flugunfallkommission gutachten und vorschläge

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flugunfallkommission gutachten und vorschläge
FLUGUNFALLKOMMISSION
Büro:
Radetzkystraße 2
1031 W I E N
Telefax: 713 03 26
Tel.: 71162 Kl. 9204, 9208
Wien, am 23. Juni 1994
Pr.Zl. 74.149/1-FUK/94
GUTACHTEN UND VORSCHLÄGE
(Kurzbericht*))
betreffend den
Flugunfall mit dem Motorflugzeug der Type Mooney M20J, Kennzeichen OE-XXX,
am 9. September 1984 um 12:32 Uhr UTC**) auf dem Flughafen Wien/Schwechat, NÖ.
Zusammensetzung der Flugunfallkommission (bestellt mit Bescheid des Bundesministeriums für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 12. September 1984, Zl. 24.149/2-I/5184):
Mag. Norbert FUCHS
Vorsitzender
Peter OLT
Sachverständiger für Flugbetrieb
DDipl.Ing. Dr. Walter SPERR
Sachverständiger für Luftfahrzeugtechnik
Ing. Helmut MÜLLER
Luftfahrzeugtechnik
Sachverständiger für Flugbetrieb und
Erich REITERER
Sachverständiger für Flugsicherung
Dr. Hermann TRIMMEL
Sachverständiger für Flugwetterkunde
Der Flugunfall wurde im vereinfachten Verfahren untersucht.
*) Da der Flugunfall bereits längere Zeit zurückliegt, wird in Übereinstimmung mit dem
Aktenvermerk Zl. 35.619/429-I/7-1986 vom 14. Juli 1986 auf die Veröffentlichung
dieses Gutachtens verzichtet.
**) Alle in diesem Bericht angeführten Zeiten entsprechen Universal Coordinated Time (Lokalzeiten wurden entsprechend geändert).
-21. A L L G E M E I N E S
Luftfahrzeug
Motorflugzeug Type Mooney M20J, Kennzeichen OE-XXX
Werknummer / Baujahr:
24-0889 / 1979
Eigentümer:
Finanzierungsfirma
Halter:
Fliegerclub
Besatzung
Pilot männlich, 34 Jahre, österreichischer Staatsbürger
Scheine:
- Privatpilotenschein Nr. XXXX
ausgestellt am 3. August 1978 vom Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZ)
gültig bis 3. August 1986
(Sprechfunk-, Sicht-Nachflug-Berechtigung)
- Private Pilot Licence No. XXXX
ausgestellt am 11. Juli 1980 vom Department of Transportation/Federal Aviation
Administration, USA
(Instrumentenflugberechtigung)
anerkannt mit
- Anerkennungsschein Nr. XXXX
ausgestellt am 27. Oktober 1980 vom BAZ
gültig bis 3. August 1986
Erfahrung (lt. Flugbuch):
Insgesamt
ca. 300 Std.
In den letzten drei Monaten 6:54 Std., 5 Starts
Auf dem Unfallmuster
Unbekannt
Instrumentenflug
ca. 53 Std. im Ausland
(lt. Aussage des Piloten)
Passagier
Männlich, 54 Jahre, österreichischer Staatsbürger
Keine Zivilluftfahrerscheine
Unfallort
Flughafen Wien/Schwechat, Piste 34, Rollweg M
Datum und Zeitpunkt des Unfalles
9. September 1984, 12:32 Uhr
-2Betriebsart
Privater Reiseflug
Flugphase
Landung - Aufsetzen
Schäden
Personenschäden:
Schäden am Luftfahrzeug:
Sachschäden Dritter:
Keine
Erheblich
Keine
2. F L U G V E R L A U F
Am 9. September 1984 startete der Pilot mit dem Motorflugzeug Type Mooney M20J,
Kennzeichen OE-XXX, mit einem Passagier an Bord um 11:36 Uhr auf dem Flughafen Klagenfurt zu einem Instrumentenflug nach Wien/Schwechat. Rollen, Start, Reiseflug und
Landeanflug verliefen, abgesehen von teilweise falsch zurückgelesenen oder nicht befolgten
Anweisungen der Flugverkehrskontrollstellen, ohne Zwischenfälle. Das Luftfahrzeug wurde
mit Radarunterstützung auf das Instrumentenlandesystem der Piste 34, Flughafen Wien/Schwechat, geführt. Um 12:31 Uhr wurde die Landefreigabe für die Piste 34 erteilt (Warnung
vor Wirbelschleppe). Unmittelbar vor dem Aufsetzen auf Piste 34 fuhr der Pilot das Fahrwerk elektrisch aus. Das Aufsetzen erfolgte jedoch mit teilweise ausgefahrenem Fahrwerk.
