen und Forschungen
Trasse der geplanten Gaspipeline von Saf¥r bis BalhŒf
Notgrabungen an der Trasse der geplanten Gaspipeline von Saf¥r bis BalhŒf:
Im Rahmen eines »Environmental Impact Assessment« im Vorfeld des Baus
einer 320 km langen Gaspipeline von den Erdölfeldern von Saf¥r (Provinz
Marib) zum Verladehafen BalhŒf am Golf von Aden (Provinz Shabwa) bat
die leitende Firma Yemen LNG Co Ltd. die Außenstelle Sana’a sowie das
französische Centre Français d’Archéologie et de Sciences Sociales de Sana’a
(CEFAS Sana’a), archäologische Prospektionen entlang der Trasse vorzunehmen (Abb. 1). Während des Surveys (s. AA 2006/2, 292–294) wurden
zwei durch den Pipelinebau bedrohte Fundstellen entdeckt, die weiterführende Feldforschungen notwendig machten. Es handelte sich um Ausgrabungen präislamischer Gräber auf dem Hochplateau des westlichen Jol (Provinz
Shabwa) sowie um die hadramitische Siedlung im Wadi JirdŒn, Darbas.
Ausgrabungen präislamischer Gräber auf dem Hochplateau des westlichen
Jol (Provinz Shabwa): Im Bereich der geplanten Pipeline wurden während
des Surveys etwa 140 zunächst bronzezeitlich klassifizierte Grabbauten dokumentiert. 14 dieser vermutlich bereits in der Antike geplünderten Gräber
droht bei den Bauarbeiten die Zerstörung, weshalb man sie in archäologischen Ausgrabungen untersuchte.
Die Gräber können typologisch in drei Gruppen eingeteilt werden: Die
größte Gruppe bildet die der Rundgräber mit orthogonal geformter Grabkammer aus großen vor Ort gebrochenen Orthostaten (Abb. 2). Die Grabkammer ist von einer oder zwei Mauern umgeben, die kreisförmig aus Bruchsteinen gesetzt sind und sich lediglich bis zu 1 m Höhe erhalten haben. Einige
der Bauten besitzen einen oder mehrere »Schwänze« genannte Anbauten, die
aus kleinen, aneinander gesetzten Steinhaufen bestehen und eine Länge von
bis zu 100 m erreichen können (Abb. 3). Bisher lassen sich keinerlei Gesetz-
192 Jahresbericht 2006 des DAI
3
Hochplateau des westlichen Jol
Abb. 2 Rundgrab (YLNG 9, T2) mit Resten der Grabkammer, im
Hintergrund verläuft ein über 30 m langer ›Schwanz‹ aus kleinen
Haufen aufgeschichteter Bruchsteine (2.–1. Jt. v. Chr.)
Abb. 3 Einige der Grabbauten (hier YLNG 10, T6) weisen lange
Reihen aus Bruchsteinhaufen auf, die eine Länge von über 100 m
erreichen können (2.–1. Jt. v. Chr.)
2
mäßigkeiten für die Anzahl der Steinhaufen und damit die Länge dieser Anbauten erkennen. In früheren Untersuchungen geäußerte Erklärungsversuche,
die vom Geschlecht der Bestatteten über ihre soziale Stellung bis zu territorialen Grenzen reichen, bleiben lediglich Hypothesen.
Soweit der schlechte Erhaltungszustand der Gräber eine Aussage zuläßt,
handelt es sich um Kollektivbestattungen. Sowohl das äußerst homogene
Fundmaterial als auch die Knochenfragmente liefern keine Hinweise auf
mögliche Nachbestattungen bzw. eine andere Nutzung der Gräber in späterer Zeit. Überraschend ist die Datierung des Fundmaterials: Sowohl ein Teil
der Perlen als auch mehrere Fragmente aus Bronze und Eisen, darunter eine
Messerklinge und eine Pfeilspitze, lassen sich mit altsüdarabischen Fundobjekten des 1. Jts. v. Chr. vergleichen. Objekte aus der Bronzezeit (3.–2. Jt.
v. Chr.) fanden sich unerwartet wenige. Darüber hinaus konnten in großer
Zahl sog. geometric microliths aus Obsidian geborgen werden, die in Südarabien
erstmals im späten 2. Jt. v. Chr. belegt, vor allem aber typisch für das 1. Jt.
v. Chr. sind.
Die Ergebnisse der Ausgrabungen dieses Grabtyps machen es notwendig,
den bisher postulierten bronzezeitlichen Datierungsansatz für Rundgräber zu
überdenken und gegebenenfalls zu korrigieren. Eisenzeitliches Fundmaterial
hielt man für Reste von Nachbestattungen. Mit den 10 nun archäologisch
untersuchten Rundgräbern konnte erstmals nachgewiesen werden, daß dieser
Grabtypus eine lange Laufzeit besaß und noch in der Eisenzeit gebräuchlich
war.
Die beiden anderen Grabtypen treten weniger häufig auf. Die Rundgräber mit rechteckiger Grabkammer sind typologisch denen mit orthogonaler
Kammer verwandt. Allerdings besteht eben die Grabkammer aus rechteckig
gesetzten Bruchsteinmauern. Die umgebenden kreisförmigen Mauern entsprechen dem ersten Grabtypus. Bei den sog. Mauergräbern handelt es sich
um etwa 10–20 m lange und 1–2 m breite Strukturen, die in ihrer Mitte
jeweils eine breite Grabkammer aufweisen (Abb. 4). Sowohl die Grabkammer als auch die Mauern sind im unteren Bereich aus Orthostaten errichtet,
Abb. 4 Hochplateau des westlichen Jol,
die sog. Mauergräber (YLNG 19, S4) mit
mittig angeordneter Grabkammer lassen
sich bisher aufgrund ihres schlechten
Erhaltungszustandes nicht exakt datieren
Außenstelle Sana’a 193
das aufgehende Mauerwerk fehlt. Eine genaue zeitliche Einordnung ist nicht
möglich, da weder nennenswertes Fund- noch Knochenmaterial geborgen
werden konnte.
Kooperationspartner: Centre Français d’Archéologie et de Sciences Sociales de Sana’a (J. Lambert); General Organization for Antiquities and Museums (A. Bawazir) • Förderung: Yemen LNG Co Ltd. • Leitung des Projekts: I. Gerlach, J. Lambert • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: S. Bauvais, R. Crassard (Grabungsleitung vor Ort), J. Espagne, H. Guy, H. Hitgen,
J. Schiettecatte • Abbildungsnachweis: CEFAS-DAI, R. Crassard (Abb. 1–4).
Darbas, hadramitische Siedlung im Wadi JirdŒn
Die kleine Oase Darbas aus hadramitischer Zeit (Mitte 1. Jt. v. Chr. bis 1. Jh.
n. Chr.) liegt am Unterlauf des Wadi JirdŒn an den Ausläufern eines mächtigen Schotterkegels (Abb. 5).
Das als Notgrabung konzipierte archäologische Projekt hatte eine umfassende Erforschung der Oase mit seinen Bewässerungssystemen und Siedlungsstrukturen zum Ziel (Abb. 6). Das nur wenige Hektar große Oasengebiet
offenbart teilweise noch Sedimenthöhen von ca. 8 m, was auf eine Nutzungsdauer von mindestens 800 Jahren verweist. Insgesamt konnten zwei Bewässerungssysteme identifiziert werden. Während sich vom älteren, tiefer gelegenen Typus nur wenige Spuren erhalten haben, läßt sich das zweite System
Darbas, hadramitische Siedlung
Abb. 5 Im Luftbild sind sowohl die Feldflächen als auch die Siedlungsplätze der
antiken Oase im Wadi Jirdān erkennbar
Abb. 6 Künstlicher, in den Felsen geschlagener Bewässerungskanal im Wadi Jirdān,
der Feldflächen des direkt nördlich von
Darbas liegenden Wadi Sada erschließt
194 Jahresbericht 2006 des DAI
Abb. 7 Darbas, hadramitische Siedlung
im Wadi Jirdān. Gebäudestrukturen mit
Bruchsteinfundamenten und Lehmziegelmauern, die in die späte Besiedlung des
Fundplatzes im 1. Jh. v. Chr. bis in das 1. Jh.
n. Chr. datieren
rekonstruieren: Das Wasser ist über einen etwa 2 km langen Kanal vom Wadi
herangeführt worden, um den Geländeunterschied zur höher gelegenen Oase
zu überwinden. Er war teilweise in den anstehenden Fels geschnitten, teilweise besaß er ein mit Steinen gestecktes Kanalbett. Über kleine Auslässe wurde
das Wasser direkt auf die Felder geleitet und von dort nach Überflutung einer
Fläche über weitere Auslässe auf tiefer gelegene Felder geführt. Nur an wenigen Stellen der Oase finden sich Zeugnisse der antiken Landwirtschaft wie
Pflugfurchen und Spuren von Baumplantagen.
Die kleinen landwirtschaftlich geprägten Siedlungen von Darbas wechselten im Laufe der Oasennutzung mehrfach ihre Position. Die früheste Besiedlung aus der 1. Hälfte des 1. Jts. v. Chr. findet sich am Hang des Schotterkegels
im nördlichen Oasengebiet. Es handelte sich um einfache rechteckige Gebäudeeinheiten mit zumeist einem Hauptraum und einem vorgelagerten Hof.
Häufig waren die Bauten zu kleinen Gehöften mit unmittelbar anschließendem Dreschplatz zusammengeschlossen. Nach deren Aufgabe entstand eine
neue Siedlungseinheit direkt nahe einer schützenden Felsformation am Rande des Wadibetts (2. Hälfte 1. Jt. v. Chr.). Dort erhoben sich große rechteckige
Bauten mit einer Fundamentierung aus mächtigen Bruchsteinen. Die bis auf
diese Schicht zerstörten Gebäude und das fast nur aus Keramik bestehende
Fundmaterial lassen keine Funktionszuweisung zu. Möglicherweise handelt
es sich um Wohnbebauung, aber auch eine Deutung als öffentliche Bauten
wie Tempel, Verwaltungssitz o. ä. wäre aufgrund der Monumentalität denkbar.
Gleichzeitig entstanden nördlich der Felsformation kleinere Baustrukturen
mit Bruchsteinfundamenten und Lehmziegelmauern. Diese Raumeinheiten
dienten als Arbeits- und Lagerbereiche, was Vorratsgefäße und Arbeitsgeräte
wie Reib- und Mühlsteine zeigen. Zahlreiche Halbfertigprodukte und unbenutzte Reibsteine belegen die Produktion der Geräte vor Ort. In der jüngsten
bis ins 1. Jh. n. Chr. datierenden Phase wurde die Siedlung in das westliche
Gebiet der Felsen verlegt (Abb. 7). Die Bauweise entspricht den älteren Phasen mit Lehmziegelhäusern auf Bruchsteinfundamenten. Etwa im 1. Jh. n. Chr.
werden Siedlung und Oase vollständig aufgegeben.
Der antike Friedhof lag nur wenige Meter östlich der Felsformation. Insgesamt konnten 26 Erdbestattungen dokumentiert werden. Während es sich
bei einigen um einfache Gruben handelt, in denen die Toten in Hockerstellung bestattet wurden, weisen andere im unteren Bereich eine Nische auf, in
Abb. 8 Darbas, hadramitische Siedlung
im Wadi Jirdān. Einzelgrab aus dem 1. Jh.
v. Chr. Reste von Textilien und Leder, mit
denen der Tote bekleidet bzw. eingewickelt
war, haben sich in diesem Grab erhalten
Außenstelle Sana’a 195
die man den Verstorbenen in gestreckter Rückenlage legte (Abb. 8). Die Nische ist mit großen Bruchsteinen abgedeckt, so daß eine Art Grabkiste entstand, die man mit Sediment aufschüttete. Ein Grab enthielt im Fußbereich
des Verstorbenen ein Eisenmesser und die lederne Scheide. Im Brustbereich
fanden sich Reste eines rot gefärbten Textils, wohl Teile der Kleidung. Zudem
war der Tote in Leder gewickelt oder eingenäht. Beigaben oder Trachtzubehör fehlten bis auf einzelne Perlen in den übrigen Gräbern.
Kooperationspartner: Centre Français d’Archéologie et de Sciences Sociales de Sana’a (J. Lambert); Lehrstuhl für Semitische Philologie und Kulturen des Vorderen Orients der Friedrich-Schiller-Universität Jena (N. Nebes);
General Organization for Antiquities and Museums (A. Bawazir) • Förderung: Yemen LNG Co Ltd. • Leitung des Projekts: I. Gerlach • Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen: U. Brunner, R. Crassard, H. Hitgen (Grabungsleitung
vor Ort), S. Japp, O. Lavigne, J. Malsch, M. Schnelle • Abbildungsnachweis:
DAI-CEFAS-DAR20060844, YLNG (Abb. 5); DAI-CEFAS-DAR20060845,
I. Gerlach (Abb. 6); DAI-CEFAS-DAR20060635, S. Japp (Abb. 7); DAI-CEFAS-DAR20060846, O. Lavigne (Abb. 8).
Marib, Oase
Abb. 9 Auslaßbauwerk aus der jüngeren
Phase, auf der heutigen Oberfläche der
Südoase anstehend
Abb. 10 Auslaßbauwerk aus der älteren
Phase in einer Erosionsrinne der Sedimente
der Südoase
9
Oase von Marib, Archäologischer Survey
Mit einer dritten Kampagne führte die Außenstelle Sana’a im Berichtzeitraum die Geländebegehungen in der Oase von Marib fort, die sich auf zentrale Bereiche der Südoase sowie das angrenzende Bergland des Jabal Balaq
al-Awsat konzentrierten. Dort konnten trotz der zunehmenden Zerstörung
164 antike Fundstellen kartiert werden.
In der Südoase fanden sich überwiegend sog. Auslaßbauwerke, die zur
Weiterleitung des Wassers in Kanäle unterer Ordnung sowie zur Bewässerung der etwa 1 ha großen Feldflächen dienten. Sie traten häufig in Gruppen
von zwei oder drei benachbarten Bauten auf. Diese Anordnung weist auf
eine übergreifende Planung hin, die sich an der Pflege und Anlage der Feldsysteme orientierte. Zwei Phasen der Bewässerung ließen sich anhand der
unterschiedlichen Gestalt und Höhe der Auslaßbauwerke identifizieren: Die
Verteiler des 5./6. Jhs. n. Chr. stehen direkt auf der heutigen Oasenoberfläche
an. Sie verfügen jeweils über zwei rechteckige Flügel aus Bruchsteinen, die
vollständig mit dem sabäischen Kalkmörtel Qadad überzogen sind, sowie eine
Kalksteinschwelle (Abb. 9). Die vermutlich 400 Jahre älteren Verteiler treten
in den Erosionsrinnen zutage, wobei die größer dimensionierten Bauten aus
Tuffquadern bestehen (Abb. 10). Funktional zeigen sie keine Unterschiede
zum späteren System, Lage und Verlaufsrichtung von Feldern und Kanälen
10
196 Jahresbericht 2006 des DAI
11
12
entsprechen sich weitgehend. Der jüngeren Phase lassen sich zudem Bauwerke zuordnen, die als Lager- und Wohnhäuser zu deuten sind.
Der archäologische Befund bestätigt die These einer zentralen Organisation und Verwaltung der Oase von Marib durch die Hauptstadt während ihrer
Blüte in klassisch sabäischer Zeit. In mittelsabäischer Zeit hingegen, im Verlauf ständigen Machtverlustes, erfolgte eine Dezentralisierung. Verteilt über
die Oase kam es zur Gründung kleinerer Siedlungseinheiten, die vermutlich
eigenständig bestimmte Bereiche der Oase nutzten.
Die angrenzenden Hänge des Jabal Balaq al-Awsat zeigten zwar keinerlei
Siedlungsspuren, doch belegen Dutzende bronzezeitlicher Grabbauten eine
intensive Nutzung. Es handelt sich um die in Südarabien weit verbreiteten
Rundgräber. Diese türlosen Bauwerke besitzen in der Regel zwei konzentrische Mauern, die eine rechteckige oder ovale Grabkammer umschließen
(Abb. 11). Häufig erstreckten sich in unmittelbarer Nähe der Gräber Steinbrüche aus sabäischer Zeit, die vermutlich die Ursache für die Plünderung
und Zerstörung der Grabanlagen bildeten.
Neben den Steinbrüchen fanden sich auf dem Jabal Balaq al-Awsat bisher
zwei Strukturen frühsabäischer Zeit, die gut sichtbar auf zwei Felskuppen ruhen. Es handelt sich um rechteckige Bauten mit einem langen Innenhof und
angrenzenden Räumen (Abb. 12). Sie sind durch einen sorgfältig angelegten
Weg miteinander verbunden. Von der höher situierten Anlage erreichte man
zudem eine Höhle, in der sich über 20 eingeritzte oder aufgemalte Inschriften
– meist Namen – befinden. Eine Deutung der Höhle als Naturheiligtum ist
wahrscheinlich, doch bleibt die Funktion der beiden benachbarten Gebäude
fraglich. Ob es sich um im Kontext stehende Kultbauten oder möglicherweise
lediglich für den Kultbetrieb notwendige ›Servicebereiche‹ handelt, läßt sich
aufgrund der mangelhaften Fundlage noch nicht klären.
Kooperationspartner: Lehrstuhl für Semitische Philologie und Islamwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena (N. Nebes); Geographisches
Institut, Physische Geographie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen
(Th. Scholten); Paläontologisches Institut der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen (R. Koch); General Organization for Antiquities and Museums
(A. Bawazir) • Leitung des Projekts: I. Gerlach • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: U. Brunner, H. Hitgen, S. Japp, J. Malsch, M. Manda, F. Schreiber, Ch. Weiss • Abbildungsnachweis: DAI MaO20060024, H. Hitgen,
S. Japp (Abb. 9); DAI MaO200600346, H. Hitgen, S. Japp (Abb. 10); DAI
MaO200600466, H. Hitgen, S. Japp (Abb. 11); DAI MaO200600627, H. Hitgen, S. Japp (Abb. 12).
Marib, Oase. Hang des Jabal Balaq al-Awsat
Abb. 11 Bronzezeitliches Rundgrab mit
den noch gut erhaltenen Orthostaten der
Grabkammer
Abb. 12 Blick auf eines der rechteckigen
Bauwerke mit Innenhof und angrenzenden
Räumen
Außenstelle Sana’a 197
Marib, Oase
Abb. 13 Kalksteinbruch östlich der Südschleuse des ›Großen Dammes‹ am Hang
des Jabal Balaq al-Awsat
Abb. 14 Satellitenbild eines Ausschnitts
der Nordoase Marib, im linken Bildfeld sind
die frühsabäischen Felder am Unterlauf des
Wadi Alib markiert
13
Oase von Marib, Bewässerungsstrategien und gesellschaftspolitische Organisationsprinzipien als Voraussetzung für die Entstehung und Entwicklung der sabäischen Kultur
Das im Herbst im Rahmen des Forschungsclusters 2 »Innovationen: technisch, sozial« des DAI begonnene Projekt hat als multidisziplinäre Grundlagenforschung eine Rekonstruktion der holozänen Umweltbedingungen im
Raum Marib zum Ziel. Darüber hinaus sollen mit Hilfe einer Bestandsaufnahme aller antiken Strukturen einschließlich der Wasserwirtschaftsbauten
die Aspekte der technischen Innovationen als Impulse für die Entstehung
und Entwicklung der sabäischen Hochkultur untersucht werden. Folgende
Zielsetzungen standen dabei zunächst im Vordergrund: Aufnahme aller erhaltenen Wasserwirtschaftsbauten in zentralen Bereichen der Südoase sowie im
angrenzenden Bergland des Jabal Balaq al-Awsat, Auffinden der alten Landoberfläche unter den Bewässerungssedimenten sowie von datierbarem Material in und unter den Bewässerungs- bzw. Stauraumsedimenten, Nachweis der
agrarischen Nutzung auf potentiell frühsabäischen Feldern sowie Suche nach
anthropogen möglichst ungestörten Böden im Umfeld der Oase.
Fragen nach der Bewässerungswirtschaft und ihrer Bedeutung für die Kulturentwicklung in der Region Marib hängen eng mit den Siedlungsprozessen
im Oasengebiet zusammen, die sich an den jeweils entstandenen Wasserbautechniken orientieren. In der altsüdarabischen Zeit wird eine Perfektionierung der Ausbeutung und Verwendung der natürlichen Ressourcen erreicht.
Die technischen Meisterleistungen dieser Periode sind verknüpft mit einer
innovativen Steinmetztechnik und der effektiven Gewinnung des notwendigen äußerst qualitätvollen Steinmaterials. Eingebunden in das Projekt war aus
diesem Grund die Kartierung antiker Steinbrüche (Abb. 13) einschließlich
der notwendigen Faziesanalysen, die eine stratigraphische und paläographische Korrelation von Bausteinproben zu existierenden geologischen Formationen der Region ermöglichen.
Die bodenkundlich-geomorphologischen Arbeiten lieferten dabei den
Nachweis früher Feldsysteme im Oberlauf des Wadi Gufainah (12.–9. Jh.
v. Chr.) und unterstützen damit die bisher nur archäologisch formulierte
These, daß im Gegensatz zur klassischen sabäischen Periode mit einer zentralen Bewässerung in der Frühzeit Sabas lediglich kleine unabhängige Systeme
an den Randbereichen der Oase von Marib existiert haben (Abb. 14). Der
archäologische Befund legt nahe, daß diese mit den dazugehörigen Siedlungsplätzen im 7./6. Jh. v. Chr. zugunsten des großen Bewässerungssystems mit
dem zentralen Siedlungsplatz Marib Stadt aufgegeben wurden. Eine Dezen-
14
198 Jahresbericht 2006 des DAI
tralisierung zumindest der Siedlungen erfolgte erst wieder in mittelsabäischer
Zeit (1. Jh. v. Chr. – 3. Jh. n. Chr.), in der allerdings das zentrale Bewässerungssystem weiterhin Bestand hatte. Grundlegend ändert sich in dieser Zeit das
Bewässerungsprinzip nicht, die einzelnen Wasserwirtschaftsbauten sind aber
bautechnisch verschiedenen Stilen unterworfen, ohne dabei funktionale Unterschiede aufzuweisen.
An einigen Stellen der Südoase war die alte mittelholozäne Landoberfläche zu identifizieren, über der sich die anthropogenen Bewässerungssedimente lagern. Datierbares Material aus diesen Sedimenten wird in Tübingen
zur chronologischen Einordnung der Schichten ausgewertet. Die Ergebnisse
sollen sowohl Hinweise auf die chronologische Entwicklung der Bewässerungssysteme liefern als auch helfen, die Klimageschichte im Raum Marib
während der prähistorischen und der sabäischen Zeit zu rekonstruieren. Erste
Analysen weisen bisher darauf hin, daß ein deutlicher Klimawandel im 2. Jt.
v. Chr. stattgefunden hat und damit Auslöser für die zügige Entwicklung aufwendiger Bewässerungssysteme gewesen ist.
Kooperationspartner: Lehrstuhl für Semitische Philologie und Islamwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena (N. Nebes); Geographisches
Institut, Physische Geographie (Th. Scholten) der Eberhard-Karls-Universität Tübingen; Paläontologisches Institut der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen (R. Koch); General Organization for Antiquities and Museums
(A. Bawazir) • Leitung des Projekts: I. Gerlach • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: U. Brunner, Th. Behrens, H. Hitgen,V. Hochschild, S. Japp, R. Koch,
P. Kühn, J. Malsch, D. Pietsch, F. Schreiber, Th. Scholten, Ch. Weiss • Abbildungsnachweis: DAI MaO 200600833, Ch.Weiss (Abb. 13); DAI Satellitenbild
Oase Marib, Quickbird Digital Globe (Abb. 14).
Sirwah
Archäologisch-baugeschichtliche Forschungen in der sabäischen Stadtanlage:
Im Berichtszeitraum wurden die Ausgrabungen im Almaqah-Heiligtum von
Sirwah und im nördlichen Bereich der Stadtmauer fortgeführt. Aufgrund der
topographischen Lage und Oberflächenstruktur ließ sich in diesem Abschnitt
der Fortifikation eine Toranlage vermuten. Zwar konnte die These einer Eingangssituation in das Stadtgebiet nicht verifiziert werden, doch ließen sich
wichtige Aspekte zur Entwässerung der Stadtanlage und Nutzung von Wasser
sammeln. Brunnenwasser fand an dieser Stelle nicht nur als Trinkwasser intra
muros Verwendung, sondern diente auch der wirtschaftlichen Produktion: Ein
Becken mit einem Kanal führte das Schmutz- und Regenwasser durch einen
Auslaß in der Stadtmauer einer weiteren Verwendung zu (Abb. 15). Sowohl
der Auslaß als auch das Fundament dieses Kurtinenabschnitts sind unter Verwendung von Lapilibreccia-Steinen erricht worden, was für eine frühe Datierung in das 8. Jh. v. Chr. spricht. Spätestens in mittelsabäischer Zeit
(1. Jh. v. Chr. – 3. Jh. n. Chr.) nutzte man – wie bereits bei früheren Grabungen belegt – das Kammersystem der als Zweischalenmauer errichteten
Fortifikation als Wohn- und Arbeitsbereich.
Im Tempelinnenhof direkt an der östlichen Innenseite der halbovalen Umfassungsmauer des sabäischen Herrschers Yada’il Darih (Mitte 7. Jh. v. Chr.)
wurde ein Tiefschnitt angelegt. Mit den herausragenden Befunden dieses
Schnitts ließen sich gleich mehrere teilweise zuvor nur thesenartig geäußerte
Überlegungen eindeutig belegen: 1. Der hintere Bereich des Tempelhofes war
ab dem östlichen Altar bzw. der Kultkammer niemals mit Kalksteinplatten
gepflastert, da die Steinabschläge der Tempelmauerglättung direkt auf Flugsandschichten auflagen. 2. Diese Schicht war deutlich mit den Knochen von
Abb. 15 Sirwah, sabäische Stadtanlage.
Blick von außen auf den nördlichen
Abschnitt der Stadtmauer mit Wasserauslaß und anschließendem Kanal aus
dem Beginn des 1. Jts. v. Chr.
Außenstelle Sana’a 199
17
16
Sirwah, Almaqah-Tempel
Abb. 16 Monumentaler Treppenaufgang,
der zum nördlichen Seiteneingang in das
Tempelinnere führte (9./8. Jh. v. Chr.)
Abb. 17 Altar eines Nebentempels des
Heiligtums bestehend aus einem Lehmziegelkern und einer Stein-Holz-Konstruktion
mit Verkleidungssteinen des sog. Scheinfenstertyps aus der mittelsabäischen Zeit
(1. Jh. v. Chr. – 3. Jh. n. Chr.)
Opfertieren wie Stieren und Schafen durchmischt, die schon während der
Tempelerrichtung – wahrscheinlich bei Kultfesten – verspeist wurden. 3. Der
Tempelbau des Yada’il Darih besaß einen ebenfalls mit einer Zweischalenmauer in Ovalform gefaßten Vorgängerbau, der mindestens in das 8. Jh. v. Chr.
gehört.
Die architektonische und funktionale Einbindung des Almaqah-Tempels in
die Fortifikation der Stadt wurde anhand zweier Schnitte nördlich und nordwestlich des Hauptbaus untersucht. Direkt anschließend an die nördliche Tempelumfassung konnte ein monumentaler Treppenaufgang freigelegt werden,
der direkt vom Umland der Stadtanlage auf das Niveau des Entwässerungssystems des großen Vorhofes führte, von dem aus man durch einen Seiteneingang das Tempelinnere erreichte (Abb. 16). Eine rechteckige altarartige Installation trat in einem weiteren Grabungsschnitt nördlich der Bronzewerkstatt
und der Vorratsräume zutage. Diese besteht aus einem Lehmziegelkern, der an
seiner Außenseite eine Verkleidung aus einer Stein-Holz-Konstruktion trägt
(Abb. 17). Erhalten haben sich davon lediglich in gleichmäßigem Abstand
aufrecht stehende Verkleidungssteine des sog. Scheinfenstertyps. Der Bereich
zwischen ihnen war ebenso wie der obere Abschluß in Holz ausgeführt, wie
Zapfen und verkohlte Holzreste zeigen. Direkt vor und auch auf dem Podest
des Altars kamen zahlreiche Objekte zum Vorschein, die sich als Weihgaben
identifizieren lassen. Es handelt sich dabei vor allem um Widmungsinschriften,
Statuetten, Schmuck und Waffen (Abb. 18 a–c). Die Objekte wurden über-
Abb. 18 a–c Sirwah, Almaqah-Tempel.
Bronzene Weihobjekte aus der mittelsabäischen Zeit (1. Jh. v. Chr. – 3. Jh. n. Chr.), die
im Nebentempel des Heiligtums in unmittelbarer Nähe zum Altar gefunden wurden
(a. b = M. 1 : 3; c = M. 1 : 2)
a
b
c
200 Jahresbericht 2006 des DAI
wiegend aus Bronze gefertigt, doch fanden sich auch einige aus Fayence und
Gold.
