Lang lebe das Neue Fleisch (2te Auflage) - Paragon

Transcription

Lang lebe das Neue Fleisch (2te Auflage) - Paragon
Die Filme
von
David
Cronenberg
Thomas J.
Dreibrodt
Ein Filmbuch
im Paragon-Verlag
von
Shivers
bis
eXistenZ
Thomas J. Dreibrodt
Lang lebe das Neue Fleisch
Die Filme von David Cronenberg
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Dreibrodt, Thomas J.:
Lang lebe das Neue Fleisch : die Filme von David Cronenberg / Thomas J.
Dreibrodt. - 2., erw. und akt. Aufl. - Bochum : Paragon-Verl., 2000
ISBN 3-932872-05-3
Alle Rechte vorbehalten
© Paragon-Verlag Steingaß & Zöllner, Bochum 1998, 2000
Redaktion: Ursula Steingaß, Oliver Zöllner
Umschlaggestaltung: Thomas J. Dreibrodt
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede
Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne
Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für
Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und
Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Printed in Germany
2. Auflage, 2000
Druck: webo druck, Bochum
ISBN 3-932872-05-3
Für meinen Vater,
Hans-Joachim Dreibrodt
Vorwort zur zweiten Auflage
Vor anderthalb Jahren glaubte ich, mit der Beendigung der Arbeiten an dem
Buch 'Lang lebe das Neue Fleisch' das Kapitel Cronenberg vorerst zu schließen. Jedoch ist in der Zwischenzeit viel geschehen: David Cronenberg wurde
1999 zum Präsidenten der Jury bei den Filmfestspielen in Cannes berufen. Allein diese Tatsache erschien mir (und vielen weiteren Anhängern des Regisseurs) vor einigen Jahren noch als absolut undenkbar. Ebenfalls erlebte 1999
David Cronenbergs bis dato neuestes Werk, eXistenZ, auf den Berliner Filmfestspielen seine Weltpremiere. Seitdem erfährt Cronenberg in den Printmedien
eine rege und bis dahin ungeahnte Popularität. Ich muß an dieser Stelle eingestehen, daß mich Lobhuldigungen seitens dieser selbsternannten, pseudoelitären und -intellektuellen Kritikerkaste immer noch ziemlich verärgern, waren
dies doch eben jene Menschen, vor denen ich mich oftmals rechtfertigen mußte, warum mir The Fly ausgesprochen gut gefallen hat.
Dennoch ist der Bedarf an Hintergrundinformationen zu Cronenbergs Filmen
durch seine Popularität größer denn je. Weiterhin gab das Erscheinen von eXistenZ und die Tatsache, daß die erste Auflage meines Buches schnell vergriffen
war, schließlich den Ausschlag, diese zweite, vollständig überarbeitete und ergänzte Auflage herauszubringen. An dieser Stelle möchte ich kurz die Gelegenheit ergreifen und mich bei meinen Lesern für das überaus positive Feedback bedanken.
Neben den Ergänzungen zu eXistenZ, einer überarbeiteten Filmographie und
einer Auflistung der Preise, die Cronenberg für sein filmisches Werk erhalten
hat, konnte ich eines der größten Mankos der Erstauflage beheben und dieses
Buch mit Bildern aus Crash und eXistenZ illustrieren. Ich hätte dem Leser sicherlich gerne ein breiteres Spektrum an Bildmaterial offeriert. Jedoch ist das
Kapitel der Bildrechte in den Printmedien ein schierer Dschungel, unübersichtlich und kaum zu durchqueren. Deshalb vorab schon einmal einen großen Dank
an die 'Kinowelt', die mir auf freundliche und unbürokratische Weise das Bildmaterial zu Cronenbergs letzten zwei Filmen überlassen hat. Als Gegenbeispiel
weigerte sich ein Mediengigant, auch nur zwei Photos von Jeremy Irons herauszurücken, ohne daß ich Unsummen an Lizenzgebühren hätte zahlen müssen.
Ich freue mich, mit 'Lang lebe das Neue Fleisch' viele Freunde der Filme David Cronenbergs erreicht zu haben und wünsche somit dem altbekannten und
neuen Leser viel Spaß bei der Lektüre.
Thomas Joachim Dreibrodt
Januar 2000
5
Vorwort
Ich war 14 Jahre alt, als ich zum ersten Mal in David Cronenbergs Scanners
den explodierenden Kopf sah. Dies war nicht die erste Berührung mit drastischer Gewalt auf dem Videoschirm. Jedoch war Scanners anders. Ich war mir
nicht sicher, wie ich das Filmende zu verstehen hatte. 1986 kam The Fly in die
deutschen Kinos. Von Kinozeitschriften als 'Mutprobe' propagiert, sahen viele
Kinogänger diesen Film nur als Maßstab zur Auslotung ihrer Ekelschwelle. Viele dieser Leute haben seitdem nie wieder einen Film von David Cronenberg gesehen. Ich empfand jedoch eine merkwürdige Faszination an der Metamorphose des Seth Brundle. Später erschien dann Videodrome auf Video. Völlig unbedacht setzte ich mich diesem Film aus. Alles, was ich bis zu diesem Zeitpunkt
kannte, waren Cronenbergs 'kommerziellsten' Filme, Scanners und The Fly.
Ziemlich verstört sah ich mir Videodrome mehrmals hintereinander an. Ich hegte schon damals eine große Faszination für diesen Film. Aber die Frage nach
dem 'Warum' konnte ich genauso wenig beantworten, wie ich die Bilder des
Films dekodieren konnte. Es folgten Dead Ringers, Naked Lunch, M. Butterfly
und Crash. Jeder Film ließ mich mehr oder weniger fasziniert und doch zugleich
verstört zurück. Somit kam der Wunsch auf, mehr über diese Filme zu erfahren,
tiefer in die Materie einzudringen, um hinter das Geheimnis der Faszination für
das Werk Cronenbergs zu kommen. Das vorläufige Ergebnis meiner Auseinandersetzung mit der Film- und Gedankenwelt Cronenbergs ist in diesem Buch
festgehalten. Nachdem ich dieses Buch fast beendet hatte, kam Crash in die
deutschen Kinos. Im festen Glauben zu wissen, was mich in diesem Film erwartete – schließlich hatte ich alle anderen Filme Cronenbergs ein Dutzend mal
gesehen und buchstäblich auseinandergenommen –, führte David Cronenberg
wieder einmal meine Erwartungen ad absurdum. Wieder bleibt mir dieses unsichere Gefühl, nur die Oberfläche von etwas Größerem berührt zu haben. Gerade dies macht für mich die Faszination der Cronenberg-Filme aus: die Verwirrung nach dem Kinobesuch, das Gefühl der Verstörung. Die Suche nach Cronenbergs 'Masterplan' ist hier dokumentiert. Diese Suche wird solange weitergehen, wie Cronenberg Filme dreht. Ich hoffe, es werden noch viele sein. Und
auch in den zukünftigen Filmen werden wir nur ein wenig an der Oberfläche
kratzen.
Dieses Buch soll dazu beitragen, die Filme Cronenbergs zu begreifen. Verständnis scheint Cronenbergs Filmen fremd zu sein und wird auch nicht vom
Zuschauer vorausgesetzt. Gerade dies macht seine verstörenden cineastischen
Trips aus. Das verstörende Element spaltet die Kinozuschauer in zwei Lager.
Sie lieben oder hassen die Filme.
'Exterminate all rational thought' heißt der britische Werbeslogan für Naked
Lunch. Dieses ist und wird auch das Motto für alle bisherigen und zukünftigen
Filme Cronenbergs sein.
Martin Scorsese hat einmal seine Beziehungen zu den Filmen Cronenbergs
wie folgt beschrieben: 'I think a lot about his movies. I look forward to the new
ones. I wish I didn't. They still have the old power.'
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
Thomas Joachim Dreibrodt
August 1998
7
Inhalt
Vorwort zur zweiten Auflage ............................................................................... 5
Vorwort ............................................................................................................... 7
Inhalt................................................................................................................... 9
Einleitung .......................................................................................................... 11
Der Horrorfilm und David Cronenberg........................................................... 11
David Cronenberg – eine Biographie................................................................ 17
Cronenberg rezensiert ...................................................................................... 29
Die Filme Cronenbergs..................................................................................... 45
Narrative Strukturen ...................................................................................... 46
Cronenberg und das Horrorgenre.............................................................. 46
Entmythologisierung............................................................................... 47
Versuch einer Definiton.......................................................................... 49
Mischformen .......................................................................................... 50
Bekannte Versatzstücke und Konventionen........................................... 52
Wendepunkt........................................................................................... 53
Reaktion und Innovation ........................................................................ 55
Realitätsebenen und Filmstruktur .............................................................. 59
Filme wider die Konventionen ................................................................ 59
'first-person-films' ................................................................................... 61
Realitätssprünge .................................................................................... 62
Realität und transparente Scheinwirklichkeit.......................................... 64
Naked Lunch – eine filmische Rekursion ............................................... 68
Virtuelle Realitäten und eXistenZen....................................................... 69
'double writing' ........................................................................................... 72
Konträre Phänomene............................................................................. 73
Doppelgänger ........................................................................................ 80
Verdoppelungen..................................................................................... 85
Inkompatibilität zweier Geschlechter ......................................................... 87
Inkompatibilität ....................................................................................... 87
Feminine Gewalt .................................................................................... 90
'telling names' ............................................................................................ 92
Rabid...................................................................................................... 92
The Brood .............................................................................................. 93
Videodrome............................................................................................ 94
The Fly................................................................................................... 95
Dead Ringers ......................................................................................... 96
eXistenZ................................................................................................. 96
Unmenschliche Lebensräume ................................................................... 98
Körper und Transformation ......................................................................... 114
Körper und Geist ..................................................................................... 114
'biological horror' .................................................................................. 114
Psyche und Physis............................................................................... 115
9
Entfesselung des Unterbewußten ........................................................ 117
Ausbruch des animalischen 'Es'........................................................... 121
Externalisierung und Projektion ........................................................... 123
Geist siegt über Materie....................................................................... 125
Transformationen – Krankheit, Zerfall und Tod ....................................... 127
Filme der Konfrontation........................................................................ 127
Geburt .................................................................................................. 129
Transformationen – Krankheit, Alter und Tod ...................................... 131
Sexuelle Transformationen .................................................................. 138
M. Butterfly – Stationen einer Transformation...................................... 140
Sexualität auf Kollisionskurs ................................................................ 142
Räumliche Isolation.............................................................................. 146
Mentale Isolation und Identitätsverlust................................................. 148
Realitätsverlust .................................................................................... 149
Unter der Kontrolle fremder Mächte..................................................... 152
Zum Schluß .................................................................................................... 161
Drei zentrale Thesen............................................................................ 162
Erste These: Auseinandersetzung mit Sterblichkeit............................. 162
Zweite These: das Leben als kontinuierlicher Prozeß
der Transformationen.......................................................................... 163
Dritte These: Wiederkehr und Akzeptanz des Verdrängten ................. 164
Versuch einer Zusammenfassung ....................................................... 165
Nachwort......................................................................................................... 170
Die Arbeiten David Cronenbergs .................................................................... 172
Auszeichnungen für David Cronenberg und seine Filme................................ 207
Werbeslogans................................................................................................. 208
'The Story of the Butterfly'............................................................................... 209
Weiterführende Literatur ................................................................................. 210
Index............................................................................................................... 221
Danksagungen................................................................................................ 225
Über den Autor ............................................................................................... 226
10
Einleitung
Der Horrorfilm und David Cronenberg
Der Horrorfilm genießt beachtlichen Stellenwert in der
populären Kultur, seine Existenzberechtigung wird ihm jedoch
von filmwissenschaftlicher und kultureller Seite oftmals
abgesprochen. Das Genre wird von der Forschung ignoriert
oder bestenfalls mitleidvoll belächelt. Der Konsument dieses
Phänomens der Popkultur wird als degeneriert, debil oder sozial
gestört abgehandelt und somit zum Fall für einen Therapeuten
oder einen übereifrigen Sozialpädagogen erklärt. Das
Klischee
vom
blutgeilen,
aknegezeichneten
Sozialfall
mit
einen
Intelligenzquotienten unter 40 ist immer noch sehr beliebt und weit verbreitet.
"Most people have a certain understanding of what a horror film is,
namely, that is emotionally juvenile, ignorant, supremely non-intellectual
and dumb. Basically stupid. But I think of horror films as art, as films of
confrontation. Films that make you confront aspects of your own life that
are different to face. Just because you're making a horror film doesn't
mean you can't make an artful film. Tell me the difference between
someone's favourite horror film and someone else's favourite art film.
There really isn't any. Emotions, imagery, intellect, your own sense of
self."1
David Cronenberg
Hier und da gibt es jedoch Anerkennung: In seltenen Fällen reagieren Filmkritiker positiv auf das Genre des Horrorfilms. Dazu gehört das Werk des Regisseurs David Cronenberg, der sich mit seinem Frühwerk bereits in der 'Szene'
einen Namen gemacht hat (deswegen oftmals zu Unrecht 'The Baron of Blood'
tituliert) und sich mit ambitionierten Filmen wie Dead Ringers (1988), Naked
Lunch (1992), M. Butterfly (1993) Crash (1996) und zuletzt eXistenZ (1999)
durchsetzte.
Mußte Cronenberg anfangs noch einen diffamierenden Vergleich mit Himmler ertragen, so bezeichnet man ihn heute als 'Autorenfilmer' oder 'kanadischen
Filmemacher'. Befremdlich mutet es an, wenn Cronenbergs Erstlingswerke wie
Shivers, Rabid oder The Brood zuerst als 'Schund' verschmäht wurden, um
später im Zuge seines 'Spätwerks' von Kritikern des Genres als 'wahre Filmkunst' entdeckt zu werden. Somit erscheint es kaum verwunderlich, daß Cronenberg in den letzten Jahren mit renommierten Filmpreisen – Spezialpreis der
Jury in Cannes und dem Silbernen Bären in Berlin – ausgezeichnet wurde. Als
11
David Cronenberg 1999 als 51. Jurypräsident der Filmfestspiele in Cannes auftrat, schien eine absurde Situation geschaffen. War dieser Mann, der in einem
gepflegten Smoking Filmpreise überreicht, wirklich einmal der Regisseur der
berüchtigten 'Parasitenmörder'? Angesichts der Fernsehbilder, die den Cineasten von den Festivitäten in Cannes erreichten, schien dies nur schwer vorstellbar.
David Cronenberg erfährt im deutschsprachigen Raum erst seit Dead
Ringers (1989) eine adäquate filmwissenschaftliche Betrachtung seines
Gesamtwerks. Die frühen Filme Cronenbergs erhielten bis dato, im Vergleich zu
Produktionen
der
marktführenden
Studios,
keine
entsprechende
2
Kinoauswertung. Die ersten drei Kinofilme des Regisseurs, Shivers, Rabid und
The Brood, wurden hierzulande Opfer der ersten großen Diskussion um
'Gewalt- und Horrorvideos' – ein Thema, das zur Zeit des Videobooms in den
Medien omnipräsent war.3 Erst der kommerzielle Erfolg von The Fly (1986)
erregte die Aufmerksamkeit der Kritiker.
Ungeachtet dessen, ob der Zuschauer den Filmen Cronenbergs wohlwollend
oder ablehnend gegenübersteht (einen Mittelweg scheint es bei seinen Filmen
nicht zu geben), ist es eine Tatsache, daß sich der kanadische Regisseur einer
sehr provozierenden Bildersprache bedient. Cronenberg schockiert und provoziert mit explodierenden Köpfen (Scanners), mit phallischen Parasiten (Shivers)
und mit Geschwüren, die sich mit zielstrebigem Eigenleben einen Weg durch
einen zerberstenden Körper bahnen (Videodrome). Der Regisseur zeigt eine
Frau, die eine Exo-Gebärmutter, einem organischen Sack gleich, am Körper
hängend herumträgt. Anschließend reißt sie diesen mit den Händen auf, um die
neugeborene, deformierte Mutation eines Kindes, einem animalischen Urinstinkt folgend, sauber zu lecken (The Brood).
Cronenbergs durchkomponierte Bilderwelten sind nicht selten bizarrer Natur:
Max Renn (James Woods), Besitzer eines kleinen Kabelfernsehsenders, taucht
in Videodrome in seinen (lebenden) Fernseher ein, der Schriftsteller und Kammerjäger Bill Lee (Peter Weller) erhält in der 'Interzone' Aufträge von einem geheimnisvollen Agenten, einer Kreuzung zwischen einem 40 Zentimeter großen
Käfer und einer Clark-Nova-Schreibmaschine (Naked Lunch).
Oft entdecken die Figuren Cronenbergs in ihren physischen oder psychischen Mutationen eine neue, ihnen einzigartige Sexualität. Jedoch findet der
Zuschauer hier nicht selten eine Sinnlichkeit und eine Lust, bei der sich die
schier endlosen Abgründe des menschlichen Geistes offenbaren: Junkies saugen gierig ihr Mugwump-Sperma aus den phallischen Auswüchsen am Kopf
dieser bizarren Kreaturen, um einen ekstatischen Rauschzustand zu erleben
(Naked Lunch). Max Renn durchsticht das Ohrläppchen seiner Geliebten Nicki
Brand (Deborah Harry) mit einer Nadel; sie zerdrückt im Gegenzug eine Zigarette auf ihrem Busen (Videodrome). Elliot Mantle (Jeremy Irons) fesselt die
Schauspielerin Claire Niveau (Geneviève Bujold) vor dem Geschlechtsverkehr
mit Gummischläuchen und chirurgischen Klammern – klinische Doktorspiele
à la Cronenberg. Der Filmproduzent James Ballard (James Spader) bevorzugt
12
eine klaffende, tiefe Narbe im Bein seiner gehbehinderten Gespielin Gabrielle
(Rosanna Arquette) zur Penetration des weiblichen Körpers (Crash).
In seinem bis dato letzten Film, eXistenZ, inszeniert Cronenberg virtuelle
Filmwelten, die sich vorzugsweise – und hier stellen Naked Lunch und
M. Butterfly keine Ausnahme dar – als Kopfgeburten der Figuren vorstellen:
Entgegen jeder gängigen Vorstellung von Cyberspace und virtuellen Realitäten,
die uns in jüngster Zeit mit Filmen wie The Matrix, Dark City, Nirvana oder Virtuosity präsentiert wurden, entwirft David Cronenberg eine eigenwillige, unkonventionelle Vision organischer Technologie:
In eXistenZ bestehen die Spielekonsolen, die sogenannten 'Gamepods', aus
lebendem Gewebe; ein quasi degeneriertes Tier, aus Amphibieneiern und synthetisierter DNA entwickelt. In Cronenbergs Filmrealität besteht das Videospiel
aus 'MetaFlesh' und ist somit – als kompletter Organismus mit Nervensystem,
Wirbelsäule und Muskeln – anfällig für menschliche Gebrechen wie jeder andere Organismus auch.
Keine Monitore, Datenhandschuhe, Spielkonsolen oder Controller werden für
den Trip in das Spiel benötigt. Über eine organische Nabelschnur werden die
lebendigen Konsolen direkt mit dem Nervensystem des Spielers gekoppelt. Die
organische Schnittstelle am Rücken, mit der sich der Spieler mit 'eXistenZ' verbindet, wird als 'Bioport' bezeichnet. Doch hält Cronenbergs biologische Technologie nicht nur im Unterhaltungsbereich Einzug: So verschießt beispielsweise
die 'gristle gun' – eine Pistole aus Knorpel und Knochen hergestellt, um so jede
Art von Detektoren zu umgehen – weder Kugeln noch tödliche Strahlen, sondern menschliche Zähne.
Durch seine inhärente Stilistik erscheint Cronenberg als einer der
innovativsten Regisseure des Genres, der sich im Verlauf seines filmischen
Schaffens immer mehr von den etablierten Mustern und Klischees des
Horrorkinos loslöst. Sind seine ersten drei Kinofilme mit ihren blutigen Parasiten
(Shivers), modernen Vampiren (Rabid) oder mutierten, mordenden Kindern
(The Brood) dem Horrorgenre zuzuordnen, so gleicht sein darauffolgender Film
Scanners einem spannungsreichen Science-fiction-Thriller. Spätestens seit
Dead Ringers, seinem Drama über die mentale Verbundenheit und geistige
Abhängigkeit eines eineiigen Zwillingspaares, der ambitionierten BurroughsVerfilmung Naked Lunch und der Tragödie M. Butterfly scheint Cronenberg dem
Genre des Horrorfilms entsagt zu haben. Crash führt mit der sexuellen
Selbst(er)findung seiner Charaktere die Thematik von Naked Lunch und M.
Butterfly fort, verschreibt sich aber in seinem visuellen Minimalismus früheren
Filmen wie The Brood oder Scanners.
Mit jedem seiner Filme entfernt sich Cronenberg weiter von den gängigen
Strukturen des konventionellen Horrorfilms. Die Prägung seiner Filme tendiert
vom körper- oder fleischbezogenen Horror in Shivers, Rabid, Videodrome oder
The Fly zum psychologischen Horror. Der interne Horror manifestiert sich in der
mentalen Untrennbarkeit der Mantle-Zwillinge in Dead Ringers, den bizarren,
13
halluzinierten Welten in Naked Lunch oder dem Zusammenbruch einer idealisierten sexuellen Wunschvorstellung in M. Butterfly. In Cronenbergs letzten
Filmen stößt der Zuschauer bereits an die Grenzen jeglicher Genrebegriffe.
Konnte man bisher noch eine Grenze zwischen den Schaffensphasen Cronenbergs anhand externalisierten und internalisierten Grauens aufzeigen, so
scheint David Cronenberg in seinem letzten Film eXistenZ eine Fusion beider
Aspekte seines Schaffens darzubieten.
Hier findet der Zuschauer direkte Verweise auf Cronenbergs Videodrome:
Aus den fleischigen, pulsierenden Videokassetten, mit denen Max Renn programmiert wurde, sind die lebendigen 'eXistenZ'-Spielkonsolen geworden. Sogar das Motiv der organischen Pistole, die mit Max Renns Hand verwachsen ist,
taucht in Gestalt der 'gristle gun' in eXistenZ wieder auf. Aus Videodromes 'The
New Flesh' wird das 'MetaFlesh' der eXistenZ-'Gamepods'. "The video word
made flesh" aus Videodrome wird zu "the game made flesh" in eXistenZ.
Andererseits wird der 'internal horror', der Cronenbergs spätere Filme wie
Dead Ringers auszeichnet, in einer virtuellen Projektion externalisiert, dem
Spiel 'eXistenZ', in dem die Ängste der Spieler das Spiel selbst formen und somit den weiteren Verlauf des Spiels bestimmten. Cronenberg experimentierte
zuvor bereits mit dieser Thematik in Naked Lunch. Dort projizierte der Schriftsteller Bill Lee seine Drogenphantasien in eine virtuelle Umgebung namens 'Interzone'.
"eXistenZ ist wie ein Sampler, wie ein durch die Jahrzehnte seines
Werks vagabundierendes Kompendium Cronenbergscher Motive und
Stilelemente, ein 'best of' lebender Maschinen, gezielter Mutationen und
schleichender Sektionen."4
Cronenberg ist 'auteur'; er tut die Frage der Grenreproblematik in seinen Filmen als Publikums- oder Kritikerbegriff ab. Es mutet den Zuschauer an, als
führten Cronenbergs Filme ihren eigenen Diskurs. Sie widersetzen sich gängigen Schemata und entwickeln sich seit den filmischen Anfängen des Regisseurs weiter. Die Filme David Cronenbergs bauen aufeinander auf, sie kommunizieren untereinander.
Der Reifeprozeß des Regisseurs ist nicht nur in einer formalen oder technischen Progression aufzuzeigen. Cronenberg scheint sich im Verlauf seiner filmischen Karriere immer mehr einer zentralen Fragestellung, einer Essenz seines Gesamtwerkes zu nähern. Seine Filme gleichen einer Annäherung an eine
Geheimformel, die es für den Filmemacher noch zu entdecken gilt. Somit erscheint es unmöglich, einen der Filme Cronenbergs dem Gesamtkontext seines
Schaffens zu entreißen. Verweise, verwandte Themen, konzeptionelle Homogenität in Figuren, Rollengestaltung, Farbgestaltung, Architektur und Setting,
die konstante Auseinandersetzung mit der Dichotomie von Körper und Geist,
Fleisch und Gedanken, die Neu(er)findung der eigenen Sexualität – dies ist die
14
Filmsprache, die Cronenberg im Verlauf seines filmischen Schaffens etabliert
und konsequent weiterentwickelt hat.
Die Cronenbergsche Filmsprache ist als Code zu verstehen. Obwohl sich die
Filme formal und inhaltlich voneinander sehr zu unterscheiden scheinen, ist der
Cronenberg-Kenner in der Lage, immer wieder auftauchende Aspekte und
Themen im jeweiligen Einzelwerk buchstäblich zu decodieren, um so die spezifische Filmsprache zu entdecken: den 'Cronenberg-Code'.5
Als abschließender Hinweis dieser Einleitung soll an dieser Stelle vermerkt
werden, daß im folgenden die einzelnen Filme Cronenbergs nicht in ihrer chronologischen Reihenfolge abgehandelt werden. Der Leser wird also hier vergeblich nach einzelnen Kapiteln von Shivers bis hin zu eXistenZ suchen, da sich
die gewählte Vorgehensweise an den einzelnen Aspekten des 'CronenbergCodes' orientiert.
15
Anmerkungen
1
2
3
4
5
aus: Rodley, Chris (Hrsg.), 'Cronenberg on Cronenberg', Seite 59.
Von Cronenbergs 'Frühwerk' gelangte laut dem 'Lexikon des internationalen Films' Shivers
am 2.9.1976, Rabid am 24.6.1977, Scanners am 5.3.1981 und The Brood am 12.11.1982 im
Zuge des Erfolges von Scanners für kurze Zeit in deutsche Kinos. Videodrome erschien ironischerweise, dem Titel des Films gemäß, 1985 nur auf Videokassette. Seit The Dead Zone
sind Cronenbergs Filme regelmäßig in großen Kinos angelaufen, obwohl sie sich prinzipiell
eher einer Zweitauswertung in Programmkinos erfreuten.
Diese Diskussion ging Hand in Hand mit dem sogenannten 'Videoboom', der explosionsartigen Verbreitung von Videorecordern in deutschen Haushalten zu Anfang der achtziger Jahre, der Vermarktung von Horror- und Actionfilmen auf Verleihkassetten und dem verstärkten
Hervortreten der Videotheken, des neuentstandenen Marktes des Videoverleihs. Neben ideologisch voreingenommenen Fernsehdokumentationen wurde das Phänomen der 'Horrorvideos' (ein Begriff, unter denen Kritiker und inkompetente Medienpädagogen die Genres
des Horror-, des Action- und des pornographischen Films gleichstellen) natürlich auch in Tagespresse und Magazinen diskutiert.
Vgl.: "Zum Frühstück ein Zombie am Glockenseil" aus: Der Spiegel (Nr.11, 12.3.1984).
Vgl.: Tauber, B., 'Splatting Image' (März 1999).
Es gibt vielfältige Ansätze, die das Cronenbergsche Gesamtwerk verbindenden Elemente
oder Stilmittel zu katalogisieren. William Beard offeriert in seinem Aufsatz 'The Visceral Mind
- The Major Films of David Cronenberg' eine verhältnismäßig triviale Liste der 'basic themes',
nämlich "violence", "explicitness" und "twisted sexual aggression".
Eine genauere, wenn auch von dem in diesem Buch dargestellten Code abweichende Darstellung ist im Dossier des 'British Film Institute' zu David Cronenberg in Drew Waynes Abhandlung 'A Gothic Revival: Obsession and Fascination in The Films of David Cronenberg'
zu finden, der die Charakteristika eines Cronenberg-Films zunächst auf "embodiment of contemporary paranoid obsessions", "provocative narrative structures" und "complex and ambiguous characterisation" zentralisiert. Im weiteren Verlauf dieses Textes benennt er "Cronenberg's five-part attack on the reader" mit den folgenden Kriterien: "the mind and the body", "sexual identity", "the family and social institutions", "moral codes and metaphysical beliefs" und "economic and political structures".
Vgl.: Beard, William, "The Visceral Mind - The Major Films of David Cronenberg" in: Handling, Pierce, The Shape of Rage; Drew, Wayne, "A Gothic Revival: Obsession and Fascination in The Films of David Cronenberg" in: Drew, Wayne (Hrsg.), 'BFI Dossier 21 - David Cronenberg'.
16
David Cronenberg – eine Biographie
David Cronenberg wurde am 15. März 1943 in Toronto, Kanada
geboren. Beeinflußt durch seinen Vater, Journalist, Autor von
Kriminalgeschichten und Herausgeber der 'True Canadian
Crime Stories', beschloß der junge Cronenberg, selbst
Schriftsteller zu werden und begann, die Schriften William S.
Burroughs' für sich zu entdecken. Weiterhin zeichnete sich
bereits damals Cronenbergs Vorliebe für Science-fiction und
Horror in Literatur und Film ab. 1959 reichte er eine Kurzgeschichte bei der Zeitschrift 'The Magazine of Fantasy and Science Fiction' ein.
Als diese jedoch zur Veröffentlichung abgelehnt wurde, begann Cronenberg,
sich auf das Schreiben von Drehbüchern zu konzentrieren. 1963 schrieb er sich
an der Universität von Toronto für Biologie und Biochemie ein, bemerkte aber
bald, daß er diesem Studiengang nichts abzugewinnen wußte. 1964 wechselte
er zur Geisteswissenschaft und studierte Sprach- und Literaturwissenschaften,
was er 1967 mit dem wissenschaftlichen Grad eines 'Bachelor of Art' abschloß.
Als er den Film eines Kommilitonen sah, begann Cronenberg, sich autodidaktisch alles Wissenswerte über Filmtechnik beizubringen. In dieser Zeit, zwischen 1966 und 1967, entstanden seine ersten 16mm-Kurzfilme Transfer und
From the Drain, in denen Cronenberg sich gleichzeitig als Autor, Regisseur,
Kameramann und Cutter betätigte. 1969 folgten mit Stereo und Crimes of The
Future seine ersten längeren 35mm-Filme – zu dieser Zeit gründete Cronenberg mit dem heute bekannten Regisseur Ivan Reitman1 die 'Toronto Film CoOp'. Anschließend organisierte und finanzierte Cronenberg Aufführungen seiner
Filme in Adelaide und Edinburgh.
Nachdem er sich durch die Vorführung von Stereo im 'Museum of Modern
Art' in New York in Underground- und Avantgardekreisen einen Namen gemacht hatte, lebte Cronenberg einige Zeit in Frankreich. Er drehte neben Pausenfüllern für den kanadischen Fernsehsender 'Canadian Broadcasting Corporation' (CBC-TV) auch einen 27minütigen Kurzfilm, Secret Weapons. 1973 inszenierte er das Musical Spellbound am Royal Alexandra Theatre in Toronto.
Zwei Jahre später konnte Cronenberg mit Shivers, durch finanzielle Unterstützung des 'CFDC'2 realisiert, seinen ersten Kinofilm vorzeigen. Shivers wurde
in über 35 Länder verkauft und in 14 Sprachen übersetzt.
Cronenbergs erster Entwurf zu Shivers betitelte den Film noch 'Orgy of The
Blood Parasites', was in ihm jedoch allzuviele Assoziationen an Science-fictionoder Horrorfilme der fünfziger Jahre weckte. Weiterhin befürchtete Cronenberg,
dieser Titel gäbe Anlaß, seinen Film voreilig als Persiflage auf gängige
Horrorfilme der fünfziger Jahre zu abzustempeln. Der Film wurde von der
Verleihfirma 'AIP' (American International Pictures) in den Vereinigten Staaten
unter dem Titel They Came From Within vertrieben, einem Titel, der an
Science-fiction- oder Horrorklassiker wie Jack Arnolds It Came From Outer
17
Space (Gefahr aus dem Weltall, 1953) oder an Freddie Francis' They Came
From Beyond Space (Sie kamen von jenseits des Weltraums, 1967) erinnerte.
Kurz vor dem kanadischen Kinostart von Shivers sammelte Cronenberg Erfahrungen mit dem für ihn neuartigen Medium der Videoaufzeichnung und steuerte zu der CBC-Fernsehserie Peep Show die Episoden The Victim und The Lie
Chair bei.
Bevor Cronenberg im November 1976 mit Rabid seinen zweiten Kinofilm inszenieren sollte, führte er Regie in einem Fernsehspiel der CBC, The Italian
Machine, zu dem er auch das Drehbuch schrieb.
Ebenso wie Shivers wurde Rabid angesichts seines geringen Budgets von
530.000 kanadischen Dollar ein kommerzieller Erfolg. Er spielte im Jahr seiner
Kinopremiere (1977) über 7.000.000 Dollar3 ein und etablierte David Cronenberg als Genreregisseur.
Als wolle er gegen diese Klassifizierung als Horrorfilmregisseur protestieren,
inszenierte Cronenberg 1979 den Film Fast Company, in dem die Besessenheit
des Regisseurs für Autorennen zum Vorschein kam. Zum ersten Mal in seiner
Karriere entstand ein Film nicht nach seinem Originaldrehbuch. Historisch bleibt
der Film dadurch interessant, daß Cronenberg hier ein festes Filmteam etablierte, welches in fast allen seiner späteren Filmen involviert sein sollte. Dieses
Team bestand aus dem Kameramann Mark Irwin4, dem Cutter Ronald Sanders5
und der Produktionsdesignerin Carol Spier6, die von Fast Company bis Crash
für das Design beziehungsweise die Ausstattung jedes Cronenberg-Films verantwortlich zeichnete. Im selben Jahr sollte der Komponist Howard Shore7 dieses Team ergänzen. Seit Dead Ringers filmt David Cronenberg ohne Ausnahme mit dem Kameramann Peter Suschitzky.8
Nach dem kommerziellen Mißerfolg von Fast Company kennzeichnet
Cronenbergs nächster Film, The Brood, die Ära des "New Cronenberg"9, in der
der Regisseur endgültig seinen Stil und seine eigene Filmsprache, den
'Cronenberg-Code', gefunden hat. The Brood war bis zu diesem Zeitpunkt mit
einem Budget von 1,5 Millionen Dollar der aufwendigste Film Cronenbergs. Das
verhältnismäßig hohe Budget hatte zur Folge, daß Cronenberg auf bekannte
Schauspieler wie Oliver Reed10 oder Samantha Eggar11 zurückgreifen konnte.
The Brood ist der bis heute persönlichste Film des kanadischen Regisseurs:
Cronenberg sah sich zu dieser Zeit großen emotionalen Problemen ausgesetzt,
da er mit seiner geschiedenen Frau um das Sorgerecht seiner Tochter
Cassandra12 stritt. Als er erfuhr, daß seine geschiedene Frau nach Kalifornien
ziehen wollte, um sich dort einer Sekte anzuschließen, entführte Cronenberg
kurzerhand seine Tochter und erwirkte einen Gerichtsbeschluß, der ihm das
Sorgerecht zusprach. Cronenbergs aufgestaute Emotionen manifestierten sich
in seinem Drehbuch zu The Brood, das er oft als seine Interpretation von
Kramer vs. Kramer (Kramer gegen Kramer) bezeichnet. The Brood wird
aufgrund der oben genannten Umstände auch als einer der privatesten Filme
Cronenbergs bezeichnet, da er zum ersten Mal seine Charaktere emotional
gestaltet und Identifikationsfiguren wie die des Frank Carveth bietet. Der
18
Zuschauer findet im Plot des Films die jüngsten Ereignisse im Privatleben David
Cronenbergs verarbeitet: Schon eine oberflächliche Betrachtung der
Filmhandlung zeigt die Parallelen in den Punkten 'Entführung der Tochter' und
'Rettungsversuch des Vaters' auf. Faszinierend ist auch die Betrachtung des
(fiktiven) Buchs 'The Shape of Rage'13. Nola Carveth manifestiert ihre Wut in
der sogenannten 'Brut', dem Ergebnis einer bewußt hervorgerufenen
psychosomatischen Erkrankung. Diese Geschöpfe sind kaum noch menschlich
zu nennende Kopien ihrer Tochter Candice14, die mit Nolas Wut erwachen und
die Personen töten, gegen die sich der Zorn ihrer 'Mutter' richtet. Cronenberg
dagegen manifestierte seine Wut im Prozeß des Drehbuchschreibens (man
könnte das Drehbuch zu The Brood als Cronenbergs 'Brut' bezeichnen). Das
Verfassen des Drehbuchs besaß für Cronenberg somit eine kathartische
Wirkung: Die Filmfigur Frank Carveth erwürgt, stellvertretend für den Regisseur,
die Monstrosität, die einst seine Frau war. Cronenberg dazu: "I certainly feel
poised and in control during filming […]. It's as close to literal autobiography as
I've ever come. I hope I don't come that close again. I can't tell you how
satisfying the climax is. I wanted to strangle my ex-wife."15
Scanners, ursprünglich 'Sensitives' betitelt, basierte auf dem ursprünglichen
Skript 'Telepathy 2000', welches Cronenberg an den ungekrönten König des BPicture, Roger Corman, sandte. Der Kanadier erhielt jedoch nie eine Reaktion
auf sein Manuskript.16 Cronenberg beschloß, weiterhin unabhängig zu arbeiten
und realisierte Scanners in Zusammenarbeit mit der Produktionsfirma 'Filmplan
International Inc.' und der kanadischen Filmförderung. In nur zwei Wochen Vorbereitungszeit und ohne eine definitive Drehbuchfassung entstand unter mehr
oder weniger abenteuerlichen Voraussetzungen der Film, der bis zu diesem
Zeitpunkt der kommerziell erfolgreichste Film des Kanadiers sein sollte und
auch seinem Vorgänger The Brood zu größerem Ansehen verhalf.17 Laut dem
amerikanischen Fachblatt 'Variety' führte Scanners in seiner Eröffnungswoche
sogar die Liste der 'box office hits' an. Die Medien begannen zu diesem Zeitraum, Cronenbergs Werk anerkennend zu betrachten: "Mit diesem Film hat sich
der siebenunddreißigjährige Kanadier nach nur fünf Jahren im Filmgeschäft als
großer Meister des Gruselkabinetts erwiesen."18
Aus Cronenbergs nächstem Projekt, 'Network of Blood', entwickelte sich der
Autorenfilm Cronenbergs: Videodrome. Das Skript sah schon zur Planungszeit
die Geschichte eines Mannes vor, der unter dem normalen Fernsehsignal ein
fremdes, andersartiges Signal entdeckt. Videodrome durchlief unzählige kreative Prozesse: Die erste Phase, zu extrem im Gewaltpotential und in sexuellen
Darstellungen, mußte mit Blick auf realistische Chancen, einen Verleih zu finden, umgearbeitet werden. Außerdem konnten die Anforderungen des Drehbuchs an den Spezialeffekt-Künstler Rick Baker bei dem bescheidenen Budget
unter keinen Umständen realisiert werden.
Cronenberg überarbeitete die Drehbuchfassungen während der Dreharbeiten
und später sogar noch am Schneidetisch und experimentierte mit alternativen
Schlußsequenzen. Schließlich sah er sich gezwungen, nach einer
19
katastrophalen Testvorführung eine dem Zuschauer zugänglichere
Schnittfassung zu erstellen.
Videodrome wurde als erster Film Cronenbergs von einer ‘major company’
unterstützt. Universal Pictures war Verleiher und Co-Produzent. Weiterhin wurde Videodrome mit einer für einen geringbudgetierten Film hohen Anzahl von
900 Kopien gestartet. Leider verschwand der Film nach nur einer Woche aus
den amerikanischen Kinos: Videodrome erwies sich als Cronenbergs erster finanzieller Flop.
Bei einem Treffen mit Regisseur John Landis traf Cronenberg die Filmproduzentin Debra Hill19, die ihm die Stephen-King-Verfilmung The Dead Zone unter
der Produktion von Film-Mogul Dino de Laurentiis anbot. Cronenberg willigte
ein, und inszenierte seinen zweiten Film, der weder auf seiner Idee noch auf
einem selbstverfaßten Drehbuch basierte. Wiederum scheiterte der Film an
mangelnden Einspielergebnissen, da der Kinomarkt zu diesem Zeitpunkt mit
einer Vielzahl von Stephen-King-Verfilmungen übersättigt war. Dennoch gehört
The Dead Zone zu den qualitativ hochwertigeren King-Verfilmungen, gewann
drei von fünf Auszeichnungen beim Filmfestival in Avoriaz und wurde in den
Vereinigten Staaten sieben mal für den Edgar-Allan-Poe-Preis nominiert.
Bereits zur Zeit von Videodrome arbeitete Cronenberg an einem Filmkonzept
mit dem Titel 'Six Legs'. Das Projekt sah einen Plot über Insekten vor, deren
Verzehr oder Genuß süchtig macht – eine Idee, die Cronenberg bei der Interpretation von William S. Burroughs' Naked Lunch wieder aufgreifen sollte. Cronenberg wurden im Anschluß an The Dead Zone Projekte wie Total Recall angeboten, wobei das Drehbuch dem Regisseur sehr zusagte.20 Wie gewöhnlich
wollte Cronenberg sich jedoch das Recht herausnehmen, das Drehbuch in seinem Sinne zu überarbeiten und die Kontrolle über die endgültige Schnittfassung
des Films, den 'final cut', zu besitzen. Doch eine konzeptionelle Einigung über
das Projekt kam zwischen Cronenberg und seinem Produzenten Dino de Laurentiis nicht zustande. Nach fast einem Jahr vergeblich genutzter Kreativität zog
sich Cronenberg von dem Projekt zurück.
Er bekam weiterhin Regieangebote aus Hollywood. Darunter befanden sich
Filme wie Flashdance, Beverly Hills Cop, Witness und Top Gun. Diese Angebote lehnte Cronenberg jedoch ab, da er der Unabhängigkeit seiner eigenen Ideen
den Vorzug gab und sich nicht dem 'mainstream'-Kino verschreiben wollte.
1985 bot Mel Brooks21 in seiner Funktion als Produzent Cronenberg ein Remake des Science-fiction-Horrorklassikers The Fly22 an. Cronenberg sagte zu,
sicherte sich aber die Kontrolle über das von Charles Edward Pogue verfaßte
Drehbuch. The Fly wurde Cronenbergs erster großen 'kommerzieller Hit' und
verhalf dem Regisseur zu einem Bekanntheitsgrad über die Grenzen des Genres hinaus.23
Wie nie zuvor sprach Cronenberg mit The Fly besonders das 'mainstream'Publikum an, ohne dabei seine Ideen und Visionen zu verraten, eine Tatsache,
die nicht zuletzt den populären Schauspielern Jeff Goldblum und Geena Davis
zuzuschreiben ist.
20
Die Finanzierung seines nächsten Films Dead Ringers24 erwies sich als ein
scheinbar unüberwindbares Hindernis, da sich die Finanziers am Berufsstand
der Gynäkologen stießen und vorschlugen, die Protagonisten durch zwei
Anwälte zu ersetzen. Natürlich nahmen die Produzenten auch am fehlenden
'happy end' der Geschichte Anstoß. Cronenberg zog die Konsequenz und
wurde neben Regisseur und Co-Autor auch Produzent seines Films. Dead
Ringers markierte nicht nur den filmischen Wendepunkt vom fleischlichen zum
psychologischen Horror (der 'Horror' deformiert nun nicht mehr den Körper der
Figuren, er deformierte die Psyche), sondern ebnete Cronenberg den Weg zur
lang erwarteten Akzeptanz als innovativer, ernstzunehmender Regisseur.
Kritiker scheuten nicht mehr vor dem Wort 'Filmemacher' zurück. Dead Ringers
erhielt den Filmkritikerpreis von Los Angeles für die 'Beste Regie'.
Vor seinem nächsten eigenen Projekt versuchte sich David Cronenberg als
Schauspieler, als er in Nightbreed, 1990 von Clive Barker25 inszeniert, die Rolle
eines schizophrenen Psychiaters und Massenmörders verkörperte. Zu diesem
Zeitpunkt arbeitet Cronenberg bereits an dem Drehbuch seines nächsten Filmes.
Die William-S.-Burroughs26-Verfilmung Naked Lunch stellt angesichts des
Ansehens des Romans in der amerikanischen Literatur das ambitionierteste
Projekt David Cronenbergs dar – über fünf Jahre befand sich das Lieblingsprojekt des Regisseurs in Planung. In Naked Lunch fusioniert Cronenberg seine
eigene Filmsprache mit Motiven des Romans und autobiographischen Zügen
Burroughs'. Somit erscheint Naked Lunch weniger als eine Literaturverfilmung
im klassischen Sinn. Cronenbergs Naked Lunch ist eine Reflexion über die Entstehungsgeschichte dieses Romans und den Prozeß des Schreibens.
Naked Lunch war als der erste Film Cronenbergs geplant, der außerhalb Kanadas entstehen sollte; es waren Originalschauplätze in Tanger vorgesehen,
vom Regisseur und Burroughs selbst ausgesucht. Angesichts des Golf-Kriegs
mußte jedoch die gesamte Produktion in Toronto realisiert werden, da sich keine Versicherung dazu bereit erklärt hatte, dieses Risiko zu tragen. Somit entstand Burroughs 'Interzone' komplett als Kulisse im Filmstudio. Naked Lunch
erhielt vom 'New York Film Critics Circle' Preise für beste Regie, Drehbuch und
Nebendarsteller. Im Dezember 1992 wurde der Film von der 'Acedemy of Canadian Cinema and Television' mit elf 'Genie Awards' ausgezeichnet. Des weiteren erhielt Cronenberg von der National Society of Films den Kritikerpreis
'Bester Regisseur'. Zudem wurde Naked Lunch mit dem 'Besten Drehbuch'
ausgezeichnet. Eine weitere Drehbuchauszeichnung wurde dem kanadischen
Regisseur von der Boston Society of Film Critics überreicht.
Zum Filmstart von Naked Lunch im Jahr 1992 veranstaltete das Museum of
the Moving Image in New York eine Cronenberg-Retrospektive. Bereits im Jahre 1983 hatte man Cronenberg in seiner Heimatstadt Toronto mit einer Retrospektive geehrt, ebenso beim Fantastic Film Festival in St. Malò (Frankreich)
und der Cinémathèque Française, bei der vierten Internationalen Fantasy- und
21
Science-fiction-Ausstellung in Rom, beim Edinburgh Festival, beim Filmfestival
in Metz und dem Fantasporto Filmfestival in Portugal.
Cronenbergs M. Butterfly entstand nach dem gleichnamigen Bühnenstück
von David Henry Hwang, das 1988 am Broadway uraufgeführt wurde.27 Die
Filmrechte an diesem Stück wurden von David Geffen, Präsident der Filmgesellschaft 'Geffen Pictures', erworben und David Cronenberg angeboten. Mit
Drehbuchautor Hwang wurde verabredet, den politischen Hintergrund der Geschichte zu vernachlässigen, um die Charaktere und deren Emotionen in eindringlicher Intimität zu schildern. Einen Monat vor Drehbeginn wurde dem Team
Cronenbergs eine Drehgenehmigung in der Volksrepublik China erteilt. Somit
konnten viele Szenen von M. Butterfly an Originalschauplätzen im Reich der
Mitte, außerdem in Budapest und Paris gedreht werden.
