Ausgabe 2 - HS-OWL
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Ausgabe 2 - HS-OWL
Mentoring-Guide Ausgabe Nr. 02//2015 Editorial Liebe Studierende, im Rahmen des Mentorings erhalten Sie nun die zweite Ausgabe des Mentoring-Guide. Dieser Mentoring-Guide, der einmal im Monat erscheint und studienrelevante Themen behandelt, soll zur besseren Studienorganisation, zur Praxisorientierung und zur Entwicklung des eigenen Lernwegs beitragen. Ziel ist es, Sie darin zu unterstützen, Ihr Studium erfolgreich zu gestalten. Wir, die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen des KOM - Institut für Kompetenzentwicklung, stehen Ihnen für alle Fragen rund ums Studium zur Verfügung. Team Mentoring Dr.’in Vathsala Aithal und Romina Caltagirone Thema dieser Ausgabe: Fachidentität und Fachkulturen Begriffsklärung Die Identifizierung mit einem Studienfach schafft eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe und gibt Orientierung. Weiter ist diese sehr hilfreich für ein erfolgreiches Studium. Sie motiviert und ist sowohl für das Studium, als auch für den darauf folgenden beruflichen Erfolg maßgebend. Fachidentität meint die persönliche Identifikation mit der Kultur eines Faches. Dazu gehören neben der Fachsprache auch die Eigenschaften, Einstellungen und Gewohnheiten eines Faches, wie z.B. ein bestimmter Lebensstil. Dies wird unter anderem auch als Habitus beschrieben. Unter Fachkultur werden kulturelle Muster im Denken und Handeln der Fachangehörigen verstanden. Hierbei gibt es Unterschiede zwischen den einzelnen Fachkulturen. Weiter meint die Kultur des Faches die Tradition des Faches. Zu den Traditionen gehören die Wissens- und Forschungsgebiete, die Methodik, die Vorgehensweisen, die Fragestellungen, die Darstellungsformen der Ergebnisse und Interpretationen, und damit auch die fachspezifische Ausbildung an den Quelle: Pixabay (Lizenz: CC0 Public Domain) Hochschulen. Die Kultur der Angehörigen meint die Denk-, Bewertungs- und Handlungsmuster der Personen, die zu einem spezifischen Fach gehören. Die Tradition eines Faches prägt dabei die Angehörigen. Daraus entsteht eine fachlich bedingte Weltwahrnehmung und Weltsicht (vgl. Multrus 2004). Mentoring-Guide (März 2015) 1 Ausprägung einzelner Fachkulturen Die Ausprägungen einzelner Fachkulturen bilden nicht nur unterschiedliche Fächer ab, sondern auch Kombinationen weiterer Merkmale, wie der Hochschultyp (Universitäten oder Fachhochschulen) und die Abschlussart. (vgl. Multrus 2000/01). Worin unterscheiden sich nun Fachkulturen des gleichen Faches zwischen einer Universität und einer Fachhochschule? Ganz allgemein lässt sich dazu sagen, dass die Fachkultur an einer Fachhochschule mehr anwendungsorientiert ist. Dagegen kann man universitäre Fächer eher als theoretischer ansehen. Nach Ludwig Huber lassen sich Fachkulturen nach ihren Charakteristika der unterschiedlichen Erkenntnisweisen kategorisieren. Dabei unterscheidet Huber zwischen „rein“-„angewandt“, „hart“-„weich“ und gewisse Kombinationen aus beidem. Die Klassifikation „rein“„angewandt“ ist die geläufigste. Dabei erscheinen Physik oder Geschichtswissenschaften an einem Pol als „reine“, Sozialpädagogik oder Maschinenbau als „angewandte“ Wissenschaften am anderen Pol. Dazwischen bilden sich entsprechende Subkulturen aus, die sich oft aus einer Mischung aus beidem ergeben, z.B. das Fach Medizin. Ein Standpunkt und eine gewisse Wertordnung lässt sich auch über die Klassifikation „hart“„weich“ identifizieren. Wissenschaft als „harte“ und damit „richtige“ Disziplin stützt ihre Aussagen auf messbare, quantifizierbare und reproduzierbare Daten. Ein Beispiel hierfür sind die Natur- und Ingenieurwissenschaften, aber auch Medizin oder Psychologie. „Weiche“ Disziplinen stehen diesem Standpunkt gegenüber. Ihre Basis bilden zum Beispiel eine Epoche, eine Nation, die Tradition einer „Schule“, oder die Disposition eines Autors. Dies