Dem Ingenieur ist nichts zu schwör

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Dem Ingenieur ist nichts zu schwör
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Dem
Ingenieur
ist nichts
zu schwör
Im Juli 2016 soll Berend Snippe, Chef
des Emder Hafens, in Pension gehen.
Ob bis dahin die „Nesserlander
Schleuse“ endlich wieder in Betrieb
ist? Es wird ein Wettlauf mit der Zeit.
OPTIMIST: Berend
Snippe sagt, man sei
inzwischen „aus dem
Gröbsten raus“.
Text und Foto: Bernd Ellerbrock
W
at mutt, dat
MARITIME
mutt!“ Kaum
PORTRÄTS
im Amt, schon
hatte der neue Leiter
Folge 55
der Niederlassung
Emden von „Niedersachsen Ports“ eine
folgenschwere Entscheidung zu treffen:
Die 118 Jahre alte und arg sanierungsbedürftige „Nesserlander Schleuse“ musste geschlossen werden; der Bruch eines
Halslagers am Binnenhaupt war ihr Exitus.
Das war 2006.
Damals hoffte man noch auf eine
Sanierungszeit von lediglich zwei Jahren.
Inzwischen ist ein kompletter Neubau
erforderlich, der voraussichtlich 2017 fertiggestellt sein soll. Dafür, so Snippe vorsichtig, würde er immerhin „einen kleinen
Finger ins Feuer halten“. Jedenfalls hat der
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DEUTSCHE SEESCHIFFFAHRT 06/2014
gebürtige Nordhorner sich seinen trocke- me in Emden – sei es der Niedergang der
nen Humor bewahrt.
Werftindustrie oder die jüngsten Sorgen um
die Offshore-Branche – irgendwie immun
Stoische Gelassenheit
zu sein. Und mit der Nüchternheit eines
Berend Snippe ist vom Fach: Studiert hat Ingenieurs und der stoischen Gelassenheit
er Bauingenieurwesen mit Schwerpunkt eines Küstenmenschen erträgt er die immer
Wasserwirtschaft in Suderburg und Han- neuen Schwierigkeiten, die eine Schleuse
nover, arbeitete zunächst in der Privatwirt- aus dem 19. Jahrhundert bereiten kann –
schaft, um 1984 in die Landesverwaltung die Schleuse „wehre sich“, heißt es vor Ort.
zu wechseln, wo er sich ein ganzes BerufsZunächst zwang der Küstenschutz
leben lang um diverse Hafenprojekte küm- durch Anhebung der Deichhöhe zur Ummerte. In den 90ern zum Beispiel wurde planung, dann explodierten die Stahldas Projekt Hafenneubau am Rysumer preise. Später führte die bittere ErkenntNacken vorangetrieben. Als Snippe den nis der Statiker, dass der alte Baubestand
Abschlussbericht vorlegte, war das Vor- nicht nutzbar war, zu einer Verlegung des
haben freilich längst gestorben. Der neue Schleusenaußenhauptes in den AußenhaTiefwasserhafen JadeWeserPort hingegen fen. Als die Baugrube trockengelegt wurde,
wurde nicht für den Papierkorb geplant. kam es zum Baustopp: Die GrundwasserAls Prokurist der Entwicklungsgesellschaft absenkung erforderte Maßnahmen zum
in Wilhelmshaven half der inzwischen Schutz von Dükern im Binnenhafen.
zum Baudirektor aufgestiegene Snippe
Eine unendliche Geschichte, in deren
dem ehrgeizigen Infrastrukturprojekt in Verlauf die kalkulierten Kosten von urden Anfangsjahren auf die Beine.
sprünglich 16 Mio. auf inzwischen rund
Mit der Berufung zum Emder Hafen- 120 Mio. Euro anschwollen. Da musste
boss vor knapp zehn Jahren habe er seinen Snippe schon mal höchstpersönlich im
„Traumjob ergattert“, schwärmt er. Stets gut Keller nach uralten Bauzeichnungen sugelaunt, scheint Snippe gegen die Proble- chen – zum Glück verstand er sie auch
noch. Gelöst wurden die Probleme alleEXODUS: Nach knapp 120 Jahren musste die
samt, denn „dem Ingenieur ist nichts zu
„Nesserlander Schleuse“ geschlossen werden.
schwör“, grinst der Wasserbauer.