Im März 1993 fand in Japan die bisher umfassendste CronenbergRetrospektive statt, ein Gemeinschaftsprojekt des großen Warenhauses Seibu
in Tokyo, der Regierung Ontarios und Kanadas, der Cinémathèque of Ontario
und des Internationalen Film-Festivals. In zwei Wochen wurden alle Kino-,
Fernseh- und Werbefilme Cronenberg gezeigt sowie eine Ausstellung mit 300
Exponaten von Cronenbergs Dreharbeiten veranstaltet. Besucher konnten sich
beispielsweise an 16 Original-Mugwumps aus Naked Lunch erfreuen.
Bereits kurz nach Kinostart von M. Butterfly kursierten Gerüchte und Spekulationen bezüglich Cronenbergs neuestem Project. Für kurze Zeit war die Verfilmung des umstrittenen Romans 'American Psycho' von Bret Easton Ellis im
Gespräch – prinzipiell eine Herausforderung für jeden Regisseur, nicht nur für
David Cronenberg. Jedoch hielt sich hartnäckig das Gerücht, daß Cronenberg
sich der Adaption eines Romans von James Graham Ballard28 annehmen würde. Als mögliche Projekte waren damals die Romane 'Concrete Island' und
'Crash' im Gespräch. Bevor David Cronenberg bekannt gab, daß er sich der
Verfilmung von 'Crash' annehmen würde, stand für dieses Projekt kurzzeitig der
Regisseur Charles Wilkinson im Gespräch.
Wie schon bei früheren Filmen Cronenbergs schieden sich an Crash die
Geister. Als der Regisseur 1996 bei den Filmfestspielen in Cannes des
Spezialpreis der Jury für 'künstlerische Originalität, Innovation und
Waghalsigkeit' von Francis Ford Coppola entgegennahm, wurde er ausgebuht
und der Film als 'langweilige Pornographie' beschimpft. Nur wenige Kritiker
lobten Crash als 'absolutes Meisterwerk'. Den größten Erfolg feierte Crash in
Frankreich, wo er von über 500.000 Kinogängern gesehen wurde. In seinem
Heimatland Kanada erhielt Cronenberg für Crash fünf der begehrten Genie
Awards (Auszeichnungen für Regie, Filmadaption, Kameraführung, Schnitt und
Tonschnitt) und wurde in der Kategorie 'kanadischer Film mit den höchsten
Bruttoeinspielergebnissen' mit der Goldenen Rolle ausgezeichnet. Bereits im
Jahre 1990 war Cronenberg in Frankreich der Titel eines 'Chevalier de l'Ordre
des Arts et Lettres' verliehen worden. 1997 wurde dieser Titel zum 'Officier de
l'Ordre des Arts et Lettres' aufgewertet
22
In Interviews zu Crash ließ Cronenberg verlauten, er arbeite momentan an
einem Drehbuch zu seinem nächsten Projekt, Red Cars, einer Biographie des
amerikanischen Rennfahrers Phil Hill, der 1961 mit seinem Ferrari die Formel
Eins gewonnen hatte. Dieses Projekt über die Ferrari-Dynastie erlag anscheinend rechtlichen Differenzen und wurde von Cronenberg rasch verworfen.
Zwischen 1996 und 1999 war David Cronenberg des öfteren in kanadischen
Filmproduktionen in kleineren Rollen oder in Gastauftritten zu sehen: "Ich habe
damit [mit der Schauspielerei] angefangen, weil ich glaube, daß die meisten
Regisseure ohnehin Schauspieler sind", kommentiert Cronenberg. "Für mich ist
das auch eine Möglichkeit, an einem Film mitzuarbeiten, wenn ich gerade ein
Drehbuch schreibe. Wenn ich an einem Script arbeite, kann es gut und gerne
sein, daß ich eineinhalb oder zwei jahre lang kein Filmset zu sehen bekomme.
Bei mir entwickelt sich dann das Gefühl, daß ich nicht länger ein Filmemacher
bin."29 So trat Cronenberg als Mafia-Killer in Gus Van Sants To Die For auf,
spielte den Schwarzbrenner Clem Clayton in dem kanadischen Fernsehfilm
Moonshine Highway von Andy Armstrong und war in den kanadischen Filmen
Henry and Verlin, sowie Blood and Donuts zu sehen.30
Im Mai 1998 eröffnete die New Yorker Thread Waxing Space Gallery eine
Ausstellung unter dem Titel 'Spectacular Optical'.31 Dort waren für zwei Monate
Exponate von Künstlern zu sehen, die sich in ihrem Schaffen von Cronenbergs
filmischen Werk beeinflußt fühlten. Requisiten und Produktionsskizzen aus
Cronenbergs Filmen wurden ebenfalls ausgestellt.
Immer wieder versuchte die Maschinerie Hollywood, den unabhängigen Regisseur Cronenberg für große, kommerzielle Filmproduktionen zu gewinnen. Zu
den angebotenen Projekten gehörte der innovative Thriller Seven32 und der
vierte Teil der Alien-Saga: Alien – Resurrection.33 Wiederum lehnte Cronenberg
zugunsten künstlerischer Unabhängigkeit vom System Hollywood ab. Der Regisseur hierzu:
"I was offered Seven and I was offered Alien 4, and the temptation was
to say 'I'll just jump at it and tomorrow I'll be shooting the movie,' but then
you realise it's not so simple because those movies don't happen unless
you get the right casting and you get the right budget, and then you have
to deal with the studio's script notes, so there are battles to be fought
even within that system. So it's not just sort of 'Oh, if I only did that I'd be
making a movie, and making a lot of money too.' It's not easy there either
so I feel that in a way it's just because of what I want to do. In other
words it's the choice I've made but I don't think the other way would be
easier. There are a lot of battles to be fought either way. It's hard to make
a movie, so why not make a movie that you're dying to make, that you're
passionate to make."34
Bereits 1998 kursierten die ersten Gerüchte über einen neuen CronenbergFilm, der eine Rückkehr zu den thematischen Wurzeln des 'Neuen Fleisches'
markieren sollte: Der Arbeitstitel: Crimes of The Future 1998. Endgültiger Titel: eXistenZ. Bemerkenswert erschien bereits im Vorfeld des Filmes, daß es
23
sich hierbei mit der Thematik virtueller Realitäten um eine Rückbesinnung auf
das Frühwerk des Kanadiers handelt, des weiteren sollte es sich um das erste
Drehbuch Cronenbergs seit Videodrome handeln, welches nicht auf einer
Fremdvorlage basiert.
Das Drehbuch zu Cronenbergs eXistenZ entstand bereits vor den Drehbarbeiten zu Crash.
"Crash war geschrieben. Das Drehbuch war fertig, aber ich konnte es
nicht in Gang bringen. Mike Marcus, der zu der Zeit mein Agent war, ging
zu MGM. Dann fragte er mich: 'Hast Du noch irgend etwas anderes?'
Darauf sagte ich: 'Also kann ich etwas ausarbeiten'. Danach kam es zu
einem Treffen und ich schlug eXistenZ vor. Das ist die
Entstehungsgeschichte des Films. Ich hatte damals nicht das Gefühl,
daß es an der Zeit war, unbedingt etwas neues zu schreiben".35
Die Grundidee zu eXistenZ bekam Cronenberg 1995 nach einem Interview,
das er mit dem im Verborgenen lebenden Schriftsteller Salman Rushdie führte,
über den die Fatwa, ein von muslimischen Mullahs ausgesprochenes Todesurteil, verhängt wurde. Die Idee, daß ein Künstler aufgrund religiöser oder philosophischer Ideen verfolgt und somit gezwungen wird, ständig auf der Flucht zu
sein, faszinierte Cronenberg. Somit fand auch die Fatwa den Weg in das Drehbuch zu eXistenZ. Die Idee, die Figur des Schriftstellers durch eine Designerin
von Computerspielen zu ersetzen, resultierte ebenfalls aus der Diskussion zwischen Cronenberg und Rushdie über den künstlerischen Aspekt von Computerspielen und der Figur des Spiel-Designers als Künstler.
Neben seinem gewohnten Produktionsteam konnte Cronenberg neben dem
Newcomer Jude Law36 Hollywood-Größen Willem Dafoe37und Jennifer Jason
Leigh38 verpflichten. Leigh sagte der Gerüchteküche Hollywoods zufolge, ein
Engagement in Stanley Kubricks letztem Film Eyes Wide Shut ab, um unter der
Regie David Cronenbergs die Hauptrolle in eXistenZ zu spielen.
Cronenbergs eXistenZ stellt bis dato mit fast 40 Millionen Dollar Produktionsbudget den finanziell aufwendigsten Film des kanadischen Regisseurs dar.
Eine besondere Ehre wurde David Cronenberg 1999 zuteil: Wurde der ihm
verliehene Spezialpreis der Jury 1996 in Cannes noch zwiespältig aufgenommen, so feierte der Regisseur 1999 eine triumphale Rückkehr nach Frankreich
als 51. Jurypräsident der Filmfestspiele.
eXistenZ wurde ebenfalls 1999 bei der Berlinale für den Goldenen Bären
nominiert und mit dem Silbernen Bären für 'Besondere künstlerische Leistungen' ausgezeichnet. In Berlin erlebte eXistenZ am 16. Februar 1999 auch seine
Welturaufführung.
Zum Zeitpunkt der Drucklegung sind noch keine Informationen über konkrete
zukünftige Projekte des kanadischen Regisseurs bekannt.
David Cronenberg lebt mit seiner Frau und seinen Kindern, einer Tochter und
einem Sohn, in Toronto.
24
Anmerkungen
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
Der spätere Regisseur Ivan Reitman, geboren am 27.10.1946, betreute Cronenbergs erste
'große' Spielfilmproduktionen Shivers und Rabid in der Produktion und Filmmusik. Seinen
ersten relevanten Credit konnte Reitman als Produzent des Zeichentrickfilms Heavy Metal
(1981) verbuchen. 1984 folgte sein Überraschungserfolg Ghostbusters und markierte Reitmans Wechsel in das Komödiengenre, dem er noch bis heute treu geblieben ist. Eine Filmauswahl: Twins, Ghostbusters II, Kindergarten Cop, Stop! Or My Mom Will Shoot!, Dave, Junior und zuletzt Six Days – Seven Nights.
Die Abkürzung 'CFDC' steht für 'Canadian Film Development Corporation', einer staatlichen
Bank, die ihr Geld in Filmprojekte investiert, mit dem Ziel, die kanadische Filmindustrie zu
festigen. Obwohl Cronenberg vorgeworfen wurde, er habe mit Shivers Staatsgelder benutzt,
um Schund zu produzieren, war er als erster kanadischer Regisseur in der Lage, den 'Kredit'
der 'CFDC' zurückzuzahlen.
Die hier genannten Produktionskosten und Einspielergebnisse basieren auf den genannten
Zahlen bei Rodley.
Mark Irwins Zusammenarbeit mit David Cronenberg erstreckt sich über folgende Filme: Fast
Company, The Brood, Scanners, Videodrome, The Dead Zone und The Fly. Neben seiner
Zusammenarbeit mit David Cronenberg zeichnete er unter anderem in folgenden Filmen für
die Kameraführung verantwortlich: Fright Night - Part 2 [Mein Nachbar, der Vampir] (1987),
BAT-21 (1987), The Blob [Der Blob] (1988), Robocop 2 (1989), Passenger 57 [Passagier 57]
(1992) und Dumb and Dumber [Dumm und Dümmer] (1994).
Neben den Arbeiten für Cronenberg ist der Film Johnny Mnemonic (1995) der einzige nennenswerte Film in Sanders Biographie.
Produktionsdesignerin Carol Spier stattete in ihrer Karriere bereits über 30 Spielfilmproduktionen aus. Darunter: Agnes of God und The Believers (1985). Zu ihren weiteren Arbeiten gehören The Santa Clause (1994), Joe's Apartment von John Payson (1996) und Mimic von
Guillermo del Torro.
Howard Shore komponierte unter anderem Soundtracks für die folgenden Filme: After Hours
(1985), Big (1988), The Silence of the Lambs (1990), Philadelphia (1993), Mrs Doubtfire
(1993), The Client (1993) und nicht zuletzt für die herausragenden Filme Ed Wood (1994)
und Seven (1995). Zu seinen jüngeren Arbeiten zählen noch Tom Hanks Regiedebut That
Thing You Do! (1996), David Finchers The Game (1997) und James Mangolds Cop Land
(1997).
eXistenZ ist für den Kameramann Peter Suschitzky bereits die vierte Zusammenarbeit mit
Regisseur David Cronenberg. Zu seinen weiteren Arbeiten gehören The Rocky Horror Pictue
Show (1974), The Empire Strikes Back (1979), Krull (1982), The Vanishing (1992), Immortal
Beloved (1994) und Tim Burtons Mars Attacks! (1996).
McCarty, John, 'The Modern Horror Film', S. 178.
Der Schauspieler Oliver Reed (*13.02.1938, †02.05.1999) spielte unter anderem in Ken
Russells The Devils [Die Teufel] (1970) und Tommy (1974). Darüber hinaus taucht Oliver
Reed in unzähligen B-Pictures auf und teilt mit vielen anderen Mimen das Schicksal des 'ewigen Nebendarstellers'.
Samantha Eggar erhielt 1965 die Goldenen Palme der Filmfestspiele von Cannes als Beste
Darstellerin für den Film The Collector [Der Fänger].
Kinogänger, die im Abspann jüngerer Filme Crone.nbergs ganz genau hinschauen, werden
weiterhin die Tochter des Regisseurs Cassandra in ihrer Funktion als 'trainee assistant director' entdecken, so in Naked Lunch, gefolgt von M. Butterfly und Crash. In der Produktion
Swann (1996) weisen die Credits Cassandra Cronenberg als 'assistant director' aus. In dem
bekannten Extreme Measures (Extrem – Mit allen Mitteln, 1996) arbeitete sie als 'trainee assistant director: Toronto' – David Cronenberg ist in diesem Film in einer Gastrolle als Krankenhausanwalt kurz zu sehen.
'Die Gestalt oder Form der Wut', wobei hier die Übersetzung des englischen 'shape', 'Form',
unter dem physischen Aspekt zu betrachten ist .
Die kindlichen Kreaturen der 'Brut' erinnern mit ihren bunten Regenmänteln an die zwergenhafte, deformierte Gestalt aus Nicholas Roegs Film Don't Look Now (Wenn die Gondeln
Trauer tragen) aus dem Jahr 1972.
aus: Rodley, Chris, S. 84.
25
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
Die Idee zu Scanners existierte für Cronenberg bereits seit den siebziger Jahren. Das Script
'Telepathy 2000' beschrieb schon zu dieser Zeit die Geschichte artifiziell entstandener Telepathen und einer von einem charismatischen Führer geleiteten Untergrundbewegung. Chris
Rodley verweist auf angebliche Parallelen zu der späteren Corman-Produktion Death Race
2000. Doch ist an dieser Stelle der Vorwurf, Corman hätte sich des Cronenbergschen Drehbuches ungerechtfertigterweise bedient, von der Hand zu weisen, die im Titel auftauchende
Jahreszahl 2000 ist wohl die einzige Übereinstimmung zwischen Cormans Film und Cronenbergs Script. In Death Race 2000 werden die 'Vereinigten Provinzen von Amerika' von einem Despoten regiert, der zum Amüsement einer verrohten Gesellschaft ein Autorennen
von New York nach Los Angeles veranstaltet, wobei derjenige Fahrer gewinnt, der auf dieser
Strecke die meisten Menschen überfährt. Eher zuzustimmen wäre der Deutung von Hahn
und Jansen, die auf einen Zusammenhang zwischen Death Race 2000 und dem von Norman Jewison 1974 inszenierten Film Rollerball verweisen.
Vgl.: Hahn, Ronald M. / Jansen, Volker, 'Lexikon des Science Fiction Films'.
An dieser Stelle sei noch einmal an die Tatsache erinnert, daß The Brood (Erstaufführung
12.11.1982) in Deutschland tatsächlich zu einem späteren Zeitpunkt als Scanners (Erstaufführung 5.3.1981) in den Verleih gelang. Nach dem kommerziellen Erfolg des Films Scanners stand für kurze Zeit das Projekt 'David Cronenberg's Frankenstein' zur Diskussion, wurde jedoch niemals realisiert.
Vgl.: 'Lexikon des internationalen Films'.
Vgl.: 'Newsweek' (o. A.), zitiert nach der Presseinformation zu eXistenZ, herausgegeben von
der 'Kinowelt Filmverleih GmbH'
Debra Hill arbeitete zu diesem Zeitpunkt verstärkt mit Regisseur John Carpenter zusammen.
Sie produzierte unter anderem Carpenters Halloween (1978), The Fog (1979) und Escape
from New York [Die Klapperschlange] (1981).
Im Gegensatz zu dem 1990 von Paul Verhoeven inszenierten Total Recall mit Schwarzenegger in der Hauptrolle sah Cronenberg einen Film vor, in dem die 'Action' zugunsten der
Charaktere und deren inneren Konflikten entfiel.
Der amerikanische Regisseur und Produzent, der sich ansonsten Slapstick-Komödien verschreibt, produzierte 1980 beispielsweise den Film The Elephant Man (Der Elefantenmensch) unter der Regie von David Lynch.
The Fly (Die Fliege) USA 1958, Drehbuch von James Clavell, nach einer Erzählung von
George Langelaan, Regie: Kurt Neumann.
Cronenberg besetzte ab The Fly die Position der Kostümbildnerin mit seiner Schwester Denise Cronenberg, die zuvor bei den Dreharbeiten zu Videodrome als Garderobendesignerin
assistierte und bei The Dead Zone als Garderobenhilfe arbeitete. Denise Cronenberg zeichnet seit The Fly als Kostümbildnerin in den Filmen ihres Bruders verantwortlich. Zu Ihren
weiteren Arbeiten in dieser Tätigkeit gehören A Cool, Dry Place (1998), Murder at 1600
(Mord im Weißen Haus, 1997), Rebound – The Legend of Earl 'The Goat' Manigault (1996),
Mistrial (TV, 1996), Moonlight and Valentino (1995), Friends at Last (Liebe bis in den Tod,
TV, 1995) und Sugartime (Der Pate und das Showgirl, TV, 1995)
Der Film wurde in der Vorproduktion ursprünglich 'Twins' betitelt, mußte aber später in Dead
Ringers umbenannt werden, um Verwechslungen mit Ivan Reitmans gleichnamiger Komödie
vorzubeugen.
Dead Ringers basiert auf der wahren Geschichte der eineiigen Zwillinge Cyril und Steward
Marcus, die beide als Gynäkologen tätig waren und eines Tages tot in einem absolut verwahrlosten New Yorker Apartment aufgefunden wurden.
Der 1952 in Liverpool geborene Clive Barker ist neben seiner Tätigkeit als Schriftsteller,
Theaterautor, Illustrator und Produzent besonders durch seine eigenen Regiearbeiten Hellraiser (1987), Nightbreed [Cabal] (1990) und Lord of Illusions (1995) bekannt.
William S. Burroughs revolutionierte mit seinem Werk die Literatur. Er brachte Chaos in die
Ordnung und etablierte das Zufallsmoment in der Schriftstellerei. Um diesen literarischen
Drogentrip zu realisieren, benutzte der Autor der Beat-Generation 'cut-up'- und 'fold-in'Techniken. Somit erscheint Burroughs' Werk nicht als lineare Komposition, sondern als ein
kunstvolles Arrangement einzelner, loser Textpassagen, als ein Wegbereiter der
Postmoderne in der Literatur. Burroughs schrieb während seiner Heroinabhängigkeit in den
50er Jahren unter anderem die folgenden Romane: 'Nova Express', 'The Ticket That
Exploded' und 'Interzone'. Mit Naked Lunch strebt Cronenberg eine Fusion aus Biographie
und Romanmotiven an. Wenige Textpassagen sind dem eigentlichen Roman entnommen.
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
Der Rest erscheint biographisch: Tatsächlich erschoß William S. Burroughs seine Frau 1952
unter Alkoholeinfluß. Es folgte eine Flucht nach Marokko, wo Burroughs intensiv mit Drogen
experimentierte und das Schriftstellerehepaar Bowles kennenlernte. Allen Ginsberg und
Jack Kerouac besuchten tatsächlich das selbstgewählte Exil des Schriftstellers.
Wiederum basiert die Geschichte um M. Butterfly auf einer wahren Begebenheit: Der 19
jährige Bernard Boursicot arbeitete im Jahr 1964 als Buchhalter in der französischen Botschaft in Peking. Boursicot verliebte sich in Shi Pai Pu, einen Star der Peking-Oper, die ihm
1965 eine Fehlgeburt vortäuschte und dem Franzosen, nach einem Jahr der Abwesenheit,
einen vermeintlichen Sohn präsentierte. Bis 1979 besuchte Boursicot immer wieder seine
Geliebte in Peking. Als er 2 Jahre später nach Paris zurückkehrte, folgten bald darauf Shi
und der vermeintliche Sohn. Der durch die Beziehung eines französischen Diplomaten zu
einer Rotchinesin aufmerksam gewordene französische Geheimdienst ließ das Paar unter
der Beschuldigung festnehmen, Geheimdokumente an chinesische Agenten überbracht zu
haben. 1986 gewann der Prozeß gegen Boursicot und Shi bizarre Ausmaße mit der Enthüllung, daß Shi Pei Pu nicht nur Spion, sondern auch männlichen Geschlechts war. Boursicot
beteuerte, zwanzig Jahre lang nicht bemerkt zu haben, daß seine Geliebte sich nur für eine
Frau ausgegeben hatte. Obwohl beide zu einer Haftstrafe verurteilt wurden, wurden sie
nachträglich von der französischen Regierung begnadigt.
Als vertiefende Lektüre der realen, historischen Hintergründe um die Person des Bernard
Boursicot und des Stückes / des Films M. Butterfly sei der folgende Artikel empfohlen: Wadler, Joyce, "The Spy Who Fell In Love With A Shadow" in: 'New York Times Magazine' (15.
August 1993).
Der Schriftsteller James Graham Ballard wurde 1930 in Shanghai geboren. Er und seine
Familie wurden während des Zweiten Weltkrieges in einem japanischen Zivilgefangenenlager interniert. Die Erlebnisse dieser Zeit verarbeitete er in dem autobiographischen Roman
'The Empire of the Sun'. Nachdem Ballard mit einer Kurzgeschichte einen Wettbewerb gewonnen hat, brach er sein Medizinstudium ab, um sich ganz der Schriftstellerei zu widmen.
Ballards Science-fiction Romane zeichnen sich dadurch aus, daß sie weniger 'Science' denn
sarkastische Gesellschaftsutopien darstellen.
Vgl.: Spelling, Ian, "Filmemacher David Cronenberg grübelte in seinem neuen SF-Thriller
über die Natur der eXistenZ." in 'Star Vision' (o.A.).
Besonders erwähnenswert erscheint an dieser Stelle Cronenbergs Kooperation mit dem
kanadischen Regisseur Don McKellar: David Cronenberg übernahm die Hauptrolle in McKellars Kurzfilm Blue und wirkte in dessen Spielfilm Last Night mit. Detaillierte Informationen zu
Cronenbergs Gastauftritten sind im Abschnitt 'Die Arbeiten David Cronenbergs' in diesem
Buch zu finden.
Der Name 'Spectacular Optical' ist Cronenberg Film Videodrome entliehen. Dort ist es der
Name der Organisation, der der Kollaborateur Barry Convex angehört.
Seven wurde unter der Regie des ehemaligen Werbefilmers David Fincher zu einem genialen visuellen und psychologischen Abstieg in die Tiefen der menschlichen Existenz.
Der Franzose Jean-Pierre Jeunet, bekannt durch seine Zusammenarbeit mit Co-Regisseur
Marc Caro an Filmen wie Delicatessen und La Cité Des Enfants Perdus, bereicherte die Alien-Saga nach Regisseuren wie Ridley Scott, James Cameron und David Fincher mit Humor und einem erfrischenden, europäischen Look.
David Cronenberg, zitiert nach: Axmaker, Sean, 'and Then I Woke Up: An Interview With
David Cronenberg' (o. A.).
David Cronenberg zitiert nach: Spelling, Ian, "Filmemacher David Cronenberg grübelte in
seinem neuen SF-Thriller über die Natur der eXistenZ." in 'Star Vision'.
Der gebürtige Londoner sammelte seine Schauspielerfahrung unter anderem bei der Royal
Shakespeare Company. 1993 gab Law sein Spielfilmdebut in dem britischen Actionthriller
Shopping, 1998 spielte er in dem ambitionierten Science-fiction-Film Gattaca einen verbitterten, gelähmten und von der Gesellschaft verstoßenen Mann. Weitere Auftritte von Jude Law
sind in Brian Gilberts Oscar Wilde und in Clint Eastwoods Midnight In The Garden of Good
and Evil.
Willem Dafoe, Jahrgang 1955, kann auf fast 20 Jahre Filmerfahrung mit den renommiertesten Regisseuren Hollywoods zurückblicken. Sein Repertoire reicht hierbei von christlichen
Figuren (in Martin Scorseses The Last Temptation of Christ) bis hin zum psychopathischen
Abschaum der amerikanischen Gesellschaft (in David Lynchs Wild At Heart). Eine kleine
Filmauswahl: Streets of Fire von Walter Hill, To Live and Die in L.A. von William Friedkin,
27
38
Platoon von Oliver Stone und Mississippi Burning von Alan Parker. Mit Filmen wie Body of
Evidence von Uli Edel und Speed 2 von Jan de Bont erlebte Dafoe jedoch auch die Tiefen
künstlerischer Qualität und den Bodensatz der Filmproduktion Hollywoods.
Jennifer Jason Leigh wurde 1962 in Los Angeles geboren und kann bereits auf eine Karriere
von über 40 Spielfilmprojekten zurückblicken. Ihr Leinwanddebut gab sie 1980 in Ken Wiederhorns Eyes of A Stranger. Es folgten Filme wie The Hitcher von Robert Harmon, Flesh
and Blood von Paul Verhoeven, Letzte Ausfahrt Brooklyn von Uli Edel, Backdraft von Ron
Howard, Short Cuts und Kansas City von Robert Altman und The Hudsucker Proxy von Joel
und Ethan Coen.
28
Cronenberg rezensiert
"Diversity of opinion about a work of art shows that the work is new,
complex and vital."1
Oscar Wilde
"The films of David Cronenberg have split critical opinion into two. They
are either adored or reviled. It is difficult to remain indifferent to the films;
on the whole they provoke strong reactions in their viewers. But there is
no question that Cronenberg is one of our major filmmakers. Regardless
of which side of the critical spectrum you support, his films cannot simply
be ignored."2
Tatsächlich scheinen zu Cronenbergs Filmen nur zwei mögliche
Stellungnahmen zu existieren: totale Ablehnung oder
faszinierter Zuspruch. Cronenbergs Filme hinterlassen im
positiven wie im negativen Sinne keine oberflächliche oder
banale Wirkung auf ihr Publikum oder ihre Kritiker. Im Vergleich
zu vielen zweit- und drittklassigen Genreproduktionen
hinterlassen Cronenbergs Filme einen tiefgehenden Eindruck
und sind für den schnellen Konsum ungeeignet.
Im Zusammenhang seiner ersten drei Kinofilme Shivers, Rabid und The
Brood wurde Cronenberg mit Beinamen wie "The Baron of Blood" (Der Baron
des Blutes), "The King of Venereal Horror" (König des Geschlechts-Horrors)
oder "Dave 'Deprave' Cronenberg"3 (der moralisch verderbende) tituliert. Diese
Namensgebungen trugen zwar zur Aufmerksamkeit des Genrepublikums, nicht
aber bei den Kritikern zur Etablierung als ernstzunehmender Regisseur bei.
Shivers erfuhr in Rezensionen ein schonungsloses Schicksal. Cronenberg
führte dem Kritiker Robert Fulford, der bei dem einflußreichen Magazin 'Saturday Night' unter dem Pseudonym 'Marshal Delaney' schrieb, seinen Kurzfilm
Stereo vor. Stereo wurde von Fulford enthusiastisch rezensiert. Im guten Glauben und in naiver Erwartung einer ebenso positiven Rezension seines ersten
Kinofilms arrangierte Cronenberg eine Privatvorführung von Shivers. Zitat Cronenberg zur Rezension Fulfords: "It said, 'Inside Marshal Delaney reviews the
most perverse, disgusting, repulsive film he has ever seen.' He was basically
saying that, if this was the kind of movie Canada had to make to have a film industry, we shouldn't have an industry."4
Generell stieß das Kinodebut Cronenbergs im Heimatland Kanada auf Ablehnung seitens der Kritik. Auch in Deutschland teilten Shivers, Rabid und The
Brood ein ähnliches Schicksal: Das 'Katholische Institut für Medieninformation'
beschreibt Shivers als einen "Horrorfilm von mitunter suggestiver Vulgarität und
zahlreichen Ekelszenen", Rabid als "abstruse Gruselmär", die "nur wenig
29
Spannung erzeugt und nicht selten unfreiwillige Heiterkeit hervorruft" und The
Brood als einen "Horror-Film, der seine Einfälle aus familiären Frustrationen
und Traumata bezieht und sich dabei in unzähligen ekelerregenden Szenen
verliert".5
Da Cronenberg heute als 'seriöser Filmemacher' etabliert ist und sein Frühwerk im Kontext seines cineastischen Reifeprozesses betrachtet wird, erscheinen Rezensionen seiner frühen Kinofilme dem Werk gerechter als beispielsweise dieses Urteil:
"[…] They Came From Within [Shivers] is an intriguing and ultimately
disturbing work, which while intensely personal, is also immature,
suffering from a lack of balance and genuine insight. […] Unfortunately
They Came From Within is flawed aesthetically as well, suffering as it
does from an extremely low budget and a director who had not yet fully
developed a cogent visual style."6
In Europa als politische Allegorie interpretiert, in der die Verbreitung der Parasiten und damit auch die sexuelle Aggression (oder aggressive Sexualität) als
Kritik am bürgerlichen Leben und an bürgerlicher Demokratie gedeutet wurde,
kam es in Kanada zu Protesten seitens der Presse und Politiker, da dieser Film
mit Fördergeldern der kanadischen Regierung realisiert wurde, eine Tatsache,
die sich als sehr werbewirksam für Cronenbergs Film erwies und ihm eine bemerkenswerte Popularität bescherte.
Berechtigte Kritik wurde an Cronenbergs zweitem Kinofilm Rabid geübt, zeigte dieser doch so viele Parallelen zu seinem Vorgänger auf, daß Kritiker von
einem 'Remake'7 sprachen: "Virtually a remake of Cronenberg's The Parasite
Murders [Shivers], Rabid lacks the power of the earlier movie, its similarly ending notwithstanding."8
Doch mußte Cronenberg nicht nur die Anschuldigung hinnehmen, von seinem eigenen Filmschaffen zu kopieren, es wurde ihm auch von anderer Seite
unterschwellig der Vorwurf gemacht, ein Plagiat des Horrorfilm-Klassikers von
George A. Romero, Night of The Living Dead, hergestellt zu haben: "Writerdirector Cronenberg has proven himself capable of much better things than this
frothy but decidedly mediocre reprise of Night of The Living Dead (1968)."9
Im Gegensatz zu negativen Rezensionen seiner früheren Filme erweist sich
The Brood als ein erster Wendepunkt in der Beurteilung des Regisseurs. Der
Film wird als "potent allegory about the effects of child abuse and the trauma of
divorce"10 beschrieben, als "Kommentar zur Auflösung der Großfamilie"11 sowie
der Entfremdung zwischen Mann und Frau gesehen und von vielen Autoren als
Beginn des 'New Cronenberg' bezeichnet. David Cronenberg hatte seine Filmsprache gefunden und seinen persönlichen Stil etabliert.
"While his previous work (They Came From Within and Rabid) consisted
of coldly clinical exercises in fear and loathing of the human body,
Cronenberg presents more complex and genuinely sympathetic
characters in The Brood, giving the film added resonance. The Brood
30
also marks Cronenberg's growing confidence as a visual stylist, and the
cinematic realization of his themes is remarkably effective and quite
unforgettable. A must-see."12
Obwohl sich Cronenberg seit Scanners in Kanada und den Vereinigten Staaten bereits als Genreregisseur etabliert hatte (ein Ruf, den er spätestens mit
Dead Ringers verlieren sollte), galten seine Filme im deutschsprachigen Raum
immer noch als ein 'subversives Element' auf dem neu entstehenden Videomarkt. Seine Werke wurden in Rezensionen immer noch auf die visuellen
Schockeffekte reduziert, Scanners als eine "Mischung aus Horror- und Sciencefiction-Film" bezeichnet, "die statt einer kritischen Reflexion der Zwiespältigkeit
moderner Medizin und Pharmazeutik nur die Abwicklung roher Effekte, Schocks
und Tricks betreibt"13, oder sehr unwissenschaftlich als "Klamotte" beschrieben,
"die jedem, der noch nicht völlig abgestumpft ist, permanente Magenkrämpfe
beschert: Seine explodierenden Köpfe sind abscheulich anzusehen, aber das
ist genau das, worauf Cronenberg spekuliert […]".14 Diese Ablehnung resultiert
aus der Tatsache, daß die Filme Cronenbergs (und das Horrorkino im allgemeinen) in Rezensionen eine ungerechtfertigte Reduktion auf die Spezialeffekte
erfahren und diese außerhalb ihres Szenenzusammenhangs als das den Film
stilistisch dominierende Element dargestellt werden.
Somit wird Scanners plakativ als "the exploding head movie"15 bezeichnet,
wie auch der Rest des Cronenbergschen Filmwerks nur anhand seiner expliziten 'special effects'16 gewertet wird: "Sein [Cronenbergs] Kino ist ein Kino für
Voyeure, nur daß denen Blut anstatt Sex geboten wird... (Die) tricktechnischen
Scheußlichkeiten müßten jeden Blutfetischisten zufriedenstellen."17
Diese inadäquate Betrachtungsweise wandelt sich auch nicht mit dem Erscheinen von Videodrome, Cronenbergs 'Autorenfilm' – ein Film, der sich im
englischsprachigen Raum längst seinen Platz als Klassiker des modernen Horrorfilms gesichert hat.18
Wiederum stößt ein Film Cronenbergs hierzulande auf Unverständnis, wird
mißbilligend und salopp als "Horror- und Science-fiction-Thriller mit einigen unnötigen Ekel- und Schockbildern, der als grimmige schwarze Komödie moderne
Medientechnologien weiterdenkt"19 bezeichnet. Eine annähernd akzeptable Annäherung an den Film bezeichnet Videodrome als "hochaktuell und erschreckend zugleich", als eine "grimmige, schwarze Komödie und Prophezeiung,
wohin die zügellose Verbreitung und ungehinderte Produktion von Medientechnologie führen kann […]".20
Im beinahe schon absurd-komischen Kontrast zur negativen Rezeption in
Deutschland bescheinigen Kritiker aus dem anglo-amerikanischen Raum,
Cronenberg sei "[…] one of the most inspired, original and challenging genre
filmmakers of the decade".21 Weitere enthusiastische Besprechungen des Films
Videodrome fügen sich nahtlos in diesen Reigen ein:
31
"As audacious in its formal refusal to disentangle medium and message
as it is provocative in scrambling politics and pornography, Cronenberg's
ragged speculation on the videoage future acts both as the first
McLuhanite horror movie and as a cheekily joky reprise of motifs from his
own substantial generic oeuvre to date."22
Mit The Dead Zone ist der erste, wenn auch nur zaghafte Wandel im Spiegel
der Kritik zu verzeichnen. In moderaten Besprechungen wird The Dead Zone
als "größtenteils spannender Polit-Thriller nach Stephen King" bezeichnet, der
zwar "etwas unscharf in der psychologischen Motivation", aber "mit treffenden
Seitenhieben auf das politische Klima in den USA"23 versehen sei.
Der 'Hauch des Subversiven', der den früheren Filmen Cronenbergs nachgesagt wurde, scheint dahinzuschwinden. Der Kritiker lobt nun Cronenbergs bisher als unmotiviert und statisch geltende Figurenführung als "eine nach innen
blickende Intensität in der Zeichnung des Johnny Smith, die dem Film mehr
Kraft verleiht, als er sonst vielleicht besessen hätte".24 Weiterhin bringe jeder
Schauspieler in The Dead Zone "eine derartige Authentizität in seine oder ihre
Rolle ein, daß sich die Persönlichkeit der dargestellten Figur unterordnet. Als
Resultat überzeugte Dead Zone auf mehreren Ebenen, eine Leistung, die nur
wenige King-Verfilmungen erreicht haben."25
Ein weiterer Grund für diese moderaten bis sogar positiven Betrachtungen
des Films ist darin zu sehen, daß Anfang bis Mitte der achtziger Jahre Verfilmungen des Bestsellerautors Stephen King eine regelrechte Hochkonjunktur
erlebten, was selbstverständlich auch für die literarischen Vorlagen dieser Filme
galt.26
"With The Dead Zone, his 1983 box office winner based on the bestselling novel by Stephen King, Canadian Shockmaster David Cronenberg
not only began reaching larger audiences than ever before, but also
started getting better reviews. Prior to The Dead Zone Cronenberg has
been considered – by most mainstream critics certainly and even by
some genre aficionados as well – as a director of over-the-top gore epics
perversely designed to 'disgust the mind and repel the senses.'"27
Cronenbergs kommerziell erfolgreichster Film, The Fly, ein 'Remake' des
gleichnamigen Horrorklassikers von Kurt Neumann aus dem Jahr 1958, stellte
die Person Cronenbergs als Filmschaffenden in den Vordergrund. Erstmalig
erschienen in kommerziellen deutschen Kinomagazinen wie 'Cinema' Interviews
mit dem Regisseur.28
Im Zuge dieser erwachenden Popularität ereignete sich auch der unter Cronenberg-Fans allgemein bekannte und viel diskutierte 'Giesen-Zwischenfall':
Der renommierte Filmjournalist Rolf Giesen veröffentlichte im 'tip – Magazin'
(2/87) einen diffamierenden Artikel über The Fly – hier eine kleine Kostprobe:
32
Werbeplakat zu eXistenZ
© Kinowelt
33
Ted Pikul (Jude Law) mit der 'gristle gun' in eXistenZ
© Kinowelt
Bereit für das Spiel: Allegra Geller (Jennifer Jason Leigh) mit dem organischen 'game
pod' in eXistenZ
© Kinowelt
34
"Hier ist eine Stufe erreicht, die mich nötigt, nach einem Verbot dieses
und ähnlicher antimenschlicher Werke zu schreien. […]
Cronenberg beäugt mich durch den Schutz seiner Brille. […] Mich würde
nicht wundern, wenn er nur deswegen auf dem Schulhof keine Dresche
bezogen hätte, weil er "Brillenschlange" tituliert wurde. Der typische
Außenseiter. Ein Einzelkind vermutlich. Und Muttersöhnchen. […]
Warum kommt mir ausgerechnet jetzt in den Sinn, daß die Brillenträger
Himmler und Eichmann nicht weniger harmlos aussahen? Himmler
konnte, nebenbei, ebensowenig echtes Blut sehen wie Cronenberg."29
Selbst der dem Horrorgenre sehr konservativ gegenüberstehende Katholische Filmdienst beschreibt Cronenbergs Film als "in der naturalistischen Darstellung des bestürzenden, ekelhaften Verwandlungsprozesses auf einem
schmalen Grad zwischen Abscheu und Faszination" wandelnd. "Die konsequent gesteigerte Spannungsdramaturgie, der Einsatz perfekter formaler Mittel
und verblüffender maskenbildnerischer Fähigkeiten sowie die symbolisch anmutende, eindrucksvoll durchkomponierte Filmmusik machen ihn unter cineastischen Gesichtspunkten zu einen 'Leckerbissen'".30
Anglo-amerikanische Rezensionen und Besprechungen in diversen Horrorfilmlexika überbieten sich mit Lobeshymnen auf The Fly. Sie bezeichnen ihn als
einen 'very personal film', der sich nach The Dead Zone thematisch in die Tradition des Frühwerks wie Shivers, Rabid oder The Brood einordnen läßt. Weiterhin wird betont, The Fly kehre zurück zu den "obsessional examinations of bodily metamorphosis and scientific experimentation that run throughout the director's oeuvre". Der Film ließe sich als "a metaphor for the process of disease and
aging"31 lesen und stelle einen "Kafkaesque nightmare about the loss of identity"32 dar.
Der Wandel in der beschriebenen Rezeptionsgeschichte läßt sich auf seinen
Film Dead Ringers (1989) datieren. Deutschsprachige Kritiken loben die Abwesenheit von Cronenbergs drastischer und aggressiver Bildersprache und betonen, der Film sei "mehr an den psychologischen Untiefen der Geschichte als an
vordergründigen Horroreffekten"33 interessiert.
Somit erreicht Cronenberg hierzulande endgültig die Akzeptanz, die ihm im
anglo-amerikanischen Raum schon längst zuteil geworden war:
"Quietly devastating, Dead Ringers is a final evidence that David
Cronenberg has matured into a truly great filmmaker. Continuing the
detailed character study that blossomed in The Fly and combining it with
his fixation on the metaphysical, Cronenberg has created yet another
vividly realized film that is powerful, moving and rich in ideas. […] During
the last decade, Cronenberg has matured into a filmmaker of remarkable
scope, able to convey his obsessions with impeccable skill without
sacrifying one iota of his own remarkable individuality."34
35
Letzte Zweifel an Cronenbergs Bedeutsamkeit wurden mit der ambitionierten
Inszenierung des als unverfilmbar geltenden Naked Lunch beseitigt. Das ehemalige 'subversive Element' oder auch der 'neue Himmler', der sich mit "Blutund Ekel-Filmen"35 wie Shivers, The Brood oder The Fly einen zweifelhaften
Ruf gesichert hatte, wird nun als 'kanadischer Filmemacher' akzeptiert. In KinoRetrospektiven und filmwissenschaftlicher Literatur werden seine Filme ernsthaft diskutiert und sein einst geschmähtes Frühwerk, sehr zum Ärger der Cronenberg-Fanatiker der ersten Stunde, als wissenschaftlich relevant und ergiebig
'wiederentdeckt'.
Viele positive Kritiken loben Naked Lunch aufgrund der Tatsache, daß Cronenberg das Problem der 'Unverfilmbarkeit' des Romans dadurch umging, indem er nur Leitmotive aus dem Buch verwendete und diese mit autobiographischen Elementen aus Burroughs' Leben fusionierte. Kritiken bescheinigen, daß
Naked Lunch eine "metaphorisch angelegte, schwer zu entschlüsselnde Verfilmung des autobiographisch gefärbten Buches von William S. Burroughs" ist, die
"trotz der bizarren und für feinsinnigere Gemüter wohl auch schockierenden
Beschreibung des Drogenrausches" in "Inszenierung und Bildgestaltung einen
eher ruhigen Erzählfluß" vermittelt und das "Geschehen als einen Schwebezustand des Bewußtseins darstellt".36 Weiterhin erscheint das Lager der Kritiker
aber zwischen Wohlwollen und entschiedener Ablehnung zerstritten.
"'Naked Lunch', die fast frauenfreie Yuppieversion des pornographischen
Drogensammelsuriums von W. S. Burroughs, ist ein sich allen
salonphilosophisch anbiedernder Angeberfilm, in dem sich die
Schreibmaschinen drogensüchtiger Dichter immer wieder unmotiviert in
possierliche Käferchen […] oder schmierig-sympathische Monster
verwandeln […]."37
Diese Ablehnung wird auch von ehemaligen Cronenberg-'Fans' geäußert, die
verstärkt darauf hinweisen, daß Cronenberg mit Videodrome oder The Fly die
letzten goutierbaren Filme abgedreht habe. Auch wenn diese Kritiker eine abnehmende Qualität mit allen Mitteln rechtfertigen wollen, entlarven sie sich dadurch als Genre-Fans, die über die Tatsache enttäuscht sind, daß in Cronenbergs Filmen nicht mehr kübelweise Kunstblut vergossen wird.
M. Butterfly erfuhr, analog zu Naked Lunch, eine extrem gespaltene
Resonanz: Anglo-amerikanische Kritiker feierten den Film mit Worten wie "M.
Butterfly fällt unter die breite Kategorie des preisgekrönten Filmemachens"38,
als konsequente Weiterentwicklung der physischen, mentalen und sexuellen
Transformationsmotive und als "most perverse gesture towards the
mainstream".39
Deutschsprachige Kritiker Cronenbergs verschmähten M. Butterfly. Sie
beschreiben den Film als "halbherziges Kulissenspiel" und werfen dem
Regisseur vor, er 'verzettele' sich "in Kostümen, Zitaten und Dekors", anstatt
"sich auf den Wahnsinn seiner Figuren einzulassen". Höhepunkt der Kritik: "das
36
Drama ertrinkt im Kitsch".40 Diese Ablehnung sehen eine Vielzahl der Kritiker in
der angeblich so offensichtlichen Travestie Song Lilings begründet:
"Leider ist sie schon zu Anfang sehr faßbar, was böse Folgen hat: Die
Phantasie des Zuschauers übertrifft plötzlich das Können des
Regisseurs, und das ist schlecht."41
Cronenbergs klinisch-kalte visuellen Ausdrucksformen, eingefangen in
scheinbar emotionslosen, sterilen Bildkompositionen, und seine oftmals distanziert erscheinende Führung seiner Protagonisten finden Anstoß bei Kritik und
Zuschauer. In den seltensten Fällen kann sich der Zuschauer mit den Figuren
Cronenbergs identifizieren (welch eine schreckliche Vorstellung!). Vielmehr erscheint es, als betrachte Cronenberg, die Figuren aus einer verstörenden, neutralen Distanz. Zu dieser Problematik kommentiert John Harkness:
"Discussions of M. Butterfly have tended so far to centre on what the film
lacks, but rather, the real problem lies in what it has – in the way that the
chill of Cronenberg's work here achieves a truly cryogenic quality.
Cronenberg's problem with audiences derives less from the strangeness
of his material than from the clinical detachment of his style, and his
fondness for such emotionally remote actors as Christopher Walken,
James Woods and Jeremy Irons."42
Diese Diskrepanz zwischen filmischer Form und Inhalt zeichnen das Werk
Cronenbergs und dessen Wirkung auf den Betrachter aus. Die Filme wirken
visuell "karg, aber reich an Resonanzen"43 und vermeiden eine klischeebeladene Überemotionalisierung des gängigen amerikanischen 'mainstreams'. Gerade
M. Butterfly wirke "gemäß seines ungemein kopflastigen Ansatzes theatralisch
distanziert", eine Tatsache, die diesen "kühl und intelligent inszenierten Film
emotional schwer greifbar"44 erscheinen läßt.
