Predigt - ZDF Fernsehgottesdienst
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Predigt - ZDF Fernsehgottesdienst
Gottesdienstübertragung im ZDF – jeden Sonntag Pfarrer Benedikt Welter Predigt vom 31.08.2008 „Lass dich verführen!“, lächelt auf Plakaten das Gesicht von Eva Longoria, dem „Desperate Houswifes“-Star, dem Betrachter ein Eis hinhaltend. Eine recht harmlose Verführung, die lediglich das Kalorienbewusstsein ins Wanken bringen kann. Aber die Werbung weiß: mit schönen Frauen und leicht verruchter Darstellung derselben, lässt sich was an „den Mann bringen“. Verführung zielt auf die Punkte in unserem Leben, wo wir wissen, dass wir da schwach werden. Dass wir uns, den richtigen Knopf nur richtig gedrückt, zu etwas bewegen lassen, das wir im gleichen Maße mögen wie ablehnen, wenn der Kopf kühl bleibt. Und jetzt stellen Sie sich Gott als einen solchen Verführer vor, der nach allen Regeln der Kunst jemandem den Kopf zu verdrehen. Blasphemisch? Jeremia fühlt sich so. „Du hast mich betört“, haben wir ihn in der ersten Lesung aufstöhnen gehört. Und das mit „betört“ wiedergegebene hebräische Wort wird genau in dem Zusammenhang gebraucht, wenn eine Prostituierte einen Mann verführt. „Halb zog sie ihn, halb sank er hin“. „Und ich ließ mich betören“, schreit Jeremia. Er fühlt sich zutiefst betrogen und über den Tisch gezogen und schämt sich Es scheint, dass er wieder klar bei Verstand ist, und ihm sein bisheriges prophetisches Wirken die Schamesröte ins Gesicht treibt. Nicht, weil er versagt hätte, sondern weil ihn Gott zu etwas gebracht hat, was er nicht will. Gott – der Verführer. Und im gleichen Atemzug von Scham und Wut, weiß er um die Ausweglosigkeit seines Lebens mit Gott: „Sagte ich aber: Ich will nicht mehr in seinem Namen sprechen!, so war es mir, als brenne in meinem Herzen ein Feuer eingeschlossen in meinem Innern. Ich quälte mich, es auszuhalten und konnte es nicht“. Eine lebendige, leidenschaftliche – im umfassenden Sinn – Gottesbeziehung spricht aus diesen Bekenntnissen. Hier stöhnt, schreit, klagt jemand mit jeder Fiber seines Wesens und Lebens. Hier nimmt einer Gott auch in dessen dunklen Seiten wahr, weil er Gott ganz und gar ernst nimmt; weil er von Gott ganz und gar ernstgenommen wird. Dieses leidenschaftliche Prophetenbekenntnis, diesen Einblick in die intimste Intimität eines Menschen mit Gott stellt uns die Liturgie dieses Sonntags als Lesehilfe zum Evangelium zur Seite. © Katholische Fernseharbeit beim ZDF 2008 Gottesdienstübertragung im ZDF – jeden Sonntag Die Vorausschau Jesu auf seinen Kreuzestod, die menschliche Ablehnung des Kreuzes durch Petrus und die klare Bindung Jesu des Kreuzes an seine Person und an alle, die es mit ihm halten. Das Jeremiasbekenntnis bewahrt uns vor einer allzu leichten und harmlosen Deutung des Kreuzes. Kreuzeszugehörigkeit ist nicht schon jedes Wehwehchen in unserem Alltag. Und wenn der Saarländer so wunderbar unnachahmlich von der „Flemm“ spricht, so ist dieses menschliche Unbehagen nicht schon die Corona der Märtyrerheiligkeit. Durch Jeremias können wir gewissermaßen in die intime Intimität Jesu blicken, vermögen wir sein göttlich-menschliches Aufstöhnen zu erahnen, das sich so prägnant in ein Wort fassen lässt: Kreuz, crux, stauros. Gerade im Kreuz Jesu brennt das nicht aushaltbare innere Feuer