findet sich häufig in Geistes- und Sozialwissenschaften wieder. Aus der Kombination zwischen „rein“-„angewandt“ und „hart“-„weich“ ergibt sich eine Vierfelder-Matrix, in die man einer Reihe von Disziplinen einordnen kann. Daraus entstehen dann Gruppen von Disziplinen (vgl. Huber 1990). Fächergruppen Ludwig Huber nutzt die Einteilung der Fächergruppen nach erkenntnistheoretischen und sozialen Merkmalen, die Tony Becher im Jahr 1987 aufgestellt hat: Fächergruppe Reine Wissenschaften (z.B. Physik) „hart/rein“ Geisteswissenschaften (z.B. Geschichtswissenschaften) Reine Sozialwissenschaften (z.B. Anthropologie) Erkenntnisweise -kumulativ -atomistisch -universalistisch -quantitativ -simplifizierend -(i.S.v. abstrahierd.) Erkenntnisziel -Entdeckung -(kausale) Erklärung Sozialformen -konvergent, „gregarious“ -eng verknüpft -polit. gut organis. -kompetitiv -hohe Publikationsrate -aufgabenorientiert -reiterativ -holistisch -partikularisch (=Fall-orientiert) -qualitativ -komplizierend -Verstehen/ Interpretation -divergent -individualistisch -lose strukturiert -weniger kompetitiv -niedrige Publikations-rate -personorientiert „weich/rein“ Mentoring-Guide (März 2015) 2 Technische Wissenschaften (z.B. Maschinenbau) „hart/angewandt“ Angewandte Sozialwissenschaften (z.B. Sozialpädagogik) „weich/angewandt“ -zweckorientiert -pragmatisch -(spez. Know-how: „hartes“ Wissen) -eingreifend in die physikalische Umwelt -funktionsorientiert -praxisbezogen -(know-how aus „weichem“ Wissen) -profess. Praxis in Interaktionen -Produkte/Techniken -unternehmerisch -kosmopolitisch, „urban“ -berufl. Normen -Publikation ersetzbar durch Patente -rollenorientiert -Berichte/ Verfahrenspläne -außengerichtet -lokal gebunden, „rural“ -intellektuelle Moden -mehr Beratungstät. als Publikat. -staatsorientiert Tabelle (vgl. Huber 1990): Fächergruppen, epistemologische und soziale Merkmale. Zunächst lässt sich beobachten, dass sich alle Studiengänge der Hochschule OWL in der Fächergruppe der „technischen Wissenschaften“ unter der Klassifikation „hart“ und „angewandt“ wiederfinden. Es ist dem Hochschultyp „Fachhochschule“ zuzurechnen, dass die Studiengänge anwendungsorientiert ausgerichtet sind. Dazu kommt die „harte“ Basis, welche das know-how der „reinen Wissenschaften“, wie zum Beispiel der Physik und der Mathematik, benötigt. Erkenntnisziele sind allermeist Produkte und Techniken. Die Erkenntnisweise im Studium ist zweckorientiert, die Sozialformen unternehmerisch. Eine weitere Unterteilung nach Frank Multrus Frank Multrus kommt in seiner Arbeit zu dem Ergebnis, das sich Fachkulturen tatsächlich allgemein in zwei Gruppen teilen lassen. Es ergibt sich eine deutliche Trennung zwischen Studierende der Naturwissenschaften von den Geistes- und Sozialwissenschaften. Dabei besteht eine Gruppe (A) aus Natur-, Ingenieur-, Wirtschaftswissenschaften und den medizinischen Fächern, eine zweite Gruppe (B) entsprechend aus sozial- und geisteswissenschaftlichen Fächern, die sich mit den Lehramtsfächern vereinen. Die erstgenannte Gruppe (A) deutet auf die starke technische Ausgestaltung hin, welche alle diese Fachrichtungen als gemeinsames Kulturmerkmal haben. Jede Gruppe lässt sich in weitere Subgruppen unterteilen. Dabei kristallisieren sich feinere Unterschiede zwischen den Fachkulturen heraus. In Gruppe (A) ergeben sich drei Subgruppen. Die erste Subgruppe (A1) bilden vorrangig Fächer der Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften ab. Zusätzlich gehören einige ingenieurwissenschaftliche Fächer wie Architektur und Raumplanung zu dieser ersten Gruppe, ebenso wie das Fach Graphik/Design an Universitäten. Diese Fächer werden auch als „ingenieurnahe Fächer“ bezeichnet. Die zweite Subgruppe (A2) umfasst die klassischen Ingenieurwissenschaften (z.B. Maschinenbau, Elektrotechnik, etc.), die aber sehr deutlich nach dem Hochschultyp in weitere Untergruppen unterteilt sind. Auch die