Ungeachtet der kritischen Stimmen zu M. Butterfly belegen Zahl und Charakter der Rezensionen einen Grundtenor allgemeiner Akzeptanz Cronenbergs als
'seriösen' Filmemacher, wenn nicht sogar als 'auteur':
"Diese Auftragsproduktion der Geffen Pictures nach einem Drehbuch von
David Henry Hwang, der die Story bereits für eine BroadwayInszenierung ausgeschlachtet hat, ist ein gutes Beispiel dafür, wie ein
eigensinniger Regisseur dem Material eines anderen den eigenen
Stempel aufdrücken, die eigene Handschrift durchsetzen kann."45
Waren bisher nur die Kritiker gespaltener Meinung, so haben sich seit Crash
die Fronten der Cronenberg-Befürworter und Gegner verhärtet. Die Konsequenz: Das bisher spärlich gesetzte 'Mittelfeld' moderater Kritiken ist verschwunden. Etwas anderes erscheint angesichts eines inhaltlich und handwerklich so extremen Films wie Crash auch nicht mehr möglich: So schreibt beispielsweise die 'Frankfurter Allgemeine': "David Cronenbergs 'Crash' aus den
37
Vereinigten Staaten: hochgestylter Porno-Perversions-Plunder, über den kein
Wort mehr verloren werden soll."46
Andererseits kommentiert die 'Filmecho/Filmwoche': "23 Jahre ist Ballards
Roman alt, doch Cronenberg hat mit der Verfilmung einen grenzenlos modernen Film gemacht, der wie die berühmte Faust aufs Auge des ausgehenden
zwanzigsten Jahrhunderts paßt."47
Der 'unüberbrückbare Abgrund' zwischen beiden Kritiken spricht für sich. Der
Filmjournalist Georg Seeßlen bringt es auf den Punkt: "Cronenbergs Film
scheidet, seit seiner Uraufführung in Cannes, wieder einmal die Geister. Während die einem in ihm 'langweilige Pornographie' sahen, erkannten die anderen
ein 'absolutes Meisterwerk'. Er ist nichts von beidem und etwas Besseres: ein
Film, in dem und mit dem es sich zu denken lohnt, und zwar über das zur Zeit
denkbare hinaus."48
Als weiteren Punkt führen die Kritiken an, daß sich Cronenberg so weit vom
'mainstream' entfernt hat, daß seine Filme nur noch einem 'Special Interest'Publikum zugänglich erscheinen: "[Crash] remains an exceedingly intellectual
work of cold sensuality, with even theoretical appeal only to the most specialized audiences."49
Die Frage, für welche Art Publikum Cronenberg überhaupt Filme dreht, erscheint in Anbetracht des kopflastigen 'Spätwerks' des Regisseurs, Dead Ringers, Naked Lunch, M. Butterfly und Crash, durchaus angebracht. Die Filme
Cronenbergs haben damit in puncto Rezension ihr Hoheitsgebiet amerikanischer Genremagazine (wie beispielsweise 'Fangoria') und deutscher Ableger
verlassen. David Cronenberg ist ein Regisseur des Feuilleton geworden, der
von der Masse der 'mainstream'-Kinogänger nicht mehr gesehen und verstanden wird. Somit erscheint das Interesse der Filmwissenschaft und intellektueller
Filmkritiker an Cronenbergs Werk als beinahe schon gespenstisch anmutende
Konsequenz. Gemäß dem Motto 'Was ich nicht begreifen kann, muß Kunst
sein', häufen sich nach dem Kinostart von Cronenbergs Crash positive Besprechungen seines Werks. So offenbart sich Cronenberg "als wahrer Künstler der
Postmoderne"50 oder wird als zu den "konsequentesten Autorenfilmern der jüngeren Kinematographie" gezählt, der "einem Andrej Tarkowskij näher als den
zahllosen Adepten des Horror- oder Trash-Genres"51 stehe.
Auch mit Cronenbergs jüngstem Film, eXistenZ, bleiben die Fronten der
Filmkritik verhärtet. Erschwerend erscheint der Kontext, in dem eXistenZ rezensiert wird: Wurden bisher die Filme des kanadischen Regisseurs als Unikate
betrachtet – die Filme mußten lediglich Bemühungen der Genreklassifikation in
puncto Science-fiction oder Horror erleiden – so sieht sich eXistenZ mit seinen
thematischen Referenzen zu virtuellen Realitäten zum ersten Male Konkurenzprodukten, Filmen mit analoger Thematik, gegenüber.52 Cronenbergs eXistenZ ist auf dem Filmmarkt konkurrenzfähig geworden und muß somit direkte
Vergleiche zu The Matrix (USA 1999) standhalten, der sich nicht nur thematisch
38
mit künstlich generierten Realitäten, sondern auch mit dem menschlichen Empfinden von Realität selbst auseinandersetzt. Die Tatsache, daß eXistenZ kurz
nach dem erfolgreichen The Matrix in den Vereinigten Staaten startete53,
scheint Vergleiche – wie an- oder unangebracht sie erscheinen mögen – regelrecht zu forcieren.54 Allein die Tatsache, daß eXistenZ sich ebenfalls des
Science-fiction-Motivs der virtuellen Realität bedient, scheint negative Vorabkritiken zu evozieren und die Erwartungen an Cronenbergs Film zu trüben:
" At first blush, it might seem both inevitable and discouraging that David
Cronenberg […] would seize upon the concept of cyberspace. It's an
area he helped pioneer […] and now with The Matrix and the upcoming
The Thirteenth Floor, the subgenre might actually be over the hill."55
In einem derartigen Vergleich – zwei zur selben Zeit erscheinende Filme
ähnlicher Thematik – entscheidet letzten Endes die persönliche Präferenz des
betrachtenden Subjekts. Pro The Matrix, contra eXistenZ oder umgekehrt: Der
direkte Vergleich zweier künstlerischer Werke unterliegt immer dem persönlichen Geschmack des Betrachters:
"eXistenZ also suffers from the distinction of being the weakest of three
films, all released within a month's time, to toy with the line dividing
reality from fantasy. Both The Matrix and Open Your Eyes do similar
things to those that Cronenberg attempts, but with far greater success."56
Pro eXistenZ, contra The Matrix: Die Umkehr der eben zitierten Resonanz erfolgt an dieser Stelle durch die Rezension im 'San Francisco Chronicle': "This
darkly sexual sci-fi horror variant by Cronenberg […] makes The Matrix look like
child's play."57 Derartige vergleichende Rezensionen und Kritken erscheinen im
Kontext Cronenbergs zwar als ein Novum, tragen jedoch im Endeffekt nicht das
geringste dazu bei, weder The Matrix noch eXistenZ als autonome Kunstwerke
zu würdigen beziehungsweise kritisch zu betrachten.
Bisherige Rezensionen betrachten eXistenZ in einem sehr wohlwollenden
Licht und rühmen den Film als konsequente Weiterführung Cronenbergscher
Stilistik. Hierbei scheint besonderes Augenmerk auf der Tatsache zu liegen,
daß Cronenberg sein erstes originäres, nicht auf Fremdmaterial basierendes
Drehbuch seit Videodrome verfaßt habe:
"Cronenberg's first original screenplay since Videodrome puts us back
into his special brand of science fiction: the sexualization of all sensory
experience, bio-technology that fuses flesh with mechanics in a creation
as much evolutionary mutation as science, murky conspiracies, disease,
mutation, and the shifting dimensions of realities. […] eXistenZ is a return
to form."58
Kritiker, die in Filmen wie M. Butterfly und Crash eher künstlerische Fehltritte
des Regisseurs sahen, sehen eine triumphale Rückkehr zur sogenannten 'alten
39
Form' des 'spät entdeckten Meisterwerks' Videodrome. Die 'Berliner
Morgenpost' bestätigt Cronenberg, daß er mit eXistenZ "nahtlos an frühere
Filme wie Videodrome und Naked Lunch" anknüpfe und daß er erneut einen
"einzigartigen Kosmos" phantasiere, "in dem Mensch und Maschine
verschmelzen und Realitätsprinzipien außer Kraft gesetzt werden"59. Diesem
Urteil scheint sich 'Die Welt' anzuschließen: "Seit Die Unzertrennlichen [Dead
Ringers] hat Cronenberg nicht mehr so gut seine Themen Metamorphose,
Krankheit, menschliche Programmierung variiert."60
"Wo Total Recall oder Strange Days enden, fängt David Cronenberg erst
an und nimmt den Zuschauer mit auf einen Trip, der gekonnt mit
obsessiven Kopfgeburten wie der Maschinenwerdung des Menschen,
fließenden Übergängen zwischen Leben, Traum und Medienwirklichkeit
und dem Alternativuniversum von Virtual-Reality-Spielen jongliert."61
Stimmen im anglo-amerikanischen Kulturraum bescheinigen eXistenZ und
somit Cronenberg zwar keinen direkten Absturz in den 'mainstream' Hollywoods, räumen jedoch ein, daß der Film einem größeren Publikum zugänglich
sei als die früheren, angeblich weitaus verstörenderen Werke. Oftmals wird in
diesem Zusammenhang der Film The Fly genannt, Cronenbergs bis dato größter kommerzieller Erfolg:
"eXistenZ is his [Cronenberg's] most audience friendly film since The Fly.
[…] You have been warned: This is pure, unadulterated Cronenberg."62
Neben einer Würdigung der im Werk Cronenbergs ungewöhnlichen Zugänglichkeit zur intentionalen Filmebene findet eXistenZ jedoch maßgeblich für seine
künstlerischen Leistungen – für die der Regisseur auch den Silbernen Bären
der Filmfestspiele 1999 in Berlin erhielt – Beifall:
So wird eXistenZ als "an intellectual's roller-coster ride" und als "densly articulated philosophical exploration of story as game, of all identity as roleplaying"63 gepriesen; der Film würde als "one of the best films this year" bald die
Liste von "Cronenberg's biggest cult films"64 anführen. Die 'New York Times'
verzeichnet in ihrer Filmkritik: "[eXistenZ] pulses with a furtive fury that's pure
Cronenberg. Like the virtual game he plays on us, the film is weird, addictive,
and Lord, it's alive!"65
Jedoch, wie auch schon bei jedem vorherigen Film des Regisseurs, scheint
nicht die Gesamtheit der Cineasten Zugang zu den virtuellen Welten Cronenbergs zu finden: eXistenZ wird beispielsweise "slow and confusing plots, unconvincing character development and motivation, peculiar casting and often
poorly written dialogue […]" vorgeworfen, er sei langweilig und würde sich dem
Publikum entziehen und außerdem unter "a terrible case of misacting"66 leiden.
Viele kritische Stimmen verurteilen den Film als Konstrukt zufälliger Elemente,
als unzusammenhängende Produktion oder gar schlichtweg als Enttäuschung.
Etwas differenzierter urteilt hierzulande 'epd Film', Cronenberg füge seinem
40
Lieblingsthema in der Essenz "nichts Neues hinzu", die Ununterscheidbarkeit
ineinander verschlungener Existenzebenen wird "von enttäuschten Rezensenten als mittlerweile abgedroschene Erkenntnis beklagt".67 Als leidliche Durchschnittsware, als "selbstverliebt" in seinen Welten umherspringend bescheinigt
'Cinema' eXistenZ keine "durchgängig mitreißende Story"68, man erkenne
schnell, daß sich "hinter den aufgemotzten Bildern eine konventionelle Dramaturgie und eine recht dünne Botschaft verbergen".69
Betrachtet man die Rezensionen zusammenfassend, läßt sich eine für den
deutschsprachigen Raum fast allgemeingültige Tendenz aufzeichnen: Aufgrund
der hierzulande mangelnden Akzeptanz des Genres des Horrorfilms (oder des
phantastischen Films allgemein) entsteht eine Berührungsangst, die die früheren Filme Cronenbergs auf ihre spekulative Zurschaustellung von Spezialeffekten reduzieren. Als Folge werden konzeptionelle Elemente der Filme zugunsten
einer Verurteilung der oft sehr krassen Bildersprache vernachlässigt. Kritiken
und Besprechungen, die zum großen Teil aus einem konservativen Background
wie dem 'Katholischen Filmdienst' hervorgehen, neigen zu dieser Art der Betrachtung, wie an Besprechungen der Cronenberg-Filme festzustellen ist.
Festhalten läßt sich, daß seit den kommerziell erfolgreichen Filmen wie The
Dead Zone und The Fly Cronenberg in Europa einen Wandel in der Beurteilung
seiner Filme erfährt. Mit Dead Ringers bewies Cronenberg, daß eine Klassifizierung als Genreregisseur nicht haltbar ist. Nicht zuletzt die einfühlsame Studie
der Figur des Johnny Smith bringt ihm das Lob der Kritik ein.70 Seit Dead Ringers und Naked Lunch besteht kein Zweifel an der Integrität Cronenbergs als
'auteur' und Filmemacher. Beiträge über diesen Regisseur integrieren heutzutage sogar sein Frühwerk wohlwollend in den Gesamtkontext seines filmischen
Schaffens.71 Jedoch zeigen nicht zuletzt die Rezensionen von M. Butterfly auf,
daß auch Cronenbergs neuere Werke umstritten aufgenommen werden. Das
extreme Mißverhältnis in der Akzeptanz scheint ungebrochen – eine Tatsache,
die durch das Erscheinen von Crash untermauert wird. Dieser Zwiespalt muß
bei Crash zu seinen Gunsten ausgelegt werden, da seine Filme immer noch ein
umstrittenes provozierendes und radikales Potential besitzen, das beim Publikum auf Akzepanz, Ablehnung oder – im Fall von eXistenZ – auf Unverständnis
trifft. Kompromisse erscheinen nicht praktikabel.
"The film [eXistenZ] is imaginative and intense […] The real star, of
course, is Cronenberg. Love his films or hate them, you can always
expects to see something different, and eXistenZ is certainly that. These
days, that's a triumph in itself."72
41
Anmerkungen
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
Zitiert aus dem Vorwort zu: Wilde, Oscar, 'The Picture of Dorian Grey' (London, 1994), S. 6.
aus: Handling, Piers, 'The Shape of Rage - The Films of David Cronenberg', S. vii.
Rodley, Chris, S. xvii.
David Cronenberg, zitiert nach Rodley, Chris, S. 51.
Vgl.: 'Lexikon des Internationalen Films', Band 6, S. 2890.
Mulay, James, 'The Horror Film', S. 234.
Unter einem 'Remake' ist die autorisierte Neuverfilmung eines Originalstoffes zu verstehen,
der bereits mindestens einmal in filmischer Form vorlag. Auch wenn für das 'Remake' ein
neues, originäres Drehbuch vorliegt (wie im Falle von Cronenbergs The Fly), müssen die mit
dem Original verbundenen Urheberrechte gewahrt bleiben. 'Remakes' zeichnen sich in den
geläufigsten Fällen durch eine zeitgenössische Bearbeitung einer bekannten Vorlage aus.
Weiterhin werden sie als Beweis gewertet, daß neue, innovative Ideen und Konzepte in
Großproduktionen Hollywoods entweder nicht gefragt, oder nicht vorhanden sind. Ein nicht
autorisiertes 'Remake', sprich ein dreistes Plagiat, würde als 'rip-off' bezeichnet werden. Als
Lektüre zu diesem Thema sei empfohlen:
Huschke, Roland, "Déjà vu" in: 'Tip Filmjahrbuch Nr. 7' (Berlin, 1991); Manderbach, Jochen, 'Das Remake - Studien zu seiner Theorie
und Praxis' (Siegen, 1988).
Vgl.: 'Science Fiction - The Aurum Encyclopedia', S. 330.
McCarty, John, 'The Official Splatter Movie Guide', S. 106.
Ebd., S. 20.
King, Stephen, 'Danse Macabre', S. 181.
Mulay, James, S. 31.
Vgl.: 'Lexikon des Internationalen Films', Band 7, S. 3233.
Vgl.: Hahn / Jansen, 'Lexikon des Science Fiction Films', S. 722.
Vgl.: 'Science Fiction - The Aurum Encyclopedia', S. 362f.
Die Praxis, Filme des Horrorgenres in Rezensionen auf die Spezialeffekte zu reduzieren und
an diesen zu bewerten, ist hierzulande leider sehr verbreitet und führt damit nicht nur unweigerlich zur Degradierung des Phantastischen Films in die Kategorie der Subkultur, sondern
somit auch zu Berührungsängsten mit dem Horrorfilm. Verständlich ist zwar, daß derart
krasse, auf Schockwirkung basierende 'special effects'-Szenen, wie sie im Horrorgenre zu
finden sind, den subjektiven Eindruck eines Films auf den Betrachter prägen. Unverständlich
erscheint jedoch die Methodik, einen Spielfilm nur auf diese Effektsequenzen reduzieren zu
wollen und den 'spezial effect' im Zusammenhang von Szene und Handlung zu vernachlässigen, da dieses Herangehen an einen Film den Kriterien einer objektiven Betrachtungsweise keinesfalls gerecht wird.
Gerade Cronenberg inszeniert (eventuell mit Ausnahme von The Fly) keine Filme, die in
voluminösen 'special effects' schwelgen. Immer setzt Cronenberg seine Effekte akzentuiert,
als Höhepunkt des Geschehens ein, die niemals vor der Handlung des Films in den Vordergrund treten. Somit finden sich in Scanners nur zwei sehr explizite, extreme Gewaltszenen:
Die erste stellt den mittlerweile schon berühmt-berüchtigten explodierenden Schädel dar, die
andere bildet das 'Scanner'-Duell der Brüder Cameron Vale und Daryl Revok als Höhepunkt,
als klassischen 'showdown' des Films.
Aus: Filmbeobachter, zitiert nach Hahn / Jansen, Lexikon des Science Fiction Films (o.A.),
S. 722.
Tatsächlich widmet sich einschlägige Literatur in der Betrachtung der Filme Cronenbergs zu
größeren Teilen Videodrome.
Vgl.: 'Lexikon des internationalen Films', Band 8, S. 4115.
Gerhold, Hans in: 'Filmdienst', zitiert nach Jansen / Hahn, 'Lexikon des Science Fiction
Films', (o.A.), S. 897.
Vgl.: Balun, Chas., S. 283.
vgl. 'Science Fiction - The Aurum Encyclopedia', S. 179. – Der Hinweis auf den kanadischen
Medientheoretiker Marshall McLuhan ist kurios, aber treffend; vgl. McLuhan, Marshall, 'Understanding Media – The Extensions of Man' (New York, 1964).
Vgl.: 'Lexikon des internationalen Films', Band 2, S. 618.
42
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
41
42
43
44
45
46
Collins, Michael R., 'Stephen King und seine Filme' (München, 1987), S. 134.
ebd., S. 144f.
Den 'Stephen-King-Boom' im Kino entfachte der Regisseur Brian de Palma mit der ersten
King-Adaption, Carrie (1976) – als kommerzieller Erfolg gleichzeitig verantwortlich für die
Popularität des Autors. Es folgten die Fernsehproduktion Salem's Lot (1979) unter der Regie
Tobe Hoopers, Kubricks The Shining (1980) und George A. Romeros Episodenfilm
Creepshow (1982). Das Jahr 1983 erlebte allein drei Verfilmungen aus Kings 'Literaturfabrik':
Lewis Teagues Cujo, The Dead Zone und John Carpenters Christine. Ab diesem Zeitpunkt
begann die Qualität der King-Verfilmungen zugunsten der Quantität deutlich abzunehmen.
Adaptionen diverser Kurzgeschichten erwiesen sich als drittklassige Produktionen wie
beispielsweise Children of the Corn (1984) oder Silver Bullet (1985). Kings Regiedebüt,
Maximum Overdrive, nach einer eigenen Kurzgeschichte, erwies sich als Debakel. Als
einziger Lichtblick stellte sich Rob Reiners sehr erfolgreicher Film Stand By Me (1986)
heraus. In der zweiten Hälfte der achtziger Jahre schien der Filmmarkt mit King-Adaptionen
überschwemmt zu werden, unzählige, qualitativ mehr oder minder wertvolle Produktionen
werden bis dato für Fernsehen oder Kino in Szene gesetzt. Jedes Werk, welches Kings
kreativem Output entspringt, wird sofort für die filmische Auswertung erworben. Beobachtern
der King-Adaptionen erscheint die Anzahl der Werke, auf denen sich noch keine Optionen
für potentielle Verfilmungen befinden, erschreckend gering.
McCarty, John, 'The Modern Horror Film', S. 176.
Vgl.: Interview mit David Cronenberg in 'Cinema' (Nr. 1/87).
Als Anmerkung sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß derartige Interviews mit Vorsicht zu genießen sind. Befindet sich der Regisseur eines Films nicht auf diversen Filmfestspielen oder auf Promotiontour für seinen Film (was sich in den meisten Fällen ohnehin als
eine Domäne der betreffenden Hauptdarsteller eines Films erweist), ist anzunehmen, daß
Redakteure der diversen Zeitschriften und Magazine kein Interview geführt haben, sondern
vorgegebene Fragen und Antworten von der Pressestelle des betreffenden Filmverleihs bezogen haben.
Giesen, Rolf, 'Sagenhafte Welten - Der phantastische Film', S. 308.
Vgl.: 'Lexikon des internationalen Films', Band 2, S. 1028.
An dieser Stelle genehmige ich mir eine rein persönliche Anmerkung: Als Brillenträger und
Einzelkind habe ich mich doch sehr über diese merkwürdigen und unwissenschaftlichen Äußerungen eines so renommierten Journalisten gewundert. Um so erstaunter war ich, als ich
Dr. Giesen persönlich kennenlernte. Er ist – wie Cronenberg – Brillenträger. Vielleicht auch
ein potentieller 'Schreibtischtäter'?
Vgl.: 'Science Fiction - The Aurum Film Encyclopedia', S. 407, 408.
McCarty, John, 'The Modern Horror Film', S. 210.
Vgl.: 'Lexikon des internationalen Films', Band 1987-88, S. 719.
Vgl.: Mulay, James, S. 57.
Mit dieser Bezeichnung fassen die Autoren des 'Lexikons des internationalen Films' fast alle
mehr oder weniger ambitionierten Horrorfilme der späten siebziger bis frühe achtziger Jahre
zusammen, die mit teils sehr krassen Schockeffekten inszeniert sind.
Vgl.: 'Lexikon des internationalen Films', Band 1991-92, S. 464f.
Kuhlbrodt, Detlef, "The Crying Game" in: 'TAZ' (9. Dezember 1993).
"M. Butterfly falls into the broad genre of award-winning film-making". Harkness, John, "M.
Butterfly" in: 'Sight and Sound' (5 / 94).
ebd.
Kilb, Andreas, "Verwirrung der Gefühle" in: Die Zeit (10. Dezember 1993).
Kniebe, Tobias, "Der Traum von einer Liebe ohne Grenzen" in: 'Focus' (49 / 1993).
Harkness, John, "M. Butterfly" in: 'Sight and Sound' (5 / 94).
Göttler, Fritz, "Brutalität und blendende Klarheit" in: 'Süddeutsche Zeitung' (13. Dezember
1993).
Vgl.: 'Blickpunkt: Film' (Nr. 42 / 18. Oktober 1993).
Terhechte, Christoph, "Buchhalter in der Oper" in 'Tip' (25 / 93).
zitiert nach: 'Der Gildendienst' (5 14/15, August /September 1996)
43
47
48
49
50
51
52
53
54
55
56
57
58
59
60
61
62
63
64
65
66
67
68
69
70
71
72
Vgl.: Heinke, Steffen, "Crash" in: 'Filmecho/Filmwoche' (45/96).
Vgl.: Seeßlen, Georg, "Crash" (epd Film, 11/96).
Vgl.: McCarthy, Todd, "Crash" in: 'Variety' (20. bis 26. Mai 1996).
Vgl.: Möller, Olaf, "Zusammenbrüche des Fleisches – David Cronenberg und seine Filme" in:
'Lexikon des Internationalen Films'.
Vgl.: Löser, Claus, "Videodrome" in: 'Lexikon des Internationalen Films'.
Die einzige Ausnahme bleibt in dieser Beziehung M. Butterfly, der zur Zeit seines Erscheinens Vergleiche mit Neil Jordans The Crying Game hinnehmen mußte. Bis auf die rudimentären Handlungsstränge – daß sich ein Mann in die perfekte Frau verliebt, nur um später
feststellen zu müssen, daß es sich bei der vermeidlichen Geliebten um einen Mann handelt
– sind beide Filme sehr unterschiedlicher Natur. Die Tatsache, daß The Crying Game fast
genau ein Jahr vor M. Butterfly erschien (am 10. 12. 1992), schien für diverse Fimkritiker eine Rechtfertigung darzustellen, Cronenberg des Plagiats zu bezichtigen
The Matrix startete in den USA am 31. März 1999, eXistenZ am 19. April 1999.
An dieser Stelle sei vermerkt, daß ein Großteil der internationalen Rezensionen zu eXistenZ
über die 'Internet Movie Database' (Adresse: german.imdb.com) ermittelt wurden. Quellenangaben sind dementsprechend mit dem Verweis 'Internet' gekennzeichnet.
Vgl.: Atkinson, Michael, 'Mr Showbiz Movie Guide '(Internet, o.A.).
Vgl.: Berardinelli, James (Internet, o.A.).
Vgl.: 'San Francisco Chronicle' (Internet, o.A.).
Vgl.: Axmaker, Sean, 'Nitrate Online Review' (Internet, o.A.).
'Berliner Morgenpost', zitiert nach den Presseinformationen zu eXistenZ, herausgegeben
von 'Kinowelt Filmverleih GmbH'.
'Die Welt', zitiert nach den Presseinformationen zu eXistenZ, herausgegeben von 'Kinowelt
Filmverleih GmbH'.
'Blickpunkt Film', zitiert nach den Presseinformationen zu eXistenZ, herausgegeben von
'Kinowelt Filmverleih GmbH'.
Vgl.: Zimmermann, Paul, 'iF Magazine' (Internet, o.A.).
Vgl.: Pride, Ray, 'Weekly Wire' (Internet, o.A.).
Vgl.: Waldron-Mantgani, Ian (Internet, o.A.).
Vgl.: 'New York Times' (Internet, o.A.).
Vgl.: 'SceenIt' (Internet, o.A.).
Vgl.: Heybrock, Mathias, "eXistenZ" in 'epd Film' (11/99).
Vgl.: Marquardt, Volker in 'Cinema' (o.A.).
Vgl.: 'WAZ' (18.11.1999).
Es sei nochmals an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß das Erscheinen positiver Rezensionen wie auch das Erscheinen einer ersten, ernsthaften, deutschsprachigen Sammlung
von Aufsätzen zum Thema Cronenberg in der Zeitschrift 'Steadycam' zeitgleich mit dem Kinostart des Films Dead Ringers zu datieren ist.
So wird David Cronenberg in der Fernsehdokumentation 'Verwandlungen - Der Filmemacher
David Cronenberg' in der Reihe Kinomagazin zum ersten Mal als 'Filmemacher' bezeichnet,
ein Ausdruck, der eher im Zusammenhang mit europäischen Autorenfilmern als mit Genreregisseuren des anglo-amerikanischen Sprachraums verwendet wird. Diese Dokumentation
versucht bei der Betrachtung von M. Butterfly Parallelen zu Cronenbergs Gesamtwerk anhand des Motivs der Transformation herzustellen.
Vgl.: Burger, Mark, "Future Shock: eXistenZ gives you quite a ride on a delightful grotesque
head trip" in: 'Journal Arts Reporter' (Internet, o.A.).
44
Die Filme Cronenbergs
"Cronenbergs Filme kommentieren sich gegenseitig, erschließen erst im
Zusammenspiel die Komplexität des Regisseurs und seiner
Gedankenwelt. Es gibt nicht nur eine einzige Sichtweise. Probleme sind
komplex gestaltet. Mark Irwin [Kameramann ab Scanners] hat also
durchaus Recht: Erst im Zusammenhang des Gesamtwerks erschließt
sich die Bedeutung des einzelnen Films vollständig."1
Cronenbergs filmisches Werk zu klassifizieren, die einzelnen,
originären Werke in einen gemeinsamen, umfassenden
Kontext einzureihen, erweist sich als diffiziles Unterfangen.
Erliegt der Kritiker der Versuchung, Cronenberg im Sinne eines
Genreregisseurs zu betrachten, die Filme also im
Zusammenhang des Begriffes des Horror- und/oder des
Science-fiction-Films zu analysieren, ergeben sich spätestens
mit dem Film Dead Ringers Definitionsprobleme in bezug auf
gängige Genredefinitionen. Crash läßt sich gemäß den gängigen Genrekonventionen gar nicht mehr (be-)greifen. So wird dieser Film gerne als "Produktion
'special interests'" eingeordnet, angefertigt für eine "Sonderwunschklientel"2, für
Zuschauer, die den Film eher in Erwartung einer weiteren Regiearbeit Cronenbergs anschauen, als vordergründig auf die Thematik des Filmes bedacht zu
sein. 'Special-interest'-Filme wie Crash lassen sich eindeutig als CronenbergFilm identifizieren. Fragen nach einer konkreten Genredefinition lassen sich jedoch kaum beantworten. Science-fiction, Horror, Drama, Beziehungsfilm (diesmal der etwas krassen Art: zwischen Mensch und Auto) oder Sexfilm – alles
scheint irgendwie auf Crash zu passen, dennoch erscheinen diese Begriffe einem solchen Film nicht gerecht zu werden. Um so erstaunlicher erscheint es,
daß sich Cronenberg im Anschluß an seine letzten, kaum am Genre definierbaren Filme mit eXistenZ wieder den Wurzeln der Science-fiction zuwendet. Cronenberg bleibt als Filmemacher eine nicht zu kalkulierende Größe.
In Anbetracht dessen scheint es angebracht, Gemeinsamkeiten des cineastischen Werks des kanadischen Regisseurs nicht ausschließlich im Zusammenhang eines Genrebegriffes zu suchen, sondern in der ihm eigenen Filmsprache
nachzuweisen. Eine Filmsprache, die alle seine Filme zu einem homogenen,
sich konstant weiterentwickelnden Gesamtkunstwerk vereint. Dieser Code,
durch den Cronenberg seine Themen und Motive transportiert, markiert in bezug auf konzeptionelle, thematische oder gestalterische Aspekte den roten Faden im Gesamtwerk.
Der Code läßt die einzelnen Werke untereinander kommunizieren; er läßt sie
unter dem Gesichtspunkt eines cineastischen Meta-Experiments transparent
45
erscheinen. Im Verlauf dieses Meta-Experiments scheint Cronenberg konstant
seine Ideen und Konzepte zu konkretisieren.
Anhand dieses 'Codes' ist nachzuweisen, daß es sich im Fall Cronenbergs
nicht um einen zum Genreregisseur degradierten Filmemacher handelt, sondern um einen ambitionierten Autor und Regisseur, der im Lauf seines cineastischen Schaffens ein homogenes Gesamtwerk gestaltet hat (auch wenn sich
Filme wie Shivers, Videodrome oder eXistenZ oberflächlich betrachtet extrem
von M. Butterfly oder Crash unterscheiden). David Cronenberg hat es im Verlauf seines Filmschaffens vollbracht, eine eigene Filmsprache, einen individuellen Code zu finden. Über wieviel Regisseure läßt sich dies heutzutage noch sagen? Es sind in der Tat nicht mehr sehr viele.
Narrative Strukturen
Cronenberg und das Horrorgenre
"Die Genrefrage ist ganz interessant. Ich denke nicht in Genrebegriffen,
wenn ich Filme mache. Genre ist ein Kritikerbegriff oder ein
Marketingproblem, um einen Film zu verkaufen und den Leuten zu
sagen, was sie erwartet. Für mich gibt es keinen Unterschied zu anderen
Filmen, ob Horror, Science-Fiction, realistisch, naturalistisch. […] Das
sind Kritikerüberlegungen, die bei meiner kreativen Arbeit keine Rolle für
mich spielen."3
David Cronenberg
Die Frage, warum eine Untersuchung der Filmsprache
Cronenbergs mit der Betrachtung der Genreproblematik
beginnt, kann wie folgt beantwortet werden: Ein gemeinsames
Merkmal fast aller Filme Cronenbergs besteht darin, daß sich
einzelne Werke einer konkreten Genreklassifikation verweigern.
Besonders, wenn sich der Zuschauer mit dem 'Spätwerk'
Cronenbergs (eXistenZ hier einmal ausgenommen), Dead
Ringers, Naked Lunch, M. Butterfly und Crash, auseinandersetzt – Filme, die nur mit der freien Auslegung geltender Genremerkmale und dann auch nur unter Einschränkungen einzuordnen sind.4
Im Gegensatz zum 'Spätwerk' stößt man bei der Betrachtung der früheren
Filme Cronenbergs, Shivers, Rabid und besonderes bei The Fly, auf die
Problematik, sich im Niemandsland zwischen den Kategorien Science-fiction
und Horrorfilm wiederzufinden; in einer Grauzone, in der sich die definierten
thematischen Motivkreise und Versatzstücke dieser Genres überschneiden und
zu einer neuen Einheit fusionieren.
46
Die Schwierigkeit, seine Filme in gängige Kategorien einzuordnen, diese dadurch zu simplifizieren und auf konventionelle Formeln zu reduzieren, sie mit
anderen Werken des Genrekinos als konform zu betrachten, hebt ihn über Regisseure wie George A. Romero oder John Carpenter, die von der Kritik schlicht
als 'Genreregisseure' bezeichnet werden, weit hinaus. Das sich Widersetzen
gegen gültige Genretheorien ist als ein individueller Punkt der Filmsprache Cronenbergs zu betrachten und zu verstehen. Das Verweigern der apodiktischen
Klassifizierung eines Cronenberg-Films in eindeutige Genrekategorien soll unter
dem Gesichtspunkt eines Cronenberg-spezifischen Aspekts der Filmsprache,
des 'Cronenberg-Codes', gewertet werden.
Im weiteren Verlauf dieses Kapitels werden Cronenbergs Filme an der Definition des klassischen Horrorfilms gemessen, Definitionsprobleme des 'Früh-' und
'Spätwerks'5 diskutiert. Abschließend wird auf den Wendepunkt im Schaffen
Cronenbergs eingegangen: die Wandlung des 'body horror' zum 'internalisierten
Horror'.
Entmythologisierung
Cronenbergs Filme zeichnen sich wie viele moderne Horrorfilme dadurch aus,
daß die Definitionen des klassischen, auf der Literatur der 'Gothic Novel', Motiven der Romantik und überlieferten Volksmythen basierenden Horrorfilms nicht
mehr greifen.
Die gängigen Genredefinitionen des Horrorfilms stammen zum großen Teil
noch aus den frühen siebziger Jahren und definieren den Begriff des Horrors
über die Mythologie der Halbwesen und über den Begriff der Phantastik.6 Sie
grenzen sich des weiteren strikt von den ihnen verwandten Science-fiction Genres und des Psychothrillers ab.
Der Mythos der Halbwesens, des Vampirs, des Werwolfs oder des Doppelgängers, eines in sich gespaltenen Wesens in der Tradition der 'Jekyll/Hyde'Thematik, stellen den begrenzten Fundus des klassischen Horrorfilms dar.7
Fast alle Themen, Motive und Figuren des klassischen Horrorfilms finden ihren Ursprung in volkstümlichen oder artifiziellen Mythen8 und werden bis heute
variiert und in modernen Mythen assimiliert. Somit erscheint es schwierig, beispielsweise den definitiven Begründer des Vampir- oder Werwolf-Mythos zu
bestimmen, da diese Figuren oder Halbwesen einem Phänomen entspringen,
das im allgemeinen als 'Volksaberglauben' bezeichnet wird.
Ein Film, der weiterhin auf den offensichtlichen Aspekt der Phantastik, des
Einbruches des Paranormalen in die Welt der Realität, verzichtet, gerät in die
Gefahr, nicht mehr als klassischer Horrorfilm zu gelten. In der Absage an die
Phantastik im klassischen Sinne erfährt das Genre eine Entmythologisierung
des modernen Horrorfilms, in denen die den Sagen oder der Fiktion
entstammenden Halbwesen und das Motiv der Phantastik keine
Grundvoraussetzungen für das Genre mehr sind. Genrekino gegen die
allgemeingültigen Versatzstücke des Genres – der innovative Horrorfilm
47
verweigert sich dem Motiv des Übernatürlichen und des Halbwesens. Er ist mit
abgenutzten und überarbeitungswürdigen Definitionen nicht mehr erfaßbar.
Dieses neuartige Verständnis eines Horrorfilms stellt die Definition eines
klassischen Films dieses Genres (wie beispielsweise den Ansatz von Weil und
Seeßlen) in Frage. Kritiker des zeitgenössischen Horrorfilms wie Kim Newman
betrachten Filme wie Alfred Hitchcocks Psycho unter dem Gesichtspunkt des
'psycho killer movie' oder 'psycho movie', Walter Hills Southern Comfort wird
unter dem Aspekt des 'backwood movie' im Zusammenhang mit Filmen wie The
Texas Chainsaw Massacre besprochen, Francis Ford Coppolas Apocalypse Now als 'post modern horror film' interpretiert.9 Filme wie Abel Ferraras
Ms. 45 oder Martin Scorseses Taxi Driver, in ihrer Funktion eher kritische Spiegelbilder einer bestimmten Zeit und Gesellschaft, werden im Kontext des urbanen Horrors des Großstadtlebens genannt.
Crash könnte sich in den Reigen dieser Filme nahtlos einfügen. Cronenberg,
der seinen Film als eine 'futuristische Lovestory'10 bezeichnet, schildert in diesem Film das Grauen, den Horror, einer desemotionalisierten Gesellschaft, der
in seiner klinischen Sterilität das Lebensgefühl des ausgehenden 20. Jahrhunderts treffsicher umschreibt. Des weiteren kann der Realitätsverlust eines Individuums als mentales Horrorszenario interpretiert werden. Die Angst, nicht
mehr zwischen Realität und erfundener beziehungsweise simulierter 'Wirklichkeit' unterscheiden zu können, das Gefühl der Grenze oder der Barriere zwischen den Daseinskonzepten zu verlieren – dieses Grauen läßt Filme wie Cronenbergs Videodrome, Naked Lunch und eXistenZ oder auch John Carpenters
In The Mouth of Madness im Zusammenhang des (post-)modernen Horrorfilms
erscheinen.
"Wir beide wissen, daß die meisten Menschen, sofern sie an Horrorfilme
denken, ein spezielles Thema vor Augen haben: eine Formel, wenn sie
so wollen. Egal, ob man eine Hollywood-Komödie, einen Horror- oder
einen Science-fiction-Film nimmt: Die Menschen glauben immer zu
wissen, was man beabsichtigt. Auch wenn ich das bis zu einem
gewissen Grad akzeptiere, so habe ich bestimmt andere Vorstellungen
von einem Horrror-Film. Taxi Driver ist in meinen Augen ein Horror-Film,
niemand wird den Film diesem Genre zuordnen."11
Es scheint, als lege der moderne, innovative Horrorfilm mehr Wert auf seinen
wirkungsästhetischen Effekt als auf die Erfüllung alter, scheinbar zwingender
Genredefinitionen. Somit werden auch angeblich 'lupenreine Thriller' wie The
Silence of The Lambs oder Seven zu Vertretern eines Horrorkinos, welches den
Begriff des Horrors auf stilistischer und wirkungsästhetischer Ebene definiert
und nicht durch die Zurschaustellung der klassischen Halbwesen zelebriert.
Horrorkino ist ein äußerst emotionales Kino. Dieses Genre spielt vordergründig mit der Furcht, von Lovecraft definiert als "unser tiefstes und stärkstes Gefühl und dasjenige, mit dem sich am besten Illusionen hervorbringen lassen".12
48
Folglich würde sich der moderne, innovative Horrorfilm nicht an der
klassischen Definition, sondern seine Bestätigung, seine Existenzberechtigung
als Film des Horrorgenres in dem subjektiven, emotionalen Kinoerlebnis des
individuellen Zuschauers suchen. Hiermit entsteht ein Konflikt in der
Klassifizierung eines Films als einem konkreten Genre zugehörig, ein Konflikt
zwischen Genrefilm als Bestätigung eines formalen Kontextes und dem
individuellen, emotionalen Filmerlebnis als Basis einer Zugehörigkeitsdefinition.
Die Definition eines Horrorfilms bleibt also dem individuellen Angstempfinden
oder der Angstlust des individuellen Kino- beziehungsweise Videokonsumenten
überlassen.
Deshalb lassen sich auch in bezug auf Genredefinitionen schwer einzuordnende Filme wie Dead Ringers, Naked Lunch oder Crash als bedrückendes,
emotionales Kinoerlebnis und somit als moderne Horrorfilme klassifizieren, die
den Zuschauer mit seiner eigenen Urangst, der Angst vor dem Tod, konfrontieren:
"[…] Dead Ringers contains a horror and physicality more shattering than
the goriest special-effects gimmick. What is deeply frightening about the
movie is that its suggests we are willing to die – the twins operate on
each other unto death – rather than change."13
Versuch einer Definiton
Eine Differenzierung zwischen den Begriffen des klassischen Horrorfilms und
des modernen Horrorfilms könnte wie folgt vorgenommen werden:
Der klassische Horrorfilm orientiert sich an den formalen Aspekten der
Phantastik (vgl. Weil und Seeßlen), der Halbwesen und der dem Menschen ureigensten Mythologie, dem sogenannten 'Volksaberglauben', so daß auch vom
übernatürlichen Horrorfilm gesprochen werden kann.
Der moderne Horrorfilm verleugnet keinesfalls den klassischen Motivkreis,
macht aber seine Genrezugehörigkeit nicht davon abhängig. Er erweitert sein
Spektrum um den Aspekt des psychologischen Horrors und konzentriert die
Motive der Angst oder des Schreckens auf wirkungsästhetische Aspekte inhaltlicher Natur und verleugnet die von der klassischen Definition des Horrorfilms
geforderten Formalismen. Dieses neuartige Genrekino verwendet weder
Schreckgestalten noch schauerliche Settings, sondern siedelt den Horror im
Geiste seiner Protagonisten an oder offeriert alltägliche Situationen, die jedes
Element des Übernatürlichen entbehren, die jedoch mit Stilmitteln und Spannungsgestaltung eines klassischen Horrorfilms in Szene gesetzt sind.
Durch diese Entmythologisierung des Horrorfilms trifft der Kinogänger den
klassischen Werwolf nun in Gestalt einer 'Bestie Mensch' an, eines meist
persönlichkeitsgespaltenen Mörders. Aus dem Archetyp des 'Dr. Jekyll' und des
'Mr. Hyde' ist ein 'modernes Monstrum', der 'Psychokiller' geworden, eine
49
zeitgemäße Interpretation der von Weil und Seeßlen aufgestellten, klassischen
Motivkreise der 'Tiermenschen' und 'Doppelgänger'.
Mischformen
Cronenbergs frühe Filme sind eine Gratwanderung zwischen den Genres der
Science-fiction und des Horrors – in seinem 'Spätwerk' (mit Ausnahme von eXistenZ) entziehen sie sich jeglicher Definitionsversuche. Obwohl Cronenberg
die klassischen Motive des Horrorgenres etwa in The Fly in Form des Tiermenschen darstellt – und 'Brundle-Fly' steht damit selbstverständlich für die animalische, auf die Physis konzentrierte Bewußtseinshälfte des Seth Brundle –, so
löst der Regisseur die für den Horrorfilm übernatürliche Phantastik durch das
Element der naturwissenschaftlichen Erklärung ab.
Elemente der Phantastik und deren wissenschaftliche Begründung
Film Motiv der Phantastik
Motiv der wissenschaftlichen Erklä– des Horrors
rung – Science-fiction
Shivers
'Sexual-Vampirismus' artifiziell gezüchtete parasitäre Lebensform als Auslöser
Rabid
Vampirismus Tollwut, hervorgerufen durch Transplantation von 'neutralisiertem Gewebe'
The Brood
unheimliche Kreaturen 'Die Kinder der Wut' - hervorgerufen
durch eine neuartige psychotherapeutische Behandlung
Scanners
übersinnliche, mentale Fähigkeiten Telepathische und telekinetische Begabung, hervorgerufen durch die Droge
'Ephemerol'
Videodrome
alptraumhafte Visionen Halluzinationen, ausgelöst durch das
via TV übertragene 'Videodrome'-Signal
Dead Zone
hellseherische Fähigkeiten (das Neuartige psychische Befähigung, aus'zweite Gesicht') gelöst durch traumatisches Erlebnis
(Unfall)
The Fly
Ausbruch des 'Tiermenschen' Verschmelzung von Mensch und Insekt
auf genetischer Ebene
Die Erläuterung eines phantastischen Phänomens, beispielsweise die Verwandlung eines Menschen in eine Fliege (in Analogie zum Werwolf-Mythos könnte
im Fall Cronenbergs sogar von einer 'Werfliege' gesprochen werden) liefert der
Wissenschaftler mit dem wissenschaftlich erklärbaren Vorgang des 'GenSplicings', der Fusion zwischen Mensch und Fliege auf molekularer Ebene.
Hierbei wird der Wissenschaftler – in Analogie zum 'Frankenstein-Mythos' –
zum Opfer seiner eigenen Kreation, seiner eigenen Schöpfung: Motivkreise, die
eindeutig dem Genre der Science-fiction zuzuordnen sind.
Immer wieder gelingt es Cronenberg, scheinbar übernatürliche oder
phantastische Geschehnisse, die dem Horrorgenre entlehnt scheinen, durch
fiktive, naturwissenschaftliche Erklärungen zu veranschaulichen, ein Element
der Phantastik durch (im wahrsten Sinne des Wortes) Science-fiction zu
ersetzen14
50
Klassifikation beziehungsweise Einordnung in starre Normenkonstrukte
bedeuten immer die Reduktion eines Films auf eine mehr oder weniger
zutreffende Formel. Dem Film wird somit fast zwangsläufig das Originäre
abgesprochen, da er von nun an nur im Kontext diverser genreüblicher
Versatzstücke betrachtet werden kann.
Somit erscheint es angebracht, für das filmische Werk Cronenbergs einen
anderen, übergreifenden Zusammenhang zu finden, der es ermöglicht, den
Kontext seiner Filme umfangreicher zu definieren:
Mit dem das Einzelgenre übergreifenden
Konzept des 'phantastischen Films' (siehe
nebenstehende Abbildung) können Cronenbergs Filme annähernd umschrieben
werden.
Der 'phantastische Film' versteht sich
weniger als ein Versuch, die Genres des
Science-fiction-, des Horror- und des Fantasyfilms in sich zu vereinen. Vielmehr bietet der 'phantastische Film' ein Modell, um
die Filme, die sich in den Schnittmengen, in
den Grauzonen oder fließenden Grenzbereichen der spezifischen Kategorie
befinden, zu klassifizieren. Das nebenstehende Schaubild umschreibt die übergreifende 'Vereinigungsmenge' der drei autonomen Genres des Horror-, Science-fiction- und des Fantasyfilms.15
Doch nicht nur die Überschneidungen zweier Genres, die 'Grauzonen' und
die Schnittmengen16, in denen ein gemeinsamer Nenner an Motivkreisen gefunden werden kann, charakterisieren den modernen Horrorfilm: Es lassen sich
perfekte Fusionen zweier Genres nachweisen, die, wie Ridley Scotts Alien, die
formalen Aspekte eines Science-fiction-Films erfüllen, auf wirkungsästhetischer
Ebene und Spannungskonstruktion jedoch eindeutig die Voraussetzungen für
einen klassischen Horrorfilm liefern.17
In der 'Grauzone' zwischen Science-fiction- und Horrorfilm sind die Filme
Cronenbergs bis einschließlich The Fly einzuordnen, da sie, wie bereits dargelegt, sich des Elements des Phantastischen bedienen, gleichzeitig jedoch dieses im Sinne der Science-fiction auf wissenschaftlicher Basis analysieren und
darstellen.
51
"My films are sui generis. It would be nice if they could form their own
genre, or subgenre. It's the need to sell films that causes this kind of
categorization. and, of course, there's always a critical impulse to
categorize and label. But people seem to think that it's necessary to
categorize before they can understand. My films really do exist on their
own. There is no need to do that to experience them properly."18
Bekannte Versatzstücke und Konventionen
Daß David Cronenberg trotz aller Innovation mit bekannten und populären Versatzstücken spielerisch umgeht, läßt sich an seinem Film Scanners ebenso
nachweisen wie die folgende Hypothese: Je eher sich ein filmischer Text in geltende Genrekonventionen eingliedert, desto erfolgversprechender ist dieser
Film an der Kinokasse.
