Wundballistik - worauf es ankommt!

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Wundballistik - worauf es ankommt!
 Mag. Helmut Eller, 2012 Wundballistik‐woraufesankommt!
1. Einleitung
Die in den letzten Jahren immer intensivere Debatte rund um bleifreie Büchsengeschosse hat vor allem eines gezeigt: Den teilweise erstaunlich geringen Wissensstand nicht nur der Jäger‐
schaft, sondern auch von großen Teilen des Fachhandels und der Journalisten. Die gängigen Quellen, wie der „Jagdprüfungsbehelf“ oder die Kataloge verschiedener Munitionshersteller und Großhändler sind nicht nur teilweise unrichtig und veraltet, sie lassen vor allem eine über‐
geordnete Systematik vermissen. Dadurch ist es z.B. möglich, dass von vielen Weidkameraden die „neuen“ bleifreien Geschosse fälschlicherweise für eine eigene Kategorie von Jagdgeschos‐
sen gehalten werden, die im Gegensatz zu den bleihaltigen Geschossen stehen soll. Die nach‐
folgende Abhandlung soll dem ballistisch Interessierten einen Einblick in die Vorgänge im ge‐
troffenen Wildkörper vermitteln und die Unterschiede der einzelnen Konstruktionen aufzeigen. Dabei ist es unvermeidlich mit einigen weit verbreiteten und dennoch falschen Lehrmeinungen aufzuräumen und andrerseits den Blick auf das Wesentliche zu lenken. Am Ende sollte es dem Leser möglich sein die von ihm verwendete Munition einordnen und auch andere Produkte hinsichtlich ihres Zielverhaltens einschätzen zu können. Auf die Problematik der Bleikontamina‐
tion wird in diesem Artikel bewusst nicht näher eingegangen. 2. WiewirkenBüchsengeschosseimWildkörper?
2.1.Die3GrundtypenvonBüchsengeschossen
Zum besseren Verständnis ist es notwendig, den Vorgang allgemein zu betrachten und eine Grundeinteilung zu treffen. Dafür wurde eine neue Systematik entworfen nach der alle Jagd‐
büchsengeschosse in primär, sekundär und terminal effiziente eingeteilt werden. Was ist dar‐
unter zu verstehen? Nun, wie ich später noch genauer erläutern werde, gelten für das Durchdringen des Wildkör‐
pers durch ein Projektil vor allem die Gesetze der Strömungslehre. Will man nun eine optimale Wirkung erzielen muss das Geschoß (bzw. der Geschoßrest) möglichst rasch töten, also effizient sein. Logischerweise ist der früheste mögliche Zeitpunkt dafür die Herstellung desselben und der späteste das Auftreffen auf den Wildkörper bzw. die unmittelbar darauf einsetzende Form‐
änderung. Daraus resultieren nun die 3 Grundtypen: a) Primär effizientes Geschoss Es ist masse‐ und formstabil und bleibt dies auch nach dem Verlassen des Laufes und selbst im Wildkörper. 1 b) Sekundär effizientes Geschoss Dieser Geschoßtyp ändert seine Form und Eigenschaften nach dem Verlassen des Laufes (wäh‐
rend des Fluges). Während solche Geschosstypen bei Militär und Behörden im Einsatz sind, werden sie derzeit jagdlich nicht verwendet und wird daher nicht näher auf sie eingegangen. c) Terminal effizientes Geschoß Bei diesem Sonderfall des sekundär effizienten Geschosses erfolgt die Wirkungssteigerung erst beim Auftreffen auf das Ziel(Wildkörper). Dabei Ändert sich entweder nur die Form oder Form und Masse. Fast alle in den letzten 100 Jahren entwickelten und heute verwendeten Jagdge‐