Das Luftfahrzeug schlug mit dem Rumpf auf der Piste auf und kam nach einer Rutschstrecke
von ca. 140 m im Bereich des Rollweges M zum Stillstand. Es brach kein Brand aus.
3. B E F U N D E
-Der Pilot gab wenige Tage nach dem Unfall an, daß er vor Passieren des Outer Markers im
Zuge der Landevorbereitungen, welche er anhand einer Checkliste durchführte, den Fahrwerkschalter betätigt und sich anhand der optischen Anzeige vergewissert
hatte, daß das Fahrwerk ausgefahren und verriegelt war (grüne GEAR-DOWN-Anzeige
leuchtete). Als mögliche Unfallursachen nannte er ein technisches Gebrechen oder ein
Nichteinrasten des Fahrwerkschalters in Verbindung mit einem infolge Sonneneinstrahlung vorgetäuschten Aufleuchten der grünen GEAR-DOWN-Anzeige.
-2-Der gemäß ' 25 LVR i.d.g.F. für kontrollierte Flüge erforderliche Flugplan wurde abgegeben; er enthielt zum Teil unrichtige Angaben (z.B. anstelle von vier nur zwei Personen
an Bord).
-Die gemäß ' 5 LVR i.d.g.F. erforderliche Flugvorbereitung wurde mangelhaft durchgeführt
(z.B. am Flughafen Klagenfurt falschen Rollhalt ohne Freigabe überrollt).
-Der Pilot war im Besitz einer gültigen Berechtigung zur Durchführung von Sichtflügen und
Sicht-Nachtflügen auf dem Unfallmuster. Hinsichtlich der Gültigkeit der Berechtigung
zur Durchführung von Instrumentenflügen lagen keine Hinweise vor.
-Es lagen keine Hinweise auf eine körperliche Beeinträchtigung des Piloten vor.
-Der Passagier war nicht an der Luftfahrzeugführung beteiligt.
-Belange der Flugsicherung scheiden als Unfallursache aus. Der Pilot wurde von den Flugverkehrskontrollstellen auf Abweichungen beim Zurücklesen oder bei der Befolgung von
Anweisungen hingewiesen, welche er auf Verlangen entsprechend korrigierte.
-Eine Behinderung durch andere Luftverkehrsteilnehmer war nicht gegeben.
-Meteorologische Einflüsse scheiden als Unfallursache aus. Zum Unfallzeitpunkt herrschten
Sichtflug-Wetterbedingungen.
-Das Luftfahrzeug war ordnungsgemäß für die Durchführung von nichtgewerbsmäßigen
Instrumentenflügen zugelassen und haftpflichtversichert; ein gültiges Lufttüchtigkeitszeugnis war ausgestellt. Der Gesamtzustand, die Ausrüstung und der Wartungszustand des
Luftfahrzeuges entsprachen den zutreffenden Lufttüchtigkeitsanforderungen. Es wurden
keine Beanstandungen bekannt.
-Gewicht und Schwerpunkt lagen zum Unfallzeitpunkt im zulässigen Bereich.