Die Gründe für den kommerziellen Erfolg von Scanners basieren auf einer
Konzeption, die bis dato für Cronenberg atypisch anmutete: der Synthese aus
dem in seinen vorherigen Filmen etablierten 'Cronenberg-Look' und aus eigenwilligen, originären Themen mit standardisierten Schablonen des Action- beziehungsweise Science-fiction-Films.19
Niemals zuvor sah der Zuschauer (der, angesprochen durch das geschickte
Marketing20 des Films, hier zum ersten Mal Kontakt mit Filmen Cronenbergs
aufnahm) in einem der früheren Filme des Regisseurs derart zahlreiche Verfolgungsjagden und Schießereien – das Standardrepertoire eines HollywoodActionfilms. Viele Sequenzen im Film wirken eher einem Kriminalfilm oder Agententhriller entlehnt als im ruhigen, beinahe schon melancholischen Stil Cronenbergs inszeniert: Die Ergreifung und spektakuläre Flucht des 'Scanners'
Darryl Revok, ebenso wie die Flucht von Cameron Vale und Kim Obrist, sind
rasant und temporeich in Szene gesetzt.
Cronenberg schloß sich mit Scanners einem Kinotrend an, der von der Mitte
der siebziger bis in die frühen achtziger Jahre eine sehr populäre Mischung aus
Genreelementen von Science-fiction und Horrorfilmen bot: dem parapsychologischen Thriller21, in dem die Protagonistin bevorzugt (junge) Menschen mit telepathischen und telekinetischen Fähigkeiten waren. Ihre besonderen Fähigkeiten und das Unverständnis ihrer 'normalen' Mitmenschen für diese
besonderen Begabungen führt in diesen Thrillern (fast) immer zur apokalyptischen Entfesselung dieser ungezähmten mentalen Kräfte.
Ein verwandtes Phänomen (die Anpassung an einen populären Trend innerhalb der Filmindustrie) findet sich neben dem parapsychologischen Thriller
Scanners und der bereits angesprochenen Stephen-King-Verfilmung The Dead
Zone auch in The Fly, einem 'Remake' des gleichnamigen Films von Kurt Neumann (1958).
Es erscheint filmhistorisch bemerkenswert, daß gerade im Bereich des
'phantastischen Films' in der zweiten Hälfte der achtziger und in den frühen
52
neunziger Jahren eine Vielzahl der Neuverfilmungen auf dem Filmmarkt erschienen. Auch The Fly reiht sich ein in Neuverfilmungen von Science-fictionund Horrorklassikern der fünfziger und sechziger Jahre wie The Blob, Invaders
From Mars oder The Thing, besticht aber weniger durch eine zeitgenössische
Umsetzung (in den meisten Fällen ausschließlich durch den Einsatz modernerer 'special effects') als durch die konsequente Neukonstruktion und Neuinterpretation des klassischen Stoffs.
Bemerkenswert bleibt die Tatsache, daß es sich im Zusammenhang mit populären Kinophänomenen wie der Stephen-King-Verfilmung The Dead Zone
und dem Remake The Fly um Auftragsarbeiten Cronenbergs handelte (erstere
für Dino de Laurentiis, letztere für Brooksfilm), bei denen ihm zwar Einfluß auf
Gestaltung und Realisation eingeräumt wurde, deren Drehbücher jedoch nicht
ausschließlich aus seiner Feder stammten.
Wendepunkt
Dead Ringers markiert nicht nur einen Wendepunkt in der Rezeption seiner
Filme, sondern stellt auch das Ende aller Anstrengungen dar, Cronenberg als
'Genreregisseur' zu (de-)klassifizieren. Konnten die Filme bis dato noch einer
Mischform zwischen Horror und Science-fiction zugerechnet werden, oder, wie
anhand der paranormalen Thriller, der Stephen-King-Verfilmungen oder der
Remakes besprochen, an populären Trends des zeitgenössischen Kinos festgemacht werden, so greifen gängige Genredefinitionen ab diesem Zeitpunkt
nicht mehr. Dieser Wendepunkt stellt den Übergang Cronenbergs von der
Schaffensphase des körperlichen oder klinischen Horrors ('body horror') zu einer neuartigen, irrealen und psychologischen Form des Grauens ('horror of the
mind') dar.
In Dead Ringers, Naked Lunch und M. Butterfly transferiert Cronenberg seinen 'körperbezogenen Horror', seine Obsession für Krankheiten, Mutationen
und Verwandlungen, auf die metaphysische, immaterielle Ebene des Geistes,
der Gedankenwelt seiner Protagonisten.
Die Neu(er)findung des Körpers oder der Sexualität der Protagonisten geschieht im Gegensatz zum 'Frühwerk' nicht mehr mit Hilfe von Latex, Kunstblut
und anderen Spezialeffekten. Sie findet in den Köpfen der Protagonisten statt,
manifestiert sich dort zum Horror einer sexuellen Transformation (M. Butterfly)
oder verbirgt die Neuschöpfung einer unentdeckten Sexualität unter dem
Science-fiction-Deckmantel der Fusion zwischen Mensch und Maschine in
Crash. Eine Fusion aus 'Früh-' und 'Spätwerk', aus physischer Transformation
und Kopfgeburt findet sich in Cronenbergs bis dato letztem Film, eXistenZ. In
klassischer Cronenberg-Manier besitzen die Protagonisten Allegra Geller (Jennifer Jason Leigh) und Ted Pikul (Jude Law) sogenannte 'Bioports', um sich mit
einer Nabelschnur an den organischen 'Gamepod' anzuschließen. Das Motiv
einer zusätzlichen Öffnung, durch die Körper penetriert werden, ist seit Videodrome ein vertrautes Bild, was sogar in Crash aufgegriffen wird. Als in eXis53
tenZ Miniaturausgaben des Gamepods durch den Bioport im Körper der Protagonisten verschwinden, um sich dort einem Parasiten gleich einzunisten, drängen sich Vergleiche mit Shivers auf.
Das Spiel 'eXistenZ' selbst bleibt, wie die 'Interzone' aus Naked Lunch, jedoch rein mentaler Zustand, eine Welt geschaffen im Geiste der Cronenbergschen Protagonisten, die sich und ihre Rollen im Spielverlauf ständig neu erfinden. Somit erscheint eXistenZ als Quintessenz des effektbetonten 'Frühwerks'
und der 'Vergeistigung' des Grauens in Cronenbergs Dead Ringers,
M. Butterfly, Naked Lunch und Crash.
Der Horror, das Phantastische ereilt die Charaktere Cronenbergs nicht in
Gestalt einer fleischlichen Metamorphose, sondern in Form eines psychischen
oder sexuellen Grauens, des Horrors der vom Protagonisten selbst geschaffenen, irrealen Geisteswelt, seiner alternativen Realität. Während sich in Dead
Ringers der Horror in Form der Erkenntnis manifestiert, daß die Brüder Beverly
und Elliot Mantle eine Persönlichkeit, eine Seele in zwei Körpern darstellen, so
flüchten sich die Protagonisten in Naked Lunch und M. Butterfly in ihre bizarren
Welten und Scheinrealitäten: Der Kammerjäger Bill Lee flüchtet im Drogenrausch in seine Interpretation des Tangers der fünfziger Jahre, seiner sogenannten 'Interzone', die später durch das totalitäre 'Annexia' abgelöst wird, Indiz
für einen noch desolateren Geisteszustand. Eine Thematik die Cronenberg
auch in eXistenZ wieder aufgreift: Einmal in der virtuellen Welt des Spiels 'eXistenZ' angekommen, schließen sich die Spieler wiederum an virtuelle Gamepods
an, die ihren Figuren neue Rollen zuweisen und sie auf neue Spielebenen führen.
In M. Butterfly flüchtet sich der französische Botschaftsangestellte René Gallimard (Jeremy Irons) in eine trügerische Idealvorstellung des Chinas der sechziger Jahre und sein Ideal, seinem Traum von einer Frau. Im Gegensatz zu
Lee, der sich in immer tiefere Ebenen seiner Scheinrealitäten verstrickt, bricht
der Horror in Form der Erkenntnis über Gallimard herein. Seine Scheinrealität
zerbirst, als er mit der Wahrheit konfrontiert wird, daß seine Geliebte ein Mann
ist.
In Crash entfliehen Cronenbergs Charaktere der tristen Realität in den
Rausch von Geschwindigkeit, Adrenalin und sexueller Stimulation, indem
Vaughan und Seagrave – immer auf der Suche nach dem ultimativen Kick –
berühmte Autounfälle so authentisch wie möglich nachstellen und nachempfinden, beispielsweise die Autounfälle, denen James Dean und Jayne Mansfield
zum Opfer fielen. Eine Flucht nach vorn – im wahrsten Sinne des Wortes.
Cronenberg entsagt mit diesen Filmen den Traditionen des klassischen
Horrorfilms und seiner exzessiven und gewalttätigen Bildersprache und
transferiert diese in das Innenleben des Protagonisten, der ungeahnte
Angstzustände erlebt, mentale statt körperliche Transformationen durchlebt und
sich seine eigenen Realitäten schafft, aus denen die Figur, angefangen in
Videodrome und (vorläufig) beendet in M. Butterfly und Crash, subjektiv dem
54
Zuschauer berichtet und ihm einen Einblick in die phantastischen Geisteswelten
Cronenbergs gewährt.
Reaktion und Innovation
Im Zusammenhang mit dem Genre des Horrorfilms und dessen Fortbestand
lassen sich zwei kontroverse Thesen aufstellen, die nicht nur auf das Genre des
Films im allgemeinen, sondern auch auf jedes Phänomen der Pop- oder populären Kultur anwendbar erscheinen:
Wird der Fortbestand oder das Interesse von Konsumenten an einem Genre
von der Wiederholung, dem kontinuierlichen Selbstzitat archetypischer Versatzstücke bestimmt, oder sichern Veränderungen, Umbrüche und neue Tendenzen
den Fortbestand eines Phänomens? Erfreut sich der potentielle Zuschauer eher
an sich selbst zitierenden Mustern und schablonenhaft konstruierten Standardhandlungen, die nur geringfügige Variation offerieren, und somit an Filmen, die
prinzipiell austauschbar erscheinen?22
Oder strebt das Genre (und damit auch zwangsläufig das Interesse des individuellen Zuschauers) nach einer sich konstant wandelnden, radikalen und innovativen Ausdrucksform? Diese Frage bleibt unbeantwortet, da der Fortbestand eines Genres von einer nicht kalkulierbaren Variablen abhängig ist: dem
momentanen Wohlwollen oder der Ablehnung des Kinopublikums. Trotzdem
lassen sich aus der Fragestellung zwei theoretische Modelle eines Genrefilms
oder eines anderen populärkulturellen Phänomens ableiten.
Aus dem Konflikt zwischen Reaktion (Selbstzitat) und Innovation (Erneuerung) entstehen zwei Extrempole eines Genrefilms: Der 'geschlossene Text'
und der 'offene Text'. Ersterer beinhaltet ein Verweigern gegenüber neuen Konzeptionen und Ideen.
Der 'geschlossene Text' ist als ideologischer Text zu lesen, da er den Zuschauer durch seine formale Geschlossenheit in eine spezifische, bekannte Ideologie führt. Beim Horrorfilm ist die Ideologie (auch Erwartungshaltung seitens des Konsumenten) durch den Einbruch des Übernatürlichen in die 'normale' Welt und den Exorzismus der paranormalen Bedrohung definiert. Die Neuordnung des zerstörten Weltbilds wird entweder durch eine moralische und ethische Werte repräsentierende Instanz (in den meisten Fällen vertreten durch
einen Geistlichen), Gewalt (repräsentiert durch Polizei oder Militär) oder durch
den über das 'Böse' dominierenden menschlichen Geist (in Gestalt der Wissenschaft oder des Wissenschaftlers) initiiert.
Konträr hierzu umschließt der 'offene Text' die Avantgarde und damit jene Filme, die im vorherigen Abschnitt als moderne, sich gegen Genrekonventionen
stellende Horrorfilme bezeichnet worden sind. Diese Filme erscheinen geprägt
von einem beinahe anarchischen Dekonstruktivismus, der es rigoros ablehnt,
handlungskonzeptionelle Konflikte und Widersprüche durch reaktionären Exorzismus aufzulösen, Aufschluß und Erklärungen für das Chaos/die Bedrohung
(als Stellvertreter für das Element des Übernatürlichen) zu bieten und den Sinn
55
für das Logische, das Zusammenhängende und das erklärende Moment ad absurdum zu führen.
Cronenbergs Filme und andere, innovative Werke des zeitgenössischen Horrorfilms zeichnen sich durch ein Verschwinden der das Böse besiegenden Autoritätsfiguren aus: Das Militär als ultimative Lösung in Klassikern (wie beispielsweise in The Thing [1951] oder Them!), der Wissenschaftler, der eine Wunderwaffe entwickeln kann23, die Polizei, die auch im Horrorfilm für Recht und Ordnung sorgt, der Priester, der die Gestalten der Finsternis mit Glauben und Kruzifix vertreibt und der starke, dominant-männliche Charakter, der seine 'Angebetete' aus den Klauen des Ungeheuers rettet. Diese Figuren oder Institutionen
sind im Horrorfilm rar geworden. Sie sind nicht mehr in der Lage, den durch das
Eindringen des 'Bösen' veränderten Zustand wieder zum status quo zu führen,
sollte dieses überhaupt noch möglich erscheinen. Der Glaube an eine alles
ordnende Instanz scheint im Horrorfilm zu schwinden. Als Folge davon verschwindet im modernen Horrorfilm das 'happy ending' und wird durch offene,
pessimistische Lösungen ersetzt.
"Endings without resolution – the open text – are obviously diametrically
opposed to the strategy of narrative closure [in American mainstream
films]. The open text suggests that the world cannot be reduced to simple
schematic equations. This is particularly relevant to Cronenberg. He finds
himself functioning within the entertainment mainstream, and in genres
(horror and science-fiction) that essentially demand narrative closure, yet
every one of his films denies this principle, with the possible exception of
Rabid and Fast Company. The final shots of Stereo and Crimes of The
Future are enigmatic and diffuse. All the other films end on questions. Is
the plague going to conquer the world (Shivers)? Will Candy turn out to
be like her mother (The Brood)? Has good or evil triumphed (Scanners)?
Is death the end or the beginning of a new life (Videodrome)? This
adherence to the open text is a radical structuring principle for a
commercial director, but not for a Canadian filmmaker." 24
Cronenberg verweigert seinen Rezipienten eine leicht konsumierbare Patentlösung für die in seinen Filmen entfesselten fleischlichen oder psychischen Gewalten. In Shivers wird das anarchische Element (die ungezügelte Sexualität) in
die Welt hinaus getragen. Eine Reetablierung der einstmals herrschenden Ordnung wie im klassischen Horrorfilm erscheint impraktikabel und nicht intendiert.
Ebenso widersetzt sich Cronenberg durch seine Absage an das 'geschlossene
Ende' (dem 'happy-ending') nicht nur der Auflösung der im Film etablierten Konflikte und der Klärung von Widersprüchen, sondern verweigert sich darüber hinaus den klassischen Konstrukten und Strukturen von Drehbüchern. Handlungsspezifische Fragen, aufgeworfen durch den offenen filmischen Text, bleiben
unbeantwortet, der individuellen Spekulation des Betrachters überlassen, wobei
der Regisseur sich jedes Kommentars enthält. Die spekulative Endsequenz des
Films Scanners ermöglicht vielfältige Interpretationen:
56
"Das Spiel macht viel mehr Spaß, wenn es erst einmal realer als die Wirklichkeit geworden ist " – Allegra Geller (Jennifer Jason Leigh) in eXistenZ
© Kinowelt
57
Zeit für einen neuen Bioport – Gas (Willem Dafoe) in eXistenZ
© Kinowelt
58
Verschmelzen im spektakulären 'showdown', im telekinetischen Duell der
'Scanner', die Figuren Darryl Revok und Cameron Vale im Körper des ersteren
zu einer einzelnen Persönlichkeit? Wird letzterer einfach nur von seinem 'bösen
Bruder' absorbiert oder verdrängt Camerons Geist die Psyche seines Widersachers aus dessen Körper? Diese Fragen werden weder vom Regisseur noch
von dem fertigen Endprodukt Film beantwortet. Cronenberg läßt dem Zuschauer Raum für Spekulation und Interpretation.
Realitätsebenen und Filmstruktur
"Exterminate All Rational Thought"25
Bei der Betrachtung der Filme Cronenbergs mit besonderen Blick auf konzeptionelle Aspekte der Filmstruktur und die in den Film integrierten, verschiedenen
transparenten Realitätsebenen und Bewußtseinszustände der Protagonisten,
erscheint es unumgänglich, sich besonders mit Videodrome, Naked Lunch und
eXistenZ diesem analytischen Kontext zu nähern, da diese Filme als komplexeste und am schwersten zu entschlüsselnde filmische Texte aus dem Gesamtwerk herausragen. Sie erweisen sich als wiederholte Herausforderung an
den Zuschauer, das zu entschlüsseln, was Cronenberg in seinen suggestivsten
Filmen visuell und strukturell codiert, um dem Betrachter Kino als traumatisches
Erlebnis (für Kinogänger und Protagonisten) vorzuführen. Cronenberg gelingt
es zu verunsichern und/oder zu verstören. Der Regisseur begeht zielstrebig den
Weg des 'offenen Texts', einer aggressiven und unkonventionellen Filmstruktur,
die den Film aus dem verschleierten, halluzinierenden 'point-of-view' der Protagonisten von Videodrome oder Naked Lunch schildert und damit den Zuschauer
in die suggestive Transparenz von Realität und Scheinwelten mit einbezieht.
"For the mass of movie consumers, familiarity is a primary condition of
pleasure. Any rejection of formula will result in frustration of expectations
that is likely to drive audiences away, to borrow a phrase. Nowhere are
verdicts made more swiftly and mercilessly than in the arena of popular
taste."26
Filme wider die Konventionen
Abgesehen von den offenen Enden der Cronenbergschen Filme und der Tatsache, daß weder ein klassischer Exorzismus noch Instanzen der Exekutive oder
der Wissenschaft in der Lage sind, die Verbreitung des Chaos (Shivers), des
Virus (Rabid) oder der Mutation (The Brood, The Fly) aufzuhalten, widersetzen
sich Videodrome oder Naked Lunch außerdem gängigen und gefälligen Drehbuch- und Filmstrukturen. Ein Gedankenspiel mit dem offenen Text des letztgenannten Films und dessen offenem Ende erläutert die Absage an Muster und
59
Konventionen des Genrekinos: Mit Bill Lees Eintreffen im diktatorischen Staat
'Annexia' und der Erschießung von Joan Frost (Judy Davis) in Naked Lunch
könnte vielmehr ein neuer, eigenständiger Film beginnen als ein bereits im Verlauf der Handlung fortgeschrittener Film zu einem bizarren Ende geführt werden
– 'Annexia' als Symbol für einen 'Neubeginn', für eine weitere vom Protagonisten erreichte Bewußtseinsebene, in der sich die in Naked Lunch erzählten Geschehnisse auf einer Meta-Ebene, einem Teufelskreis gleichend, wiederholen
könnten.
Ähnliche Filmstrukturen beschreibt Cronenberg auch in seinem bisher letzten
Film, eXistenZ: Die Protagonisten Allegra Geller (Jennifer Jason Leigh) und Ted
Pikul (Jude Law) schließen ihr Nervensystem an den 'Metaflesh Gamepod' an
und betreten die virtuelle Welt des Spiels 'eXistenZ', die sich rein optisch nicht
von der 'wirklichen' Welt unterscheiden läßt. Einmal auf der Spielebene, schließen sich Geller und Pikul jedoch erneut an virtuelle Gamepods an. Ob die Protagonisten hierdurch nur den Spielverlauf in andere Bahnen lenken oder das
Filmgeschehen auf eine Meta-Ebene à la 'Annexia' projizieren, überläßt David
Cronenberg der Interpretation der Kinogänger. Wenn nun der Regisseur ein
kommerziell anmutendes Filmende offeriert, in dem er die Gesamtheit der Ereignisse als Lüge und somit das Spiel 'eXistenZ' als Simulation innerhalb der
Meta-Simulation 'transCendenZ' entlarvt, erscheint eXistenZ ebenso als 'offener
Text', da sich Zuschauer wie auch Filmcharaktere zu Recht fragen, inwieweit
sie dieser Wendung der Geschehnisse Glauben schenken dürfen. Die letzte
Dialogzeile in eXistenZ, "Are we still in the game?", scheint dem Konzept der
Auflösung jedoch entgegen zu wirken. Auch hier stellt Cronenberg die Frage
nach der endgültigen Filmrealität seinem Publikum zur Diskussion.
Videodrome widerspricht ebenso jedem Merkmal des klassischen Horrorfilms, wenn nicht sogar jeder Drehbuchkonvention. Der Film entsagt dem klaren
'showdown' im Sinn des klassischen Horrorfilms (zum Beispiel die Konfrontation
des Vampirjägers mit dem Untoten) in bezug auf die Opfer/Täter-Konstellation –
Max Renn (James Woods) tötet zwei Mitarbeiter seines Fernsehsenders; er
wiederum steht unter der hypnotischen Kontrolle von 'Videodrome'. Dem Bedürfnis des Zuschauers nach einer alles erklärenden Auflösung des bizarren
Geschehens kommt Cronenberg ebenfalls nicht nach. Die Grenzen zwischen
Realität und halluzinierter Fiktion verschmelzen, der 'showdown', der doppelte
Selbstmord Max Renns in Videodrome, bleibt zwischen Hypothesen des 'Endes', des 'Neuanfangs' oder des 'Wechsels der Bewußtseinsebene' dem Zuschauer zur Interpretation oder Diskussion überlassen.
"Videodrome ist sein [Cronenbergs] komplexester, kompliziertester Film,
vielleicht auch sein bester überhaupt. Der Film ist allerdings äußerst
schwer zugänglich, könnte am ehesten beschrieben werden als
visualisierter philosophischer Essay. […] Analog zum geschriebenen
Text muß man sich den Film erschließen. Das erfordert auch, daß man
sich ihn häufig ansieht, sowohl in seiner Gesamtheit, als auch in
60
einzelnen Szenen. Kurioserweise ist das Medium Video deshalb auch
besser geeignet, sich Videodrome anzunähern als das Kino."27
Cronenbergs Filme, im besonderen Videodrome, Naked Lunch und auch
eXistenZ, sind als offene und avantgardistische, innovative Filmtexte zu lesen,
die sich formal und inhaltlich dem 'mainstream' des Genrekinos verweigern.28
Dies ist nicht nur auf das strukturelle Konstrukt des Filmaufbaus
zurückzuführen, sondern auch auf die Erzählperspektive, die Cronenberg wählt:
die ausschließliche Konzentration des Blickes des Zuschauers auf den oder die
Protagonisten des Films – Videodrome, Naked Lunch und eXistenZ als 'firstperson-films'29:
"Finally, Videodrome is the most inner-directed of all [movies]. A 'firstperson' movie in which the hero's impulses and body get out of control,
and in which the border between hallucination and reality, fantasy and
objective fact and even the individual and society are smudged to the
point of solipsism."30
'first-person-films'
Im Gegensatz zum Blickwinkel der 'subjektiven Kamera', mit der der Zuschauer
die Handlung aus der Sicht des/der Handelnden verfolgt, sieht man den Handelnden im Cronenbergschen 'first-person-film' in seiner ihm eigenen Umwelt
stehend. Der Regisseur fungiert aber nicht als allwissender Erzähler, sondern
er läßt den Zuschauer den Protagonisten in seiner ihm eigenen, realen oder
irrealen Wahrnehmung erblicken. Die Abwesenheit von Szenen, die sich auf
Nebenfiguren des Films konzentrieren, das Fehlen neutraler oder auch vom
Protagonisten abweichender Blickwinkel oder das Nichtvorhandensein von extern vermittelten Informationen (zum Beispiel über Nebenfiguren in separaten
Szenen) charakterisiert einen 'first-person-film' wie Videodrome, Naked Lunch
oder eXistenZ. Die subjektive Wahrnehmung der Filmrealität durch die betrachtete Figur läßt somit den Protagonisten zur einzigen Informationsquelle des Zuschauers werden, der sich seiner schützenden Differenzierungsfähigkeit, zwischen Realität und Fiktion innerhalb des filmischen Textes zu unterscheiden,
beraubt sieht.
"Da Videodrome das Thema über die subjektive Wahrnehmung auch
formal entsprechend umsetzt, also durchgehend subjektiv und solipsistisch, wird dem Zuschauer die Möglichkeit genommen, einen objektiven Standpunkt einzunehmen. Er sieht die Dinge so verschwommen,
wie Max Renn, kann wie dieser kaum zwischen Realität und Halluzination unterscheiden. Weil der Mensch die Realität nur subjektiv empfinden
und erfahren kann, hat der gesamte Film einen traumhaften Unterton."31
61
"We get no information that Max doesn't get himself"32, kommentiert Cronenberg Videodrome. Der Zuschauer hat Max Renn als einzige Informationsquelle
zu akzeptieren, ungeachtet der Tatsache, wie verläßlich, real oder irreal, die
Max und somit auch die dem Betrachter zugespielten Informationen erscheinen.
In Videodrome wie auch in Naked Lunch teilt der Zuschauer die Realität, Irrealität, die Halluzinationen und Rauschzustände seiner Protagonisten – beide Filme enthalten keine einzige Szene, in der die Protagonisten Max Renn beziehungsweise Bill Lee nicht agieren. Ebenso lernt der Zuschauer die virtuelle Welt
des Spiels 'eXistenZ' nur durch die Protagonisten Allegra Geller und Ted Pikul
kennen, für die die Ereignisse in der virtuellen Realität ebenso physisch existent
erscheinen wie in der wirklichen Welt. Der allwissende Erzähler, Cronenberg,
hält sich dezent im Hintergrund und spielt dem Publikum exakt nur die Informationen zu, die auch die Protagonisten im Spielverlauf von 'eXistenZ' erhalten.
Somit bleibt es dem Zuschauer überlassen, über die Anzahl der 'eXistenZ'Ebenen und der Realitätssprünge zu spekulieren.
Realitätssprünge
Der Betrachter muß unter dem Einfluß des subjektiv fixierten Blickwinkels
versuchen, die Übergänge zwischen Realität und Halluzination in Videodrome
zu decodieren. Dies stellt sich als schwierig heraus, da Regisseur die
Übergänge gleitend und ohne für den Zuschauer erkennbare Markierungs- oder
Wendepunkte in Szene setzt. Ein Ansatz zur Lösung dieser Problematik bietet
der 'special effect'33 als Markierung der Grenze zwischen Realität und
Halluzination (beziehungsweise zwischen Wirklichkeit und Drogenrausch in
Naked Lunch): Fernseher beginnen zu atmen, Videokassetten werden zu
fleischlichen, pulsierenden Gebilden, eine Pistole, die Max in der Hand hält,
verschmilzt mit seinem Arm zu einer bio-mechanischen Einheit, Barry Convex,
einer der Hintermänner von 'Videodrome', bricht, von Pistolenschüssen tödlich
getroffen, auseinander, als abnorme Geschwüre sich in ihrem Eigenleben einen
Weg aus dem toten Körper bahnen.
Ebenso inszeniert Cronenberg die Momente der Halluzination und des
Drogenrausches in Naked Lunch, in denen Bill Lee den grotesken 'Mugwumps'
und dem 'Bugwriter' begegnet, die sich als Agenten einer fremden Macht
entpuppen, für die der Schriftsteller in der 'Interzone' Spionagetätigkeiten
ausüben soll. Der Moment des Einsatzes der 'special effects' indiziert einen
bereits vollzogenen Wechsel der Ebenen: Zu dem Zeitpunkt, an dem Max Renn
seinen Revolver durch eine vaginale Öffnung in seiner Bauchdecke versteckt,
befindet sich der Zuschauer mit dem Protagonisten in dessen 'Videodrome'Realität – parallel hierzu findet sich der Betrachter in Naked Lunch spätestens
seit dem Auftauchen des 'Bugwriters' in der 'Interzone' wieder, einem verzerrten
Abbild Tangers, welches nur als Geisteszustand im Kopf des Protagonisten Bill
Lee existiert.
62
Die Problematik besteht für den Betrachter der Filme nicht im Erkennen des
Effekts, sondern in der Aufschlüsselung der Grenzbereiche, in denen die Realität in die Scheinwelten von Videodrome oder Naked Lunch überwechselt, und
in der Decodierung der Momente, in denen die Protagonisten in ihren Scheinrealitäten Einblicke in die reale Welt erhalten.34
"The idea of the video image is of course central to the film. The first
thing we see is a tv picture; Bridey and Nicki are first introduced on
television screens, and Brian O'Blivion exists solely as an image, as does
Nicki later in the film. Video images are transmuted from passive to
active things and change their viewers from active watchers to passive
victims (one might paraphrase Nietzsche: 'Look not too deeply into the
television screen, lest it begins to look into you'); and finally video and
actuality become impossible to tell apart"35
Wie am Beispiel von Videodrome dargelegt, ergeben sich aus den gleitenden
Wechseln zwischen Realitäten und den Scheinrealitäten anderer Bewußtseinsebenen kontroverse Hypothesen über das Hinübergleiten in die Illusionen der
Scheinwelten:
1. Seit dem Zeitpunkt, an dem Max Renn zum ersten Mal die Ausstrahlung des
Fernsehsenders 'Videodrome' verfolgt, driftet der Film in eine konstante Halluzination ab. Diese Hypothese wird durch die anschließende Szene, in der
Max in einer Fernsehshow auftritt, bei der er die Radiomoderatorin Nicki
Brand kennenlernt, bestärkt: Nicki Brand (Deborah Harry) ist ein Leitmotiv in
den Halluzinationen des Protagonisten und kann real nicht existieren.
2. Barry Convex (Les Carlson) setzt dem Protagonisten Max Renn einen unförmigen Helm auf, der in der Lage ist, die Halluzinationen des Trägers zur
späteren Auswertung aufzuzeichnen. Kurz darauf taucht Nicki Brand als Indikator für eine beginnende halluzinatorische Phase des Protagonisten auf. Da
Cronenberg niemals zeigt, daß Max den Helm wieder abnimmt, erscheint es
nicht ausgeschlossen, daß alle Geschehnisse bis zum Ende des Films eine
einzige, allumfassende Halluzination darstellen.36
3. Als radikalster Text erweist sich die letzte Hypothese zu Videodrome, die das
Geschehen des Films in seiner Gesamtheit als Illusion formuliert. Bei näherer
Betrachtung erscheint diese These jedoch rein spekulativ, da die Veränderungen innerhalb des Filmtextes, wie die Intensivierung der Visionen und
Halluzinationen, gegen diese eine Stagnation auf der dramaturgischen Ebene verheißende Hypothese sprechen.
Eine Markierung des Realitätssprungs anhand des Effekts läßt sich an
Cronenbergs eXistenZ nicht so allgemein aufzeigen. Die Problematik hierbei ist,
daß Cronenberg Effektkreationen wie die 'Gamepods', die 'Knorpelpistole' und
auch die zweiköpfigen, mutierten Amphibien als der 'realen' Filmwelt zugehörig
63
definiert. Der Betrachter, der einen Wechsel der Realitätsebenen anhand
absurderer Mutationen erwartet, wird in eXistenZ jedoch enttäuscht. Die
'eXistenZ'-Wirklichkeit wartet nicht mit aufwendigen Spezialeffekten und
Computeranimationen auf, an denen – vergleichbar mit Filmen wie The Matrix –
das Dargestellte als 'Nicht-Realität' entlarvt werden kann. Das Spiel 'eXistenZ'
erscheint, gemessen an seinen Schauplätzen, so desolat wie jede von
Cronenbergs Wirklichkeiten, sei es New York und später die 'Interzone' in
Naked Lunch, die 'Cathode Ray Mission' und das Schiffswrack in Videodrome
oder die verwüstete Wohnstätte der Mantle-Zwillinge in Dead Ringers. In
eXistenZ erklärt Allegra Geller dem Spielneuling Ted Pikul das Wesen der
Übergänge zwischen Realität und 'eXistenZ', in dem sie ihm das Beispiel der
Filmmontage vor Augen führt: Laut Allegra geschehen diese Übergänge
entweder als harter Schnitt, Abblende oder Überblendung. Da dies genau die
Stilmittel sind, die Cronenberg ausschließlich nutzt – Morphing-Effekte sucht
der Zuschauer in eXistenZ vergebens –, könnte der Sprung zwischen den
Realitäten jederzeit bei jedem einzelnen Schnitt stattfinden, ohne daß der
Zuschauer oder die Protagonisten dies bemerken würden.
Realität und transparente Scheinwirklichkeit
Da sich der exakte Zeitpunkt eines Wechsels in einen anderen Geisteszustand
oder eine andere Bewußtseinsebene nicht ermitteln läßt, erscheint es angebracht, Modelle für die Filme Videodrome und Naked Lunch, die den Wechsel
zwischen den verschiedenen Ebenen in ihrer Gesamtheit erfassen und schematisch aufzeigen, in die Diskussion des Spiels um Realitätsebenen als Bestandteil des Cronenberg-Codes mit einzubinden.
"Tatsächlich ist die Interzone nur ein Geisteszustand"37, kommentiert Cronenberg.
64
Realitätsebenen in Videodrome
Realitätsebene
'Videodrome1
Realität' (R )
Realität (R)
sporadische
Realitätssprünge
zahlreiche
Realitätssprünge
(R > R )
(R < R )
1
1
konstante Bewegung in
der 'Videodrome- Realität'
Zeitebene
1
(R = R )
Realitätsebenen in Naked Lunch
Realitätsebene
Bill Lee erschießt
Joan Lee
Bill Lee erschießt
Joan Frost
'Annexia2
Realität' (R )
'Interzone1
Realität' (R )
Realität (R)
sporadische
Realitätssprünge in
die 'Interzone'
1
(R > R )
konstante Bewegung
in der 'Interzone',
sporadische Sprünge
in die Realität
Sprung in die 'AnnexiaRealität'
Zeitebene
1
(R = R )
1
(R < R )
In den obigen Abbildungen, 'Realitätsebenen in Videodrome' und 'Realitätsebenen in Naked Lunch', wurde der Versuch unternommen, einen vergleichenden
Überblick über das Wechselspiel der Realitätsebenen in beiden Filmen anhand
des zeitgebundenen Handlungsverlaufs aufzuzeigen, dargestellt durch die horizontale Achse, wogegen auf der vertikalen Achse des Diagramms die diversen
Bewußtseins- oder Realitätsebenen nachgezeichnet werden. Der Graph zeichnet den schematisierten und abstrahierten Wechsel zwischen Realität und
Scheinrealität der Protagonisten beider Filme anhand des Filmverlaufs auf.38
65
Parallel finden sich zu Anfang beider Filme nur sporadische Sprünge in die
bizarren Scheinrealitäten der Protagonisten. Sie werden durch ein auslösendes
Moment verursacht, welches in Videodrome als der Zeitpunkt beschrieben
werden könnte, zu dem der Protagonist Max Renn sich in der Werkstatt des
Videopiraten Harlan zum ersten Mal des im menschlichen Gehirn einen Tumor
auslösenden 'Videodrome'-Signals aussetzt. Analog hierzu ist in Naked Lunch
der Zeitpunkt einzuordnen, an dem Bill Lee auf Anraten seiner Frau Joan zum
ersten Mal die berauschende Wirkung des Insektizids, des gelben 'Bugpowders'
erlebt. Kurz darauf erleben beide Filmfiguren kurzzeitig auftretende
Halluzinationen. Max sieht sich bei seiner ersten (für den Zuschauer eindeutig
als solche erkennbaren) Halluzination mit Nicki Brand in der Folterkammer von
'Videodrome' in einem Bett liegend. Bill Lee hat während eines Verhörs auf der
Polizeiwache zum ersten Male Kontakt mit seinem 'case officer', einem circa
dreißig Zentimeter großen, aus einer Anusöffnung sprechenden Käfer. Dieser
insektoide Agent teilt Bill Lee mit, seine Frau sei kein Mensch, sondern eine
Agentin der 'Interzone Incorporated'. In dieser ersten Phase dominiert die
'Realität' (R) des Kanadas der frühen achtziger Jahre über die sexuellen
Phantasien und bizarren Verschwörungstheorien der 'Videodrome'-Realität
(R1), ebenso wie die Realitätsebene New Yorks des Jahres 1953 über die sich
in kurzen Momenten abzeichnenden Eindrücke der 'Interzone'-Realität, in
denen der Protagonist Bill Lee zum ersten Mal seinem insektenartigen 'case
officer' begegnet. In der zweiten Phase häufen sich die Sprünge in die
halluzinatorisch-erotische Scheinrealität der 'Videodrome'-Ebene: Die von
Cronenberg gezeigten Bilderwelten erscheinen bizarrer, körperbezogener und
extremer: Max Renn sieht das Abbild Nicki Brands auf dem Bildschirm seines
Fernsehers; als nur noch Nickis Mund das Fernsehbild dominiert, wölbt sich die
Oberfläche des organisch pulsierenden Gerätes Max entgegen, der mit seinen
Kopf tief in das Fernsehbild eintaucht. Kurze Zeit später führt Max seinen
Revolver in die vaginale Öffnung seiner Bauchdecke ein – ein grotesker biomechanischer Geschlechtsakt, in der die kalte Mechanik des Revolvers die
Maskulinität repräsentiert und die organische Existenz, das körperliche Fleisch,
an die Stelle des femininen Elements tritt. In der letzten Phase, die beginnt, als
Max Renn den Helm zwecks Aufzeichnung seiner Halluzinationen aufsetzt,
verschmelzen Realität (R) und 'Videodrome'-Halluzinationen (R1) zu einer
untrennbaren Gesamtheit, in der die verstörenden Bilder der Scheinrealität für
den Protagonisten zur Wirklichkeit werden (R = R1). Max Renn bewegt sich auf
einer immateriellen Ebene nun beinahe vollständig in der 'Videodrome'-Realität,
einer paranoiden Wahnvorstellung, in der er als Opfer 'Videodromes' mordet
und als Täter im Auftrag Bianca O'Blivions Repräsentanten von 'Videodrome'
hinrichtet.39
Konträr zu Videodrome erscheinen die Fixpunkte, die den Wechsel der
Realitätsebenen in Naked Lunch markieren, als zeitlich konkret definierbare
Momente: Der Kammerjäger Bill Lee, durch ein Defizit an Kreativität des
66
Schreibens unfähig, erschießt im Drogenrausch unbeabsichtigterweise seine
Frau Joan. Um einer möglichen Strafverfolgung zu entgehen, flieht Bill nach
'Interzone', dem Zerrbild des Marokkos der fünfziger Jahre, wo er im Auftrag
seines 'case officers' als Agent Berichte anfertigt, die später sein Buch 'Naked
Lunch' ergeben sollen. Doch stellt diese Flucht nur einen Wechsel des
Protagonisten von einer Realitätsebene zu einer anderen dar. Bill Lee zieht sich
in eine Phantasiewelt, die 'Interzone'-Realität, zurück. Analog hierzu ist der Tod
von Joan Frost an der Grenze zum fiktiven Staat 'Annexia' zu deuten, die als
'Doppelgängerin' von Joan Lee fungiert und durch einen entsprechenden Unfall
(wieder wird sie von Bill erschossen) ums Leben kommt: Dieser Übergang in
Phase 3, in eine weitere Bewußtseinsebene (R2), wird zur zusätzlichen
Scheinrealität im Kopf des Protagonisten Bill Lee – das Ende von Cronenbergs
Naked Lunch. Für den Protagonisten ist er ein Neubeginn in einer anderen
Realität, der Anfang neuer Berichte an seinen 'case officer', der Beginn eines
neuen Buches – Tod als Auslöser von Kreativität.
Als Beleg für die Irrealität der Bewußtseinsebenen der 'Interzone' und des
totalitären Staates 'Annexia' zeichnet Cronenberg diese Orte als transparente,
übereinanderliegende Schichten oder Ebenen.40 In der 'Interzone' tauchen
immer wieder Versatzstücke des realen, jedoch vom Protagonisten (und damit
auch vom Zuschauer) nicht wahrgenommenen New Yorks des Jahres 1953
(der Filmrealität) auf41: Bill Lee zeigt dem Schriftsteller Martin (Michael
Zelnicker) sein Reiseticket für eine Passage nach 'Interzone'. Für eine filmische
Einstellung zerreißt die Scheinwelt Bill Lees. Der Zuschauer sieht ihn ein
Röhrchen mit dem berauschenden 'bugpowder' in der Hand halten. Die
Überreste von Bills Schreibmaschine erweist sich für seine Freunde Martin und
Hank (Nicholas Campbell) als eine Tasche, gefüllt mit diversen Medikamenten,
Präparaten und Drogen. Weiterhin unterstreicht Cronenberg den irrealen und
transparenten Charakter der 'Interzone' dadurch, daß er sich in der Gestaltung
diverser Cafés und anderer Räumlichkeiten veränderter und umgestalteter New
Yorker Filmkulissen bedient: Eine kahle New Yorker Seitengasse wird zum
exotischen Markt der 'Interzone'. Ein Diner, in dem Bill seine Freunde Hank und
Martin trifft, wird durch einige Umbauten zum 'Café Central' in der irrealen
Interpretation von Tanger im berauschten Geist des Protagonisten.42
"Indem Tanger als Drehort ausfiel, wurde Interzone zu dem, was es
eigentlich immer war: ein Geisteszustand. Lee verläßt New York nicht
wirklich, oft hört man in seinem Zimmer in Interzone den New Yorker
Verkehrslärm."43
Naked Lunch besteht aus einer Übereinanderlegung verschiedener
transparenter Flächen, die, gleich verschiedenfarbigen (mentalen oder
geistigen) Filtern, über das brüchige Konstrukt der Realität gelegt werden. Daß
die Inzenierung dieser Transparenz, die Überlagerung der Realität mit einer
Scheinrealität, auch für den Übergang von der 'Interzone' nach 'Annexia' zutrifft,
67
belegt das Eintreffen an der Staatsgrenze, an der Bill Lee von zwei
Grenzbeamten über den Grund seiner Einreise und nach seinem Beruf
ausgefragt wird: Cronenberg besetzt die Rollen der Beamten mit den
Schauspielern, die auch die Polizisten verkörpern, die Bill Lee in New York
festnehmen und verhören.
Naked Lunch – eine filmische Rekursion
Die Reise des Protagonisten nach 'Interzone' bezeichnet keine lineare Fortbewegung, die wie in Videodrome zwanghaft zu einem Ende, einem Suizid, ähnlich dem von Max Renn, führen muß. Bewegungen in der nur im Geiste des
Schriftstellers Bill Lee existierenden 'Interzone' sind weder durch Dimensionen
der Zeit noch des Raums zu differenzieren. Die filmische Linearität verliert ihre
Wirklichkeit, der Film erscheint als Teufelskreis, als Rekursion.44
Die rekursive Schleife beginnt mit dem Unfall, bei dem Joan Lee durch ihren
Mann Bill getötet wird, im Schaubild 'Realitätsebenen in Naked Lunch' als Übergang von der Realität der Stadt New York (R) in die irreale Welt der 'Interzone' (R1) gekennzeichnet. Lee beginnt, Berichte an seinen 'case officer' zu verfassen, nicht ahnend, daß er an einem neuen Buch arbeitet, und trifft auf Joan
Frost, die Gattin des homosexuellen Schriftstellers Tom Frost, die seiner realen
Frau gleicht. An der Grenze zum Staat 'Annexia' und damit auch am Rande des
Übergangs zu einer neuen Bewußtseinsebene, einer neuartigen und eventuell
auch extremeren Scheinrealität, erschießt Bill Lee der Bitte des Grenzbeamten
nachkommend, Joan Frost, um zu beweisen, daß er wirklich Schriftsteller von
Beruf sei – erst dann wird dem Protagonisten die Einreise in diesen Staat gewährt und damit seine Existenz auf der neuen Realitätsebene (R2) ermöglicht.
Ein Gedankenspiel, welches den Tötungsakt bereits zweimal als Fixpunkt des
Wechsels von einer Realität in eine andere Wirklichkeit (von New York in die
'Interzone' und später von der 'Interzone' nach 'Annexia') akzeptiert, führt zu der
Vermutung, daß sich die bereits in der 'Interzone' zugetragenen Ereignisse für
Bill Lee auf einer Meta-Ebene in 'Annexia' wiederholen werden.
"The character in the film is killing her forever. It's never exorcised; it's
constantly pushing him and driving him to write. So that when he kills
Joan again at the end of the movie, you know that when he goes to the
next scene, he is going to find another Joan, and he is going to kill her
too — whether in fantasy or reality is almost irrelevant."45
Im Gegensatz zur Struktur eines Teufelskreises, in der sich der Protagonist
nach dem Tod von Joan Frost zwangsläufig wieder in der 'Interzone'
wiederfinden würde, verschachtelt Cronenberg seine Struktur rekursiv. Er läßt
das Geschehen wieder von neuem beginnen, verlegt jedoch das neue
Geschehen auf eine weitere Ebene, eine Meta-Ebene, eine tiefer im verworren
Geist des Protagonisten angesiedelten Scheinrealität, eine Halluzination
innerhalb einer Halluzination. Die 'Interzone' besteht als Phantasieprodukt des
68
die Stadt New York niemals verlassenden Protagonisten. Analog hierzu ließe
sich 'Annexia' als eine Phantasie der imaginären 'Interzone' beschreiben, eine
Scheinrealität, hervorgerufen in einer anderen Scheinrealität. Hier etabliert
Cronenberg das Prinzip seiner rekursiven Filmstruktur in Naked Lunch als Film,
der das Innere, die Gedankenwelt und die Bewußtseinsebenen seines
Protagonisten nach außen hin visualisiert und projiziert.
"When you see the list of movies about writers, it's quite extensive –
everybody from F. Scott Fitzgerald to Dashiell Hammett to Kafka. But the
problem is always the same: the act of writing is not very interesting
cinematically. It's a guy, sitting. Maybe he's interesting, maybe he wears
a hat, maybe he drinks and smokes. But basically he sits and types. It's
an interior act. In order to really convey the experience of writing to
someone who hasn't written, you have to be outrageous. You have to
turn it inside out and make it physical and exterior. That's what I've done
with Naked Lunch. I've seen a lot of movies about writers and I don't
think one of them has gotten to the insides of the process. You can't do it
in a realistic, naturalistic way."46
Virtuelle Realitäten und eXistenZen
"Ich fühle mich ein klein wenig losgelöst von meinem wirklichen Leben…
Ich weiß nämlich weder, wo sich mein Körper, noch wo sich die Realität
befindet; ich weiß auch nicht mehr, was ich getan beziehungsweise nicht
getan habe."
Ted Pikul in eXistenZ
"Das ist ein wunderbares Zeichen… Das Spiel macht viel mehr Spaß,
wenn es erst einmal realer als die Wirklichkeit geworden ist."
Allegra Geller in eXistenZ47
Der Grundgedanke einer virtuellen Realität scheint so alt zu sein wie die Rechenmaschinen, die begonnen haben, alltägliche Vorgänge und Abläufe in Zahlen und Algorithmen neu zu erschaffen. Der Begriff der Simulation prägt diese
Nachbildungen realer Ereignisse.