schosse (Teilzerlegungs‐ und Deformationsgeschosse) gehören in diese Gruppe. Bevor nun die Wirkungsweise der Jagdgeschosse erörtert wird möchte ich kurz auf die histori‐
sche Entwicklung der Büchsengeschosse eingehen. Deren Kenntnis erleichtert den Überblick über die zahlreichen Geschoßkonstruktionen am Markt. 2.2. HistorischeEntwicklung
Mehrere Jahrhunderte lang wurde als Treibladungsmittel Schwarzpulver und als Geschossmate‐
rial ausschließlich Blei, zunächst in Vorderlade‐Waffen und später auch in den um 1850 herum aufkommenden Metallpatronen, verwendet. Dieses war preiswert, in großer Menge verfügbar und den ballistischen Anforderungen voll gewachsen. Durch einen geringen Zusatz von Zinn und Antimon konnte man die Härte erhöhen. Diese Hartblei‐Projektile schöpften dann die maximale mit Schwarzpulver erreichbare Mündungsgeschwindigkeit von etwa 400‐500m/sec aus und waren, was die Zielballistik anbelangt, primär effizient. Mit den gegen Ende des 19. Jahrhun‐
derts aufkommenden, rauchlosen Pulvern, ließen sich plötzlich doppelt so hohe Geschwindig‐
keiten realisieren und Blei stellte sich als völlig ungeeignet heraus. Es war einfach zu weich um sich durch den Drall (der überdies durch längere, vom Durchmesser kleinere Geschosse wesent‐
lich kürzer sein musste) führen zu lassen. Da es der damalige Stand der Technik nicht ermög‐
lichte, Geschosse aus härterem Material in Großserie zu fertigen, löste man das Problem indem man einen Bleikern mit einem Mantel aus Weicheisen, später auch Kupfer und Tombak umgab. Als Vollmantelgeschoss hat sich diese Lösung bewährt und wird, wegen der geringen wundballi‐
stischen Wirkung, sogar von der Haager Konvention für den militärischen Einsatz vorgeschrie‐
ben. Gerade diese geringe Tötungswirkung war bei der Jagd natürlich unerwünscht und so ent‐
stand das Teilmantelgeschoß. Es ist, wie praktisch alle in den letzten 100 Jahren entwickelten Jagdgeschosse, terminal effizient. Das Grundproblem dieses Geschoßtyps liegt auf der Hand: Die Zerlegung und/oder Deformati‐
on, die einen optimal wirksamen Restkörper schaffen soll, ist von 2 Faktoren abhängig:  Dem Zielwiderstand (Treffersitz und Wildmasse) und der  Auftreffgeschwindigkeit (Abhängig von Mündungsgeschwindigkeit und Zielentfernung). Negativ erweist sich in diesem Zusammenhang eine weitere physikalischen Eigenschaft des Bleis: Ab einer Auftreffgeschwindigkeit (Vz) von etwa 550m/sec deformiert es nicht mehr son‐
dern zerstäubt explosionsartig. Daher begannen schon früh Versuche, eine bessere Reprodu‐
zierbarkeit der Zielballistik zu erreichen. „Vollmanteleffekt“ auf der einen und Totalzerlegung auf der anderen Seite das Spektrums galt es zu vermeiden. Bei der Besprechung der einzelnen Typen von terminal effizienten Jagdgeschossen wird näher darauf eingegangen. 2 2.3.Tötungswirkung Die Traumatisierung, welche das möglichst rasche Ableben des beschossenen Stückes herbei‐