Kooperationspartner: Lehrstuhl für Semitische Philologie und Islamwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena (N. Nebes); Geographisches
Institut, Physische Geographie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen
(Th. Scholten); Paläontologisches Institut der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen (R. Koch); General Organization for Antiquities and Museums (A. Bawazir) • Leitung des Projekts: I. Gerlach • Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen: S. Amtsberg, M. Kinzel, R. Koch, A. Ludwig, J. Malsch,
M. Manda, M. Schnelle, I. Wagner, Ch. Weiss • Abbildungsnachweis: DAI
Sir20061363, M. Schnelle (Abb. 15); DAI Sir20061112, M. Schnelle (Abb. 16);
DAI Sir20061306, M. Schnelle (Abb. 17); DAI Sir2006_DSC0061, I. Wagner (Abb. 18a); DAI Sir2006_DSC0071, I. Wagner (Abb. 18b); DAI Sir2006_
DSC0072o, I. Wagner (Abb. 18c).
Provinz Marib
In der Provinz Marib begann im Rahmen der Forschungen zu Forschungscluster 4 »Heiligtümer: Gestalt und Ritual, Kontinuität und Veränderung« des
DAI die Untersuchung der Heiligtümer intra muros in Bezug auf Kultpraktiken und innerstädtische Kommunikation. Dabei sind u. a. Fragen nach den
sakralen Räumen im Vergleich zu den profanen Bereichen im urbanistischen
Kontext und deren Zugänglichkeit durch die Bevölkerung bzw. bestimmte
Bevölkerungsgruppen oder deren Tabuisierung erörtert und am Fundkontext
abgeglichen worden.
Besonderes Augenmerk lag zunächst auf dem am besten erhaltenen Heiligtum Sirwahs, dem Almaqah-Tempel, sowie den zu diesem Komplex gehörenden angrenzenden Tempeln (Abb. 19). Systematisch wurden hier die
einzelnen Kultbereiche analysiert und in einen chronologischen und funktionalen Kontext gesetzt. Auffällig ist dabei ein Paradigmenwechsel innerhalb
des Kultgeschehens im Übergang der früh- zur mittelsabäischen Zeit. Während in der frühsabäischen Zeit neben den Altären und Brunnenanlagen die
politischen Manifeste zweier wichtiger sabäischer Herrscher in Form monumentaler Inschriftenblöcke im Zentrum des Tempels und des Kultgeschehens
standen (s. AA 2006/2, 290 f.), rückten in mittelsabäischer Zeit Aspekte des
Pilgerheiligtums stärker in den Vordergrund. Hierzu gehören sowohl die Errichtung von Kultbanketten im Tempeloval als auch die zahlenmäßig großen
Knochendeponien der verspeisten Opfertiere wie Steinböcke und Antilopen.
Die Beobachtung eines Kultwandels läßt sich auch im epigraphischen Material nachvollziehen, das nunmehr in Hinblick auf diese Fragestellungen untersucht wurde. Rechts-, Bau- und Widmungsinschriften der frühsabäischen
Phase wirken inhaltlich äußerst formelhaft und beschränken sich auf die sabäische Führungsschicht. Der Tempel, der allem Anschein nach nur bestimmten
Personengruppen offen stand, vereint den religiösen und politischen Machtanspruch des sabäischen Herrschers, des Mukarribs. In mittelsabäischer Zeit
dagegen öffnet sich das Heiligtum größeren Bevölkerungsschichten, was architektonisch deutlich nachvollziehbar ist und im Charakter einer Volksreligion entspricht: Die Zugänglichkeit gewähren zahlreiche neue Eingänge, und
die Pilger werden mit Ritualmählern und Opferhandlungen direkt in die
Kulthandlungen integriert. Auch das epigraphische Material weist in diese
Richtung. Wichtigste Textgattung bilden nun neben wenigen Rechtstexten
die Widmungsinschriften von Einzelpersonen, die nur im seltensten Fall der
sabäischen Führungsschicht angehören. Thematisiert werden nicht mehr die
sabäische Gesellschaft generell, sondern individuelle Bitten und Wünsche.
Außenstelle Sana’a 201
Abb. 19 Sirwah, Almaqah-Tempel.
Blick von Norden über die auch als Bronzewerkstatt genutzten Wirtschaftsbauten des
Heiligtums in das Innere des Tempels
Neben diesen Detailuntersuchungen begann man, die Ikonographie sabäischer Bildträger und des Architekturschmucks auf ihre religiöse Konnotation
hin zu erforschen. Im Gegensatz zu den anderen altorientalischen Kulturen
wurden die südarabischen Götter bis ins 1. Jh. v. Chr. nicht in Menschengestalt dargestellt. Auch konnte bisher in keinem sabäischen Heiligtum ein eindeutiger Nachweis für die Verehrung eines Kultbildes – sei es anthropomorph
oder zoomorph – gefunden werden. Darüber hinaus existiert kein Indiz für
die immer wieder geäußerte These, daß bestimmte Tiere wie der Steinbock
oder Stier Symboltiere eines spezifischen Gottes, im Sabäischen des Almaqah,
seien.
Kooperation: Lehrstuhl für Semitische Philologie und Islamwissenschaft
der Friedrich-Schiller-Universität Jena (N. Nebes); General Organization
for Antiquities and Museums (A. Bawazir) • Leitung des Projekts: I. Gerlach • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: S. Amtsberg, M. Kinzel, A. Ludwig,
J. Malsch, M. Manda, N. Nebes, M. Schnelle, I. Wagner • Abbildungsnachweis: DAI Sir2006_DSC0106, I. Wagner (Abb. 19).
Jabal al-‘Awd
Das Ziel der Ausgrabungen in der frühhimyarischen Siedlungsanlage auf dem
3000 m hohen Bergmassiv des Jabal al-‘Awd war es, mit der Untersuchung
eines Tempelbaus die bisher unbekannte Sakralarchitektur dieser Epoche zu
fassen. Einen weiteren Schwerpunkt bildete die Erforschung der dortigen
Bestattungssitten.
Der in mindestens drei Bauphasen errichtete Tempel unterscheidet sich von
der übrigen bisher bekannten Architektur auf dem Jabal al-‘Awd sowohl im
Grundriß als auch durch die Verwendung überdurchschnittlich großer Bruchsteine. Der Tempel besteht aus einem annähernd quadratischen Substruktionsbau mit einem vorgelagerten Podium mit Treppenaufgang (Abb. 20). Ein
weiteres Podium wurde dem Bau später im Westen zugefügt. Hervorzuheben
ist, daß diese Gebäudestrukturen die bisher frühesten Siedlungsspuren auf
dem Jabal al-‘Awd bilden. Alle bislang freigelegten Bereiche belegten lediglich eine Besiedlung in den ersten drei Jahrhunderten n. Chr. Mit den ältesten
Bauphasen des Tempels reicht diese nun mindestens in die Mitte des 1. Jts.
v. Chr. Eine Inschrift, in der das Gebäude dem Gott Almaqah gewidmet wird,
bestätigt dies. Die Widmung an den sabäischen Hauptgott ist nur während
der sabäischen Oberherrschaft bzw. in einer Phase der politischen Abhängigkeit von Saba denkbar. Andere Textquellen zum Jabal al-‘Awd datieren diese
202 Jahresbericht 2006 des DAI
20
21
Hegemonie zwischen dem 7. und 5. Jh. v. Chr. Eine Umweihung des Tempels
an die Gottheit Athtar erfolgte umgehend nach dem Machtverlust Sabas in
der Region, wie eine spätere Inschrift belegt.
Bisher einmalig für Südarabien ist die Anlage von Kollektivbestattungen
innerhalb einer Siedlung: In bisher jedem der untersuchten Gebäude des Jabal al-‘Awd diente mindestens ein Raum als Begräbnisstätte. Innerhalb der
Wohnbebauung konzentrierten sich die Grabungen auf einen nur 5 m2 großen Raum, in dem im 2./3. Jh. n. Chr. nacheinander, den begrenzten Platz
nutzend, mindestens 36 Individuen bestattet wurden. Dabei gibt es keine obligatorische Ausrichtung oder Lage der Toten. Diese liegen teilweise dicht
an dicht übereinander geschichtet in gestreckter Rückenlage oder auf dem
Bauch. Es handelt sich hierbei in Bezug auf die Grabbeigaben um relativ bescheidene Bestattungen. Neben kleinformatigen feintonigen Keramiken, die
ausschließlich Gräbern jener Zeitstellung vorbehalten sind, fand sich hauptsächlich Trachtzubehör, wobei einfache Arm- und Fingerringe aus Bronze
dominieren. Waffenbeigaben in Form von Messern traten lediglich bei den
jüngsten Bestattungen auf.
Der zweite untersuchte Grabraum liegt im großen Repräsentationsgebäude im Zentrum der Siedlung. Hier konnten trotz einer Plünderung noch zehn
Bestattungen dokumentiert werden. Die Individuen sind in enger Anordnung
und ohne allgemeingültige Ausrichtung bestattet. Lediglich bei einigen Skeletten findet sich eine paarweise Anordnung, wobei eine Rückenlage direkt
auf einer Bauchlage aufliegt (Abb. 21). Fast immer wechselt die Ausrichtung
nach zwei Individuen um 180 Grad, d. h. die Füße der folgenden Bestattung
liegen beim Gesicht der vorherigen. Vorherrschend bei den Beigaben sind
hier die zeittypischen Grabkeramiken und das Trachtzubehör, doch ist letzteres wesentlich qualitätvoller als bei den Gräbern der Wohnbebauung. Die
bronzenen Arm-, Bein- und Fingerringe sind massiver und weisen teilweise filigrane Verzierungen auf (Abb. 22). Neben den Bronzeobjekten kamen
auch mehrere fein granulierte goldene Ohrringe (Abb. 23), Fingerringe und
Perlen zum Vorschein. An Waffenbeigaben fanden sich nur die eisernen Spitzen kurzer Stoßlanzen. Analog zur andersgearteten Architektur und Funktion
der beiden Gebäude spiegeln auch die Grabbeigaben unterschiedliche soziale
Gruppen wider.
Kooperationspartner: Lehrstuhl für Semitische Philologie und Islamwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena (N. Nebes); General Organization for Antiquities and Museums (A. Bawazir) • Leitung des Projekts:
I. Gerlach • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: H. Hitgen (Grabungsleitung
vor Ort), B. Jändl, J. Kramer, M. Manda, D. Petzold, B. Schäfer, K.-U. Wiegmann • Abbildungsnachweis: DAI-AWD20060407, J. Kramer (Abb. 20);
22
23
Jabal al-‘Awd, frühhimyarische Bergsiedlung
Abb. 20 Der dem sabäischen Gott
Almaqah und später dem Athtar geweihte
Tempel bezeugt als das bisher einzige
Bauwerk die frühe Besiedlungsphase des
Jabal al-‘Awd (Mitte des 1. Jts. v. Chr.)
Abb. 21 In den unteren Lagen der Kollektivbestattung in einem Wohngebäude
(2./3. Jh. n. Chr.) wurde für Neubelegungen
Knochenmaterial zur Seite geschoben. Das
vollständig erhaltene Skelett belegt, daß die
Verstorbenen auch auf dem Bauch bestattet
wurden
Abb. 22 Die zwei bronzenen Fußringe
(1./2. Jh. n. Chr.) stammen von einer Frauenbestattung innerhalb des großen Repräsentationsbaus der Siedlung
Abb. 23 Goldene Ohrringe (1./2. Jh.
n. Chr.) gehören zu den geläufigen
Beigaben reicher Frauenbestattungen
auf dem Jabal al-‘Awd (M. 1 : 1)
Außenstelle Sana’a 203
DAI-AWD20060415, J. Kramer (Abb. 21); DAI-AWD20060017, J. Kramer
(Abb. 22); DAI-AWD20060098, J. Kramer (Abb. 23).
Sirwah, Heiligtum des Almaqah
Die bereits in den vorherigen Jahren begonnenen Restaurierungs- und Konsolidierungsmaßnahmen im Almaqah-Tempel von Sirwah werden seit 2006
zu 50 % vom jemenitischen Social Fund for Development (SFD) finanziert.
Zielsetzung des Restaurierungsprojekts ist zunächst der Erhalt von bedrohten
Gebäudeteilen, die Instandsetzung beschädigter Elemente und die partielle Rekonstruktion zerstörter Architekturelemente. Den Maßnahmen gingen
gesteinstechnische und physikalische Untersuchungen voraus. Anschließend
soll eine touristische Erschließung der Ruine mit der Anlage von Besucherwegen und einer Beschilderung erfolgen. Ebenfalls vom SFD finanziert, wurde mit den Zaunsetzungsarbeiten um die gesamte Stadtanlage und angrenzenden Ruinen von Sirwah begonnen.
Einen wesentlichen Teil der restauratorischen Maßnahmen bildete der
Austausch zerstörter Steinsubstanz. Diese wurde aus dem Boden oder Mauerwerk entfernt und durch Spolien der rezenten Bebauung des Tempels, die
sich keinem Architekturzusammenhang mehr zuordnen lassen, ersetzt. Für
die Abdichtung von offenen Maueroberkanten diente Qadad, ein lokaler auf
antiken Rezepturen beruhender wasserdichter Mörtel.
Die Restaurierungsmaßnahmen erstreckten sich vor allem auf die Bankettinstallationen und den Fußboden des Tempels. Neben dem Austausch von
Bodenplatten konnten auch Teile der Kalksteintische wieder errichtet werden
(Abb. 24). Von Inschriften auf dem Plattenboden wurden Gipsabgüsse angefertigt, da sie aufgrund des schlechten Erhaltungszustandes der Bodenplatten
25
Sirwah, Almaqah-Tempel
Abb. 24 Blick auf den restaurierten Bankettbereich aus der
mittelsabäischen Zeit (1. Jh. v. Chr. – 3. Jh. n. Chr.) im Vordergrund
sowie auf den islamischen Turm
Abb. 25 Provisorische Sicherung der Pfeiler des Propylons im
Rahmen der Restaurierungsmaßnahmen im Tempel
24
204 Jahresbericht 2006 des DAI
von direkter Zerstörung bedroht sind. Die Inschriften auf der zum Bankett
führenden Treppenanlage wurden mit dispergiertem Weißkalkhydrat gefestigt.
Im Bereich des Propylons erfolgte zeitgleich zum Rückbau der rezenten Bebauung eine temporäre statische Sicherung der Pfeiler (Abb. 25). Die
Freilegung der Pfeiler bildete eine notwendige Voraussetzung für die genaue
Schadenskartierung und die geplanten Ultraschalluntersuchungen der Monolithe. Erst im Anschluß daran und basierend auf den Ergebnissen der Untersuchungen wird ein Restaurierungskonzept für diesen gefährdeten Bereich des
Tempels erstellt werden.
Nach der Wiederaufrichtung des im Dezember 2005 im Almaqah-Tempel
von Sirwah gefundenen 7,24 m langen und ca. 6 t schweren Inschriftensteins
des sabäischen Herrschers Yitha’amar Watar bin Yakrubmalik (Ende 8. Jh.
v. Chr.) war es notwendig, sehr schnell restauratorische Maßnahmen vorzunehmen, um weitere Schäden wie das Abplatzen beschädigter Teile und
den damit verbundenen Materialverlust zu vermeiden. Ein aus Kalkstein über
dem antiken Bestand gemauertes Podest mit Kalkmörtelbett dient als Basis des Inschriftensteins. Der Stein ist von Salzen kontaminiert: Drei direkt
nach der Ausgrabung entnommene Proben ergaben einen höheren Nitrat- als
Chloritgehalt, was darauf hinweist, daß der Stein die Salze von dem umgebenden Sediment aufnahm. Die Außenflächen des Steins wurden zunächst
von der Salzkruste befreit, weitere Entsalzungsmaßnahmen sind geplant.
Kleinere Risse im Stein wurden mit Heißkleber verpreßt und große Risse
mit Kalktünche aus gelöschtem Kalk, feinem Sand und Wasser verfüllt. Bereits
bei der Wiederaufrichtung der Inschrift abgeplatzte Steinteile konnten mit
Epoxidharz an ihre ursprüngliche Stelle geklebt und Risse mit Kalkmörtel
abgedichtet werden.
Kooperationspartner: Paläontologisches Institut der Friedrich-AlexanderUniversität Erlangen (R. Koch); Dombauhütte Xanten (J. Schubert); General Organization for Antiquities and Museums (A. Bawazir) • Förderung:
Social Fund for Development (SFD) • Leitung des Projekts: I. Gerlach,
Ch. Weiss • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: J. Brettschneider, R. Czarnietzki, P. Hofmann, W. Fischer-Ohl, J. Schubert, M. Bruex • Abbildungsnachweis: DAI Sir2006_DSC0080, I. Wagner (Abb. 24); DAI Sir20061406,
M. Schnelle (Abb. 25).
Marib, Planung eines Provinzmuseums
Im November begannen die Planungen für ein Provinzmuseum in Marib. Das
in drei Phasen unterteilte Projekt führt die Außenstelle Sana’a für den jemenitischen Social Fund for Development (SFD) durch, der die Arbeiten vollständig finanziert. Die erste Phase beinhaltet die Evaluierung infrastruktureller Rahmenbedingungen eines Museumsbaus in der Provinz Marib sowie
eine Sichtung des archäologischen und ethnologischen Materials. Ziel dieses
Arbeitsschrittes ist es, ein vorläufiges Konzept für die Ausstellung zu erstellen.
Dies enthält bereits eine Auswahl an Ausstellungsobjekten sowie eine vorläufige Raumplanung. Die folgenden Projektphasen umfassen die architektonische Planung und Umsetzung des Museumsbaus, die sich an dem zuvor
erstellten Konzept orientieren werden.
Als Beginn der Arbeiten erfolgte der Ausbau des bereits von der Außenstelle in den 90er Jahren des 20. Jhs. auf dem zukünftigen Museumsgelände
errichteten Magazingebäudes (Abb. 26). Hierfür wurden die bisher noch offenen Belüftungsfenster mit Gittern zugesetzt, der Haupteingang geöffnet,
die Wände verputzt sowie Regalsysteme angefertigt und installiert, die auch
für die Last sehr schwerer Fundobjekte konzipiert sind. Gleichzeitig begann
Außenstelle Sana’a 205
Abb. 26 Marib, Planung eines Provinzmuseums. Magazingebäude nach den
Umbau- und Sicherungsmaßnahmen im
Herbst 2006
ein Team aus Archäologen und Restauratoren das im Gouverneurspalast von
Marib lagernde Fundmaterial aus der Provinz auf seine Ausstellungsfähigkeit
zu sichten, entsprechend zu dokumentieren und für den Transport in das neue
Magazingebäude sachgemäß zu verpacken. Daneben erfolgte eine Begutachtung der Objekte in Hinblick auf notwendige Restaurierungsmaßnahmen.
Um das vorhandene Magazin als Funddepot herzurichten, wurde zunächst die Bewachung des Gebäudes durch entsprechende Wächter gesichert.
Der Gouverneur der Provinz Marib ließ ein nach DAI-Plänen entworfenes
Wächterhaus errichten.
Kooperationspartner: Lehrstuhl für Semitische Philologie und Kulturen
des Vorderen Orients der Friedrich-Schiller-Universität Jena (N. Nebes);
Geographisches Institut, Physische Geographie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen (Th. Scholten); Paläontologisches Institut der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen (R. Koch); General Organization for Antiquities
and Museums (A. Bawazir); Staatliche Museen zu Berlin (Vorderasiatisches
Museum, Islamisches Museum, Institut für Museologie) • Förderung: Jemenitischer Social Fund of Development (SFD); USAID • Leitung des Projekts:
I. Gerlach • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: R. Arndt, M. Bruex, P. Frömming, S. al-Hamimi, N. Nebes • Abbildungsnachweis: DAI MaribMuseum,
MGZN2006_0135, M. Bruex (Abb. 26).
Entwicklungs- und kulturpolitische Maßnahmen, Projekt zum Erhalt des
jemenitischen handschriftlichen Erbes
Im Rahmen des aus Mitteln des Kulturerhalt-Programms des Auswärtigen
Amtes finanzierten und seit 2005 laufenden Projekts zur Digitalisierung und
Konservierung islamischer Manuskripte aus dem Jemen wurden weitere Manuskripteditionen vom Französischen ins Arabische übersetzt. Darüber hinaus
erfolgte gemeinsam mit dem Centre Français d’Archéologie et de Sciences
Sociales de Sana’a (CEFAS Sana’a) die Herausgabe einer Monographie in der
neu konzipierten Reihe beider Institute »Die jemenitische Bibliothek«.
Kooperationspartner: Centre Français d’Archéologie et de Sciences Sociales de Sana’a (J. Lambert); Französische Botschaft Sana’a (A. Joly); Deutsche
Botschaft Sana’a (H. Selle); Centre Culturel et de Coopération Linguistique;
Ministerium für Kultur und Tourismus der Republik Jemen (A. Roweishan);
General Organization for Antiquities and Museums (A. Bawazir); Allgemeine Organisation für Handschriften des Jemen; Ministerium für Religiöse
Stiftungen des Jemen • Förderung: Auswärtiges Amt der Bundesrepublik
Deutschland, Mittel zum Kulturerhalt • Leitung des Projekts: I. Gerlach,
J. Lambert • Mitarbeiter: M. Arbach, T. Klaric, E.Vallet.
Cultural Tourist Guide Marib
Im Rahmen des Aktionsprogramms 2015 »Poverty Reduction and Conflict
Transformation« hat die Außenstelle Sana’a des DAI im Auftrag des BMZ/
GTZ für das Projekt »Cultural Tourist Guide Marib« deutsch-, englisch- und
arabischsprachige Faltblätter zu den Ruinenstätten der Provinz Marib verfasst.
Die bereits in deutscher Sprache erschienene Touristenbroschüre wurde im
Berichtszeitraum auch auf Englisch und Arabisch publiziert.
Für die Beschilderung der Ruinenstätten der Provinz Marib fertigte die
Außenstelle deutsch-, englisch- und arabischsprachige Texte an.
Kooperationspartner: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)/Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) • Leitung des Projekts: I. Gerlach, J. Thielebein (GOPHCY/CIM) • Mitarbeiter: H. Hitgen (Editing), M. Puig (Publishing).
206 Jahresbericht 2006 des DAI
Öffentlichkeitsarbeit
Frau Gerlach gab mehrere Interviews für Zeitungen sowie Radio- und
Fernsehsender, u. a. für den Spiegel, den Berliner Tagesspiegel, das Deutsche
Welle TV und Radio, die Frankfurter Allgemeine Zeitung, den Bayerischen
Rundfunk, das National Geographic und die Hessisch Niedersächsische Allgemeine Zeitung. Sie schrieb Pressemitteilungen sowie Kurzartikel über die
Forschungen der Außenstelle und den Neufund des Inschriftensteins im Almaqah-Tempel von Sirwah u. a. für die Antike Welt, den Jemen-Report, die
Deutsche Welle und die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Gemeinsam mit
der Deutschen Botschaft Sana’a veranstaltete sie eine Pressekonferenz. Für ein
japanisches Filmprojekt über Marib stellte sie Informationen zur Verfügung
und beriet bei der Konzeption.
Frau Gerlach führte verschiedenen Reisegruppen, Vertreter der Organisation »Ärzte ohne Grenzen«, Mitarbeiter der Deutschen Botschaft und anderer
ausländischer Institutionen über die Ausgrabungen in Marib und Sirwah. Am
21. November empfing sie in Marib eine deutsche Journalistengruppe (journalists.network e.V.).
Ausstellungen
Für eine im April in Sana’a von der Firma Yemen LNG Co Ltd. organisierte Präsentation mit dem Thema »Environmental Assessment of YLNG«
fertigte die Außenstelle Sana’a des DAI gemeinsam mit dem Centre Français
d’Archéologie et de Sciences Sociales de Sana’a eine Posterausstellung über
den Survey und die Ausgrabungen entlang der geplanten Strecke der Gaspipeline an.
Im März wurde im Rahmen einer Jubiläumsfeier des Deutschen Entwicklungsdienstes (DED) eine Ausstellung über entwicklungspolitische Arbeiten
Deutschlands eröffnet, auf der sich auch die kulturpolitischen Unternehmungen der Außenstelle in mehreren Postern präsentierten.
Veröffentlichung
Deutsches Archäologisches Institut, Orient-Abteilung, Außenstelle Sana’a
– Centre Français d’Archéologie et de Sciences Sociales de Sana’a (Hrsg.),
Paul Dresch, Rules of Barat. Tribal Document of Yemen, Die jemenitische
Bibliothek 1 (Sana’a 2007)
Sonstiges
Im Oktober 2006 zog die Außenstelle Sana’a aus dem seit 1994 angemieteten
Institutsgebäude im Old Diplomatic Quarter in die Altstadt von Sana’a. Das
ca. 250 Jahre alte Haus ist im traditionellen ›Stadthausstil‹ von Sana’a erbaut.
Es gehört zu den repräsentativen, palastähnlichen Bauten, die von den mächtigen Stadtfamilien errichtet wurden. Das vierstöckige Gebäude mit Annex
und Magazinräumen zählt wie die gesamte Altstadt von Sana’a zum Weltkulturerbe der UNESCO (Abb. 27).
Abbildungsnachweis: I. Wagner (Abb. 27).
Abb. 27 Sana’a, neues Institutsgebäude
der Außenstelle in einem traditionellen
Haus in der Altstadt von Sana’a
Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 207
Kommission für Archäologie
Außereuropäischer Kulturen, Bonn
Ausgrabungen und Forschungen
Bajo Río Grande (Peru)
Der Río Grande im Distrikt Nasca ist Bestandteil eines mehrfach verästelten Flußsystems, dessen Quellen am westlichen Andenfuß liegen. Sein etwa
50 km langer Unterlauf bildet eine lang gestreckte Flußoase (Abb. 1), die
einen hyperariden Küstenstreifen nebst vorgelagerter Kordillere quert. Dieser topographisch klar begrenzte Siedlungsraum ist archäologisch bislang nur
punktuell untersucht. Das neue, interdisziplinär angelegte Projekt widmet sich
der Suche nach Frühformen der Seßhaftwerdung und deren Entwicklung zu
komplexeren Gesellschaften, wobei die Nutzung maritimer und terrestrischer
Ressourcen im Mittelpunkt steht.
Abb. 1 Bajo Río Grande (Peru), canyonartig eingeschnittene Flußoase am Unterlauf des Río Grande mit Einmündung des
Río Nasca
Die ersten systematischen Oberflächenbegehungen des Jahres 2006 ergaben auf einem nur 8 km langen Teilabschnitt unmittelbar südlich des Zuflusses des Río Nasca etwa 150 Fundplätze, deren Verteilung bisweilen weit über
die eigentlichen Flußterrassen des Río Grande hinaus bis in die Randbereiche der Hochflächen reicht. Die vorkolonialzeitlichen Fundplätze umfassen
teilweise sehr ausgedehnte Siedlungen (Abb. 2), des weiteren Friedhöfe, Geoglyphen, einen Abri, montanarchäologische Fundstätten, Schlagplätze und
andere Werkstätten sowie Reste von Wasserwirtschaftsbauten. Über die regelmäßige lineare Verteilung von scheibengedrehter Keramik konnte darüber
hinaus der Verlauf früher kolonialzeitlicher Straßen nachgewiesen werden.
Nach Ausweis repräsentativ angelegter Oberflächenkollektionen datieren
die Siedlungen, Friedhöfe und die als »Puquios« bezeichneten unterirdischen
Sickergalerien vor allem in die Paracas- (800–200 v. Chr.) und Nasca-Zeit
(200 v. Chr. – 600 n. Chr.); Befunde späterer Zeitstellung sind grundsätzlich
seltener vertreten. Als wichtigstes Ergebnis kann der in dieser Form für den
Süden Perus erstmals umfassende Nachweis lithischer Produktionen gelten,
die in Vergesellschaftung mit Quarzitminen und akeramischen Fundplätzen
(Abb. 3) auftreten. Die vorläufige Datierung dieses Fundgutes in die Zeit vor
2000/1800 v. Chr. basiert vorerst auf typologischen Parallelen zu nordperuanischen Oberflächenkollektionen.
208 Jahresbericht 2006 des DAI
2
3
Gerade die unerwartet zahlreich auftretenden lithischen Fundplätze, die
starke Präsenz von paracaszeitlichen Siedlungen und die bei Besuchen an der
Mündung des Río Grande in den Pazifik beobachteten, vorläufig ins 4. und
3. Jt. v. Chr. datierten akeramischen Muschelhaufen versprechen für die Folgekampagnen ein großes Informationspotential besonders zur Frühzeit des südlichen Perus. Erste Sondagen im offensichtlich ungestörten Abri von Las Brujas sollen erstmals für diese Region eine stratigraphische Sequenz erschließen,
in der in größerem Umfang lithisches Fundgut erwartet werden darf.
Weitere Untersuchungen werden der jüngeren, anfangs saisonal, nachfolgend permanent bewässerten Flußoasenbesiedlung gelten, wobei auch die
Reste antiker Bewässerungskanäle und die aufwendig angelegten unterirdischen Sickergalerien erforscht werden sollen. In Ermangelung detaillierterer
archäologischer sowie bau- und technikgeschichtlicher Studien werden diese
wohl zu Unrecht häufig als Technologieimport spanisch-kolonialzeitlicher
Landbewirtschaftung angesehen.