wirtschaftswissenschaftlichen Fächer trennen sich nach deren Fachhochschulvarianten auf. Ebenso gehören die Naturwissenschaften in diese zweite Gruppe. Die dritte Gruppe (A3) umfasst die medizinischen Wissenschaften, zusammen mit der Pharmazie (vgl. Multrus 2000/01). Dies lässt sich auf die Hochschule Ostwestfalen-Lippe insofern übertragen, dass sich einzelne Studiengänge in den Subgruppen A1 (z.B. Architektur, Umweltplanung, Lebensmitteltechnologie oder Medienproduktion) und A2 (z.B. Maschinentechnik, Elektrotechnik oder Informatik), einordnen lassen. Die Subgruppe A3 ist an der Hochschule nicht vertreten. Mentoring-Guide (März 2015) 3 Eigenschaften der Fachkulturen Bei der Analyse der Ergebnisse einer Studentenbefragung ergaben sich für Frank Multrus folgende allgemeine Eigenschaften aus der Gruppe (A): Karriereorientierte Motive und Erwartungen bzgl. Studienfach oder Beruf Das Studium ist durchorganisiert Es bestehen hohe Leistungsanforderung Gute Berufsvorbereitung durch die Verbindung zur Praxis Kooperationen mit der Wirtschaft werden gefordert Förderung praktischer Fähigkeiten Wertlegung auf Umsetzung des Gelernten Neigung zum Technizismus Soziale Fertigkeiten kommen zu kurz (Vgl. Multrus 2000/01) Innerhalb der Gruppe (A) sind die Studierenden der ersten Subgruppe (A1) am wenigsten karriereorientiert. Sie erleben ihr Studium am wenigsten strukturiert, mit Freiheiten für eigene Interessen und ausgewogenen übergreifenden Anforderungen und allgemeinen Förderungen. Sie erhalten eine gute Beratungssituation und erleben daher wenig Anonymität. Belastend ist für sie vor allem die spätere berufliche Unsicherheit. Sie sind am technikdistanziertesten, neigen eher zu alternativen Haltungen und sind an Kunst und Kultur interessiert. Die Angehörigen der zweiten Subgruppe (A2) neigen am stärksten zum Technizismus. Gleichzeitig halten sie die wissenschaftlichen Werte am höchsten. Die Angehörigen der dritten Subgruppe (A3) sind am stärksten karriereorientiert. Ihr Studium ist am strukturiertesten mit den höchsten Leistungsanforderungen (vgl. Multrus 2000/01). Fazit Fachkulturen müssen gestärkt werden. Genauso wichtig ist es, dass man fächerübergreifendes Arbeiten lernt. Hier stehen die fachliche Kompetenz, sowie der persönliche Umgang miteinander gleichermaßen im Vordergrund. Insbesondere die sozialen Fertigkeiten, welche im beruflichen Alltag eine hohe Bedeutung haben, werden aber in technischen Wissenschaften oft unzureichend gefördert. Dazu bildet das KOM – Institut für Kompetenzentwicklung mit dem Mentoring und zusätzlichen Veranstaltungen diese Kompetenzen aus. Ein Beispiel hierfür ist das interdisziplinäre Studienprojekt „Future Care – Das Krankenhaus der Zukunft“, indem es darum ging unterschiedliche Fachkulturen kennen zu lernen, den Austausch und die Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen zu lernen und die eigene Fachidentität zu stärken. Beispiel Interdisziplinäres Studienprojekt Das interdisziplinäre Studienprojekt „Future Care – Das Krankenhaus der Zukunft“ fand am 10.-11.02.2015 im Mittelpunkt Innovations-Zentrum mit Mentoring-Teilnehmenden und weiteren interessierten Studierenden aus den Disziplinen Architektur, Innenarchitektur, Landschaftsarchitektur, Bauingenieurwesen und Wirtschaftsingenieurwesen Bau in Lemgo statt. Mentoring-Guide (März 2015) 4 Dieses Projekt wurde vom KOM (Hr. Kröger, Fr. Caltagirone, Fr. Thies und Fr. Perez) in Kooperation mit Herrn Decker von den h.s.d.architekten bda und Herrn Müller vom P.O.S. Consulting durchgeführt. Das Projekt startete mit einem Impulsvortrag zum Thema Innenarchitektur im Gesundheitswesen und endete mit einer Ergebnispräsentation der teilnehmenden Studierenden im Plenum. An beiden Tagen standen den Studierenden studentische Teambegleiter und wissenschaftliche Fachexperten aus den Fachbereichen 1 (Architektur und Innenarchitektur), 3 (Bauingenieurwesen) und 9 (Landschaftsarchitektur) zur Verfügung. Für Fragen aus dem Bereich der Architektur stand Frau Kirch den Studierenden zur Verfügung, für Fragen aus dem Bereich Bauingenieurwesen Herr Möller und Herr Hauschildt für Fragen aus dem Bereich Landschaftsarchitektur. Ziel des Projektes war die Entwicklung von Fachidentität und das Kennenlernen unterschiedlicher Fachsprachen. Daneben sollten die Studierenden auf die beruflichen Herausforderungen des interdisziplinären Arbeitens sensibilisiert werden. Am Ende erhielten die Studierenden eine Dokumentation der Ergebnisse sowie eine Bescheinigung. Die unterschiedlichen Arbeitsgruppen ordneten sich selbstständig einem Thema zu, wurden jedoch von dem Organisationsteam nach Kriterien der Interdisziplinarität neu zusammengestellt. Über die gesamte Projektphase gaben die Teambegleiter der Gruppen, welche die Arbeit beobachteten, konstruktives Feedback. Am Abend des letzten Projekttages präsentierten alle Gruppen in einer 10-minütigen Präsentation ihre Ergebnisse. Bei der Analyse der Evaluationsergebnisse ergab sich nach einer offenen Befragung (n=22), dass die Interdisziplinarität sowohl als Motivator zur Teilnahme (65%), als auch als positiver Mehrwert und gewinnbringend empfunden wurde (44%). Das Projekt wurde auch als berufsorientierend bewertet (24%). Der Einsatz von Teambegleitern, die die Studierenden konstruktiv in ihrem Arbeitsprozess beurteilten und diesen einen Spiegel vorhielten, wurde sehr positiv beurteilt. Zuletzt wurde als Verbesserungsvorschlag als häufigste Nennung angemerkt, dass zwei Tage zu kurz waren und ein längerer, weniger komprimierter Durchlauf des Projekts wünschenswert wäre (27%). Mentoring-Guide (März 2015) 5 Fachidentität in die Lehre umgesetzt: Erfahrungen eines Lehrenden Ziel meiner Lehrveranstaltungen ist das Vermitteln von Fachwissen einerseits und der Aufbau eines Grundverständnisses für allgemeinere Zusammenhänge um das Fachgebiet herum andererseits. Passend zu den jeweiligen Themen meiner Lehrveranstaltungen erzähle ich den Studenten kleinere Anekdoten aus meiner industriellen beruflichen Praxis. Gleichzeitig diskutiere ich kontinuierlich mit den Studenten das Stoffgebiet. Typische Fragen hierzu wären: Warum ist das so? Welche Alternativen gibt es? Wieso macht man sowas eigentlich? Welchen Nutzen hat dieses Wissen? Wer wendet dieses Wissen an? Wo wird dieses Wissen benötigt? Eine weitere Themengruppe, die ich stets mit meinen Studenten diskutiere sind die offenen und versteckten Erwartungen der Industrie an die zukünftigen Absolventen, welche Vor- und Nachteile es bei den unterschiedlichen Unternehmensgrößen und -kulturen gibt und wie sich die Studenten am besten auf ihre zukünftige Arbeit vorbereiten können. (Prof. Andreas Breuer-Stercken, FB 6) Kontakt für Rückmeldung Dr.'in Vathsala Aithal Standort Lemgo Raum: 2.101 C Tel.: 05261 702 5521 Mail: [email protected] Romina Caltagirone Standorte Detmold und Höxter Raum: 1.016 Tel.: 05231 769 6067 Mail: [email protected] www.hs-owl.de/kom/mentoring An dieser Ausgabe des Mentoring-Guide hat auch mitgewirkt: Tobias Dück Literaturangaben Huber, L. (1990): Fachkulturen. Über die Mühen der Verständigung zwischen den Disziplinen. Beitrag zur Tagung „Humbold, High-Tech und High-Culture“ in der Ev. Akademie Loccum, 11.13. Mai 1990 (siehe auch: Loccumer Protokolle 14/1990). Multrus, F. (2000/01): Identifizierung von Fachkulturen über Studierende deutscher Hochschulen. Ergebnisse auf der Basis des Studierendensurveys vom WS 2000/01. Universität Konstanz: Arbeitsgruppe Hochschulforschung. Hefte zur Bildungs- und Hochschulforschung 45. Multrus, F. (2004): Fachkulturen. Begriffsbestimmung, Herleitung und Analysen. Eine empirische Untersuchung über Studierende deutscher Hochschulen. Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades des Doktors der Sozialwissenschaften an der Universität Konstanz. Mentoring-Guide (März 2015) 6