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MANAGEMENT
Foto: © Yuri Arcurs – Fotolia.com
Alte Hasen, junge Füchse
Dem Fachkräftemangel entgegenwirken | Die demografische Entwicklung macht auch vor dem Mittelstand nicht halt. Nur wer heute den Altersmix seines Personals sinnvoll plant, kann morgen bei
seinen Kunden punkten.
von Ulrike Felger*
W
enn Dr. Jürgen Tenckhoff, Berater zu Alterns-Effekten von
Belegschaften aus Hennef/
Sieg, Zukunftsszenarien für den Mittelstand skizziert, spricht er über Probleme
von morgen. „Das Ansteigen des Durchschnittsalters ist in vielen Unternehmen
nicht mehr aufzuhalten, nicht einmal sozial-unverträglich“, weiß er. Das Arbeitspotenzial der Lebensmitte schrumpft: In
den kommende fünf Jahren sinkt die
Zahl der 30 bis 45-Jährigen um mehr als
zehn Prozent. Gleichzeitig wachsen die
50 bis 65-Jährigen um rund zwölf Prozent. In Kombination mit dem steigenden Fachkräftemangel hat die demogra68]neue verpackung 5.2010
fische Entwicklung für KMU fatale Folgen.
„Es geht nicht darum, heute zu entscheiden, ob man ältere Mitarbeiter will,
sondern man muss sich fragen, was in
fünf Jahren ist“, so Tenckhoff. Wer jetzt
im Jungendwahn rekrutiere, habe in
zehn Jahren keine freien Stellen, um seinen Altersmix zu gestalten. Tritt ein Unternehmen beim Personal auf der Stelle,
wandert der Altersberg durch die Belegschaft. Das Resultat: Wenn der Ruhestand winkt, büßt die Firma auf einen
Schlag viele wertvolle Erfahrungsträger
und vitales Know-how ein. „Die typische
Schlüsselposition im Mittelstand ist mit
einem 40 bis 50-Jährigen besetzt“, weiß
Stefan Hagen, Unternehmerberater im
Mittelstand aus Wipperfürth. Er erlebt
täglich, dass Unternehmen veralten. Die
Banken erkennen das bestehende Risiko:
„Kreditinstitute schauen auf das Geburtsdatum der Belegschaft.“ Oft haben die
betreffenden Betriebe versäumt, Nachwuchs auszubilden, nötige Fachkräfte
sind schon jetzt nicht zu bekommen.
„Unternehmen, die nicht ausbilden, sind
die Verlierer der Zukunft“, mahnt Hagen,
den Wert von Ausbildung nicht zu unterschätzen. Ein Blick auf die innerbetriebliche Alterskurve zeige deutlich, wann wo
Not am Mann sei.
„Bei uns darf man alt werden“, erklärt
Birgit Krauße, Personalleiterin der Hochland Kaffee Hunzelmann GmbH & Co.
KG in Stuttgart. Die Kaffee-Manufaktur
mit eigenen Verkaufsfilialen und KaffeeBars profitiert von einer geringen Fluktuation ihrer rund 100 Mitarbeiter. Der
älteste Mitarbeiter ist Ende 2009 mit 74
Jahren in Rente gegangen. Transparenz
bezüglich strategischer Entwicklungen
und eine enge Beziehung zu den Menschen im Haus sorgen dafür, das jeder
sein Bestes geben kann. „Wir fragen uns
ständig, wer was gerne und gut macht“,
sagt Krauße. Schließlich gehe es nicht darum, zwanghaft Gerechtigkeit zu üben,
sondern anstehende Aufgaben zu bewältigen. Gerade im Verkauf schätzt die Personalerin die Überfünfzigjährigen. Sie
zeigten eine andere Ernsthaftigkeit als ihre jungen Kollegen und seien sich des
Wertes einer gesicherten Anstellung besonders bewusst. Der Blick über den Tellerrand aller Bereiche ist ihr wichtig: „Wir
animieren unsere Mitarbeiter, in der Saure-Gurken-Zeit andere Aufgaben und
andere Arbeitsplätze kennenzulernen“.