Kooperationspartner: Instituto Nacional de Cultura (Lima); Pontifícia Universidad Católica del Peru (Lima) • Leitung des Projekts: B. Vogt,
P. Kaulicke, M. J. Diaz • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: O. L. Azáldegui, Chr. Hartl-Reiter, J. Moser, J. L. Nuñez Alfaro, N. Schlüter, R. G. Silva
• Abbildungsnachweis: B. Vogt (Abb. 1–3).
Informationen im Internet unter: http://www.dainst.org/index_7197_
de.html
Palpa (Peru)
In der Region Palpa, in der Küstenwüste Südperus, wurden die archäologischen Arbeiten im Rahmen eines vom Bundesministerium für Bildung und
Forschung (BMBF) geförderten interdisziplinären Projektverbundes fortgesetzt. Eines der Ziele des Projekts ist es, eine möglichst lückenlose Abfolge
der Kulturstufen im Raum Palpa zu dokumentieren. Paläoklimatische Untersuchungen hatten ergeben, daß eine extreme Trockenphase in der sog. Späten
Nasca-Zeit (450–650 n. Chr.) maßgeblich zum Untergang der Nasca-Kultur
beigetragen hatte. Analysen von Siedlungsmustern zeigten, daß sich die Siedlungszentren der Späten Nasca-Zeit – der Verlagerung des Wüstenrandes von
Westen nach Osten folgend – in die feuchteren, mittleren Talbereiche des
Andenfußes verlagerten. Durch Untersuchungen an dem Fundplatz Parasmarca der Späten Nasca-Zeit sollte eine Siedlung dieser Zeitstufe genauer
dokumentiert werden.
Bajo Río Grande (Peru)
Abb. 2 Konzentration von paracaszeitlichen (800–200 v. Chr.) Siedlungsplätzen
mit Zeichen ausgedehnter rezenter
Plünderungen
Abb. 3 Akeramisch-lithischer Fundplatz
mit steinernem Hüttengrundriß
Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 209
Abb. 4 Palpa (Peru), Vermessungsplan der
spätnascazeitlichen Siedlung Parasmarca
(430–650 n. Chr.). Deutlich hebt sich der
geplant angelegte Gebäudekomplex im
Osten von den unregelmäßig gewachsenen
Siedlungsbereichen im Westen ab. Die
Grabungsflächen sind rot unterlegt
Die Siedlungsreste von Parasmarca erstrecken sich auf dem rechten Talhang des Río Grande-Tales über eine Fläche von annähernd 1 km2, insbesondere im Bereich des großen Schwemmfächers eines Trockentales. Diese Lage
ist typisch für Fundorte der Späten Nasca-Zeit. Besonders auffallend war ein
gut erhaltener, etwa 100 m × 100 m großer Gebäudekomplex am unteren
Talhang, nahe der Abbruchkante zur Talaue (Abb. 4). Auf mehreren Terrassen
sind rechteckig ummauerte Höfe, kleinere Raumeinheiten sowie Grabanlagen angeordnet. Die nach der Auflassung der Gebäude in der Huari-Zeit
(650–1000 n. Chr.) eingebrachten Grabanlagen sind stark geplündert, ebenso
wie ein weiter östlich liegendes Gräberfeld. Der übrige Bereich des Fundortes
zeichnet sich durch unregelmäßig angelegte Siedlungsterrassen aus. Auf dem
oberen Teil des Schwemmfächers befand sich eine etwa 300 m lange trapezförmige Geoglyphe, die an ihrem unteren Rand, nahe dem Gebäudekomplex,
von einer weiteren Geoglyphe gequert wurde.
Bei der detaillierten Oberflächenbegehung des Fundortes konnten neben
den Gebäuderesten der Späten Nasca-Zeit Siedlungsspuren aus nahezu allen
vorspanischen Zeitstufen festgestellt werden. Somit erwies sich Parasmarca als
einer der wenigen Fundorte im Nasca-Gebiet, der eine Siedlungskontinuität
über alle bisher bekannten Epochen aufweist. Durch die detailgenaue topographische Vermessung konnte erstmals der markante Unterschied zwischen
dem planvoll angelegten Gebäudekomplex und den im Gegensatz dazu unregelmäßig gewachsenen Siedlungsterrassen dokumentiert und so ein weiterer
Beleg für die ausgeprägte Organisationsstruktur der Nasca-Kultur gefunden
werden.
Gezielte Ausgrabungen erlaubten die genaue zeitliche Einordnung der
Architektur (Abb. 5) sowie des zugehörigen keramischen Fundmaterials der
210 Jahresbericht 2006 des DAI
Abb. 5 Palpa (Peru), Parasmarca.
Freigelegte Mauersockel von Gebäuden der
sog. Späten Nasca-Zeit (450–650 n. Chr.) im
Ostteil der Siedlung
Späten Nasca-Zeit (Abb. 6). Durch die Ausgrabung zweier intakter Grabanlagen konnte der Übergang in die nachfolgende Siedlungsperiode des ›Mittleren Horizontes‹ (650–1000 n. Chr.) dokumentiert werden. Innerhalb quadratischer Mauereinschlüsse befanden sich Grabschächte, die bis zu etwa 2 m tief
liegenden Grabkammern reichten. In beiden Gräbern wurden Bestattungen
und Keramikinventare des sog. Loro-Stils geborgen.
Die Radiokohlenstoffdatierungen von Befunden der im Frühjahr 2006 abgeschlossenen Grabung an dem Fundort Pernil Alto brachten in diesem Jahr
noch ein überraschendes Ergebnis. In den untersten Schichten des Fundplatzes, also unterhalb der Lehmarchitektur aus der ›Initialzeit‹ (1500–800 v. Chr.),
waren Gruben, einige Pfosten und drei Gräber gefunden worden (Abb. 7).
Die Bestattungen wiesen Beigaben aus Stein, Muschel, Horn und Textilien
auf, jedoch keine Keramikgefäße. Die Radiokohlenstoffanalysen ergaben Datierungen zwischen 3800 und 3000 v. Chr. Damit datieren die Befunde in das
›Mittlere Archaikum‹. Bisher ist nur ein Befund dieser Zeitstellung aus dem
Nasca-Gebiet bekannt. Daraus erschließt sich für die Forschungen in Palpa
Abb. 6 Palpa (Peru), Parasmarca.
Gefäßscherben der typischen Keramik der
sog. Späten Nasca-Zeit (430–650 n. Chr.)
Abb. 7 Palpa (Peru), Pernil Alto.
Bestattung aus der Zeit des ›Archaikums‹
(etwa 3600 v. Chr.) aus den ältesten
Siedlungsschichten des Fundplatzes
Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 211
ein neuer Horizont und die Zeitskala für die Besiedlungsgeschichte der Region muß daher bis in diese frühen Zeiten verlängert werden.
Kooperationspartner: Instituto Andino de Estudios Arqueológicos (Lima);
Forschungsstelle Archäometrie der Heidelberger Akademie der Wissenschaften am Max Planck-Institut Heidelberg; Forschungsstelle Radiometrie der
Heidelberger Akademie der Wissenschaften am Institut für Umweltphysik
der Universität Heidelberg; Geographisches Institut der Universität Heidelberg; Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege (München); Institut für
Historische Anthropologie und Humanökologie der Universität Göttingen;
Institut für Geodäsie und Photogrammetrie der Eidgenössischen Technischen
Hochschule (ETH) Zürich • Förderungen: Bundesministerium für Bildung
und Forschung (BMBF) • Leitung des Projekts: M. Reindel • Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen: J. Isla, S. Schlegel, N. Hecht, K. Lambers, E. Tomasto,
P. Rios, E. Muñoz, J. Palomino, Studierende der Universitäten in Bonn,
Zürich, Lima und Trujillo • Abbildungsnachweis: M. Reindel, S. Schlegel
(Abb. 4); K. Lambers (Abb. 5); J. Isla (Abb. 6. 7).
Informationen im Internet unter: http://www.dainst.org/index_593_
de.html
Andentranssekt 1 (Peru)
Im Rahmen des Forschungsclusters 1 »Von der Seßhaftigkeit zur komplexen
Gesellschaft: Siedlung, Wirtschaft, Umwelt« des DAI wurde mit Sondermitteln des Instituts das Projekt »Andentranssekt Peru – Siedlungsdynamik zwischen Meeresküste und Altiplano« initiiert. In einer siedlungsarchäologischen
Studie wird die Entwicklung unterschiedlicher Kulturformen unter dem
Einfluß wechselnder ökologischer Bedingungen im tropischen Hochgebirge
der Anden Südperus untersucht. Im Rahmen einer Kooperation innerhalb
der KAAK richtet sich die Forschung im hier beschriebenen Projekt auf
das Gebiet von Andenfuß und Hochland, das heißt das Einzugsgebiet sowie
der mittlere Abschnitt des Río Grande. Der Unterlauf des Río Grande bis
zur Meeresküste wird unter Leitung von B.Vogt im Rahmen des Teilprojekts
»Bajo Río Grande« bearbeitet (s. auch hier S. 207 f.).
Zur Rekonstruktion vorspanischer Siedlungsstrukturen wurden am Andenfuß zunächst exemplarisch Fundplätze der ›Späten Zwischenperiode‹
(1000–1400 n. Chr.) bearbeitet (Abb. 8). In dieser Zeit ist eine intensive Wiederbesiedlung des Raumes Palpa nach einer fast siedlungsleeren extremen
Trockenperiode zur Zeit des ›Mittleren Horizontes‹ (650–1000 n. Chr.) zu
beobachten. Mit Zunahme der Feuchtigkeit siedelten die Menschen zunächst
in kleinen, landwirtschaftlich orientierten Weilern und später in auffallend
großen, bevölkerungsreichen Siedlungen (Abb. 9). Diese Bevölkerungszentren hatten offenbar auf der Grundlage der verbesserten Bedingungen für die
Landwirtschaft andere ökonomische Aktivitäten mit überregionaler Bedeutung entwickelt. Änderungen im Siedlungsgefüge können somit als Ausdruck
einschneidender ökologischer und wirtschaftlicher Veränderungen gewertet
werden.
Im Hochland der Anden, im Einzugsgebiet der Zuflüsse des Río Grande
in einer Höhe zwischen 3000 und 4000 m, wurden erste Prospektionen unternommen, die eine unerwartet hohe Fundortdichte von Siedlungen, Gräbern, Höhlen und Felsbildern aus allen wichtigen Siedlungsepochen ergaben.
Die zahlreichen, deutlich sichtbaren Siedlungen der ›Späten Zwischenperiode‹ befinden sich zumeist auf Bergkuppen mit gutem Rundumblick. Ausgedehnte Ackerbauterrassen überziehen große Teile der heute trocken liegenden
Berghänge und zeugen von ehemals feuchteren Verhältnissen. Grabbauten,
212 Jahresbericht 2006 des DAI
9
Andentranssekt 1 (Peru)
Abb. 8 Karte der Siedlungen der ›Späten Zwischenperiode‹
(1000–1400 n. Chr.) am Andenfuß, deutlich ist eine Konzentration
der Bevölkerungszentren an den Talausgängen zu erkennen
Abb. 9 Digitales Oberflächenmodell einer großen Siedlung der
›Späten Zwischenperiode‹ im Bereich des Andenfußes, erstellt
auf der Grundlage von Luftbildern und Laserscandaten
8
deutlich strukturierte Siedlungen und Terrassen sind z. T. noch sehr gut erhalten (Abb. 10).
Erstaunlich waren die Funde von Keramik, die eindeutige stilistische Parallelen mit den Küstenkulturen aufwiesen und somit unzweifelhaft ein Siedlungskontinuum zwischen Küste und Hochland belegen. Sogar Geoglyphen
in Form von trapezförmigen Plätzen konnten im Zusammenhang mit NascaSiedlungen (200 v. Chr. – 650 n. Chr.) beobachtet werden.
Unerwartet war auch die große Anzahl der formativzeitlichen Fundplätze.
Schon die Paracas-Kultur (800–200 v. Chr.) erstreckte sich also bis in die
Hochlandregionen. Die formativzeitlichen Fundplätze zeichnen sich insbesondere durch Großsteinarchitektur bei Gräbern, Siedlungsbauten und Terrassen aus. Ein großes Potential insbesondere für die Erforschung der frühe-
Abb. 10 Andentranssekt 1 (Peru),
Grabhaus (Chullpa) in den Bergregionen
des Andentranssekts. Grabbauten dieser
Art lassen sich bereits in den frühesten
Siedlungsperioden feststellen
Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 213
sten Besiedlungsphasen bieten Höhlen und Abris, die in den Weideregionen
häufig zu finden sind und reichhaltiges lithisches Fundmaterial aufweisen. Es
ist anzunehmen, daß die Haltung von Lamas und Alpacas eine wichtige Wirtschaftsgrundlage für die Hochlandbevölkerung war.
Besonders eindrücklich wird die Verbindung von Hochland und Andenfuß
durch deutlich sichtbare Handelswege dokumentiert, welche über die Bergrücken des Andenschildes verlaufen. Erst kurz vor Erreichen der äußersten
westlichen Ausläufer dieser Bergkämme stieg man auf steilen Wegen in die
Küstenregion ab. Daß diese Wege auch schon zumindest zur sog. Formativzeit genutzt wurden, zeigen prägnant die in der Nähe markanter Wegpunkte
angebrachten Petroglyphen, die nahezu identische Motive im Hochland und
am Andenfuß aufweisen (Abb. 11).
Kooperationspartner: Instituto Andino de Estudios Arqueológicos (Lima);
Geographisches Institut der Universität Heidelberg; Institut für Historische
Anthropologie und Humanökologie der Universität Göttingen; Deutsches
Bergbau-Museum Bochum • Leitung des Projekts: M. Reindel • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: C. Hohmann, D. Vallejo, I. Vallejo, A. Vasquez
• Abbildungsnachweis: D. Kupferschmidt (Abb. 8); H. Eisenbeiss, ETH Zürich (Abb. 9); C. Hohmann (Abb. 10), C. Hohmann, B. Gubler (Abb. 11).
Informationen im Internet unter: http://www.dainst.org/index_7209_
de.html
Abb. 11 Andentranssekt 1 (Peru),
Felsbilder mit identischen Motiven wurden
an der Küste und im Hochland gefunden.
Oben eine anthropomorphe Darstellung
der sog. Formativzeit (ca. 400 v. Chr.) mit
Kopfschmuck von dem Hochlandfundort
Pañe, unten ein Abrieb von Felsbildern von
dem Küstenfundort Chichictar
Loma Salvatierra (Bolivien)
Siedlungshügel wie die Loma Salvatierra waren zwar bereits vor 100 Jahren
Gegenstand der ersten archäologischen Forschungen im bolivianischen Tiefland, detaillierte Vermessungen sind an ihnen jedoch bislang nie vorgenommen worden. Deshalb verwundert es nicht, daß jene Plätze auch in der wissenschaftlichen Perzeption nicht mehr als schlichte lomas, also Hügel, geblieben sind. Die im vergangenen Jahr abgeschlossenen Kartierungsarbeiten an
der Loma Salvatierra zeigen nun erstmals die Komplexität jener vorspanischen Siedlungsplätze, von denen es schätzungsweise 2000 in den südlichen
Llanos de Moxos gibt. Im Zentrum der Anlage (Abb. 12), die von einem Ringwall umgeben ist, befindet sich ein 7 m hoher Plattformbau (Hügel 1) mit
U-förmig angeordneten Aufbauten. Im vergangenen Jahr konnte die Verwendung von luftgetrockneten Lehmziegeln (adobes) in diesem Bau nachgewiesen
werden. Es ist der erste archäologische Nachweis für diese im Andengebiet
weit verbreitete Bautechnik im Amazonasgebiet. In direkter Verbindung zum
Siedlungsplatz stehen Kanäle, Dämme und kreisrunde Becken, die offenbar
dem Wassermanagement im Bereich der südlich angrenzenden Überschwemmungssavanne dienten. Möglicherweise lagen hier die landwirtschaftlich genutzten Flächen. Bislang ungeklärt ist allerdings die Frage, ob die Kanäle der
Be- oder der Entwässerung dienten.
Auf der Kuppe von Hügel 1 konnten die Grabungen des Vorjahres bis
in 4 m Tiefe fortgesetzt und dabei fundreiche Siedlungsschichten aus dem
8.–10. Jh. freigelegt werden. Im nördlichen Teil der Grabungsfläche fanden
sich in den untersten Schichten Pfostenstellungen, die zu Rundbauten gehören. In zwei neuen Grabungsflächen wurden ferner mehrere Urnen- und
Körpergräber aus der Spätzeit der Besiedlung freigelegt (Abb. 13).
Die Frühzeit der Besiedlung wurde in einer etwa 40 m weiter südlich auf
dem flachen Terrain der Flußterrasse angelegten Sondage erfaßt. Dort fanden
sich bis in 2,50 m Tiefe überaus fundreiche Kulturschichten, wobei in den
anstehenden sterilen Boden abgetiefte Gruben noch etwa 60–70 cm tiefer
hinabreichten. Die aus den frühesten Schichten dieser Sondage geborgene
214 Jahresbericht 2006 des DAI
Keramik entspricht der ältesten Keramik, die in der nur 3 km entfernt gelegenen Loma Mendoza nachweisbar war. Für beide Fundorte ist somit von
einem gleichzeitigen Beginn des Siedlungsgeschehens auszugehen, der absolutchronologisch im 5. Jh. n. Chr. anzusetzen ist.
Das am intensivsten untersuchte Areal des Siedlungsplatzes ist die Bestattungsplattform (Hügel 2), in der 2005 ein ›reicher‹ ausgestattetes Grab gefunden worden war. Insgesamt wurden bislang über 200 m2 der Plattform untersucht und dabei 52 Bestattungen geborgen. In der zunächst verwirrenden
Vielfalt hinsichtlich der Lage der Toten läßt sich nun zumindest eine Konstante erkennen: die Ausrichtung bei den Körperbestattungen. Unabhängig
davon, ob die Toten in Rücken-, Seiten- oder Bauchlage, als Strecker, Hokker, sitzend oder kniend bestattet wurden, sind die Körperachsen immer einem Koordinatenschema folgend bestattet, das um wenige Grad von unserer
Nord-Süd-/Ost-West-Achse abweicht. Auch in diesem Jahr hoben sich einige Gräber wegen der in ihnen angetroffenen Beifunde von den anderen ab.
Hierzu gehörten zwei Bestattungen, in denen sich aus Vogelknochen gefertigte Flöten fanden (Abb. 14).
Geologische Bohrungen zur Rekonstruktion der Umweltgeschichte wurden von H. Hooghiemstra (Amsterdam) in zwei Seen der Region vorgenommen. Die Auswertung der Proben erfolgt derzeit in Amsterdam. Ein weiterer
Bohrkern wurde von J.-H. May (Bern) in einem der beiden runden Becken
entnommen (Abb. 15). Dabei zeigte sich, daß der alte Boden des Beckens ca.
170 cm unter der heutigen Oberfläche liegt und mit einer dünnen Schicht
aus organischem Material bedeckt ist. Letzteres wird hoffentlich eine Datierung der Anlage erlauben.
Abb. 12 Loma Salvatierra (Bolivien),
Plan der vorspanischen Anlage mit polygonalem Wall. Ein verlandeter Flußlauf zieht
sich als Schleife, südlich davon Kanäle und
Dämme, die dem Wassermanagement in
dem wahrscheinlich landwirtschaftlich
genutzten Gebiet dienten
Abb. 13 Loma Salvatierra (Bolivien),
Hügel 1. Urnengräber aus der Spätzeit der
Besiedelung
Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 215
14
15
Loma Salvatierra (Bolivien)
Abb. 14 Flöte aus dem Schwingenknochen einer Storchenart (Jabiru mycteria sp.),
10.–11. Jh. n. Chr.
Abb. 15 Entnahme eines Bohrkerns in
einem verlandeten Wasserbecken südlich
des umwallten Siedlungsplatzes
Unter dem Titel »GIS in Moxos« ist im Juli 2006 ein neues Projekt begonnen worden. Ziel dieses Projekts ist die GIS-fähige Aufnahme aller obertägig sichtbaren Denkmäler aus vorspanischer Zeit in vier unterschiedlichen
Regionen der Llanos de Moxos. Hierzu werden zum einen alle verfügbaren
hochauflösenden Satellitenbilder systematisch ausgewertet und zum anderen
terrestrische Prospektionen durchgeführt. Die in den exemplarisch ausgewählten Regionen zu untersuchenden Flächen sind jeweils 400 km2 groß.
Die Arbeiten in dem ersten Untersuchungsgebiet konnten bereits erfolgreich
abgeschlossen werden. Über 30 neue Siedlungshügel, von denen zwei um
die 20 m hoch sind, wurden lokalisiert und ebenso wie die sie umgebenden
Kanäle und Dämme erstmals kartiert. All dies fügt sich zu einem völlig neuen
Bild der »Kultur von Moxos«, die in einer Gegend prosperierte, die heute
aufgrund periodischer Überflutungen sehr unwirtlich ist.
Kooperationspartner beider Projekte: Dirección Nacional de Arqueología
(La Paz) • Leitung der Projekte: H. Prümers, C. Jaimes Betancourt • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: M. Bruno, A. Hirdes, U. Lombardo, E. Machicado, R. Torrico, Z. Terceros • Abbildungsnachweis: H. Prümers (Abb. 12–15).
Informationen im Internet unter: http://www.dainst.org/index_7193_de.html
Mogador (Marokko)
Im Frühjahr 2006 fand die erste Kampagne des von der Abteilung Madrid
und der KAAK gemeinsam konzipierten Projekts zur phönizischen Besiedlung der Insel Mogador sowie zur einheimischen Besiedlung des Umlandes
von Essaouira statt (s. auch hier S. 145–147). Die Arbeiten werden in Zusammenarbeit mit dem »Institut National des Sciences de l’Archéologie et du
Patrimoine« in Rabat durchgeführt. Die Arbeiten auf der Insel obliegen vorrangig der Abteilung Madrid und umfaßten 2006 eine GIS-fähige Vermessung des Ensembles sowie geophysikalische Untersuchungen in ausgewählten
Bereichen, um die Ausdehnung der antiken Bebauung festzustellen.
Auf dem Festland, das der Insel gegenüberliegt, unternahmen H. Brückner
und J. Lucas Untersuchungen zum antiken Küstenverlauf. Unter anderem
stellt sich hier die Frage, ob die in einer Flucht mit der Insel Mogador gelegene Halbinsel, auf der sich heute das Städtchen Essaouira befindet, in antiker
Zeit ebenfalls durch einen Meeresarm vom Festland getrennt war. Hierzu
wurden Bohrkerne gezogen und ausgewertet, deren Befund für diese Hypothese spricht. Das große Flächenangebot und die küstennahe Positionierung
dieser nördlichen ›Insel‹ lassen vermuten, daß sich der überwiegende Teil des
antiken Ensembles unter der heutigen Stadt befinden könnte.
Das Hinterland von Essaouira ist in archäologischer Hinsicht unerforscht,
während Geographie, Ethnographie, Fauna und Flora und weiteres dank einer
regen Gemeinde dilettierender Amateure in Essaouira recht gut bekannt sind.
Erste Geländebegehungen zeigten jedoch, daß sich in der Region zahlreiche
archäologische Fundstellen finden lassen, die eine lange Besiedlungsgeschichte widerspiegeln. Das Repertoire reicht von steinzeitlichen Plätzen bis hin zu
Grabhügeln der Protohistoire. Von besonderem Interesse sind natürlich Fundstellen, die zeitlich mit dem Bestehen des phönizischen Kontors und der römerzeitlichen Anlagen auf der Insel übereinstimmen. Ein wesentliches Ziel
der Forschungen im Hinterland ist es, die Interaktion solcher Plätze, wenn sie
denn zu finden sind, mit der Insel sowie die Veränderungen, die der Handel
mit der antiken Welt bei der einheimischen Bevölkerung hervorgerufen hat,
an ausgewählten Beispielen zu beleuchten.
Die Insel selbst ist ressourcenlos, alles Wesentliche für den Unterhalt mußte
entweder im näheren Umland beschafft oder aber – weniger wahrscheinlich –
216 Jahresbericht 2006 des DAI
auf dem Seeweg von fernher herbeigebracht werden. Alle Ressourcen finden
sich in kurzer bis mittlerer Distanz von einigen Wegstunden – Süßwasser,
Holz, agrikulturell nutzbare Flächen, Weideland, Jagdwild, Lagerstätten aller
Art und vieles mehr. Neben diesem Wirtschaftsraum lassen die merkantilen
Interessen der Insel natürlich Fernhandelsbeziehungen vermuten, die sich am
besten mit dem griffigen, aus dem Mittelalter überlieferten Beinamen »der
Hafen Timbuktus« für Essaouira/Mogador illustrieren lassen. Auch die letzten Stationen, gewissermaßen die ›Waren-Terminals‹ dieser Fernhandelswege,
sollten im küstennahen Bereich zu finden sein (Abb. 16). In der Tat konnten
mehrere Fundplätze festgestellt werden, die wahrscheinlich metallzeitliche
Keramik aufweisen. Unmittelbar gegenüber der Insel fanden sich neben dem
Marabut von Sidi Moqdoul auf einem Hügel Spuren einer vorislamischen
Nekropole. Im Norden des Arbeitsgebietes liegt Jebel Hadid, ein eisenerzreiches Massiv mit zahlreichen Fundstellen, darunter auch einer Steinkreisanlage.
Ob der flächige islamische Erzabbau ältere Wurzeln hat, wie Tondüsenfunde
aus den phönizischen Niveaus der Insel vermuten lassen, werden zukünftige
Untersuchungen zeigen. Erste Eindrücke möglicher Fernhandelsgüter geben
Oberflächenfunde der Kampagne 2006, so der mächtige Hornkern eines afrikanischen Büffels, von dem mittels feiner Sägeschnitte die Hornscheide zur
Weiterverarbeitung abgelöst wurde, Rohelfenbein (Abb. 17) und der Unterkiefer eines Atlaslöwen-Jungtieres auf der Insel.
Marokkanisches Küsten-Neolithikum: Seit wenigen Jahren entsteht im
Bereich der marokkanischen Mittelmeerküste eine Fernstraße, deren Trasse
einerseits bisher unzugängliche Bereiche der Steilküste erschließt, andererseits
durch die offene Bauweise zahlreiche Fundstellen zerstört. Seit 2005 konnten vor allem neolithische Fundplätze lokalisiert werden, deren Habitus von
jenen im Hinterland ausgegrabener Abris deutlich abweicht. Fragestellungen
nach der primären Neolithisierung des Großraumes, nach Wirtschaftsweise
und Relationen zur angestammten Bevölkerung bewogen dazu, hier das neue
Projekt »Marokkanisches Küsten-Neolithikum« zu etablieren.
Abb. 16 Ruine eines portugiesischen
Forts, im Hintergrund die Insel Mogador
(Marokko)
Abb. 17 Mogador (Marokko), Rohelfenbein von Cap Sim
Abb. 18 Ifri Armas (Marokko), Sondagearbeiten im Straßenprofil
Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 217
Abb. 19 Ifri Armas (Marokko), neolithische
Impresso-Keramik
2006 wurden in drei dieser Fundstellen – allesamt Abris – Sondagen niedergebracht, die in allen Fällen ein beachtliches stratigraphisches Potential
zeigten (Abb. 18). Diese Sondagen liefern natürlich nur ein recht begrenztes
Bild, das 2007 in ausgedehnteren Grabungen vertieft werden soll. Dennoch
zeigt sich bereits jetzt, daß das im Hinterland um 5600 v. Chr. einsetzende Neolithikum im Küstenbereich wahrscheinlich bereits früher etabliert ist
(Abb. 19). Von Untersuchungen zu Fauna und Flora erwarten wir Erkenntnisse, ob die Wirtschaftsweise im Frühneolithikum der Küste eine produzierende
ist – im Gegensatz zum fortdauernden Wildbeutertum des Hinterlandes.
Kooperationspartner: Institut National des Sciences de l’Archéologie et du
Patrimoine (INSAP), Rabat; für das Projekt »Marokkanisches Küsten-Neolithikum« zusätzlich ein archäologisch-geomorphologisches Projekt der VWStiftung (vgl. http://www.geoarch.uni-koeln.de) • Leitung des Projekts:
J. Eiwanger, A. Mikdad • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: A. Amarir,
M. Nami, R. Hutterer, J. Moser, L. Reisch, D. Jebb • Abbildungsnachweis:
H.-P. Wittersheim (Abb. 16. 17); J. Linstädter (Abb. 18); J. Eiwanger (Abb. 19).
Informationen im Internet unter: http://www.dainst.org/index_7234_
de.html und www.dainst.org/index_7235_de.html
Tissamaharama (Sri Lanka)
Die Grabung in Tissamaharama konnte zusammen mit dem Archaeological
Department im Frühjahr fortgesetzt werden. Hinzu kam im Herbst eine kleinere Untersuchung im Kloster von Godavaya.