Im Kino fanden die virtuellen Welten fast ausschließlich immer im Zusammenhang mit fortschrittlicher Filmtechnik Einzug. Wurden in Steven Lisbergers
Tron diese virtuellen Welten noch mit einer Mischung aus rudimentärer Computeranimation, Farbverfremdung und Zeichentrick realisiert, sind heutzutage mit
moderner Animation der Verwirklichung der menschlichen Vorstellungskraft
kaum noch Grenzen gesetzt, was Auseinandersetzungen mit virtuellen Realitäten wie Total Recall, Johnny Mnemonic, Virtuosity, Dark City und nicht zuletzt
The Matrix belegen.
69
Doch erscheint das Prinzip einer artifiziellen Welt, einer virtuellen Realität,
nicht zwingend an die Entwicklung neuer Spielkonsolen, Spiel-Software, 3DHardware oder gar neuer Filmtechnologien gebunden. Verallgemeinert handelt
es sich bei einer künstlichen Realität um die Bereitschaft eines Subjekts, die
virtuellen Bilder als faktisch existent zu akzeptieren. Ob diese Bilder aus externer Quelle (digitale Projektion) entstammen oder internen Ursprungs (mentale
Projektion) sind, soll für die folgenden Überlegungen nicht von Relevanz sein.
Somit ließen sich virtuelle Realitäten nicht nur in Form von Computersimulationen realisieren, sondern vielmehr auch als 'state of mind', als Geisteszustand
verstehen. Abhängig alleine von der Tatsache, inwieweit das Gehirn des Subjekts bereit ist, die (ein)gebildeten Bilder als Realität zu akzeptieren, wobei die
Qualität der Simulation irrelevant erscheint.
Bereits vor eXistenZ widmete sich David Cronenberg dieser 'virtuellen Welten' in mehreren Variationen und Spielarten. In Videodrome liefert der Regisseur ein sehr verschwommenes Bild eines Realitätskonzeptes: Der Wechsel
zwischen Realität und virtueller 'Videodrome-Realität' geschieht für den Protagonisten Max Renn fließend, mit nicht explizit gekennzeichneten Rückfällen in
die Realität. Erst als es ihm gelingt, das Neue Fleisch nach seinem eigenen
Gusto zu formen und Körper seiner Feinde (Harlan und Barry Convex) aufzulösen, erscheint Max als Gott in seinem eigenen 'Videodrome-Cyberspace', der
die Auflösung der sterblichen Hülle und den Übergang in eine neue Daseinsform zum Ende des Films an sich selbst exerziert.
Auch Naked Lunch bietet ein Paradebeispiel virtueller Realität à la Cronenberg. Als der Schriftsteller Bill Lee unter Drogeneinfluß seine Frau Joan erschießt, flieht er in sein erdachtes Exil, die 'Interzone'. Hier scheint er vor jeder
strafrechtlichen Verfolgung sicher zu sein.48 Als die Geschehnisse in dieser virtuellen 'Interzone' außer Kontrolle geraten, flieht Bill nach Annexia, eine künstliche Realität innerhalb einer künstlichen Realität. Das dieser Prozeß nur in der
mentalen Auflösung seines Protagonisten enden kann, braucht Cronenberg in
Naked Lunch noch nicht einmal anzudeuten.
Oftmals bedeutet bei Cronenberg die Zerstörung der Illusion einer virtuellen
und scheinbar perfekten Welt die körperliche Auflösung des Protagonisten: In
M. Butterfly erschafft sich René Gallimard ein virtuelles Bild eines in seinem
Sinne antiken und mystischen Chinas. Er verweigert sich der Realität der sich
anbahnenden chinesischen Kulturrevolution ebenso wie der Tatsache, daß seine Geliebte Song Liling – außerhalb seiner erdachten Wirklichkeit – ein Mann
ist. Der Zusammenbruch dieser Illusion (oder Programmabsturz der Simulation)
endet für Gallimard, unfähig, in der Realität zu leben, im Suizid.
eXistenZ wirkt wie die Quintessenz der vorherigen Reisen Cronenbergs in
die virtuellen Welten seiner Charaktere. Wie auch die 'Interzone' oder 'Annexia'
findet das Spiel 'eXistenZ' im Geiste der Protagonisten statt. Für die Generation
von Computerspielen, die der Regisseur in seinem Film zeigt, wird längst kein
Monitor oder Datenhandschuh benötigt. Die Hardware ist organischer Natur und
70
besteht prinzipiell aus zwei Komponenten: dem menschlichen Körper, der mit
einer Schnittstelle in der Wirbelsäule, dem 'Bioport', ausgerüstet ist, und der
organischen Spielkonsole, dem 'Gamepod', in dessen DNA die Spielsoftware
gespeichert ist. Verbunden werden diese Komponenten durch eine Art Nabelschnur, mit der der 'Gamepod' das Spiel direkt in das Nervensystem des Wirtskörpers einspeist. So überlagert 'eXistenZ' alle Sinne seiner Benutzer mit den
vorgegebenen Informationen und ist somit von der Wahrnehmung der 'Realität'
nicht zu unterscheiden.
Darin liegt jedoch auch die Problematik des Realitätsbergiffes in eXistenZ:
Cronenberg bietet dem Zuschauer – wie schon zuvor beschrieben – keine visuellen oder gar akustischen 'Grenzmarkierungen' zwischen Realität und Virtualität. Bevor Cronenberg mit den letzten fünf Minuten von eXistenZ den Realitätsbegriff des Betrachters ad absurdum führt, wähnt dieser bis zum ersten Einklinken in das Spiel 'eXistenZ' die Protagonisten Allegra Geller und Ted Pikul in der
filmischen 'Realität'. Hinweise, daß diese Wirklichkeit nicht so real ist, wie sie
scheint, bietet David Cronenberg dem Zuschauer an vielen Stellen an: Während
Ted Pikul sich vom Tankstellenwärter Gas einen 'Bioport' einsetzen läßt, wandert Allegra Geller vor der verwahrlosten Tankstelle auf und ab. Sie tritt mit den
Füßen herumliegenden Kiesel, wirft Steine auf eine verrostete Zapfsäule und
riecht am Zapfhahn. Hierbei scheint es, als überprüfe die erfahrene SpielDesignerin die Qualität einer Simulation: Verhalten sich Objekte in ihren physikalischen Aspekten gemäß ihrem wirklichen Vorbildern, sind Sinneseindrücke
wie Gehör, Geruch und Geschmack wirklichkeitsgetreu?
Einmal in die virtuelle Welt von 'eXistenZ' eingeklinkt, entdecken die Protagonisten in einem Bazar Miniaturausgaben der 'Gamepods', an die sie sich umgehend anschließen, da diese Vorgehensweise anscheinend zum Spiel gehört
und den weiteren Verlauf der Handlung beeinflußt. Vorausgesetzt, der Zuschauer schenkt der scheinbaren Auflösung am Ende des Films Glauben, so
befinden sich Cronenbergs Protagonisten zu diesem Zeitpunkt bereits in einer
virtuellen 'virtuellen Welt', quasi 'eXistenZ2'. Kurz darauf nehmen die chaotischen Handlungsstränge um 'Anti-eXistenZialisten', Industriespione und Doppelagenten ihren Lauf. Da eXistenZ sich im eigentlichen Sinne der Erzählweise
der 'first-person-films' bedient, läßt Cronenberg Zuschauer wie auch Protagonisten im Unklaren darüber, ob sich im Spielverlauf nur eine Abweichung von
der geplanten Handlung aufgetan hat, oder ob sich Allegra Geller und Ted Pikul
auf einer 'Meta-Meta-Ebene' (ein Spiel im Spiel im Spiel, sozusagen 'eXistenZ3')
befinden.
In Naked Lunch erfindet der Schriftsteller Bill Lee nicht nur die 'virtuelle Interzone' als reine Kopfgeburt, sondern definiert auch seine eigene Identität neu: Er
ist nun als 'Agent' für seinen 'case officer' tätig und (er)findet seinen Hang zur
Homosexualität als 'perfekte Tarnung' für seine neue Aktivitäten. Wiederum
taucht auch dieses Motiv in eXistenZ auf. Jede der Figuren, die in der 'Realität'
71
oder im 'Spiel' auftauchen, erfindet sich konstant neu: Allegra Geller wandelt
sich von dem Star unter den Spiel-Designern letzten Endes zu einer Testperson, dann zu einer Terroristin und Gegnerin von Computerspielen. Ted Pikul
durchläuft sogar noch weitere Charaktertransformationen, indem er sich vom
Bodyguard zum Killer bis hin zum Verräter erfindet.
Am Ende von eXistenZ präsentiert Cronenberg dem Zuschauer eine scheinbar atypische und simple Erklärung der Geschehnisse: Alle Ereignisse, die der
Zuschauer bis dato verfolgen konnte – das Attentat auf Allegra, das Spiel 'eXistenZ', die Flucht, der Verrat von Kiri Vinokur und Ted Pikul –, erscheinen als
Simulation, als Bestandteile eines Spiels namens 'TransCendenZ'. Wiederum
überläßt es David Cronenberg dem Kinogänger zu entscheiden, ob sich die
Protagonisten jetzt in der 'Realität' oder auf einer Meta-Meta-Meta-Ebene befinden – sozusagen 'eXistenZx' . Es bleibt jedoch die Spekulation, daß erstens die
'virtuelle Realität die Wahrnehmung derart täuscht (wie im Fall von 'eXistenZ'
oder 'TransCendenZ'), daß die Spieler der Illusion erlegen sind, das Spiel sei
beendet. Zweitens ist noch die Möglichkeit gegeben, daß das anscheinende
Spielende einen festen Programmbestandteil des Spiels selbst darstellt und den
Spieler nicht wieder in die Realität entläßt.
Zusammenfassend gilt für alle Filme Cronenbergs: Realität ist, was die Protagonisten als solche empfinden, ungeachtet der Perfektion (oder Qualität) dieser Illusion. Übergänge zwischen Realität, virtueller (oder erdachter) Realität
und Meta-Realität (virtuelle Welten innerhalb virtueller Realitäten) sind verschwommen, greifen ineinander über – nicht klar gekennzeichnet und lückenhaft im Gesamtbild. Cronenbergs Protagonisten werden von ihrem neuen Realitätsverständnis völlig absorbiert, der Ausbruch aus dieser idealen Realität (siehe Gallimard in M. Butterfly) hat meist tödliche Folgen.
"Are we still in the game?… Tell me the truth. Are we still in the game?"
Letzte Dialogzeile in eXistenZ49
'double writing'
"However, in Scanners I intended that the two brothers should not be
complete people but halves of a complete person, which is getting closer
to allegory where you have human characters playing aspects of a
personality. Much of Scanners presents good and evil as different
aspects of the same phenomenon. The line between them is non-existent."50
'Good and evil', 'Gut' und 'Böse' – zwei Antithesen – stellen immer nur die beiden Gegenpole einer allumfassenden, ordnenden Gesamtheit dar. Beide Gegensätze, miteinander vereint, bilden eine Amalgam, etwas Funktionierendes.
72
Erst die Fusion zweier Gegner, das Verschmelzen von Protagonisten und Antagonisten (Scanners) ergibt diese funktionierende Gesamtheit und das daraus
resultierende 'happy-ending'. Eine Trennung dieser Antipoden bedeutet Tod,
die Zerstörung des Gleichgewichts, die durch den von Schwarz und Weiß entstanden ist (Dead Ringers). Cronenbergs Filme zeigen Phänomene auf, die,
obwohl neutral in ihrem Erscheinungsbild gezeichnet, immer besagte Gegenpole gebären. Es existieren Doppelgänger, zwei Hälften einer menschlichen Seele
in separaten Körpern, auf Gedeihen miteinander verbunden, auf Verderben
voneinander getrennt, sowie die Wiederkehr längst verlassener Orte, Duplikate
verloren geglaubter Personen (Naked Lunch): konträre Phänomene, Doppelgänger und Verdoppelungen.
Konträre Phänomene
Zu keinem Zeitpunkt ergeht sich Cronenberg in einer klischeebeladenen
'Schwarzweiß-Malerei', die ausschließlich das Ziel hat, das 'Böse' durch das
'Gute' in einem dem klassischen Horrorrepertoire entlehnten Exorzismus zu
vernichten.51 Jedoch lassen sich in Filmen Cronenbergs wie Scanners oder The
Dead Zone die Protagonisten, der 'Scanner' Cameron Vale und der mit paranormalen Fähigkeiten ausgestattete Johnny Smith sowie die Antagonisten, Darryl Revok und der machtbesessene Politiker Greg Stillson (Martin Sheen), eindeutig identifizieren.52
In Filmen wie Scanners und The Dead Zone entspringen diese konträren
Phänomene, der rivalisierenden Parteien der Protagonisten und Antagonisten
und die positiven wie auch negativen Auswirkungen, einem gleichartigen
Ursprung, einer paranormalen Fähigkeit. Dieser Ursprung, ob mentale
Befähigung oder (meist wissenschaftliche) Innovation, besitzt, einem Januskopf
gleich, in seiner ursprünglicher Erscheinung eine Neutralität, ein Gleichgewicht
zweier verschiedenartiger Kräfte. Der Einsatz dieser Quelle, die Motivation, die
ihm zuteil wird, bestimmt über die positiven beziehungsweise negativen Effekte
der Anwendung. Somit erscheint beispielsweise die Fähigkeit des 'Scannens'
als eine neutral zu wertende Fähigkeit, die einzig und allein durch ihre Existenz
als Mischform der Telepathie und der Telekinese definiert wird. Die Möglichkeit
der Anwendung dieser besonderen mentalen Gabe durch ein befähigtes
Individuum bestimmt eine wertende Beurteilung zugunsten der positiven oder
negativen Aspekte: Der sanftmütige 'Scanner' Cameron Vale benutzt diese
Fähigkeit, um sich auf telepathischer Ebene mit anderen 'Scannern'
auszutauschen oder um sich in Notwehr zu verteidigen, sein Bruder Darryl
Revok nutzt dagegen das destruktive Potential dieser Befähigung, indem er
Gegnern suggeriert, sich selbst zu töten oder indem er den Schädel eines
'Scanners' durch Gedankenkraft explodieren läßt. Selbst die Fähigkeit des
'Scannens' weist eindeutig diese positiven und negativen Attribute für das
Individuum auf. Beschert diese Fähigkeit, dem 'Scanner' nun einerseits den
Sieg des Geistes über die Materie, die Fähigkeit in die Psyche anderer
73
Menschen einzutauchen und/oder deren Materie zu verändern, so ist der
unerwünschte Nebeneffekt, daß erstens auf telepathischem Weg die Gedanken
anderer Menschen das Gehirn des 'Scanners' ausfüllen, deren unmittelbaren
Folgen sich in psychischer Labilität oder Schizophrenie formulieren, und
zweitens physische Degenerationserscheinungen der 'Scanner' zur Folge
haben.
Ebenso wie die Fähigkeit des 'Scannens' erweist sich die durch den Autounfall und das fünfjährige Koma aktivierte, hellseherische Fähigkeit des Johnny
Smith in The Dead Zone als Gabe, die sich für das Individuum als Segen und
Fluch zugleich herausstellt. Zu allererst führt die paranormale Befähigung analog zu dem früheren Film Scanners ähnliche physische Verfallserscheinungen
als Konsequenz ihrer Anwendung durch den Protagonisten mit sich. Jede Vision bedeutet für Johnny Smith, seiner Sterblichkeit näher gekommen zu sein.
Weiterhin hat die Anwendung der hellseherischen Fähigkeiten eindeutig positive Konsequenzen, wie die Rettung von Menschenleben im Falle des jungen
Chris Stuart (Simon Craig) oder die Ergreifung des 'Castle-Rock'-Mörders Frank
Dodd (Nicholas Campbell). Bald darauf scheinen jedoch unabwendbar negative
Auswirkungen in das Leben des Protagonisten zu drängen: Tausende von Bittschriften, alle nach Hilfe in Johnnys Visionen suchend, und der Andrang der
Medien zwingen den Protagonisten, sich in die Anonymität, in die Isolation einer
fremden Stadt zurückzuziehen, in der er sich seiner sozialen Außenseiterrolle
bewußt wird, die seine übersinnliche Gabe als unerwünschten Nebeneffekt
nach sich zieht. Ebenfalls zwiespältig erscheinen die Reaktionen der Umwelt
auf seine Fähigkeit: Sheriff Bannerman (Tom Skerritt) versucht, Johnny Smith
(Christopher Walken), als dieser sich zuerst weigert, sein Talent zur Überführung des 'Castle-Rock'-Mörders einzusetzen, mit der Argumentation zu überzeugen, seine hellseherischen Fähigkeiten wären eine Gabe Gottes, deren Einsatz er nicht verweigern könne. Konträr hierzu beschimpft ihn ein aufgebrachter
Reporter als 'Freak', als Mißgeburt, als Monstrosität. Die Mutter des Mörders,
Henrietta Dodd (Colleen Dewhurst), bezeichnet ihn nach dem Selbstmord ihres
Sohnes als Teufel, als "a devil, sent from hell" (0:53).
Konträre Phänomene – dies impliziert nicht nur Gegensätze, sondern
beinhaltet auch die Möglichkeit der Auswahl zwischen zwei Antipoden. In The
Dead Zone verläuft die Zeit linear, Vergangenes ist unveränderlich und
zukünftige Ereignisse unausweichlich. Jedoch entdeckt Johnny Smith in seinen
Visionen einen 'dunklen Fleck', die sogenannte 'Dead Zone', welche die Zukunft
verschwommen erscheinen läßt, einen Fixpunkt, in dem der lineare Zeitstrom
sich aufspaltet, sich verzweigt, um voneinander abweichende Möglichkeiten
einer Zukunft aufzuzeigen. Die 'Dead Zone' stellt einen Indikator für den
Protagonisten dar, der ihm die Fähigkeit aufzeigt, aktiv in den Verlauf der Zeit
und damit auch in die Entwicklung der Geschichte einzugreifen, wie im Falle
von Chris Stuart (Simon Craig). Dieser nimmt auf Johnnys Drängen nicht an
74
einem Eishockeyspiel teil, bei dem Chris, wie zuvor in einer Vision dargestellt,
durch die dünne Eisdecke eines Sees einbrechen und ertrinken würde.
Durch die 'Dead Zone' in den hellseherischen Visionen wird das lineare
Konstrukt des Zeitverlaufs aufgespalten; die Zukunft bietet negative und
positive Aspekte (Tod oder Leben); sie erscheint nicht mehr unveränderlich.
Dieser Dualismus wird ebenfalls in der Vision aufgezeigt, in der Johnny Smith
den Politiker Greg Stillson in der Zukunft sieht, als dieser, von Macht und
Größenwahn besessen, einen nuklearen Krieg auslöst (Zukunft = Tod). Jedoch
erscheint diese Vision als eine noch nicht determinierte Variante kommender
Ereignisse. Johnny Smith beschließt, die Zukunft durch das Attentat auf Stillson
zum Positiven zu wenden. Zwar mißlingt das Attentat, jedoch offenbart die
letzte Vision, daß sich der diskreditierte Stillson das Leben nehmen wird, die
Apokalypse ist abgewendet (Zukunft = Leben) und die Zukunft verändert.
Alle Darstellungen besitzen Zweideutigkeit, sind verdoppelbar, haben konträre Aspekte, eine vorteilhafte und eine destruktive Komponente, wobei diese
Seiten in Disharmonie existieren, sich bekämpfen und versuchen, einander zu
zerstören. Der einzige Weg, diese Ordnung zu reetablieren, besteht in dem erneuten Zusammenschluß, der Fusion der Antipoden (Scanners) oder in der
Auslöschung beider disparater Elemente (The Dead Zone, Dead Ringers). In
der Fusion der Brüder Cameron Vale und Darryl Revok in dessen Körper beobachtet der Zuschauer die Geburt eines neuen Lebewesens, einer neuen
Ordnung. Jedoch endet die Absicht, eine Wesenseinheit in ihre konträren Elemente zu trennen, im Tode der beiden separat nicht überlebensfähigen Geschöpfe. Die Vorstellung der Mantle-Brüder als zwei individuelle Wesen erweist
sich als 'Totgeburt'.
Jede Dopplung in Cronenbergs Filmen ist bestrebt, ihre Antipoden zu fusionieren oder zu assimilieren. Die einzige Ausnahme bilden die Mantle-Zwillinge
in Dead Ringers, die sich einer Fusion verweigern.
Eine weitere Dualität spiegelt sich in den zwei unterschiedlichen 'Scanner'Gemeinschaften wider: Kim Obrist führt eine friedfertige Gruppierung an, die mit
Selbsthilfe und Selbsterfahrung lernt, mit ihren telepathischen Kräften umzugehen, der Stimmen in den Köpfen der 'Scanner' Herr zu werden und Telepathie
zu einem verbindenden, befreienden Gemeinschaftserlebnis werden zu lassen.
Darryl Revok dagegen leitet eine terroristische Untergrundbewegung, besessen
von faschistoiden Machtvorstellungen – Träume einer von Übermenschen dominierten Gesellschaft, die das destruktive Potential ihrer übernatürlichen Fähigkeit zum Erlangen und zur Aufrechterhaltung ihrer Herrschaft zu nutzen gedenkt. "Wir sind der Traum, er der Alptraum" (0:54)53, kommentiert Kim Obrist
die verschiedenen 'Scanner'-Gruppierungen. Als "Glück für die einen, für andere ein Unglück" (1:11) bezeichnet Dr. Ruth die Entstehung der 'Scanner' und
damit die konträren Erscheinungsformen eines einzelnen Phänomens.
Akzeptiert der Zuschauer 'Consec', eine industrielle, vom eigenen Vorstand
in der Funktion nur geheimnisvoll als 'Organisation' skizzierte, anonyme Institu75
tion, als wertfreie Erscheinungsform, so läßt sich hervorheben, daß dieser Neutralität zwei Figuren des Typus der klassischen 'Hintermänner' oder 'Drahtzieher' eines Agentenfilms, zwei Extreme – ein Positiv und ein Negativ – entspringen: die 'Consec'-Mitarbeiter Dr. Paul Ruth und der Sicherheitsbeauftragte
Braedon Keller.
Der Antagonist (Keller) fungiert in einer klassischen Verschwörerrolle, er
konspiriert mit Darryl Revok und intrigiert gegen Dr. Ruth, um dessen Resozialisierungs- und Schulungsprogramm für die 'Scanner' zu stoppen. Er sendet seine Killer, um Cameron Vale und Kim Obrist zu töten und eliminiert letzten Endes seinen Kontrahenten Ruth mit eigener Hand. Beide, Ruth und Keller, arbeiten für die gleiche Organisation. Dennoch verfolgen sie oppositionelle Zielsetzungen und lassen sich von gegensätzlichen Motivationen führen – zwei konträre Potentiale wirken gegeneinander. Ebenso darf in dieser Betrachtung das in
Scanners beschriebene Medikament 'Ephemerol' nicht außer acht gelassen
werden. Es wurde von Dr. Paul Ruth entwickelt, um Frauen in ihrer Schwangerschaft als verträgliches Beruhigungsmittel verschrieben werden zu können.
Trotz dieser angestrebten positiven Wirkung des Medikamentes besitzt 'Ephemerol' eine unerwünschte Nebenwirkung: Es beeinflußt die Entwicklung des
ungeborenen Kindes. Noch im Mutterleib entwickelt es die Fähigkeit zum
'Scannen'; es wird zu einer Mutation, zu etwas Widernatürlichem.
76
Mit sexueller Stimulation ins neue Spiel – Ted Pikul (Jude Law) und Allegra Geller (Jennifer Jason Leigh) in eXistenZ
© Kinowelt
77
Kiri Viokur (Ian Holm) operiert einen 'Game Pod' in eXistenZ
© Kinowelt
78
Konträre Phänomene in Scanners und The Dead Zone
Scanners
'Scanner'-Organisationen
Gruppe um Kim Obrist
Gruppe um Darryl Revok
'Selbsthilfegruppe': 'Scannen' als positives, kollektives Gemeinschaftserlebnis
Gewaltsame Etablierung des 'Scanners' als
Übermenschen, um unbefähigte Menschen
zu versklaven.
'Consec'-Mitarbeiter
Dr. Paul Ruth
Braedon Keller
Initiator des 'Scanner'-Phänomens.
Versucht, die Scanner zu betreuen.
Sicherheitsbeauftragter bei 'Consec'.
Antagonist und Gegenspieler Ruths.
Die Droge 'Ephemerol'
Das Medikament wird während der Schwan- Als 'Nebenwirkung' wird das ungeborene Kind
gerschaft als Beruhigungsmittel verschrieben. noch im Mutterleib zum Scanner.
The Dead Zone
Visionäre Gabe, das 'zweite Gesicht' des Johnny Smith
positive Aspekte
negative Aspekte
Johnnys
Visionen
retten
Leben
oder Die Gabe der Visionen macht Johnny zum
verhindern, daß weitere Menschen (zum sozialen Außenseiter. Mit jeder neuen Vision
Beispiel durch den 'Castle-Rock-Mörder') ums scheint Johnny körperlich zu verfallen.
Leben kommen.
Zukünftiger Zeitverlauf und die 'Dead Zone'
Zukunft = Leben
Zukunft = Tod
Johnny Smith greift durch das Attentat in den Es geschieht kein Attentat, Greg Stillson wird
Lauf der Geschichte ein und rettet die im Größenwahn einen Atomkrieg auslösen
Menschheit vor dem zukünftigen Atomkrieg.
Legende:
positive
positiveAspekte
Aspekte
negative Aspekte
Auch in Crash findet sich ein Doppelgänger zu James Ballard (James Spader). Ballard, der gerade erst die sexuelle Stimulation durch Autounfälle kennengelernt hat, findet seinen 'Lehrmeister' in Vaughan (Elias Koteas), der diese
Art der Stimulation perfektioniert hat und diese 'Lehre' als Leitfigur, als Prophet,
seinen Jüngern weitervermittelt. Vaughan verkörpert Ballards alter ego – die
Projektion einer Persönlichkeit, die Ballard gerne sein möchte und im späteren
Verlauf des Films sein wird. Vaughan personifiziert die neuartige Sexualität, die
in Ballard aufkeimt, in Perfektion.
In ihrer kurzen Affäre versuchen diese 'Antipoden' eine Fusion, um eine Einheit zu bilden. Da die Fusion durch den Tod Vaughans nicht mehr realisierbar
ist, bleibt dem übriggebliebenen Einzel (Ballard) nur noch die Möglichkeit der
Assimilation. Ballard übernimmt die Rolle seines Lehrmeisters Vaughan, indem
er den Unfallwagen Vaughans wieder herrichtet. Er will Vaughans Platz hinter
dem Lenkrad einnehmen, um in dem Gefährt seines 'Meisters' die Erfüllung
seiner sexuellen Stimulationen zu finden.
79
In eXistenZ stellen Ted Pikul und Allegra Geller in der Vielschichtigkeit der unterschiedlichen Realitätsebenen ihre eigenen Antipoden und Gegenspieler dar:
Im Spiel 'eXistenZ' agieren sie in der Rolle der klassischen Verschwörungsopfer, die sich auf der Flucht vor namenlosen Attentätern befinden. Zunächst
wandelt sich Pikul von Allegra Gellers Leibwächter in ihren Attentäter (er zeigt
seine eigentliche Programmierung und Rolle im Spiel 'eXistenZ'), zum Ende des
Films, als die Testpersonen, die alle ihre vielschichtige Rollen im Spiel 'TransCendenZ' verkörperten, mutieren Geller und Pikul zu militanten Computerspielgegnern, ihren eigenen 'Anti-Charakteren'. Somit entwickelt David Cronenberg
in eXistenZ 'multi-konträre Phänomene': Vielschichtige Gegenpole agieren in
multiplen Realitäten.
Doppelgänger
Beverly Mantle: "Warum machst Du nicht einfach mit Deinem ganz
eigenen Leben weiter?"
Elliot Mantle: "Weißt Du noch damals, die ersten siamesischen
Zwillinge?"
Beverly Mantle: "Chang und Eng. Sie waren an der Brust
zusammengewachsen."
Elliot Mantle: "Weißt Du noch, wie sie starben?"
Beverly Mantle: "Chang ist an einem Herzschlag gestorben und zwar
mitten in der Nacht. Er war immer der kränkliche
gewesen, er war immer derjenige gewesen, der
zuviel getrunken hat. Später, als Eng neben ihm
aufwachte und entsetzt feststellen mußte, daß sein
Bruder tot war, ist er aus Furcht gleich gestorben."
Elliot Mantle: "Beantwortet das Deine Frage?"
Beverly Mantle: "Armer Elli."
Elliot Mantle: "Armer Bev."
Dead Ringers (1:01)
David Cronenberg entwirft in seinen Filmen Scanners, The Dead Zone und
Dead Ringers54 innerhalb der jeweiligen Figurenkonstellationen Doppelgängermotive, modifizierte Gestaltungen der klassischen 'Dr. Jekyll and Mr. Hyde'Thematik. Er stellt Charaktere vor, die als 'dunkle Seite' und 'helle Seite' eines
übergeordneten Individuums erscheinen, so wie die ungleichen Brüderpaare
der 'Scanner' Cameron Vale und Darryl Revok oder die Mantle-Zwillinge. Das
Motiv einer Seele, aufgespalten in zwei verschiedene Körper, die ohne ihr Pendant kaum lebensfähig sind und nur im gegenseitigen Austausch, in einer Art
Symbiose existenzfähig erscheinen – Konzepte, dem dualistischen Weltbild der
Schauerromantik, dem Zwiespalt zwischen 'Gut' und 'Böse' in der menschlichen
Seele entlehnt.
80
Diese Doppelgänger-Konstellation stellt sich im Beispiel der Protagonisten in
Scanners so dar: Die Brüder Cameron Vale und Darryl Revok sind gleichen Alters (35 Jahre) und personifizieren jeweils die positiven und negativen Aspekte
des gleichen Phänomens, der Fähigkeit des 'Scannens'. Auf der einen Seite
existiert das verbindende Element des gemeinschaftlichen Gedankenaustauschs. Auf der anderen Seite findet sich das enorme destruktive Potential
dieser telepathisch-telekinetischen Befähigung. Cameron wird hierbei als
sanftmütige, in der Ausstrahlung fast schon feminine Natur gezeichnet. Im Gegensatz zu seinem aufbegehrenden Bruder Darryl empfängt er von Dr. Ruth
Befehle, die er ohne Widerstand befolgt, anstatt sie, als ein dem 'normativen'
Menschen übermächtiges Wesen, zu erteilen.
Darryl dagegen verkörpert einen aggressiven, sehr maskulinen, keine Autorität anerkennenden Charakter. Von faschistoiden Machtphantasien besessen,
träumt er einen größenwahnsinnigen Tagtraum von einer neuen Weltordnung,
in der die 'Scanner' als Übermenschen gewaltsam über die mental unbefähigten
Menschen herrschen – eine Welt, in der die herrschende 'Scanner'-Rasse mit
Hilfe des Präparates 'Ephemerol' neue, potentere 'Scanner'-Generationen zeugen würde, um dadurch die Ordnung der 'Normalen' in die Knie zu zwingen und
über ein "Empire voller Ruhm und Glanz" zu gebieten (1:29). Scanners zeigt
zwei Brüder, die an der Trennung ihrer gemeinsamen Seele leiden eine Thematik, die sich als bedeutungsvoll für die Betrachtung der Zwillinge Beverly und
Elliot Mantle in Dead Ringers erweisen wird.
Cameron Vale und Darryl Revok bilden die (positive und negative) Hälfte einer einzigen Persönlichkeit, in der das Gleichgewicht dem 'guten Menschen'
und dem 'bösen Menschen' zerstört worden ist – eine Trennung, bei der beide
Segmente unabhängig voneinander, wie in Dead Ringers aufgezeigt, nicht lange überlebensfähig erscheinen. Der einzige Ausweg aus dieser Misere besteht
in dem Versuch, das Geteilte wieder zusammenzuführen und die zwei Hälften
einer Persönlichkeit zu vereinen, aus zwei Bruchstücken erneut ein Ganzes zu
formen. "Alles, was Du bist, wird auf mich übergehen. Du gehörst zu mir, Cameron. Egal wie. Schließlich sollten Brüder zusammenhalten, findest Du nicht?"
(1:30). Mit diesen Worten initiiert Darryl Revok das spektakuläre 'Scanner'Duell, ein klassischer 'showdown' zwischen Protagonist und Antagonist. An den
Körpern der Kontrahenten treten Adern angeschwollen unter der Haut hervor
und platzen zuerst an den Armen, dann im Gesicht auf. Schließlich bricht Camerons Brust unter der mentalen Kraft seines Bruders auf, danach zerplatzten
seine Augen: Der Druck im Kopf des 'Scanners' ist zu groß geworden.
Der Geist Cameron Vales fusioniert mit dem seines Bruder in dessen Körper.
Das Stigma, die Narbe des Versuchs, sich ein Loch in den Kopf zu bohren, ist
von Darryls Stirn verschwunden, seine Augen erstrahlen in der Farbe Camerons – zwei Hälften, die zulange voneinander getrennt gewesen waren, sind
wieder zusammengefügt worden, die zwei Komponenten der Vale/RevokPersönlichkeit sind zu einem Wesen verschmolzen, der Kreis ist geschlossen
81
und neues Leben ist geboren. Camerons Körper liegt zerstört und bis zur
Unkenntlichkeit verbrannt auf dem Boden. Die leblose Behausung des
menschlichen Geistes hat ihre Daseinsberechtigung verloren.
Dieses Motiv der 'zwei Personen in einem Körper' wird ebenfalls in Dr. Paul
Ruth reflektiert. Bei der zu Anfang des Film noch positiv gezeichneten Rolle des
Wissenschaftlers lassen sich widersprüchliche Aspekte seines Handelns herausarbeiten.
Neben der oberflächlichen Betrachtungsweise unter dem Aspekt einer 'positiv agierenden Figur' (Dr. Ruth rettet Cameron Vale mittels 'Ephemerol' vor dem
sozialen Abstieg, dem geistigen Zerfall und dem Wahnsinn der unkontrollierbar
einströmenden Gedanken anderer Menschen) besitzt Dr. Ruth auch noch negativ zu wertende Gesichtspunkte und Eigenschaften, die Darryl Revok seinem
Bruder kurz vor dem Duell offenbart. Dr. Ruth, der leibliche Vater von Cameron
Vale und Darryl Revok, entwickelte das Sedativum 'Ephemerol', das er im experimentellen Eigenversuch, ohne Gedanken an mögliche Konsequenzen, seiner
schwangeren Frau verabreichte. Jahrelang sah sich Dr. Ruth von der Existenz
seiner Söhne unbeeindruckt und überließ Cameron seinem Leben in der Gosse. Erst als Darryl Revok die 'Scanner' auf seiner Seite zu einer Art Untergrundbewegung zusammenschloß und somit die Situation für die 'Consec'Organisation außer Kontrolle geriet, holte Dr. Ruth Cameron selbstsüchtig von
der Straße, um ihn für seine Interessen als Spion gegen Revok zu benutzen.
Diese Dr. Ruth zugedachte, zwiespältige Rolle kommentiert Cronenberg in der
Namensgebung seiner Figur, indem er ihr einen männlichen Vornamen (Paul)
und einen weiblichen Nachnamen (Ruth) gibt: zwei Geschlechter in einem Körper, zwei Wesen in einem Körper zu einer Art Zwitter vereint, der gleichzeitig
Vater und Mutter darstellt und fähig ist, mit Hilfe des Präparates 'Ephemerol'
eine neuartige Form des Lebens hervorzubringen.
"Der Begriff [des 'dead ringer'] ist nicht mehr sehr gebräuchlich. Er
stammt aus den vierziger Jahren. Ein 'dead ringer' ist jemand oder
etwas, das aussieht wie jemand oder etwas anderes. […] Es ist etwas
obskur, aber 'to ring in someone else' ist wie ein Karnevalsausdruck. Bei
Pferderennen z.B. wettet man auf ein Pferd, das dann aber durch ein
anderes ersetzt wird, das schneller oder langsamer ist. Aber es sieht
genauso aus wie das andere. Das nennt man einen 'Ringer'. Ein 'dead
ringer' ist jemand, der haargenau gleich aussieht."55
In seinem Film Dead Ringers vervollkommnet Cronenberg das bereits in
Scanners etablierte Motiv der 'ungleichen Brüder': eines einzelnen, individuellen
Geistes, aufgespalten in die Körper der eineiigen Zwillinge Beverly und Elliot
Mantle56, die jeder eine separate Hälfte dieses gemeinschaftlichen Bewußtseins
verkörpern.57 Die Brüder, im wahrsten Sinne des Wortes 'Doppelgänger',
verkörpern nicht, wie Cameron Vale und Darryl Revok, zwei Antipoden und
82
Rivalen, die sich in dem simplifizierenden Terminus des 'guten Zwillings' und
des 'bösen Zwillings' kategorisieren lassen.
Tatsächlich erscheinen die Mantle-Zwillinge im Cronenbergschen Fundus
des Doppelgängermotives als eine Interpretation der klassischen Erzählung von
Robert Louis Stevenson, einer Projektion von 'Dr. Jekyll' und 'Mister Hyde' auf
Beverly und Elliot Mantle, die, wie die Figuren der literarischen Vorlage auf physischer Ebene, psychisch miteinander verbunden scheinen und auf diese Weise
zwei verschiedene Komponenten einer einzigen Persönlichkeit reflektieren.58
Analog zu Dr. Jekyll personifiziert Beverly Mantle den geistigen Menschen,
der, zurückgezogen vom gesellschaftlichen Leben, die Forschung der MantleBrüder leitet, während sein Bruder auf Empfängen auftritt, die Reden in der Öffentlichkeit hält, Preise und Ehrungen entgegennimmt und sich durch Beziehungen zu Sponsoren Forschungsgelder sichert. Beverly, von Elliot oftmals
"Baby-Bruder" genannt, ist als schüchterner, introvertierter, sogar etwas labiler
Charakter gezeichnet (tatsächlich tritt Beverly im Gespräch mit ihm fremden
Personen sichtlich gehemmt auf und stottert). Sein Bruder dagegen tritt als
selbstsicherer Charmeur auf, der seine zur Schau gestellte Oberflächlichkeit
nicht einmal zu kaschieren sucht. Als einzige aufrichtigen Gefühle erscheinen
die für seinen Zwillingsbruder. Bezogen auf Sexualität stellt Elliot im Kontrast zu
seinem Bruder das aggressive Moment dar. Er scheint im Gegensatz zu dem
Kopfmenschen Beverly als die physische Komponente der Mantle-Brüder, die
ihre Sexualität in jeder Form auslebt, wogegen Beverly auf eine weibliche Person (Claire) fixiert erscheint und monogam gezeichnet wird. Fast erscheint der
'zerbrechliche' Beverly als feminines Pendant zu seinem Bruder, eine These,
die wiederum von Cronenbergs Namensgebung der Filmfiguren belegt wird, in
dem er den Mantle-Zwillingen einen (im anglo-amerikanischen Sprachgebrauch) femininen Vornamen (Beverly) und einen maskulinen Vornamen (Elliot) verleiht.
David Cronenberg konstruiert mit den Mantle-Zwillingen, im Kontrast zu
Cameron Vale und Darryl Revok, eine subtilere und differenziertere Variation
der 'guter Bruder/böser Bruder'-Konstellation59, in der die Brüder nicht wie in
Scanners als Kontrahenten oder als Protagonist und Antagonist erscheinen. Die
Mantle-Zwillinge scheinen auf einer mentalen, emotionalen Ebene verbunden,
auf der sie Erfahrungen, Wissen und Emotionen teilen. "Du hattest keinerlei
Erfahrung, bevor ich sie nicht gemacht habe"60, kommentiert Elliot die Bande,
die ihn und seinen Bruder zu einem Geist, zu einem individuellen Nervensystem
verbinden61 – eine Verbindung, die nicht nur äußere Einflüsse auf beide Brüder
einwirken läßt (Beverly verfällt als erster in eine Medikamentenabhängigkeit,
Elliot folgt später, um sich mit seinem Zwillingsbruder zu 'synchronisieren'),
sondern auch in Folge der Trennung dieses Kollektivs zum Tode führt (Elliot
stirbt bei dem operativen Eingriff, Beverly kurze Zeit darauf an seinem
Identitätsverlust, der Verlust seines 'anderen Ichs' – seiner 'dunklen Hälfte').
83
Sollte jedoch in einem Film Cronenbergs, wie im Falle von The Dead Zone,
die Figurenkonstellation der Doppelgänger nicht so eng durch das Motiv der
Bruderschaft geknüpft erscheinen, sollte sie sich simpel in die Kategorien des
Protagonisten und Antagonisten klassifizieren lassen, so sind immer noch assoziative Aspekte zwischen den Figuren nachweisbar: Johnny Smith und Greg
Stillson teilen das gemeinsame Schicksal ihrer Visionen, ersterer einer wahrhaftigen hellseherischen Gabe befähigt, letzterer Opfer seiner durch eigene
Machtgelüste hervorgerufenen Wahnvorstellungen.62 "I've had a vision that I'm
gonna be president of the United States someday" verkündet Stillson, um später, in einer von Johnny erahnten Zukunft, in seiner Funktion als Präsident der
Menschheit den nuklearen Tod zu bringen, da dies nach seiner Aussage sein
Schicksal sei, welches er vorausgesehen und nun zu erfüllen habe. Nicht nur,
daß durch die Verwendung des Wortes 'vision' in Stillsons Dialog dieser als antagonistischer Doppelgänger zu der Figur des hellseherischen Johnny Smith
identifiziert wird (schließlich würde Stillson ohne Johnnys Eingreifen in den Verlauf der Geschichte tatsächlich zum Präsidenten gewählt werden, seine Voraussage würde wie eine Vision Johnnys zutreffen), weiterhin personifizieren
beide Figuren die bereits angesprochenen dualistischen Zukunftskonzepte von
Frieden und Apokalypse. Diese Doppelgängermotive in Scanners, The Dead
Zone und Dead Ringers sind im folgenden Schaubild anhand einer Gegenüberstellung der betreffenden Filmfiguren zusammengefaßt:
Doppelgängermotive in Scanners, The Dead Zone und Dead Ringers
Scanners
Cameron Vale (a)
Darryl Revok (`)
Feminin gezeichnet, sanftmütig, benutzt das Maskulin gezeichnet, aggressiv, benutzt seine
energetische Potential des 'Scannens' zur Ver- 'Scanner'-Fähigkeiten zu Angriffszwecken,
teidigung, ordnet sich Dr. Ruth unter.
begehrt gegen Dr. Ruth auf, Machtvisionen
einer übermenschlichen 'Scanner'-Rasse.
Dr. Paul Ruth
Femininer Nachname:
Ruth (a)
Maskuliner Vorname:
Paul (`)
betreut Scanner und ver- benutzt Scanner eigennütsorgt sie mit dem für sie sehr zig zur Verfolgung seiner
wichtigen 'Ephemerol'
persönlichen Interessen.
84
The Dead Zone
Johnny Smith
Greg Stillson
sanftmütiger, die Isolation bevorzugender Charakter.
Charakter der Visionen: 'Reale', eintreffende
oder geschehene Einblicke in Vergangenheit,
Realität oder Zukunft
aggressiver, machthungriger, die Präsenz von
Massen genießender Charakter.
Charakter der Visionen: Irreale, durch
Machtgier heraufbeschworene Wahnvorstellungen.
Dead Ringers
Beverly Mantle (a)
Elliot Mantle (`)
Femininer Vorname, von Elliot 'Baby-Bruder'
genannt, schüchtern und unsicher. Ein nach
innen gekehrter, reflektierender Charakter.
Beverly lebt eher zurückgezogen, betreut die
Praxis, behandelt Patienten.
Maskuliner Vorname, 'Charmeur', selbstsicheres Auftreten. Der Charakter stellt nach
außen gekehrte Oberflächlichkeit zur Schau.
Elliot vertritt die Mantle Brüder im
gesellschaftlichen Leben.
Verdoppelungen
Das letzte zu besprechende Phänomen des 'double writings' in Cronenbergs
Filmen beschreibt weniger Dualismen, konträre Phänomene oder kontrastierend gezeichnete Doppelgänger innerhalb der Figurenkonstellation, sondern
eher Dualitäten, Verdoppelungen – weniger exakte Ebenbilder oder Kopien als
verzerrte Spiegelbilder von symbolistischem oder metaphorischem Charakter.
Figuren, Orte und Geschehen widerfahren Verdoppelungen, existieren zweimal,
in Funktion vorausschauend oder retrospektiv reflektierend. Gleich in der ersten
Szene (0:02) von Dead Ringers erscheinen die Mantle-Zwillinge als Kinder, die
sich auf naiv-wissenschaftlicher Ebene über Sexualität unterhalten. Sie beschließen, ein Mädchen aus der Nachbarschaft zu fragen, ob sie gewillt sei, mit
den Brüder 'zu Forschungszwecken' sexuellen Verkehr zu haben. Bereits in
dieser Szene etabliert Cronenberg das Abbild einer Dreieckskonstellation, die
sich als vorausschauendes Moment auf die spätere, destruktive Gruppierung
um Beverly, Elliot und Claire Niveau erweisen wird. Als Szene von enormem
Symbolcharakter erweist sich der bereits zitierte Dialog zwischen Elliot und Beverly, das Schicksal der ersten siamesischen Zwillinge betreffend: So wie Eng
sich als nicht mehr lebensfähig erwiesen hat, nachdem sein angewachsener
Bruder starb, so stirbt Beverly an Vereinsamung und Identitätsverlust, nachdem
er Elliot während der Operation tötete. Dieser Dialog reflektiert die identischen
Schicksale der siamesischen Zwillinge und der Mantle-Brüder, deren physische
beziehungsweise psychische Verbundenheit, und stellt sich im Zusammenhang
des Todes von Beverly und Elliot als düsteres Vorzeichen auf das unausweichliche Ende der Brüder heraus.
Auch Naked Lunch bedient sich dieser Verdoppelungen in vielfältiger Weise,
zum Beispiel in dem bereits unter dem Aspekt der Realitätsebenen angesprochenen Konstrukt der 'Interzone' als verzerrtes Spiegelbild des New York der
fünfziger Jahre. Das Geschehen an beiden Orten (und eventuell auch später in
'Annexia') ist identisch, was jedoch in Form eines 'first-person-films', auf der
85
Meta-Ebene des halluzinierenden Geistes des Protagonisten Bill Lee, auf seine
imaginäre 'Interzone' (als 'state-of-mind') reflektiert wird. Selbst eine Filmfigur
tritt in Naked Lunch zweimalig in Gestalt der Joan Lee als Bills Frau und in der
der Joan Frost als Frau des homosexuellen Schriftstellers Tom Frost auf. Joan
Frost ist eine Reflexion, ein irreales Wunschbild der verstorbenen Ehefrau des
Protagonisten, die jedoch nach dem Verlassen der 'Interzone' an der Grenze zu
'Annexia' (analog zu den Geschehnissen in New York) das gleiche Schicksal
ereilt wie zuvor ihr Spiegelbild Joan Lee: Beim Versuch, ihr ein Wasserglas vom
Kopf zu schießen, wird Joan Frost von Bill Lee erschossen.