führen soll, erfolgt einerseits mechanisch durch das Geschoss selbst bzw. seine Fragmente, andrerseits durch Druckwellen die das Geschoß(primär effizientes G.) bzw. der Geschoßrest (terminal effizientes G.) auf seinem Weg durch den Wildkörper erzeugt (Gewebeverdrängung). In früheren Zeiten hat man der mechanischen Zerstörung zu viel Bedeutung bei der Tötungs‐
wirkung beigemessen. Das ist nicht verwunderlich, lässt sich doch diese unschwer sowohl im Wildkörper als auch in einem geeigneten Beschußmedium (z.B. ballistische Seife) dokumentie‐
ren. Es sei hier an Totalzerlegungsgeschosse wie D‐Mantel erinnert. Während die Blei‐und vor allem Mantelsplitter zweifellos, vor allem bei schwächerem Wild, ihren Beitrag zum „im Feuer liegen“ leisten(der Splitterhagel‐ „innerer Schrotschuß“‐ macht einen Schocktod durch Trauma‐
tisierung des ZNS wahrscheinlicher) haben uns moderne Untersuchungsmethoden wie der Hochgeschwindigkeitsfilm die Wundwirkung mehr und mehr aus dem Blickwinkel der Strö‐
mungslehre sehen lassen. Wenn man im Hochgeschwindigkeitsfilm sieht wie selbst ein stromli‐
nienförmiges Vollmantel‐ Infanteriegeschoß vom Kaliber 5.56mm (.224“) eine Kavitationsbla‐
se(temporäre Wundhöhle) von 15 cm Durchmesser in ballistischer Gelatine verursacht kann man erahnen welche Kräfte da bei strömungstechnisch weit effizienteren Jagdgeschossen bzw. Restkörpern im Spiel sind. Bedenkt man weiter, dass die Deformation und/oder Zerlegung der terminal effizienten Jagdgeschosse bereits nach wenigen Zentimetern Eindringtiefe abgeschlos‐
sen ist, so wird einem klar, dass vor allem auf stärkeres Wild die Wirkung in erster Linie auf der Druckwelle, die diese Geschoß(‐rest)e vor allem in der Tiefe noch zu erzeugen vermögen, be‐
ruht. Auch ein Ausschuss mit relativ hoher Geschwindigkeit trägt wesentlich zur Wirkung bei. Beim rein mechanischen Denkansatz wäre der Steckschuß (=100 % Energieverlust des Geschos‐
ses) ideal, was sich aber in der Praxis keinesfalls bestätigt! Vielmehr ist es der dem Überdruck folgende Unterdruck und Sogeffekt durch plötzlichen Strömungsabriss, der die Kavitationsblase implodieren lässt und stark traumatisiert(man denke nur an die teilweise faustgroßen Organ‐
fragmente die durch einen nur 2cm großen Ausschuß gezogen werden können. Eine große Be‐
deutung kommt auch den Schockwellen zu, die vom Geschoß erzeugt werden. Dieses Phäno‐
men ist noch nicht restlos erforscht, die massive Zellschädigung jedoch durch zahlreiche Expe‐
rimente belegt. In der Medizin werden solche Stoßwellen z.B. bei der Zertrümmerung von Nie‐
rensteinen eingesetzt. Es gibt umfangreiche Literatur zu diesem Thema und es sei hier auf die Arbeiten des Schweizers Beat Kneubühl verwiesen. Zusammen mit der Geschoßenergie ist für das Penetrationsvermögen eines Geschosses bzw. Geschossrestes ein Wert von zentraler Bedeutung: Die Querschnittsbelastung( QB )im engli‐
schen sectional density (SD) genannt. Vereinfacht ausgedrückt gibt diese Zahl das Verhältnis des Gewichts dividiert durch das Quadrat des Durchmessers an. ACHTUNG! Nur beim primär effizienten Geschoß ist die SD bekannt und bleibt unverändert. Die, meist sehr hohe, SD des terminal effizienten Geschosses nimmt sofort nach dem Auftreffen ab und der neue, für die Wirkung relevante Wert lässt sich allenfalls nachträglich bestimmen, wenn man den Geschoss‐