-Über die vom Piloten nach dem Unfall vorgenommenen Veränderungen an Hebel- und
Schalterstellungen sind mit Ausnahme des Magnetschalters, des Hauptschaltes und des
Radiomasters, welche nach dem Unfall vom Piloten ausgeschaltet wurden, keine Angaben
möglich. Folgende Schalterstellungen waren nach dem Unfall feststellbar:
-2Fahrwerkschalter
GEAR DOWN, gerastet
Sicherung GEAR ACTUATOR
gezogen (15 A)
Sicherung GEAR CONTROL
gedrückt
Sicherung GEAR WARNING
gedrückt
Klappenschalter
Neutralstellung
(geht durch Federkraft in diese Stellung zurück)
Klappenanzeige
DOWN (voll ausgefahren)
-Das Fahrwerk war nach dem Unfall teilweise ausgefahren; die Hauptfahrwerktore hatten
sich vor dem Ausetzen geöffnet.
-Technische Untersuchung: Nach Einschalten des Hauptschalters sprachen die Anzeige- und
Warneinrichtungen des Fahrwerksystems sinngemäß an. Nach Drücken der Sicherung
GEAR ACTUATOR ließ sich das Fahrwerk vollständig elektrisch ausfahren und
verriegeln bzw. bei Druckbeaufschlagung des Drucksystems (Pitot-Rohr) äquivalent
90 KT vollständig einfahren. Weiters ließ sich das Fahrwerk gegen einen mechanischen Widerstand ausfahren. Bei Überlast sprach die Sicherung GEAR ACTUATOR sofort an, und
das Fahrwerk blieb in blokierter Stellung stehen. Bei höherer Belastung verfehlten die
Anschläge für die Endschalter infolge Verformung des Fahrwerkgestänges die entsprechenden Schalter. In diesem Fall sprach die Sicherung GEAR ACTUATOR nach vollständigem Ausfahren und Verriegeln des Fahrwerkes an. Das Fahrwerk war mit dem Notausfahrverfahren vollständig ausfahrbar. Die Fahrwerkanzeigen (optische Anzeige in der
Mitte des Instrumentenbretts; mechanische Anzeige am Kabinenboden zwischen den
Sitzen) sowie das Fahrwerkwarnhorn sprachen sinngemäß an. Die Fahrwerkanzeigen
waren auch bei direkter Lichteinstrahlung von außen eindeutig ablesbar.
-Auf der Aufzeichnung des nach der Landung durchgeführten Funksprechverkehrs ist das
Fahrwerkwarnhorn hörbar, dessen Signal sich von der Überziehwarnung deutlich unterscheidet.
-Das Luftfahrzeug war zum Aufschlagzeitpunkt vollständig. Sämtliche mechanischen
Schäden an der Struktur und den Komponenten waren durch den Aufschlag entstanden.
-Im Luftfahrzeug wurde ein Exemplar des deutschsprachigen Flughandbuches "Mooney
M20J, Ausgabe: 2, Änderung: -" mitgeführt. Die Übersetzung war fehlerhaft und enthielt
zum Teil unrichtige Angaben (z.B. Sicherung GEAR ACTUATOR 25 A; richtig: 15 A).
Das Flughandbuch war vom Luftfahrt-Bundesamt Braunschweig und vom Bundesamt für
Zivilluftfahrt anerkannt.
-2-
-Laut Aussage des Piloten, wurde die Checkliste VOR DER LANDUNG gemäß Flughandbuch verwendet. Demnach ist das Fahrwerk bei weniger als 150 MPH / 130 KT auszufahren. Anschließend ist zu prüfen, ob die grüne GEAR-DOWN-Anzeige leuchtet (Fahrwerk
ausgefahren und verriegelt; rote GEAR-UNSAFE-Anzeige leuchtet während Fahrwerk
ein- oder ausfährt) und die Markierungen der mechanischen Anzeige einander gegenüber
stehen (Fahrwerk ausgefahren und verriegelt). Wenn das Fahrwerk ordnungsgemäß eingefahren ist, erlöschen alle optischen Fahrwerkanzeigen.