Die gute Orientierung loyaler Mitarbeiter
zahlt sich aus: „Hochland bietet weniger
Regeln und Geländer als manch anderes
Unternehmen, da sind Selbstständigkeit
und die bereitwillige Übernahme von
Verantwortung unverzichtbar“.
Die Leistungsfähigkeit alternder Belegschaften unterliegt zwei großen Faktoren. Gesundheit und Know-how, also
Kompetenz bei Technologie und Innova-
tion, entscheiden darüber, wie viel ein
Mitarbeiter zum Unternehmenserfolg
beisteuern kann. Hartmut Buck, Teamleiter am Fraunhofer-Institut für Arbeitswissenschaft und Organisation IAO, in
Stuttgart rät, den Status Quo im eigenen
Haus kritisch zu hinterfragen: Wo steht
das Unternehmen im Gesundheitsbereich? Wo sind Risikoquellen oder systematische Erkrankungsursachen? Gibt
es Kollegen, die beim technologischen
Fortschritt nicht Schritt halten können? –
wer hier ehrlich antwortet, könne von
den kurzen Entscheidungswegen im Mittelstand profitieren. Die geringe Arbeitsteiligkeit in KMU, den Job als Allrounder
in seinem Fachbereich, sieht Buck als
großen Vorteil: Das breite Aufgabenspektrum sei lernförderlich und wirke Dequalifizierung und Demotivation am Ende
des Berufslebens gut entgegen.
Absolute Kundenorientierung setzt
die Impulse bei der Personalplanung
Andreas Reidel, Inhaber der Nürnberger
Agentur für Generationen-Marketing,
sieht KMU als Vorreiter einen neuen Ära:
„Inhabergeführten Unternehmen legen
schon immer auf eine Altersdurchmischung Wert – lebenslanges Lernen ist
die Praxis, das Rollenverständnis Meister-Geselle-Azubi ist ein gutes Beispiel“.Gerade in der Krise hätten Ältere
nicht nur mehr Erfahrung mit schwierigen Situationen, sie seien auch anderen
Älteren gegenüber deutlich glaubwürdiger. Für Reidl schwingen in der Frage
nach dem Mitarbeiter-Jahrgang zugleich
die Anforderungen eines alternden
Marktes mit: „Nur wenn der Nerv des
Kunden getroffen wird, sprudeln Aufträge“.
Absolute Kundenorientierung setzt die
Impulse bei der Personalplanung der
Gerhard Pannenbecker KG in Moers.
Neue Sortimentsfelder oder Zielgruppen
geben Anlass, über den Personalbestand
nachzudenken. „Wer kann das aus dem
bestehenden Team? ist die Frage – und
zwar völlig unabhängig vom Alter“, sagt
Seniorchef Erhard Pannenbecker Über
Betriebspraktika hält man Kontakt zur
jungen Generation: Wer eine gute Figur
macht, hat eine Chance, wiederzukommen. „Das ist unser Altersmix“, sagt der
70-Jährige und fährt fort: „Der Schatz
liegt beim Team“. Vieles sieht der Mittelständler pragmatisch. Aufgaben wie die
Personalbuchhaltung laufen in Teilzeit
und machen eine komplizierte Stellvertreterregelung überflüssig. Das Packen
von rund 300 bis 400 Päckchen übernehmen weibliche Teilzeitkräfte: „Wir haben
festgestellt, dass Frauen das besser machen“, sagt der Großhändler, political
correctness hin oder her. Er pflegt, wie
viele Mittelständler, sowieso ein Menschenbild, das den Einzelnen als Individuum, nicht als bloße Arbeitskraft, wertschätzt. Dr. Ulrike Felger ist Inhaberin der Agentur Espresso
Kommunikation in Waldenbuch.
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