rest bergen kann. Naturgemäß deformiert ein Geschoß umso mehr, je höher der Zielwiderstand ist. Hier ist der Erfindungsreichtum der Erzeuger gefragt um Geschosse herzustellen, die, mög‐
lichst reproduzierbar, einen Formkörper mit annähernd der gewünschten SD produzieren .Alle Geschoßkonstruktionen der letzten 100 Jahre zielen letztendlich darauf ab. Um eine ausrei‐
chende Tiefenwirkung zu gewährleisten ist gilt: Je niedriger die Querschnittsbelastung des Ge‐
schoßrestes, desto höher muß die Restenergie sein. Ein Maß für die zu erwartende Durch‐
schlagskraft ist der Penetrationsfaktor PF. 3 PF = SD X E/100, also Querschnittsbelastung mal Energie, wobei die Teilung durch 100 eine niedrigere Zahl ergibt. Der PF ist natürlich nur ein Indikator für die zu erwartende Tiefenwirkung eines Geschosses. Für die tatsächliche Energieumsetzung (Tötungswirkung) spielt auch die Form des Geschoß(rest)‐es eine wichtige Rolle. Für die nachfolgende Tabelle wurde als Beispiel das Kaliber 9,3 gewählt. Naturgemäß ist die Situation bei anderen Kalibern sehr ähnlich. Un‐
abhängig vom Kaliber gilt: Bei einem PF <2 ist eine ausreichende Penetration(Ausschuß) auf heimisches Schalenwild nicht gesichert und die Wildbretentwertung (Rehwild) häufig sehr hoch. Ab einem PF von ca. 4‐5 reicht die Penetration bereits für afrikanisches Großwild wie z.B. Büf‐
fel. Tabelle Fabriksmunition Kal. 9,3X62 auf 100m Geschoß V0 E0 Gew. SD 1 Impala KS 1110 4452
7,8
2 Impala LS 905 4777 11,7
3 Impala RN 755 4618 16,2
4 SAX KJG 995 4950 10,0
5 RWS H‐Mantel 760 4823 16,7
6 RWS TMR 695 4468 18,5
7 RWS TMR 695 4468 18,5
8 Norma Swift A‐Fr. 800 5186 16,2
9 Lapua Naturalis 800 4576 14,3
10 Sako Barnes X 760 4679 16,2
** Herstellerangabe * Werte als Rechenbeispiel zu verstehen .128
.192
.267
.165
.275
.304
.304
.267
.235
.267
Dia. mm 9,3
9,3
9,3
9,3
9,3
* 15,0
* 18,0
* 15,0
* 18,0
* 15,0
Restgew. SD* 7,8 11,7 16,2 ** 8,0 * 9,8 * 11,1 * 11,1 * 14,6 * 14,3 * 16,2 .128 .192 .267 .132 .161 .070 .049 .108 .063 .102 Rest‐
E.* 2885
3727
3403
3204
2293
2058
2058
3566
3665
3901
PF 3,69
7,15
9,08
4,22
3,69
1,44
1,00
3,85
2,30
3,98
Erklärung zur Tabelle: Geschoß:  1‐3 primär effizient (form‐ und massestabil Geschosse)  4,5 Teilzerlegende Geschosse mit kalibergroßem, zylindrischen Geschoßrest  6,7 Teilzerlegende und deformierende Geschosse  9,10 Reine Deformationsgeschosse (bleifrei)  V0, E0: Herstellerangaben  Restgew. , SD* und Rest‐E* und PF sind bei den Geschossen 1‐4 fixe Werte, bei den Geschossen 5‐10 Re‐
chenbeispiele (in der Praxis variabel). SD*: Für die Berechnung wurde eine Vergrößerung des Geschoßdurchmessers von ca. 60% (TMR) bzw. ca. 90% (Swift A‐Frame) angenommen. Restgewicht: Bei den Geschossen 5‐7 wurden 60%, bei #8 90% und bei 9 und 10 100% ange‐
nommen. Restenergie: Ergibt sich aus der V100 (Herstellerangaben) und dem Gewicht des Geschoßre‐
