Führung durch die ARCHE NOAH Beerensammlung

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Führung durch die ARCHE NOAH Beerensammlung
Führung durch die ARCHE NOAH Beerensammlung
Schiltern März 2006, Bernd Kajtna
STACHELBEERE
Early Green Hairy (England, um 1820)
Arche Noah Naschgarten
Early Green Hairy lässt sich mit kaum einer anderen Stachelbeersorte
verwechseln.
Typisch
sind
vor
allem
die
kleinen,
kugeligen,
dunkelgrünen, borstig behaarten Beeren. Die Schale ist relativ dünn und
deutlich
geadert.
Die
zähe
Fruchthaut
lässt
die
Beeren
auch
bei
Regenwetter kaum platzen.
Obwohl Early Green Hairy wegen ihrer intensiv dunkelgrünen Färbung meist
für
unreif
gehalten
aromatischsten
wird,
gehört
Stachelbeeren.
Nicht
die
Sorte
umsonst
war
zu
den
die
süßesten
Sorte
im
und
19.
Jahrhundert in England als Dessertfrucht hoch geschätzt. Lästig sind
allerdings die etwas zähe Fruchthaut und die kleinen Beeren sowie die
kurzen Beerenstiele, welche die Pflückarbeit erschweren.
Neben
den
Beeren
Sortenmerkmale
weisen
auf.
Die
auch
der
Strauch
und
die
Blätter
schlanken,
staubig
behaarten,
typische
braunen
Triebe
stehen fast senkrecht und verleihen der Sorte einen dichten, aufrechten
Wuchs. Die Blätter sind auffallend glänzend und dunkelgrün. Außerdem
wird die Sorte im Vergleich zu anderen alten europäischen Stachelbeeren
nur wenig von Mehltau befallen.
Early Green Hairy war im 19. Jahrhundert
nördlichen
und
westlichen
Deutschland
vor allem in England und im
verbreitet.
Sie
wurde
unter
zahlreichen Namen beschrieben und verkauft. In England hieß die Sorte
auch
Green
Gascoigne,
Early
Green
oder
Green
Gage,
von
deutschen
Baumschulen wurde sie als Deutsche Grüne vertrieben. Allerdings wurde
die Sorte vor allem in Deutschland auch oft mit der weniger aromatischen
und deutlich heller (gelblichgrün) gefärbten Sorte Small Hairy Green
verwechselt.
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Grüne Flaschenbeere (England, um 1810)
Arche Noah Naschgarten
Die Grüne Flaschenbeere gehört zu den ältesten, heute noch vorhandenen
Stachelbeeren. Sie war in fast allen Beerenobstbau treibenden Ländern
verbreitet
und
sowohl
in
Hausgärten
als
auch
im
Erwerbsanbau
sehr
geschätzt.
Die Grüne Flaschenbeere ist durch ihre charakteristische Form und Farbe
der Früchte unverkennbar. Die Beeren sind groß bis sehr groß, meist
birnenförmig, zum Teil auch elliptisch und gegen den Stielansatz in
fleischiges
Stielchen
verjüngt.
Sie
haben
eine
dünne,
ein
glatte,
dunkelgrüne Schale, die auf der Sonnenseite oft rötlich marmoriert ist.
Die Reife ist eher spät.
Geschmacklich
kann
die
Grüne
Flaschenbeere
nicht
an
der
Spitze
mithalten. Beim Frischgenuss wird das eigentlich gute Aroma durch einen
etwas unangenehmen säuerlichen Nachgeschmack beeinträchtigt. Dies ist
wohl
auch
mit
ein
Grund,
weshalb
die
Sorte
vor
allem
für
die
Verwertung, besonders zum Ganzeinmachen sowie als Belagfrucht für die
Bäckerei
verwendet
wurde.
Die
Grüne
Flaschenbeere
war
von
der
Konservenindustrie sehr begehrt.
Der Strauch wächst außerordentlich kräftig und bildet breit ausladende
Büsche. Die Langtriebe und die einjährigen Seitentriebe sind abstehend
und an der Spitze meist überhängend. Damit der Busch
nicht zu dicht
wird und eine vernünftige Form erhält muss er regelmäßig geschnitten
werden. Neben der Buscherziehung ist wegen des hängenden Wuchses eine
Spaliererziehung sinnvoll. Die Sorte ist stark mehltauanfällig.
Die Grünpflücke
Eine Besonderheit bei der Ernte von Stachelbeeren ist die Grünpflücke.
Sobald die Beeren etwa ein Drittel bis die Hälfte ihrer endgültigen
Größe erreicht haben (ca. ab Mitte Mai), pflückt man alle kleineren und
überzähligen
Früchte
(meist
über
die
Hälfte
bis
zwei
Drittel
aller
Beeren) und verwertet diese zu Kompott, Kuchen etc., ähnlich wie der
früher noch wenig geschätzte Rhabarber. Hierfür eignen sich nur Sorten,
die frühzeitig dick werden und bei der Konservierung nicht verbräunen,
zum Beispiel die ‘Rote Triumph’ oder die ‘Grüne Riesenbeere’.
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In älteren Früchten nimmt der Säuregehalt zu, sodass man beim Einkochen
mehr
Zucker
benötigt.
Durch
das
Grünpflücken
werden
die
restlichen
Früchte größer und geschmackvoller, und der Markt für Stachelbeeren ist
noch nicht gesättigt. Allerdings ist auch die Ernte aufwändiger. Grün
gepflückte Stachelbeeren eignen sich wegen ihres hohen Pektingehalts gut
für
Konserven.
Frisch
genossen
sind
sie
jedoch
nicht
besonders
geschmackvoll und können Magen- und Darmbeschwerden verursachen.
Vielerorts war die Grünpflücke wesentlich lukrativer als der Verkauf
vollreifer Früchte. Letztere konnten oft nur zu Beginn der Erntesaison
rentabel
abgesetzt
Deutschland
sehr
werden.
beliebt
So
und
wurde
die
Grünpflücke
entwickelte
sich
vor
teilweise
allem
sogar
in
zur
Haupterntemethode, sodass nicht mehr die kleinsten, sondern die größten
Beeren für die vorzeitige Pflücke verwendet wurden. In der Schweiz war
diese Verwertungsform jedoch wenig bekannt.
Für den Frischmarkt und die Herstellung von Marmeladen und Gelees werden
selbstverständlich nur vollreife Früchte verwendet. Schon um 1900 wurden
hierfür die rot- und gelbfrüchtige Sorten bevorzugt.
Macherauchs Resistenta (Deutschland, 1953)
Stachelbeerbeete
Resistenta
war
eine
der
Resistenzzüchtungsprogramm
Bauer.
Sie
gebracht,
wurde
konnte
1953
sich
ersten
des
von
der
aber
Stachelbeerzüchtungen
deutschen
Beerenobstzüchters
Baumschule
trotz
aus
Artländer
ihrer
in
dem
Dr.
R.
den
Handel
Mehltauresistenz
nicht
durchsetzen. Durch die spätere Verkreuzung mit der Roten Triumph und
Keepsake
entstand
aber
beispielsweise
die
heute
weit
verbreitet
Frühsorte Invicta.
Der Einfluss der eingekeuzten Oregon Stachelbeere (Ribes divaricatum)
äußert sich vor allem in einer extrem scharfen und langen Bestachelung.
Da der Strauch zudem stark- und dichtwüchsig ist, lassen sich die Beere
kaum
ohne
zerkratzte
und
verstochene
Hände
pflücken.
Typische
'amerikanische' Merkmale sind die Blüten mit ihren lang aus der Krone
ragenden Staubblättern sowie die Bereifung der Beeren. Die recht spät
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reifenden
Beeren
von
Resistenta
sind
nur
mittelgroß,
rundlich
bis
elliptisch, gelbgrün und völlig kahl. Der Geschmack ist auffallend süß
und aromatisch. Die Platzneigung ist gering.
Amerikanischer Stachelbeermehltau
Die Einschleppung des amerikanischen Stachelbeermehltaues ab 1900 nach Europa
brachte enorme Schwierigkeiten im Anbau mit sich. Der Pilz befällt Blätter und
Früchte und vernichtet ganze Ernten. Viele bekannte Sorten erwiesen sich als
hochanfällig gegenüber der Pilzkrankheit und verschwanden aus dem Anbau. Als
erste widerstandsfähige Sorte wurde die Amerikanische Gebirgsstachelbeere zum
Anbau empfohlen. Die Stachelbeerzüchtung im Hausgarten, wie sie vor allem in
England
gepflegt
wurde,
verlor
an
Bedeutung,
stattdessen
übernahmen
Universitäten und Forschungsinstitute die Suche nach neuen, widerstandsfähigen
Sorten. In Deutschland wurden ab 1938 Kreuzungen zwischen nordamerikanischen
Arten (Ribes divaricatum und Ribes hirtellum), die gegen den Stachelbeermehltau
resistent sind, und den alten europäischen Sorten durchgeführt. Viele der heute
angebotenen Sorten der Stachelbeere sind Nachkommen dieser Kreuzungen.
Trotz aller Erfolge, resistente Sorten zu züchten, werden im Erwerbsanbau heute
weiterhin alte, mehltauanfällige Sorten angebaut. So ist die anfällige Sorte
Achilles in Österreich Hauptsorte im konventionellen Anbau, da die alten
europäischen Sorten resistente Neuzüchtungen noch immer an Fruchtgröße und
Ertrag übertreffen. Der amerikanische Stachelbeermehltau wird mit hohem
Pflanzenschutzaufwand bekämpft. Für den Hausgarten werden praktische
ausschließlich resistente Sorten angeboten.
In den USA konnten sich europäische Stachelbeersorten aufgrund der Anfälligkeit
gegen den Mehltau nie durchsetzen. Bereits 1833 entstand aus einer Kreuzung von
Ribes hirtellum (Amerikanische Stachelbeeren) und einer unbekannten europäischen
Sorten die mehltauresistente Sorte Houghton, die bis heute in der Züchtung
verwendet wird.
RIBISEL
‘Fleischfarbene Champagner’ und ‘Rosa Holländische’ (Herkunft ungewiss,
bereits im 18. Jahrhundert bekannt)
Naschgarten und Naschecke
Diese beiden alten rosafarbenen Sorten sind einander sehr ähnlich und
unterscheiden
sich
von
anderen
rosafarbenen
Johannisbeeren
durch
die
Größe der Beeren und ihre Ausfärbung.
Im Unterschied zu den sehr großen Beeren von ‘Rosa Kärnten’ und ‘Rosa
Sport’ sind die Beeren dieser beiden Sorten nur von mittlerer Größe. Die
Beeren
weiterer
rosafarbener
Sorten
wie
‘Gloire
de
Sablons’
sind
marmoriert mit gelber Grundfarbe, ’Fleischfarbene Champagner’ und ‘Rosa
Holländische’
hingegen
sind
hellrosa
bzw.
mattrosa
gefärbt
und
durchsichtig.
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Die Herkunft und Abstammung ist bei der ‘Rosa Holländischen’ nicht genau
bekannt. Fest steht, dass sie bereits vor 1800 entstanden ist. Ihre
Trauben sind lang und locker besetzt mit mittelgroßen bis großen Beeren.
Diese sind mattrosa und durchsichtig, ihr Geschmack ist mild säuerlich.
Der kräftig wachsende Strauch ist sehr fruchtbar und blüht spät. Die
Sorte braucht guten Gartenboden mit reichlich Feuchtigkeit.
Die Beeren der ‘Fleischfarbenen Champagner’ sind mittelgroß, hellrosa
gefärbt und kugelig. Die Frucht ist sauer, aber sehr aromatisch. Die
Trauben sind kurz bis höchstens mittellang und neigen zum Verrieseln.