Verdoppelungen im Sinne von Naked Lunch lassen sich auch in Cronenbergs eXistenZ aufzeigen. Jede Figur scheint auf den diversen Realitätsebenen
(ob nun 'eXistenZ' oder 'TransCendenZ') eine anders geartete Funktion zu besitzen. Fast jede im virtuellen Spiel 'eXistenZ' relevant erscheinende Figur erfährt ihre Verdoppelung, als zum Ende des Films der Testlauf des eigentlichen
Spiels 'TransCendenZ' beendet wird und sich alle Protagonisten in der (scheinbaren) Realität wiederfinden. Die Spieldesigerin, der Leibwächter, der Tankstellenbesitzer und der Doppelagent entpuppen sich als Testpersonen für das neue
Computerspiel 'TransCendenZ' (welches nicht auf organischer Technologie basiert, sondern eher an die 'Squid'-Elektroden aus Strange Days erinnert, die
sich die Spieler über den Kopf ziehen), wobei Cronenberg kurz nach Abschluß
des Testes Cronenberg mit einer Verdreifachung aufwartet, indem Allegra Geller und Ted Pikul sich in ihrer 'wahren Identität' als Terroristen entpuppten, die
Yevgeny Nourisch – Doppelagent in 'eXistenZ' und Erfinder von 'TransCendenZ' – vor den Augen der anderen Testpersonen hinrichten.
In Cronenbergs Crash erscheint Vaughan als eine zukünftige Projektion des
eigentlichen Protagonisten James Ballard. Letzterer befindet sich noch in der
'Erkundungsphase' seiner neuen 'motorisierten' Sexualität, Vaughan hingegen
hat seine Sexualität gefunden und perfektioniert – er hat eine Ebene erreicht,
die Ballard erst zu einem späteren Zeitpunkt (weit über das Filmende von Crash
hinaus) erreichen wird. Zum Ende des Films sieht der Zuschauer in Ballard lediglich eine Annäherung an die Figur des Vaughan. Es erscheint dem Zuschauer jedoch gewiß, daß Ballard irgendwann Vaughans Persönlichkeit und Sexualität assimiliert haben wird – Vaughans Wagen besitzt Ballard bereits. Und selbst
wenn James Ballard bei einem Auto-Crash ums Leben kommt, wäre dies nur
eine weitere Parallele, die ihn mit Vaughan verbindet.
86
Inkompatibilität zweier Geschlechter
"Burroughs sagt, und ich habe ihn in Naked Lunch zitiert, seiner Ansicht
nach gehören Männer und Frauen verschiedenen Arten an, sind ganz
verschiedene Wesen, die sich aus irgendwelchen Gründen miteinander
paaren können."63
David Cronenberg
Sich dieser zitierten Auffassung des Schriftstellers William S. Burroughs anschließend, kommentiert Cronenberg das Funktionieren von zweigeschlechtlichen Beziehungen äußerst pessimistisch. In seiner beinahe schon defätistisch
anmutenden Betrachtungsweise erscheinen Mann und Frau zwar auf sexueller
Ebene kompatibel, auf einer das andersgeschlechtliche Gegenüber verstehenden, mentalen Sphäre jedoch absolut inkompatibel – zwei verschiedene Wesen, wenn nicht gar zwei absolut unvereinbare Arten des Menschen, deren einzige Übereinstimmung darin besteht, daß sich ihre differierenden Biologien
zwecks Reproduktion ergänzen.
In diesem Sinne umschreibt Cronenberg das Zusammenleben dieser 'maskulinen und femininen Rassen' in Begriffen der 'Inkompatibilität', des in 'eingeschlechtliche Harmonien hereinbrechenden femininen Chaos', das damit verbundene 'feminine Gewaltpotential' und der 'geschlechtlichen Transformationen
und Metamorphosen'64 unter Verwendung erotisch-sinnlicher Bilder und Symbole. Tatsächlich scheinen Zweierbeziehungen zwischen verschiedengeschlechtlichen Partnern in Filmen Cronenbergs niemals zu funktionieren. Sie scheitern
irgendwann und führen damit unweigerlich zum Tod des Protagonisten beziehungsweise der Protagonistin.65
Jedoch intendiert Cronenberg in seiner Funktion als Regisseur und Autor
keinesfalls, einem Geschlecht eine potentielle Dominanz gegenüber dem anderen einzuräumen. Eher scheint er daran interessiert, eine Verbindung zwischen
der Identität eines Individuums und dessen Sexualität aufzuzeigen. Wie der
Cronenbergsche Protagonist (oder die Protagonistin) seine (ihre) Identität durch
eine Transformation des Geschlechts, einen Rollentausch erfährt, einer Metamorphose gleich, wird spätestens in Cronenbergs M. Butterfly explizit beantwortet.
Inkompatibilität
Die beschriebene Hypothese, die eine Existenz zweier verschiedener Geschlechter nebeneinander zwar für möglich erachtet, ein Dasein miteinander
jedoch in Zweifel stellt, erscheint in Cronenbergs Filmen nicht als Ergebnis geschlechtlicher Unreife der betreffenden Protagonisten. Auch ist die unüberwindbare Kluft zwischen Mann und Frau keine Konsequenz gesellschaftlicher
Machtspiele um Dominanz. Eher erscheint die Entfremdung der Geschlechter
87
als biologisch vorprogrammiertes Erbgut der Cronenbergschen Protagonisten
definiert. Die Unfähigkeit, das feminine Geschlecht zu begreifen, geschweige
denn, ihm einen Platz in eingeschlechtlichen Harmonien (wie beispielsweise
dem Zusammenleben der Mantle-Zwillinge) zuzubilligen, scheint die maskulinen
Figuren von Kindheit an zu determinieren.
In der Eingangssequenz von Dead Ringers werden die circa sechsjährigen
Mantle-Zwillinge gezeigt, die darüber spekulieren, daß Menschen Sexualverkehr haben, da sie sich nicht wie Fische ohne Körperkontakt fortpflanzen können. Das absolute Unverständnis gegenüber der weiblichen Psyche (obwohl sie
paradoxerweise in ihrem Beruf als Gynäkologen mit der weiblichen Physis absolut vertraut erscheinen) dauert an: Die Mantle-Zwillinge sind unfähig, in ihrer
eingeschlechtlichen Harmonie, in einer nahezu perfekten Bruderbeziehung, ein
externes, feminines Element in Person der Claire Niveau zu integrieren:
"In die Chronik der Mantle-Brüder bringst Du ein verwirrendes Element –
möglicherweise ein ganz destruktives"66, kommentiert Elliot Mantle die
Beziehung der Schauspielerin mit Beverly in bezug auf die Harmonie der
Mantle-Brüder. Elliot erkennt, daß die Zwillinge an ihrer Beziehung zu Claire
Niveau zerbrechen werden: "Aber für mich ist in der Chronik der Mantle-Brüder
eben keine Rolle vorhanden", entgegnet Claire Niveau auf die Anschuldigung
Elliots und definiert sich somit als das störende Subjekt in dieser perfekten,
eingeschlechtlichen Beziehung der Brüder. Das feminine Elementzerstört die
symbiotische Harmonie der Mantle-Zwillinge, die ihr Leben, ihren Beruf, ihre
Rollen in der Gesellschaft und sogar ihre Sexualpartner miteinander teilen und
untereinander austauschen. Auf die Frage seines Bruders Elliot, welche
sexuelle Erfahrung er mit Claire Niveau erlebt habe, verweigert sich Beverly
seinem Bruder und antwortet: "Ich möchte nicht darüber sprechen. […] Ich
möchte es für mich behalten, für mich allein." "Hör' mal, Du hattest keinerlei
Erfahrung, bevor ich sie nicht gemacht habe", entgegnet Elliot (0:22), verstört
über die Ablehnung seines Bruders, über den Versuch einer potentiellen
Loslösung Beverlys aus der lebenserhaltenden Symbiose der Zwillinge. Die
Harmonie erscheint gestört, und wiederum bietet die bereits angesprochene
symbolträchtige Traumsequenz in Dead Ringers (0:47), in der Claire Niveau die
pulsierende Nabelschnur, die Beverly mit seinem Bruder Elliot verbindet,
zerbeißt, den Beleg für die zerstörte 'Verbindung' zwischen den Partnern dieser
perfekten 'Beziehung'.
Beinahe erscheint es dem Zuschauer, als funktionierten in den Filmen Cronenbergs ausschließlich Beziehungen zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern, wobei der homosexuelle Aspekt dieser Verbindungen keine zwingende
Voraussetzung darstellt, wie das Beispiel der Beziehung der Mantle-Brüder untereinander aufzeigt. Bemerkenswert erscheint in diesen rein maskulinen Bruder- beziehungsweise Liebesbeziehungen allerdings die Tatsache, daß die eingeschlechtlichen Partner untereinander wiederum zweigeschlechtliche Rollen
einnehmen, eine Figur maskuline, das Gegenüber feminine Charakteristika per88
sonifiziert. Beverly Mantle (es sei nochmals auf den weiblichen Vornamen verwiesen) erscheint als sanftmütiger, femininer Gegenpol zu dem maskulinen,
dominanten Elliot.67 Analog hierzu nimmt Kiki (Joseph Scorsiani) in der homoerotischen Beziehung zu Bill Lee in Naked Lunch eine eher unterwürfige, feminin gezeichnete Haltung ein; ein feminines und maskulines Rollenspiel in einer
rein maskulinen Beziehungskonstellation. Dieses Motiv zeigt Cronenberg in M.
Butterfly in seiner extremsten Erscheinungsform: das homosexuelle Verhältnis
des Botschaftsangestellten Réne Gallimard mit dem für den chinesischen Geheimdienst tätigen Song Liling (John Lone) präsentiert Cronenberg als eine Beziehung, in der einer der maskulinen Partner, in diesem Falle Liling, nicht nur
psychisch den Part einer (klischeebeladenen) devoten Weiblichkeit einnimmt,
sondern sich auch physisch das Erscheinungsbild einer Frau aneignet, während
Gallimard die Rolle des dominanten, maskulinen Europäers verkörpert.
Tatsächlich erscheint es, als seien in den Filmwelten Cronenbergs die
männlichen Protagonisten dazu prädestiniert, eine sinnlichere und emotionalere
Weiblichkeit zu verkörpern als die weiblichen Filmfiguren selbst. Cronenberg
kommentiert diese Schöpfung eines Feminismus in einer maskulinen
(homosexuellen) Beziehung wie folgt:
"'Only a man knows how a woman is supposed to act.' That was the line
in the script and the play that made me want to do it [M. Butterfly]; the
idea that female sexuality is invented by men. The idea that the sexuality
of each of us is an agreed-upon fantasy that we both create for each
other. It's kind of sweet in some ways and kind of scary in others,
because it means in a way there's no reality of sexuality; there's no such
thing as absolute maleness or absolute femaleness. The premise in
Crimes of The Future was that, in the absence of women, men have to
discover the maleness and the femaleness in themselves to keep a
balance. You should be able to have a story about two men or two
women and still have all the maleness and femaleness play out. I think
you can."68
Die Frage, warum sich die männlichen Protagonisten in eingeschlechtliche
Zweisamkeiten zurückziehen, kann nicht ausschließlich auf die Burroughs'sche
Hypothese der zwei Geschlechter als 'ganz verschiedene Wesen, die sich aus
irgendwelchen Gründen miteinander paaren können' als Essenz der Erkenntnis
reduziert werden. Vielmehr erscheinen in Cronenbergs Filmen Frauen als
fremdartige, in früheren Filmen wie Shivers, Rabid oder The Brood sogar als
bedrohlich erscheinende Wesen, mutierte Geschöpfe einer dem männlichen
Protagonisten unbegreiflichen exo-maskulinen Biologie.69 Diese Angst vor dem
'Monstrum Frau' veranschaulicht Beverly Mantle in dem bereits im letzten
Abschnitt dieses Buches zitierten Dialog, in dem er, von einer nicht weiter
konkretisierbaren Paranoia getrieben, im Medikamentenentzug angsterfüllt aus
dem Fenster blickt und Elliot gegenüber äußert, die Patientinnen, die ihre
89
Gynäkologenpraxis aufsuchen, wären "sonderbar", wären "äußerlich völlig in
Ordnung", ihre Biologie jedoch sei "deformiert".
Tatsächlich erscheinen häufig weibliche Figuren im Cronenbergschen Filmwerk von abnormen Veränderungen und Mutationen befallen: Claire Niveau
scheint mit drei Gebärmutterhälsen und drei Gebärkammern in einem Uterus
und der damit verbundenen Unfruchtbarkeit Beverlys paranoiden Vorstellungen
'innerlich mutierter Frauen' zu entsprechen. Weiterhin erscheint in Rabid Rose
mit ihrem neuen Organ, dem phallusförmigen Stachel in ihrer Achselhöhle und
ihrem schon aggressiv-sexuellen Verlangen nach menschlichem Blut, als ein
bedrohlicher, weiblicher Vampir, der in der Stadt Montreal eine sich rapide ausbreitende, tödliche Tollwut verbreitet. In The Brood verformt sich durch die 'Psychoplasmatherapie' Dr. Raglans der Körper seiner Patientin Nola Carveth, als
sie ihre Aggressionen in Materie auf ihren Körper projiziert. Ihr externer Uterus
läßt ihren Mann Frank sich verschreckt von ihr abwenden. Nola erscheint zur
Mutation einer Frau transformiert, einer unmenschlichen 'Gebärmaschine', deren Nachkommen ebenfalls kaum menschlicher Natur sind.
Diese 'Andersartigkeit des weiblichen Geschlechts' existiert in den Filmen
David Cronenbergs nicht nur in körperbezogenen, physischen Erscheinungsformen, sondern tritt auch in Aspekten der Psyche der femininen Figuren auf –
die Protagonistinnen differenzieren sich nicht nur durch ihre andersartige Biologie von ihren maskulinen Antipoden, sie haben sich durch ihre dem Cronenbergschen Protagonisten unverständliche, fremdartige Psyche längst vom anderen Geschlecht entfremdet: In Videodrome verschreckt beispielsweise Nicki
Brand Max Renn, indem sie ihr Gegenüber mit einer für ihn nicht nachvollziehbaren Form der Sexualität konfrontiert und ihn bittet, sie mit einem Messer zu
schneiden und ihr anderweitig Schmerz zuzufügen, nur um sich anschließend in
sinnlicher Lust eine brennende Zigarette auf ihrer Brust zu zerdrücken.
In eXistenZ geht David Cronenberg noch einen Schritt weiter, um die Fremdartigkeit des weiblichen Geschlechts auf das Publikum wirken zu lassen. Abgesehen von der Tatsache, daß die Protagonistin Allegra Geller die einzige relevante weibliche Person in 'eXistenZ' ist, genießt sie als Designerin des Spiels
leidenschaftliche Anerkennung der Spielgemeinde (der Tankstellenbesitzer Gas
liegt ihr buchstäblich zu Füßen). Sie erscheint als dominante, die Handlung vorantreibende Kraft, als überlegene, scheinbar allwissende Präsenz im Spiel 'eXistenZ'. Des weiteren wirkt Ted Pikul als männlicher Begleiter allein durch die
Tatsache, daß er keinen 'Bioport' besitzt, um sich in 'eXistenZ' einzuklinken, im
Gegensatz zur Schöpferin und 'Überfigur' Allegra physisch unvollständig. Selbst
als er dieses Manko ausmerzt, kann er Allegra nur folgen – ohne jede Chance,
jemals mit ihr auf einer mentalen Ebene zu stehen.
Feminine Gewalt
In Horror- und anverwandten Genres ist häufig eine nahe Verbindung von
Sexualität und Gewalt oder von Sexualität und Tod in diversen
90
Erscheinungsformen, Kontexten und Ideologien anzutreffen. Freud
beispielsweise sah einen Zusammenhang zwischen sexueller Stimulation und
einem bewußten Angsterlebnis in einem fiktionalen Rahmen.70
Neuere psychologische Analysen der Phänomene Horror und Angstlust führen die Kohärenz von Sexualität und Grauen auf die christlichen Traditionen der
Tabuisierung des Sexualaktes und der Assoziation des Aktes mit etwas 'Bösem'
und 'Unreinem' zurück.71 Immer wieder assoziiert Horror Lust mit Grauen, Begierde mit Tod72, inszeniert das Grauen als Bestrafung lasziver Sinnlichkeit oder
aggressiv zur Schau gestellter Sexualität73 – Lust erscheint durch Schmerz oder
gar Tod intensiviert, fremdartige, bizarre Sinnlichkeit stellt ein letales Instrument
dar.
In den Filmen Cronenbergs taucht die Frau und deren Sexualität als Aggressor in einer zuvor geschilderten Harmonie zweier Personen auf. Ihr Erscheinen
impliziert mentales Chaos in der Psyche der männlichen Protagonisten (Dead
Ringers, Videodrome), wenn nicht sogar physische Gewalt (Shivers, Rabid, The
Brood).
"Weil Sexualität und Gewalt so eng verwandt sind, bis zur
Ununterscheibarkeit identisch werden, ist es nur folgerichtig, daß Max
Renn eine vaginalähnliche Bauchöffnung entwickelt, in die seine
phallusähnliche Waffe verschwindet. Bei Max wird Sexualität zunehmend
gewalttätiger, und Gewalt bekommt eine sexuelle Komponente."74
Beverly Mantle entfremdet sich in Dead Ringers durch seine Beziehung zu
Claire Niveau von seinem dominanten Bruder Elliot. Der feminine Aggressor
reißt ihren psychisch labilen Geliebten aus der lebensnotwendigen Symbiose
mit seinem Zwilling und hinterläßt so ein Chaos, welches für beide Männer in
psychischer Konfusion und Drogenabhängigkeit resultiert und in letzter
Konsequenz zum Tod der Mantle-Zwillinge führt. In The Brood dringt die
feminine Aggression in Form der deformierten Sexualität von Nola Carveth und
den Kreaturen ihrer 'Brut' in die Harmonie der 'Vater-Tochter'-Beziehung
zwischen Frank und seiner Tochter Candice ein75, in Rabid birgt der physische
Kontakt zu der Protagonistin Rose die tödliche Konsequenz einer
unkontrollierbaren Tollwut. Häufig impliziert das weibliche Geschlecht in
Cronenbergs Filmen in seiner aggressiven Sexualität den Tod der maskulinen
Protagonisten. Sie zerbrechen entweder an der Andersartigkeit dieser dem
Manne 'fremdartigen Lebensform' (wie die Mantle-Zwillinge in Dead Ringers)
oder finden in der Weiblichkeit ein nicht selten gewaltsames Ende – ein Motiv,
welches sich besonders in den ersten drei Kinofilmen (Shivers, Rabid und The
Brood) bewahrheitet.
91
'telling names'
"Over the years Cronenberg has been responsible for creating a host of
characters with names as unusual as their points of view: Adrian Tripod
(Crimes of The Future), Dr. Dan Keloid (Rabid), Nola Carveth (The
Brood), Darryl Revok (Scanners), Barry Convex and Professor Brian
O'Blivion (Videodrome) to name a few."76
Die Betrachtung der 'telling names', der 'bezeichnenden Namen', die Cronenberg seinen Figuren oder institutionellen Organisationen zuweist, beendet
die Abhandlung der verschiedenen Aspekte der dargestellten spezifischen
Filmsprache des Regisseurs, des 'Cronenberg-Codes', in Form eines Katalogs,
einer Auflistung exemplarisch selektierter Beispiele77, die faktisch aufzeigen,
daß der Regisseur relevante Informationen buchstäblich innerhalb der Eigennamen seiner Figuren codiert.78
Mit charakterisierenden Namensgebungen bezüglich der Protagonisten, wie
beispielsweise mit Figuren wie 'Dr. Keloid', 'Barry Convex' oder 'Brian O'Blivion',
sowie mit den Eigennamen 'Somafree Institute' oder 'Spectacular Optical', sucht
Cronenberg weder den Betrachter in Form eines kaum zu entschlüsselnden
'intellektuellen Amüsements' zu unterhalten, noch ergeht er sich damit in 'leidigen Wortspielen', wie es ihm von einigen Kritikern entgegengehalten wird.79
Vielmehr stellen diese Eigennamen eine Codierung symbolträchtiger oder metaphorischer Begriffe dar, die besagte Protagonisten und Institutionen näher
charakterisieren, deren Handlungen und Motivationen definieren, das ihnen
vorbestimmte Schicksal implizieren oder deren Rolle im Zusammenhang des
filmischen Kontextes umschreiben.
Rabid
Mit der Protagonistin seines Films Rabid, Rose80, die nach ihrer Hautverpflanzung unter Verwendung des neuartigen 'morphogenetisch neutralisierten Gewebes' den phallischen Stachel in ihrer Achselhöhle entwickelt, impliziert Cronenberg eine auffallend eingängige Symbolik in der Verwendung eines 'telling
names', die Assoziation des biologischen Begriffs der Rose erscheint greifbar:
Beide, die Pflanze ebenso wie die Filmfigur personifizieren die trügerische
Vertrauensseligkeit, welche der oberflächlichen Schönheit ihres Erscheinungsbildes entspringt. Die Dornen, die diejenigen Menschen verletzen, die sich unbedacht dieser Rose nähern, stehen im Gegensatz zum illusorischen Glanz
dieser Pflanze. Analog dazu zeichnet Cronenberg seine Filmfigur, die ihren
Vornamen Rose als Metapher zu ihrem pflanzlichen Pendant trägt: Rose, als
unschuldiges, schönes Geschöpf, welches durch ihre äußerlichen Reize ihre
Opfer betört, sie verführt, um sie daraufhin mit ihrem gefährlichen, Tollwut und
92
Tod verbreitenden Stachel zu verletzen und den Keim der letalen Seuche zu
übertragen.
Ein vergleichbares Phänomen in bezug auf die Namengebung der agierenden Figuren in Rabid findet sich bei Dr. Keloid, dessen Nachname 'Keloid' dem
Griechischem entnommen ist und der in medizinischer Terminologie einen aus
vermehrten Bindegewebe bestehenden Hautwulst umschreibt, der sich aus
Narbengewebe entwickelt. Hiermit identifiziert Cronenberg den Chirurgen eindeutig als Verursacher für Roses Mutation und der Tollwut. Dr. Keloid wendet,
im Gegensatz zum verantwortungslosen Handeln eines klassischen 'mad scientist', eine unerforschte Technologie nicht verantwortungslos an, sondern entschließt sich für die Transplantation des 'neutralisierten Gewebes', da diese Methode als einzige das Leben seiner Patientin retten kann. Neben der von Dr.
Keloid beschriebenen Eigenschaft, dieses 'neutrale Gewebe' würde sich den
Anforderungen und Spezifikationen der umgebenden Zellen anpassen, liegt einer der Vorteile dieser Behandlungsmethode darin, daß besagtes Gewebe innerhalb des Heilungsprozesses keinerlei Narbengewebe zurückläßt – eine Aussage, die Cronenberg bereits durch die Verwendung des Namens des Arztes
ad absurdum führt: An Rose entsteht ein sogenanntes 'Keloid'. Aus den Narben
ihrer Behandlung entsteht eine wuchernde Mutation, neues Gewebe formt sich
in Gestalt des phallischen Stachels in ihrer Achselhöhle – ein bezeichnender
Name, der die durchaus positiven Handlungsmotivationen von Dr. Keloid im
Zusammenhang mit den Resultaten seiner medizinischen Arbeit kontrastiert.
The Brood
In The Brood etabliert Cronenberg seine 'telling names' im Kontext der im Film
beschriebenen Institutionen des 'Somafree Institutes' und der 'Psychoplasmatherapie' von Dr. Hal Raglan, die die psychischen Defekte eines Individuums
auf dessen fleischliche Physis projiziert. Cronenberg stellt in The Brood explizit
die Dialektik der materiellen und immateriellen Existenzebenen, von Körper und
Geist dar.81
Der Begriff des 'Somafree Institute', des Instituts des 'Körperfreien' oder des
'befreiten Körpers', zusammengesetzt aus den Wörtern 'Soma' (griechisch für
'Körper') und 'free' (englisch für 'frei'), reflektiert den Prozeß der 'Psychoplasmatherapie', der Ängste, Depressionen und psychischen Verhaltensstörungen
in Form unkontrolliert wachsender Geschwüre oder Auswüchse auf den
menschlichen Körper projiziert. Dieser Prozeß entfesselt oder befreit den
fleischlichen Körper von der nun behandelten Seele. Die Projektion der Psyche
auf die Physis des Menschen evoziert eine der besprochenen Cronenbergschen Körperrevolutionen, in denen sich der Leib des Menschen von der Kontrolle des Geistes befreit (wieder besteht die Assoziation zu den Begriffen 'Soma' und 'free') und dessen Form und Erscheinungsbild selbsttätig transformiert.
93
Die Aspekte der 'Verfleischlichung des Mentalen' sowie der 'Dialektik der
menschlichen Existenzebenen' scheinen weiterhin in der Namensgebung der
genannten Heilmethode Dr. Raglans, der 'Psychoplasmatherapie', impliziert,
zusammengesetzt aus den Begriffen 'Psycho' (stellvertretend für das griechische 'Psyche' für 'Seele' oder 'seelisches Leben') und 'Plasma' (dem biologischen Begriff für 'lebende Substanz'). Assoziationen des Terminus 'Psychoplasma' zu dem Begriff der 'Psychosomatik' (wiederum aus Vokabeln für 'Seele'
und 'Körper' konstruiert) werden in Cronenbergs The Brood erweckt.
Videodrome
Die bislang auffälligste Anhäufung in der Verwendung der bezeichnenden Namen findet sich in Cronenbergs Videodrome in derart zahlreichen Erscheinungsformen, daß sie den halluzinatorischen und verstörenden Charakter dieses Films unterstreichen und in ihrer inhaltlichen Transparenz die Irrealität der
Atmosphäre, der Aktionen und der Figuren um Max Renn noch intensivieren.
"Videodrome… wie Videoarena, Videozirkus", umschreibt Max Renn den
Namen des illegalen Senders gegenüber Masha (Lynne Gorman) (0:18) und
offenbart damit sogleich den assoziativen Aspekt einer Inszenierung oder Bühne, eine Symbolik, die ebenfalls auf den artifiziellen Charakter der 'Videohalluzinationen' von Max Renn verweist, wobei sich hier die 'Videodrome'-Realität
als ein in einer 'Manege' konstruiertes Bühnenbild definiert, in der Renn, beobachtet von den rivalisierenden Parteien eines Barry Convex und einer Bianca
O'Blivion, als deren 'Spielball' agiert.82 Bekräftigt wird die Irrealität dieser Halluzinationen beziehungsweise der paranoiden Verschwörungstheorien des Protagonisten um die Hintermänner 'Videodromes' durch den Namen 'Spectacular
Optical', einer Organisation, hinter der die Kollaborateure um Barry Convex
Tarnung suchen. Diese Bezeichnung weist darauf hin, daß sich dem Protagonisten und damit auch dem Betrachter optisch ('optical') etwas Spektakuläres,
Sensationelles oder gar Aufsehenerregendes ('spectacular'83) in Form von Halluzinationen und Transformationen offenbaren wird. Ebenfalls dem Aspekt der
Scheinrealität eines Videodrome zuzuordnen ist Barry Convex, Hintermann der
'Videodrome'-Konspiration, dessen Nachname (in der Optik wird eine nach außen gewölbte Linse als 'konvex' beschrieben) bereits ein Sinnbild des 'verzerrten Sehens', der verzerrten Wahrnehmung der Realität suggeriert. Neben diesen in den bezeichnenden Namen codierten Verweisen auf visuelle Perzeption
kennzeichnen die 'telling names' spezifische Charakteristika ihrer Filmfiguren,
wie es Cronenberg beispielsweise in der Figur der Nicki Brand demonstriert, die
dem Protagonisten Max Renn das sado-masochistische Moment der Sexualität
eröffnet und sich zur Demonstration ihrer Lust am Schmerz eine brennende Zigarette auf der Brust zerdrückt, ein Brandmal (die englische Vokabel hierfür lautet 'brand') auf der Haut zurücklassend.
Weitaus komplexer erscheint der Versuch einer Interpretation des Nachnamens des 'Medienpropheten' Professor Brian O'Blivion ('oblivion' entspricht dem
94
deutschen 'Vergessen', auch 'Vergessenheit' oder im umgangssprachlichen
Gebrauch 'Bewußtlosigkeit'), der zunächst auf die befremdliche Natur seiner
Existenz in Videodrome hinweist: Brian O'Blivion, der nur via Bildschirm auftritt
und den Monolog als bevorzugte Art der Kommunikation pflegt, starb an dem
durch das 'Videodrome'-Signal in seinem Kopf verursachten Tumor, wird aber
aus Tausenden von Videoaufzeichnungen, die von ihm existieren, durch seine
Tochter Bianca am Leben erhalten. Somit erscheint diese Figur in Videodrome
auch nach ihrem Tode präsent und gerät nicht in den Zustand der Vergessenheit ('oblivion'). Eine weitere Auslegung des Namens 'O'Blivion' ist wiederum im
Zusammenbruch des Realitätsempfindens des Protagonisten Max Renn festzustellen, der von dem 'Medienpropheten' über die halluzinatorische Wirkung des
'Videodrome'-Signals aufgeklärt wird. "Ihre Realität besteht zur Hälfte schon aus
Video-Halluzinationen. Wenn sie nicht aufpassen, wird es zur totalen Halluzination. Sie müssen lernen, in einer ziemlich kuriosen, neuen Welt zu leben", offenbart Brian O'Blivion Max Renn via Fernsehschirm (0:33) und kennzeichnet
damit den nahtlosen Übergang des Protagonisten in die 'Videodrome'-Realität,
in einen Zustand des Vergessens und der Indifferenz gegenüber der wirklichen
Existenzebene.
Verglichen mit den subtil in den bezeichnenden Namen codierten Informationen bezüglich der Rolle der spezifischen Figur innerhalb des filmischen Kontextes von 'Dr. Dan Keloid' oder 'Nola Carveth', erscheinen die von Cronenberg in
Videodrome gebrauchten 'telling names' in ihrer bedeutungsvollen Transparenz
derart kurios, daß der artifizielle Charakter von 'Barry Convex', 'Nicki Brand' oder 'Brian O'Blivion' nur allzu offensichtlich erscheint.84 Da der Regisseur jedoch
in der Gestaltung Videodromes die eindringliche Perspektive des 'first-personfilms' wählt, erweist sich die Problematik um den Realitätsanspruch der Figuren
und Ereignisse als äußerst komplex. So bleibt beispielsweise die Frage, ob Nicki Brand als reines Phantasie- oder Halluzinationskonstrukt Max Renns zu
deuten ist, abermals der Spekulation des Zuschauer vorbehalten.
The Fly
In The Fly impliziert der Regisseur, gemäß seiner Tradition, Charakteristika
einer Figur oder deren Schicksal im Verlauf der Filmhandlung in einem 'telling
name' zu codieren, die schon angesprochene Transformation der Psyche, des
Ausbruchs des animalischen verdrängten 'Es' sowie die durch die Teleportation
verursachte Fusion der menschlichen Gene des Wissenschaftlers Seth Brundle
in dessen Vornamen. 'Seth' bezeichnet, neben der biblischen Referenz als
dritter Sohn Adams und Evas, auch eine Figur aus der ägyptischen Mythologie,
der als Bruder des Osiris, als Gott des Bösen, der Finsternis, aber auch als Gott
der Unruhe und des Chaos benannt wurde. Weiterhin wird das
Erscheinungsbild von 'Seth' als Verschmelzung diverser Säugetiere
beschrieben. Analog zu diesen Charakteristika der mythologischen Figur
verweist der Regisseur mit Hilfe des Motivs der Unruhe auf das zelluläre Chaos,
95
das die physische Transformation des Wissenschaftlers in Cronenbergs Film
dominiert. Der Aspekt des 'Tiergottes' und dessen Äußeres dagegen ist als
Kommentar auf Brundles Existenz als Verschmelzung von Mensch und Fliege
und auf den Ausbruch des gewalttätigen und unbarmherzig animalischen
Potentials des Wissenschaftlers zu interpretieren.
Den Aspekt der Transformation, der den Film The Fly bestimmt, beschreibt
Cronenberg ebenfalls in Form und Bezeichnung der Teleportationskabinen, der
sogenannten 'telepods'85, die nicht nur durch den Begriff des 'pods' ('pod' bezeichnet im Englischen eine 'Hülse', 'Schale' oder auch 'Schote'), sondern auch
in der visuellen Gestaltung dieser Kabinen, die in ihrer ovalen, bauchigen Form
tatsächlich Vergleiche zu biologischen Samenhüllen oder Kokons evozieren.
Ebenso verweist die Tatsache, daß Seth Brundle während der Teleportation
genetisch mit der Stubenfliege verschmolzen wird und als neues Lebewesen
seinem 'Kokon' ('pod') entsteigt, darauf, daß in Cronenbergs Filmen Motive der
Metamorphose und Transformation allgegenwärtig erscheinen.
Dead Ringers
Die geistige Verbindung der Mantle-Zwillinge in Dead Ringers findet sich neben
der im Film verwendeten symbolträchtigen Traumsequenz (0:47), die die Brüder
Beverly und Elliot durch eine Nabelschnur verbunden zeigt, auch in der Namengebung 'Mantle'. Doch erscheint ein direkter Bezug der Filmfiguren oder
deren Charakteristika zu der wörtlichen Bedeutung ihres Nachnamens in der
englischen Sprache ('to mantle' ≅ 'überziehen' oder auch 'einhüllen') weniger
zutreffend als der phonetisch anverwandte Begriff 'mental'86 (das deutschsprachige Pendant zu 'mental' findet sich in 'geistig', 'seelisch' oder 'psychisch', im
umgangssprachlichen Gebrauch entspricht es auch 'verrückt', 'geisteskrank'
beziehungsweise 'geistesgestört'). Der Begriff 'mental' verweist nicht nur auf die
psychische Verbundenheit und die Tatsache, daß die Mantle-Brüder als 'mentale siamesische Zwillinge' dargestellt werden, sondern auch auf den geistigen
Verfall von Beverly und Elliot, ausgelöst durch die mentale Separation der Zwillinge durch Claire Niveau und die darauffolgende Medikamentensucht, die darin
gipfelt, daß beide versuchen, ihre psychische Verbundenheit auf operativem
Weg zu unterbrechen. Aus der Interpretation des bezeichnenden Begriffes
'Mantle' läßt sich der Name der 'Mantle-Clinic' ableiten, in der die Gynäkologen
in blutroten Roben operative Eingriffe an Patientinnen vornehmen. Der englischsprachige Begriff des 'mental hospital' ('psychiatrische Klinik' oder 'Nervenklinik') erscheint als weitere Analogie zum psychischen Zusammenbruch von
Beverly und Eliott Mantle.
eXistenZ
Nachdem in Crash keine 'telling names' zu beobachten waren, kehrt Cronenberg mit eXistenZ zu seiner Tradition der 'bezeichnenden Namen' zurück. Jeder
Name scheint eine tiefere, kodierte Bedeutung zu besitzen. Allein der Titel 'e-
96
XistenZ' sticht durch seine abweichende Schreibweise von dem englischen 'existence' und den unorthodox gesetzten Großbuchstaben hervor. Cronenberg
wählte den Titel in dieser Schreibweise als Anlehnung an die zufällige Natur der
möglichst prägnanten und auffälligen Namensgebung in der Videospielbranche.
Daß der Begriff 'eXistenZ' in der deutschen Sprache einen Sinn ergibt ist – so
David Cronenberg – ein ebenfalls zufälliges Moment:
"Der [Filmtitel] ist gar nicht deutsch gemeint. Erst als der Film in Berlin für
den Wettbewerb nominiert wurde, fiel mir auf, daß Deutschland das
einzige Land ist, in dem der Titel einen Sinn ergibt. Gut, man sieht, daß
es irgendwie mit existence zu tun hat, aber es ist falsch geschrieben.
Das wirkt irritierend, überall, nur nicht in Deutschland. Dafür gibt es aber
auch die Großbuchstaben X und Z. Auch das hat eigentlich keinen Sinn,
außer, daß es sofort ins Auge sticht. Wir haben uns mit dem Titel an die
gängige [und zufällig anmutende] Weise der Namensgebung im
Computerspielgeschäft angelehnt. Titel müssen prägnant sein, egal, was
sie bedeuten. Das Wort wird zum Logo. Daß wir unseren Film eXistenZ
nannten, ist also ein sinnentleertes Wortspiel und eigentlich nur ein
Witz."87
Wie auch in bestehenden Computer- oder Videospielwelten erscheint vieles
in eXistenZ zufällig. Abgesehen von der Schreibweise des Filmtitels erscheinen
die Namen der beteiligten Charaktere wie Allegra Geller, Ted Pikul, Kiri Vinokur,
Yevgeny Nourish oder Hugo Carlaw zufällig gewählt, als wären sie aus einem
Baukastensystem an Silben ohne Sinn und Verstand zusammengesetzt
worden. Um die zufällige Natur der Namensgebung noch zu unterstreichen,
benennt Cronenberg den Wärter einer Tankstelle (gas station) schlichtweg
'Gas', als hätte der Schöpfer (oder Programmierer) dieser virtuellen Welt keinen
kreativen Gedanken daran zu verschwenden, einer seiner Kreationen einen
sinngebenden Namen zu geben. So erscheint Gas (Willem Dafoe ) als
scheinbar konzeptlos daherplappernder Wahnsinniger; einer der Charaktere in
eXistenZ, die einen bezeichnenden Namen besitzt, sofern man 'gas'88 mit
'Gewäsch' oder 'faseln' assoziiert. Ebenso akzeptabel erscheint die
Sinnverwandtschaft von Allegra Geller mit dem Begriff 'allegro'89: Attribute wie
'schnell' und 'lebhaft' sind durchaus die Charaktereigenschaften, die man der
Protagonistin aus eXistenZ zuschreiben würde. Allegra erscheint als die
Filmfigur, die maßgeblich die Handlung vorantreibt und andere Figuren wie Ted
Pikul in ihrem Handeln maßgeblich beeinflußt, indem sie beispielsweise den
Spielgegner überredet, sich einen 'Bioport' in die Wirbelsäule schießen zu
lassen. An letzter Stelle wäre hier noch die Figur des Yevgeny Nourish90 zu
nennen, der sich in der scheinbaren 'Auflösung' von eXistenZ als der wahre
Cyber-Guru und Erfinder des Spieles 'TransCendenZ' – die sprichwörtliche
Meta-Ebene von 'eXistenZ' – offenbart. Mit der Assoziation zum englischen
Begriff 'to nourish' erscheint er als die Person, der den Hunger der Anhänger
97
von virtuellen Welten im wahrsten Sinne des Wortes stillt, der sie mit neuem
Software-Input ernährt.
Den gefährlichen Bereich übermütiger und nicht mehr nachzuvollziehender
Interpretation erreicht der Zuschauer bezüglich der restlichen Namensgebung in
eXistenZ. Der Leser sei natürlich nicht abgehalten, einen Zusammenhang zwischen der Figur des Ted Pikul91 und dem gleichnamigen indonesischen Hohlmaß zu suchen. Es erscheint wahrscheinlicher, daß Cronenberg mit Namen wie
Kiri Vinokur, Wittold Levi und Hugo Carlow die zufällige Natur der Charaktere
als Konstrukt unterstreicht.92
"There are details in this game world that could have only been inserted
by someone familiar with the way games work – the arbitrary nature of
the plots, the one-note characterisations, the way key figures in the story
loop mindlessly when they're not being spoken to."93
Unmenschliche Lebensräume
"Architektur nimmt im Horrorgenre ein fast personales Eigenleben an und
entzieht sich somit der Verfügung des Menschen."94
Visuelle Konzeption und Gestaltung von Räumlichkeiten beanspruchen einen
nicht zu unterschätzenden Stellenwert im klassischen wie auch im modernen
Horrorkino. So erscheint beispielsweise 'die Burg' oder 'das Schloß' als Ikone
der romantischen Schauerliteratur, der englischen 'Gothic Novel', als archetypisches Requisit aus dem Fundus des klassischen Horrorfilms. Die Funktionalität
dieser Bauwerke symbolisiert im klassischen Motivkreis einen Ort des Geheimnisses, des Schreckens, des Verbotenen – der Ort, an dem der 'mad scientist'
mit seinen Experimenten in Bereiche des 'verbotenen Wissens' vordringt, an
dem die Halbwesen, die Vampire, ihr untotes Dasein fristen und ihre Opfer in
eine unentrinnbare Falle locken. Jedoch finden sich diese Settings im Horrorkino jüngeren Datums (sofern es sich nicht um die Neuverfilmung eines klassischen Stoffes handelt) oft in parodistischer oder zitierender Funktion – in Anerkennung der Ursprünge des Genres.
Als konsequente Fortsetzung des romantischen Gedankens finden sich in
zeitgenössischen Filmen des Horrorgenres Neuinterpretationen dieser Ikonen in
Form einer neuen 'postmodernen Romantik'. Die Ruinen, alten Gemäuer und
nebelumwobenen Friedhöfe sind neuen Schauerplätzen des urbanen Lebens
gewichen: der postmodernen Romantik der Slums und Bauruinen der modernen Metropolen, die ihre eigenen Legenden hervorbringt, wie es in Filmen wie
Wolfen oder der Clive-Barker-Verfilmung Candyman95 aufgezeigt wird. Jedoch
beschränkt sich der 'urbane Horror' nicht nur auf die 'Neo-Gotik' moderner Zivilisationsruinen, sondern findet sich ebenfalls im Umfeld moderner Zivilisation:
98
Ted Pikul (Jude Law), fasziniert von einer mutierten Amphibie in eXistenZ
© Kinowelt
99
Ted Pikul (Jude Law) und Allegra Geller (Jennifer Jason Leigh) in eXistenZ
© Kinowelt
Szenario erotischer Phantasien – Unfallstelle in David Cronenbergs Crash
© Kinowelt
100
In anonymen Wohnsiedlungen oder in gesichtlosen Spiegelglasbauten liegt der
Horror der Seelenlosigkeit, der emotionalen Kälte.
David Cronenberg plaziert seine Protagonisten vorzugsweise in solche
Räumlichkeiten, in das 'emotionale Niemandsland'. Anonyme Orte, fernab der
jeder Bestimmbarkeit von Zeit und Raum:
"Cronenbergs Filme spielen fast alle an einem weder zeitlich noch
räumlich näher bestimmten Ort; es könnte – abzüglich gewisser
Modeerscheinungen – theoretisch immer gerade jetzt sein, es könnte
aber auch irgendwann in der näheren Zukunft sein. Nehmen wir nur
Crash, den vielleicht extremsten aller Fälle. Nichts (!) in diesem Film
deutet darauf hin, daß er in der Jetzt-Zeit spielt; nichts, was man zu
sehen bekommt, ist fremd, noch nicht existent; nichts, was die Leute
miteinander machen, könnten sie nicht auch jetzt schon genauso
machen. Dennoch: Der Film wirkt, gerade in seinem stoischen Starren
auf die Welt, sehr konjunktivisch, möglich, zukünftig – visionär."96
Die Schauplätze in Cronenbergs ersten Filmen (von Shivers bis einschließlich
Scanners) beschränken sich auf urbane Settings, meist karge, anonyme Baugiganten, in trister Beton-Spiegelglas Bauweise errichtet – spätmoderne Bauten,
in ihrer Lage auf eine oder andere Weise von der Außenwelt isoliert. Weitere
Schauplätze sind Inseln (Shivers), Wälder (Rabid, The Brood), Industriegebiete
(The Fly) und Inseln zwischen gigantischen Autobahnkreuzen (Crash) oder inmitten eines desolaten, nicht lokalisierbaren Niemandslandes (Scanners).
Cronenberg zeichnet seine Gebäude als sterile, fabrikähnliche und rein funktionale Räumlichkeiten. Die Farben sind kalt gewählt, die Atmosphäre der
Wohnräume gleicht der Sterilität einer Klinik, und Funktionalität dominiert das
Erscheinungsbild. Die Menschen, die sich an diesen Orten aufhalten, treten hinter der Anonymität dieser Räumlichkeiten zurück. Sie erscheinen nichtig und
unbedeutend angesichts der konzeptionellen Reinheit des Designs. Durch seine Darstellungsweise negiert Cronenberg den Zweck der Architektur: Gebäude,
geschaffen, um dem Menschen das Gefühl eines Zuhauses, der Geborgenheit
und der Gemeinschaft zu geben, erzielen konträre Effekte. Wie am folgenden
Beispiel des 'Starliner'–Apartmenthauses in Shivers aufgezeigt, werden sie zu
Fallen, zu Räumen ohne Ausweg.
"Der Starliner-Komplex war mehr als eine Geschmacksverirrung
moderner Architektur und Lebensraumplanung: ein Mikrokosmos unserer
urbanen Gesellschaft, einer Gesellschaft, deren Glaube an
Wissenschaft, Fortschritt und Rationalität grenzenlos ist. Die
Nebeneffekte und Grauzonen dieses Glaubens gaben schon immer
einen satten Nährboden ab für die intelligenteren Horrorfilme."97
Der 'Starliner Tower' ist ein Apartmentkomplex, isoliert auf einer Insel im St.Lorenz-Strom gelegen und mit allen Einrichtungen ausgestattet, die die
Bewohner zum Komfort und zur Gestaltung der im Gebäude zu verbringenden
101
Freizeit
benötigen:
Geschäften,
Erholungsanlagen,
Schwimmbäder,
Restaurants und sogar einer eigenen Klinik. Damit erinnert Cronenbergs
autarkes Wohnkonzept einer modernen, beinahe schon futuristischen,
gigantischen und anonymen Wohngemeinschaft an den überdimensionalen, am
Rande Londons gelegenen Gebäudekomplex in James Graham Ballards
Roman 'High Rise'98, der auch die Romanvorlage zu Crash lieferte.
Beide Gebäude bilden in Film und Literatur autonome Gemeinschaften, in
der die Bewohner alle Vorzüge und Inventarien vorfinden, die sie zum
Verbringen eines luxuriösen Leben benötigen. Einmal betreten, braucht das
Individuum theoretisch das Gebäude nie wieder in seinem Leben zu verlassen.
So propagiert die Titelsequenz des Films Shivers in Form eines Diavortrags die
Vorzüge des 'Starliner'-Apartmentgebäudes:
"[…] Gracious hospitality is easy in any 'Starliner' apartment. They all
come fully equipped with the most modern and main brands of electric
appliances – and cable-TV standard, too. Relax by the side of our heated
olympic-size swimming pool and watch the St. Lawrence River flowing by
on it's way to the sea. Exercise the fun way at our nine-hole golf course
designed by international golf-pros – or, if tennis is your game, you won't
have to wait for playing time on our multiple courts, day or night. […]
Cruise the seasons, the sun and the stars without ever leaving the great
ship 'Starliner'. It's all here: a restaurant complete with takeout-service, a
variety store, delicatessen, boutique, drugstore, dry-cleaning service;
they are all here to serve you – and don't forget your own premises:
dental and medical clinics staffed with the world's finest professionals."99
Doch entspringen Cronenbergs und Ballards Visionen vom autonomen Wohnen jenseits der Stadt bei maximalem Lebenskomfort keinesfalls utopischen
Phantasien, da Mitte bis Ende der siebziger Jahre auch in Randbezirken Londons sogenannte 'Housing Projects', gigantische Apartmentblocks modernistischen Designs entstanden.