In Tissamaharama wurde am westlichen Rand der Zitadelle bereits im Jahr
zuvor ein Wall angeschnitten. Er ist für die frühe Stadtentwicklung und für
die Definition der Zitadelle als Stadt besonders wichtig. Die Sohle war bisher
nicht zu erreichen, denn der benachbarte Stausee hatte wegen ausgiebiger
Regenfälle einen hohen Wasserstand und daher drückte Wasser in die tiefen
Grabungsflächen. Das zeigt aber, daß der See – so wie er von den Briten im
19. Jh. aufgestaut wurde – nicht identisch mit dem antiken See des 2. Jhs.
v. Chr ist. Die anstreichenden Schichten des 2./1. Jhs. v. Chr. an den Wall
ließen auf der Innenseite einen mehrere Meter breiten Streifen unbebaut,
der als Verkehrsweg diente. Nicht weit entfernt vom Wall stand ein Haus mit
Ziegelfundament aus dem 1. Jh. v. Chr (Abb. 20). Im letzten Jahr konnte der
durch ein Feuer zerstörte Bau der ältesten Phase aufgedeckt werden.
Eine Überraschung bot eine flache Grube unter dem ersten Laufhorizont,
in der verteilt über 50 cm × 40 cm ein Hortfund von rund 800 bronzenen
Lakshmi-Plättchen lag (Abb. 21). Sie gehören alle zu den kleineren Exempla-
20
Tissamaharama (Sri Lanka)
Abb. 20 Haus mit Ziegelfundament aus
dem 1. Jh. v. Chr.
Abb. 21 Hortfund von rund 800 LakshmiPlättchen unter dem ältesten Fußboden des
Hauses
21
218 Jahresbericht 2006 des DAI
Abb. 22 Godavaya (Sri Lanka),
›Image House‹ im Kloster Godavaya,
7.–12. Jh. n. Chr.
ren und sind 1,50 cm bis 2 cm groß. Ihre Qualität ist unterschiedlich, neben
hervorragenden Stücken gibt es auch sehr flache und schlecht geprägte. Einen
vergleichbaren Hortfund hat es bisher noch nicht gegeben. Numismatiker
streiten sich, ob es sich bei diesen ›goddess plaques‹ um Münzen handelt oder
um Votiv-Plättchen. Für beides gibt es gute Argumente.
Seit 1994 führte die Vor- und Frühgeschichte der Universität Bonn unter
Leitung von H. Roth (†) Untersuchungen im Kloster von Godavaya an der
Südostküste der Insel durch. Seit einigen Jahren drängte der Abt des Klosters, aber auch der Antikendienst darauf, die Untersuchungen im sog. Image
House abzuschließen. Der Bau soll konserviert werden. Da die Universität
zur Zeit durch andere Unternehmungen in Anspruch genommen ist, wurde
für eine abschließende Grabung eine Zusammenarbeit mit der KAAK vereinbart (Abb. 22).
Bekannt ist das Kloster wegen einer Felsinschrift aus dem 2. Jh. n. Chr., in
der ihm die Zolleinnahmen des Ortes zugesprochen werden. Aus der Zeit der
Inschrift gibt es jedoch keine Funde. Die älteste Keramik gehört in das 7. Jh.
n. Chr. Selbst beim Planieren von Strukturen für neue Bauten wären ältere
Funde in jüngeren Schichten eingelagert gewesen. Erst nach 700 n. Chr. setzt
eine Bautätigkeit ein. Das Kloster dehnt sich aus.
Im Lauf der Jahrhunderte ist das ›Image House‹, in dem ursprünglich eine
große Buddhastatue von doppelter Lebensgröße stand, mehrfach umgebaut
worden. Ältere Bausubstanz wurde zerstört. Von Osten her führt eine steinerne Treppe hinauf auf ein Podest. Im Gegensatz zu dem Gebäude war dieses
sehr gut erhalten und bot die eigentliche Überraschung der Ausgrabung. Die
Stützmauer aus gebrannten Ziegeln war besonders sorgfältig gesetzt und mit
weißem Mörtel verputzt. Breite, halbrunde Stuckleisten gliederten die Fassade. Gebäude und Podest waren am äußersten Rand des Felssporns errichtet
worden, was eine massive Hangabstützung durch große Felsblöcke notwendig
machte. Dadurch ist im Westteil des felsigen Hügels zum Fluß hin die Baufläche beträchtlich erweitert worden.
Der Gebäudekomplex ist wahrscheinlich vom Fuß der weiß gekalkten
Podestmauer bis zur Dachspitze mindestens 10 m hoch gewesen. Ein solcher,
grell weißer Blickfang über der grünen Vegetation des Hanges wird nicht
ohne Eindruck geblieben sein. Und dieser Eindruck war beabsichtigt.
Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 219
Vom Fuße des Felssporns unterhalb des ›Image House‹ bis zum ehemaligen Fluß sind es nur 150 m. Man wird also in diesem Bereich nach dem antiken Hafen suchen müssen, der Godavaya zu einem wichtigen Handelsplatz
im Königreich Ruhuna machte. Denn die aufwendige Fundamentierung der
Podestmauer und ihre Lage hoch über dem Fluß ist nur in einem Zusammenhang mit dem Hafen zu erklären, der sich in unmittelbarer Sichtweite
befunden haben muß.
Kooperationspartner: Archaeological Department of Sri Lanka • Förderung: Gesellschaft der Freunde und Förderer der Universität Bonn (GEFFRUB)
(Arbeiten in Godavaya) • Leitung des Projekts: H.-J. Weisshaar (Tissamaharama und Godavaya), S. Dissanayake • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
auf deutscher Seite: B. Krause-Kyora, H.-J. Lauffer, H. Schenk, N. Scholpp,
H.-P. Wittersheim, M. Woidich • Abbildungsnachweis: H.-P. Wittersheim
(Abb. 20. 21); H.-J. Weisshaar (Abb 22).
Informationen im Internet unter: http://www.dainst.org/index_616_
de.html
Go O Chua (Südvietnam)
Abb. 23 Mit den ältesten Tonstützen mit
ankerförmigem Ende (1–2) beginnt die Salzsiederei auf Go O Chua etwa im 9. Jh. v. Chr.
auf dem Nordhügel und endet im 2. Jh.
v. Chr. mit oftmals verzierten ›Hornstützen‹
vom jüngsten Typus (6) auf dem Südhügel
Abb. 24 Blick auf eine Tonstützendeponie
im Randbereich des Südhügels. Eine einzige
Fundschicht aus einem solchen Randsektor
von 10 m2 barg in 2 m3 Erdvolumen 3767
Fragmente des Typus 4 und über 3000
Tonscherben von Siedegefäßen
23
Go O Chua (Vietnam)
Die dritte Kampagne der deutsch-vietnamesischen Ausgrabungen auf dem
Fundplatz Go O Chua an der südvietnamesisch-kambodschanischen Grenze
verhalf zu konkreten Vorstellungen über die vorgeschichtliche Nutzung aller
drei Erhebungen dieses 450 m × 150 m großen Siedlungshügels und zu einer
Präzisierung der bisherigen Daten. Erstmals wurde auch auf dem Nordhügel
ein Grabungssektor von 23 m2 mit 2,40 m starken Kulturschichten untersucht. Es zeigte sich, daß hier im Nordbereich von Go O Chua vor fast 3000
Jahren die Salzsiederei begann und erst später auf den Zentral- und Südhügel
ausgedehnt wurde. Offenbar experimentierte man in der Startphase der Salzgewinnung mit verschiedenen Tonstützentypen (Abb. 23), die zum Abstellen
von Siedegefäßen aus organischem Material (z. B. Bambus mit Kalkschicht)
in den Siedeöfen reihenweise ungebrannt verbaut worden waren. Die Verlängerung des Schnitts über den Südhügel erbrachte erneut deponieartige Ablagerungen der Tonstützen (Abb. 24), wie sie im 1. Jt. v. Chr. u. a. in SachsenAnhalt bei der vorgeschichtlichen Salzsiederei verwendet wurden und auch
noch in den 1970er Jahren im Niger (Afrika) zum Einsatz kamen.
Auf der insgesamt 231 m2 umfassenden Ausgrabungsfläche kamen bisher
112 000 Fragmente dieser 22–30 cm langen Tonstützen zutage, darunter etwa
1000 Stück, die durch Reparatur (Lehmüberzug) wiederverwendbar gemacht
24
220 Jahresbericht 2006 des DAI
Abb. 25 Go O Chua (Südvietnam),
die enge Belegung des Gräberfeldes läßt
für die Periode des 7.–13. Jhs. n. Chr. etwa
1000 Gräber vermuten
wurden. Der älteste Typus ist nur mit 270 Fragmenten und einer kompletten
Tonstütze nachgewiesen (Abb. 23. 1). Die Gesamtfläche von Go O Chua
umfaßt rund 65 000 m2. Die Fundumstände sprechen dafür, daß mindestens
40 000 m2 auch Tonstützen bergen. Nach vorsichtigen Schätzungen lagern in
den drei Hügeln 10–20 Millionen Fragmente, die von etwa 2–3 Millionen
Tonstützen stammen. Diese ungewöhnlich lang andauernde und intensive
Salzsiederei endete im 2. Jh. v. Chr. – vermutlich wegen zunehmenden Mangels an Brennstoffen und der immer weiteren Entfernung zur Meeresküste.
Mit einer Neudurchsicht der chinesischen, vietnamesischen und KhmerQuellen konnte klar belegt werden: Salzsieden war in dieser Region bis in das
18. Jh. allgemein üblich – erst danach wurden Salzfelder durch Chinesen nach
Vietnam ›eingeführt‹ und betrieben.
Die Grabungen im Nordbereich zeigten außerdem eine genauso dichte
Belegung mit Körpergräbern des 7.–13. Jhs. n. Chr. wie die anderen Flächen,
so daß die Schätzung von über 1000 Bestattungen an diesem Ort realistisch
ist (Abb. 25). Mit 52 Individuen wurde die bisher größte vor- und frühgeschichtliche Skelettserie ganz Südvietnams und Kambodschas geborgen und
durch M. Francken (Tübingen) vor Ort untersucht. Das Material ist nicht
nur wegen seines großen Umfangs einmalig in dieser Region. Es ist offenbar auch das erste Gräberfeld einer Khmer-Population mit einer kontinuierlichen Belegung über nahezu die gesamte Periode des Chenla- und des
Angkor-Reiches. Unter den Beigaben sind eiserne Pfeil- und Speerspitzen,
Meißel, Dolche, bronzener Ringschmuck oder Beile, Perlen oder Armringe
aus verschiedenen Schmucksteinvarietäten oder Glas und Amulette aus Tigerzähnen. Interessant ist auch die breite Palette an gut erhaltenen Geräten und
Schmuck aus Knochen, Geweih oder Schildkrötenpanzer. Manche der Toten
hatten Geschirrsets im Grab, die teilweise noch Speisereste einer Fisch- oder
Schweinefleischmahlzeit enthielten.
Die Feldarbeiten sind nunmehr verstärkt auf das Umfeld von Go O Chua
auszudehnen. Hier konnten auf vietnamesischem Territorium insgesamt 10
neue Fundplätze mit Tonstützen nachgewiesen werden. Südlich dieser Fundplätze sollen die geologischen Bohrungen zum Nachweis der ehemaligen
Meeresküstenlinie fortgesetzt werden (Abb. 26). Ferner sind Surveys im kam-
Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 221
Abb. 26 Karte, Go O Chua (Fundplatz Nr. 8)
mit weiteren Fundplätzen vorgeschichtlicher Tonstützen (gelbe Punkte) und allen
bisher in Südvietnam nachgewiesenen
Fundplätzen der Prä-Funan-Periode (älter
als 2. Jh. n. Chr., grüne Punkte). Die rote
Linie zeigt die bisher rekonstruierte alte
Küstenlinie vor 3000 Jahren. Oc Eo, die
Hafenstadt des Funan-Reiches (roter Punkt)
liegt heute über 20 km von der Küste
entfernt. Die gesamte Fundaufnahme legt
nahe, daß große Teile Südvietnams im 1. Jt.
v. Chr. noch nicht besiedelbar waren und
die bisher markierte Küstenlinie einer Präzisierung bedarf
bodschanisch-vietnamesischen Grenzland geplant, um weitere BriquetageFundplätze aufzuspüren und deren kulturhistorischen Verbindungen nachzugehen.
Kooperationspartner: Nguyen Xuan Manh (Hochschule für Gesellschafts- und Humanwissenschaften der Staatlichen Universität Hanoi); Bui
Phat Diem (Direktor des Provinzmuseums Long An) • Leitung des Projekts:
A. Reinecke.
Informationen im Internet unter: http://www.dainst.org/index_657_de.html
Karakorum (Mongolei)
Die Ausgrabungen in den Jahren 2005 und 2006 haben erwiesen, daß die Palaststadt nicht, wie bisher angenommen, im Südwesten der Stadt lag, sondern
unter Erdene joo, dessen Klostermauern nachweislich auf den mächtigen
Stampflehmmauern der alten Palaststadt stehen. Die Wallschnittbefunde von
Erdene joo in Kombination mit den neuen Befunden und Erkenntnissen im
›Palastbezirk‹ erlauben eine völlig neue Deutung der Gesamtanlage, die nicht
mehr länger, wie in der Literatur durchweg behauptet, als die 1 : 1 Kopie eines
chinesischen Stadtmodells gelesen werden kann.
Palastbezirk: Im sog. Palastbezirk wurde 2006 neben kleineren Untersuchungen im Bereich des großen buddhistischen Tempels, der ›Großen Halle‹,
ausschließlich im sog. Nebengebäude Nordwest (NW) gegraben. Der Grundriß dieses langrechteckigen Hallenbaus von etwa 24 m × 12 m konnte weitestgehend erschlossen werden. Der Bau gründete auf einer niedrigen, wenig
geschichteten Plattform. Klare Säulen- oder Pfostenstellungen waren innerhalb des Gebäudes nicht festzustellen. Lediglich am südwestlichen Rand des
hallenartigen Baus fand sich ein Fundamentstein aus Granit. Innen entlang
der Außenwände ziehen sich über die gesamte Länge des Gebäudes mehrere
breitflächige Bodenpflaster aus glattem Flußgeröll (›pebble floor‹-level). Vergleichbare Geröllpflaster finden sich häufig in Umgängen. Die regelmäßig
angeordneten Flußkiesellagen sind wandparallel verlegt und biegen an den
Raumecken im rechten Winkel ab. Zur Mitte hin sind einige größere Flächen ausgespart. Es kann davon ausgegangen werden, daß diese Aussparungen
intentional sind. Ihre Funktion ist noch unklar.
222 Jahresbericht 2006 des DAI
27
Die Baufluchten von Zentral- und Nebengebäude verlaufen parallel. Sie
sind eindeutig aufeinander bezogene Teile eines als Einheit konzipierten Bauensembles. Auch das Nebengebäude kann wie die ›Große Halle‹ in das 13. bis
14. Jh. datiert werden. Eine direkte Verbindung in Form einer Galerie oder
eines gepflasterten Weges zwischen Nebengebäude und Haupttempel ist allerdings entgegen des Postulats der Palasthypothese nicht nachgewiesen und
dem ergrabenen Befund nach auch nicht sehr wahrscheinlich.
Die genaue Funktion des Nebengebäudes ist noch unklar. Sicher ist nur,
daß es kein Wohngebäude war, sondern als eine seitenoffene und im Inneren
wenig gegliederte Halle ohne Heizung anzusehen ist, möglicherweise als ein
›Tempel‹, in dem Gebetsmühlen aufgestellt waren.
Erdene joo und die Frage der Palaststadt: Nach dem Zeugnis der wenigen
Schriftquellen muß der Khans-Palast unmittelbar neben der Stadtmauer, aber
außerhalb der Stadt gelegen haben. Der Leiter der russischen Orchon-Expedition F. W. Radloff (1890/92) nahm an, daß Palast und Palaststadt in dem unmittelbar südlich an Karakorum angrenzenden Klostergeviert von Erdene joo
zu suchen sind. Durch einen Testschnitt am Nordwall von Erdene joo konnte
2005 unterhalb der Klostermauer eine ältere Mauer entdeckt werden, die
nach dem stratigraphisch jüngeren Brandschutt zu urteilen, in der 2. Hälfte
des 14. Jhs. außer Funktion gesetzt worden ist.
Der 2005 ergrabene Mauerbefund bestätigte sich 2006 in fünf weiteren
Wallschnitten im Norden, Westen, Süden und Osten der Klostermauer. In
allen sechs Schnitten fanden sich deutliche Überreste einer etwa 7,50 m
mächtigen Stampflehmmauer mit vorgeblendeten Ziegeln und Balkenankern
(Abb. 27. 28). Aufgrund des Fundspektrums wie auch mehrerer Thermolumineszenzdaten kann der Bau der Mauer in die 1. Hälfte des 13. Jhs. datiert
werden. Die Mauerlinie war von der Palaststadt ebenso vorgegeben wie die
für ein Kloster eher ungewöhnliche Viertorigkeit der Anlage. Der archäologische Befund steht widerspruchsfrei zur historischen Überlieferung: Die
Palaststadt, laut Marco Polo eine »mächtige Burg«, lag nach den voneinander
unabhängigen Zeugnissen der zeitgenössischen europäischen und persischen
Quellen außerhalb der Stadt, persischen Angaben zufolge handelte es sich um
eine Anlage mit vier Toren in alle Himmelsrichtungen. Das von S. Kiselev
1949 als Palastbezirk angesprochene Wallgeviert am Südwestrand der Stadt
weist dagegen nur eine einzige (!) (Doppel?-)Toranlage auf. In charakteristi-
28
Karakorum (Mongolei)
Abb. 27
Wallschnitt West außen
Abb. 28
Wallschnitt West innen
Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 223
Abb. 29 Karakorum (Mongolei), Grabung Nordstadt. Nordhaus: Südwand
mit Eingangsbereich (von Süden)
Abb. 30 Karakorum (Mongolei), Wandfragmente mit präklassischer mongolischer Schrift
schen Depressionen des Bodenreliefs ist noch heute deutlich erkennbar, daß
›künstliche Bäche‹ in das Mauergeviert von Erdene joo geleitet worden sind
und daß sich sowohl nördlich der Mauer wie auch im östlichen Innenbereich
der Palaststadt kleine Teiche befunden haben. Auch diese Beobachtung deckt
sich mit zeitgenössischen Beschreibungen.
Grabung Nordstadt: In einer kleineren umwallten Hausgruppe nahe der
nördlichen Stadtmauer sind 2006 zwei Häuser ergraben worden mit dem
Ziel, Inventare zu erschließen, die weniger buddhistisch geprägt und weniger chinesisch bestimmt sind als die im Südwesten und in der Stadtmitte
erschlossenen Komplexe. Geeignete Fundstellen ›alternativer‹ Inventare waren am ehesten im Norden der Stadt zu vermuten, denn im Norden einer
mongolischen Stadt wohnten gewöhnlich die ›normalen‹ Menschen, die Gemeinen, aber auch die, die nach Herkunft und Religion nicht so recht dazu
gehörten wie europäische Christen oder persische und arabische Muslime.
Nach der zeitgenössischen Stadtbeschreibung W. von Rubruks war das muslimische Viertel am ehesten nördlich der chinesisch dominierten Stadtmitte
und der Oststadt zu suchen, dazu ganz im Norden, »am äußersten Ende der
Stadt«, eine nestorianische Kirche.
In der diesjährigen Grabung konnte in der Nordstadtgrabung der Grundriß
eines kleineren Hauses (Nordhaus) vollständig erschlossen werden. Es handelt
sich um ein einfaches Haus aus getrockneten Lehmziegeln (Abb. 29) von etwa
13 m × 4 m. Der nicht mittig gelegene Eingang geht entgegen der ursprünglichen Erwartung nach Süden. Eine eigenartige Verteilung von offensichtlich
intentional deponierten Rinderhornzapfen im Bereich des Eingangs wie auch
entlang der Mauern und im Inneren deutet auf eine kultische Funktion des
Baus. Von einem zweiten größeren Haus im Osten der Baugruppe sind bisher
nur eine freie, nicht ummauerte Estrichfläche sowie mehrere Ziegelpflaster
und Wandteile im Westen des Hauses ergraben worden. Allein in der Breite
(Ost-West) mißt das Haus mindestens 12 m. Fußböden auf zwei verschiedenen Ebenen deuten auf zwei Bauphasen oder gar verschiedene Bauperioden.
Wie im Nordhaus ist eine Wohnnutzung fraglich, wahrscheinlicher ist ein
Kultbau. Gegen ein Vorratshaus oder eine Werkstatt sprechen größere Reste
von ornamentaler Wandmalerei, darunter bisher einzigartige Wandfragmente
mit mongolischer Schrift (Abb. 30). Es handelt sich um die ersten Funde dieser Art in der Mongolei. Die Zeitstellung ist noch offen, dem Schriftduktus
nach sind die Fragmente aber in jedem Fall präklassisch, d. h. älter als das 16. Jh.
224 Jahresbericht 2006 des DAI
Bestätigt sich die archäologisch indizierte Datierung des Hauses in das 13. Jh.,
so wären dies neben Güyüks Brief an Papst Innozenz IV. die ältesten Zeugnisse mongolischer Handschrift und die bislang einzigen aus einem archäologischen Kontext vor dem 16. Jh.
Kooperationspartner: Archäologisches Institut der Mongolischen Akademie
der Wissenschaften • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: H.-G. Hüttel, D. Bayar • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: Ch. Franken, U. Erdenebat
(Grabungsleitung vor Ort), A. Rieger (Leitung der Vermessung der Nordstadt), J. Kollowa, S. Lareya (Vermessung der Nordstadt), H.-P. Wittersheim,
mongolische Studierende und Aspiranten der Ulaanbaatar-Universität, der
Pädagogischen Hochschule und der Kunstakademie Ulaanbaatar, Studierende
der Freien Universität und der Humboldt-Universität Berlin sowie der Universität Leipzig.
Wissenschaftliche Veranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit
Vorträge
9. Februar Heiko Prümers (Bonn), Im Schatten der Anden. Archäologische
Forschungen in den Llanos de Moxos, Bolivien.
Öffentlichkeitsarbeit
Dank einer Spende des Japan Maria Reiche Funds konnte eine Angestellte
des Museums in Palpa für weitere zwei Jahre finanziert werden. Als weitere
touristische Attraktion wurden in der Gemeinde Llipata unter Anleitung von
J. Isla eine Gruppe paracaszeitlicher Geoglyphen restauriert und ein 12 m hoher Beobachtungsturm errichtet. Ein kleiner Ausstellungsraum dokumentiert
die Restaurierungsarbeiten und die Geschichte der Geoglyphen.
Während der Feldarbeiten drehte der Schweizer Filmemacher F. Tissi in
Palpa eine Sequenz für seine Dokumentation über Menschen in der Wüste
und ein japanisches Fernsehteam der TBS produzierte eine Dokumentation
über das Projekt Palpa, die im Zusammenhang mit einer in Japan gezeigten
Nasca-Ausstellung ausgestrahlt wurde. In der Wissenschaftssendung »W wie
Wissen« (ARD, 10. Dezember) und »Nano« (3Sat, 5. Januar 2007) wurde über
das Projekt Palpa berichtet.
Herr Prümers betreute in Bolivien ein japanisches Fernsehteam, das eine
Dokumentation über die Grabungen in der Loma Salvatierra für die Sendung
»Amazon Special II« erstellte. In den Sonntagsbeilagen der drei auflagenstärksten Zeitungen Boliviens erschienen ausführliche Berichte über das Projekt.
Das Projekt »Mogador« fand in den marokkanischen Medien ein beachtliches Echo, nicht zuletzt, weil Essaouira ohnehin nach Marrakesch als die kleine Kulturhauptstadt Marokkos gilt und der Name der Insel fast jedermann im
Lande ein Begriff ist. Die Presse berichtete umfangreich, und das Fernsehen
strahlte an mehreren Abenden eine Reportage zum Projekt aus.
Die KAAK war mit einem bedeutenden Fossilfund (»Ammar-Mensch«) an
der Ausstellung »Roots – Wurzeln der Menschheit« im Rheinischen Landesmuseum Bonn beteiligt.
Herr Hüttel hielt im Rahmen der Mongoleiausstellung in München zwei
Vorträge über die Ausgrabungen und die politische Symbolik Karakorums.
Herr Reinecke stellte in Tan An (Vietnam) vor Vertretern der Museen
und Kultureinrichtungen Südvietnams die Ergebnisse der diesjährigen Ausgrabungskampagne vor.
Eurasien-Abteilung 225
Veröffentlichungen
Forschungen zur Archäologie Außereuropäischer Kulturen 2: K. Lambers,
The Geoglyphs of Palpa
Forschungen zur Archäologie Außereuropäischer Kulturen 3.1: St. Wenig
(Hrsg.), In kaiserlichem Auftrag: Die Deutsche Aksum-Expedition 1906
unter Enno Littmann
Zeitschrift für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 1, 2006
Eurasien-Abteilung
Abb. 1 Pietrele (Rumänien), Satellitenaufnahme mit Kreisgrabenanlage auf der
obersten Donauterrasse
Ausgrabungen und Forschungen
Pietrele (Rumänien)
2006 konnten die Untersuchungen am kupferzeitlichen Siedlungshügel
M‡gura Gorgana bei Pietrele sehr erfolgreich fortgesetzt werden. Auf einem
Satellitenbild wurde ein ca. 170 m × 130 m großer Kreisgraben auf der obersten Donauterrasse identifiziert (Abb. 1). Die Entfernung zum Siedlungshügel
beträgt ca. 600 m. Eine Gleichzeitigkeit von Tell und Kreisgraben kann aber
noch nicht erwiesen werden.
In Fläche B sind im östlichen Haus zwei Reihen unverbrannter Webgewichte erfaßt worden, die auf den Standort eines Webstuhls hindeuten. Leider waren keine Spuren des hölzernen Webstuhlrahmens mehr nachweisbar.
226 Jahresbericht 2006 des DAI
Ursprünglich dürften die meisten der zahlreichen Webgewichte in der Siedlung unverbrannt benutzt und erst beim Hausbrand gebrannt worden sein
(Abb. 2). Zum Weben wurde vermutlich Flachs verwendet.
In Fläche F konnte wieder ein verbranntes Haus dokumentiert werden.
Sein Nordteil scheint weniger durch das Feuer beeinträchtigt worden zu sein
als der südliche Hausteil. Ein Ofen und eine – schräg nach Norden abgekippte – Lehminstallation gehören zum üblichen Inventar eines Hauses. In
diesem Falle konnte im Ofenbereich erstmals ein harter Lehmboden nachgewiesen werden. Östlich des Ofens fanden sich Reste von drei menschlichen
Individuen. Überraschenderweise lag der harte Lehmboden mit dem Ofen
unmittelbar auf lockerem, stark verbranntem Hüttenlehm auf. Es ist naheliegend, hierin ein zweites Geschoß zu erblicken. Dies wird auch dadurch
wahrscheinlich, daß sich direkt neben dem heruntergestürzten Geschoß auf
dem Boden des Gebäudes ein großes Gefäß fand (Abb. 3). Der unebene Boden des Erdgeschosses ist – vermutlich sekundär – gebrannt. Auf dem Boden
Abb. 2 Pietrele (Rumänien), kupferzeitlicher Siedlungshügel. Sekundär gebrannte
Webgewichte
Abb. 3 Pietrele (Rumänien), kupferzeitlicher Siedlungshügel. Fußboden mit
Ofen über Brandschutt und vollständigem
Speichergefäß
finden sich kleine blauschwarz verbrannte Muschelschalenfragmente, welche
das Laufniveau anzeigen. Wenn sich der Ofen ursprünglich in einem zweiten Geschoß befunden hätte, würde dies erklären, warum bislang noch keine
hartgebrannten oder anders konstruierten Böden gefunden wurden. Das Erdgeschoß könnte als Speicher und Arbeitraum genutzt worden sein, während
man im Dachgeschoß schlief.
Mittlerweile belegen über 100 Kupferartefakte, zumeist Kleingerät und
Schmuck den regen interregionalen Austausch, in den die Siedlung eingebunden war. Charakteristisch sind Gewandnadeln mit rhombischer Kopfplatte oder Doppelspirale (Abb. 4). Das bislang schwerste Objekt ist mit ca.
80 g ein Meißel (Abb. 5). Auch Knochen wurden zu vielfältigen Werkzeugen verarbeitet. Dazu zählen Nadeln und Ahlen, aber auch kleine Beile und
Meißel. Interessant ist ein Knochenbeil, aus dem ursprünglich einmal eine
Knochenstatuette werden sollte, die aber verworfen wurde und schließlich
noch Verwendung als Beil fand (Abb. 6). Zu den spektakulären Neufunden
4
5
Pietrele (Rumänien), kupferzeitlicher
Siedlungshügel
Abb. 4
Kupfernadeln
Abb. 5
Kupfermeißel (M. 1 : 2)
Eurasien-Abteilung 227
Pietrele (Rumänien), kupferzeitlicher
Siedlungshügel
Abb. 6 Knochenstatuette, die zum Beil
umgearbeitet wurde, und Knochenbeile
(von links nach rechts; M. 1 : 4)
Abb. 7
Flintvorrat mit langen Klingen
6
7
zählt auch ein Vorrat von langen Silexklingen (Abb. 7). Solche langen Klingen
gehören in Gräberfeldern zu den reichsten Grabinventaren und gelten als
Reichtumsindikatoren.