stes. PF: Der Penetrationsfaktor zeigt, was von einer Kaliber/Geschoßkombination zu erwarten ist. Gesetzliche Bestimmungen: Ein Blick auf die Tabelle zeigt Eines deutlich: Für terminal effiziente Geschosse mag eine gefor‐
derte Mindestenergie noch sinnvoll sein. Vorgeschriebene Mindestdurchmesser und/oder Min‐
destgewichte sind dagegen blanker Unsinn, liegt doch der tatsächliche Durchmesser der Ge‐
schoßreste zwischen 100 und bis zu über 200% vom Ausgangsdurchmesser und die Restmasse 4 variiert von 100 bis gegen 0 %. Was soll da z.B. eine Bestimmung, die einen ursprünglichen Durchmesser von 6.5mm als „hochwildtauglich“, einen von 6.2mm als ungeeignet bezeichnet? Auf primär effiziente Geschosse sind derlei Bestimmungen in keiner Weise anwendbar! Man vergleiche ein 4.2g Impala LS Kal. .243“ mit einer SD von 0.157 (PF auf 100m=3,26!) mit den Werten in der Tabelle! Der erklärt rasch warum dieses Geschoss z.B. auf Rotwild zuverlässig und ausschußsicher auch jenseits der 200m Marke wirkt. Die kinetische Energie ist für diese Geschosse nur insofern von Bedeutung als sie ausreichen soll um einen Durchschuss zu gewähr‐
leisten. Generell sind derlei Verordnung ein klassisches Beispiel von Überregulierung. Die Emp‐
fehlungen der Hersteller in Kombination mit einer allgemeinen Formulierung im Jagdgesetz sollten für den verantwortungsbewussten Jäger wohl ausreichen! 2.4.GeschosstypenimKurzportrait.
Dieses Kapitel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, vielmehr sollen die Lösungsansätze der letzten 100 Jahr im Prinzip erklärt werden. 2.4.1.PrimäreffizienteGeschosse
Impala LS .308 aus Rotwild
Nach rund hundertjähriger Pause ist dieser Geschosstyp seit 2002 zurück. Als moderne Hochgeschwindigkeitsge‐
schosse präsentieren sie sich aus Messing und weisen alle einen deutlichen Scharfrand auf, der, wie z.B. auch Wer‐
ner Reb in seinem Bericht über das Impala LS ausführt, maßgeblich für die Wirkung verantwortlich ist. Jedenfalls sorgt die scharfe Abrisskante für eine weit über die durch die jeweilige SD zu erwartende hinaus gehende Tötungs‐
wirkung. Nicht umsonst werden Impala als „Schockwellen induzierende Geschoße“ angepriesen. Neben 5 „Impala“ Geschoßtypen (KS,LS,CFN,CHP,RN) gibt es mittlerweile auch ein „Doppelscharfrand‐Geschoss“(DSG) aus Deutschland. Da diese Geschosse masse‐ und formstabil sind lässt sich die gewünschte Penetration (PF) durch die entsprechende Kontur und Masse (SD) sehr reproduzierbar auswählen. Die Vorteile dieser Geschosse liegen in der großen Flexibilität und der geringen Wildbretentwertung. Auf der Minus‐Seite stehen gelegentlich län‐
gere Fluchtstrecken, vor allem bei schwächerem Wild (wie auch bei den reinen Deformations‐
geschossen).
Impala RN und LS Kal. .416 Rem.Mag. aus Elefanten 5 2.4.2.TerminaleffizienteGeschoss
2.4.2.1(Teil)‐zerlegungsgeschosse
Wie es die Überschrift bereits andeutet ist die kontrollierte Zerlegung einfacher Teilmantelge‐
schosse, vor allem wenn die Zielgeschwindigkeit 700m/sec. überschreitet nicht immer gegeben und eine unerwünschte Totalzerlegung leicht möglich.