Der
Strauch
hat
einen
kräftigen,
aufrechten
Wuchs
und
eine
gesunde
Belaubung. Er ist recht fruchtbar und reift Anfang Juli. Friedrich Jakob
Dochnahl
erwähnt
eine
‘Fleischfarbige
Johannisbeere’,
die
seit
1620
bekannt ist. Eine Sorte mit dem Namen ‘Champagner’ wurde Ende des 19.
Jahrhunderts
in
Fachkatalogen
erwähnt.
Es
handelt
sich
hierbei
vermutlich um dieselbe Sorte. Sie wurde besonders zur Herstellung von
weißem Wein empfohlen.
‘Rosa Kärnten’ (Österreich um 1935)
Naschecke auf der Streuobstwiese
‘Rosa Kärnten’ wurde in den 1930er-Jahren in Wolfsberg/Kärnten in einem
Bestand der Sorte ‘Heros’ aufgefunden – vermutlich handelt es sich um
eine Farbmutante von ‘Heros’. Die Baumschule Prinz bezog Sorten aus ganz
Europa, handelte mit Beerenobst und vermehrte zahlreiche Sorten selbst.
Ende der 1930er-Jahre wurde auf einer Fläche von ca. 1 Hektar Beerenobst
für
den
Erwerb
kultiviert.
Darunter
war
die
Eigenselektion
‘Rosa
Kärnten’. Die Früchte wurden lokal vermarktet.
Die Trauben sind etwa 10 Zentimeter lang, aber nur locker besetzt (ca.
14 Beeren/Traube) und kurz gestielt. Die Basalbeere fehlt. Zur Reife hin
verrieseln mitunter die Beeren an der Spitze der Traube. Die Beeren sind
auffallend groß und hellrosa gefärbt, um den Kelchzipfel dunkel rosa
gesprenkelt
mit
säuerlich,
mild
Nachgeschmack.
Es
durchscheinenden
und
sind
aromatisch,
immer
Samen.
zum
wieder
Ihr
Geschmack
Teil
einzelne,
mit
ist
leicht
durchgehend
angenehm
bitterem
rot
oder
partiell rot gefärbte Beeren an einer Traube zu finden. Dabei handelt es
sich um Rückmutationen. Die sich ändernde Fruchtfarbe zeigt anschaulich,
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wie sich Sortenmerkmale durch spontane Mutation ändern und wie wichtig
deshalb die Stockauslese ist.
Die Johannisbeere ‘Rosa Kärnten’ ist schwachwüchsig und bildet breite,
weit ausladende Büsche. Die Winterknospe ist rotbraun, spitz-eiförmig,
bereift und etwas abstehend; das Blatt treibt früh aus, ist mittelgroß
und fünflappig, mit einem kurzen, breiten Mittellappen und einer tiefen,
meist engen Blattbucht. Der Blattrand ist gekerbt. Die Blüte erscheint
früh, ist tellerförmig und hat gelbgrüne, leicht hellrot gesprenkelte
Kelchblätter. Die Reifezeit ist mittelfrüh, der Ertrag bis mittel bis
hoch. ‘Rosa Kärnten’ ist etwa anfällig für Blattläuse und bevorzugt
aufgrund des schwachen Wuchses bessere Böden.
Die rosafrüchtige Sorte ‘Rosa Sport’ ist ebenso eine Farbmutante von
‘Heros’. Sie wurde 1952 in den Niederlanden selektiert und wird heute
auch
unter
dem
Synonym
‘Rosalinn’
angeboten.
Die
beiden
‘Heros’-
Abkömmlinge unterscheiden sich in ihren Eigenschaften kaum voneinander.
‘Rosa Kärnten’ blieb über 70 Jahre im Sortiment der Baumschule Prinz. Im
Jahr 2001 wurde die Vermehrung eingestellt. Die Baumschule produziert
heute schwerpunktmäßig Rosen.
Die Kirschjohannisbeere und die Kritzendorfer Ribisel
Ribiselallee und Naschecke auf der Streuobstwiese
In
der
historischen
Johannisbeersorten
Literatur
häufig
werden
unter
dem
großfrüchtige,
Begriff
dunkelrote
Kirschjohannisbeer
zusammengefasst.
Neben
den
großen,
kugelrunden,
dunkelroten
Beeren
zeichnen
sich
die
Vertreter dieses Formenkreises durch eine frühe Blüte und Reife und
einen lockeren, wenig verzeigten Wuchs aus. Die Beeren sind in der Regel
recht
sauer
und
halten
sich
lange
am
Strauch.
Die
Rote
Kirsch-
Johannisbeere war eine der ersten großfruchtigen Kultursorten aus dem
Verwandtschaftskreis von Ribes rubrum, vergleichbar mit der Sorte „Rote
Holländische“ als Selektion der Felsen-Johannisbeere. Angeblich stammt
die erste Kirschjohannisbeere ursprünglich aus Italien. Von dort aus
wurde
sie
nach
Frankreich,
Österreich
und
bereits
1846
in
die
USA
verbreitet. Aufgrund der großen, schön gefärbten Beeren konnte sie sich
rasch
durchsetzen
und
wurde
Führung durch die ARCHE NOAH Beerensammlung
vielfach
in
der
Züchtung
verwendet.
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Prominente Abkömmlinge der Kirschjohannisbeeren sind „Rote Versailler“
und „Fay´s new prolific“.
Die Kirsch-Johannisbeere tritt in zahlreichen verschiedenen Spielarten
auf, die zum Teil wohl auf Zufallssämlinge und Selektion zurückgehen.
Eine solche Lokalsorte ist die „Kritzendorfer Ribisel“. Die Sorte stammt
aus
Niederösterreich,
es
handelt
sich
um
eine
Selektion
aus
dem
Formenkreis der Kirschjohannisbeeren , entstanden in der 2. Hälfte des
19. Jahrhundert
Johannisbeeren sind, im Vergleich zu Apfel oder Birne, eine relativ
junge Kulturart und in ihrer Herkunft und Geschichte oft detailreich
überliefert. Von der „Kritzendorfer Ribisel“ wird berichtet, dass um
1850 ein gewisser Hofrat J. Schmiedt den ersten Strauch dieser angeblich
aus
Italien
eingeführten
Johannisbeere
mit
ihren
deutlich
der
damals
von
Sorte
großen
in
in
seinem
dunkelroten
der
Garten
Früchten
Gemeinde
pflanzte.
Die
unterschied
sich
kultivierten
„Weißstieler“,
einer kleinfrüchtigen Sorte. Die „Kritzendorfer“ ist langtraubig und hat
große, kirschrot gefärbte Beeren, die auch in der vollen Reife noch
säuerlich sind. Die fremdartige Johannisbeere entwickelte sich rasch zu
einer begehrten Johannisbeeresorte und Hofrat Schmiedt versorgte in den
nächsten
Jahren
sämtliche
Nachbarn
mit
Steckhölzern.
Um
1860
waren
bereits 5 bis 6 Joch (ca 3ha) mit der „wälischen Ribisel“, wie sie von
den Kritzendorfern genannt wurde, ausgepflanzt (welsch = italienisch).
Die Baumschule der frisch gegründeten höheren Lehranstalt für Wein- und
Obstbau in Klosterneuburg am Kreindlhof übernahm die Vermehrung dieser
Sorte. Am Wiener Markt war die aromatische Johannisbeere als Tafelfrucht
sehr
begehrt
und
Johannisbeereanbau
Weinbaus
eine
„Kritzendorfer
wurde
in
Ausdehnung
Ribisel“
Selektion
„Kritzendorfer
Kritzendorf
Entwicklungsgeschichte
angepasste
als
von
die
kann
erreichte
50
Joch
Hauptsorte
die
bezeichnet
Ribisel“
durch
(ca.
werden,
die
Der
Niedergang
des
den
25
ha),
darstellte.
„Kritzendorfer
gehandelt.
Aufgrund
Ribisel“
sich
wobei
durch
die
ihrer
als
regional
die
laufende
Stockauslese, die bei der „unkontrollierten“ Weitergabe von Steckholz
von Bauer zu Bauer üblich war, aus einer unbekannten Sorte entwickelte.
Später
taucht
Bedeutung.
Sammlung
Es
und
sie
gibt
in
Baumschulkatalogen
daher
Beschreibung
mehrere
Typen
notwendig
Führung durch die ARCHE NOAH Beerensammlung
ist,
auf
der
um
und
fand
überregionale
„Kritzendorfer“,
wertvolles
deren
genetisches
7
Material vor dem Verschwinden zu bewahren. Die „Kritzendorfer Ribisel“
ist heute nur mehr in wenigen Gärten zu finden und wird vereinzelt noch
in Baumschulen geführt.
Die Sorte ist stark aufrecht wachsend und wenig verzweigt. Die Knospen
sind spitzeiförmig, abstehend. Die Blattbucht ist typisch tief und eng,
der Mittellappen kurz und stumpf. Der Blattaustrieb ist früh. Die Blüte
ist flach tellerförmig, hellgelb und erscheint früh bis mittel. Die
Traube ist hängend bis leicht abstehend, der Stiel grün. Die Traube ist
mittelang (6 – 7cm) und mit 12 – 13 Früchte pro Traube dicht besetzt.
Die
Beeren
reifen
mittelfrüh,
sind
groß;
rundlich,
dunkelrot,
recht
säuerlich und mäßig aromatisch.
‘Rote
Holländische’
(Herkunft
unbekannt,
vermutlich
16.
Jahrhundert;
Syn.: ‘Göpperts Kirschjohannisbeere’, ‘Prinz Albert’)
Ribiselallee
Die
‘Rote
Holländische’
ist
eine
der
ältesten
und
erfolgreichsten
Johannisbeersorten. Camerarius erwähnt im 16. Jahrhundert den Bezug von
großen
und
stark
sauren
roten
Johannisbeeren
aus
dem
Garten
des
Erzherzogs Ferdinand in Innsbruck und nannte sie ribes baccis rubris
majoribus. Einige Autoren nehmen an, dass es sich dabei bereits um die
‘Rote Holländische’ oder eine Vorläuferin dieser Sorte handelte.
Wegen
ihrer
reichlichen
Erträge
und
guten
Widerstandfähigkeit
gegen
Krankheiten und Witterungseinflüsse ist sie seit jeher für den Anbau im
Großen wie im Kleinen geeignet. Dank ihrem sehr späten Austrieb wird die
‘Rote Holländische’ kaum durch Spätfröste geschädigt. Der Wuchs ist sehr
stark
und
gedrungen.
In
etwas
feuchtem,
nahrhaftem
Boden
wird
der
Strauch sehr groß. Er gedeiht auch in Berglagen und ist hier vielerorts
die einzige Kulturjohannisbeere. Die ‘Rote Holländische’ ist wohl die
robusteste und anspruchloseste Johannisbeersorte.
Die Trauben sind groß, meistens voll entwickelt und dicht besetzt. Am
älteren Holz sitzen sie häufig sehr dicht beisammen. Die eher hellroten,
abgeflacht kugeligen Beeren sind stark sauer, was die Saftausbeute für
die Weingewinnung positiv beeinflusst, und schwer zu pflücken, da sie
fest am Strauch hängen. Bei Vollreife tritt die Säure nicht mehr so
stark hervor und macht einem feinen Aroma Platz. Die Reifezeit ist spät,
man kann die Früchte lange am Strauch hängen lassen.