Kooperationspartner: Archäologisches Institut der Rumänischen Akademie der Wissenschaften (A. Vulpe, M. Toderaş) • Förderung: DFG; BMBF
• Leitung des Projekts: S. Hansen • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen:
N. Benecke (Archäozoologie), I. Gatsov (Silexgeräte), J. Görsdorf (14C-Altersbestimmung), F. Klimscha (Beile und Äxte), P. Nedelčeva (Silexgeräte),
R. Neef (Botanik), M. Toderaş, M. Prange (Kupfergeräte), D. Price (Isotopie), A. Reingruber (DFG, Keramik), B. Song (Geomagnetik), B. T‡n‡sescu
(Kleinfunde), J. Wahl (Anthropologie), J. Wunderlich, T. Hoppe (Holozäne
Landschaftsrekonstruktion) • Abbildungsnachweis: DAI, Eurasien-Abteilung,
S. Hansen (Abb. 1–7).
Ovčarovo-gorata, Kreis T‡rgovište (Bulgarien)
Die Arbeiten zur Dokumentation der Altgrabung »Ovčarovo-gorata« konnten
erfolgreich fortgeführt werden. Es handelt sich um eine auf großer Fläche ergrabene frühneolithische Siedlung, die von 1974 bis 1979 vom Historischen
Museum der Stadt T‡rgovište in Nordostbulgarien freigelegt wurde (Abb. 8).
Eine erneute Datierung von ausgewählten Knochengeräten aus dem Fundmaterial mit der 14C-Methode bestätigt ihre Zeitstellung unmittelbar vor der
Mitte des 6. Jts. v. Chr. Da es sich bislang um die einzige weitgehend vollständig freigelegte Siedlung dieses Zeithorizontes handelt, ist die Veröffentlichung
der Grabungsergebnisse von besonderer Bedeutung für die gesamte Region
Abb. 8 Ovčarovo-gorata (Bulgarien),
der Fundplatz der frühneolithischen
Siedlung im Sommer 2006. Im Hintergrund sieht man den Höhenzug der
Preslavska Planina
228 Jahresbericht 2006 des DAI
9
10
am Unterlauf der Donau. Das Fundmaterial repräsentiert eine Phase des entwickelten balkanischen Frühneolithikums und kann mit der Phase II des Hügels von Karanovo in Thrakien parallelisiert werden. Im Jahr 2006 konnte die
Dokumentation der wichtigsten Fundgattungen abgeschlossen werden. Neben
der Gefäßkeramik (Abb. 9) sowie den Stein- (Abb. 11) und Knochengeräten
stammt von dem Fundplatz eine der umfangreichsten Kollektionen frühneolithischer Idolplastik (Abb. 10), die von I. Vajsov bearbeitet wird. Die Arbeit mit der Grabungsdokumentation aus den 1970er Jahren bedingte eine
kritische Auseinandersetzung mit den Bauplänen der Siedlung. Danach müssen die bislang bekannt gewordenen regelmäßigen Pfostenhausgrundrisse
sämtlich verworfen werden. Es handelt sich in Ovčarovo-gorata um leicht in
den Boden eingetiefte Bauten in Lehm-Holz-Bauweise, die zwar sehr vereinzelt Pfostenstellungen aufweisen, diese sind jedoch keineswegs entlang des
gesamten Grundrisses zu verfolgen. Vielmehr entsprechen die Häuser dem
Typus eines rechteckigen bis quadratischen Baus mit abgerundeten Ecken,
die agglutinierend aneinander gesetzt wurden, wie sie auch in den etwa zeitgleichen Siedlungen von Aşağı Pınar und Ilıpınar im Nordwesten der Türkei
nachgewiesen werden konnten. Ebenfalls im Vergleich mit Siedlungstypen in
der Türkei, aber auch mit anderen frühneolithischen Siedlungen in Südosteuropa, kann eine lineare Struktur im Südwesten der Siedlung als Grabenanlage interpretiert werden (Abb. 12). Nach dem Eingang der letzten naturwissenschaftlichen Untersuchungen ist die Drucklegung des Manuskriptes
geplant.
11
Ovčarovo-gorata (Bulgarien),
frühneolithische Siedlung
Abb. 9
Gefäßkeramik
Abb. 10
Zwei Keramikstatuetten
Abb. 11
Steinbeile
Eurasien-Abteilung 229
Abb. 12 Ovčarovo-gorata (Bulgarien),
Gesamtplan der frühneolithischen Siedlung.
Hausgrundrisse sind rot unterlegt, im
Südwesten ist mit grauer Farbe der Verlauf
des Grabens markiert
Kooperationspartner: Historisches Museum T‡rgovište (I. Angelova,
M. Žečeva); Bulgarisches Archäologisches Institut Sofia (I. Vajsov) • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: R. Krauß • Abbildungsnachweis:
R. Krauß, M. Brückner (Abb. 8); H. Grönwald, D. Kratz (Abb. 9); I. Vajsov
(Abb. 10); R. Krauß, P. V‡lev (Abb. 11).
Abb. 13 Ovalfacettierte Keramik (Ukraine),
Schale aus dem Gräberfeld von Černjachov
bei Kiev (Dm Mündung 13 cm)
Ovalfacettierte Keramik der Černjachov-Kultur (Ukraine/Moldavien/Rumänien)
Für die Datierung von Fundkomplexen der Černjachov-Kultur, die von der
2. Hälfte des 3. bis in die ersten Jahrzehnte des 5. Jhs. n. Chr. bestand, sind vor
allem Fibeln, Schnallen sowie andere Schmuck- und Trachtbestandteile von
Bedeutung. Aufgrund der relativ schnell wechselnden Mode erlauben diese
Funde z. T. eine auf etwa ein halbes Jahrhundert genaue zeitliche Einordnung.
Ausgangspunkt des deutsch-ukrainischen Gemeinschaftsprojekts war die Frage, inwieweit durch ovale Facetten verzierte Keramik zeitlich begrenzt auftrat
und dadurch ebenso als chronologischer Indikator, d. h. als Mittel zu Datierung, eingesetzt werden kann. Diese überwiegend in einer Reihe auf dem
Gefäßumbruch von Schalen oder Kannen, vereinzelt auch auf anderen Gefäßen, angebrachten ovalen Facetten gehören zu den markanten Erscheinungen
innerhalb des Verzierungsspektrums der Černjachov-Kultur (Abb. 13–15).
Ovalfacetten kommen in Kombination mit anderen Motiven oder auch als
einziges Verzierungselement vor und treten im gesamten Verbreitungsgebiet
der Černjachov-/Sîntana de Mureş-Kultur vom Osten der heutigen Ukraine
bis nach Rumänien auf. Sie finden sich fast ausschließlich auf Gefäßen, die auf
der schnellrotierenden Drehscheibe hergestellt wurden.
230 Jahresbericht 2006 des DAI
Ovalfacettierte Keramik (Ukraine)
Abb. 14 Becher aus dem Gräberfeld von
Černjachov bei Kiev (Dm Mündug 7,9 cm)
Abb. 15 Kanne aus Grab 29 des Gräberfeldes in Uspenka im Osten der Ukraine
(H Gefäß 31 cm)
14
15
Ziel der Untersuchung war es, die aufgrund ihrer Geschlossenheit chronologisch auswertbaren Fundkomplexe für dieses weite Gebiet zusammenzustellen. Insgesamt konnten durch Recherchen und Materialaufnahmen in
verschiedenen Museen der Ukraine rund 65 Gräber sowie ein Siedlungskomplex erfaßt werden, die ein oder sogar mehrere derartig verzierte Gefäße
enthielten. In den bisherigen Untersuchungen zur Keramik und Chronologie
der Černjachov-Kultur erscheinen Gefäße mit Ovalfacetten innerhalb ihrer
letzten Phasen. Nicht alle der jetzt erfaßten Gräber können durch weitere
Beigaben wie Fibeln, weiteren Schmuck, Kämme, oder römische Importstükke gut datiert werden. Wenn dies möglich war, handelt es sich aber tatsächlich
jeweils um Gräber mit später Zeitstellung innerhalb der Černjachov-Kultur,
d. h. aus der 2. Hälfte des 4. und dem Beginn des 5. Jhs., so daß tatsächlich
eine Datierung mittels ovalfacettierter Keramik möglich ist. Die detaillierte
Publikation der Ergebnisse und aller erfaßten Komplexe wird das Projekt
abschließen.
Ovale Facetten finden sich jedoch auch außerhalb der Černjachov-Kultur
in verschiedenen Gebieten, hier auf handgeformten Gefäßen. In Mitteleuropa
werden die bekannten Fundkomplexe bereits an den Anfang des 4. Jhs. datiert
und finden sich noch bis zu Beginn des 6. Jhs. Daher läßt sich das Auftreten
innerhalb der Černjachov-Kultur als Teil der überregionalen Stilentwicklung
innerhalb des ›Barbaricums‹ werten, deren Ursprung in den römischen Glasund Metallgefäßen zu suchen ist. Die dort verwendeten Verzierungselemente,
darunter ovale Facetten, wurden als Anregung durch die Töpfer aufgegriffen
und innerhalb des eigenen Verzierungsspektrums adaptiert.
Kooperationspartner: Archäologischer Denkmalschutzdienst des Archäologischen Instituts der Akademie der Wissenschaften der Ukraine, Filiale Ternopol’ (B. Strocen’) • Leitung des Projekts: E. Schultze • Abbildungsnachweis: DAI, Eurasien-Abteilung, E. Schultze (Abb. 13. 14); Kraevedčeskij Muzej
Sumy, I. Rojčenko (Abb. 15).
Drehscheibenkeramik der Černjachov-Kultur in Vojtenki (Ukraine)
Die ca. 50 km westlich von Charkov im Osten der Ukraine gelegene Siedlung von Vojtenki wird seit 2004 durch die archäologische Expedition der
Universität Charkov unter der Leitung von M. Ljubičev untersucht. Dieser umfangreiche Siedlungsplatz der Černjachov-Kultur bestand vor allem
Eurasien-Abteilung 231
17
Vojtenki (Ukraine), Siedlungsplatz der Černjachov-Kultur
(ca. 4. Jh. n. Chr.)
Abb. 16
Töpferofen
Abb. 17
Scherbenlager
Abb. 18
Rekonstruierter einfacher Topf
Abb. 19
Rand einer Schale mit eingeglätteter Verzierung
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im 4. Jh. n. Chr. Die Auswertung des Keramikmaterials ist Gegenstand eines
deutsch-ukrainischen Gemeinschaftsprojekts. Ein aus Lehm errichteter Töpferofen belegt die örtliche Keramikherstellung (Abb. 16). Das Unterteil der
Zweikammerkonstruktion, der Schürhals und die Feuerungskammer der eingetieften Anlage, hatte sich gut erhalten. Auf der darüber liegenden Lochtenne wurde die zu brennende Keramik eingestapelt. Darüber wölbte sich eine
Kuppel, von der nur noch die unteren Wandansätze vorhanden sind.
Die Untersuchung der Keramik ist darauf gerichtet, das in der Siedlung
benutzte Gefäßsortiment zu erfassen, sie soll aber auch der Frage nachgehen,
in welchem Umfang die hier genutzten Gefäße vor Ort hergestellt wurden.
Dafür waren zunächst die bisher gemachten Funde aufzunehmen. Im Vordergrund stand das Material in und um die Ofenanlage sowie die Keramik der
bislang untersuchten Gebäude und Befunde. Dazu gehörte auch ein Scherbenlager (Abb. 17). Das Keramikspektrum umfaßt zu rund 90 % Drehscheibenkeramik, in erster Linie einfache Topfformen mit variierender Rand- und
Oberflächengestaltung (Abb. 18). Außerdem fanden sich Schalen, die z. T. mit
eingeglätteten Verzierungen versehen waren (Abb. 19). Entgegen den Erwartungen traten im Ofenbereich keine Fehlbrände auf, was für eine Beräumung
des Bereiches nach dem letzten Brand in der Ofenanlage spricht.
Die spezifischen Merkmale der Keramik dieser Siedlung lassen sich nicht
allein durch archäologische Methoden analysieren. Um die Zusammensetzung von Ton und Magerung der Keramik zu erfassen sind naturwissenschaftliche Untersuchungen notwendig. Deshalb wurde durch M. Daszkiewicz
und G. Schneider mit der Analyse einer Probenserie begonnen, bei der eine
Kombination unterschiedlicher Methoden angewendet wird (Nachbrennen,
232 Jahresbericht 2006 des DAI
Dünnschliffe, chemische Analysen). Die Ergebnisse werden zeigen, wie viele
unterschiedliche Keramikwaren auf der Siedlung vorkommen.
Kooperationspartner: Historische Fakultät der V. N. Karazin-Universität
Charkov; Institut für Anorganische und Analytische Chemie, Arbeitsgruppe
Archäometrie der Freien Universität Berlin (G. Schneider); ARCHEA (Archeometric Analysis and research) Warschau (M. Daszkiewicz) • Leitung
des Projekts: M. Ljubičev, E. Schultze • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen:
K. Myzgin, X. Varačeva • Abbildungsnachweis: DAI, Eurasien-Abteilung,
E. Schultze (Abb. 16–19).
Alma Kermen, Krim (Ukraine)
Die Feld- und Materialforschungen in Alma Kermen bei dem Dorf Zavetnoe auf der südwestlichen Krim wurden 2006 intensiv fortgeführt. Im Zentrum des durch die Eurasien-Abteilung des DAI vertretenen Teilvorhabens
stand die Aufarbeitung und Analyse der Feinkeramik aus den Altgrabungen
(1954–1981) und den laufenden Kampagnen (seit 2004) in der Nekropole.
In den bislang untersuchten 345 Gräbern des weitläufigen spätskythischen
Bestattungsareals, das etwa 7 ha einnimmt, fanden sich 360 weitgehend intakt
erhaltene Terra Sigillata-Gefäße (Abb. 20. 21). Dieses »römische Tafelgeschirr«,
das als Massenware sowohl in großen spezialisierten Werkstätten als auch in
kleinen Töpfereien im gesamten Römischen Reich hergestellt wurde und
die Märkte überflutete, findet sich interessanterweise auch im nordpontischen
›Barbaricum‹, dem Hinterland der griechischen Städte an der Schwarzmeerküste, in überaus großer Zahl. In den Nekropolen der im 3./2. Jh. v. Chr.
auf der zentralen und westlichen Krim, aber auch im unteren Bug-/DneprRaum ansässig gewordenen späten Skythen gehörte dieses Geschirr als fester
Bestandteil zum Bestattungsritual. Die Zahl der beigegebenen Gefäße verhält sich dabei kongruent zur sonstigen Ausstattung eines Grabes, d. h. eine
an Schmuck, Geräten oder sonstigen Utensilien überdurchschnittlich reiche
Bestattung verfügt auch über mehr als die zwei Gefäße, welche in der Regel
als Set, bestehend aus einem offenen und einem geschlossenen, beigegeben
waren. Eine erste Klassifizierung der im spätskythischen Alma Kermen vertretenen keramischen Waren ergab, daß mehr als 90 % der Gefäße aus Töpfereien
stammen, die im Schwarzmeerraum zu lokalisieren sind. Die mindestens drei
Werkstätten der qualitätvollen sog. Pontischen Sigillata (A, B und C) konnten freilich bislang nicht lokalisiert werden. Ein quantitativer Vergleich ihrer
Funddichte an unterschiedlichen Orten, aus dem sich vielleicht auf die Richtung schließen ließe, aus der die eine oder andere Ware kommt, steht noch
aus. Gefäße aller drei Waren sind in Alma Kermen vertreten. Ein weiterer,
nicht geringer Teil kann Töpfereien in oder um Chersonesos zugeschrieben
werden, wo auch Öfen nachgewiesen sind. Gefäße, die im Südwesten der
Krim gefertigt wurden, fallen durch einen hohen Anteil an Kalkeinschlüssen im Ton auf, der durchaus makroskopisch erkennbar ist. Die Importkeramik aus nicht-pontischen Regionen, die in Alma Kermen etwas weniger
als 10 % ausmacht, beleuchtet die Fortsetzung Jahrhunderte alter Beziehungen zwischen den griechischen Städten der nördlichen Schwarzmeerküste
und Westkleinasien auch in römischer Zeit. Auf welcher Grundlage und in
welcher Form allerdings die Gütervermittlung zwischen ersteren und ihrem
›barbarischen‹ Hinterland erfolgte, wie ›griechisch‹ oder ›römisch‹ die Bevölkerung von Alma Kermen möglicherweise war, ob sie repräsentativ ist für
ein homogenes ›spätskythisches‹ Ethnos und worin dessen Vorliebe für das
antike Geschirr wurzelt, sind einige der in den laufenden Untersuchungen
fokussierten Fragen.
20
21
Abb. 20. 21 Alma Kermen (Ukraine),
›Pontische Sigillata‹ aus der spätskythischen
Nekropole. 2. Jh. n. Chr.
Eurasien-Abteilung 233
Kooperationspartner: Institut für Klassische Archäologie der Freien Universität Berlin; Krim-Abteilung des Archäologischen Instituts der Akademie
der Wissenschaften der Ukraine in Simferopol; Institut für Anorganische und
Analytische Chemie, Arbeitsgruppe Archäometrie der Freien Universität
Berlin (G. Schneider, M. Daszkiewicz) • Förderung: Fritz Thyssen Stiftung
• Leitung des Projekts: F. Fless (Freie Universität Berlin), J. P. Zajcev (Simferopol) • Mitarbeiterin: E. Kühnelt (DAI, Eurasien-Abteilung, Bearbeitung
der Terra Sigillata-Gefäße) • Abbildungsnachweis: DAI, Eurasien-Abteilung,
E. Kühnelt (Abb. 20. 21).
Taman-Halbinsel (Russische Föderation)
Im Sommer 2006 startete das deutsch-russische Gemeinschaftsprojekt zur
Erforschung der nordwestlichen Taman-Halbinsel. Im Vordergrund steht die
Frage, wann und wie griechische Kolonisten die asiatische Seite der wichtigen Meerenge am kimmerischen Bosporus unter ihre Kontrolle brachten;
eine Region, die seit dem 5. Jh. v. Chr. im Zentrum des aufstrebenden Bosporanischen Reichs, dem frühesten griechischen Flächenstaat, lag. Dabei ist
neben den Hauptorten besonders auf die räumliche Gestaltung und Befestigung des Hinterlandes, der Chora, zu achten, da auch der Frage nach dem
Verhältnis zur indigenen Bevölkerung nachgegangen werden soll.
Das Projekt hat zum einen die Rekonstruktion der naturräumlichen Bedingungen zum Ziel, wie sie von den Griechen im 7. und 6. Jh. v. Chr. vorgefunden wurden. Eine interdisziplinäre Untersuchung zur Küstenentwicklung
in Zusammenarbeit mit H. Brückner geht daher Hinweisen aus der Antike
nach, die von Inseln anstelle der heutigen Halbinsel berichten. Zudem sind
in der Bucht von Taman große Teile der antiken Küstenorte im Meer versunken.
Zum anderen wurde mit der archäologischen Untersuchung der Stadt Kepoi und ihres Hinterlandes begonnen. Im Staatlichen Historischen Museum
in Moskau sind die dort aufbewahrten Funde aus der milesischen Kolonie
und ihren Nekropolen sowie die Grabungsdokumentation mehrerer Jahrzehnte gesichtet worden. Mit der Restaurierung, der zeichnerischen und
photographischen Aufnahme des Materials aus dem ins 6. Jh. v. Chr. zurückreichenden Aphrodite-Heiligtum (Abb. 22) und den Nekropolen (Abb. 23)
der Stadt wurde begonnen. Die Feldarbeit der Sommerkampagne widmete
sich archaischen Fundstellen im Umland von Kepoi, die von J. Paromov nach
Luftbildauswertung und Surveys ausgemacht und von uns für weiterführende
Taman-Halbinsel (Russische Föderation)
Abb. 22 Marmorbecken mit dem Fragment einer Weihinschrift an Aphrodite aus
dem Aphrodite-Heiligtum in Kepoi. Staatliches Historisches Museum in Moskau
22
Abb. 23 Hellenistische Figur aus Terrakotta. Teil eines Grabinventars aus der
Westnekropole von Kepoi. Staatliches
Historisches Museum in Moskau
23
234 Jahresbericht 2006 des DAI
25
Taman-Halbinsel (Russische Föderation), Golubickaja 2 im Hinterland von Kepoi
Abb. 24 Die Umrisse der ummauerten Siedlung treten nach der
Auswertung der geophysikalischen Prospektion im Plan deutlich
hervor. Die unruhige Struktur infolge der vielen Anomalien im
Siedlungsareal deutet auf intensive Siedlungsaktivität
Abb. 25 Blick von Osten auf die Fundstelle Golubickaja 2 am Ende
des hellen Feldes, rechts bereits das Asovsche Meer. Noch heute
existiert eine Verbindung zwischen dem verlandenden Binnensee
und dem Meer. In der Antike wurde hier wohl eine der Durchfahrten
ins Asovsche Meer kontrolliert
24
Untersuchungen vorgesehen wurden. Vier der ausgewählten Orte sind von
H. Stümpel geophysikalisch vermessen worden. Besonders erfolgreich war
die geomagnetische Prospektion der Fundstelle Golubickaja 2 im Nordosten
des Untersuchungsgebietes. Deutlich treten im Plan die Umrisse einer befestigten Siedlung hervor (Abb. 24. 25). Auch die schlecht zugänglichen, in
den abschüssigen Böschungen steckenden westlichen und nördlichen Mauern konnten angetroffen werden, womit die ummauerte Fläche ca. 63 000 m2
beträgt. Die Lage der befestigten Siedlung Golubickaja 2 auf der östlichen
Seite einer antiken Meerenge, wo ein Binnensee noch heute ins offene Meer
entwässert, war sicher von großer strategischer Bedeutung. Konnte doch hier
eine der vermutlichen Zufahrten ins Asovsche Meer kontrolliert werden. So
überraschend wie die Entdeckung der befestigten Grenzsiedlung selbst, ist
auch ihre voraussichtliche Zeitstellung. Die Keramik der Oberflächenbegehung sowie aus zwei Suchschnitten ist ausnahmslos zwischen der 1. Hälfte des
6. Jhs. v. Chr. (Abb. 26) und der hellenistischen Zeit zu datieren. Damit könnte
die Grenzbefestigung im Hinterland zeitgleich mit den frühesten griechischen Ansiedlungen am kimmerischen Bosporus überhaupt entstanden sein.
Kooperationspartner: Staatliches Historisches Museum Moskau; PhilipsUniversität Marburg (H. Brückner); Geophysikalisches Institut der ChristianAlbrechts-Universität zu Kiel (H. Stümpel) • Förderung: BMBF • Leitung
des Projekts: U. Schlotzhauer, D. Žuravlev (Moskau) • Mitarbeiter: J. Paromov (Moskau) • Abbildungsnachweis: DAI, Eurasien-Abteilung, U. Schlotzhauer (Abb. 22. 25. 26); Staatliches Historisches Museum Moskau (Abb. 23);
H. Stümpel (Abb. 24).
Abb. 26 Taman-Halbinsel (Russische Föderation), Golubickaja 2 (Id.-Nr. Golu/2-1.1).
Der Oberflächenfund eines nordionisch/
aiolischen Mäanderrandtellerfragments
der späten Stilstufe NiA I/AiA I, 1. Hälfte
des 6. Jhs. v. Chr., dokumentiert den frühen
Kontakt zum Norden der westkleinasiatischen Küste. Teller dieser Art finden sich an
vielen Stellen des nördlichen Schwarzen
Meeres, etwa in Berezan, aber auch auf der
europäischen Seite des Bosporus beispielsweise in Myrmekion (M. 1 : 1)
Eurasien-Abteilung 235
Kislovodsk (Russische Föderation), Siedlungen mit symmetrischem Grundriß als
Phänomen einer komplexen Landschaftsnutzung während der Spätbronze- und
Früheisenzeit im Nordkaukasus
Im Herbst 2004 wurde am Südrand des Talkessels von Kislovodsk ein neuer
Siedlungstyp der Spätbronze- und Früheisenzeit entdeckt. Es handelt sich um
dorfartige Komplexe mit einem zentralen Platz und symmetrisch angeordneten Gebäudereihen an dessen Seiten (Abb. 27). Die Siedlungen sind aufgrund
ihrer Erhaltungsbedingungen auf Luftbildern zu erkennen, wodurch es nicht
nur möglich ist die Fundstätten zu lokalisieren, sondern auch ganze Siedlungslandschaften zu erfassen.
Die Entdeckung von mehr als 80 neuen Fundplätzen mit Siedlungen,Wallund Kreisanlagen sowie Landmauern in Höhen von 1400 m bis 2500 m wirft
die Frage nach der Funktionalität dieser Orte auf. Sind sie Teil einer saisonalen bewirtschafteten Kulturlandschaft mit unterschiedlichen Siedlungstypen
in verschiedenen Höhenstufen? Oder handelt es sich um ein Areal mit Dauersiedlungen, das unabhängig von den Tallandschaften war und eine andere
ökonomische Grundlage hatte?
Abb. 27 Kislovodsk (Russische Föderation), die spätbronzezeitliche bis früheisenzeitliche Siedlung Kabardinka 2
im 3D-Geländemodell
Um dies zu klären wird ein Luftbildkatalog erarbeitet, dessen Ergebnis
durch Geländeprospektionen überprüft wird. Bislang wurden über 30 der auf
Luftbildern erkannten Fundplätze vor Ort verifiziert. Nur zwei Kreisanlagen
konnten nicht entdeckt werden. Von allen Plätzen stammt Oberflächenmaterial der Spätbronze- und Früheisenzeit. Daneben werden auf ausgewählten
Siedlungen systematische Begehungen durchgeführt. Sie sollen Aktivitätszonen zeigen und das Verhältnis von bebauter zu genutzter Siedlungsfläche
klären. Unterstützt werden die Begehungen durch die Anlage von digitalen
Geländemodellen, die das Mikrorelief der Ruinen zeigen, und durch bodenkundliche Untersuchungen, die Hinweise auf die Art der Aktivitäten geben.
So konnte die Aufstallung von Vieh auf dem zentralen Platz durch mikrobakteriologische Untersuchungen nachgewiesen werden.
Als weitere zerstörungsfreie Prospektionsmethoden wurden 2005/06 Georadar- und Magnetikmessungen durchgeführt (Abb. 28). Die Magnetik zeigt
in den Häusern unterschiedlich starke Anomalien, die auf Unterschiede in
der Nutzung der Räume deutet. Beide geophysikalischen Methoden haben
Gebäudereste erbracht, die obertägig nicht sichtbar sind. Es wurden außerdem
Hinweise auf Gräber gefunden. Das bemerkenswerteste Resultat ist jedoch
eine Zone mit hohen magnetischen Anomalien, die sich ringförmig um alle
236 Jahresbericht 2006 des DAI
Abb. 28 Kislovodsk (Russische Föderation), Kabardinka 2. Magnetikmessungen
2006 (M. 1 : 2500)
Siedlungen zieht. In der gleichen Region läßt sich eine erhöhte Anzahl von
Oberflächenfunden vermerken. Wir interpretieren diese Befunde als Müllzone, in der die Bewohner der Siedlungen ihre Abfälle entsorgten.
Im Herbst 2006 wurde die Freilegung eines Hausgrundrisses in der Siedlung Kabardinka 2 begonnen (Abb. 29). Das Haus grenzt an den zentralen
Platz, nimmt eine Fläche von 16 m × 8 m ein und ist ein typischer Vertreter
der lokalen Architektur. Bei der Ausgrabung kamen komplexe Steinmauern
zum Vorschein, die wohl den Fundamentbereich von soliden Holzgebäuden
bilden. Ein Teil des Hauses scheint abgebrannt zu sein, da rot verfärbte Stellen
im Fundament sichtbar sind und auf 2 m2 ein großes Keramikensemble mit
Spuren von Feuereinwirkung gefunden wurde (Abb. 30).
Kooperationspartner: Archäologisches Institut der Russischen Akademie
der Wissenschaften in Moskau (D. S. Korobov); Denkmalpflegeorganisation
»Nasledie«, Stavropol’ (A. B. Belinskij) • Förderung: DFG; Russische Stiftung
für Geisteswissenschaften • Leitung des Projekts: S. Reinhold, D. S. Korobov
• Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: S. N. Savenko, S. Langer (Archäologie),
A.V. Borisov, S. Peters (Bodenkunde), E. Antipina (Archäozoologie), E. Lebedeva (Archäobotanik), J. Fassbinder (Magnetik), S. V. Merkulov (Georadar) •
Abbildungsnachweis: DAI, Eurasien-Abteilung, S. Reinhold (Abb. 27. 29. 30);
J. Fassbinder, S. Reinhold (Abb. 28).
29
30
Kislovodsk (Russische Föderation),
Kabardinka 2
Abb. 29 Ortophotoplan der Ausgrabungsfläche von 2006
Abb. 30 Blick auf das zerscherbte Keramikensemble
Eurasien-Abteilung 237
Aruchlo (Georgien)
Der neolithische Siedlungshügel von Aruchlo (etwa 50 km südwestlich von
Tblisi) ist nur wenige hundert Meter nördlich der Terrassenkante einer breiten Flußaue gelegen, wo sich die aus den Bergen kommenden Flüsse Chrami
und Mašavera vereinigen, um weiter östlich an der georgisch-azerbaidjanischen Grenze in den Kura-Fluß zu münden, der schließlich in das Kaspische
Meer mündet. Dieser Hügel gehört zur »Šulaveri-Šomutepe-Gruppe«, deren
Siedlungen durch zahlreiche Rundbauten charakterisiert sind. Die Ausgrabungen im Sommer 2006 haben unser Verständnis von der Architektur erheblich
erweitert. So konnten wir die Bauabfolge klären und weitere Bauten identifizieren (Abb. 31).