Interessant erscheint die Betrachtung des 'Starliner'-Gebäudes als Metapher
für ein luxuriöses Kreuzfahrtschiff, etabliert durch den im oben zitierten
Werbetext verwendeten Wortschatz, mit Termini wie "luxury cruise", "cruise"
oder "the great ship 'Starliner'". Weiterhin suggeriert die Lage des
Apartmentgebäudes auf einer Insel im St.-Lorenz-Strom die bildhafte Analogie
eines im Ozean treibenden Schiffes, einer sich (jedenfalls für eine bestimmte
Zeitspanne) selbständig versorgenden Gemeinschaft – "das radikale Modell der
funktionalistischen 'Wohnmaschine' in Form eines Dampfschiffes".100 Doch
dieses Konzept des sorglosen, komfortablen Lebens im 'Starliner'Apartmentgebäude, als luxuriöse Kreuzfahrt illustriert, wird sich im Verlauf des
Films als trügerische Idylle erweisen:
Das Gebäude der 'unbeschränkten Möglichkeiten' entpuppt sich als Menschenfalle, als Gefängnis (die Tatsache, daß der 'Starliner Tower' auf einer Insel errichtet worden ist, unterstützt den Gefängnischarakter, bedenkt man das
102
legendäre Zuchthaus Alcatraz). Die Verbindung zur Außenwelt ist abgebrochen,
die Schiffsmetaphorik bestätigt sich im negativen Sinn – das Luxusschiff, der
'Starliner' ist auf hoher See 'gestrandet', die Passagiere (die Bewohner) in ihm
gefangen, ohne eine Möglichkeit, diese sich als Todesfalle herausstellende
Räumlichkeit zu verlassen.
Trotz des in der Titelsequenz des Films Shivers propagierten Komforts zeichnet
Cronenberg den 'Starliner Tower' als eine sterile, unmenschlich-kalte
Wohnfabrik. Jedes Apartment gleicht dem nächsten, Uniformität dominiert in
Ausstattung und Raumkonzeption, die Farben sind kalt und finden ihr Pendant
in der Sterilität hypermoderner Kliniken. Die Menschen, die den 'Starliner'
bewohnen, verschwinden in der Anonymität dieses Komplexes, hinter der
graublauen Konstruktion aus Beton und verspiegeltem Glas. Von außen
gesehen wirken die Fensterreihen uniform. Analog hierzu befinden sich dahinter
einheitliche Apartments – ein Erscheinungsbild, das eher den Eindruck eines
Verwaltungsgebäudes oder eines Bürokomplexes suggeriert. Die Sterilität und
Unmenschlichkeit des 'Starliners' unterstreicht Cronenberg in seiner visuellen
Bildgestaltung der Titelsequenz zu Shivers: Standbilder des Gebäudes
erreichen, als Hintergrund der Titelschriften eingespielt, den maximalen
Wirkungsgrad an Statik, indem sie die triste Atmosphäre des 'Starliners' noch
mit ihrer unbewegten Starre akzentuieren.
Mit dieser visuellen Konzeption führt Cronenberg den Zweck der 'Wohnlichkeit', zu dem das Gebäude konstruiert wurde, ad absurdum und entwirft unmenschliche Lebensräume der modernen Zeit. Der 'Starliner', geschaffen, um
den Bewohnern das Gefühl eines Zuhauses, der Geborgenheit und der Gemeinschaft zu geben, erfüllt gegenteilige Zwecke: Die Zimmer des Apartmentgebäudes werden bereits möbliert vermietet, eine Tatsache, die eine extravagante oder individuelle Einrichtung nicht nur einschränkt, sondern unmöglich
macht. Verstärkt wird die Impression der Seelenlosigkeit des 'Starliner Towers'
durch Cronenbergs Inszenierung scheinbar emotionsloser und oberflächlicher
Charaktere bei der Zeichnung der Bewohner des Gebäudekomplexes, deren
bewußt ausdrucksloses Spiel und scheinbar emotionsloses Handeln den desolaten Charakter der Wohnmaschinerie nur noch unterstreicht. In dieser 'Perversion' eines menschlichen Lebensraums scheinen keine gängigen Beziehungsoder gar Familienstrukturen etablierbar. Die Konstellationen zwischen den Figuren erscheinen verworren und verschwommen. Tatsächlich etabliert der Regisseur in Shivers keine einzige intakte Familie. Paare wie beispielsweise Nicholas
und Janine Tudor scheinen entfremdet.
Diese Konzeption wird in Crash – quasi als Rückbesinnung auf das 'Frühwerk' Cronenbergs – wieder aufgegriffen: Das Ehepaar James (James Spader)
und Catherine Ballard (Deborah Unger) lebt in einem anonymen Wohnkomplex
ähnlich dem 'Starliner', der an eine vielspurige Autobahn anschließt. Die einzige
Aussicht, die die Ballards von ihrem Balkon aus 'genießen', entspricht eher einem gigantischen Spiegelbild: weitere Autobahnen, weitere anonyme Wohn103
komplexe. Ein Motiv, das anderen Romanen Ballards, beispielsweise 'High Rise' und 'Concrete Island', entnommen scheint. Ebenso wirken diese Räumlichkeiten als Spiegel- oder Zerrbilder der menschlichen Seele. So reflektiert die
Sterilität der modernen Wohnkomplexe und Autobahnen die emotionale Entfremdung der Protagonisten untereinander. Die Ballards in Crash wirken desinteressiert und abwesend. Es scheint, als würde im Gespräch der Partner niemals einer in das Gesicht des anderen blicken.
In Scanners konfrontiert Cronenberg den Zuschauer mit der kalten, sterilen
Funktionalität eines riesigen Raumes: Ein Schnellimbiß inmitten einer großen
Halle. Ob dieser Ort nun Bestandteil eines Bahnhofs oder einer ‘mall' ist, bleibt
dem Zuschauer vorenthalten. Die Identität des Ortes ist selten das Sujet, das
Cronenberg dem Zuschauer zu vermitteln sucht. Er zeigt hier nur ein unübersichtliches Gewirr von Rolltreppen als Details dieser Räumlichkeit, die für den
'Scanner' Cameron Vale zu einer Sackgasse werden. Die Funktionalität dieses
Ortes erscheint irrelevant.
"[Cameron] Vale is found stealing leftovers from a fast food emporium
designed by the same sadist who inflected CAEI ['Canadian Academy of
Erotic Inquiry' aus Stereo (1969)], Starliner Towers and the Somafree
Institute on the human race"101
Wiederum vermittelt Cronenberg in Scanners die Thematik um Isolation und
Anonymität im Zusammenhang mit modernistischer Architektur. So steht das
'Consec-Gebäude' fernab jeder Zivilisation in einer Art Niemandsland, das anscheinend nur mit Helikopter zu erreichen ist. Der Zweck dieses Bürokomplexes
offenbart sich einzig in der visuellen Präsenz einer Totalen – die Bedeutung des
Bauwerks scheint auf seine bloße Existenz reduziert – und bleibt ebenso verborgen und anonym wie die wirtschaftlichen und politischen Ziele und Motivationen der ominösen 'Consec'-Vereinigung. Ebenso abgelegen wie das 'Consec'Gebäude, befinden sich die 'Keloid-Klinik' aus Rabid und das 'SomafreeInstitute of Psychoplasmics' aus The Brood in einem Waldgebiet und somit vor
den Blicken der Öffentlichkeit geschützt. Hier können die Cronenbergschen
Wissenschaftler ungestört und ohne Kontrolle von Außen ihren verhängnisvollen Tätigkeiten nachgehen. Die Raumkonzeption kann als eine Entsprechung
zu klassischen Ikonen des Horrorkinos (Burg, Schloß oder Labor eines 'mad
scientist') ebenfalls als architektonisches Archetyp und Leitmotiv dieses Genres
gelesen werden. Der Ort des Schreckens erscheint im Motivkreis des klassischen Horrors immer von der Außenwelt isoliert – 'Heimlichkeit' und 'Abgeschiedenheit' bilden hier die Stichworte:
"Der räumliche Abstand zur Gesellschaft ist der Ausdruck des
grundlegenden Antagonismus vom mythischen Halbwesen und
Gesellschaft, der sich im Horror-Film in dem Gegensatz Schloß / Dorf
ausdrückt, eine Metapher, die sich schon bei den Gothic Novels immer
104
wieder findet. Das Dorf ist im Tal und vom Schloß durch den Wald
getrennt."102
Cronenberg benutzt den Aspekt der räumlichen Isolation unter dem Gesichtspunkt der Erschaffung eines Mikrokosmos, in dem das drohende Chaos
(oder die Bedrohung) entsteht und sich anschließend ausbreitet, um am Ende
des Films den Makrokosmos zu erobern. Im Fall des 'Starliners' und der 'KeloidKlinik' in Rabid, ist dieser Mikrokosmos ein autark funktionierendes, soziales
oder technisches, zweckgebundenes System, in dem das Chaos, die Anarchie,
in Form der sexuell stimulierenden Parasiten (in Rabid die vampiristische 'Tollwut') auf eingeengtem Raum ausbricht. Letzten Endes sprengt das Chaos die
Grenzen des Mikrokosmos. Es wird hinausgetragen, um sich nun im Makrokosmos zu verbreiten.
Mikrokosmos gleich Geschlossenheit: Im Fall Cronenbergs erweist sich die
Autonomie des isoliert auf einer Insel gelegenen 'Starliner'-Apartmentgebäudes
als fatal für Dr. St. Luc (Paul Hampton), als er erkennen muß, daß jede Flucht
aus dem Gebäudekomplex für nicht infizierte Personen aussichtslos erscheint –
der Cronenbergsche Mikrokosmos erweist sich als ein geschlossenes System,
als versiegelte Sphäre, ohne Möglichkeit diese zu verlassen.
105
Anmerkungen
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
Oetjen, Almut / Wacker, Holger, 'Organischer Horror - Die Filme des David Cronenberg',
S. 21.
aus: 'Stuttgarter Zeitung', zitiert nach: Der Gildendienst (5 14/15, August /September 1996).
David Cronenberg in einem Interview zu M. Butterfly, zitiert nach der Sendung Kinomagazin
mit dem Titel Verwandlungen - Der Filmemacher David Cronenberg.
Cronenbergs Naked Lunch ließe sich gemäß gängiger Genredefinitionen am ehesten in das
Genre des Agentenfilms einordnen. Tatsächlich bedient sich der Film vieler Versatzstücke
des Agententhrillers: Das Empfangen und Übermitteln von Geheimnachrichten (oder Botschaften), 'Verbindungsmänner' wie Yves Cloquet (Julian Sands), Gegenspieler des Protagonisten wie Tom Frost (Ian Holm), geheimnisvolle Treffen und Zusammenkünfte, das Eintreffen des gerade beauftragten Agenten an einem mysteriösen Ort oder in exotischer Umgebung oder verdeckt arbeitende Institutionen und Organisationen.
Diese Unterteilung muß, obwohl es das Ziel dieses Buches ist, die Homogenität in Cronenbergs Gesamtwerk aufzuzeigen, zwangsweise getroffen werden, da seit dem Film Dead
Ringers ein Wandel in Akzeptanz und Kritik der Filme des Regisseurs eingetreten ist. Ordneten Kritiker Cronenberg bis dato als Genreregisseur ein und somit dem Horrorfilm zugehörig,
entzogen sich, spätestens seit Dead Ringers, die folgenden Filme jeder genregerechten
Klassifikation, so daß sich Kritiker gezwungen sahen, von nun an Cronenberg als 'Filmemacher' zu bezeichnen. Im Folgenden bezieht sich also die Bezeichnung 'Spätwerks' auf die
Filme Dead Ringers, Naked Lunch, M. Butterfly und Crash.
Als weitere Lektüre zu diesem Thema sei das Buch 'Kino des Phantastischen' von Seeßlen
und Weil empfohlen. Besondere Aufmerksamkeit verdient hierbei der Abschnitt über die Mythologie des Horrorgenres.
Weil, Claudius / Seeßlen, Georg, 'Kino des Phantastischen: Eine Einführung in die Mythologie und die Geschichte des Horror-Films', S. 11 - 48.
An dieser Stelle ist zu vermerken, daß Seeßlen und Weil gerade dem Kino des Phantastischen (repräsentiert unter anderem durch das Genre des Horrors und der Science-fiction),
das einen schier unendlichen Fundus an Möglichkeiten der Gestaltung aufweisen kann, diese Vielfalt absprechen und den Themenkreis des Horrorfilms auf folgende sechs Archetypen
dieser Halbwesen reduzieren: auf den künstlichen Menschen, den Untoten, den Tiermenschen, das Tier mit menschlichen Zügen (die Autoren nennen als Beispiel 'King Kong'), den
Doppelgänger und die Hexen. Hierbei leiten sie den Archetyp des Doppelgängers als gesellschaftsbezogene Neuinterpretation des Mythos des Tiermenschen (des Werwolfs) ab.
Die sogenannten 'artifiziellen Mythen' beziehen sich beispielsweise auf literarische Erzählungen wie Mary Shelleys 'Frankenstein', die sich im Verlauf der Geschichte zu archetypischen Motivkreisen des klassischen und modernen Horrorfilm entwickelt haben.
Vgl.: Newman, Kim, 'Nightmare Movies - A Critical Guide to Contemporary Horror Films'.' '
zitiert nach 'Blickpunkt:Film' (23/96).
David Cronenberg, zitiert nach einem Interview in der 'Süddeutschen Zeitung' (29. April
1992).
Lovecraft, Howard Phillips, "Anmerkungen zum Schreiben unheimlicher Erzählungen" in:
'Azathoth' (Frankfurt a.M., 1989), S. 255.
Vgl.: 'Horror - The Aurum Film Encyclopedia', S. 430.
Im Kontrast zu den Eintragungen der Filme des 'Frankenstein-Mythos' in Science-fictionsowie in Horrorlexika, scheinen Herausgeber einschlägiger Literatur bezüglich der Filme David Cronenbergs hilflos dem Chaos der verschiedenen Genretheorien gegenüberzustehen.
Somit finden sich Einträge im 'Lexikon des Science Fiction Films' der Autoren Hahn und
Jansen. Da sich das 'Lexikon des Horrorfilms' derselben Autoren in seiner Aktualität und
Ausführlichkeit nur bis auf das Jahr 1986 erstreckt, sind Besprechungen der nach The Dead
Zone erschienenen Filme Cronenbergs nicht existent. Die Bände der 'Aurum Encyclopedia'
ordnen Cronenbergs Filme bis The Fly, gemäß der wissenschaftlichen Erklärungen des
Phantastischen, der Science-fiction zu, die Filme Dead Ringers und Naked Lunch dagegen
werden als dem Horrorfilm zugehörig eingetragen, wogegen wiederum andere Nachschlagewerke wie 'The Horror Film' und 'The Modern Horror Film' Cronenbergs Filme komplett im
Horrorgenre ansiedeln. Kim Newman dagegen ordnet Cronenberg neben Regisseuren wie
106
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
Dario Argento und Brian de Palma unter dem Gesichtspunkt des 'auteurs' ein - eine Definition fernab jedes Genrebegriffes, die der Natur des Werks Cronenbergs gerechter wird, als
konservative Definitionsansätze um Genrezugehörigkeit.
Auf die Problematik der Grenzen des Horrorgenres geht auch Baumann in seinem Kapitel
"Blick über die Genre-Grenzen" ein.
Vgl.: Baumann, 'Horror - Die Lust am Grauen', S. 152ff.
An dieser Stelle sei nun eine kurze Liste von Motivkreisen genannt, die sowohl dem Horrorfilm als auch dem Psychothriller gemeinsam als Fundus dienen: Die formalen Aspekte der
'Suspense'-Situationen und der Schockmomente, das Motiv des 'verfolgten Opfers', der 'Bedrohung durch einen Eindringling', das des 'Mörders' (oder widernatürlichen Todes) oder das
der Raumkonzeption als 'labyrinthischer Irrgarten' oder 'Zufluchtsort ohne Ausweg'.
Als historisches Beispiel kann auch der Motivkreis um den artifiziellen 'Frankenstein-Mythos'
dienen. Selbst aus heutiger, wissenschaftlicher Sicht stellt das Konzept des 'künstlichen
Menschen' einen beliebten Motivkreis der Science-fiction dar (man bedenke nur die Parallelen zu den Motiven der 'Androiden' als künstliche Menschen der Science-fiction), so ist jedoch der der 'Gothic Novel' zuzuschreibende Ursprung des 'Frankenstein-Mythos' nach
Seeßlen und Weil dem Horrorfilm zuzuordnen. Verleger von Filmlexika ziehen sich aus der
Affäre, indem sie die Frankenstein-Filme in Horror- und Science-fiction-Lexika aufführen.
Rodley, Chris, S. 59.
Tatsächlich sucht der interessierte Rezipient Hinweise zu Scanners in einschlägigen, den
Horrorfilm betreffenden, Lexika vergeblich. David Cronenbergs Scanners ist hierzulande
dem Science-fiction-Genre zugeordnet.
Der deutsche Videoverleih brachte Scanners auch auf sehr spekulative Weise auf den
Markt: Das Kassettencover zierte der zerplatzende Kopf eines 'Scanners' (0:12) und nicht
das Bild Michael Ironsides, wie in der deutschen Kinowerbung für Scanners.
Als Begründer dieser 'Para-Thriller' ist sicherlich Brian de Palmas Film Carrie (1976), nach
dem Roman von Stephen King, zu nennen; für Regisseur wie auch für den heute weltberühmten Autor der eigentliche Beginn ihrer Karriere. Als weitere Vertreter dieses Subgenres
wären die Filme Patrick (1978) von Richard Franklin, The Fury (Teufelskreis Alpha, 1978),
ebenfalls unter der Regie de Palmas, The Eyes of Laura Mars (Die Augen der Laura Mars,
1978) von Irwin Kershner nach einem Drehbuch von John Carpenter und The Medusa
Touch (Der Schrecken der Medusa, 1978), inszeniert von Jack Gold, anzuführen.
An dieser Stelle sei nur an die Legion der sogenannten 'Slasher-Filme' erinnert, in denen
vorzugsweise freizügige Teenager in einem begrenzten Raum (Feriencamp, Schulgebäude,
etc.) von einem, durch ein in der Vergangenheit liegendes Ereignis traumatisierten, oftmals
debilen Killer, getötet werden. Diese qualitativ oftmals minderwertigen Filme, auch 'teeniekill-pic[ture]s' betitelt, entlarven sich in ihrer Schablonenhaftigkeit bereits durch Filmtitel wie
Slaughter High, Splatter University oder Sleepaway Camp.
Vgl.: Dika, Vera, 'Games of Terror: Halloween, Friday the 13th, and the Films of the Stalker
Circle' (Rutherford, New Jersey, 1990), S. 136.
Ein weiterer Beleg für die schier endlose Wiederholung bekannter, etablierter Motivkreise
stellt die Vielzahl an Fortsetzungsfilmen ('sequels') diverser Horrorfilmserien dar, wie Halloween (5 Fortsetzungen), Friday, the 13th (8 Fortsetzungen) oder A Nightmare on Elmstreet
(6 Fortsetzungen) - 'sequels', die gegenüber ihren Originalen nur den Aspekt der Variation
bekannter Schemata in die Filme einfließen lassen.
Bei Cronenberg erscheint die Figur des Wissenschaftlers nicht als 'Erlöser', sondern eher in
umgekehrter Rollenverteilung als Auslöser der Katastrophe oder des Chaos.
Handling, Piers, "A Canadian Cronenberg" in: 'The Shape of Rage', S. 113.
Werbeslogan zu Naked Lunch der britischen Videokassette.
Pevere, Geoff, "Cronenberg Tackles Dominant Videology" in : Handling, Piers, 'The Shape of
Rage - The Films of David Cronenberg', S. 137.
Oetjen / Wacker, S. 118.
Hier könnten Cronenbergs kommerziell erfolgreichste Filme Scanners und The Fly in
gewisser Hinsicht als Ausnahme gelten. Findet der Zuschauer in ersteren Film neben dem
Element der Action auch die klassische Konfrontation zwischen Gut und Böse, vertreten
durch die Scanner Cameron Vale und Darryl Revok, so kann The Fly mit dem 'Exorzismus'
107
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
der widernatürlichen Kreatur, dem mutierten Seth Brundle, aufwarten, als das bedauerliche
und kaum noch lebensfähige Geschöpf durch seine Geliebte erschossen wird.
An dieser Stelle sei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der 'first-person-film' sich nicht auf
die Verwendung der 'subjektiven Kamera' bezieht.
William Beard, S. 6.
Oetjen / Wacker, S. 102.
zitiert nach Beard, William, in: Handling, Piers, S. 50.
An dieser Stelle sei angemerkt, daß in Cronenbergs Filmen der Begriff des 'special effects'
nicht in seiner gesamten Bandbreite der Erscheinungsformen hervortritt, wie in gängigen
'Space Operas' des Science-fiction-Genres. Cronenberg inszeniert den 'special effect' vorzugsweise durch den 'special make-up effect' (wie zum Beispiel das entstellende Ganzkörper-Make-Up Jeff Goldblums in The Fly) oder den Animatronic-Effekten (mechanisch bewegten und gesteuerten Figuren), die der Zuschauer zum Beispiel bei den 'Mugwumps' in Naked
Lunch vorfinden kann.
Als einzige, wenn auch sehr unzuverlässige Methode, sich besagter Problematik zu nähern,
ließe sich die Untersuchung des szenischen Kontextes anführen, in denen die 'special effects' eingebettet sind. Als ein Ergebnis dieser Betrachtung ließe sich im Fall des Films Videodrome festhalten, daß den halluzinatorischen 'special effects' unmittelbar Szenen vorausgingen, in denen sich der Protagonist entweder dem 'Videodrome'-Signal via TV-Schirm
ausgesetzt sieht, oder mittels der 'lebenden Videokassetten' programmiert wurde. Analog
hierzu finden sich in Naked Lunch dem 'Effekt' vorauseilende Szenen in denen die Figur des
Bill Lee sich mit Drogen, dem gelben Insektizid (dem 'bugpowder'), dem 'Schwarzen Fleisch'
des Riesentausendfüßlers oder dem 'Mugwumpsperma' stimuliert. Dieser Ansatz zur Problematik des Wechselspiels zwischen Realität und Halluzination erscheint sehr unbefriedigend, gibt Cronenberg doch keinen Aufschluß darüber, daß besprochene vorangehende
Szenen den Zuschauern nun wirklich 'Realität' vermitteln oder bereits auf einer anderen Bewußtseinsebene im Geiste des Protagonisten in Szene gesetzt sind.
Beard, William in: Handling, Piers, S. 70
Diese These wird unter anderem von Julian Petley in seinem Aufsatz "V.D. O'Nasty" angesprochen. Sie erscheint keinesfalls abwegig, da sich die bis dato rein sado-erotischen Phantasien Max Renns nun zu paranoiden Weltverschwörungstheorien einer radikalen Geheimorganisation steigern, die sich hinter dem Konzern 'Spectaular Optical' verbirgt. Diese Phantasien steigern sich zu klassischen Symptomen der Schizophrenie - so befehlen Max die
körperlosen 'Stimmen' von Barry Convex, beziehungsweise Bianca O'Blivion, Personen
gegnerischer Organisationen zu töten. Parallel hierzu erfüllt die Clark Nova Schreibmaschine
die gleiche Funktion wie das Fernsehbild der toten Nicki Brand in Videodrome: Sie fungiert
als Auftraggeber und zieht den Protagonisten des jeweiligen Films mit suggestiver Stimme in
ihren Bann.
Petley, Julian, "V.D. O'Nasty" in: Drew, Wayne.
David Cronenberg, zitiert nach Rodley, Chris, (Neuauflage) S. 168.
Es sei an dieser Stelle nochmals auf den idealisierten Charakter dieser Modelle verwiesen.
Die auf der horizontalen Zeitachse vorgenommenen Unterteilungen sind (bis auf die Ausnahme des Films Naked Lunch) an keinen in Minuten- und Sekundenangaben konkretisierbaren Zeitpunkt gebunden, da, wie schon angesprochen, die Zeitpunkte der 'Realitätssprünge' nicht figurativ zu definieren sind, sondern von der subjektiven Interpretation des Films
durch den Betrachter abhängig erscheinen. Somit erscheinen auch die Anzahl der Ausschläge des Graphen in den Diagrammen idealisiert, da sie nur eine annähernde Visualisierung der aufgezeigten Häufigkeit der 'Realitätssprünge' darstellen.
In nur wenigen, kurzen Momenten vermutet der Zuschauer noch Einbrüche der Realität in
Max' konstantem halluzinatorischem Zustand, so zum Beispiel in Szenen, die Max nach seinen Morden auf der Flucht zeigen. Jedoch erscheinen diese Momente sehr kurzlebig und
werden schnell von den bizarren Bildern der 'Videodrome'-Realität eingeholt.
Cronenberg läßt bereits die Überlagerung der besagten 'transparenten Ebenen' im Vorspann
des Films Naked Lunch visualisieren. Die Credits sind in schwarz auf schwarzem Hintergrund gezeichnet, nur die farbigen, sich durch das Bild bewegenden Formen, die, wenn sie
sich überschneiden (und in ihrer Transparenz ihre Farbe wechseln) erhellen den Hintergrund
und offenbaren dadurch den bis dahin verborgenen Schriftzug.
108
41
42
43
44
45
46
47
48
49
50
51
52
53
54
55
56
In dem aufgeführten Schaubild 'Realitätsebenen in Naked Lunch' in der zweiten Phase (konstante Bewegung in der 'Interzone', sporadische Sprünge in die Realität) als Sprung des
1
Graphen von 'Interzone'-Realität (R ) zurück auf die Realitätsebene (R) dargestellt.
Die Reihe dieser Beispiele ließe sich weiter fortführen: Eingangstüren an Gebäuden der 'Interzone' erinnern an die Filmkulissen, die Cronenberg für die New Yorker Szenen errichten
ließ, ein Ausblick aus dem Fenster der Wohnung des Schriftstellers Tom Frost in Marokko
offenbart die kalte Front eines New Yorker Wohnhauses mit den für diese Zeit üblichen, an
der Hauswand angebrachten Feuerleitern.
Oetjen / Wacker, S. 171.
Eine Rekursion definiert sich im naturwissenschaftlichen Sinne als eine Funktion, die sich
selbst aufruft. In der Mathematik bestimmen Rekursionen häufig die Bildungsvorschriften
von Zahlenfolgen beziehungsweise Zahlenreihen.
David Cronenberg, zitiert nach einem Interview mit Mary Gaitskill in 'Interview' (Januar
1992).
David Cronenberg, zitiert nach Rodley, Chris, (Neuauflage) S. 165.
Vgl.: Presseinformationen zu eXistenZ, herausgegeben von 'Kinowelt Filmverleih GmbH'.
Tatsächlich werden im Zusammenhang der Ermordung Joan Lees dem Zuschauer keinerlei
Hinweise auf laufende Ermittlungsverfahren gegen Bill Lee in Naked Lunch aufgezeigt.
Vgl.: Pride, Ray, 'Weekly Wire' (o. A.)
David Cronenberg zitiert nach:
Drew, Wayne, "A Gothic Revival: Obsession and Fascination in the Films of David Cronenberg" in: Drew, Wayne, S. 20.
Die einzige konkrete Ausnahme scheint sich im Film The Dead Zone anführen zu lassen, da
es sich erstens nicht um ein Originaldrehbuch Cronenbergs handelt und da zweitens Stephen King, auf dessen Roman der Film basiert, oftmals in seinen Werken das 'Böse' durch
das 'Gute' im wahrsten Sinne des Wortes exorzieren (also austreiben) läßt. Jedoch schlägt
dieser 'Exorzismus' der Antagonisten in Form des Attentates des Johnny Smith auf den Politiker Greg Stillson fehl.
Prinzipiell könnte gerade Scanners als Paradebeispiel für eine gängige 'Schwarzweißmalerei' in der Gestaltung der Filmfiguren gelten, da er sogar mit einem klassischen 'showdown',
dem 'Scanner'-Duell, aufwarten kann. Doch anstelle dieses zu erwartenden Ausgangs des
Konfliktes bietet Cronenberg die Fusion der Gegner als Lösung an. In anderen Filmen des
Regisseurs, wie The Brood oder gar The Fly, erweist sich die Trennung von Protagonist und
Antagonist als diffizile Fragestellung, scheinen Figuren wie die des Dr. Raglan eine Gratwanderung zwischen diesen Gegenpolen von 'Gut' und 'Böse' zu vollführen. Weiterhin erwecken sie im Zuschauer wie im Fall des zur 'Fliege' mutierenden Seth Brundles zwiespältige
Emotionen von Aversion und Mitleid. In späteren Werken des Regisseurs wie Dead Ringers,
Naked Lunch oder M. Butterfly dagegen dominiert der Aspekt des Doppelgängers oder der
Verdoppelung, denn die Grenzen zwischen den Antipoden 'Gut' und 'Böse' sind nicht mehr
existent.
Die hier angegebenen Laufzeiten in Stunden und Minuten beziehen sich auf die vorliegenden Videofassungen der Filme Cronenbergs.
Selbstverständlich tauchen Doppelgängermotive auch in anderen Filmen Cronenbergs auf,
beispielsweise in Videodrome (in multiplen Konstellationen). Es soll im Rahmen dieses Buches jedoch in erster Linie auf oben beschriebene Filme eingegangen werden.
David Cronenberg zur Frage nach dem Ursprung des Begriffes 'dead ringer'.
zitiert nach: "Horrender Tiefgang - Ein Interview mit David Cronenberg" in: 'Steadycam' (Nr.
11 / Frühjahr 1989).
Cronenbergs Dead Ringers bleibt jedoch keinesfalls der einzige Film des Genres, der sich
der Thematik des (eineiigen) Zwillings widmet. Somit stellt die britische Produktion Twins of
Evil (1971) um eine vampiristische Zwillingsschwester einen Vertreter im Sinne des klassischen Horror-Motivkreises dar. Als Repräsentant eines modernen und psychologischen Horrorfilms fungiert hier Brian de Palmas Sisters (1972), ein Film, in dem der 'böse Zwilling' der
jungen Danielle (Margot Kidder) mordet, sobald sich ein Mann ihrer Schwester nähert. Diese
Mörderin, mit ihrer Schwester als eineiiger und siamesischer Zwilling geboren, erweist sich
109
57
58
59
60
61
62
63
64
65
66
letzten Endes als eine mörderische Persönlichkeit der schizophrenen Danielle, deren imaginäre Schwester bei der operativen Trennung verstarb.
Eine weitere interessante Variation der Dead Ringers-Thematik findet sich in Peter Medaks
Film The Krays, der die Karriere zweier Brüder im Gangstermilieu des Nachkriegsenglands
beschreibt, wobei der Regisseur als Symbol der Verbindung der Brüder untereinander ebenfalls sich des Symbols der siamesischen Zwillinge bedient.
Obwohl die Sympathien des Zuschauers eher auf der Seite der als sehr verletzlich gezeichneten Figur des Beverly Mantle liegen können, sei es in Anbetracht der Komplexität dieser
Figuren und deren subtiler Darstellung durch den britischen Schauspieler Jeremy Irons nicht
angebracht, in der Besprechung von Cronenbergs Dead Ringers diese Figur als 'Protagonisten' und die des Elliot Mantle als 'Antagonisten' zu bezeichnen.
Als Ergänzung zu der 'Jekyll/Hyde'-Thematik sei an dieser Stelle das 'Lexikon des HorrorFilms' (Seite 89) zitiert: "Stevensons Erzählung steht, literaturhistorisch betrachtet, in der
Tradition des Schauerromans des ausgehenden 18. Jahrhunderts und der Romantik, zu
dessen Motiven und Klischees halbwissenschaftliche Experimente, Doppelgängertum und
Persönlichkeitsspaltung, sowie die Vorliebe für nächtlich-düstere Szenerien gehören. Das
Doppelgängermotiv ist von je her eines der bedeutendsten Themen der Phantastischen Literatur gewesen (z.B. bei E. T. A. Hoffmann, Edgar Allan Poe, Oscar Wilde). Daraus entwickelt
sich das dualistische Weltbild, das alle Erscheinungen der Wirklichkeit in seine gute und böse, seine mänliche und weibliche, seine körperliche und seine geistige Seite teilt. Den Gedanken, gut und böse in einer Person zu trennen, ist bei Stevenson die Folge eines wissenschaftlichen Versuches mit einer Droge." Als weitere Lektüre ist die folgende Erzählung zu
empfehlen:
Stevenson, Robert Louis, The Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde (Penguin Popular
Classics, London, 1994).
Es erscheint unangemessen, Elliot Mantle als 'bösen Bruder' oder als die 'dunkle Seite' Beverlys zu bezeichnen, erscheint er doch eher als selbstbewußtere (wenn auch emotional verrohte) Variante seines Bruders, eines Charakters, deren sicheres Auftreten von Beverly sogar ein wenig beneidet wird.
Vgl.: Dead Ringers (0:20).
Diese Verbundenheit, gar Abhängigkeit der Mantle-Zwillinge visualisiert Cronenberg in einer
beeindruckenden Traumsequenz, in der die Brüder durch eine pulsierende Nabelschnur miteinander verbunden sind. In diesem Traum 'trennt' Claire Niveu Beverly und Elliot, indem sie
die organische Verbindung zerbeißt (0:47). Eine zweite Traumsequenz, in der eine Miniatur
Beverlys einem parasitären Zwilling gleich aus Elliots Bauchdecke herauszuwachsen
scheint, wurde realisiert, jedoch von Cronenberg aus dem Film wieder entfernt.
Es sei an dieser Stelle nur der Vollständigkeit halber angemerkt, daß in Johnny Smiths
sanftmütigem Charakter, seiner selbstgewählten Isolation von seiner Umwelt in Kontrast zu
Stillson Aggressivität und seinem sicheren Auftreten in der Öffentlichkeit ein weiteres, an
den Figuren aus Scanners und Dead Ringers bereits besprochenes, Doppelgängermotiv zu
finden ist.
zitiert nach 'Verwandlungen - Der Filmemacher David Cronenberg', in der Reihe Kinomagazin produziert vom WDR. (1993).
Es muß an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, daß Cronenbergs Filmen absolut keine
frauenfeindlichen Tendenzen zu unterstellen sind. Eher zeichnet Cronenberg in Filmen wie
The Brood, Videodrome und besonders mit der Figur der Claire Niveau in Dead Ringers sehr
selbstbewußte und charakterstarke Frauen, die sich schwerlich in klischeebehafteten Opferrollen einfügen lassen. Cronenberg kommentiert, angesprochen auf frauenfeindliche Aspekte in Rabid: "I remember being totally bemused by the complaint that I was portraying female
sexuality as predatory. With Shivers I had been attacked for showing women as sexually
passive. So I was beginning to realise that this was a no-win situation"
zitiert nach: Rodley, Chris, S. 56.
Als einzige Ausnahme erscheinen somit die Protagonisten Cameron Vale und Kim Obrist in
Cronenbergs Scanners, die sich weder entfremden noch durch Gewalt oder Schicksalsschläge voneinander getrennt werden.
Dead Ringers (0:53).
110
67
68
69
70
71
72
73
74
75
76
77
78
Vgl.: hierzu den Abschnitt 'Doppelgänger' und das folgende Schaubild 'Doppelgängermotive
in Scanners, The Dead Zone und Dead Ringers' im Abschnitt 'double writing' dieses Buches.
David Cronenberg, zitiert nach Rodley, Chris, S. 184.
Das Motiv einer monströsen, gar bedrohlichen Weiblichkeit findet im Genre des Horror (wobei hier das Medium der Vermittlung irrelevant erscheint) eine rege Verbreitung und basiert
auf der patriarchaischen Angst vor einer übermächtigen, verstörenden femininen Sexualität,
die es zu unterdrücken gilt. Erscheinungsbilder dieser 'weiblichen Ungeheuer' finden sich in
Genrefilmen meist in der Figur einer sexuell aggressiven Frau (beispielsweise der Rose in
Rabid) oder in der einer dominanten Übermutter - mittlerweile zum Standardrepertoire des
Horror- und Psychothrillergenres avanciert. Unter den Filmen, die diese Erscheinungsformen
'weiblicher Monstrosität' thematisieren, sind Werke wie Alfred Hitchcocks Psycho, Brian de
Palmas Carrie, Rob Reiners Misery oder auch Peter Jacksons Brain Dead zu nennen. Als
vertiefende Lektüre sei das Kapitel "Psychoanalytic Theories of Horror" in Mark Jancovichs
kulturhistorischer Studie zu dem Phänomen des Horrors zu empfehlen.
Jancovich, Mark, S. 9.
"Die sexuell erregende Wirkung mancher an sich unlustigen Affekte, des Ängstigens,
Schauderns, Grausens erhält sich bei einer großen Anzahl Menschen auch durchs reife Leben und ist wohl die Erklärung dafür, daß soviel Personen der Gelegenheit zu solchen Sensationen nachjagen, wenn nur gewisse Nebenumstände (die Angehörigkeit zu einer Scheinwelt, Lektüre, Theater) den Ernst der Unlustempfindung dämpfen"
Freud, Sigmund, "Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie" in: 'Gesammelte Werke V' (Frankfurt, 1968), zitiert nach Baumann, S. 271.
"Zweitausend Jahre christlicher Tradition der Körperfeindlichkeit haben eine innige Verbindung zwischen Sexualität und dem Bösen geschmiedet, die von den Produzenten des Horrors dankbar aufgegriffen wird. Sex, in seiner christlich zugelassenen Form als Basis der
Vermehrung, ist ein unergiebiges Motiv – anders als die Lust, die von der Kirche und ihren
zölibatären Repräsentanten als unvermeidliche Begleiterscheinung notgedrungen geduldet,
in reiner Form aber als sündhafte Wollust verdammt wird."
Vgl.: Baumann, S. 270.
Stephen King beschreibt diese Interaktion von Sexualität und Gewalt (oder Tod) wie folgt:
"Ich habe an anderer Stelle meiner Überzeugung Ausdruck verliehen, daß vieles von der
Anziehungskraft, die die Horror-Story auf uns hat, auf die Tatsache zurückzuführen ist, daß
sie uns erlaubt, unverhohlen die antisozialen Gefühle und Emotionen auszuüben, die wir unter normalen Umständen auf Forderung der Gesellschaft zu deren oder unserem Besten
verborgen halten müssen."
Vgl.: King, Stephen, 'Danse Macabre', S. 99.
Dieses Motiv findet sich vorzugsweise in den bereits an früherer Stelle genannten 'SlasherMovies', in denen die (ausschließlich) jugendlichen Protagonisten von den deformierten und
debilen Killern für ihre ausgelebte Sexualität mit dem Tod bestraft werden. Diese 'postcoitalen' Morde fungieren in diesen reaktionären Filmen (wie beispielsweise in der Friday,
the 13th Filmserie) als quasi moralische Bestrafung der konservativen Gesellschaft. Als vertiefende Literatur sei das Kapitel "Her Body, Himself" aus Carol J. Clovers Buch 'Men, Women and Chainsaws - Gender in the Modern Horror Film' empfohlen.
Oetjen / Wacker, S. 112.
Die Kreaturen der 'Brut' werden zwar durch einen Pathologen als geschlechtslos bezeichnet,
tragen jedoch die verzerrten Gesichtszüge von Nolas Tochter. Damit weisen die einzelnen
Kreaturen eindeutig feminine Züge auf, welches die These der Cronenbergschen letalen
Weiblichkeit unterstützt.
Rodley, Chris, S. 115.
Dieser Katalog der bezeichnenden Namen stellt nur eine Auswahl der prägnantesten 'telling
names' dar. Obwohl dieses Phänomen in fast jedem Film Cronenbergs nachzuweisen ist,
muß darauf hingewiesen werden, daß in Produktionen, bei denen Cronenberg nicht verantwortlich für das Drehbuch zeichnete, Vorsicht vor 'Überinterpretation' geboten ist, da sich der
potentielle Einfluß des Regisseurs auf das Endprodukt Drehbuch nicht bis ins letzte Detail
nachvollziehen läßt.
Eine weitaus umfangreichere Auflistung dieser Eigennamen findet sich in Robnik / Palm,
womit sich der nun folgende Katalog als eine Ergänzung versteht.
Vgl.: Robnik / Palm, S. 175ff.
111
79
80
81
82
83
84
85
86
87
88
89
90
91
92
93
94
95
96
97
98
Vgl.: hierzu: Petley, Julian, "V.D. O'Nasty" in: Drew, Wayne.
Weder der Film noch die ihm Abspann von Rabid aufgeführten Rollen mit deren Darstellern
gestehen der Rose einen Nachnamen zu – eine Tatsache, welche die Symbolik ihres Vornamens noch akzentuiert.
Vgl.: hierzu das folgende Kapitel 'Körper und Geist'.
Über eine andersartige Lesart des Begriffes 'Videodrome' spekulieren die Herausgeber
Robnik und Palm in ihrem weit ausführlicheren Katalog der 'telling names', indem sie den
Begriff in 'V.D. O'Drome' zerlegen und ihn somit als 'Arena der Geschlechtskrankheiten' (mit
'v.d.' als anglistische Abkürzung von 'veneral disease') interpretieren, was in Hinblick auf
Cronenbergs sexuelle Bilderwelten (es sei wieder nur an die vaginale Bauchöffnung Max
Renns erinnert) durchaus vertretbar erscheint.
Vgl.: Robnik / Palm, S. 176.
Der englische Begriff 'spectacular' umschreibt des weiteren im Zusammenhang mit dem
Ausdruck des 'spectacle' auch eine '(Fernseh-)Schau' oder eine 'Galavorstellung' – Vokabeln, die wiederum auf die Aspekte der Inszenierung und Irrealität der Ereignisse in Videodrome verweisen.
Als Ausnahme erscheint hier jedoch die Figur des Harlan, Handlanger des Hintermannes der
'Videodrome'-Verschwörung Barry Convex', über dessen Vornamen Maurice Yakovar spekuliert: "The hero's right-hand man is named Harlan, presumably in homage to Harlan Ellison,
the sci-fi author also known for trenchant warnings about TV."
Vgl.: Yakowar, Maurice, "The Comedy of Cronenberg", in Handling, Piers.
Die deutschsprachige Synchronisation des Films The Fly bezeichnet diese Kabinen als 'Teleboxen', auf welche Weise die im folgenden beschrieben Aspekte gegenüber der Originalversion des Films verloren gehen. Nur auf den Computermonitoren in Brundles Labor erscheint weiterhin die originale Bezeichnung des 'telepods'.
Die phonetische Transkription des Wortes 'mantle' lautet |'mæntl|, die Lautschrift des Begriffes 'mental' erscheint mit |'mentl| als eine Abwandlung dieser Aussprache.
David Cronenberg, zitiert nach 'Splatting Image' (März 1999).
Der Wettstreit um die Gunst, Aufmerksamkeit und Kaufkraft der Spieler führt oftmals zu
solch zufällig oder gar willkürlich klingenden Wortschöpfungen. Als Beispiel hierzu kann man
die alternative Schreibweise von 'combat' in der Videospiel-Serie 'Mortal Kombat' anführen.
gas [gæs]: I pl -(s)es 1. Gas n. 2. colloq a) Am. Benzin n, Sprit m, b) step on the gas Gas
geben, auf die Tube drücke n (beide a. fig.). 3. colloq Gewäsch n, Blech n. II v/t 4. vergasen:
be gassed a. eine Gasvergiftung erleiden. III v/i 5. colloq faseln.
Vgl.: al|le|gro: lebhaft, schnell; - ma non tànto: nicht allzu schnell; - ma non tróppo: nicht so
sehr schnell (Vortragsanweisung; Musik.).
Vgl.: nour·ish ['nr♠∫] v/t 1. (er)nähren (on von). 2. Gefühl nähren, hegen.
Vgl.: Pí|kul [malai.] der od. das; -s, -: 1. asiat. Gewichtsmaß von verschiedener Größe. 2.
indones. Hohlmaß.
Jeder Spieler, der sich mit den frühen Computerspielen der Firma 'Lucas Arts' auseinandergesetzt hat, wird dem Autor bezüglich der Zufälligkeit solcher Namen wie Guybrush Threepwood oder Zak McKraken zustimmen.
Vgl.: Atcheson, Nathanial R., 'Film Psychosis' (Internet, o.A.).
Seeßlen / Weil, S. 43.
Tatsächlich handelt Bernard Roses Film Candyman von einem 'Geist', der in den Slums einer Großstadt Menschen tötet. Protagonisten dieses Films sind zwei Studentinnen, die eine
Doktorarbeit zum Thema urbaner Mythologien und deren Bildung anfertigen und auf die Legende des 'Candyman' aufmerksam werden, der erscheint, wenn sein Name fünfmal in einen Spiegel gesprochen wird.
Vgl.: Möller, Olaf, "Zusammenbrüche des Fleisches – David Cronenberg und seine Filme" in:
'Lexikon des Internationalen Films'.
von Berg, Ulrich, "Der Virus stirbt mit seinem Träger - Cronenbergs erste Spielfilme" in:
Steadycam (Nr. 11 / Frühjahr 1989).
Es finden sich in der Tat erstaunliche Parallelen zwischen Shivers und James Graham Ballards Roman 'High Rise' (dt. 'Hochhaus'), der 1975 (fast zeitgleich mit Cronenbergs Film)
112
99
100
101
102
zum ersten Mal erschienen ist. Der Roman spielt in einem 40-stöckigen Hochhaus außerhalb Londons, dem Nonplusultra an Wohnkomfort, ebenfalls mit allen Einrichtungen ausgestattet, welche dem Menschen rein theoretisch erlauben würden, völlig autonom und abgeschnitten von der Außenwelt ein Leben nur innerhalb dieses Komplexes zu verbringen. Doch
irgendwann macht sich unter den Bewohnern eine aggressive Stimmung breit, es kommt zu
geringeren Ausschreitungen und Anzeichen von Vandalismus, die in offener Gewalt, 'Stammesfehden' zwischen diversen Etagen, Ritualen, Raubzügen, Mord und Kannibalismus eskalieren.
Ballard, J.G., 'Hochhaus' (Frankfurt am Main, 1992).
zitiert nach Loidolt, Lox, "Isolation und Kontrast - Eine Ikonographie der modernen Architektur bei David Cronenberg" in: Robnik / Palm, Und das Wort ist Fleisch geworden, S. 36-37.
ebd.
Anmerkung: Der Autor dieses Aufsatzes widmet sich weiterhin auch dem historischen und
architektonischen Kontext des Schiffes als Wohnmodell. Somit wird beschrieben, daß soziale Mißstände, Überbelegung der benutzten Wohnungen und unsystematisches Bauen als
Folgen der Industrialisierung des Europas des späten 19. Jahrhunderts zu deuten seinen.
Eine gesellschaftliche Erneuerung sollte mit Hilfe neuer architektonischer Wohnkonzepte erreicht werden, wobei das Modell eines Passagierschiffes als konzeptionelles Vorbild diente,
in dem der Wohnraum auf ein Minimum reduziert wurde, als Ausgleich hierfür aber Gemeinschafts- oder Freizeitbereiche als Zentren des sozialen Lebens angeboten werden.
Kim Newman, 'Nightmare Movies', S. 118-119.
Weil / Seeßlen, S. 141
113
Körper und Transformation
Körper und Geist
Captain Adams:
Dr. Morbius:
Captain Adams:
"Das Id? Was ist das?"
[…] "Das ist ein ausgestorbener Begriff. Ich glaube,
daß man ihn früher einmal benutzt hat, um die
Grundstruktur des Unterbewußtseins zu umschreiben."