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Besondere
Kennzeichen
der
‘Roten
Holländischen’
sind
die
schüsselförmige, braunrote Blüte sowie die fein gesägten, tief und spitz
gelappten, dunkelgrünen Blätter. Die Zweige sind auffallend dick und
kräftig. Es gibt noch einige alte Bestände der ‘Roten Holländischen’, im
heutigen Erwerbsbau hat sie aber keine Bedeutung mehr und wird auch kaum
mehr gehandelt. Die Sorte hat im Laufe ihres jahrhundertelangen Anbaus
verschiedene Typen entwickelt, die sich im Wuchs, in der Belaubung und
in der Fruchtqualität unterscheiden.
‘Weiße Kaiserliche’ (Frankreich vor 1860)
Ribiselallee
Über
die
Herkunft
und
die
Entstehung
der
‘Weißen
Kaiserlichen’
ist
nichts Sicheres bekannt. Die Sorte wird bereits 1860 in der Obstkunde
von Dochnahl als ‘Kaiserliche Perlbeere’ erwähnt und als französische
Züchtung beschrieben. Andere Autoren bezeichnen sie als Abkömmling von
der alten weißen Johannisbeersorte ‘Weiße Traube’.
Interessant ist die französische Namensgebung: Die Sorte wird sowohl
‘Impérial Blanc’ (‘Weiße Kaiserliche’) als auch ‘Impérial Jaune’ (‘Gelbe
Kaiserliche’) bezeichnet. Tatsächlich durchläuft die Sorte während ihrer
Reife einen markanten Farbwechsel. Zu Beginn der Reife sind die Beeren
weiß und milchig-transparent. Bei zunehmender Reife werden sie jedoch
gelb bis zuletzt fast cognacfarben, wobei die dunklen Samen deutlich und
klar durchscheinen. In vollreifem Zustand ist die ‘Weiße Kaiserliche’
wohl die süßeste und zugleich würzigste Johannisbeere, die wir kennen.
Die
‘Weiße
Kaiserliche’
bevorzugt
warme,
geschützte
Lagen
und
gute
Böden. Sie bringt jedes Jahr viele schlanke, breitbogig aufsteigende
Jungtriebe hervor. Die Fruchttriebe sind schwach und brüchig und bereits
nach einer, spätestens nach zwei Ernten erschöpft. Die Sorte benötigt
deshalb einen regelmäßigen Schnitt. Am besten werden die Triebe an einem
Spalier aufgebunden. Die hohe Qualität der Früchte entschädigt jedoch
für den großen Pflegeaufwand mehr als genug.
‘Weiße Versailler’ (Frankreich 1883)
Führung durch die ARCHE NOAH Beerensammlung
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Naschgarten und Naschecke in der Streuobstwiese
Die ‘Weiße Versailler’ war eine weit verbreitete Sorte und sowohl im
Hausgarten als auch im Erwerbsanbau beliebt. Noch heute wird sie von
vielen Baumschulen angeboten. Reiche und regelmäßige Tragfähigkeit, in
der sie die ‘Weiße Holländische’ übertrifft, zeichnet sie aus. Ihr Wuchs
ist
kräftig,
aufrecht
Blattfallkrankheit,
und
aber
gesund,
auch
sie
sie
ist
wenig
braucht
anfällig
gut
für
die
wasserversorgten,
nährstoffreichen Boden. Die Triebe sind schön verzweigt, sodass sich der
Strauch auch ohne intensiven Schnitt gut formiert.
Die Blätter sind am Grund meist abgerundet und haben eine feinflaumig
behaarte
lang,
Unterseite.
die
Beeren
Die
groß
Blüte
und
erscheint
gelblich
weiß
mittelfrüh.
bis
fast
Die
weiß.
Traube
Sie
ist
sitzen
ziemlich dicht und reich an den mittellangen Fruchtstielen. Bei voller
Reife
ist
der
Geschmack
mildsäuerlich.
Zum
Johannisbeeren
ergeben
überdurchschnittlich
Rohgenuss
zwar
ist
eine
sie
aromatisch,
besonders
zu
wohlschmeckende,
süß
empfehlen.
aber
optisch
und
Weiße
nicht
besonders ansprechende Marmelade.
‘Schwarze
Langtraubige’
und
Selektionen
(‘Boskoop’,
‘Rosenthal
Langtraubige’, ‘Schwarze Langtraubige Typ Falch’)
Ribiselallee und Naschecke auf der Streuobstwiese
Zum Formenkreis der ‘Langtraubigen Schwarzen’ gehören drei Typen, die
zum
Teil
als
Eigenschaften
eigene
Sorten
beschrieben
übereinstimmen.
Die
sind,
älteste
jedoch
und
in
fast
allen
wahrscheinlich
ursprünglichste Form ist der Typ ‘Boskoop Giant’ (‘Boskoop Riesen’), der
als
niederländische
Selektion
angesehen
wird.
Der
Typ
‘Rosenthal
Langtraubige’, 1913 von Rosenthal selektioniert, stammt aus Deutschland.
Der in Österreich verbreitete Typ ‘Falch’ wurde von Professor Josef
Falch 1956 in den Handel gebracht. Neben den genannten Typen werden auch
die
‘Schwarze
ähnliche
Traube’,
Sorten
zu
von
Macherauch
dieser
eingeführt,
Verwandtschaftsguppe
und
andere
sehr
gezählt.
Die
herausragende Eigenschaft des Formenkreises ‘Langtraubige Schwarze’ ist
ihre verhältnismäßig lange, mit großen Beeren besetzte Traube, der sie
ihre weite Verbreitung verdankt.
Die Sorte ‘Boskoop Giant’ wurde 1887 von H. Hoogendyk in Holland als
Sämling aufgefunden. Die frühreife Sorte übertraf die bis dato bekannten
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Sorten in der Länge der Traube. 1903 entdeckte A. Beyer in Gaulis bei
Rötha eine auffallend langtraubige Sorte in einem Bestand. Der Findling
wurde von Rosenthal getestet und vermehrt. Unter dem Namen ‘Langtraubige
Schwarze’
brachte
er
die
Sorte
in
den
Handel
(1913).
Sie
fand
in
Deutschland rasch Verbreitung. Vor Kriegsausbruch selektionierte Josef
Falch in Österreich in einem Bestand der ‘Langtraubigen Schwarzen’ in
Bad Sauerbrunn im Burgenland wertvolle Typen. Er brachte 1954 die Sorte
‘Langtraubige Schwarze Typ Falch’ heraus, die in Österreich über viele
Jahre Hauptsorte blieb.
All
diesen
Typen
gemeinsam
sind
die
lange
Traube,
die
langen
Traubenstielchen ohne Basalbeeren am Stielansatz (Basalbeeren sind beim
Anfassen
der
Traube
lästig
und
verletzt
werden),
einheitliche
Ertrag,
starker,
ausladender
stören
die
Reife
an
Wuchs;
Pflücke,
Traube
runde
und
weil
sie
leicht
Strauch,
hoher
Winterknospe;
hoher
Säuregehalt und frühe Reife.
Die
lange
Traube
und
die
gute
Pflückbarkeit
sowie
der
hohe
Ertrag
prädestinieren diese typische Saftjohannisbeere für den großflächigen
Anbau.
Der
hohe
Säuregehalt
ist
von
der
Industrie
für
die
Saftverarbeitung gewünscht. Die ‘Langtraubige Schwarze’ war Hauptsorte
in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Leider sind alle Selektionen
sehr anfällig für den Amerikanischen Stachelbeermehltau und durch die
frühe Blüte frostempfindlich.
‘Goliath’ (Niederlande vor 1880)
Naschecke auf der Streuobstwiese
Die niederländischen Sorten ‘Goliath’ und ‘Boskoop’ waren einst auch in
Österreich weit verbreitet und in der Züchtung Ausgangspunkt für viele
weitere Sorten. ‘Goliath’ entstand bereits vor 1880.
Sie fällt durch ihre sehr kurze Traube und die sehr große Basalbeere
auf; diese war wahrscheinlich namensgebend für ‘Goliath’. Man erkennt
die Sorte zudem leicht an ihren kaum geröteten gelblich weißen Blüten
und an ihrem hellgrünen Austrieb. In einer historischen Einteilung (von
Hatton 1920) bildet ‘Goliath’ eine von vier Stammformen der schwarzen
Johannisbeere. ‘Goliath’ stammt in direkt Linie von der Wildform Ribes
nigrum ab.
Führung durch die ARCHE NOAH Beerensammlung
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Die
Beeren
reifen
an
der
Traube
ungleich
ab
und
sind
von
mildem,
süßsäuerlichem und aromatischem Geschmack. Die Sorte blüht spät und ist
dadurch
für
Spätfröste
nicht
anfällig,
jedoch
stark
für
Mehltau.
‘Goliath’ vereint leider viele Eigenschaften (kurze Traube, ungleiche
Reife, große Basalbeere, Mehltauanfälligkeit) in sich, die einen Anbau
aus heutiger Sicht nur bedingt rechtfertigen.
Demgegenüber stehen allerdings Charakteristika, die die Sorte für den
Liebhaber
Beeren,
interessant
die
späte
machen:
Blüte
die
und
besonders
auch
die
großen,
ungleiche
wohlschmeckenden
Abreife,
die
im
Hausgarten durchaus erwünscht ist – gerade dann, wenn die Früchte vom
Strauch gegessen werden. Hinzu kommt die große Frosthärte, der straff
aufrechte, schön verzweigte Wuchs und die Eignung für schwere feuchte
Böden. Der schlanke Wuchs macht einen Anbau auch im kleinen Hausgarten
möglich.
Für mehltauanfällige Sorten wie ‘Goliath’ gilt generell: An ungeeigneten
Standorten kann es auch zu einem Totalausfall der Ernte kommen; ist der
Standort richtig gewählt, werden die Sträucher zwar befallen und sehen
im
August
oft
schlimm
aus,
aber
die
gesamte
Ernte
ist
keinesfalls
verloren. In der Züchtung wurde und wird ‘Goliath’ häufig verwendet.
Sorten wie ‘Ben More’, ‘Ben Sarek’, ‘Tsema’, ‘Roodnop’ und ‘Ben Alder’
stammen von ‘Goliath’ ab.
‘Silvergieters’ (Niederlande 1936)
Naschgarten
‘Silvergieters’
wurde
1926
von
C.
M.
van
der
Slikke
in
Holland
gezüchtet. Sie ist ein Sämling von ‘Boskoop Giant’ und kam 1936 in den
Handel. ‘Silvergieters’ ist demnach eine Verwandte der ‘Langtraubigen
Schwarzen’, lässt sich anhand folgender Merkmale aber leicht von dieser
unterscheiden: Die Traube ist dichter besetzt und etwas kürzer, die
Beeren
sind
vollkommen
bei
rund,
‘Silvergieters’
die
Winterknospe
beulig,
ist
bei
deutlich
der
rot
‘Langtraubigen’
gefärbt,
die
Blattbucht weit und seicht. Am besten lassen sich die Sorten jedoch am
Geschmack unterscheiden: ‘Silvergieters’ schmeckt relativ süß und mild,
die ‘Langtraubige Schwarze’ hingegen sehr sauer.
Führung durch die ARCHE NOAH Beerensammlung
12
Die Sorte war neben der ‘Langtraubigen Schwarzen’ einst Hauptsorte in
Europa, verlor aber zunächst wegen ihres geringen Säuregehalts und der
damit verbundenen geringen Eignung für die industrielle Verwertung an
Bedeutung. Ihre hohe Anfälligkeit für den Stachelbeermehltau schränkte
den
Anbau
zusätzlich
ein.
Außerdem
ist
sie
empfindlich
gegenüber
Blütenfrost. Dennoch: Der angenehm süße, harmonische Geschmack der Sorte
rechtfertigt den Anbau allemal! Für den Frischgenuss ist sie bestens
geeignet und kann auch für die häusliche Saftbereitung empfohlen werden.