Abb. 31 Aruchlo (Georgien), neolithischer
Siedlungshügel. Grabungsflächen mit
Architekturresten
Aruchlo (Georgien), neolithischer Siedlungshügel
Abb. 32 Rundbau D18 mit einbindender
Lehmziegelwand D20
Abb. 33 Blick von Süden auf den Rundbau
D18 mit dem zugehörigen großen Mauerrund (D20 und C30)
32
Die Freilegung des leicht ovalen Baus (AR06D018), der bereits 2005 teilweise ausgegraben wurde, konnte fortgesetzt werden. Er besitzt einen maximalen Innendurchmesser von 2,30 m. Die Wand dieses Rundbaus besteht aus
großen, gelben Lehmziegeln, die in ein dunkles Bindemittel eingebettet sind
(Abb. 32). Die Wandstärke beträgt etwa 20 cm, welche sich im Eingangsbereich des Rundbaus kräftig verbreitert. Die Wände selbst sind noch bis zu
1,20 m hoch erhalten. Die Ziegel weisen in der Regel eine plankonvexe
Form auf. Es gibt kein streng genormtes Ziegelmaß, doch konnten an diesem
Bau Ziegel mit 41 cm × 20 cm × 8 cm gemessen werden.
Westlich bindet in die Wand des Rundbaus ein Mauerbogen ein (Abb. 33),
der allerdings wesentlich niedriger erhalten ist. Anhand der horizontalen Fu-
33
238 Jahresbericht 2006 des DAI
gen ist klar, daß dieser Bogen gemeinsam mit dem kleinen Rundbau errichtet
wurde. In Fläche C bindet östlich des Eingangs ein weiterer Mauerbogen in
den Rundbau ein, der ebenfalls in einem Zuge mit dem Rundbau errichtet wurde. Im Zwickel des kleinen Rundbaus und der östlich einbindenden
Wand war eine ovale Feuerstelle eingerichtet. Sie bestand aus einer Lehmplatte, möglicherweise eine Art Pflaster, das rot durchgeglüht war, und mehreren
faustgroßen Steinen, die in einer weißen Ascheschicht lagen. Neben der Feuerstelle lag noch verkohltes Brennholz.
Die beiden an den kleinen Rundbau anschließenden Lehmziegelmauern
bilden vermutlich einen Kreis, was sich aber erst nach Öffnung der südlichen
Grabungsflächen bestätigen läßt. Wenn beide Mauerbögen zusammengehörten, ließe sich erstmals in Aruchlo ein Mauerring von ca. 6 m Durchmesser
rekonstruieren, der offenbar Teil einer komplexeren Architektur war.
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Daneben konnte erstmals die Verwendung dunklen Lehms zur Ziegelherstellung nachgewiesen werden. So verwendet die ›gelbe‹ Wand eines Mauerbogens ein Stück einer geraden Nord-Süd verlaufenden Wand mit dunklen
Lehmziegeln (Abb. 34). In einem Fall konnten Teile der Wand eines Rundbaus aus dunklen Ziegeln im Südprofil nachgewiesen werden. Die sechs plankonvexen Ziegel, zwischen denen ein helles Bindemittel verstrichen wurde,
kragen über und sind zu einem gewölbten Bau versetzt worden (Abb. 35). Es
war an dieser Stelle möglich, die dunklen Lehmziegel plastisch freizustellen,
d. h. das helle Bindemittel abzutragen (Abb. 36). Die aufwendige Arbeit setzt
große Vorsicht voraus und es ist klar, daß in dunkler Umgebung diese dunklen Ziegel nur mit Erfahrung zu erkennen sind. Gegenüber den aus gelben
Ziegeln gesetzten Wänden sind die aus dunklen Ziegeln gebauten Wände
deutlich schwerer zu identifizieren. Man muß daher davon ausgehen, daß die
entsprechenden Bauten bislang nicht erkannt wurden und die ursprüngliche
Bebauungsdichte wesentlich höher war. Zu den bemerkenswerten Funden
zählt ein Knochenwerkzeug unbekannter Funktion (Abb. 37).
Kooperationspartner: »Otar-Lordkipanidze-Zentrum für Archäologische Forschung« der Georgischen Akademie der Wissenschaften in Tbilisi
(G. Mirzchulava) • Förderung: BMBF • Leitung des Projekts: S. Hansen •
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: K. Bastert (Keramik), N. Benecke (Archäozoologie), I. Gatsov, P. Nedelcheva (Steingeräte), R. Neef (Archäobotanik)
• Abbildungsnachweis: DAI, Eurasien-Abteilung, S. Hansen (Abb. 32–37);
M. Ullrich (Abb. 31).
Aruchlo (Georgien), neolithischer Siedlungshügel
Abb. 34 Mauerzug mit dunklen
Lehmziegeln
Abb. 35 Rest einer Wand aus sechs
dunklen Lehmziegeln
Abb. 36 Rest derselben Wand nach
plastischer Freistellung der Ziegel
Abb. 37 Aruchlo (Georgien), neolithischer Siedlungshügel. Knochengerät
unbekannter Funktion
Eurasien-Abteilung 239
Tachti Perda (Georgien)
Die Grabung einer mehrschichtigen Siedlung der Bronze- und älteren Eisenzeit (ca. 15.–8./7. Jh. v. Chr.) konnte fortgesetzt werden. In der Kampagne
2006 wurden die Ausgrabungsarbeiten auf der Hauptfläche (ca. 400 m2) auf
der Oberterrasse durchgeführt sowie am Hügelfuß und in einer 30 m nach
Westen von der Hauptfläche versetzten Sondage.
Außer der Untersuchung der im letzten Jahr bereits erkannten Grubenbefunde in der Hauptfläche wurde die Mauer geschnitten und im westlichen
Abschnitt der Hauptfläche durchgehend der anstehende Boden erreicht. Die
Gruben waren überwiegend flach und enthielten nur wenige Funde. Bemerkenswert sind hier jedoch mehrere gut gearbeitete und sehr gut erhaltene Silexklingen (Sicheleinsätze, Sägen, Messer), die sich in der Verfüllung von dreien der insgesamt 11 Gruben fanden. Aus dem Brandschutt und Mauerversturz
stammt typische spätbronzezeitliche, ursprünglich schwarzpolierte und mit
Stempelmustern verzierte Keramik (Abb. 38). Unterhalb dieses Brandschuttes
Abb. 38 Tachti Perda (Georgien), bronzezeitliche Keramik
Abb. 39 Tachti Perda (Georgien), bronzezeitliches Gefäß aus einem Brandversturz
und einer ascheartigen Füllschicht kamen Pfostenlöcher zutage. Die SteinLehmmauer hatte somit offensichtlich eine Vorgängeranlage. Diese bestand
aus einer doppelten Palisadenreihe, wobei der Zwischenraum zwischen den
Palisaden ca. 1,0 m betrug und mit einer Lehmerdemasse ausgefüllt war. Da
aus diesem Befund charakteristische schwarzpolierte bronzezeitliche Keramik
(Abb. 39) vorliegt, läßt sich diese ältere Holzmauer unter Vorbehalt um die
Mitte des 2. Jts. v. Chr. datieren.
In der Sondage westlich der Hauptfläche wurden Reste eines Grubenhauses und möglicherweise eines befestigten Weges entdeckt. Es ließen sich zwei
Besiedlungshorizonte feststellen. Hervorzuheben ist die Beobachtung, daß in
keinem Objekt Reste eines Nutzungshorizontes gefunden wurden. Alle Objekte sind verfüllt worden. Das Füllmaterial enthält zwar überwiegend graue
spätbronzezeitliche Keramik und Tierknochen, aber keinerlei Hinweise auf
Siedlungsschutt (Hüttenlehm, Asche und vor allem keine Holzkohlepartikel).
Die Arbeiten in diesem Abschnitt wurden von M. Ullrich durchgeführt.
Am Hügelfuß, am unteren Ende des Hangschnitts, wurde das Unterteil
eines Brennofens (?) freigelegt und geschnitten. Es handelt sich um zwei ca.
1,80 m lange Halbröhren aus Keramik bzw. verziegeltem Lehm, die Feuerungskanäle gebildet haben könnten. In diesen Röhren fand sich graue, scheibengedrehte Ware, die unter Vorbehalt als ältereisenzeitlich klassifiziert wurde.
Parallel zur Grabung wurde die geomagnetische Prospektion unter Leitung von B. Song (Ruhr-Universität Bochum) in dem Terrain nördlich des
Hügels und im Bereich des im Vorjahr erkannten Gräberfeldes im Nordwesten fortgesetzt. Insgesamt 7 ha Fläche wurden gemessen. Deutlich zeigte sich
im Nordwestteil eine rezente Störung; dagegen ließen sich im Nordostbereich des vorgelagerten Geländes mehrere rechtwinklige Strukturen erken-
240 Jahresbericht 2006 des DAI
nen, bei denen es sich sehr wahrscheinlich um prähistorische Bauten handeln
dürfte. Für diese Annahme sprechen die reichen Lesefunde, vor allem von
Keramikscherben, die denjenigen Waren entsprechen, welche in den oberen
Schichten des Hügels festgestellt wurden. Insgesamt rechtfertigt dieses vorläufige Ergebnis der geomagnetischen Prospektion die Einteilung der Siedlung
in eine befestigte ›Oberstadt‹ bzw. ›Burg‹ und eine ›Unterstadt‹ nördlich des
Hügels. Die Gesamtausdehnung der unteren Siedlung ließ sich noch nicht
ganz klären, da ein großer Bereich mit Sonnenblumen bestanden war und
somit dort keine Messungen durchgeführt werden konnten; diese sollen im
Frühjahr 2007 erfolgen.
Abb. 40
Schließlich konnten eine Befliegung des Fundortes sowie eines Areals von
500 km2 Größe durchgeführt und eine Reihe von Luftbildern aufgenommen werden (Abb. 40). Bei dieser Erkundung aus der Luft wurden ca. 30
Fundstellen – überwiegend Siedlungsplätze aber auch einige Hügelgräberfelder – verortet, von denen einige der Forschung bereits bekannt waren,
andere als Neuentdeckungen bezeichnet werden dürfen. Die Lufterkundung
bekräftigt die Annahme, daß Tachti Perda aufgrund seiner Größe und seiner
strategisch günstigen topographischen Lage (Wegekreuzung; Nachbarschaft
zu zwei Heiligtümern) der zentrale Ort dieser Mikroregion in der Bronzeund Eisenzeit gewesen sein dürfte. Das Ziel der Untersuchungen ist somit,
exemplarisch die natürlichen, ökonomischen und symbolischen Strukturen
einer definierten Mikroregion im späten 2. Jt. v. Chr. hinsichtlich Grenzen
(ummauerte ›Oberstadt‹; Tachti als Marke), sozialer Hierarchien (Zentralort)
und symbolischer Raumbezüge (Höhenheiligtümer) zu erfassen. Das Projekt
Tachti Perda ist dem Forschungsfeld 1 (Erschließung von Räumen) im Forschungscluster 3 »Politische Räume« des DAI zugeordnet.
Kooperationspartner: »Otar-Lordkipanidze-Zentrum für Archäologische Forschung« der Georgischen Akademie der Wissenschaften in Tbilisi
(K. P’ic’xelauri); Ruhr-Universität Bochum (B. Song) • Förderung: BMBF
• Leitung des Projekts: I. Motzenbäcker • Mitarbeiter: M. Ullrich • Abbildungsnachweis: DAI, Eurasien-Abteilung, I. Motzenbäcker (Abb. 38–39);
Ruhr-Universität Bochum, B. Song (Abb. 40).
Tachti Perda (Georgien), Luftbild
Eurasien-Abteilung 241
Abb. 41 Darre-ye Bolāghi (Iran), Blick über
das Tal mit den Fundplätzen 73 und 91
Darre-ye BolŒghi, Fars (Iran)
Die Rettungsgrabungen auf chalkolithischen Fundplätzen im Staubecken des
Sivand-Dammes am Pulvar-Fluß in der Provinz Fars wurden im Frühjahr
2006 mit einer vier Monate dauernden Grabungskampagne in dem bereits
im Vorjahr begonnenen Fundplatz 91, sowie in zwei neu aufgefundenen Plätzen, 73 und 131, zu einem Abschluß geführt (Abb. 41). Wie auch im Vorjahr
galt das Hauptaugenmerk der Untersuchung bŒkunzeitlicher Befunde (5. Jt.
v. Chr.), außerdem wurden auf Fundplatz 73 auch Befunde der Achämenidenzeit untersucht.
Nach umfassenden geomagnetischen Prospektionen konnten in diesem
Jahr gezielt weitere bŒkunzeitliche Töpferöfen ausgegraben werden, von denen je einer auf den Fundplätzen 91 und 131 und fünf weitere auf Fundplatz
73 lagen. Alle Öfen sind nach einem ähnlichen Grundmuster gebaut: Sie sind
annähernd rund und haben einen ca. 1 m langen Feuerungskanal, so daß die
Grundform schlüssellochförmig ist (Abb. 42). Die Brennkammer ist durch
eine Innenmauer in zwei Kammern unterteilt. Auf dieser Trennwand und auf
der Außenmauer liegen brotlaibförmige Tonziegel auf, die mit den Schmalseiten nach unten schräg geschichtet sind und eine Tenne bilden, auf der die
Keramik gestapelt wurde. Entlang der Außenmauer sind Luftzüge ausgespart.
Abb. 42 Darre-ye Bolāghi (Iran),
Fundplatz 73. Zwei Töpferöfen,
Bākunzeit (5. Jt. v. Chr.)
242 Jahresbericht 2006 des DAI
Vermutlich bestand der obere Abschluß des Ofens aus einer jeweils neu aufgebrachten Lehmkuppel. Die Öfen aus Darre-ye BolŒghi stellen somit Vorläufer der schlüssellochförmigen Öfen dar, die ca. 500 Jahre später in Arisman
verwendet wurden. Auf Fundplatz 73 waren die Töpferöfen in zwei Gruppen
angeordnet, wobei die Gruben jeweils in ältere, ebenfalls bŒkunzeitliche Kulturschichten einschnitten. Diese konnten jedoch nicht auf größerer Fläche
untersucht werden.
Fundplatz 131 wurde bei gezielten geomorphologischen Prospektionen
und Bohrungen in der Ebene von BolŒghi entdeckt. Es handelt sich um die
Überreste eines planierten Siedlungshügels, von dem die untersten 3 m Kulturschichten erhalten waren. Hier wurden in mehreren Schnitten Siedlungsreste, jedoch keine substantielle Architektur festgestellt. Mehrere Bestattungen,
darunter eine Mehrfachbestattung, waren in die Siedlungsschichten eingetieft
(Abb. 43. 44).
Zusammenfassend ergibt sich aus den Untersuchungen das Bild einer intensiven Nutzung dieses abgeschlossenen Tals während der mittleren und späten BŒkunzeit, wobei an jedem Fundort auch die handwerkliche Produktion
von Keramik belegt ist, so daß eine funktionelle Spezialisierung der einzelnen
Siedlungen unwahrscheinlich ist.
Die in der geomagnetischen Kartierung sichtbaren Wasserkanäle auf den
Fundplätzen 91 und 73 wurden untersucht und konnten jeweils jüngeren
Siedlungsschichten zugeordnet werden. Sie dienten zur Versorgung dieser
Plätze mit Quellwasser, das in der achämenidischen (Fundplatz 73), bzw. postachämenidischen Zeit (Fundplatz 91) offenbar am Fuß des Gebirges verfügbar war. Auf Fundplatz 73 stand in achämenidischer Zeit ein größeres Gehöft,
das wohl zur Versorgung der Stadt Pasargadae beitrug (Abb. 45). Funde aus
den zugehörigen Schichten umfassen karinierte Schalen (Abb. 46), Steingefäßfragmente und dreiflügelige Pfeilspitzen.
43
44
Darre-ye Bolāghi (Iran), Fundplatz 131
Abb. 43 Bestattung, Bākunzeit
(5. Jt. v. Chr.)
Abb. 44 Keramik aus dem Grab mit
einer Mehrfachbestattung, Bākunzeit
(5. Jt. v. Chr.)
45
46
Kooperationspartner: Iranian Cultural Heritage and Tourism Organisation,
Abteilung Iranian Center for Archaeological Research; Geographisches Institut der Humboldt-Universität zu Berlin; Institut für Ur- und Frühgeschichte
der Ruhr-Universität Bochum • Leitung des Projekts auf iranischer Seite:
M. Seyedin • Leitung des Projekts auf deutscher Seite: B. Helwing • Abbildungsnachweis: DAI, Eurasien-Abteilung, B. Helwing (Abb. 41–46).
Darre-ye Bolāghi (Iran), Fundplatz 73
Abb. 45
Achämenidisches Gebäude
Abb. 46
Achämenidische Keramik
Eurasien-Abteilung 243
47
48
Abb. 47. 48 Herat (Afghanistan), Areia
Antiqua. Chišt-e Šarif, Provinz Herat.
Madrasseh aus der ghoridischen Zeit,
Kuppelbauten mit Ziegelversatzdekor
(12. Jh. n. Chr.)
Herat, Areia Antiqua (Afghanistan)
Die Arbeiten in Herat konzentrierten sich 2006 auf den Abschluß des Surveys
und die Untersuchungen in der Zitadelle von Herat.
Schwerpunkt der Dokumentation archäologischer Denkmäler und Fundorte durch Geländebegehung waren die östlich von Herat liegenden Distrikte
Obeh und Chišt-e Šarif. Weitere Orte wurden in Paštun Za\un, Inğil und
Adraskan aufgenommen. Insgesamt wurden 73 Fundorte und Denkmäler
kartiert, 50 % davon in Chišt-e Šarif. Nur ein Monument war vorher bekannt, eine Madrasseh aus der ghoridischen Zeit (CS01, Abb. 47. 48). Palgird
(Gh05) – eine der größten Stadtanlagen des 10.–13. Jhs. n. Chr. in der Provinz
Herat – wurde erneut besucht, um den Fortgang der Raubgrabungen zu dokumentieren. Auch die in diesem Jahr entdeckten Tells, insgesamt 16, sind alle
von Raubgrabungen betroffen.
Ein Vergleich der Distrikte zeigt deutliche Unterschiede in Bezug auf die
Verteilung der Bautypen. So kommen für Chišt-e Šarif typische Befestigungstürme, von denen insgesamt 9 dokumentiert wurden, in anderen Distrikten
nicht vor (Abb. 49). Die Türme sind zwischen 4 m und 8,80 m breit (Durchmesser), bis zu 11 m hoch erhalten und liegen in der Regel an erhöhter Stelle am Ortsausgang oder Talausgang. Sie sind aus Lehmziegeln errichtet, weisen ein bis drei übereinander liegende Reihen Schießscharten auf und einige
besitzen im Innenraum Nischen und Wendeltreppen. K. Fischer und W. Klimkott datieren bautechnisch ähnliche Anlagen in Sistan bis in die Ghoridenzeit. Auffällig ist die geringe Zahl der in der Flußoase häufig vorkommenden
Lehmfestungen oder Karavanserais und die nach Osten hin deutlich abnehmende Häufigkeit von Zisternen und repräsentativen Bauten, mit Ausnahme
der Madrasseh von Chišt-e Šarif sowie eines kleinen oktogonalen Kuppelbaus
in Gunbad-e Shuhada, der wahrscheinlich ebenfalls in die ghoridische Zeit
gehört.
Aufgrund der Sicherheitslage war die Arbeit in Farsi, Shindand und Khuš
Kona nach wie vor nicht möglich. Da die in den anderen Distrikten dokumentierten Denkmale jedoch einen repräsentativen Querschnitt bieten, wird
der Survey als abgeschlossen betrachtet. Die Datenbank mit nun 400 Einträgen umfaßt zahlreiche bisher unbekannte Bau- und Siedlungstypen aus
verschiedenen Zeitstufen, die erstmals einen Einblick in die Erschließung
und Nutzung der verschiedenen Regionen in der Provinz Herat geben. Die
Abb. 49 Herat (Afghanistan), Areia
Antiqua. Paštun Zaġun, Provinz Herat.
Lehmturm mit Ziegelversatzdekor
244 Jahresbericht 2006 des DAI
Abb. 50 Herat (Afghanistan), Areia
Antiqua. Zitadelle von Herat, oberer Hofbereich mit dem Ziegelfußboden von
Amir Abdur Rahman und den Ruinen
seines Palastes im Hintergrund
Funde – im wesentlichen Keramik – repräsentieren nicht nur eine lange zeitliche Entwicklung, sondern spiegeln auch regionale Unterschiede wider. Als
bislang einzige Sammlung dieser Art in Afghanistan bilden sie eine Referenzkollektion, die einen Einblick vor allem auch in das provinzielle Schaffen gibt.
Die Dokumentation der Funde wurde 2006 abgeschlossen.
Das 2005 zusammen mit der Délégation Archéologique Française en Afghanistan (DAFA) begonnene Projekt zur Erforschung des antiken Herat
wurde in diesem Jahr mit den Arbeiten der Eurasien-Abteilung des DAI auf
der Zitadelle fortgesetzt. Das Areal im oberen Hof wurde erweitert und durch
eine zweite Fläche im Norden ergänzt. Unter dem Fußboden im Hof des von
Amir Abdur Rahman (reg. 1880–1901) erbauten Palastes kamen in beiden
Bereichen zunächst Kanäle und Wasserleitungen, die der Be- und Entwässerung der Bäder des Palastes dienten, zutage (Abb. 50). Unter diesen Strukturen folgten Mauern aus gebrannten Ziegeln, die in das frühe 19. Jh. gehören.
Drei neue Skelettfunde erhöhen die Gesamtzahl der hier gefundenen Toten
auf fünf. Bestattet wurden nur zwei Personen, die anderen Toten lagen noch
in der Position, in der sie offenbar den Tod fanden – wahrscheinlich handelt es
sich um Soldaten, die während einer der zahlreichen Belagerungen der Stadt
ums Leben kamen.
Darunter folgt eine dritte Bauschicht mit Ziegelarchitektur. Die Mauern,
deren Unterkanten nur 1,20 m unter der Oberfläche liegen, gründen auf dem
schon im Vorjahr gefundenen Lehmmassiv und auf bis zu 3 m hohen Schuttschichten, die im Osten an dieses Massiv heranziehen. Aus dem Schutt stammen Tausende von Scherben, darunter europäisches, russisches und chinesisches Porzellan, südostasiatische Importwaren, qajjarische und safawidische
Keramik, lokale Irdenwaren sowie Fragmente von Baudekor, insbesondere
Fliesen und Stuck. Die Funde datieren überwiegend in das 17.–19. Jh. In
den tieferen Schichten kamen jedoch auch ältere Funde (12.–14. Jh.) zutage,
darunter eine Lüsterfliese (Abb. 51).
Das Lehmmassiv konnte über mehr als 15 m in Nord-Süd-Richtung verfolgt werden. Die Breite an der Basis beträgt mehr als 4 m. Trocknungsrisse
sowie dünne, eingebettete Schichten mit etwas Asche und einigen Scherben
weisen es als eine Stampflehmmauer aus, die in unregelmäßigen Schichten
Abb. 51 Herat (Afghanistan), Areia
Antiqua. Zitadelle von Herat. Fragment
einer Lüsterfliese aus Iran, 13./frühes 14. Jh.
Eurasien-Abteilung 245
über einen längeren Zeitraum hinweg aufgebaut und mehrfach in der Breite
verstärkt wurde. Wahrscheinlich handelt es sich um einen Teil der vortimuridischen Befestigungsanlage des oberen Hofes. Dafür spricht auch Keramik aus
dem 13. Jh., die im oberen Teil des Massivs gefunden wurde. Mehr als 4 m
unter der Oberfläche wurden in diesem Block erstmals Lehmziegel erkennbar, unregelmäßig verlegt und daher in dem kompakten Lehm nur schwer
zu fassen. Ein östlich anschließendes Gehniveau mit Tandur und Grube zeigt
jedoch, daß hier nun ein älterer Horizont erreicht ist.
Schon 2005 war aufgefallen, daß die Keramik aus dem unteren Teil des
Lehmmassivs weitgehend unglasiert ist. Die wesentlich umfangreichere Sammlung aus diesem Jahr hat diese Beobachtung bestätigt. Auch ein Wandel der
Formen ist deutlich erkennbar. Die Bearbeitung ist jedoch noch nicht abgeschlossen und die Datierung noch unsicher, da es keine Vergleichsfunde aus
der früheren Zeit in dieser Region gibt. Die insgesamt fast 20 000 Scherben
bilden die erste, gut stratifizierte Sammlung, die über Importwaren hinaus
einen Einblick in die lokale Produktion aus bisher weitgehend unbekannten
Zeitabschnitten liefert. Sie ist daher auch für die Datierung der Oberflächensammlungen des Surveys von großer Bedeutung.
Neben diesen Arbeiten wurden die 1976 von der UNESCO in der Zitadelle ausgegrabene Keramik und Funde, die bei Bauarbeiten des Aga Khan
Trusts for Culture im Außenbereich der Zitadelle zutage kamen, dokumentiert. Auf Anfrage des Department for the Preservation of Historic Monuments war ferner im Vorfeld einer geplanten Bebauung das Baugelände in
der archäologischen Zone von Gazurgah nördlich der Stadt zu prospektieren.
Ferner konnten die ca. 50 m × 30 m große und 5 m tiefe Baugrube eines
Großprojekts im Zentrum der Altstadt von Herat besucht und einige Funde
sichergestellt werden. Über beide Maßnahmen wurde dem Kulturministerium ein Bericht vorgelegt. Die Einbeziehung des DAI in derartige Aufgaben
ist als ein Zeichen für eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit zu bewerten.
Kooperationspartner: National Institute of Archaeology in Afghanistan,
Ministerium für Information und Kultur, Kabul; Department of Monuments
and Sites Herat, Ministerium für Information und Kultur, Kabul; Seminar
für Orientalische Kunstgeschichte der Friedrich-Wilhelm-Universität Bonn
• Förderung: Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland • Leitung
des Projekts: U. Franke-Vogt • Mitarbeiter: Th. Urban (CAD, GIS), A. Lange, St. Bickelmann, M. Müller-Wiener (Keramik) • Abbildungsnachweis:
DAI, Eurasien-Abteilung, Th. Urban (Abb. 47–49); U. Franke-Vogt (Abb. 50);
A. Lange (Abb. 51).
Sohr Damb/Nal, Balučistan (Pakistan)
In der diesjährigen Kampagne konzentrierten sich die Feldarbeiten in der Siedlung Sohr Damb, dem Leitfundort der Nal-Kultur (4.–2. Jt. v. Chr.), auf den
Friedhof aus Periode I (Schnitt IIIb) und die Bereiche zwischen den Schnitten I, VI, VII und IX, die dadurch stratigraphisch verbunden wurden. Die
untersuchte Fläche beträgt jetzt 2700 m2. Besonders wichtig für die Rekonstruktion der Siedlungsgeschichte und die Datierung der Perioden II und III
sind die Entdeckung einer Bebauung aus der späten Nal-Zeit (Periode II)
in Schnitt V, die Freilegung von Gebäuden der Periode III im Nordosten
des Tells (Schnitt IX) und die Untersuchung der Ascheablagerungen, die in
Schnitt I die Schichten der Perioden II und III trennen.
Für die Periode I wurden im Friedhof (Schnitt IIIb) die schon im Vorjahr
geöffneten Grabkammern 711, 756 und 775 und das letzte in der Grabungs-
246 Jahresbericht 2006 des DAI
Abb. 52 Sohr Damb/Nal (Pakistan),
Schnitt IIIb. Grab 768, Periode I. Blick in die
Grabkammer, im Hintergrund Steinfundamente der Periode II
fläche befindliche Grab 768 vollständig ausgegraben (Abb. 52). Schon 2005
hatte sich gezeigt, daß unterhalb von Grab 711/775 eine weitere Kammer
liegt und der Friedhof somit zwei Phasen umfaßt. Die älteren Gräber sind jedoch stark erodiert, Funde und Knochen nicht erhalten. In der jüngeren Phase konnten bis zu sechs Knochenlagen festgestellt werden, die durch Lehmpackungen, selten kleine Ziegelsetzungen, voneinander getrennt sind. In den
unteren Schichten wurde eine geringere Fragmentierung der Knochen beobachtet, ein Indiz für einen graduellen Wandel der Bestattungsformen während
der Belegungsphase der Gräber.