Links: TM aus Rottier nach Durchschlagen der Kammer unter der Decke gefunden Rechts: TM aus 50kg Überläufer schräg von vorne auf den Trägeransatz. Totalzerle‐
gung‐Eindringtiefe unter 10cm! Die gegenüber Kupfer und Tombak spröderen Geschoßmäntel aus Weicheisen (Flussstahl) be‐
günstigen diese Tendenz. Deshalb setzten bereits knapp nach dem Ersten Weltkrieg Verbesse‐
rungsversuche ein. Die von Wilhelm Brennecke entwickelten Typen TIG (Torpedo Ideal Ge‐
schoss). Brennecke TIG aus Schwarzwild und TUG (Torpedo Universal Geschoss) haben auch heute noch ihre Fans. Bei diesen Geschos‐
sen entsteht terminal ein Hagel aus Mantel‐und Bleisplittern und durch 2 Bleikerne unter‐
6 schiedlicher Härte entsteht ein Restkörper, der beim TUG schwerer und geringer im Durchmes‐
ser ausfällt als beim TIG. Die daraus resultierenden Querschnittsbelastungen sollen die Ge‐
schosse für stärkeres bzw. schwächeres Schalenwild prädestinieren.( Neuerdings gibt es die beiden Geschosse auch bleifrei als TIG Nature bzw. TUG Nature. Statt der 2 Bleikerne weisen diese 2 Zinnkerne auf und das Ergebnis ist angeblich ungiftiger Zinnstaub im Wildbret statt des giftigen Bleistaubs). Beim in den 1930‐er Jahren entwickelten H‐Mantel‐Geschoss gelang es erstmals die Totalzerlegung praktisch auszuschließen und einen kalibergrossen Restbolzen von etwa 60% Restgewicht und damit kalkulierbarer SD zu schaffen. Dadurch gilt das H‐Mantel als sehr ausschusssicher. Mit dem RWS „Kegelspitz“ KS, welches früher mit Flußstahl‐ und heute mit Tombakmantel gefertigt wird, leite ich über zu einem weiteren Ansatz für kontrollierte Teil‐
zerlegung bei einfachen Teilmantelgeschossen: Ein sich zum Heck hin verdickender Mantel. Dies ist heute der Standard bei den meisten jagdlich verwendeten TM‐Geschossen. Da es bei all die‐
sen Geschossen leicht zur Trennung von Mantel und Bleikern und damit dramatisch verringer‐
ter Tiefenwirkung kommen kann, versuchte man schon vor langer Zeit dies durch eine Kneifrille zu unterbinden. Der Erfolg hält sich in Grenzen .Beispiele sind das Remington Core Lokt, Hor‐
nady Inter Lock, Lapua Lock Base. Ein Durchbruch gelang dem US‐Amerikaner John Nosler im Jahr 1955 mit seinem 2‐Kammer Geschoß. Beim Nosler Partition sind 2 Bleikerne durch einen Mittelsteg komplett voneinander getrennt. Beim Auftreffen zerlegt sich der vordere komplett und trennt sich vom Mantel aus zähem Tombak, der sich nach hinten abrollt. Dadurch entsteht ein bis zu doppelt kalibergroßer Restkörper mit im Schnitt 60‐80 % Restmasse. Es stehen in den meisten Kalibern mehrere Geschossgewichte zur Wahl wodurch sich über die Restmasse die Penetration etwas steuern lässt. Das NP ist nach wie vor das Maß aller Dinge im Bereich der teilzerlegenden, terminal effizienten Geschosse und wird von zahlreichen Munitionsherstellern verladen. Weitere 2‐Kammergeschose sind das Blaser CDP und das RWS Doppelkern. Wie diese aus Oryx, Kudu und Warzenkeiler geborgenen Ge‐