Ihr Farbstoffgehalt ist sehr hoch. Die Sorte reift früh, die Beeren
fallen leicht ab und sollten rechtzeitig geerntet werden.
Die Schwarze Ribisel in Österreich
Viele unserer heutigen Kulturpflanzen stammen ursprünglich nicht aus unseren
Breiten, sondern gelangten im Laufe der Zeit nach Österreich. Manche Arten
werden schon seit Jahrhunderten in der heimischen Küche verwendet, einige heute
beliebte Gemüsearten wie. z.B. die Tomate hingegen sind erst seit wenigen
Jahrzehnten fixer Bestandteil unserer Gärten und unserer Ernährung. Fest steht,
dass die Neuankömmlinge nicht immer mit offenen Armen aufgenommen wurden und man
ihnen zunächst skeptisch gegenüberstand. So erging es auch der Schwarzen
Johannisbeere, die erst vor knappen 100 Jahren in Österreich Fuß fassen konnte.
Schwarze Ribisel waren Anfang des 20. Jahrhunderts in Österreich als Obst wenig
bekannt und geschätzt. Sie wurden in Gärten in sehr bescheidenem Umfang
angebaut. Damals kursierte die Meinung, dass sich die Schwarze Johannisbeeren zu
riesigen Büschen entwickeln, die nur wenige, sehr kleine Beeren hervorbringen,
welche für den Rohgenuss nicht geeignet sind, da die Beeren unangenehm nach
„Wanzen“ riechen. Diese Vorurteile machten den kommerziellen Anbau zunächst zu
einem schwierigen Unterfangen. In Unter Tullnerbach bei Wien baute Herr Josef
Schamanek Rote Ribisel an und führte eine Baumschule mit dem Namen „Ribesia“.
Herr Schamanek war maßgelblich an der Einführung der Schwarzen Ribisel in
Österreich beteiligt.
Im Juli 1930 kam ein Obsthändler in die Ribiselanlage „Ribesia“ und fragte nach
einem Waggon (= 10.000 kg) Schwarzen Ribisel für die Wiener Marmeladen- und
Likörfabrikanten. Der Besitzer der „Ribesia“ Josef Schamanek konnte diese Mengen
natürlich nicht anbieten.
Josef Schamanek reagierte als Geschäftsmann auf die Nachfrage nach dieser Beere
und ließ eine größere Anlage Roter Ribisel roden, um stattdessen Schwarze
Ribisel auszupflanzen. So entstand in Unter Tullnerbach bei Wien die vermutlich
erste größere Schwarze Ribisel Anlage Österreichs.
Die erste Ernte konnte jedoch nicht wie erhofft an die Marmeladen- und
Likörfabrikanten verkaufen werden, da sie ihre Ware, weil wesentlich günstiger,
aus dem Ausland bezogen. Um die reifen Beeren in der „Ribesia“ nicht verkommen
zu lassen, musste der Besitzer rasch handeln. Er eröffnete seine gesamte Anlage
an Roten- Weißen und erstmals auch Schwarzen Ribisel als Selbstpflücke und
bewarb die Erntemöglichkeit in den umliegenden Gemeinden.
Josef Schamanek schildert anschaulich wie die Kunden auf die neu angebotenen
Schwarzen Ribisel reagierten: „Eine Frau kam, als nur mehr schwarze Ribisel hier
waren, von denen sie behauptete, dass sie stinken und dass die Marmelade auch
stinkt. Erst als eine ihr sehr gut bekannte Frau mit einem Glas Marmelade kam,
die sie tags zuvor aus Schwarzer Ribisel gemacht hatte, um sie kosten zu lassen,
ließ sie sich überzeugen und pflückte den ganzen Tag Schwarze Ribisel und wollte
keine anderen mehr.“
Führung durch die ARCHE NOAH Beerensammlung
13
JOSTABEEREN
‘Jostabeeren’: Johannisbeer-Stachelbeer-Kreuzungen
Seit mehreren Jahrzehnten sind Kreuzungen zwischen Johannisbeeren und
Stachelbeeren
im
Anbau,
die
so
genannten
‘Jostabeeren’.
Die
Sorte
‘Josta’ ist heute der bekannteste und verbreitetste Vertreter dieser
Gruppe.
Die
Wunschvorstellung
Anlass
zu
den
von
ersten
einer
Stachelbeere
Kreuzungsversuchen.
ohne
Stacheln
Culverwell
aus
gab
den
Yorkshire
(England) kreuzte bereits 1880 erstmals Johannisbeere mit Stachelbeere,
allerdings ohne durchschlagenden Erfolg.
Erstmals kreuzte Professor Erwin Baur 1922 in Müncheberg die Art Ribes
succirubrum mit Stachelbeersorten, die Hybridart nannte er ‘Jochelbeere’
(Kunstwort aus Johannisbeere und Stachelbeere). Diese Bezeichnung wählte
auch H. Murawski für die von ihm Mitte der 1950er-Jahre in DresdenPillnitz entwickelten Artbastarde aus Ribes nigrum und Ribes uva-crispa.
Während die ‘Jochelbeere’ von Professor Baur heute keine Bedeutung mehr
hat, existieren von Murawskis Kreuzungen noch heute registrierte Sorten.
Ab
1926
widmete
sich
Dr.
Paul
Lorenz
in
Berlin
diesem
Thema.
Er
erkannte, dass für eine erfolgreiche Kreuzung die Mutterart stets eine
schwarze Johannisbeere sein muss.
Die Arbeiten von Lorenz setzte ab 1946 Rudolf Bauer fort. Ziel seiner
Züchtungsarbeit
war
ursprünglich,
eine
gegen
Rost
resistente
Johannisbeere zu finden. Dieses Ziel erreichte Bauer durch die Kreuzung
einer
schwarzen
Johannisbeere
Stachelbeersorte.
Um
diese
mit
einer
neue
Art
gegen
Rost
zusätzlich
resistenten
gegen
den
Stachelbeermehltau resistent zu machen, kreuzte er eine amerikanische
Stachelbeerart (Ribes divaricatum) mit ein. Diese drei Arten kreuzen
sich in freier Natur nicht. Durch Einsatz von Colchizin verdoppelte
Bauer
die
Chromosomenzahl
und
konnte
so
fertile
Hybriden
erzeugen.
Aufgrund ihrer Abstammung von Ribes nigrum, Ribes divaricatum und Ribes
grossularia (heute überholte Bezeichnung für Ribes uva-crispa) gab der
Züchter der neuen Art die botanische Bezeichnung Ribes x nidigrolaria.
Als
Sorte
‘Josta’
wurde
diese
Führung durch die ARCHE NOAH Beerensammlung
Neuzüchtung
in
den
1970er-Jahren
14
schließlich auf den Markt gebracht. Neben der ‘Josta’ zählen die Sorten
‘Jostine’ und ‘Jogranda’ zu den ‘Jostabeeren’.
Murawski
brachte
etwas
später
(1977)
die
Sorten
‘Jocheline’
und
‘Jochina’ unter dem Artnamen ‘Jochelbeeren’ heraus. Im Unterschied zu
den von Rudolf Bauer gezüchteten Sorten handelt es sich bei ‘Jocheline’
und
‘Jochina’
um
einfache
Kreuzungen
zwischen
einer
schwarzen
Johannisbeere und einer Stachelbeersorte. Sie sind resistent gegen Rost
und
Johannisbeergallmilbe,
allerdings
etwas
anfällig
für
den
Stachelbeermehltau.
Alle
‘Jostabeeren’
schwarzer
sind
Johannisbeere
stachellos,
und
ihr
Geschmack
Stachelbeere;
ihnen
liegt
fehlt
zwischen
jedoch
das
typische Aroma der schwarzen Johannisbeeren. ‘Jostabeeren’ hängen fest
am
Strauch
und
industriellen
durchsetzen.
sind
schwer
pflückbar,
Erwerbsanbau
Ihr
Schnitt
mit
erfordert
deshalb
konnten
sie
sich
im
vollautomatischer
Ernte
wegen
Triebwachstums
des
starken
nicht
einen relativ hohen Zeitaufwand. Für den Hobbygärtner kann diese gesunde
und
robuste
Kreuzung
aber
eine
interessante
Bereicherung
im
Garten
darstellen.
‘Worcesterberry’
Eine
andere
frühe
englische
Kreuzung
zwischen
Johannisbeere
und
Stachelbeere (Ribes divaricatum) brachte die ‘Worcesterberry’ hervor.
Diese
Züchtung
gelangte
um
1930
nach
Holland
und
Deutschland.
Möglicherweise handelt es sich dabei allerdings nicht um eine echte
Hybride, sondern lediglich um einen Abkömmling der damals bei uns noch
kaum verbreiteten ‘Oregon-Stachelbeere’ (Ribes divaricatum).
Die ‘Worcesterberry’ hat von der Stachelbeere den Wuchs, die Belaubung
und die Stacheln. Robust und breit wachsend wird sie etwa 75 Zentimeter
hoch.
Ihre
außerordentliche
Fruchtbarkeit
zeigt
sich
schon
bei
den
jungen Pflanzen. Die Beeren sind klein, dunkelbraun bis schwarz. Der
Geschmack
ähnelt
den
Johannisbeeren,
allerdings
ohne
den
typischen
Geruch der schwarzen Johannisbeere. Die Beeren sitzen einzeln oder zu
zweit, selten zu dritt an den Zweigen. Die Reife tritt nicht bei allen
Beeren
gleichzeitig
ein,
sondern
erfolgt,
ähnlich
wie
bei
vielen
schwarzen Johannisbeeren, nach und nach.
Führung durch die ARCHE NOAH Beerensammlung
15
ERDBEERREN
Ananaserdbeere (Fragaria x ananassa)
‘Jubilae’ (Österreich 1961)
Diese etwas spät reifende Frühsorte wurde von Eduard Strauß 1961 in
Klosterneuburg gezüchtet (‘Regina’ x ‘Mieze Schindler’). ‘Jubilae’ ist
die einzige je in Österreich gezüchtete Erdbeersorte. 1961 wurde sie
anlässlich
der
100-Jahr-Feier
der
Wein-
und
Obstbauschule
in
Klosterneuburg präsentiert. Sie ist ausgezeichnet im Geschmack, konnte
sich
aber
wegen
der
Transportfähigkeit
kleinen,
nicht
lange
dunklen
im
Früchte
Erwerbsanbau
und
der
minderen
halten.
Für
Liebhaber
aromatischer Erdbeeren ist sie auch heute noch sehr empfehlenswert.
Die attraktiven, dunkelroten, bei Vollreife fast schwarzroten, länglich
kegelförmigen Früchte sind mittelgroß, haben deutlich eingesenkte Samen
und
einen
auffallend
großen
Kelch
und
bieten
einen
hervorragenden
Geschmack: süß, aromatisch und leicht säuerlich. Das Fruchtfleisch ist
rot und um den Zapfen weiß gefärbt und die Frucht wenig fäulnisanfällig.
Die Pflanze ist stark wachsend, bringt mittleren Ertrag und ist sehr
vital.
Typisch
ist
die
frühe
und
auffallend
große
Blüte.
Als
Aromaerdbeere für Rohgenuss und Verarbeitung kann sie für den Anbau im
Hausgarten nur empfohlen werden.
‘Mieze Schindler’ (Deutschland 1933)
Die Erdbeersorte ‘Mieze Schindler’ entstand 1925 und wurde 1933 in den
Handel
gebracht.
Schindler
Sie
gezüchtet.
vorzüglichen
Aromas
wurde
Im
in
Dresden-Pillnitz
Hausgarten
angebaut,
obwohl
wurde
sie
sie
von
Professor
gern
zweihäusig
wegen
ist
(also
O.
ihres
rein
weibliche Blüten bildet) und daher eine andere Sorte als Pollenspender
benötigt.