Die Keramik zeigt das Standardrepertoire des Friedhofes: Togau D-Schalen, Kile Ghul Mohammad-Töpfe und Schalen sowie Kechi Beg-Gefäße
(Abb. 53). Die Perlen sind aus Karneol, Lapislazuli und erhitzter Steatitpaste
hergestellt (Abb. 54). Außergewöhnlich ist ein flaches, spiralförmiges Elfenbeinobjekt aus Grab 711, hergestellt aus dem Stoßzahn eines indischen Elefanten (Analyse: A. Banerjee, INCENTIVS, Universität Mainz).
Drei bis auf die natürlichen Kiesschichten abgetiefte Sondagen zeigen, daß
keine weiteren anthropogenen Schichten mehr folgen. Die Grabungen in
Schnitt IIIb sind daher zunächst abgeschlossen. Auch in Schnitt VII waren die
Schichten der Periode I und der gewachsene Boden zu erreichen. Unter massiven, überwiegend aus Keramik bestehenden Schuttschichten wurde eine kleine Kammer mit rot verfärbtem Fußboden und einer Feuerstelle entdeckt. Anders als im Friedhof sind Togau B-Typen häufig, Togau D-Schalen jedoch selten, ein Anzeichen dafür, daß diese Gefäße primär als Grabbeigaben verwendet wurden. Zwei 14C-Datierungen liegen zwischen 3300 und 3200 v. Chr.
Der großflächig angelegte Schnitt V verbindet die Bereiche I, IV, VI, VII
und IX. Direkt unter der Oberfläche wurden Mauerreste aus Periode III entdeckt. Die Ziegel bestehen aus sandigem Ton und sind nur wenige Zentimeter hoch erhalten. Nahe dem großen Steingebäude liegen diese Fundamente
wie in Schnitt I auf einem Aschepaket auf. In den westlichen Arealen kam
direkt unter diesen Strukturen eine weitere Bauschicht zutage. Die Gebäude
sind durch dünne Mauern und eine abweichende Orientierung gekennzeichnet. In den kleinen Räumen liegen noch die Inventare, bestehend aus Feuerstellen, Vorratsschalen, Mahlsteinen und Mörsern. Sie gehören zu Periode II,
stellen jedoch eine späte Entwicklung dieser Zeit dar.
53
54
Sohr Damb/Nal (Pakistan), Schnitt IIIb.
Grab 711, Periode I
Abb. 53
Keramik
Abb. 54
paste
Perlen aus gebrannter Steatit-
Eurasien-Abteilung 247
55
56
Sohr Damb/Nal (Pakistan), Schnitt IX
Abb. 55 AK 1C, Periode III. Tandur mit
Unterbau und Wandung sowie Kochsteinen,
Kochtopf, Krügen und Mörser
Abb. 56
AK 2D, Rauminventar
Die Keramik zeigt einerseits eine stilistische Weiterentwicklung der typischen Nal-Keramik, andererseits erscheinen zahlreiche neue Formen und Motive. Diese lassen sich mit dem Früh-Harappa-Horizont in Südostbalučistan
und Mehrgarh verbinden. Die 14C-Datierungen liegen zwischen 2900 und
2600 v. Chr.
Die in Schnitt V Ost freigelegte Architektur aus Periode III setzt sich in
Schnitt IX fort. Sie steht hier jedoch noch bis zu 5 Ziegellagen hoch an. Anders als bei den in den Hanglagen erodierten und überlagerten Schichten in
Schnitt I kamen hier hervorragend erhaltene Rauminventare mit zahlreichen
Tanduren und Feuerstellen zutage (Abb. 55. 56). Die Grabung wurde bis auf
die Fußböden fortgesetzt. Eine kleine Sondage hat gezeigt, daß darunter die
Bebauung der Periode II folgt.
In Schnitt I wurden die 2001 begonnenen Areale Id und Ie nach Norden
und Osten erweitert. Das Ziel der Arbeiten war hier, die in Ie vorgefundenen Asche- und Sedimentschichten zu untersuchen und die untersten Phasen
der Periode III sowie den Übergang zu Periode II zu erfassen. Bei den im
Wechsel mit 5 cm starken, kompakten Silt- bzw. Lehmpackungen liegenden
Ascheschichten handelt es sich um ein ca. 2 m hohes Paket. Die Siltschichten
stammen nicht, wie 2001 zunächst angenommen, von periodisch stehenden
Wasserflächen, sondern sind feine, aerosole Wehschichten. Die weitgehend
horizontal verlaufenden Aschebänder sind wahrscheinlich ebenso wie in
Schnitt VII vorgefundene Schichten die Aushübe der weiter nördlich gelegenen Brennöfen. Sie wurden offenbar in regelmäßigen Abständen durch Lehmpackungen konsolidiert. Sie ziehen im Süden an Komplex 15 heran, im Norden laufen sie in Schnitt V aus. Unter diesen Schichten wurde, ebenso wie in
den Schnitten Ie und VII, die Oberkante der Periode II erreicht. 2007 muß
geklärt werden, ob sich das Aschepaket über Komplex 15 hinaus weiter nach
Süden fortsetzt.
Die südlich davon liegende Architektur der Phasen III.1 und 2 (darunter
Komplex 17 [vgl. AA 2006/2, 339–342]), über welche die Anbindung dieser
Bauten an Phase III.3 erfolgen muß, ist aufgrund der Hanglage sehr stark
erodiert. Auch sie soll 2007 weiter untersucht werden.
Dem Aschepaket, das inzwischen in großen Bereichen des Tells gefunden
wurde, kommt in Hinblick auf die Stratigraphie sowie Nutzung und Genese
des Tells in den verschiedenen Zeitabschnitten besondere Bedeutung zu.
Auch die Frage, zu welcher Phase von Periode III die nördlich von Schnitt I
248 Jahresbericht 2006 des DAI
liegenden Wohnhäuser gehören, ist für den Wachstumsprozeß der Siedlung
von entscheidender Bedeutung. Die vorläufige Untersuchung der Keramik
legt nahe, daß sie der Phase 1 oder 2 zuzuordnen sind. Die 2006 entdeckten
Befunde unterstützen die These, daß der Tell während Periode II seine Kuppe
weiter im Norden hatte als heute. Die im Süden fast 5 m hoch anstehenden
Schichten der Phasen III.3 und 4 sind demzufolge in recht kurzer Zeit entstanden.
Kooperationspartner: Department of Archaeology & Museums, Government of Pakistan, Islamabad • Förderung: DFG • Leitung des Projekts:
H. Parzinger, U. Franke-Vogt • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: St. Bikkelmann, A. Gubisch, A. Lange, St. Langer, I. Mitrofanow, C. Buquet (Anthropologie, CNRS Paris), N. Benecke, J. Görsdorf, R. Neef (Archäozoologie,
14C-Datierung, Archäobotanik, DAI, Zentrale, Naturwissenschaftliches Referat) • Abbildungsnachweis: DAI, Eurasien-Abteilung, U. Franke-Vogt
(Abb. 52. 53. 56); A. Lange (Abb. 54); St. Bickelmann (Abb. 55).
Votivpraxis im hellenistischen und kušanzeitlichen Baktrien
(Tadžikistan/Afghanistan/Uzbekistan)
Das antike Land Baktrien liegt im Süden des heutigen Tadžikistan und Uzbekistan und im Norden Afghanistans. Es erstreckt sich in den fruchtbaren Ebenen
des Oxus (heute Amudarja) sowie seiner nördlichen und südlichen Zuflüsse
(Abb. 57). Baktrien war in der Antike nicht nur dicht besiedelt – es wird in
den Quellen »das Land der tausend Städte« genannt – sondern weist auch eine
bemerkenswerte Dichte an Heiligtümern auf. Seit den 1960er Jahren wurden
mehrere Tempel aus hellenistischer Zeit (3. und 2. Jh. v. Chr.) und der KušanZeit (1.–3. Jh. n. Chr.) ausgegraben. Die bekanntesten sind der Oxus-Tempel
im Süden Tadžikistans und die Heiligtümer in Ai Khanum, Dilberdžin und
Surkh Kotal im Norden Afghanistans. Für die Frage, ob es im hellenistischen
Osten auch auf religiösem Gebiet zu Verschmelzungsprozessen zwischen der
einheimischen und der griechisch-römischen Kultur gekommen ist, spielen
die baktrischen Heiligtümer eine große Rolle.
Abb. 57 Votivpraxis im hellenistischen
und kušanzeitlichen Baktrien (Tadžikistan/
Afghanistan/Uzbekistan), das antike
Baktrien im Satellitenbild mit der Lage
der wichtigsten Heiligtümer
Eurasien-Abteilung 249
Abb. 58 Oxus-Tempel (Tadžikistan),
Blick auf das Heiligtum. Im Hintergrund
der Amudarja
Bisherige Forschungen zu dieser Frage stützten sich auf Analysen der
Bauformen und Raumstruktur der Heiligtümer. Oder sie versuchten, aufgrund von Einzelfunden die dort verehrten Götter zu bestimmen und als
einheimische, griechische oder synkretistische Gottheiten zu identifizieren.
Im Unterschied dazu ist das im Herbst 2006 begonnene Forschungsprojekt
ritualgeschichtlich orientiert. Es untersucht die in den Tempeln gefundenen
Votive, die als materielle Zeugnisse der praktizierten Rituale betrachtet werden und Aufschluß über die in Baktrien wirksamen religiösen Traditionen
versprechen.
Den Ausgangspunkt bilden die Funde aus dem Oxus-Tempel (Abb. 58)
im heutigen Tadžikistan, von denen ein großer Teil bereits im Rahmen eines
vorangegangenen Projekts dokumentiert werden konnte (Abb. 59). In einem
Abb. 59 Oxus-Tempel (Tadžikistan),
Weihgaben aus Gold, Silber und Bronze
aus dem Heiligtum
250 Jahresbericht 2006 des DAI
ersten Schritt wird gefragt, in welchem Maße die Weihsitten des 3. und 2. Jhs.
v. Chr. an iranischen Traditionen orientiert sind und ob sich der für andere
Aspekte der Kultur nachgewiesene griechische Einfluß auch in der Votivpraxis, d. h. in der Auswahl der Votive und der Art und Weise, wie mit ihnen
im Heiligtum verfahren wurde, widerspiegelt. In einem zweiten Schritt soll
die Entwicklung der Weihgebräuche bis zum Ende des 3. Jhs. n. Chr. untersucht werden. Dabei wird die Frage im Vordergrund stehen, wie sich der
politisch-gesellschaftliche Wandel im Zuge der Eroberungen Baktriens durch
die nomadischen Yüeh-chi um 130 v. Chr. auf die religiösen Vorstellungen
ausgewirkt hat. Die Ziele des Projekts sind es, am Beispiel der Votivpraxis die
Ausprägung der griechisch-orientalischen Mischkultur in Baktrien zu beleuchten und ihre Transformation unter nomadischem Einfluß zu verfolgen.
Kooperationspartner: Achmadi-Doniš-Institut für Geschichte, Archäologie
und Ethnographie der Akademie der Wissenschaften Tadžikistans in Dušanbe
(A. Družinina) • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: G. Lindström •
Abbildungsnachweis: DAI, Eurasien-Abteilung, G. Lindström (Abb. 57. 59);
A. Družinina (Abb. 58).
Bandixon, Provinz Surchandar´ja (Uzbekistan)
Um Bandixon sind seit den 1970er Jahren im unmittelbaren Gebirgsvorland
Majdatepa, Bektepa, Gazimullahtepa, Jalangtuštepa (Abb. 60), Kindyktepa, Sariband und andere Fundorte bekannt. Das Gebiet bietet somit ›reine‹ Fundorte, die vom 2. Jt. v. Chr. bis in das 1. Jt. n. Chr. reichen und die Erarbeitung von
Kulturdefinitionen erlauben. Die Grabungen waren 2005 am Majdatepa, am
Bektepa und am Kindyktepa begonnen worden und hatten Veränderungen
in den Funden und bei den Tierknochen gezeigt, die mit Verlagerungen der
Siedlungskerne zusammenhängen dürften.
Abb. 60 Bandixon, Provinz Surchandar´ja
(Uzbekistan). Blick auf die Zitadelle des
Jalangtuštepa von Südosten
Eurasien-Abteilung 251
Abb. 61 Bandixon, Provinz Surchandar´ja
(Uzbekistan). Komplexe Feuerstelle der
Jaz I-Zeit (2. Jt. v. Chr.) im Majdatepa,
sichtbar sind die runde Brandfläche mit
Mulde in der Mitte, eine Aschenkiste links
davon und ein zugemauertes Becken rechts
62
63
Bandixon, Provinz Surchandar´ja
(Uzbekistan)
Abb. 62 Bemalte Deckel der Jaz I-Zeit
(2. Jt. v. Chr.) vom Majdatepa
Abb. 63 Gefäße der klassischen Achämenidenzeit (1. Jt. v. Chr.) vom Gazimullahtepa,
die kleinen Löcher am rechten Topf belegen
eine antike Reparatur (verschiedene
Maßstäbe)
2006 wurden die Untersuchungen am Majdatepa, am rechten Ufer des Urgul-Saj, fortgesetzt (s. auch AA 2006/2, 319–321). Der gewachsene Boden war
nur in manchen Teilen der Grabungsfläche zu erreichen. Es konnten weitere
Architekturschichten der Jaz I-Zeit freigelegt werden, so daß nun insgesamt
fünf (Um-)Bauphasen dokumentiert sind. Die Architektur ist durchgehend
planmäßig angelegt, wobei insbesondere komplex strukturierte Feuerstellen
eine Neuheit darstellen (Abb. 61). Sie bestehen aus erhöhten Plattformen mit
zentraler Brandfläche, die in der Mitte eine ca. 15 cm tiefe Mulde aufweisen.
Auf einer Seite der Brandstelle liegt üblicherweise eine rechteckige Mulde,
zumeist mit Lehmziegeln ausgekleidet, zur Aufnahme von Asche, während
sich auf der gegenüberliegenden Seite eine sauber verputzte Mulde findet,
deren Zweck noch ungeklärt ist. Im Repertoire der Keramik herrschen weiterhin die drei Hauptkategorien vor (1a. handgemachte Töpfe, Schalen, Dekkel und Miniaturgefäße, 1b. handgemachte Gefäße mit Bemalung [Abb. 62],
2. Drehscheibenware, 3. grobe handgemachte Kessel), wobei in den tieferen
Schichten die Traditionen der älteren BMAC (Baktro-Margiana Archäologischer Komplex) Periode deutlicher werden. Fragmente von noch ungebrannten Gefäßen weisen auf eine lokale Produktion in unmittelbarer Nähe hin.
Bronzeobjekte und Steinartefakte gehören zum Inventar.
Da der Gazimullahtepa durch Tonentnahme und Mülldeponierung in seinem Bestand stark gefährdet ist (gegenüber den 1970er Jahren ist nur noch
ein Drittel des Hügels erhalten), wurde hier eine Kontrollgrabung durchgeführt, um die Ergebnisse der alten Sondagen zu vervollständigen. Vier bis fünf
Siedlungsphasen der klassischen Achämenidenzeit mit gut erhaltener und typischer Keramik (Abb. 63) konnten bestätigt und Proben (Zoologie, Botanik)
zur Rekonstruktion der Wirtschaftsweise entnommen werden.
Der Kindyktepa wurde großflächig geöffnet, um eine Übersicht über den
vermuteten Repräsentationsbau zu erhalten. Die Außenmauer ist 2,80 m dick
und umschließt einen großen Zentralraum von mindestens 15 m × 7,50 m
Innenfläche, mit einem daneben liegenden schmalen Raum (Breite 2 m).
Letzterer enthält auch größere Gruben, die eventuell der Vorratshaltung dienten. Insgesamt lassen sich zwei Bauphasen feststellen, die beide in die späte
Achämenidenzeit datieren (4. Jh. v. Chr.). Zerstörungsspuren und Funde von
menschlichen Knochen weisen auf ein gewaltsames Ende des Baus hin.
Am Jalangtuštepa konnte in einer Sondage außerhalb der oberirdisch zu
erkennenden Festung der klassischen Kušan-Zeit noch eine vorhergehende
252 Jahresbericht 2006 des DAI
Befestigungsanlage der älteren Kušan-Zeit nachgewiesen werden, deren Mauer noch in einer Höhe von rund 2 m erhalten ist. Der Besiedlungsbeginn an
dieser Stelle reicht jedoch bis in graeco-baktrische Zeit zurück. Der gewachsene Boden wurde in einer Tiefe von 5,50 m erreicht. Neben stempelverzierter Keramik und wenigen Eisenfragmenten stammen interessante Tonfiguren
der Kušan-Zeit von diesem Platz (Abb. 64). Einige, allerdings schlecht erhaltene Buntmetallmünzen sind als Streufunde aufgenommen worden.
Kooperationspartner: O´zbekistan Badiiy Akademiyasi. San´atshunoslik
Ilmiy-Tadqiqot Instituti/Academy of Sciences of Uzbekistan, Fine Arts
Scientific Research Institute, Taškent; Madaniyat va san´atni qo´llab-quvvatlash jamg´armasi »Boysun«/The Culture and Art Support Fund »Boysun«,
Taškent • Leitung des Projekts: N. Boroffka, L. Sverčkov • Mitarbeiter:
M. Teufer, N. Narzikulov, A. Gorin, V. Mokroborobov • Abbildungsnachweis: DAI, Eurasien-Abteilung, N. Boroffka (Abb. 60–64).
Liushui (VR China)
Archäologie im Kunlun-Gebirge hat in China immer außergewöhnliche Bedeutung. Für die Daoisten lag dort der mythische Paradiesgarten mit den
Pfirsichen der Unsterblichkeit und für die Buddhisten war er das Zentrum
der Welt, der Berg Sumeru. Der Jade (Nephrit) aus den Flüssen des Kunlun
sprach man schon vor mehr als zweitausend Jahren lebensverlängernde Wirkung zu und Jadeschmuck aus der Oase Khotan ist bis heute berühmt und
begehrt. Auf der Suche nach prähistorischen Nephritabbauplätzen fanden
chinesische Archäologen Bestattungsplätze am Oberlauf des Keriya-Flusses
(Abb. 65). Sie legten in drei Kampagnen (2003–2005) eine Gruppe von 52
Gräbern frei (Abb. 66) und deutsche Wissenschaftler beteiligen sich seit 2005
an der Untersuchung und Auswertung der Funde sowie der Publikation der
Ergebnisse. Damit gelang zum ersten Mal der archäologische Nachweis für
eine Besiedlung des Kunlun-Gebirges bis auf eine Höhe um 3000 m ü NN
zwischen dem 10. und 8. Jh. v. Chr. Die Bestattungen sind kulturhistorisch aus
mehreren Gründen aufschlußreich. Erstens entspricht die Anlage des Gräberfeldes und der Grabbau mit oberirdischen Steinkreisen, Ringmauern oder flachen Steinhügeln (Abb. 67. 68) den im Tian Shan und Altaj dokumentierten
Abb. 64 Bandixon, Provinz Surchandar´ja
(Uzbekistan). Tonfiguren der Kušan-Zeit
(Jahrhunderte um die Zeitenwende) vom
Jalangtuštepa (verschiedene Maßstäbe)
Abb. 65 Liushui (VR China), Lage des
Gräberfeldes (36°14’41.9’’ N, 81°43’23.0’’ O,
2850 m ü NN) südlich der Wüste Taklamakan im Kunlun-Gebirge. Die dunklen
Flächen zeigen die Gletscher über 4700 m
ü NN an (M. 1 : 2 500 000)
Eurasien-Abteilung 253
Liushui (VR China)
Abb. 66 Blick auf die Ausgrabung nach
einer Teilfreilegung, die Gräber waren mit
4–6 m Löß bedeckt
Abb. 67 Grab Nr. 46, Bestattung von vier
Personen in einer Schicht
Abb. 68 Kreismauer über Grab Nr. 55
(Dm 400–480 cm)
66
67
Abb. 69 Liushui (VR China), ausgewählte
Bronzefunde. Zweiflüglige Pfeilspitzen mit
einem Seitendorn, Trense und Messer
68
Bestattungsplätzen, nicht aber dem zeitgleichen und vor allem näher gelegenen Grabbau in den Oasen am Fuß der Kunlun-Berge im Übergangsbereich
zur Wüste. Es hat den Anschein, als seien bestimmte Formen des Grabbaus
an bestimmte Höhenstufen gebunden. Die Vegetation der heißen Wüste im
Tarim-Becken wird in der Höhenzone zwischen 1200–3000 m ü NN von
Pflanzengemeinschaften der Warm- und Kaltsteppe abgelöst und bietet damit
die Möglichkeit saisonaler Nutzung durch Viehherden.
Zweitens gehören die Formen des Pferdezaumzeugs und der Messer zum
Spektrum, das in weiten Teilen Eurasiens, einschließlich Nordchinas, in dieser Zeit verbreitet war. Zweiflüglige Pfeilspitzen mit Schafttülle und einem
Seitendorn sind allerdings erstmalig auf dem Territorium Chinas gefunden
worden (Abb. 69). Sie sind aus den angrenzenden Gebieten Kazachstans und
Südsibiriens bekannt und haben als ›skythische‹ Pfeilspitzen Mesopotamien
und Kleinasien erreicht. In diesem Projekt ist zum ersten Mal überhaupt die
Verwendung von Zinnbronzen vor ca. 3000 Jahren im Kunlun-Gebirge analytisch nachgewiesen worden. Soweit wir heute auf der Grundlage weniger
Analysen von gleichaltrigen Proben aus Ostxinjiang und der östlich angrenzenden Provinz Gansu beurteilen können, besteht ein markanter Unterschied
254 Jahresbericht 2006 des DAI
zwischen diesen Gebieten und Liushui in der Verwendung von Arsenkupfer
dort und der Abwesenheit von Arsenkupfer in Liushui. Das könnte ein Hinweis auf getrennte Produktionskreise sein, dem wir in den nächsten Studien
nachgehen werden. Drittens finden die Keramikgefäße keine Parallelen im
näheren oder auch weiteren Umfeld Xinjiangs. Für die abdruckverzierten
Liushui-Keramiken (Abb. 70) erscheinen nächste Analogien erst im Inventar
der Kamennyj Log-Kultur, ca. 10.–8. Jh. v. Chr., am mittleren Enisej und der
Bol´šaja Rečka-Kultur, 9.–7. Jh. v. Chr., im Gebiet des oberen Ob. Insbesondere innerhalb der Bol´šaja Rečka-Kultur finden sich auch bei Waffen- und
Ausrüstungsteilen viele Typen aus Liushui wieder. Damit sprechen nach erster
Durchsicht viele Anzeichen für einen – wenn auch erstaunlichen und heute
noch nicht erklärbaren – Bezug von Liushui zu den Gruppen weit im Norden über den Altaj hinaus. Paläopathologische Studien am Knochenmaterial von Liushui geben Auskunft über besondere körperliche Beanspruchung,
Ernährungsweisen, Verletzungen und Erkrankungen der Bestatteten. In Ermangelung zugehöriger Siedlungen ist das momentan der am besten geeignete Weg, etwas über ihren Lebensstil zu erfahren. Erste Ergebnisse weisen auf
ein Leben als von frühem Kindesalter an reitende Viehhirten hin. Die metallurgischen und paläopathologisch-anthropologischen Untersuchungen werden fortgesetzt.
Kooperationspartner: Archäologisches Institut der Chinesischen Akademie
der Sozialwissenschaften (Wu X. H.); University of Science and Technology Peking (J. J. Mei); Zentrum für Anthropologie der Universität Göttingen
(M. Schmidt) • Förderung: BMBF • Leitung des Projekts: M. Wagner •
Mitarbeiter: A. Aisha, J. Görsdorf, P. Tarasov, T. Schmidt-Schultz • Abbildungsnachweis: P. Tarasov (Abb. 65); Wu X. H. (Abb. 66); A. Aisha (Abb. 67.
68); M. Wagner, Wu X. H. (Abb. 69. 70).
Wissenschaftliche Veranstaltungen
Vorträge
16. Januar Reinhard Bernbeck (Binghamton), Neue Forschungen zur Vorgeschichte der Provinz Fars, Iranxxx19. Januar Maja Kašuba (Chişin‡u), Um
1000 v. Chr. im Nordpontikum. Ägäische und südostalpine Perspektiven
20. März Tetiana Kopieva-Kolotuchina (Simferopol), Die frühe Stufe der Katakombengrabkultur auf der Krimxxx21. März Vitalij Alexandrovič Kolotuchin (Simferopol), Die Spätbronzezeit auf der Krimxxx2. November Michail
Ljubičev (Charkov), Die Černjachov-Kultur in der Ostukraine nach neuen
Untersuchungen bei Vojtenkixxx23. November Leonid Sverčkov (Taškent)
– Nikolaus Boroffka (Berlin), Grabungen um Bandixon, Süduzbekistan.
Am 26. Oktober wurde die 1. Thomsen-Vorlesung gehalten: Margarita
Primas, Innovationstransfer vor 5000 Jahren: Knotenpunkte an Land- und
Wasserwegen zwischen Vorderasien und Mitteleuropa.
Workshops
Am 26. Mai fand in Berlin der interdisziplinäre Workshop »Produktionszentren archaischer und klassischer Keramik« statt (in Zusammenarbeit mit
dem Institut für Klassische Archäologie und dem Interdisziplinären Zentrum
Alte Welt der Freien Universität Berlin, Organisation: Martin Langner, Udo
Schlotzhauer).
Am 30. Oktober wurden im Workshop »The Cultural Landscape Persepolis Pasargadae« die Ergebnisse interdisziplinärer Forschungen im Rahmen
Abb. 70 Liushui (VR China), ausgewählte
Keramikfunde mit Ritz- und Abdruckdekor
Eurasien-Abteilung 255
des Sivand-Stausee Rettungsprojekts vorgestellt (Organisation: Barbara Helwing).
Tagung
Vom 1. bis 3. Juni fand in Berlin das internationale Symposium »Von Majkop bis Trialeti – Gewinnung und Verbreitung von Metallen und Obsidian
in Kaukasien im 4.–2. Jt. v. Chr.« statt (Organisation: Ingo Motzenbäcker in
Zusammenarbeit mit dem Deutschen Bergbau-Museum und dem Lehrstuhl
für Ur- und Frühgeschichte der Universität Tübingen). In 28 Vorträgen äußerten sich Archäologen und Naturwissenschaftler aus 8 Ländern zu Fragen
der frühen Metallurgie. Die Veranstaltung wurde durch Mittel der Volkswagenstiftung gefördert und von Frau Rahemipour organisatorisch begleitet.
Öffentlichkeitsarbeit
Frau Wagner schrieb einen Artikel für die Zeitung »China Daily«.
Frau Helwing wurde für die Zeitschrift »Abenteuer Archäologie« interviewt, am 9. Juli gab sie dem Deutschlandradio in der Sendung »Kultur Heute« ein Interview zur Gefährdung des UNESCO Weltkulturerbes in Pasargardae. Sie gab mehrere Interviews für persische und deutsche Medien in
Zusammenhang mit den Rettungsgrabungen in Darre-ye BolŒghi.
In Kislovodsk wurden während der Kampagne 2006 zwei Interviews mit
Vertretern von regionalen Zeitungen geführt. In einer Pressekonferenz im
Museum von Kislovodsk wurden die Ergebnisse der diesjährigen Kampagne
am 4. November der lokalen Öffentlichkeit vorgestellt. Weiter waren zwei
Mal lokale Fernsehteams vor Ort und es erschienen Berichte in den lokalen
Sendern.
Veröffentlichungen
Eurasia Antiqua 11, 2005
Archäologie in Eurasien 21: M.Wagner, Neolithikum und Frühe Bronzezeit in
Nordchina vor 8000 bis 3500 Jahren. Die Nordöstliche Tiefebene (Südteil)
Außenstelle Teheran
Anläßlich der Winckelmann-Feier am 9. Dezember hielt Lorenz Korn in
der Residenz des deutschen Botschafters, Herbert Honsowitz, einen Festvortrag mit dem Titel »Dome Chambers of the Saljuq Period. A Multi-Facetted
Phenomenon of Islamic Art in Iran«.
Es fanden mehrere Führungen durch das Sivand-Stauseegebiet und die
Grabungen in Darre-ye BolŒghi statt, zunächst am 23. Februar für die Teilnehmer des »International Symposium on the Archaeological Rescue Excavations in Tang-e Bolaghi«, am 20. April für die Kulturreferentin der Deutschen Botschaft Teheran, am 11. Mai für Peter Pfälzner und eine Gruppe von
Archäologiestudenten und -doktoranden der Universität Tübingen, und am
19. Mai für Francesco Bandarin, Direktor des UNESCO World Heritage
Center.