Wird bei eingefahrenem Fahrwerk die Motorleistung unter ca. 12 INCH Ladedruck reduziert,
ertönt das Fahrwerkwarnhorn. Bei Schlepplandungen wird das Fahrwerkwarnhorn daher
unmittelbar vor dem Aufsetzen, wenn der Ladedruck unter 12 INCH reduziert wird,
ertönen. Ein Sicherheitsschalter verhindert das Einfahren des Fahrwerkes unter 75 MPH.
-Das Fahrwerknotausfahrverfahren wurde nicht benutzt.
-Es wurde kein Durchstartmanöver eingeleitet.
-24. B E U R T E I L U N G
Die durchgeführten technischen Untersuchungen erbrachten keinen Hinweis auf mechanische
Vorbeschädigungen oder ein technisches Gebrechen am Fahrwerksystem. Eine Fehlinterpretation der Fahrwerkanzeigen durch Sonneneinstrahlung war nicht nachweisbar.
Das Fahrwerk wurde zu spät ausgefahren. Der Pilot war sich offensichtlich bis unmittelbar
vor dem Aufsetzen nicht bewußt, daß das Fahrwerk noch nicht ausgefahren und verriegelt
war. Entweder hatte der Pilot auf das Ausfahren des Fahrwerkes vergessen oder die optischen
bzw. mechanischen Anzeigen nicht genügend beachtet. Es ist nicht auszuschließen, daß der
Fahrwerkschalter nicht vollständig in der Stellung GEAR DOWN eingerastet war und der
Ausfahrmechanismus daher nicht ansprach. Die Checkliste wurde offensichtlich nicht genügend beachtet. Der Fahrwerkschalter wurde unmittelbar vor dem Aufsetzen - eventuell nach
Reduzieren der Motorleistung und Ertönen des Fahrwerkwarnhorns - betätigt. Das Ertönen
des Warnhorns unmittelbar vor dem Aufsetzen könnte der Pilot anfangs als Einsetzen der
Überziehwarnung interpretiert haben. Infolge Zeitmangels oder einer falschen Beurteilung
der Situation unterließ der Pilot ein Durchstartmanöver. Der Ausfahrvorgang war zum Aufsetzzeitpunkt noch nicht abgeschlossen und wurde blockiert, als der Rumpf auf der Piste
aufschlug, worauf die Sicherung GEAR ACTUATOR ansprach.
Fehler bei der Flugdurchführung und bei der Abwicklung des Funksprechverkehrs weisen auf
allfällige Ausbildungsmängel bzw. mangelnde Routine des Piloten hin, welche Streß und damit ein Fehlverhalten begünstigen können.
5. S C H L U S S F O L G E R U N G E N
Unfallart
Bauchlandung
Wahrscheinliche Unfallursache
Pilot - Fahrwerk zu spät ausgefahren
-26. V O R S C H L Ä G E
-Vor Anerkennung eines ausländischen Zivilluftfahrerscheines durch die Luftfahrtbehörde
sollte ein Überprüfungsflug mit einem österreichischen Zivilfluglehrer durchgeführt
werden; die Anerkennung sollte an die Vorlage eines positiven Gutachtens gebunden
werden.
-Die Checklisten sollten gewissenhaft befolgt werden
-Bei der Einweisung auf Flugzeugmuster mit einziehbarem Fahrwerk sollte gegebenenfalls
auf das Ausbleiben der Fahrwerkwarnung bei Schlepplandungen bis unmittelbar vor dem
Aufsetzen hingewiesen werden.
-Die Übersetzung von Flughandbüchern sollte vor Anerkennung durch die Luftfahrtbehörde
von einer fachkundigen Person auf Übersetzungsfehler geprüft werden.
Der Leiter der Flugunfallkommission
FUCHS