‘Mieze
Schindler’
Geschmack
aus
zeichnet
und
war
sich
bis
durch
zur
Spätreife
und
hervorragenden
Wiedervereinigung
Deutschlands
hauptsächlich in den Kleingärten der ehemaligen DDR, vor allem im Raum
Dresden, verbreitet. Die Früchte sind mittelgroß, gleichmäßig geformt,
breitrund
bis
nierenförmig
mit
typischem
eingesenktem
Kelch
und
dunkelrot, bei Vollreife schwarzrot gefärbt. Die Samen sind schwarz und
eingesenkt. Das Fruchtfleisch ist rot, ziemlich fest und nicht sehr
Führung durch die ARCHE NOAH Beerensammlung
16
empfindlich
harmonisch
auf
Druck.
gepaart
Starker
und
Duft
ergeben
und
den
feine
Säure
besonderen
sind
Geschmack.
mit
Süße
Typische
Merkmale sind die rein weibliche Blüte und unverwechselbar dunkelgrüne
Blätter mit fein gekerbtem Blattrand (bei den meisten anderen Sorten ist
der Blattrand gesägt). Die Ausläuferbildung ist stark, und an einer
Ranke ist der Abstand zwischen den Jungpflanzen groß.
‘Mieze
Schindler’
‘Johannes
Müller’
entstand
durch
und
damit
ist
Kreuzung
noch
von
stark
‘Lucida
mit
der
perfecta’
x
ursprünglichen
Chilierdbeere verwandt. Das hervorragende Aroma von ‘Mieze Schindler’
hat die Sorte vermutlich von der Chilierdbeere, Fragaria chiloënsis,
über die Sorte ‘Lucida’ geerbt. ‘Mieze Schindler’ erfuhr aufgrund ihres
einzigartigen
Geschmacks
auch
eine
gewisse
Verbreitung
in
Westdeutschland, in Österreich und in der Schweiz. Heute wird sie in
Deutschland und Österreich in Haus- und Kleingärten für den Eigenbedarf
und in sehr geringem Umfang auch kommerziell zum Selbstpflücken, für den
Frischmarkt und für die Verarbeitung zu Marmeladen angebaut.
Das intensive Aroma dieser Sorte war für jeden offensichtlich, der diese
Sorte
kostete.
Unterdessen
ist
der
besondere
Wohlgeschmack
auch
wissenschaftlich belegt. Mieze Schindler war nie eine Sorte für den
großflächigen Anbau; da sie die Jahrzehnte wie keine andere Sorte einzig
in den Hausgärten vor allem im Raum um Dresden überlebte, ist sie ein
Beispiel dafür, dass im privaten Garten die Kultur von empfindlichen und
weniger
ertragreichen
Sorten
durchaus
seinen
Platz
dem
attraktiven
hat,
wenn
die
Äußeren
und
dem
Namen.
Das
war
Qualität stimmt.
‘Mieze
Schindler’
einzigartigen
hat
Geschmack
neben
auch
sehr
einen
gut
gewählten
vielleicht von Professor Schindler nicht so beabsichtigt, der die Sorte
nach seiner Frau Maria mit dem Spitznamen Mieze benannte. Der Name lässt
der Fantasie freien Lauf – in Innsbruck gibt es sogar ein Kaffeehaus
namens „Mieze Schindler“, das mit der sinnlich-verführerischen Note und
Besonderheit dieser einmalig süßen Erdbeere wirbt.
‘Hansa’
(Deutschland
1905;
Syn.:
‘Schwarze
Ananas’,
‘Schwarze
König
Albert’)
Die mittelspäte Sorte ‘Hansa’ wurde um 1904 als Zufallssämling in den
Vierlanden bei Hamburg entdeckt und von Julius Buhk aus HinderdeichFührung durch die ARCHE NOAH Beerensammlung
17
Kirchwerder 1905 in den Handel gebracht. Man vermutet, dass sie von
‘Laxton’s Noble’ und einer alten dunkelfarbigen Sorte jenes Gebietes
abstammt.
Am besten gedeiht die Sorte auf feuchten aber nicht zu nährstoffreichen
Böden. Ihr Ertrag ist aber eher gering, vor allem bei Trockenheit. Auf
zu wüchsigen Böden bildet sie viel Laub und wenig Früchte aus. Die Sorte
macht
oft
schlecht
tragende
Nebenformen,
sodass
die
Mutterpflanzen
laufend ausgelesen werden müssen.
Ihre Synonyme ‘Schwarze Ananas’ und ‘Schwarze König Albert’ weisen auf
die auffallende, wenig glänzende, dunkelrote Färbung ihrer Früchte hin.
Als so genannte Bluterdbeere ist sie sehr gut für die Verarbeitung zu
Saft,
Marmelade
nierenförmig
bis
vorzüglich:
süß
und
zum
Tiefkühlen
rund
und
am
mit
feinem
Kelch
Aroma.
geeignet.
platt.
Das
Die
Ihr
Früchte
Geschmack
dunkelrote
sind
ist
ganz
Fruchtfleisch
ist
weich, daher lässt sich diese Erdbeere kaum transportieren. Auch der
Zapfen ist dunkelrot gefärbt. Aufgrund ihres Wohlgeschmacks und ihrer
schönen Färbung erzielte ‘Hansa’ bis in die 1920er-Jahre hinein gute
Preise am Markt und wurde gern gekauft. Für den Liebhaber kann diese
alte Sorte als Spezialität den Hausgarten bereichern.
Die
hohe
Farbstoffkonzentration
bedingt,
dass
beim
Erhitzen
das
Rot
nicht vollständig zerstört wird. Im Vergleich zu ‘Senga Sengana’ (die
Standarderdbeersorte
etwa
vier
Farbstoff
bis
der
für
fünf
die
Mal
Erdbeere.
Verarbeitung)
höheren
Daher
Gehalt
ergeben
haben
an
sie
Bluterdbeeren
Anthozyanen,
wunderschön
einen
dem
rot
roten
gefärbte
Erdbeermarmelade oder Erdbeerkonfitüre, die kaum ihre Farbe verändert,
und eignen sich besonders gut für die Kompottzubereitung, aber auch für
Saft und Wein. Im Gegensatz zu den meisten anderen Sorten, die als
Kompott
bald
grau
und
unansehnlich
werden,
verlieren
sie
kaum
ihre
Farbe. Neben der Sortenwahl fördert ein schonendes Erhitzen und die
Zugabe
von
Zucker
und
Säure
die
Stabilität
der
Farbe.
Darum
werden
Erdbeeren gern mit saurem Rhabarber eingekocht.
Führung durch die ARCHE NOAH Beerensammlung
18
Es gibt unter den Gartenerdbeeren (=Ananaserdbeeren) drei Sortentypen
+Kurztagssorten (die meisten alten und modernen Sorten, z.B. ‘Madame Moutôt’,
‘Mieze Schindler, `Jubilae‘ ‘Elsanta’): Sie bringen einmal im Jahr Früchte
hervor, gelegentlich blühen sie im Herbst nochmals; aus diesen Blüten entwickeln
sich jedoch meist keine Früchte mehr, sie sind ohne Bedeutung. Blütenknospen
werden ausgebildet, wenn die Tageslänge 14 Stunden unterschreitet oder wenn die
Temperaturen unter 15 °C fallen.
+Langtagssorten (sogenannte Immertragende oder remontierende Sorten z.B. ‘Mara
des Bois’, ‘Ostara’, ‘Rapella’): Diese Sorten fruchten öfter im Jahr. Nach der
ersten Ernte im Juni/Juli legen sie eine mehrwöchige Pause ein, anschliessend
beginnen sie wieder zu blühen und zu fruchten – so lange, bis im Spätherst tiefe
Temperaturen
die
hauptsächlich
in
Früchte
nicht
Hausgärten
mehr
reifen
gepflanzt,
lassen.
finden
aber
Langtagssorten
auch
im
werden
Erwerbsanbau
Anhänger. Werden die Blüten im Mai/Juni ausgebrochen (Verzicht auf die erste
Ernte), erhöht sich der Ertrag bei den darauffolgenden Ernten. Blütenknospen
werden gebildet, wenn die Tageslänge zwölf Stunden überschreitet. Die Blüten für
die erste Ernte im Juni/Juli werden im Vorjahr angelegt.
+Tagneutrale Sorten
Monate
nach
dem
(‘Seascape’, ‘Calypso’): Diese Sorten
Auspflanzen
Früchte
hervor,
unabhängig
bringen etwa drei
vom
Pflanzdatum.
Tagneutrale Sorten werden hauptsächlich in Kalifornien als Ergänzung zu den
Kurztagssorten gepflanzt. In Europa werden sie in geringem Ausmaß im Herbst
ausgepflanzt, um eine späte Ernte zu erzielen. Blütenknospen werden unabhängig
von
der
Tageslänge
ausgebildet.
Bei
Temperaturen
über
26
°C
bilden
sie
allerdings nur wenige bis keine Blüten aus.
‘Mara des Bois’ (Frankreich 1994)
Diese remontierende (immertragende) Sorte aus Frankreich wurde 1994 von
Jacques Marionnet gezüchtet (‘Gento’ x ‘Ostara’). Die Sorte ist schwach
wachsend und bildet relativ wenige Ausläufer aus. Die Blüte steht meist
unter dem Laub (bis maximal Laubhöhe). Die Früchte sind von mittlerer
Größe und werden ab der zweiten Pflücke etwas kleiner; sie sind typisch
regelmäßig kegelförmig und glänzend rot gefärbt, die eingesenkten Samen
orangefarben.
Die erste Ernte tritt früh ein, nach drei- bis vierwöchiger Pause kann
die zweite Ernte eingefahren werden. Anschließend werden laufend Blüten
und Früchte ausgebildet. Der gute Geschmack und die geringe Anfälligkeit
gegenüber Fruchtfäulnis und Wurzelkrankheiten machen die Sorte speziell
Führung durch die ARCHE NOAH Beerensammlung
19
für den Hausgarten geeignet. Unter den remontierenden Sorten nimmt ‘Mara
des Bois’ heute eine herausragende Stellung ein.
Die Familie der Erdbeeren
Die bekannteste Vertreterin aus der Erdbeerverwandtschaft ist die Garten- oder
Ananaserdbeere (Fragaria x ananassa). Diese Art entstand Mitte des 18.
Jahrhunderts und dominiert heute die Erdbeerproduktion weltweit. Neben der
Ananaserdbeere existieren fünf weitere Fragaria Arten, die als Kulturpflanze
eine gewisse Bedeutung haben bzw. hatten.
Erdbeeren zählen zu den beliebtesten Früchten der ÖsterreicherInnen. Das
positive Image der Erdbeere leidet durch den Import geschmacklich minderwertiger
Früchte im Frühjahr. Die bisherigen Erfahrungen von ARCHE NOAH zeigen, dass
geschmacklich hochwertige Sorten im Rahmen von Verkostungen auf große Zustimmung
stoßen.
Es
sei
an
dieser
Stelle
allerdings
nicht
verheimlicht,
das
Erdbeerspezialitäten schwierig in der Kultur sind und für den erwerbsmäßigen
Anbau nur mit Einschränkungen empfohlen werde können.