Personelle Gliederung 2006
des Deutschen Archäologischen Instituts
Präsident
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hermann Parzinger
Generalsekretär
PD Dr. Ortwin Dally, Vertreter des Präsidenten
Leiterin des Architekturreferats
Dr.-Ing. Ulrike Wulf-Rheidt
Leiter der Verwaltung
Hartmut Gerlach
Wissenschaftliche Mitarbeiter
Dr. des. Peter Baumeister, Prof. Dr. Norbert Benecke, Dr. Uta Dirschedl,
Dr. Jochen Görsdorf, Prof. Dr. Hans Rupprecht Goette, Dr. Joachim Heiden,
Dr. Karl-Uwe Heußner, Dr.-Ing. Catharine Hof (bis 10. 3.), Rainer Komp, M. A.,
Dr. Monika Linder (ab 1. 7.), Dr. Susanne Moraw (ab 1. 6.), Dr. Anatoli Nagler,
Dr. rer. nat. Reinder Neef, Dr. Felix Schäfer (ab 15. 9.), Dr. Florian Seiler,
Dr. des.-Ing. Peter Schneider (ab 1. 2.), Dr. Simone Wolf
Wissenschaftliche Hilfskräfte
Jessica Böttcher-Ebers, M. A. (bis 30. 6.), Dipl.-Ing. Janet Haberkorn (ab 1. 4.),
Veronica Hinterhuber, M. A. (ab. 1. 9.), Dipl.-Ing. Birgit Nennstiel, Dipl.-Ing. Jens Pflug
(ab 1. 7.), Henny Piezonka, M. A., Ulrich Sens, M. A., Jennifer Wilde, M. A.,
Dipl.-Ing. Claudia Winterstein
Aus Drittmitteln finanzierte Stellen
Dr. Ulrich Mania (DFG), Dr. Andreas Oettel (DFG, ab 1. 6.),
Hauke Ziemssen, M. A. (DFG, ab 18. 9.)
Mitglieder der Zentraldirektion
Der Präsident (Vorsitzender)
Borbein, Adolf H., Prof. Dr. Dr. h.c.
Freie Universität, Institut für Klassische Archäologie,
Otto-von-Simson-Straße 11, D-14195 Berlin (Stellvertreter im Vorsitz)
Bergmann, Marianne, Prof. Dr.
Universität, Archäologisches Institut, Nikolausberger Weg 15, D-37073 Göttingen
Buchner, Edmund, Prof. Dr.
Präsident i. R., Nadistr. 14, D-80809 München (ohne Votum)
Daim, Falko, Prof. Dr.
Generaldirektor, Römisch-Germanisches Zentralmuseum,
Ernst-Ludwig-Platz 2, D-55116 Mainz
Dally, Ortwin, PD Dr.
DAI, Zentrale, Podbielskiallee 69–71, D-14195 Berlin
Präsident • Zentrale
Podbielskiallee 69–71, D-14195 Berlin
Tel.: +49-(0)1888-7711-0
Telefax: +49-(0)1888-7711-168/190/191
E-Mail: [email protected]
Personelle Gliederung 2006 des DAI 257
Dreyer, Günter, Prof. Dr.
DAI, Abteilung Kairo, 31, Abu el-Feda, ET-11211 Kairo-Zamalek
Eichmann, Ricardo, Prof. Dr.
DAI, Orient-Abteilung, Podbielskiallee 69–71, D-14195 Berlin
Fless, Friederike, Prof. Dr.
Freie Universität, Institut für Klassische Archäologie,
Otto-von-Simson-Str. 11 und 7, D-14195 Berlin
Gehrke, Hans-Joachim, Prof. Dr.
Universität, Seminar für Alte Geschichte, Werthmannplatz, D-79098 Freiburg
Grolig, Wilfried, MD
Auswärtiges Amt, Leiter der Kultur- und Bildungsabteilung,
Werderscher Markt 1, D-10117 Berlin
Hansen, Svend, Prof. Dr.
DAI, Eurasien-Abteilung, Im Dol 2–6, Haus II, D-14195 Berlin
Hölscher, Tonio, Prof. Dr.
Universität, Institut für Klassische Archäologie, Marstallhof 4, D-69117 Heidelberg
Käppel, Lutz, Prof. Dr.
Universität, Institut für Klassische Altertumskunde, Leibnizstr. 8, D-24118 Kiel
Koenigs, Wolf, Prof. Dr.-Ing.
Technische Universität, Baugeschichte und Bauforschung,
Arcisstr. 21, D-80290 München
Krämer, Werner, Prof. Dr.
Präsident i. R., Antonius-Heim,
Idsteiner Str. 111, App. 609, D-65193 Wiesbaden (ohne Votum)
Kyrieleis, Helmut, Prof. Dr. Dr. h.c.
Präsident i. R., c/o DAI, Podbielskiallee 69–71, D-14195 Berlin (ohne Votum)
Maran, Joseph, Prof. Dr.
Universität, Institut für Ur- und Frühgeschichte und Vorderasiatische Archäologie,
Marstallhof 4, D-69117 Heidelberg
Martini, Wolfram, Prof. Dr.
Universität, Professur für Klassische Archäologie,
Otto-Behaghel-Str. 10 D, D-35394 Gießen
Marzoli, Dirce, PD Dr.
DAI, Abteilung Madrid, Serrano 159, E-28002 Madrid
Maul, Stefan, Prof. Dr.
Universität, Seminar für Sprachen und Kulturen des Vorderen Orients – Assyriologie,
Hauptstr. 126, D-69117 Heidelberg
Hesberg, Henner von, Prof. Dr.
DAI, Abteilung Rom,Via Sardegna, 79, I-00187 Rom
Nielsen, Inge, Prof. Dr.
Universität, Archäologisches Institut, Johnsallee 35, D-20148 Hamburg
Niemeier, Wolf-Dietrich, Prof. Dr. Dr. h.c.
DAI, Abteilung Athen, Fidiou 1, GR-10678 Athen
Pirson, Felix, PD Dr.
DAI, Abteilung Istanbul, Gümüşsuyu/Ayazpaşa Camii Sok. 46, TR-34437 Istanbul
Lüth, Friedrich, Dr.
Römisch-Germanische Kommission des DAI,
Palmengartenstr. 10–12, D-60325 Frankfurt a. M.
Schuler, Christof, Prof. Dr.
Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik des DAI,
Amalienstr. 73b, D-80799 München
Strube, Christine, Prof. Dr.
Universität, Archäologisches Institut, Marstallhof 4, D-69117 Heidelberg
Vogt, Burkhard, Dr.
Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen des DAI,
Endenicher Str. 41, D-53115 Bonn
Wildung, Dietrich, Prof. Dr.
Ägyptisches Museum und Papyrussammlung der Staatlichen Museen zu Berlin PK,
Bodestr. 1–3, 10178 D- Berlin
Zimmermann, Konrad, Prof. Dr.
Universität, Institut für Altertumswissenschaften, Universitätsplatz 1, D-18055 Rostock
258 Personelle Gliederung 2006 des DAI
Direktoren
Prof. Dr.-Ing. Dieter Mertens, Erster Direktor (bis 30. 6.)
Prof. Dr. Henner von Hesberg, Erster Direktor (ab 1. 11.)
Prof. Dr. Klaus Stefan Freyberger, Wiss. Direktor
Wissenschaftliche Mitarbeiter
Dr.-Ing. Heinz-Jürgen Beste, Dr. Sylvia Diebner, Dr. Olaf Dräger, Dr. Thomas Fröhlich,
Dr. Sophie Helas, PD Dr. Richard Neudecker
Abteilung Rom
Via Sardegna, 79, I-00187 Rom
Tel.: +39-06-488 81 41
Telefax: +39-06-488 49 73
Telegramm: DAINST 00187 Roma
E-Mail: [email protected]
Auslandsstipendiaten
Dr. David Knipp (ab 1. 11.), Dr. Kerstin Hofmann (ab 1. 11.)
Wissenschaftliche Hilfskräfte
Kristine Iara, M. A., Katharina Meinecke, M. A. (ab 27. 11.),
Anke Seifert, M. A. (bis 31. 10.), Kay Witzer, M. A. (bis 30. 11.)
Aus Drittmitteln finanzierte Stellen
Nadin Burkhardt, M. A. (GHS), Dipl-Ing. Christine Ertel (DFG),
Martin Köder, M. A. (GHS), Johannes Lipps, M. A. (DAAD), Dr. Marina Sclafani (GHS),
Dr. Andreas Thomsen (GHS), PD Dr.-Ing. Markus Wolf (DFG)
Direktoren
Prof. Dr. Dr. h.c. Wolf-Dietrich Niemeier, Erster Direktor
PD Dr. Reinhard Senff, Wiss. Direktor
Wissenschaftliche Mitarbeiter
Dr. Ivonne Kaiser, Dr. Kostas Kopanias (ab 1. 9.), Dr. Michael Krumme,
Dr. Astrid Lindenlauf (bis 31. 8.), Dr. Jutta Stroszeck
Auslandsstipendiat
Dr.-Ing. Nils Hellner (ab 1. 6.)
Wissenschaftliche Hilfskräfte
Susanne Bocher, M. A., Dr. Dimitris Grigoropoulos (ab 1. 2.), Katrin Heyken, M. A.,
Birgit Konnemann, M. A. (bis 30. 4.), Oliver Pilz, M. A., Laura Rizzotto, M. A. (ab 22. 5.),
Melissa Vetters, M. A. (bis 31. 3.), Ulrich Thaler, M. A. (ab 1. 4.)
Abteilung Athen
Fidiou 1, GR-106 78 Athen
Tel.: +30-210-330 74 00
Telefax: +30-210-381 47 62
Telegramm: DAINST ATHEN
E-Mail: [email protected]
Personelle Gliederung 2006 des DAI 259
Römisch-Germanische Kommission
Haus I: Palmengartenstraße 10–12,
D-60325 Frankfurt a. M.
Tel.: +49-(0)69-97 58 18-0
Telefax: +49-(0)69-97 58 18-38;
+49-(0)69-97 58 18-40 (Direktion)
E-Mail: [email protected]
Haus II: Arndtstr, 21, D-60325
Frankfurt a. M.
Tel.: +49-(0)69-75 61 07-0
Telefax: +49-(0)69-75 61 07-20
Forschungsstelle Ingolstadt
Jesuitenstr. 3, D-85049 Ingolstadt
Tel.: +49-(0)841-931 14 04
Telefax: +49-(0)841-931 14 28
E-Mail: [email protected]
Direktoren
Prof. Dr. Siegmar von Schnurbein, Erster Direktor (bis 31. 10.)
Dr. Friedrich Lüth, Erster Direktor (ab 1. 11.)
Dr. Susanne Sievers, Wiss. Direktorin
Wissenschaftliche Mitarbeiter
Katharina Becker, M. A. (Frankfurt) (ab 1. 10.), Dr. Uta von Freeden (Frankfurt),
Prof. Dr. sc. Eike Gringmuth-Dallmer (Berlin), Dr. Claus-Michael Hüssen (Ingolstadt),
Dr. Gabriele Rasbach (Frankfurt), Dr. Knut Rassmann (Frankfurt),
Dr. Karl-Friedrich Rittershofer (Frankfurt), Dr. Gerda Sommer von Bülow (Frankfurt),
Dr. Astrid Stobbe (Frankfurt) (ab 1. 10.), Dr. Thorsten Westphal (Frankfurt) (ab 1. 6.)
Wissenschaftliche Hilfskräfte
Michèle Eller, M. A. (Ingolstadt) (ab 15. 9.), Annette Lennartz, M. A. (Frankfurt),
Natascha Mehler, M. A. (Ingolstadt) (bis 26. 6.), Kerstin Schierhold, M. A. (Frankfurt),
Nina Schücker, M. A. (Frankfurt), Juliane Stadler, M. A. (Frankfurt)
Aus Drittmitteln finanzierte Stellen
Dr. Holger Baitinger (Frankfurt) (DFG), Dr. Armin Becker (Frankfurt) (DFG),
Ruth Beusing, M. A. (Frankfurt) (EU, ab. 15. 11.), Dr. Markus Helfert (Frankfurt) (DFG),
Dr. Alexandru Popa (Frankfurt) (DFG), Dr. Axel Posluschny (Frankfurt) (DFG),
Dr. Britta Ramminger (Frankfurt) (DFG, bis 31. 10.), Gerald Rühl, M. A. (Frankfurt)
(DFG), Thomas Schierl, M. A. (Frankfurt) (DFG), Dr. Hans-Ulrich Voß (Schwerin) (DFG)
Mitglieder der Kommission
Die Direktoren
Der Präsident
Grolig, Wilfried, MD
Auswärtiges Amt, Leiter der Kultur- und Bildungsabteilung,
Werderscher Markt 1, D-10117 Berlin
Roth, Petra, Dr.
Die Oberbürgermeisterin der Stadt Frankfurt am Main
Römerberg 23, D-60311 Frankfurt a. M.
Daim, Falko, Prof. Dr.
Generaldirektor, Römisch-Germanisches Zentralmuseum,
Ernst-Ludwig-Platz 2, D-55116 Mainz
Bertemes, François, Prof. Dr.
Universität, Institut für Prähistorische Archäologie,
Brandbergweg 23, D-06120 Halle/Saale
Carnap-Bornheim, Claus von, Prof. Dr.
Direktor, Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen,
Archäologisches Landesmuseum, Schloß Gottorf, D-24837 Schleswig
Conard, Nicholas, Prof. Dr.
Universität, Institut für Ur- und Frühgeschichte,
Schloß Hohentübingen, D-72070 Tübingen
Ettel, Peter, Prof. Dr.
Universität, Bereich Ur- und Frühgeschichte, Löbdergraben 24 a, D-07743 Jena
Isenberg, Gabriele, Dr.
Direktorin, Westfälisches Museum für Archäologie, Rothenburg 30, D-48143 Münster
Kaenel, Hans-Markus von, Prof. Dr.
Universität, Institut für Archäologische Wissenschaften Abt. II,
Archäologie und Geschichte der römischen Provinzen sowie Hilfswissenschaften
der Altertumskunde, Grüneburgplatz 1, D-60329 Frankfurt a. M.
Krämer, Werner, Prof. Dr.
Präsident i. R., Antonius-Heim,
Idsteiner Str. 111, App. 609, D-65193 Wiesbaden (ohne Votum)
Maier, Ferdinand, Prof. Dr.
Erster Direktor i. R., Justus-Liebig-Str. 8, D-64720 Michelstadt/Odw. (ohne Votum)
Planck, Dieter, Prof. Dr.
Präsident, Landesdenkmalamt Baden-Württemberg,
Berliner Str. 12, D- 73728 Esslingen a. N.
260 Personelle Gliederung 2006 des DAI
Schallmayer, Egon, Prof. Dr.
Direktor, Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Abt. Archäologische
und Paläontologische Denkmalpflege, Schloß, Ostflügel, D-65203 Wiesbaden-Biebrich
Wamser, Ludwig, Prof. Dr.
Direktor, Archäologische Staatssammlung, Museum für Vor- und Frühgeschichte,
Postfach 22 00 28, D-80535 München
Wetzel, Günter, Dr.
Vorsitzender, Mittel- und Ostdeutscher Verband für Altertumsforschung,
Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum,
Wünsdorfer Platz 5, D-15838 Wünsdorf
Willroth, Karl-Heinz, Prof. Dr.
Universität, Seminar für Ur- und Frühgeschichte,
Nikolausberger Weg 15, D-37073 Göttingen
Zimmermann, Andreas, Prof. Dr.
Universität, Seminar für Ur- und Frühgeschichte,
Albertus-Magnus-Platz 1, D-50931 Köln
Zimmermann, Wolf Haio, Dr.
Direktor, Niedersächsisches Institut für historische Küstenforschung,
Viktoriastr. 26/28, D-26382 Wilhelmshaven
Direktoren
Prof. Dr. Günter Dreyer, Erster Direktor
PD Dr. Daniel Polz, Wiss. Direktor
Wissenschaftliche Mitarbeiter
Dr. des. Ulrike Fauerbach (ab 16. 10.), Dr. Ulrich Hartung,
Dr. Klaus-Peter Kuhlmann (bis 30. 6.), Dr. Dietrich Raue
Abteilung Kairo
31, Sharia Abu el-Feda, ET-11211 KairoZamalek
Tel.: +20-(0)2-735 14 60, 735 23 21
Telefax: +20-(0)2-737 07 70
E-Mail: [email protected]
Auslandsstipendiat
Dr. Ralph Bodenstein (ab 1. 12.)
Wissenschaftliche Hilfskraft
Nicole Kehrer, M. A.
Aus Drittmitteln finanzierte Stelle
Dipl.-Ing. Claudia Lacher (16. 2. bis 15. 4.)
Direktoren
Prof. Dr.-Ing. Adolf Hoffmann, Erster Direktor (bis 30. 4.)
PD Dr. Felix Pirson, Erster Direktor (ab 1. 5.)
PD Dr. Felix Pirson, Wiss. Direktor (bis 1. 5.)
Dr.-Ing. Martin Bachmann, Wiss. Direktor (ab 1. 6.)
Wissenschaftliche Mitarbeiter
Dr.-Ing. Martin Bachmann (bis 31. 5.), Dr. Philipp Niewöhner (ab 10. 11.),
Dr. Richard Posamentir, Dr. Andreas Schachner, Dr. Jürgen Seeher
Abteilung Istanbul
Gümüşsuyu/Ayazpaşa Camii Sok. 46
TR-34437 İstanbul
Tel.: +90-(0)212-252 34 90, 244 07 14
Telefax: +90-(0)212-252 34 91, 251 37 21
Telegramm: DEUTSCHINSTITUT
Istanbul
E-Mail: [email protected]
Personelle Gliederung 2006 des DAI 261
Wissenschaftliche Hilfskräfte
Dipl.-Ing. Janet Haberkorn (bis 31. 3.), Işıl Işıklıkaya, M. A. (ab 1. 3.), Ute Kelp, M. A.,
Dipl.-Ing. Dominik Lorentzen, (bis 30. 4.), Dipl.-Ing. Timm Radt (bis 30. 6.), Torsten
Zimmer, M. A.
Aus Drittmitteln finanzierte Stelle
Dr. Ulf-Dietrich Schoop (DFG)
Abteilung Madrid
Serrano 159, E-28002 Madrid
Tel.: +34-(91) 561 09 04
Telefax : +34-(91) 564 00 54
E-Mail: [email protected]
Direktoren
PD Dr. Dirce Marzoli, Erste Direktorin
PD Dr. Thomas G. Schattner, Wiss. Direktor
Wissenschaftliche Mitarbeiter
Dr.-Ing. Felix Arnold, Dr. Christoph Eger (bis 30.4.), PD Dr. Michael Kunst,
PD Dr. Dirk P. Mielke (ab 29.8.)
Wissenschaftliche Hilfskräfte
Beate Brühlmann, M. A. (ab 1.4.), Nina Lutz, M. A. (15.10.)
Aus Drittmitteln finanzierte Stellen
PD Dr. Th. X. Schuhmacher (DFG), Dr. Gert Goldenberg (DFG)
Kommission für Alte Geschichte
und Epigraphik
Amalienstr. 73b, D-80799 München
Tel.: +49-(0)89-28 67 67-60
Telefax: +49-(0)89-28 67 67-80
E-Mail: [email protected]
Direktoren
PD Dr. Christof Schuler, Erster Direktor
PD Dr. Rudolf Haensch, Wiss. Direktor
Wissenschaftliche Mitarbeiter
Dr. Hans Roland Baldus, PD Dr. Helmut Müller, Prof. Dr. Johannes Nollé,
Dr. Armin U. Stylow (bis 31. 8.), Dr. Claudia Kreuzsaler (ab 1. 9.),
Dr. Peter Rothenhöfer (ab 1. 12.)
Wissenschaftliche Hilfskräfte
Mag. phil. Roland Färber (ab 1. 12.), Dr. Jörg Daumer (bis 31. 7.), Simone Killen, M. A.,
Katja Kröss, M. A. (ab 1. 4.), Nele Schröder, M. A. (ab 1. 7.)
Aus Drittmitteln finanzierte Stelle
Dr. des. Andreas V. Walser (DFG, ab 1. 7.)
Mitglieder der Kommission
Die Direktoren
Der Präsident
Grolig, Wilfried, MD
Auswärtiges Amt, Leiter der Kultur- und Bildungsabteilung,
Werderscher Markt 1, D-10117 Berlin
Buchner, Edmund, Prof. Dr.
Präsident i. R., Nadistr. 14, D-80809 München (ohne Votum)
262 Personelle Gliederung 2006 des DAI
Deininger, Jürgen, Prof. Dr.
Universität, Seminar für Alte Geschichte,Von-Melle-Park 6, D-20146 Hamburg
Dietz, Karlheinz, Prof. Dr.
Universität, Lehrstuhl für Alte Geschichte, Residenzplatz 2 A, D-97070 Würzburg
Eck, Werner, Prof. Dr.
Universität, Institut für Altertumskunde – Alte Geschichte,
Albertus-Magnus-Platz, D-50923 Köln
Errington, R. Malcolm, Prof. Dr.
Universität, Seminar für Alte Geschichte, Wilhelm-Röpke-Str. 6 C, D-35032 Marburg
Funke, Peter, Prof. Dr.
Universität, Seminar für Alte Geschichte, Domplatz 20–22, D-48143 Münster
Jehne, Martin, Prof. Dr.
Technische Universität, Lehrstuhl für Alte Geschichte,
Mommsenstr. 13, D-01069 Dresden
Rebenich, Stefan, Prof. Dr.
Universität, Historisches Institut, Unitobler, Länggasstr. 49, CH-3012 Bern
Schmitz, Winfried, Prof. Dr.
Universität, Philosophische Fakultät, Seminar für Alte Geschichte,
Am Hof 1e, D-53113 Bonn
Weiß, Peter, Prof. Dr.
Universität, Institut für Klassische Altertumskunde, Leibnitzstr. 8, D-24098 Kiel
Zimmermann, Martin, Prof. Dr.
Universität, Abt. Alte Geschichte, Historisches Seminar,
Geschwister-Scholl-Platz 1, D-80539 München
Direktoren
Prof. Dr. Ricardo Eichmann, Erster Direktor
Dr. Margarete van Ess, Wiss. Direktorin
Wissenschaftliche Mitarbeiter
Dr. Claudia Bührig, PD Dr. Klaus Schmidt
Orient-Abteilung
Podbielskiallee 69–71, D-14195 Berlin
Tel.: +49-(0)1888-7711-0
Telefax: +49-(0)1888-7711-189
E-Mail: [email protected]
Wissenschaftliche Hilfskräfte
Matthias Kolbe, M. A., Miriam Kühn, M. A. (ab 1. 1.)
Aus Drittmitteln finanzierte Stellen
Dr. des. Claudia Beuger (DFG), Dr. des. Adje Both (DFG, 1. 5. bis 31. 12.),
Anja Dreiser (DFG, ab 1. 10.), Bettina Genz, M. A. (DFG), Dr. Thomas Götzelt (DFG),
Dr. Arnulf Hausleiter (DFG), Jan Krumnow (DFG, ab 1. 11.),
Florian Klimscha, M. A. (DFG), Dr. Bernd Liesen (DFG, ab 20. 8.),
Kristina Pfeiffer, M. A. (DFG, bis 12. 12.), Dipl.-Ing. Ulrike Siegel (DFG, ab 1. 2.),
Jürgen Schreiber, M. A. (DFG), Judith Thomalsky, M. A. (DFG),
Holger Wienholz (DFG, ab 15. 8.)
Zur Zeit nicht besetzt, daher vorübergehende Postadresse wie nebenstehend.
Außenstelle Baghdad
Podbielskiallee 69–71, D-14195 Berlin
Tel.: +49-(0)1888-7711-0
Telefax: +49-(0)1888-7711-189
E-Mail: [email protected]
Personelle Gliederung 2006 des DAI 263
Außenstelle Damaskus
8, Malki Street,
POB 11870, Damaskus/Syrien
Tel : +963-(0)11-374 98 12-0,
374 98 13-0
Telefax: +963-(0)11-374 98 12-9,
374 98 13-9
E-Mail : [email protected]
Außenstelle Sana’a
Leiterin
PD Dr. Karin Bartl
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Dr. Markus Gschwind
Wissenschaftliche Hilfskräfte
Verena Daiber, M. A. (28. 2. bis 15.12.), Dr. des. Matthias Grawehr (ab 1. 9.),
Dörte Rokitta, M. A. (ab 1. 7.)
Leiterin
Dr. Iris Gerlach
German Institute of Archaeology
c/o Embassy of the Federal Republic of
Germany
POB 2562, Sana’a/Republik Jemen
Tel.: +967-(0)1-21 84 74
Telefax: +967-(0)1-20 32 26
E-Mail: [email protected]
Auslandsstipendiatin
Dr. Sarah Japp
Kommission für Archäologie
Außereuropäischer Kulturen, Bonn
Direktoren
Dr. Burkhard Vogt, Erster Direktor
Dr. Josef Eiwanger, Wiss. Direktor
Endenicher Str. 41, D-53115 Bonn
Tel.: +49-(0)1888-7712-0
Telefax: +49-(0)1888-7712-49
E-Mail: [email protected]
Wissenschaftliche Mitarbeiter
Prof. Dr. Hans-Georg Hüttel, Dr. Heiko Prümers, Dr. Markus Reindel,
Dr. Andreas Reinecke, Dr. Hans Joachim Weisshaar
Fortbildungsstipendiatin
Dr. Renate Heckendorf-Salih (ab 1. 5.)
Wissenschaftliche Hilfskräfte
Carolina Hohmann, M. A. (ab 1. 8.), Denise Kupferschmidt, M. A. (ab 1. 8.)
Aus Drittmitteln finanzierte Stellen
Christina Franken, M. A. (DFG), Niels Hecht, M. A. (BMBF), Dr. Karsten Lambers
(BMBF), Susanne Schlegel, M. A. (BMBF), Nicolaus Seefeld (DFG, ab 1. 11.)
Mitglieder der Kommission
Die Direktoren
Der Präsident
Grolig, Wilfried, MD
Auswärtiges Amt, Leiter der Kultur- und Bildungsabteilung,
Werderscher Markt 1, D-10117 Berlin
Bemmann, Jan, Prof. Dr.
Universität, Institut für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie,
Regina-Pacis-Weg 7, D-53113 Bonn
Breunig, Peter, Prof. Dr.
Universität, Seminar für Vor- und Frühgeschichte, Archäologie Afrikas,
Postfach 11 19 32, D-60054 Frankfurt a. M.
264 Personelle Gliederung 2006 des DAI
Daim, Falko, Prof. Dr.
Generaldirektor, Römisch-Germanisches Zentralmuseum,
Ernst-Ludwig-Platz 2, D-55116 Mainz
Fischer, Eberhard, Dr.
Generalsekretär, Schweizerisch-Liechtensteinische Stiftung für Archäologische
Forschungen im Ausland, Museum Rietberg, Gablerstr. 15, CH-8002 Zürich
Nikolai Grube, Prof. Dr.
Universität, Institut für Altamerikanistik und Ethnologie,
Römerstr. 164, D-53117 Bonn
Höllmann, Thomas O., Prof. Dr.
Universität, Institut für Ostasienkunde, Sinologie,
Kaulbachstr. 51 A, D-80539 München
Kaulicke, Peter, Dr.
Universität, Departamento de Humanidades, Apartado 1761, PE-100 Lima
Mielsch, Harald, Prof. Dr.
Universität, Archäologisches Institut, Am Hofgarten 21, D-53113 Bonn
Müller-Karpe, Hermann, Prof. Dr.
Erster Direktor i. R., Am Limperichsberg 30, D-53639 Königswinter (ohne Votum)
Reisch, Ludwig, Prof. Dr.
Universität, Institut für Ur- und Frühgeschichte, Kochstr. 4 (18), D-91054 Erlangen
Sack, Dorothée, Prof. Dr.-Ing.
Technische Universität, Fakultät VII - Architektur. Umwelt. Gesellschaft,
Fachgebiet Historische Bauforschung, Straße des 17. Juni 152, D-10623 Berlin
Schier, Wolfram, Prof. Dr.
Universität, Institut für Prähistorische Archäologie (Ur- und Frühgeschichte),
Altensteinstr. 15, D-14195 Berlin
Stöllner, Thomas Robert, Prof. Dr.
Deutsches Bergbau-Museum, Fachbereich Montanarchäologie,
Herner Str. 45, D-44787 Bochum
Wagner, Günther, Prof. Dr.
Forschungsstelle Archäometrie der Heidelberger Akademie der Wissenschaften
am Max-Planck-Institut für Kernphysik, Saupfercheckweg 1, D-69117 Heidelberg
Direktoren
Prof. Dr. Svend Hansen, Erster Direktor
PD Dr. Mayke Wagner, Wiss. Direktorin
Wissenschaftliche Mitarbeiter
Dr. Barbara Helwing, Dr. Ingo Motzenbäcker, Dr. Udo Schlotzhauer,
Dr. Erdmute Schultze
Fortbildungsstipendiat
Dr. Mike Teufer (ab 1. 12.)
Wissenschaftliche Hilfskräfte
Ellen Kühnelt, M. A., Katrin Bastert-Lamprichs, M. A. (ab 15. 7.)
Aus Drittmittteln finanzierte Stellen
Dr. Ute Franke-Vogt (AA, DFG), Dr. Raiko Krauß (DFG),
Stephanie Langer, M. A. (DFG, bis 15. 12.), Dr. Gunvor Lindström (DFG, ab 1. 10.),
Dr. Agathe Reingruber (DFG), Dr. Sabine Reinhold (DFG, ab 15. 9.)
Freier Mitarbeiter
Dr. Nikolaus Boroffka (Projekt Bandixon)
Eurasien-Abteilung
Im Dol 2–6, D-14195 Berlin
Tel.: +49-(0)1888-7711-311
Telefax: +49-(0)1888-7711-313
E-Mail: [email protected]