schosse zeigen, stößt auch das Nosler Partition bei starkem Wild an seine Grenzen. .35 Whelen(9X63), 250gr (16,2g). Vo= 800m/sec Schussentfernung v.l.n.r.: 20m,60m,180m,220m. Restgew. 209‐146gr SD 0,067‐0,111 PF(v.l.): 3,14‐2,21‐2,10‐2,29 Ein weiterer Lösungsansatz zur Erzielung höherer Restgewichte und damit besserer Reprodu‐
zierbarkeit des Restkörpers sind die sogenannten Verbundkerngeschosse (engl. Bonded Bul‐
lets). Im Herstellungsprozeß wird durch ein technisches Verfahren der Bleikern mit dem Ge‐
schoßmantel verbunden. Nicht alle Hersteller beherrschen diesen Prozeß gleich gut und so können die Restgewichte von nahezu 100% bis 70% und weniger variieren. Als Beispiele seien 7 genannt: Nosler Accu‐ Bond, TBBC (Trophy Bonded Bear Claw), Woodleigh Weldcore, RWS Evolution, Norma Oryx, Sako Super Hammerhead. Eines der besten, bleihaltigen, Geschosse für starkes Wild ist das Swift A‐Frame. Es handelt sich dabei um ein Zweikammergeschoß mit sehr dickem Mantel welches zusätzlich „gebondet“ ist. Es „pilzt“ auf und behält weit über 90% seiner Masse. SWIFT A‐Frame .411“, 350gr (22,7g) aus Büffel‐Kaliber 10,4X62 Impala; Restgewicht 98% Schussentfernung 80m, Penetrationsfaktor PF: 4,4
2.4.2.2.BleifreieTeilzerlegungsgeschosse
Dabei handelt es sich um Geschosse aus Kupfer oder Messing mit einer offenen oder verdeck‐
ten Lochspitze. Je nach Tiefe dieser splittert der vordere Teil des Geschosses beim Auftreffen bis zum Ende der Bohrung ab. Übrig bleibt ein kalibergroßer Zylinder von reproduzierbarem Gewicht und damit auch reproduzierbarer QB. Im Gegensatz zum H‐Mantelgeschoss s bildet sich nicht eine Wolke aus Mantelresten und feinen Bleipartikel sondern es entstehen wenige, relativ große Splitter. Diese tragen einerseits, vor allem bei schwächerem Wild, für eine zusätz‐
liche Tötungswirkung, verursachen aber auch deutlich mehr Wildbretentwertung und Hämato‐
me als z.B. primär effiziente Geschosse. Beispiele: GS Custom HV, KJG ,MJG, Jaguar, GPA
Jaguar Patrone und Geschoßrest 8 2.4.2.3ReineDeformationsgeschosse
Sind immer bleifrei und haben an die 100% Restgewicht. Es handelt sich bei Barnes MRX ihnen ebenfalls um homogene Ge‐
schosse aus Buntmetallen(Kupfer, Tombak) mit offener oder verdeckter Lochspitze. Das US‐amerikanische „Barnes‐X“ (mittlerweile in den ver‐
besserten Versionen TSX, TTSX und MRX am Markt) bildet seit den frühen 1980‐er Jahren den Standard an dem alle anderen Deformationsgeschosse gemessen werden. Durch 4 eingear‐
beitete Soll‐Bruchstellen rollen sich 4 Fahnen nach hinten und sorgen auch dafür, daß die QB des Restkörpers nicht zu gering wird. Die SD des Rest‐
körpers ist zwar unterschiedlich, je‐
doch in einem gewissen Rahmen blei‐
bend und über das Geschoßgewicht läßt sich leicht eine für die zu beja‐
gende Wildart richtige Wahl treffen. Bei sehr hohem Zielwiderstand (z.B. Knochentreffer) kön‐
nen die Geschoßfahnen mitunter abreißen und es entsteht ein Bolzenstumpf der dem Restkör‐
per der bleifreien Teilzerleger ähnlich ist. Dieser Effekt ist nicht unbedingt ein Nachteil, erhöht sich doch dadurch die SD und damit die Penetration des Geschoßrestes. Deformationsgeschos‐