Ananaserdbeeren (Fragaria x ananassa)
Die in Österreich dominierende Sorte Elsanta ist in punkto Ertrag, Geschmack und
Aussehen das Maß aller Dinge. Vom Standard abweichende Sorten gelangen nicht auf
den Markt, eine Ausnahme hiervon sind die alten Aromasorten Mieze Schindler und
Wädenswil 6, die in geringem Umfang erwerbsmäßig produziert werden. ARCHE NOAH
betreut eine Sammlung von 50 alten Erdbeersorten. Jubilae, Weiße Ananas und
Hansa
sind
Ananaserdbeeren,
die
aufgrund
ihres
besonderen
Aromas
als
Spezialitäten für den Anbau im Hausgarten empfohlen werden können. Jubilae (eine
Kreuzung aus Regina x Mieze Schindler) ist die einzige je in Österreich
(Klosterneuburg) gezüchtete Erdbeersorte. 1961 wurde sie anlässlich der 100Jahrfeier der Wein- und Obstbauschule in Klosterneuburg vom Züchter Eduard
Strauss präsentiert. Sie ist ausgezeichnet im Geschmack, konnte sich aber wegen
der kleinen, dunklen Früchte und der minderen Transportfähigkeit nicht lange im
Erwerbsanbau halten. Die Sorte Weiße Ananas stammt aus den USA (1874). Die
Früchte sind klein (nur die Primärfrucht erreicht mittlere Größe), weiß bis zart
lachsfarben und von herrlichem, ananasartigem Geschmack. Das Fruchtfleisch ist
durchgehend weiß gefärbt und sehr weich.
Niedrige Erträge, mangelnde Transportfestigkeit und der z.T. schwächere Wuchs
machen
generell
den
erwerbsmäßigen
Anbau
alter
Erdbeersorten
nur
für
Spezialisten interessant, die ihre Ware frisch aber auch in verarbeiteter Form
hochpreisig vermarkten können.
Monatserdbeeren (Fragaria vesca f. semperflorens)
Monatserdbeeren stammen von der heimischen Walderdbeere ab. Sie unterscheiden
sich von der Wildform durch die angenehme Eigenschaft, von Juni bis zum ersten
Frost Blüten und Früchte auszubilden. Es gibt rot- und weißfrüchtige Sorten,
wobei die weißen nicht mehr im Handel erhältlich sind. Die genetische Verarmung
bei dieser heimischen Kulturpflanze ist bedenklich, da heute nur mehr zwei
Sorten (Rügen und Alexandria) angeboten werden und sich weltweit keine
Institution mit der Züchtung neuer Sorten beschäftigt. Als Erdbeerspezialität
kann die weißfrüchtige Sorte Baron Solemacher empfohlen werden. Monatserdbeeren
bilden keine Ausläufer und werden über Samen vermehrt.
In England wird von der Firma Wilkin & Son´s Tiptree eine Marmelade aus
Monatserdbeeren hergestellt und als Luxusprodukt unter dem Namen „Little Scarlet
Strawberry“ vermarktet. Sie ist übrigens die Lieblingsmarmelade von James Bond.
Führung durch die ARCHE NOAH Beerensammlung
20
Moschuserdbeere (Fragaria moschata)
Die Moschuserdbeere ist wie die Walderdbeere (Fragaria vesca) eine heimische
Wildart. Ihre weichen Früchte sind doppelt so groß wie die der Walderdbeere,
dunkelrot gefärbt, stark duftend und hoch aromatisch. Der botanische Name
moschata
bedeutet
„nach
Moschus
duftend“
weitere,
z.T.
mundartliche
Bezeichnungen wie Zimterdbeere, Muskateller - Erdbeere oder Honig - Erdbeere
weißen ebenso auf das intensive Aroma der Früchte hin. Die Moschuserdbeere war
bereits lange vor der Entstehung der großfrüchtigen Ananaserdbeere bis Ende des
19. Jahrhunderts in ganz Europa im Anbau zu finden. Zahlreiche Sorten waren
bekannt. Das traditionsreiche Obstbaugebiet Vierlande bei Hamburg war im 19. Jh.
berühmt für die Vierländer Erdbeere, dabei handelte es sich um eine
Moschuserdbeere. In einer österreichischen Gartenbauzeitschrift von 1882 wurden
drei Sorten zum Anbau empfohlen.
Heute sind Moschuserdbeere als Kulturpflanze nahezu verschwunden. Nur in
Italien, im Gebiet um Tortona (Piemont), wird diese kleine Erdbeere unter dem
Namen Profumata di Tortona noch kultiviert. (Abbildung 3). Seitens der Gemeinde
von Tortona wird der Anbau dieser gefährdeten Kulturpflanze in jüngster Zeit
wieder gefördert und Initiativen zur Vermarktung wurden ins Leben gerufen. Die
weichen Früchte der Moschuserdbeere sind kaum unbeschadet zu transportieren und
müssen rasch (z.B. zu Eiscréme) verarbeitet werden. Versuchsanbauten mit
Profumata di Tortona in Schiltern zeigten eine hohe Anfälligkeit gegenüber
Mehltau. Die Früchte hingegen werden nur in geringem Ausmaß von Grauschimmel
befallen.
Moschuserdbeeren sind zweihäusig, das bedeutet, es gibt männliche und weibliche
Pflanzen. Nur wenn beide in nächster Nähe wachsen, bilden die weiblichen
Pflanzen Früchte aus. Ein Kultursorte (Capron) besitzt zwittrige Blüten.
Scharlacherdbeere (Fragaria virginiana)
Die Scharlacherdbeere stammt aus Nord Amerika und wurde von 1650 bis Mitte des
19. Jahrhunderts in England und Mitteleuropa angebaut. Zahlreiche Sorten waren
bekannt. In ihrer Heimat wurde die Scharlacherdbeere zwar wild gesammelt aber
nie kultiviert. Aus einer natürlichen Kreuzung mit der Chileerdbeere entstand
die heutige Gartenerdbeere!
Die Sorten der Scharlacherdbeere sind fast alle verschollen, in der ARCHE NOAH
Sammlung befindet sich lediglich eine Scharlacherdbeere May Queen (England
1857). Die Sorte ist vor allem der frühen Reife wegen interessant.
Chileerdbeere (Fragaria chiloensis)
Die Chileeerdbeere ist ein Elternteil der Ananaserdbeere. Ihr natürliches
Verbreitungsgebiet ist die Westküste Südamerikas. Dort wird sie seit über 1.000
Jahren von der indigenen Bevölkerung kultiviert. Der feldmäßige Anbau florierte
in Chile bis in die 1950er Jahre, sie wurde dann in zunehmenden Maße durch F.
ananassa verdrängt. Heute sind noch kleine Bestände an der Küste der Provinz
Curicó und auf der Chiloé Insel zu finden, darunter befinden sich hauptsächlich
rein weiße Sorten! Die Chileerdbeere ist heute eine aussterbende Kulturpflanze!
Interessant als Erdbeerspezialität, da hoch aromatisch, sind die sogenannten
Chiloensis Typen (Chile – Bastarde). Dabei handelt es sich um Ananaserdbeeren,
die genetisch nahe der Chileerdbeere stehen. Die bekannte Aromaerdbeere Frau
Mieze Schindler (Abbildung 4) ist ein sogenannter Chiloensis Typ. Diese Sorten
werden heute in der Züchtung als Aromaträger eingesetzt.
Vescana - Erdbeere (Fragaria x vescana)
Die jüngste Kulturpflanze aus der Erdbeerfamilie, die Vescana-Erdbeere (Fragaria
x vescana), entstand 1967 aus einer Kreuzung zwischen der Ananas-Erdbeere und
Führung durch die ARCHE NOAH Beerensammlung
21
der Wald-Erdbeere. Die Kreuzung ist unter natürlichen Verhältnissen nicht
möglich, sonder nur mittels bestimmter Methoden der Pflanzenzüchtung zu
erreichen. Gezüchtet wurde sie von R. und A. Bauer am Max Plank Institut für
Züchtungsfoschung in Köln – Vogelsang. Die Art ist dekaploid. Die Pflanze bildet
weniger Seitenkronen im Vergleich zur Gartenerdbeere, dafür umso mehr Ausläufer.
Blüten- und Fruchtstand stehen über dem Laub (Fruchtstand senkt sich bisweilen
unter der Last zu Boden). Die Früchte sind klein, rot, gut pflückbar und
aromatisch.
Der sperrige Name wird heute gerne durch die Bezeichnung Wiesenerdbeere ersetzt.
Dieser Namen nimmt Bezug auf die Art der Kultivierung. Vescana Erdbeern bilden
viele Ausläufer und die zur Ertragsbildung nicht abgenommen werden, der Bestand
schließt sich und es entsteht eine Erdbeerwiese. Die Sorten Florika und Spadeka
sind im Handel erhältlich.
Monatserdbeeren (Fragaria vesca)
Monatserdbeeren können im Hausgarten sehr leicht gezogen werden. Sorten
ohne Ausläufer werden über Samen oder durch Stockteilung vermehrt. Dank
der Fähigkeit zur ungeschlechtlichen Samenbildung fallen die Sämlinge in
der Regel sortenecht. Durch gelegentliche Befruchtung sowie vereinzelte
Mutationen entstehen aber immer wieder Monatserdbeeren mit abweichenden
Eigenschaften. Dies ist auch der Grund für die große Anzahl Sorten in
der historischen Literatur.
Für die Samengewinnung werden reife, zerdrückte Früchte in viel Wasser
aufgeschwemmt. Nach drei bis vier Tagen werden die Samen aus dem WasserFrucht-Gemisch mit Hilfe eines feinen Siebes entfernt und getrocknet.
Die Aussaat erfolgt von Februar bis April in einer Samenschale, einem
Blumentopf
oder
im
halbwarmen
Mistbeet.
Der
Samen
wird
nur
leicht
zugedeckt (Lichtkeimer), kleinere Gefäße sollte man mit einer Glasplatte
abdecken. Nach 14 bis 28 Tagen bei 15–16 °C beginnen sie zu keimen. Sie
werden
einmal
spätestens
pikiert,
Mitte
von
September
Anfang
an
ausgepflanzt,
abgehärtet
damit
und
sie
im
ab
Mai
Herbst
bis
noch
kräftige Pflanzen bilden und den Winter gut im Freien überstehen. Zum
Treiben
können
sie
im
Spätwinter
oder
zeitigen
Frühjahr
in
einem
Frühbeet oder einem Gewächshaus gesetzt werden.
‘Rügen’ (Deutschland 1920)
Erdbeerbeet
Diese wichtige rankenlose Monatserdbeere wurde 1920 von E. SpangenbergMorsleben aus der rankenden und nicht remontierenden Walderdbeersorte
‘Ruhm von Döbeltitz’ gezüchtet. ‘Rügen’ ist heute in Österreich und
Führung durch die ARCHE NOAH Beerensammlung
22
Deutschland die am weitesten verbreitete Monatserdbeere. Sie trägt den
ganzen
Sommer
Früchte
(von
Mitte
Juni
bis
November),
bildet
keine
Ausläufer und ähnelt insgesamt der Walderdbeere. Eine Vermehrung ist nur
über Stockteilung oder, noch besser, über Samen möglich. Die Beere ist
spitzkegelförmig
Vollreife
und
grüngelb
etwas
und
kantig.
erst
bei
Die
Fruchtspitze
Vollreife
dunkelrot.
ist
Sie
vor
der
sitzt
auf
ziemlich straffen Stielen über dem Laub. Die zahlreichen Samen sind
aufsitzend,
das
überreifen
Fruchtfleisch
Zustand
saftig.
ist
weiß
Typisch
ist
bis
leuchtend
der
etwas
rosa,
nur
im
zurückgeschlagene
Fruchtkelch.
‘Rügen’
ist
anfällig
für
die
Weißfleckenkrankheit.
