Viele Wege führen durch Rom

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Viele Wege führen durch Rom
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FREIZEIT&REISEN
Hauseigentümer – Ausgabe Nr. 20 – 15. November 2015
Stadtrundgang – Geschichte und Gegenwart existieren in Rom friedlich nebeneinander. Nur wenige Schritte trennen das
Weltberühmte vom Alltäglichen, die Kunst vom Kitsch. Ein Spaziergang durch die ewige Stadt ist deshalb geprägt von erhellenden Umwegen und interessanten Divertimenti.
Viele Wege führen durch Rom
dicht liegen in Rom die älteste, die
jüngere und die jüngste Geschichte
neben- und manchmal auch übereinander. Die Kombination von Antike und Postmoderne, von römischen Ausgrabungen und chinesischem Ramsch ist typisch für diese
Stadt.
Der Weg zum Tiber führt am Pantheon vorbei. Seine Kuppel besteht
aus «opus caementitium», dem Beton
der Römerzeit. Die runde Öffnung
an ihrem Scheitelpunkt, das Opaion,
bringt Licht in den Bau – und zuweilen auch Regen, der aber durch
spezielle Öffnungen im Boden abfliessen kann.
Marmor und Marroni
Traumhafte Aussicht auf den Tiber, die Engelsbrücke und das berühmte Castel Sant ’Angelo.
V
espaknattern und Abgaswolken waren gestern. Heute ist
die Piazza del Colosseo beinahe eine Fussgängerzone, auf der zwischen vereinzelten Autobussen Tou-
MICHAEL STAUB
Journalist BR, Kriens
risten auf Segways oder Velos über
den Asphalt kurven. Ignazio Marino,
Roms Bürgermeister seit 2013, hat sie
für den privaten Autoverkehr sperren
lassen. Die Archäologen jubelten, die
Mafia Capitale knurrte. Die Fassade
des Kolosseums, noch vor wenigen
Jahren schwarzgrau verfärbt, strahlt
nun in hellen Tönen.
Grimmige Gesichter ziehen die
Zenturionen mit ihren roten Röcken
NEUGIERIG GEMACHT?
Haben Sie Lust auf einen Besuch
in Rom bekommen? Erleben Sie die
ewige Stadt im Rahmen einer exklusiven HEV-Reise (siehe Seite 35
oder www.hev-reisen.ch).
und ihren Rüstungen aus Plastik.
Seit Jahrzehnten posieren sie zusammen mit Touristen für Fotos,
doch Marino hat beim Kolosseum
auch diesen Geschäftszweig verboten, zusammen mit den Souvenirund Ramschständen. Noch vor wenigen Jahren standen hier Dutzende
von falschen Römern, inzwischen
kann man sie an einer Hand abzählen. Immer noch da, weil mit keinem
Gesetz zu verbieten, sind die «vucumprà», die fliegenden Händler. Im
Sommer verkaufen sie Sonnenbrillen und Wasser, im Herbst SelfieSticks. Über den Köpfen der Reisegruppen versperren die Stangen und
Stöckchen schon fast den Blick auf
den rettenden Regenschirm der
Guides.
Der Weg stadteinwärts führt am
Forum Romanum vorbei. Wer Zeit
und archäologisches Interesse mitbringt, kann hier stundenlang
schlendern und verweilen. Eilige
nehmen den Bus und erfahren auf
der Via dei Fori Imperiali am eigenen Leib, dass Roms Strassen vor allem aus Pflastersteinen und Schlag-
Rom geizt nicht mit charmanten Ecken und Gaumenfreuden. BILDER MICHAEL STAUB löchern bestehen. Im Innern der
Fahrzeuge herrscht ein Höllenlärm,
und das Tempo ist hoch.
Wie moderne Streitwagenfahrer
sausen die Chauffeure der Piazza
Venezia entgegen. Die mächtige Freitreppe des «Vittoriano», des Nationaldenkmals für König Vittorio Emanuele II, gewährt einen wunderbaren
Blick auf die Trajanssäule und das
bunte Gewusel aus Segways, Pferdekutschen und Velos. In den Kaffeebars am Rand der Piazza arbeiten
die «baristi» im Akkord, jonglieren
mit Tässchen und verwandeln Milch,
Dampf und Kaffeebohnen in belebende Infusionen.
Die Piazza Navona, berühmt für
ihren Brunnen von Bernini, gehört
den Malern und Karikaturisten. Für
eine Handvoll Euro kann man ein
mehr oder weniger schmeichelhaftes Porträt erwerben.
So viel Kunst und Kultur machen
hungrig. Neben den unzähligen Restaurants verspricht auch das römische Streetfood eine willkommene
Stärkung. Zum Beispiel «pizza al taglio» oder ein paar «castagne». Die
römischen Marronistände bestehen
aus einem Grill und einem Sack
Holzkohle. Häuschen braucht es unter der milden Herbstsonne keine.