dessen, der sich ganz auf Gott eingelassen hat. Es ist letztlich der Liebesbrand Gottes, der dazu führt, nicht Gott auszuhalten, sondern den Menschen. Jenes Geschöpf, das sich nur allzugern dazu verführen lässt, Gleiches mit Gleichem zu vergelten und sich selbst so zum Maß der Dinge zu machen, dass dieses den anderen Menschen zermalmt. (Und dazu braucht man nicht bis Südossetien zu schauen.) Und wir? Wir sind ja nicht einfach unbeteiligte Betrachter dieser Szenen: dem Aufschrei des Jeremia, dem Kreuzeswort Jesu. Wir stehen mittendrin und brennen eigentlich schon in unserem Innern. Ja, wir sind so etwas wie vom Kreuz Verführte. Denn diese Verführung führt uns nicht von uns weg, so dass wir etwas leben müssten, das wir eigentlich nicht wollen. Sondern diese Verführung führt uns erst wirklich zu uns hin. Das zeigt uns die Person des Petrus: er wird erfahren, dass auch er das Kreuz als zu seinem Leben zugehörig bejaht. Er wird es spätestens erkennen, wenn er von Jesus gefragt wird: „Liebst du mich?“ Das zeigt die Person des Paulus: er hat Kreuz verinnerlicht, wenn er seine Gemeinde aufruft, sich nicht dieser Welt anzugleichen, nicht das zu tun, was alle tun, nur weil es alle tun; dem Plakatlächeln dieser Welt misstrauen, weil uns da das Lachen im Halse stecken bleiben kann. Das zeigt uns diese Feier hier, in der wir das Kreuz nicht nur symbolisch in unserer Mitte aufrichten, sondern wo wir das Ganze des Kreuzes vereinnahmen und kommunizieren. © Katholische Fernseharbeit beim ZDF 2008 Gottesdienstübertragung im ZDF – jeden Sonntag „Sine dominica vivere non possumus“ – ohne Sonntag können wir nicht leben -, sagten 49 Christen aus Abitene in Nordafrika in der Diokletianischen Verfolgung im 4. Jahrhundert und bezahlten diese Aussage mit dem Leben. Diese Feier des Sonntags ermutigt uns zu dieser leidenschaftlichen Auseinandersetzung mit Gott, wie sie Jeremia führt. „Singt dem Herrn, rühmt den Herrn“ – lässt er sein Bekenntnis enden. Oder dies in Worten einer achtundzwanzigjährigen Jüdin aus dem Jahre 1943, notiert in Auschwitz: „Sonntagmorgen-Gebet. (…) Ich will Dir helfen, Gott, dass du mich nicht verlässt, aber ich kann mich von vornherein für nichts verbürgen. Nur dies eine wird mir immer deutlicher: dass Du uns nicht helfen kannst, sondern, dass wir Dir helfen müssen, und dadurch helfen wir uns letzten Endes selbst. Es ist das einzige, auf das es ankommt: ein Stück von Dir in uns selbst zu retten, Gott. Vielleicht können wir mithelfen, Dich in den gequälten Herzen der anderen Menschen auferstehen zu lassen.“ Wenn uns solches gelänge: als vom Kreuz Verführte anderen Menschen, besonders denen mit gequältem Herzen, beizustehen, dass in ihnen Gott „wiederaufersteht“! Wir als Verführer und Verführerinnen zu Gott! Da stünden wir dann mit offenen Mündern und Augen. Vielleicht wäre dann nichts zu sagen, sondern nur zu spüren: das war nicht ich, das war jenes Feuer in mir, das brennt und das Gott heißt und das ich nicht löschen kann – nicht mit meinem Zweifel, nicht mit meinem Klagen, nicht mit meiner Ohnmacht, nicht mit meiner Mittelmäßigkeit. Und ein Lächeln würde uns begegnen, nicht das der Plakate, sondern das des Christus: „Lass dich verführen – denn wer verliert, der gewinnt – durch mich und mit mir und in mir!“ Amen. © Katholische Fernseharbeit beim ZDF 2008