Die
einjährigen
Pflanzen ergeben die schönsten Früchte. Sie sollten deshalb regelmäßig
neu angesät werden. Verschiedene Selektionen sind im Handel: etwa ‘Rügen
selecta’, ‘Verbesserte Rügen’ und ‘Freudemacher’. Vermutlich sind auch
die
in
der
Schweiz
französischsprachigen
angebotene
Raum
unter
‘Alexandria’
‘Reine
des
sowie
Vallées’
die
im
verkauften
Monatserdbeeren Abkömmlinge oder Selektionen von ‘Rügen’.
Monatserdbeeren müssen unbedingt im vollreifen Zustand geerntet werden,
denn nur dann kommt ihr unvergleichliches Aroma zur Geltung. Erst wenn
sich die Früchte leicht vom Kelch lösen und sie einem förmlich in die
Hand fallen, ist die Genussreife erreicht.
‘Weiße Solemacher’ (Deutschland 1936; Syn.: ‘Weiße Baron Solemacher’)
Naschgarten
Als rankenlose Monatserdbeere aus einem Sämling von ‘Rügen’ wurde die
deutsche
Sorte
‘Weiße
Solemacher’
1935
von
Baron
Solemacher
aus
Antweiler gezüchtet, der in Fachkreisen Ansehen als Züchter im Rheinland
genoß.
1936
wurde
diese
Sorte
von
der
Baumschule
Heinemann
in
den
Handel
gebracht, die rotfruchtige Schwestersorte ‘Rote Baron Solemacher’ folgte
ein Jahr später. Besondere Vorteile von ‘Weiße Baron Solemacher’ sind
Führung durch die ARCHE NOAH Beerensammlung
23
die
gleichmäßige
Solemacher’
Abreife
zeichnet
und
sich
die
durch
relativ
starke
großen
Früchte.
Fruchtbarkeit,
‘Weiße
Größe
und
Schönheit der Früchte sowie gesunden, kräftigen Wuchs aus. Die Früchte
sind rundlich, manchmal länglich (meist länger als bei ‘Rügen’), ihr
Geschmack ähnelt der Walderdbeere. Weiße Monatserdbeeren verfärben sich
nach
der
Ernte
unschön
bräunlich.
Für
die
Zubereitung
einer
Bowle
empfiehlt es sich, die weißen Früchte direkt in ein Gefäß mit Wasser
oder Wein zu pflücken, denn dadurch bleibt die Fruchtfarbe erhalten.
Moschuserdbeeren (Fragaria moschata)
‘Profumata di Tortona’
Naschgarten
‘Profumata
di
Tortona’
gehört
zu
den
Moschuserdbeeren
(Fragaria
moschata). Moschuserdbeeren brauchen zur vollkommenen Entwicklung meist
etwas
länger
besonders
als
andere
delikat:
Sie
Erdbeeren,
haben
ein
dafür
ganz
sind
sie
bei
hervorragendes,
der
intensiv
Reife
süß-
würziges Aroma, das an den Duft von Moschusparfum erinnert oder etwas
nach Honig, Zimt und Muskateller schmeckt.
Zum kräftigen Gedeihen und reichlichen Tragen verlangen sie einen guten,
nahrhaften Boden. Oft blühen und fruchten sie im Herbst ein zweites Mal,
doch gelangen die Beeren in unserem Klima kaum mehr zur Reife. Die
Moschuserdbeeren bestocken sich wenig und haben sehr lange Blütenstiele,
die sich bei der Fruchtreife zu Boden senken. Sie bilden sehr viele
Ausläufer. Da die Früchte sehr weich und daher fast nicht waschbar sind,
dürfen sie nicht verschmutzen. Sobald sich die Fruchtstände senken, ist
keine Bodenbearbeitung oder Unkrautbekämpfung mehr möglich.
Moschuserdbeeren können als Erdbeerwiese kultiviert werden. Dabei werden
die
zahlreichen
Ausläufer
belassen,
bis
sie
einen
dichten
Bestand
bilden. Der Bestand ist zu jäten, bis er geschlossen ist und sich keine
Unkräuter mehr durchsetzen können. Die Fruchtstiele senken sich, liegen
am Laub der Nachbarpflanzen auf und bleiben so sauber. Allerdings können
sich bei dieser Kulturform auch Krankheiten, insbesondere Blattflecken
und
Milben,
sehr
rasch
ausbreiten.
Bei
Moschuserdbeeren
als
Reihenpflanzung ist vor allem wichtig, nach der Blüte viel Mulchmaterial
auszubringen, um das Unkraut im sehr lockeren Bestand unterdrücken zu
können und die Früchte sauber zu halten. Als Mulchmaterial eignet sich
Führung durch die ARCHE NOAH Beerensammlung
24
fein
gehäckseltes
Stroh,
Flachsschäben
und
Ähnliches.
Der
Anbau
auf
Mulchflies oder Plastikfolie kann auch empfohlen werden. Eine andere
Möglichkeit für eine bessere Standfestigkeit ist das Anbringen eines
Viereck-Maschengitters
auf
einer
Höhe
von
15–20
Zentimetern.
Da
die
Moschuserdbeeren nur im ersten Jahr nach der Pflanzung gut tragen, ist
eine jährliche Erneuerung notwendig.
Heute sind Moschuserdbeeren als Kulturpflanzen nahezu verschwunden. Sehr
selten findet man sie noch als Kulturrelikt in alten Gärten, wo sie
wegen ihrer schönen Blüten zum Teil geduldet werden. In Italien, im
Gebiet um Tortona (Piemont), wird diese kleine Erdbeere unter dem Namen
‘Profumata di Tortona’ trotz ihres geringen Ertrags noch kultiviert.
Seitens
der
Gemeinde
von
Tortona
wird
der
Anbau
dieser
gefährdeten
Kulturpflanze in jüngster Zeit wieder gefördert. Wie bereits erwähnt,
haben
auch
erkannt
Feinschmecker
und
reisen
im
den
Mai
kulinarischen
ins
Piemont,
Wert
um
die
der
Moschuserdbeere
duftenden
Beeren
zu
genießen.
Die meisten Moschuserdbeeren, darunter auch ‘Profumata di Tortona’, sind
zweihäusig, das bedeutet, es gibt männliche und weibliche Pflanzen. Nur
wenn beide in nächster Nähe wachsen, bilden die weiblichen Pflanzen
Früchte
aus.
Man
rechnet
mit
etwa
einer
männlichen
Pflanze
auf
25
weibliche. Der Blütenstiel der Moschuserdbeeren ist abstehend behaart
und steht straff aufrecht. Die großen doldigen Blütenrispen erheben sich
charakteristisch über das Laub, weshalb Moschuserdbeeren im Volksmund
gelegentlich auch „Blumenstrauß-Erdbeeren“ genannt wurden. Die Frucht
ist klein (etwas größer als eine Walderdbeere), rund, dunkel- bis fast
schwarzrot, mit eingesenkten Samen. Das Fruchtfleisch ist weißgelb und
intensiv gewürzt. Der Kelch ist aufsitzend und zurückgebogen. Die Sorte
trägt einmal und reift meist Anfang Juli. Allerdings ist der Ertrag pro
Pflanze gering und bereits im zweiten Standjahr vernachlässigbar.
HIMBEERE
‘Gelbe Antwerpener’ (Herkunft unbekannt, vor 1800)
Himbeerspalier I
Die ‘Gelbe Antwerpener’ wurde bereits um 1800 erwähnt und ist damit eine
der ältesten bekannten Himbeersorten. Sie erschien im 19. Jahrhundert
und
in
den
ersten
Jahrzehnten
Führung durch die ARCHE NOAH Beerensammlung
des
20.
Jahrhunderts
regelmäßig
in
25
Katalogen und Fachzeitschriften Europas und später auch Nordamerikas und
dürfte einige Verbreitung gefunden haben. Die Sortenbeschreibungen in
der Literatur gehen jedoch weit auseinander, sodass heute kaum mehr
festgestellt
werden
kann,
wie
die
ursprüngliche
Sorte
tatsächlich
ausgesehen hat. Mit Sicherheit handelte es sich um eine einmal tragende
Sommersorte.
Die in der ProSpecieRara- und Arche-Noah-Sammlung unter dem Namen ‘Gelbe
Antwerpener’ erhaltene Sorte zeichnet sich durch breit-rundliche, dunkel
goldgelbe, weiche Beeren aus, die sich aus relativ wenigen, großen,
lockeren
Teilfrüchtchen
zusammensetzen.
Bei
der
Betrachtung
der
Schösslinge fallen vor allem der schlanke, gebogene, fast geschlängelte
Wuchs
sowie
die
recht
starke
und
bis
zur
Triebspitze
ausharrende
Bewehrung auf. Das Laub ist charakteristisch dunkelgrün und matt.
Unübertroffen ist der Geschmack: Keine andere Himbeere erreicht auch nur
annähernd dieses intensiv gewürzte Aroma bei gleichzeitig angenehmer und
ausgeglichener
Säure.
Dies
ist
umso
erstaunlicher,
als
die
gelbfruchtigen Sorten in der Regel den rotfrüchtigen geschmacklich weit
unterlegen sind.
‘Winklers Sämling’ (Deutschland 1900)
Himbeerspalier II
‘Winklers
Sämling’
ausgesprochen
süßen
ist
und
der
Inbegriff
saftigen
einer
Früchte
Aromahimbeere.
haben
einen
Die
ausgeprägten
Waldhimbeergeschmack wie keine andere Sorte. Neben dem Aroma und der
Süße ist ‘Winklers Sämling’ auch sonst unverwechselbar: Die etwas schwer
vom Zapfen lösbaren Früchte sind nur mittelgroß, leuchtend hellrot und
ausgesprochen weich, sodass sie kaum transportfähig sind und am besten
direkt vom Strauch in den Mund konsumiert werden. Außerdem sind die
einzelnen Teilfrüchtchen auffallend groß. Auch vegetativ ist die Sorte
leicht erkennbar: Die schlanken und an der Spitze leicht gebogen Ruten
erreichen meist nur eine mittlere Höhe und verfärben sich im Sommer
weinrot.
borstig
gefärbt.
Die
und
Ein
zahlreichen
im
Frühsommer
weiteres
Stacheln
sind
typisch
blass
typisches
auffallend
und
Sortenmerkmal
schmal,
durchscheinend
sind
die
beinahe
rotbraun
dunkelgrünen,
fein runzeligen Blätter.
Führung durch die ARCHE NOAH Beerensammlung
26
‘Winklers Sämling’ ist eine typische Sorte für den Hausgarten. Ein Anbau
ist
auf
allen
nicht
zu
schweren
oder
zu
leichten
Böden
problemlos
möglich. Außerdem ist ‘Winklers Sämling’ gegenüber Rutenkrankheiten und
Trockenheit
ziemlich
widerstandsfähig.
Die
1900
von
F.
Winkler
im
deutschen Berwangen (Baden) als Zufallssämling gefundene Sorte wurde vor
allem in Süddeutschland, in der Schweiz und im angrenzenden Österreich
verbreitet angebaut und war bis in die 1970er-Jahre hinein aus keinem
Pflanzenkatalog wegzudenken.
Oft
wurde
unter
dem
Namen
‘Winklers
Sämling’
jedoch
auch
die
alte
englische Sorte ‘Falstoff’ verkauft. Möglicherweise ist die Sorte auch
identisch mit der alten Norwegischen ‘Asker’. Die wenigen Baumschulen,
die ‘Winklers Sämling’ bis vor einigen Jahren noch anboten, haben die
wertvolle Sorte heute aus ihrem Angebot gestrichen.
Schwarze Himbeere
Schwarze Himbeeren (Rubus occidentalis), nach dem englischen Ausdruck
black cap auch Kap-Himbeeren genannt, unterscheiden sich von den roten
und gelben Sorten in vielerlei Hinsicht. Die langen, sehr stark und
scharf dornartig bewehrten Triebe sind auffallend bläulich weiß bereift
und
bewurzeln
Kontakt
mit
sich
dem
wie
rankende
Boden.