Daneben locken die Bäcker mit «pasta frolla» (Mürbteiggebäck), «sfogliatelle» (Blätterteigtaschen) und «occhi
di bue» (Spitzbuben), stets in harter
Konkurrenz zu den Eisspezialisten.
Industrie-Cornets gibt es keine, die
Regel ist «gelato artigianale».
Vom Rand der Piazza Navona
führt eine Fussgängerzone entlang
der Via dei Coronari zur Engelsbrü-
cke. Der elegante Übergang führt
zum Castel Sant’Angelo, dem Rückzugsort der Päpste. Hinter den meterdicken Mauern führt eine Rampe
zum Dach. Ein kühles Lüftchen erfreut die Besucher, in ihrem Rücken
lächelt Erzengel Michael. Im Jahr
590 soll er Papst Gregor I. hier erschienen sein, um das Ende der Pest
zu verkünden. Engel schmücken
auch die Brückenpfeiler, zehn prächtige Exemplare aus der Werkstatt
von Bernini. Darunter fliesst trübe
der Tiber.
In «Roman Holiday», dem legendären Spielfilm mit Audrey Hepburn
und Gregory Peck, war bei dieser
Brücke ein Tanzschiff vertäut. Wie
hier schieben sich beim Gang durch
die Stadt viele Leinwandbilder über
das tatsächliche Panorama. Zum Beispiel Anita Ekbergs Bad in der Fontana di Trevi («La dolce vita»), das Treffen von Monica Vitti und Alain Delon
im Tempio di Adriano («L'Eclisse»)
oder die beschämten Bettelversuche
eines Pensionierten in der Piazza della Rotonda («Umberto D.»).
Zum Wiederkehren schön
Centurioni und Engel, mittelalterliche Kirchen und moderner Kitsch,
holländische Maler und italienische
Fürsten: Die Vielfalt der Stadt ist belebend und ermüdend, sie reizt zum
Vertiefen ebenso wie zum Auslassen.
Vor allem gibt sie willkommenen
Anlass für erneute Besuche. Allein
für einen Besuch der Vatikanischen
Museen, der Villa Borghese oder der
Kapitolinischen Museen lohnt sich
eine Reise. Rom abschliessend «gesehen» zu haben, scheint dagegen
unmöglich. Auch das macht den
Zauber der ewigen Stadt aus.
Lächelnde Kunstgeschichte
Die Via del Corso führt von der
Piazza di Venezia in schnurgerader
Linie bis zur Piazza del Popolo.
Doch das Geradlinige führt in Rom
nur selten zum Ziel. Viel verlockender und aufschlussreicher sind die
Umwege, die Zwischenstopps. Zum
Beispiel im Palazzo Doria Pamphilj. Die schwärzliche Fassade verbirgt einen grünen Innenhof und
den Zugang zu einem Museum, das
noch nicht von der Didaktik- und
Kunstvermittlungswelle erfasst
wurde.
Dicht an dicht hängen hier die Gemälde, darunter viele niederländische
Werke. Um 1520, zur Zeit des Papstes
Hadrian VI., waren die «fiamminghi»,
die flämischen Künstler, in Rom gern
gesehen. Zu ihnen gehörte Jan van
Scorel (1495 – 1562). Im Palazzo hängt
das Porträt seiner neckisch lächelnden Geliebten, Agatha van Schoonhoven. Einige Schritte weiter staunt
man vor dem kleinformatigen, aber
unglaublich detaillierten «Irdischen
Paradies mit dem Sündenfall» von
Jan Brueghel d. Ä.
Wieder auf der Strasse, verliert
man sich erneut in den Abzweigungen, Durchgängen und Winkeln.
Rom zu «machen», also seine Sehenswürdigkeiten gemäss Checkliste zu fotografieren und danach auf
Facebook einzuwecken, ist weder
machbar noch erstrebenswert. Zu
gross ist die Vielfalt und Schönheit,
die es zu entdecken gibt. Dicht an
Prächtige Reise
durch die Kunstgeschichte im
Palazzo Doria
Pamphilj.
WEITERE INFOS
Bei zahlreichen Museen oder Sehenswürdigkeiten empfiehlt sich wegen des
grossen Andrangs vor Ort ein Online-Ticketkauf. Mit den so gekauften Billetts
lassen sich oftmals die Schlangen am Eingang umgehen:
■ Galleria Borghese, Engelsburg: www.tosc.it
■ Kolosseum: www.coopculture.it
■ Vatikanische Museen: http:⁄⁄mv.vatican.va
Zahlreiche Anbieter bieten «Hop-on-Hop-off»-Bustouren. Wer es individueller
mag, kann eine Vespa oder ein Velo mieten, etwa bei www.myvespatours.com
oder www.topbikerental.com.