Es geschah im Nachbarhaus

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Es geschah im Nachbarhaus
Es geschah im Nachbarhaus
Die Handlung dieses Romans spielt Ende des 19. Jahrhunderts in einer katholisch geprägten
Kleinstadt am Niederrhein. Ein Kind wird ermordet aufgefunden, und als kein Täter gefunden
wird, richtet sich schnell der Verdacht gegen den jüdischen Viehhändler, Metzger und
Schächter Bernhard Waldhoff, dem unterstellt wird, einen Ritualmord begangen zu haben.
Zunehmend mehr Bürgerinnen und Bürger der Kleinstadt stellen sich gegen Bernhard
Waldhoff und grenzen ihn und seine Familie immer stärker aus. Schließlich wird Waldhoff
zwar wegen erwiesener Unschuld freigesprochen und aus der Untersuchungshaft entlassen,
eine Rückkehr in seine Heimatstadt ist ihm aber nicht möglich.
Geradezu minuziös schildert Fährmann in seinem Roman, wie Vorurteile, Gerüchte,
Verdächtigungen sowie bewusste Falschaussagen nicht nur zu einer immer stärkeren
Isolation der Familie Waldhoff führen, sondern auch eine wahre Pogromstimmung entstehen
lassen, die sogar zu Gewaltexzessen führt. Dabei gelingt es dem Verfasser weitgehend, eine
Schwarz-Weiß-Zeichnung der Personen zu vermeiden und glaubwürdige Alltagsmenschen zu
schaffen. Fährmanns Protagonisten sind der etwa 12 Jahre alt Sigi Waldhoff, Sohn des
Beschuldigten, und dessen gleichaltriger christlicher Freund Karl Ulpius, der über weite
Strecken als Einziger zu Sigi hält und diesen unterstützt. Die Wahl dieser Protagonisten
erleichtert Jugendlichen ein Stück weit die Lektüre dieses Romans; Gleiches bewirken die
verständliche Sprache und die Gliederung in viele Einzelkapitel.
Fährmanns Roman beruht auf einer wahren Begebenheit: 1891 wurde in Xanten ein Junge
tot aufgefunden, und bald richtete sich der Verdacht gegen einen jüdischen Mitbürger, der
später freigesprochen wurde. Allerdings hat der Autor keine Dokumentation verfasst,
sondern einen Roman geschrieben, der es ihm erlaubt, die verschiedenen Facetten des
Antisemitismus – hier exemplarisch im Kaiserreich – zu zeigen. Damit wird zugleich auf die
lange Tradition des Antisemitismus in Deutschland verwiesen. Obwohl Es geschah im
Nachbarhaus erstmals bereits 1968 erschien, ist die Thematik bis heute aktuell. Wer sich für
historische Themen interessiert, sollte dieses Buch also auf keinen Fall verpassen.
Tomas Unglaube [ursprünglich erschienen bei shoa.de]
Willi Fährmann: Es geschah im Nachbarhaus. Die Geschichte eines gefährlichen Verdachts
und einer Freundschaft, Würzburg 2008.