Die
Brombeeren
anfänglich
an
roten,
der
dann
Triebspitze
rasch
beim
glänzend
schwarzen, früh und fast gleichzeitig reifen Beeren stehen in kompakten
beblätterten Fruchtständen an der Spitze meist langer Seitentriebe.
Weitere
Fruchtmerkmale
sind
die
breit-runde
Form,
das
meist
feste
Fruchtfleisch, die kleinen, dicht stehenden und bei vielen Sorten am
Rande
weißlich
bemehlten
Teilfrüchtchen
sowie
der
stark
färbende
dunkelrote Fruchtsaft. Die meisten Sorten haben etwas wenig Säure und
enthalten viele Samen, weshalb sie eher für die Verwertung als für den
Rohgenuss
geeignet
sind.
Unübertroffen
ist
die
Gefriereignung:
Die
Beeren behalten nach dem Auftauen ihre Form und saften nicht, sodass sie
wie frische Früchte für Garnituren verwendet werden können. Auch Liköre
sind eine ausgezeichnete Spezialität.
Führung durch die ARCHE NOAH Beerensammlung
27
Die Schwarze Himbeere wird in Nord Amerika in Gärten und erwerbsmäßig
kultiviert. Der Anbau ist auch bei uns problemlos möglich. Die Pflanzen
sind völlig winterhart, benötigen aber ausreichende Bodenfeuchtigkeit
und gedeihen selbst noch im Halbschatten. Bei Trockenheit und großer
Hitze verkümmern die Beeren am Strauch. Bei Überreife und feuchtwarmer
Witterung
werden
die
Früchte
rasch
von
Mehltau
und
Grauschimmel
befallen.
Neben der 1934 selektionierte ‘Bristol’ wird heute in Österreich vor
allem die Sorte ‘Black Jewel‘ angeboten. Obwohl kaum je in größerem
Umfang
gehandelt,
Raritäten
in
halten
privaten
sich
Gärten
schwarze
und
Himbeeren
werden
von
als
ihren
wohlbehütete
Besitzern
über
Generationen gepflegt und weitergegeben.
‘Japanische Weinbeere’
Die ‘Japanische Weinbeere’ (Rubus phoenicolasius) ist sehr dekorativ und
daher gleichsam ein Zier- und Obststrauch. Sie stammt ursprünglich aus
Japan und der Mandschurei und ist bei uns schon seit 1876 und in Amerika
seit
1890
in
Kultur,
ohne
allerdings
je
eine
größere
Verbreitung
gefunden zu haben.
Die
dicht
wenigen
behaarten,
dünnen
mit
Stacheln
vielen
klebrigen
besetzten
roten
Triebe
Drüsenborsten
bilden
einen
und
aufrecht
übergebogenen, bis zu 3 Meter hohen Strauch. Aus den Blattachseln des
vorjährigen
Holzes
erscheinen
etwa
15
bis
20
Zentimeter
lange
Seitentriebe mit zarten weißen Blütenbüscheln, aus denen sich gegen Ende
Juli
kleine
weiche,
halbkugelige,
zuerst
gelborangefarbene,
später
glänzend zinnoberrote und bei Vollreife braunrote himbeerartige Früchte
entwickeln. Die lang ausgezogenen Kelchzipfel umschließen die noch grüne
Frucht und öffnen sich erst unmittelbar vor der Reife.
Der
Geschmack
der
‘Japanischen
Weinbeere’
ist
süß-weinsäuerlich
und
etwas wässerig. Die verlockenden Beeren sind nicht lange am Strauch
haltbar und werden oft schon vor der Ernte von den Vögeln gefressen.
Die
‘Japanische
Weinbeere’
ist
bei
uns
mit
Ausnahme
einiger
klimabegünstigter Gegenden nicht ganz winterhart und kann in strengen
Wintern zurückfrieren. Der Strauch wird deshalb vorzugsweise an etwas
geschützten
Standorten,
zum
Beispiel
Führung durch die ARCHE NOAH Beerensammlung
an
einer
Mauer
oder
an
einer
28
Hauswand, gepflanzt und mit leichtem Material abgedeckt. Sie liebt etwas
feuchte Standorte und gedeiht auch gut im Halbschatten.
BROMBEERE
‘Kittatinny’
‘Kittatinny‘ ist eine der ältesten Kulturbrombeeren. Sie wurde um 1847
wild wachsend am Fuß der Kittatinny-Berge in New Jersey gefunden und
knapp 20 Jahre später von E. Williams in den Handel gebracht. Sie war
mehr als ein halbes Jahrhundert lang die Standardsorte im Erwerbsanbau
der USA. Auch in Europa fand ‘Kittatinny’ in den Jahrzehnten vor und
nach 1900 einige Verbreitung und war zusammen mit der sehr ähnlichen
‘Lawton-Brombeere’ als erste aufrecht wachsende Brombeere in Kultur.
‘Kittatinny’ ist eine extrem starkwüchsige Sorte. Die aufrechten und an
der
Spitze
etwas
bogig
überhängenden
Triebe
erreichen
unter
guten
Standortbedingungen problemlos eine Höhe von 3 Metern und mehr und sind
vor allem in der oberen Triebhälfte kräftig verzweigt – keine andere
aufrecht
wachsende
‘Kittatinny’.
Brombeere
Darüber
erreicht
hinaus
sind
die
die
Höhe
und
Triebe
Wuchskraft
bis
zur
der
Spitze
außerordentlich dicht und scharf bestachelt. Die meisten dieser Stacheln
sind gegen oben gekrümmt, einzelne stehen aber auch waagrecht oder sind
sogar rückwärts gerichtet. Wer sich einmal in einem ‘Kittatinny’-Busch
verfangen hat, kommt nicht ohne Kratzer davon.
Die Beeren sind recht variabel in Form und Größe, meistens eiförmig oder
kegelförmig und recht groß, saftig, weichfleischig bis mäßig fest und
für eine aufrechte Brombeere aromatisch. Sie reifen in Tallagen ab Mitte
bis Ende Juli, etwa zwei bis drei Tage nach ‘Wilsons Frühe’. Vereinzelt
werden an Seitentrieben neue Blütenrispen gebildet, noch während die
ersten
Früchte
reifen,
sodass
auch
später
im
Sommer
immer
wieder
einzelne Nachzüglerbeeren gepflückt werden können.
‘Kittatinny’ ist ausgesprochen robust gegen Winterkälte – eine seltene
Eigenschaft
aufrecht
bei
Brombeeren.
wachsenden
Sorten
Im
Unterschied
erträgt
zu
‘Kittatinny’
den
meisten
auch
anderen
vorübergehend
Trockenheit. Auch sonst scheint die Sorte wenig anspruchsvoll zu sein.
In der historischen amerikanischen Literatur wird die Sorte allerdings
als rostempfindlich beschrieben. In kleinen Hausgärten wird ‘Kittatinny’
wegen ihrer enormen Wuchskraft rasch zu groß.
Führung durch die ARCHE NOAH Beerensammlung
29
‘Theodor Reimers’ (Deutschland/USA um 1900)
‘Theodors
Reimers’
entspricht
den
gängigen
Vorstellungen
einer
Brombeere. Auch über hundert Jahre nach ihrer Einführung ist die Sorte
bei uns die am häufigsten kultivierte Brombeere, zumindest in Hausgärten
und im Selbstversorgeranbau.
‘Theodor
Reimers’
verwechseln.
Die
lässt
sich
äußerst
mit
keiner
starkwüchsige
anderen
Sorte
Kulturbrombeere
bringt
bis
zu
8
Meter
lange, dicht mit scharfen, rotfüßigen Stacheln besetzte Ranken hervor,
deren
Spitzen
sich
bei
Bodenkontakt
rasch
bewurzeln.
Die
großen
fünfteiligen Blätter sind auffällig gewölbt und haben eine weißfilzige
Blattunterseite. Aus den Blattachseln entwickeln sich bereits im ersten
Jahr reichlich vegetative Seitentriebe, die laufend eingekürzt werden
müssen, um die Pflanze einigermaßen im Zaum zu halten.
Im Folgejahr bilden sich am Ende langer Fruchttrieben große, sparrige,
breit-pyramidale
Blütenrispen
mit
intensiv
rosaroten
bis
weißlich
rosafarbenen großen Blüten, aus denen sich ab Mitte bis Ende Juli reife
Früchte entwickeln. Die kaum transportfähigen Beeren sind rundlich bis
kurz-kegelförmig, weich, außerordentlich aromatisch und in vollreifem
Zustand
angenehm
süß.
Bei
ausreichender
Wasserversorgung
legen
die
Beeren noch während des Schwarzwerdens stark an Größe zu. Da ‘Theodor
Reimers’
anfällig
für
die
Brombeermilbe
ist,
bleiben
oft
einzelne
Teilfrüchtchen rot und sauer.
Nach
heutiger
‘Armenischen
Armenien
Brombeere’
und
‘Armenische
Auffassung
den
ist
‘Theodor
(Rubus
armeniacus),
Kaukasusländern
Brombeere’
Reimers’
erstmals
vermutet
als
teure
eine
Auslese
deren
Wildvorkommen
wird.
1860
Neuheit
in
wurde
der
in
die
Hamburg-Altona
angepriesen und unter diesem Namen von Gärtnern verbreitet. ‘Theodor
Reimers’
ist
neben
der
‘Geschlitztblättrigen
Brombeere’
die
einzige
aktuelle Kulturbrombeere mit europäischen Wurzeln.
Die
genauen
Umstände
der
Entstehung
von
‘Theodor
Reimers’
sind
unbekannt. Historischen Berichten zufolge soll ein englischer Missionar
um
1898
Samen
aus
dem
Himalaja
nach
Nordamerika
zu
Luther
Burbank
gebracht haben, der die Sorte kurz darauf unter dem Namen ‘Himalaya’
verbreitete,
Himalaja.
in
dem
Glauben,
Gleichzeitig
wurde
Führung durch die ARCHE NOAH Beerensammlung
die
die
Sorte
Sorte
stamme
von
tatsächlich
Theodor
aus
dem
Reimers
in
30
Deutschland eingeführt. Die anschließende Entwicklung unterscheidet sich
dies- und jenseits des Atlantiks: In Amerika konnte ‘Himalaya’ trotz
vieler Werbeanstrengungen nicht recht Fuß fassen und wird heute kaum
mehr angeboten.
Ganz anders verlief die Entwicklung in Europa: ‘Theodor Reimers’ wird
rasch
zu
einer
der
erfolgreichsten
Beerensorten,
sowohl
für
den
Hausgarten als auch den Erwerbsanbau. Ausschlaggebend ist insbesondere
der hohe Ertrag, die große Wuchskraft und nicht zuletzt das intensivwürzige, sortentypische Aroma sowie der dunkle Fruchtsaft. In Hausgärten
wurde ‘Theodor Reimers’ vielfach zum Beranken von Zäunen und kahlen
Mauern empfohlen. Hinzu kommen die im Vergleich zu den amerikanischen
aufrecht
Nährstoff-
wachsenden
und
Sorten
wesentlich
Feuchtigkeitsgehalt
geringeren
des
Bodens.
Ansprüche
Einzig
die
an
den
schwache
Frostresistenz macht ‘Theodor Reimers’ zu schaffen. Die Ruten erfrieren
bei
Temperaturen
unter
minus
15
°C
und
benötigen
daher
in
frostgefährdeten Lagen einen Winterschutz.
Führung durch die ARCHE NOAH Beerensammlung
31