se wirken zuverlässig bei moderater Wildbretentwertung. Manchmal zeichnen die Stücke nicht deutlich und gelegentlich etwas längere Fluchten muß man in Kauf nehmen. Deformationsge‐
schosse lassen sich kostengünstig aus Buntmetall pressen und heute hat sie fast jeder große Hersteller im Programm, z.B. Lapua Naturalis, S&B X‐Ergy, Nosler E‐Tip, Hornady GMX . Auch einige Kleinhersteller bieten solche Geschosse an, drehen diese jedoch aus etwas härterem Material auf CNC Drehautomaten. Im Ziel verhalten sie sich manchmal wie Deformationsge‐
schosse, manchmal wie Teilzerlegungsgeschosse. Beispiele: Aero, Reichenberger HDB. Barnes TSX .338“‐210gr (13,6g) Kal. 8,5x63 aus Kudu und Zebra 9 3. Schlußbetrachtung
Blei in Jagdbüchsengeschossen hat ausgedient und das ist gut so! In einigen Jahren werden die meisten hier angeführten, terminal effizienten Geschosse der Vergangenheit angehören. Das ist kein Verlust, denn auch ohne das giftige Schwermetall wird Wild seit nunmehr 3 Jahrzehnten weltweit erfolgreich bejagt. Ob Teilzerleger, wie es sie seit rund 100 Jahren gibt, ob Deformati‐
onsgeschosse, die auf eine dreißigjährige Tradition zurückblicken oder die primär effizienten, formstabilen „Solids“, die seit 10 Jahren am Markt sind: Sie alle töten Wild zuverlässig und ohne Bleikontaminierung. An der Frage, welcher Typ am Besten wirkt scheiden sich naturgemäß die Geister und so kann jeder Jäger dir für sich beste Lösung wählen. Die Wildbretentwertung bzw. Hämatombildung nimmt jedenfalls in der Reihenfolge Teilzerleger‐ Deformator‐Formstabil ab. Bleifreie v.l.n.r : primär effizient (formstabil) Deformationsgeschoß, Teilzerlegungsgeschoß P.S. Ich persönlich halte die Entwicklung von terminal effizienten Geschossen für mehr oder weni‐
ger abgeschlossen, um nicht den Ausdruck „Sackgasse“ gebrauchen zu müssen. Splittergeschos‐
se sind eigentlich seit Jahrzehnten obsolet (ins Wildbret gehört kein Metall, auch wenn es ungif‐
tig ist) und auch bei den Deformationsgeschossen sind die Möglichkeiten beschränkt. Dies zeigt sich in der großen Ähnlichkeit der einzelnen Typen. Aus diesem Grund beschäftigen wir uns seit 10 Jahren ausschließlich mit den primär effizienten Geschossen (Impala). Die Erfolge dieses neuen Geschoßtyps sind sehr ermutigend. Alle Impala Typen setzen neue Standards in der Wildbretentewertung. Die große Flexibilität und fast völlige Unabhängigkeit von äußeren Fakto‐
ren machen die Genialität dieser anscheinend „einfachen“ Konstruktion von Kobus Du Plessis aus. Wenn es bei der meist sehr konservativen Jägerschaft auch Jahrzehnte dauert, bis ein neues Konzeptvoll akzeptiert wird (z.B. die jetzt so populären Nosler Partition aus den 1950‐er oder Barnes‐X aus den 1980‐er Jahren) so wird sich das primär effiziente Geschoß letztendlich durchsetzen und dies, bedingt durch ein baldiges „Bleiverbot“ in nicht so ferner Zukunft. 10 Guten Anblick und Weidmannsheil! Helmut Eller Südafrika 2010: Kobus Du Plessis und Helmut Eller 11