"Die Ungeheuer vom Id" […] "Die Ungeheuer aus
dem Unterbewußtsein" […] "Ein Akt der Schöpfung
durch bloße Gedanken" […] "Aber genau wie Sie haben die Krell eine todbringende Gefahr übersehen:
Ihren eigenen unbewußten Haß und dann ihren verdrängten Zerstörungstrieb."
Forbidden Planet1
"There's a Latin quote that goes 'Timor mortis conturbat me' [sic!] which,
roughly translated, means 'The fear of death disturbs me'. Death is the
basis of all horror, and for me death is a very specific thing. It's very
physical. That's where I become Cartesian. Descartes was obsessed
with the schism between mind and body, and how one relates to the
other.
The phrase 'biological horror' – often attached to my work – really refers
to the fact that my films are very body-conscious. They are very
conscious of physical existence as a living organism, rather than other
horror films or science-fiction films which are very technologically
orientated, or concerned with the supernatural, and in that sense are very
disembodied."2
David Cronenberg
'biological horror'
Das Aufkommen des Subgenres 'body horror', als dessen
Begründer unter anderem David Cronenberg oftmals genannt
wird, ist filmhistorisch auf die Mitte der siebziger Jahre zu
datieren. Als einer der Fixpunkte für die Datierung kann die
Aufführung von Shivers angenommen werden. Diese Filme
thematisieren einerseits die psychische Krise des Subjekts als
Folge von Prozessen körperlicher Auflösung, des Zerfalls,
andererseits
den
entgegengesetzten
Effekt
der
Transformationen, ausgelöst durch mentale Pein. Mutation als physische
Manifestation des Unterbewußten: diese Thematik stellt beispielsweise das
dominante Motiv in Cronenbergs The Brood dar. Weitere Variationen des oben
beschriebenen 'body horrors' findet sich in Filmen, deren Essenz die
114
Verwandlung und Umformung eines menschlichen Körpers in eine neuartige
nichtmenschliche Existenz darstellt, wobei aus klassischen Motiven des Horrors
(wie beispielsweise des Werwolf-Mythos oder der 'Dr. Jekyll und Mr. Hyde'Thematik) oder der Science-fiction Inspirationen bezogen werden.
Der 'body horror' beschreibt eine Tendenz Mitte der siebziger bis in die zweite Hälfte der achtziger Jahre, die den Ursprung für die technische Revolution
auf dem Sektor der maskenbildnerischen Spezialeffekte bildete und somit auch
parallel zur Perfektionierung dieser tricktechnischen Effekte beitrug. Diese Tendenz läßt sich durch Filme wie The Howling (1980) von Joe Dante, An American Werewolf in London (1981) von John Landis und Cronenbergs The Fly belegen. Die letzten beiden Filme wurden mit einem 'Oscar' für maskenbildnerische Leistungen ausgezeichnet.
Der menschliche Körper wird durch die technische Weiterentwicklung dieser
Effekte formbarer, deformierbarer. Nichtmenschlichkeit kann in unvorstellbar
grotesken Mutationen und Verwandlungsformen dargestellt werden. Fleisch ist
nicht mehr an seine ureigenste, biologisch vorgegebene Form gebunden.
Filme, die den 'body horror' thematisieren, erscheinen als 'Körperrevolution',
als Aufbegehren des Körpers gegen die Seele oder, konträr gesehen, als Sieg
des Geistes über die nun beherrschbare, menschliche Materie – Motive, wie sie
besonders in den Filmen The Brood, Scanners, Videodrome, The Dead Zone
und The Fly zu finden sind.
Psyche und Physis
In The Brood zeichnet sich erstmalig in außerordentlich konkreter Form eine
Thematik ab, die in Shivers und Rabid zwar aufgeworfen, aber niemals so einprägsam wie in The Brood dargestellt wird und die sich wie ein roter Faden in
fast allen späteren Filmen des Regisseurs wieder aufzeigen läßt: Die Dualität
von Körper und Geist, das unterbewußte Zusammenspiel zweier Einheiten,
zweier Pole – der Psyche und der Physis.
Anstatt jedoch diese konträren Pole der menschlichen Existenz klar voneinander zu trennen, definiert Cronenberg in seinen Filmen gerade diese Dichotomie als unteilbare Einheit, als Wechselspiel zweier den Menschen determinierenden Elemente, als Dialog der Existenzebenen. Somit erscheint die substantielle und die immaterielle Komponente des menschlichen Individuums in Cronenbergs Filmen als untrennbar. Rebelliert der Geist, beispielsweise in Form
unterdrückten Hasses (The Brood) bei Nola Carveth (Samantha Eggar) gegen
ihre Eltern und ihren Ehemann Frank (Art Hindle), so rebelliert der Körper. Als
Folge läßt Nola ihren sackartigen Exo-Uterus, in dem ihre 'Brut' keimt, wie ein
bizarres Geschwür unbewußt heranwachsen.
"Wie körperlich ist das Denken? Auf den ersten Blick wirkt es sehr
körperlos. Aber ich glaube das nicht. Denken ohne Körper gibt es nicht.
Darum beharre ich auf dem Gedanken, daß der Körper die erste
115
Tatsache in der menschlichen Existenz darstellt. Wenn ich Bilder,
Metaphern und Denken verbinde, erscheint mir das als etwas sehr
Sinnliches. Es muß nur auf irgendeine Weise verkörpert werden."3
Diese Dialektik zwischen den Existenzebenen des Menschen, der Materie
und der Psyche, erscheint als Cronenbergs Auseinandersetzung mit dem kartesianischen Bild des Menschen.4
Trotz der unterschiedlichen Natur der Komponenten des 'Geistes' oder der
'Seele' und der physikalisch nachweisbaren Existenz der fleischlichen Hülle betrachtet Descartes die immateriellen und materiellen Ebenen des menschlichen
Daseins als interaktiv. Körper und Geist stehen in einem bewußten oder unbewußten Dialog miteinander. Der bewußte, aber immaterielle Befehl des Geistes,
beispielsweise ein Objekt mit der Hand zu ergreifen, oder der unbewußte Befehl, eine spontane Abwehrreaktion, einen Reflex zu evozieren; vor allem aber
auch das Phänomen der psychosomatischen Erkrankungen wie Ausschlag oder
Magengeschwüre, belegen dieses Zusammenspiel.5 Dieser Dialektik des Geistes mit dem fleischlichen Körper widmet sich Cronenberg in fast allen Filmen,
wobei The Brood und Scanners ausgewählte Beispiele der 'body and mind'Problematik darstellen.
"The basic idea for Psychoplasmics was that people do get rashes when
they're stressed out; muscles do tighten up. […] The idea of creative
cancer; something you would normally see as a disease now goes to
another level of creativity and starts sculpting with your own body."6
Das Verfahren der 'Psychoplasmatherapie' des Psychoanalytikers Dr. Hal
Raglan in The Brood trennt das von Cronenberg als Einheit definierte Zusammenspiel von Körper und Seele in die Komponenten von Physis und Psyche
auf. Er zertrennt das Unteilbare, ohne sich über die möglichen Konsequenzen
bewußt zu werden. Die vielgestaltigen Krankheiten der Patienten, ihre Psychosen, Neurosen oder Depressionen, werden in dieser Therapie externalisiert. Es
bilden sich neuartige Gewächse, Geschwüre oder Organe am menschlichen
Körper der im 'Somafree-Institute’ 'psychoplasmatisch' therapierten Patienten.
Schon in der ersten Szene des Films führt Dr. Raglan im 'Somafree-Institute'
einem faszinierten Publikum auf eindrucksvolle Weise die Konsequenzen der
'Psychoplasmatherapie' vor. Der Patient Mike Trellan (Gary McKeehan), der
von seinem Vater wegen seiner femininen Veranlagungen niemals akzeptiert
worden ist, manifestiert die negativen Erlebnisse seiner Kindheit als 'neues
Fleisch', welches nun an seinem Körper in Form bizarrer Auswüchse zu betrachten ist: der gesamte Oberkörper des Patienten ist mit einer Vielzahl von
weiblichen Brustwarzen bedeckt.7
Wie in einer ins Bizarre ausufernde Form einer psychosomatischen Erkrankung wird das seelische Leiden des Patienten in Fleisch manifestiert und auf
den Körper übertragen, für den sich Dr. Hal Raglan nicht mehr verantwortlich
116
fühlt, da er den Geist des Patienten nun als geheilt betrachten kann. Doch der
Erfinder der 'Psychoplasmatheorie' ist letztendlich nicht in der Lage, die seelischen Erkrankungen zu kurieren. Er transferiert sie nur vom Inneren, aus der
Psyche heraus zum Äußeren, zum wuchernden Fleisch, und hinterläßt dabei
die von ihren Externalisierungen gezeichneten und entstellten Menschen, die
selbst nach ihrer Entlassung aus dem ‘Somafree-Institute’ nicht als ausgeglichene Menschen erscheinen, sondern in der Abwesenheit ihres Mentors Raglan eher noch verunsicherter und depressiver wirken.
"Psychoplasmics can cause cancer", wird Frank Carveth von einem ehemaligen Patienten Raglans aufgeklärt, der gegen den Therapeuten vor Gericht ziehen will, als er Nolas Ehemann einen unförmigen Auswuchs an seinem Hals
zeigt – ein Verweis Cronenbergs auf die Tatsache, daß niemand, auch kein
Therapeut, wie in Dr. Raglan charakterisiert, erahnen kann, welche negativen
und destruktiven Potentiale, Energien und Emotionen im Unterbewußten der
menschlichen Seele aufgestaut warten, um durch die 'Psychoplasmatherapie'
freigesetzt zu werden. Ebenso erscheint die Anmaßung Dr. Raglans, dem unkontrolliert wuchernden Fleisch, den externalisierten Psychosen seiner Patienten Herr zu werden, als illusorisch. Der Fehlschlag der 'Psychoplasmatherapie'
wird symbolisch durch den Tod Dr. Raglans, der durch die 'Brut' umkommt, von
Cronenberg vergegenständlicht.
Entfesselung des Unterbewußten
In seinem Film The Brood projiziert David Cronenberg das Unterbewußte von
Nola Carveth in Materie und manifestiert Depression, Frustration oder Aggression in physische Erscheinungsformen. Er weist durch das Konzept der 'Psychoplasma'-Behandlung der immateriellen Existenzebene der menschlichen
Psyche Attribute wie Vernunft oder Verstand zu. Konträr dazu erscheint der
Körper mit seinen 'Ausgeburten' als Sinnbild des Unterbewußten, als Repräsentant lange unterdrückter, nun aber ungezügelter, entfesselter Emotionen. Somit
muten die Deformationen der Patienten Raglans als fleischliche Manifestation
dieser unterdrückten Emotionen an, analog zu dem in mehreren Szenen auftauchenden Buch Dr. Raglans zum Thema 'Psychoplasma'-Therapie: "The
Shape of Rage" – Die Gestalt (oder Form) der Wut (der Raserei). Der psychosomatische Charakter der Externalisierung unterdrückter Aggressionen in der
sogenannten 'Brut' stellt einen der vielen Verweise Cronenbergs auf die klassische Psychoanalyse nach Sigmund Freud in The Brood dar, die sich unter anderem auch mit physischen Krankheitserscheinungen auf seelischer Ebene
auseinandersetzt.8 Die Thematik des mentalen Chaos als Antrieb physischer
Mutationen und Transformationen impliziert auch Cronenbergs Videodrome.
Der Körper Max Renns bildet die physische Projektionsfläche seines durch Visionen verworrenen Geistes.
Im Fall von Nola Carveth läßt das Unterbewußtsein 'Kreaturen ihres Zorns' in
ihrer externen Gebärmutter heranreifen, die sich gegen Personen richten, auf
117
die sich Nolas Wut konzentriert: auf ihre Mutter, die sie als Kind mißhandelt hat,
auf ihren Vater, auf die Lehrerin ihrer Tochter, auf die sich ihre Eifersucht
konzentriert, und auf ihren entfremdeten Ehemann Frank. Diese 'Brut' besteht
aus fast formlosen Geschöpfen ohne ausgeprägte individuelle Merkmale, in der
Größe von etwa fünfjährigen Kindern. Als uniforme und in Kapuzenmäntel
einheitlich gekleidete, unheimliche Karikaturen von Nolas Tochter Candice
(Cindy Hinds) wird die 'Brut' ohne Geschlechtsorgane geboren, ohne
Bauchnabel (ein Faktum, welches schon auf die unnatürliche 'Geburt' der 'Brut'
hinweist) und mit andersartigen Sinnesorganen ausgestattet. Versehen mit
einer angeborenen Nahrungsquelle, einem kleinen Hautlappen zwischen den
Schulterblättern, der als Nahrungsreservoir dient, erweist sich die 'Brut'
genauso kurzlebig, wie einer von Nolas aufkeimenden und wieder abklingenden
Wutausbrüchen, die sie in Dr. Raglans Therapie überfallen.
Die 'Brut' stellt die Inkarnation Nolas eigener, unterdrückter, aggressiver Triebe dar, ihres Hasses auf Frank, ihrer durch gesellschaftliche Normen verdrängten Bereitschaft zur Gewaltanwendung – ihre 'Kinder des Zorns' als Manifestation des Freudschen, unterbewußten 'Es' oder 'Id', des unterbewußten Bereichs
der Psyche, der die verdrängten Gelüste und Instinkte des Menschen, sein animalisches Selbst beherrscht. "Id als kleiner Bestandteil des Idioplasmas, des
Keimplasmas, und in der psychoanalytischen Theorie Freuds als Es die Triebnatur des Menschen, die keine Wertungen und Moralvorstellungen kennt, kein
Gut und Böse."9
Die Dreierkonstellation Frank Carveth, Nola Carveth und Dr. Hal Raglan bildet Cronenbergs Interpretation des Freudschen Konzepts des menschlichen
Geistes, die Zusammensetzung der Psyche aus den drei Elementen des 'Ich',
des 'Es' und des 'Über-Ich'.
Frank Carveth ist das 'Ich', alle herkömmlichen Gedanken, Funktionen und
Abläufe personifizierend, die benötigt werden, um das alltägliche, normative
Verhalten einer Person zu steuern. Somit erfüllt dieser Charakter die Funktion
des rationalen, ausgeglichenen, aber auch der Gesellschaft angepaßten Elements der Dreierkonstellation. Er wird als Sympathieträger präsentiert und wirkt
ruhig und ausgeglichen: ein liebevoller, seine Tochter momentan alleinerziehender Vater. Frank Carveth in seiner Funktion des rationalen 'Ich', scheint
streng isoliert vom 'Es' (Nola Carveth) und dem 'Über-Ich' (Dr. Hal Raglan). In
The Brood wird Frank der Zugang zu seiner sich im 'Somafree-Institute' befindenden Frau von Dr. Raglan (dem 'Über-Ich') verwehrt, wodurch das 'Ich' frei
von allen verstörenden Einflüssen durch das 'Es' ein effizientes und sozial akzeptiertes Verhalten (das des alleinerziehenden Vaters) präsentiert.
Franks Ehefrau Nola hingegen verkörpert die unterbewußten und verdrängten Seiten der menschlichen Seele, des 'Es' oder des 'Id': aggressiv ihren animalischen Instinkten folgend, gebiert sie die 'Brut' des Zorns, die Manifestation
ihrer Gewaltbereitschaft, mit deren Hilfe sie tötet und zerstört.
118
"Look at all this traffic. I'm not sure I can deal with it" – James Ballard (James Spader)
und Dr. Helen Remington (Holly Hunter) in Crash
© Kinowelt
119
Die Fusion zwischen Mensch und Maschine ist bereits vollzogen – Gabrielle (Rosanna
Arquette) in Crash
© Kinowelt
120
Das 'Über-Ich', Dr. Hal Raglan, das Gewissen dieses triadischen Systems,
setzt sich mit der animalischen Seite (Nola) dieser Figurenkonstellation
auseinander. Er versucht, diese negative, aggressive Komponente zu isolieren,
indem er dem 'Ich', Frank, verweigert, Nola im 'Somafree-Institute' zu besuchen,
um das 'Es' unter Kontrolle zu halten, indem er seine 'psychoplasmatische'
Therapie an Nola fortsetzt. Raglan, als Repräsentant des 'Über-Ich', des
Bewußten in dieser Konstellation, erfüllt seine ihm zugewiesene Funktion
entsprechend den Theorien der klassischen Psychoanalyse. Er ist Abbild der
Werte, Ideale und Verbote, die die Richtlinien für das 'Ich' festlegen.
Cronenberg zeigt in seinem Film mit der Konstellation Frank-Nola-Raglan
nicht nur alle drei Komponenten der menschlichen Psyche gemäß der klassischen Psychoanalyse auf, sondern verwendet ebenfalls ein klassisches Motiv,
welches Nolas Neurosen als nicht bewältigte Kindheitserlebnisse und eventuelle Mißhandlungen durch ihre Mutter offenlegt.
Ausbruch des animalischen 'Es'
Doch selbst wenn bevorzugt die Wirkung des Geistes auf Materie in den Filmen
Cronenbergs, wie an den Beispielen The Brood und Scanners besprochen,
aufgezeigt wird, darf der mentale Aspekt der 'body and mind'-Thematik nicht
vernachlässigt werden, obwohl der Regisseur zum Beispiel in The Fly den Aspekt der physischen Transformation oder Mutation in den Vordergrund stellt.
Durch den immensen Aufwand an maskenbildnerischen Spezialeffekten offenbart sich die Verwandlung Seth Brundles in ein Fliegenwesen vordergründig
auf einer visuellen Ebene. Jedoch unterwirft sich nicht nur der Körper Brundles
dem 'zellularen Chaos', entstanden durch die Verschmelzung von menschlichen
und animalischen Genen, sondern auch der Geist und die Verhaltensweisen
erleben eine Umformung. Die Revolution im Fleisch kann in der Cronenbergschen Dualität von Wechselwirkungen, der bewußten oder unbewußten Interaktion zwischen Körper und Geist, die Psyche des Protagonisten nicht unverändert (oder auch unbeschadet) zurücklassen. David Cronenberg zeichnet Brundle als absolut geistesfixiert, als 'kopflastigen' Wissenschaftler, als 'verschrobenes Genie', das kaum am gesellschaftlichen Leben partizipiert und Schwierigkeiten in der Kontaktaufnahme zu anderen Menschen hat. Er besitzt mehrere
identische Kleidungskombinationen, um nicht darüber nachdenken zu müssen,
was er anzuziehen habe. Mit dieser Handlungsweise verleugnet Brundle den
Aspekt der eigenen Attraktivität. Sein Körperbewußtsein wird durch Uniformität
wegrationalisiert und in letzter Konsequenz damit auch seine Sexualität. Der
eigene Körper stellt für Brundle nur ein sekundäres Element seiner Existenz
dar, die substanzielle Komponente wird verleugnet, der Leib ist nur eine fleischliche Hülle für den brillanten Geist – Materie, die dazu auch noch fehlerhaft erscheint, da Seth Brundle nach eigener Aussage unter Reisekrankheit leidet. Er
nennt dies seine 'Fahrkrankheit', und beteuert, er hasse Fahrzeuge, was die
121
Erfindung eines Teleporters zur Überwindung der physischen Makel plausibel
macht.
Als Seth Brundle jedoch im ersten Selbstversuch einer Teleportation
menschlichen Gewebes auf genetisch-molekularer Ebene mit einer Stubenfliege fusioniert, verändern sich seine Verhaltensweisen bereits, lange bevor die
ersten Anzeichen seiner physischen Transformation sichtbar werden. Brundle
zeigt nach der Teleportation eine Fixierung auf seinen Körper in allen Handlungsweisen: er verfügt plötzlich über übermenschliche Stärke und Kondition
sowie eine neu entdeckte und ungezügelte sexuelle Aggressivität und Potenz.
Um das immense Potential an Energie, das sein Körper verbraucht, wieder zurückzuführen, nimmt Seth Brundle, in dem Bewußtsein, was sein 'neuer', teleportierter Körper in der Lage ist zu leisten, viel zuckerhaltige Nahrungsmittel in
Form von Schokolade, übermäßig gezuckertem Kaffee, Eiscreme und Gebäck
zu sich. Als letztes Indiz für die beginnende Transformation legt Brundle seine
gewohnte Kleidung ab und stellt sein aggressives Körperbewußtsein mit einer
über den bloßen Oberkörper geworfenen Jacke betont zur Schau.
Emotionale Reizbarkeit, physische Kraft und Stärke, Sexualität – dies sind
die Indikatoren für das Erwachen seiner neuen animalischen Gene, des (wie
schon in The Brood beschriebenen) 'Es'. "Insekten haben kein Mitgefühl. […]
Das Insekt ist wach" beschreibt Brundle, dessen Transformation soweit fortgeschritten ist, daß er kaum noch unter dem wuchernden Chaos seines 'neuen
Fleisches' zu erkennen ist, das nun dominante, gewalttätige 'Es', welches den
Kampf über den absterbenden Rest Menschlichkeit, der einmal der Wissenschaftler Seth Brundle, als Repräsentant des rationalen 'Ich' gewesen war,
längst für sich entschieden hat.10 Das Erwachen des aggressiven, gewalttätigen
'Es' in der menschlichen Seele, das letzten Endes über das 'Ich' dominiert, tritt
in der Cronenbergschen Auseinandersetzung mit der Dichotomie von Körper
und Geist den Beweis an, daß eine physische Transformation zwangsläufig
auch psychische Mutationen zur Folge haben muß.
Das Aufbegehren des animalischen 'Es' über das rationale, normative 'Ich'
wird jedoch nicht nur durch Seth Brundle in The Fly belegt: Ebenso weisen die
körperliche Aufnahme der parasitären Lebensform in Shivers und die an einen
klassischen Vampir erinnernden sexuellen Annäherungen von Rose (Rabid) an
ihre Opfer, nachdem ihr Organismus das neue Organ (den phallusartigen Stachel in der Achselhöhle) gebildet hat das Aufkeimen einer aggressiven Sexualität auf.
"Sprichwörtlich kehrt Cronenberg das Innerste nach außen: der
umgestülpte Pavian, die Made aus Veronicas Gebärmutter, die Bildung
der 'inneren Fliege', die aus Brundle herausbricht."11
In Cronenbergs 'body and mind'-Problematik erscheinen menschliche Körper
nicht nur als Projektionsfläche, als formbares Spiegelbild der Psyche, sondern
122
auch als Gebärmutter, als Brutstätte des 'Id', des aggressiven Unterbewußten,
des Fremden, des Andersartigen.12
In The Brood bringt Nola Carveths derangierte Psyche eine zweite externe
Gebärmutter hervor, einen fleischigen Sack, der in Höhe ihres Bauchnabels aus
dem Körper herauswächst, in dem sich die 'Kopfgeburten' manifestieren, die
aggressiven, im unterbewußten Auftrag des allmächtigen 'Es' Nola handelnden
Kreaturen der 'Brut'. Dominiert erst einmal das im menschlichen Körper
herangewachsene 'Es', bringt dieses wie in The Fly neue Wesen hervor, die
ehemalige Hülle der vorherigen Existenz abstoßend. Der Körper Brundles
verformt sich in unzähligen Auswüchsen und Geschwüren und überflüssig
gewordene Gliedmaßen und Körperteile werden abgestoßen. Die wahre
Transformation jedoch, das neu entstehende Fliegenwesen, wächst unter
dieser verzerrten Oberfläche heran, um dann in der finalen Transformation das
alte Gewebe zu durchbrechen (1:24).
Die Interpretation des menschlichen Körpers als Gebärmutter, als Wiege
neuen Lebens oder einer neuen Lebensform, welche die alte Hülle, den Körper
des Wirtes und damit das ehemalige, menschliche Selbst abstreift, ist weder als
positives Erlebnis zu deuten, noch wird der Rezipient Zeuge der Geburt einer
höheren, rationaleren Lebensform. Das neue Leben manifestiert die animalischen Triebe des Menschen, seine Aggressionen, seine potentielle Bereitschaft
zur Gewalt. Die Kopfgeburten der Cronenbergschen Protagonisten erscheinen
dem Zuschauer als Kreaturen aus dem Unterbewußtsein der menschlichen
Psyche, als 'Monster aus dem Id'.
Externalisierung und Projektion
Neben unmenschlichen Lebensräumen und der Isolation durch die Erschaffung
eines Mikrokosmos, konzipiert Cronenberg in Filmen wie Videodrome, The Fly
oder Dead Ringers Räume als Spiegel der menschlichen Seele, als Reflexion
auf die tobende Anarchie im 'neuen Fleisch', den Körpern seiner Protagonisten
Max Renn und Seth Brundle. Dieses Konzept der Veräußerlichung, des 'Herauskehren' des Inneren nach außen, auf Körper oder Räume projiziert, findet
sich besonders in Videodrome und Dead Ringers fast identisch inszeniert.
Gegen Ende des Films Videodrome zieht sich Max Renn auf seiner Flucht
vor der aggressiven Umwelt seiner paranoiden Weltverschwörungstheorien in
den Bauch eines in einer Werft brachliegenden Schiffes zurück. Das Gelände
der Werft erinnert an einen Schrottplatz. Das Schiff, eine schützende Hülle vor
der feindseligen Außenwelt, offenbart sein Inneres als Metapher für Max'
Rückzug in den Geisteszustand seiner 'Videodrome'-Realität. Max befindet sich
in einer im Verfall begriffenen Räumlichkeit (in ihrem rostigem Rot der
Folterkammer 'Videodromes' entlehnt). Schrott und verrottende Gegenstände
liegen verstreut herum, die für Max jedoch nur noch Bruchstücke einer
vergangenen Realität sind. Das Chaos und die Zersetzung des Schiffskörpers
reflektieren das Chaos, die Verwirrung des Protagonisten und erscheinen als
123
Vorboten seiner kommenden Auflösung. Auf einem Fernseher erscheint das
Gesicht Nicki Brands, die Max offenbart, daß er 'Videodrome' nur von einer
höheren Bewußtseinsebene, dem 'neuen Fleisch' aus, bekämpfen kann. Um
das 'neue Fleisch' zu werden, muß das 'alte Fleisch' erst zerstört werden. Nicki,
das Symbol eines fatalen Auswegs, zeigt den Weg via Bildschirm auf: Max
begeht diesen Weg und erschießt sich.
Eine analoge Situation zeichnet Cronenberg in Dead Ringers mit Hilfe der
kontrastierenden Pole der Ordnung und des Chaos auf: In ihrem Urzustand der
Normalität weist die Räumlichkeit, die Kombination zwischen Praxis und Apartment, die die Mantle-Brüder bewohnen, eine sterile Kälte auf. Kahle Wände,
Designermöbel, Glas und Chrom dominieren das Bild. Alles erscheint penibel
sauber, gar keimfrei – Eindrücke, die von Cronenberg vorzugsweise in kalten
Blautönen in Szene gesetzt werden. Jedoch wird die Ordnung des Raums in ein
Chaos von Müll und Schmutz transformiert, ausgelöst durch den desolaten Zustand von Elliot und Beverly Mantle aufgrund einer Medikamentensucht. Das
Vorzimmer der Ärzte ist mit Abfällen übersät. Im Badezimmer läuft unbeaufsichtigt Wasser in das Waschbecken, der Boden ist ebenfalls von leeren Fast-FoodKartons, leeren Flaschen, unachtsam fortgeworfener Kleidung und diversen Abfällen vollständig überzogen. Beverly findet seinen Zwillingsbruder Elliot bekleidet, unter dem Wasserstrahl in der Duschkabine kauernd. Um die Theorie des
'Chaos im Geiste – Chaos im Raum' zu bekräftigen, tötet Beverly nur wenige
Szenen später Elliot bei einer im Wahn ausgeführten Operation mit bizarren
chirurgischen Instrumenten, bei der er versucht, seinen Bruder, einem siamesischen Zwilling gleich, von sich zu 'trennen' und dadurch die mentale Verbindung physisch zu unterbrechen.
In The Fly variiert Cronenberg den 'Raum als Zerrbild der Psyche' als Spiegelbild des im Körper des Protagonisten wütenden zellulären Chaos, das Seth
Brundle in den unkontrollierbaren Wucherungen, Auswüchsen und Geschwüren
zu einem Fliegenwesen mutieren läßt.
Im weiteren Verlauf der Metamorphose Brundles gestaltet sich seine unmittelbare Umgebung, seine eigentümliche Kombination aus Labor und Wohnung,
eingerichtet in der oberen Etage einer leerstehenden Fabrikhalle, in ein Chaos
aus unachtsam auf den Boden geworfenen Abfällen. Die wie metallene Wracks
im Raum stehenden Teleportationskabinen suggerieren das Bild eines Schrottplatzes. Nichts scheint mehr auch nur den Anschein einer Ordnung zu besitzen.
Das Chaos, das auf molekularer Ebene in Brundles Fleisch wütet, manifestiert
sich in seiner Umwelt in der Form der Unordnung, des Zerfalls.
Alle diese Beispiele des von Innen auf einen konkreten, greifbaren Raum
projizierten Chaos führen ohne Hoffnung auf Erlösung in den selbstgewählten
oder erzwungenen Tod der Protagonisten. Das Chaos der menschlichen Psyche ist vollkommen. Das Erreichen einer dem 'Urzustand' entsprechenden Ordnung erscheint unmöglich – Aufgabe, Zerfall und Tod bilden die letzte Konsequenz dieser psychischen und räumlichen Konfusion.
124
Die konsequente Weiterführung dieser Thematik, die Veräußerlichung eines
inneren, psychischen Zustands als Projektion verschiedener ungeordneter
Geisteszustände auf den menschlichen Körper, zeigt Cronenberg in der Dichotomie von Körper und Geist, dem Wechselspiel von Fleisch und Seele.
Geist siegt über Materie
In Scanners wird die Thematik des unbewußten Einwirkens der Psyche auf die
menschliche Physis variiert: Der Geist besitzt die Fähigkeit, bewußt und mit Absicht auf das menschliche Fleisch einzuwirken, es mentalen Kräften auszusetzen, es zu lenken, zu formen, zu zerstören: Der Geist siegt über die schwache,
widerstandslose Materie des physischen Körpers, läßt Köpfe anderer 'Scanner'
explodieren, schleudert die Leiber potentieller Widersacher achtlos zur Seite
oder läßt im spektakulären 'showdown' Menschen in Flammen aufgehen. Die
Fähigkeit des 'Scannens' basiert auf mindestens zwei dem Okkulten oder Paranormalen zugesprochenen Phänomenen: der Telepathie und der Telekinese:
• Der Begriff der Telepathie13 beschreibt die Erfassung und Beeinflussung der
Bewußtseinsinhalte anderer Menschen ohne Hilfe der Sinne – also die Fähigkeit, die Gedanken anderer Menschen mit dem eigenen Geist zu erfassen
und ihnen eigene Gedanken, Eindrücke oder gar Befehle zu suggerieren.
• Die Telekinese14, die "Fernbewegung", umschreibt nicht erklärbare Einwirkungen auf entfernte Gegenstände. Im Kontext von Horror- und Sciencefiction-Filmen (beziehungsweise entsprechender Literatur) basiert das Verständnis der Telekinese auf der Fähigkeit von Menschen, Gegenstände mit
Hilfe ihres Geistes zu bewegen oder zu verändern.
"For Cronenberg the mind / body dichotomy is, so to speak, a two way
street: when the confident head tries to manipulate the gut, it not only
fails but also provokes the gut to rise up and have its way with the head –
often literally."15
Das 'Scannen' ist eine mentale Kraft, ein Potential psychischer, steuerbarer
Energie, womit wie bei einer körperlichen Anstrengung Kraft verbraucht wird
und mentale Ressourcen aufgezehrt werden. Dieses übermenschliche psychische Potential fordert auch seinen körperlichen Tribut. Der 'Scanner' Cameron
Vale wirkt, wie Dr. Paul Ruth kommentiert, körperlich verbraucht.
Um einen unmittelbaren Vergleich zu The Brood erzielen, läßt sich anführen,
daß es sich bei den 'Scannern' wie auch bei den Patienten der
'Psychoplasmatherapie' Dr. Raglans um Menschen mit der Fähigkeit handelt,
Geist auf Materie zu projizieren und zu verändern. Jedoch werden 'Scanner'
durch ihre Fähigkeit charakterisiert, ihre mentale Begabung bei entsprechender
Schulung bewußt und kontrolliert zu gebrauchen, wohingegen die Patienten der
'Psychoplasmatherapie' diese Fähigkeit un- oder unterbewußt anwenden und
die Therapie krebsartige Auswüchse hervorruft. Es ist nun nicht mehr das
Unterbewußte, das Einfluß auf die Physis anderer Menschen ausübt. 'Scannen'
125
ist eine Kraft, die aus dem Bewußtsein des mit dieser Fähigkeit ausgestatteten
Individuums hervorbricht und sich nicht auf das eigene Ich konzentriert oder
projiziert, sondern nur auf Körper und Geist anderer Personen.
War noch in The Brood der Geist als 'Sender' einer unbewußten Energie an
ein einzelnes Individuum, den 'Empfänger', gebunden, der diese mentale Fähigkeit nur auf sich selbst zu konzentrieren wußte, so haben sich jetzt 'Sender'
und 'Empfänger' dieser psychischen Energie in verschiedene Körper (oder Individuen) aufgespalten. Der 'Scanner' fungiert als Sender, andere Personen beziehungsweise weitere 'Scanner' agieren in der Funktion der Empfänger.
Somit ist in Scanners der Einfluß des Geistes auf die Formung,
beziehungsweise Veränderung des eigenen Körpers im Vergleich zu The Brood
nicht mehr gegeben. Die mentalen Fähigkeiten besitzen nur Auswirkungen auf
andere Menschen, deren Körper (Telekinese) oder Geist (Hypnose,
Suggestion) von einem 'Scanner' beeinflußt werden können. Der alleinige
Nebeneffekt des 'Scannens' beschränkt sich auf die physische Entkräftung des
betreffenden 'Scanners' – ein Motiv, das Cronenberg in The Dead Zone in der
Figur des Johnny Smith (Christopher Walken) weiterführen wird, der ebenfalls
durch seine Visionen körperlichem Verfall ausgesetzt ist16: Je häufiger die
Visionen den durch sein fünfjähriges Koma bereits extrem geschwächten
Protagonisten ereilen, desto physisch gebrechlicher wirkt er. Es scheint, als
altere er rapide unter seinen Visionen, als entziehe die besondere psychische
Gabe dem Körper Substanz.17
Neben körperlichen Zerfallserscheinungen ist die Fähigkeit des 'Scannens'
für das befähigte Individuum keine Erfüllung naiver Allmachtsträume. Resultierend aus dem Irrglauben an die geistige Überlegenheit gegenüber den des
'Scannens' nicht befähigten Menschen, fordert diese Gabe einen Tribut von ihrem Anwender, der sich auf die Psyche des betroffenen 'Scanners' in Form von
Wahnsinn oder Geistesstörungen auswirkt.
Unkontrolliert strömen die Gedanken anderer Menschen in das Bewußtsein
des 'Scanners' und überfluten ihn mit einer homogenen Masse ineinander
verschwimmender Stimmen, einer nicht entwirrbaren Geräuschkulisse, aus der
individuelle Stimmen kaum herauszufiltern sind. In diesem Stimmengewirr in
der Psyche eines 'Scanners' bleibt kaum Platz für die eigene Individualität.
Somit werden diese mental begabten Personen zu sozialen Außenseitern. Sie
ziehen sich zurück und versuchen den formlosen 'Stimmen' der anderen zu
entfliehen.18
Die 'innere Stimme' des 'Scanners' geht im mentalen Lärm unter, nur die Injektion der Droge 'Ephemerol' bringt Ruhe in das mentale Chaos, die Stimmen
schwinden zu einem dumpfen Gemurmel bis schließlich, bis auf die eigene
Stimme, Stille herrscht.
Der 'Scanner' Cameron Vale fühlt sich von den substanz- und lippenlosen
Stimmen der ihn umgebenden Menschen erdrückt. Als er in ein Hotel eincheckt,
muß er feststellen, daß die 'Stimmen' der anderen Hotelgäste ununterbrochen
126
auf ihn einwirken. Ruhe und damit auch Schlaf kann nur durch die abendliche
Injektion von 'Ephemerol' gewährleistet werden.19
Cronenberg inszeniert den auf visueller Ebene zu veranschaulichenden Vorgang des 'Scannens' mit Hilfe von akustischen Effekten: Das 'Scannen' beginnt
mit einem sirrenden Ton, der sich je nach Intensität des 'Scans' in seiner Tonhöhe steigert. Unterlegt wird dieser Ton mit einer verzerrten, dumpfen und verlangsamten akustischen Fusion der Geräusche des Atmens und des Herzschlags – allesamt organisch wirkende Geräusche.
"scanners berühren, ohne zu be/greifen. der vorgang nimmt zunächst auf
der tonspur gestalt an, von wo klänge in das bild geschwemmt werden.
es sind elektronische, gläserne klänge, gleichzeitig dumpfe, aus dem
innen des körpers, atmungs- und herzgeräusche, die an das pressen und
pumpen von luft oder flüssigkeit denken lassen, und dann wird blut
sichtbar, wir sehen einen menschen, der aus der nase blutet. scanners
berühren in/mit gedanken. diese berührungen haben etwas
gewaltsames. die gehirne anderer werden in dienst genommen, um
körper zu löschen. [sic!]"20
Transformationen
Tod
– Krankheit, Zerfall und
"Ich habe oft gedacht, es sollte auch für das Körperinnere
Schönheitswettbewerbe geben. Na ja, die beste Milz, die perfektesten
Nieren... Wieso haben wir keine Maßstäbe für die Schönheit des inneren
menschlichen Körpers? Innen und Außen."
Elliot Mantle in Dead Ringers
Filme der Konfrontation
Filmische Texte des klassischen und auch modernen Horrorgenres lassen sich,
neben anderen Interpretationsansätzen, besonders im Kontext der 'Filme der
Konfrontation' lesen und analysieren – Konfrontationen mit den ureigensten
menschlichen Ängsten: der Angst vor dem Alter, den damit einhergehenden
Krankheiten, dem folgenden körperlichen Zerfall und Tod. Im Gegensatz zu
dem gesellschaftlichen Phänomen, Krankheiten und im besonderen Maße den
Tod zu tabuisieren, thematisieren sowohl filmische als auch literarische Texte
des Horrorgenres gerade diese Materie. Sie bereiten sie auf und stellen sie dar.
Jedoch hat sich selten ein Regisseur thematisch und visuell so intensiv der
'Krankheit der Sterblichkeit' angenommen und diese Urängste in derart visuell
provokativen Bildern aufgearbeitet wie David Cronenberg.
"Als Gegenstand des Horrors eignet sich Krankheit deswegen, weil sie
die mittelbare Betroffenheit und daraus folgende Angst des Rezipienten
127
aus dem Begriffsfeld des Ekels verbindet; Krankheit äußert sich als
Verfall des Körpers, als Absterben des Details bei fortgesetztem Leben
des ganzen. Sie ist verbunden mit dem Austritt von Körperflüssigkeiten
wie Blut und Schleim, sie läßt Teile in besonderer Weise ins Bewußtsein
treten und dadurch fremdartig werden."21
Cronenberg thematisiert Geburt, Krankheit, Verfall des menschlichen Körpers, die Angst, keine Kontrolle mehr über seinen eigenen physischen Körper
zu besitzen, die Angst vor "Mutation, Transformation, Verselbständigung des
Körpers vom Geist", die einer "Revolution, der Loslösung einer Kolonie vom
Mutterland"22 gleicht, die Angst vor dem Tod und somit vor menschlicher Sterblichkeit und Endlichkeit. Diese Aspekte inszeniert der Regisseur in grotesken
und extremen Zerrbildern menschlicher Biologie: Die sich im Körper des Menschen bewegenden Parasiten in Shivers, der bläulich schimmernde Exo-Uterus
in The Brood, die vaginale Bauchöffnung und die bio-mechanischen Verschmelzungen in Videodrome, der sich langsam in ein bizarres Insekt verwandelnde Wissenschaftler Seth Brundle in The Fly oder die in einer Traumsequenz durch eine pulsierende Nabelschnur verbundenen Mantle-Zwillinge in
Dead Ringers. Realisiert werden diese krassen Verzerrungen der Anatomie
durch maskenbildnerische Effekte, die die Dramatik des filmischen Textes unterstreichen.
Spezialeffekte werden in Cronenbergs Filmen stets naturalistisch in Szene
gesetzt. Nichts wird in der Darstellung beschönigt und nur in den seltensten
Fällen wendet sich die Kamera von dem horrenden oder blutigen Geschehen
ab. Es scheint, als wolle der Regisseur die Mutations- oder Zerfallsmomente
eher dokumentieren als inszenieren23 – eine Tatsache, mit der Cronenberg
nach seinen ersten vier Kinofilmen zu dem zweifelhaften Ruhm gelang, als
'Baron of Blood' tituliert zu werden. Mit diesem Sujet der Cronenbergschen
'Ästhetik des Fleisches' und der Thematisierung und Darstellung des
tabuisierten 'Nicht-Schönen', des Intérieurs des menschlichen Körpers oder des
langsamen Siechtums, stellt sich die Frage nach der Reaktion des Betrachters
dieser krassen und oftmals auch schockierenden Bilder. Wie bereits in den
angesprochenen Rezensionen der Filme Cronenbergs24, scheinen auch dessen
potente Visualisierungen der Urängste kaum eine moderate Stellungnahme
zuzulassen. Jedoch scheint die Unterstellung, Cronenbergs Filme bezögen ihre
Existenzberechtigung aus dem Zweck "to 'disgust the mind and repel the
senses'"25 (den Geist anzuekeln und die Sinne anzuwidern), d.h., im Zuschauer
vorsätzlich Gefühle der Abneigung und des Ekels hervorzurufen, angesichts der
sich hinter dieser Inszenierung von Spezialeffekten verbergenden Diskussion
über die Sterblichkeit des Menschen nicht gerechtfertigt. Eher beabsichtigt
David Cronenberg, den Betrachter aufzufordern, sein ästhetisches Sehen und
Empfinden zu überdenken, zu verwerfen, auszudehnen oder gar neu zu
schaffen, um ein Bewußtsein für die Schönheit des Inneren und der Anatomie
zu entwickeln, eine neuartige Lesart des Gesehenen anzunehmen, die dazu
128
befähigt ist, die bizarren Bilderwelten adäquat zu interpretieren, wie es Elliot
Mantle in dem einführenden Zitat aus Dead Ringers fordert.
"Was nun Ästhetik anbelangt, versuche ich in meinen Filmen – das
funktioniert für mich aber nicht unbedingt für andere… Ich versuche, die
Ästhetik der Zuschauer zu verändern. In den 90 Minuten, oder wie lang
der Film auch ist, möchte ich, daß die Leute zuerst mit ihrem normalen
Abscheu den Film sehen und am Ende des Films eine Schönheit oder
die Möglichkeit von Schönheit in Dingen entdecken, die sie zu Beginn für
ekelhaft hielten. Das ist gewissermaßen mein Vorhaben, ein ästhetisches
Vorhaben."26
Geburt
In der Abhandlung der Aspekte der endlichen, physischen Existenz des
menschlichen Körpers setzt The Brood mit einer verzerrten Visualisierung des
Beginns des Lebens ein, mit der abnormen Geburt der 'Brut', der monströsen
'Kinder' der Nola Carveth.
Nola Carveth hat während Dr. Raglans 'Psychoplasmatherapie', neben
unzähligen kleineren, höckerartigen Auswüchsen an Oberkörper und Beinen,
einen abstoßend anzuschauenden, bläulichen, mit Adern durchzogenen ExoUterus entwickelt, der schwer auf ihren Knien liegt und durch eine bleiche
Nabelschnur mit ihrem Bauch verwachsen ist. Als der Zeitpunkt der 'Geburt'
einer der unmenschlichen Kreaturen ihrer 'Brut' gekommen erscheint, zerbeißt
Nola vorsichtig mit ihren Zähnen die äußere Hülle der externen Gebärmutter.
Vorsichtig reißt sie die Hülle mit ihren Händen weiter auf, schwarz-rötliches
'Fruchtwasser' tropft zähflüssig zu Boden. Der Hülle entnimmt Nola eine kleine,
deformierte Kreatur, einer Frühgeburt ähnelnd. Deutlich sichtbar erscheint das
gelbe, lebenserhaltende Nahrungsreservoir auf den Rücken dieser Karikatur
eines menschlichen Säuglings. Vorsichtig wiegt Nola ihr 'Kind' in den Armen,
die ursprünglichste Ausdrucksweise der Zuneigung einer Mutter, und beginnt
es, wie ein Tier sein Junges, auf animalische Weise von dem blutigen
'Fruchtwasser' sauber zu lecken. Gemäß der ihr von Cronenberg zugedachten
Rolle des Freudschen 'Es' in der Dreierkonstellation Nola, Frank und Raglan
zeigt Nola hier nichts anderes als ihren Mutterinstinkt in seiner reinsten,
ungebändigten Form.
"Samantha Eggars Gebären ihrer Brut ist Beispiel für die
bemerkenswerten Bilder, mit denen Cronenberg dem Grauen Gestalt
verleiht. Diese Geburtsszene kommt überraschend, und sie schockiert
durch ihre Ekelhaftigkeit. Dennoch sieht Cronenberg im Ekel auch die
ästhetische, die faszinierende Seite des Horrors. In Dead Ringers schlägt
einer der Wissenschaftler einen Schönheitswettbewerb von inneren
Organen vor. Die Biologie wird verzerrt und bizarr, doch hat sie immer
noch den naturalistischen Anstrich, ist nicht ins völlig Phantastische
überhöht. Was gezeigt wird, ist das Innere eines weiblichen Körpers, das
129
nach außen verlegt und damit sichtbar gemacht wird. Die Geburt wird
wie ein natürlicher Vorgang inszeniert. Natur kann eklig und schön
zugleich sein, daran erinnert die Szene."27
Cronenberg inszeniert hier den naturgemäßen Ablauf einer Geburt, so, wie
er in The Fly den natürlichen Prozeß des Alterns und des körperlichen Verfalls
aufzeigt. Nur kehrt er in The Brood das Innerste einer werdenden Mutter, das
Kind im Mutterleib samt Gebärmutter, nach außen. Nola, engelsgleich in ein
weißes Gewand gekleidet28, führt ihrem entsetzten Ehemann (und somit auch
dem eventuell entsetzten Zuschauer) die paradoxe Cronenbergsche Ästhetik
vor Augen: Die Geburt der 'Brut' schreckt durch die Unnatürlichkeit des ExoUterus, des deformierten 'Kindes' und des Blutes ab, andererseits schenkt die
überirdisch dargestellte Nola in dieser Szene neues Leben, ein Akt, der normalerweise positive Assoziationen hervorruft. Bei eingehender Betrachtung drängt
sich die Frage auf, ob die Dokumentaraufnahme einer realen, detailliert gezeigten Geburt in manchem Betrachter nicht ähnliche Emotionen hervorrufen würde, wie die Inszenierung dieser filmischen 'Entbindung'.
Das Ergebnis ihrer 'unbefleckten Empfängnis' ist kurzlebig (die Kreaturen der
'Brut' sterben, wenn das 'Nahrungsreservoir' auf ihrem Rücken verbraucht ist)
und kaum menschlich zu nennen. Trotzdem sorgt Nola, einem Urinstinkt folgend, mit aller Hingabe für ihr abnormes Kind. Frank Carveth, der sich dieser
paradoxen Ästhetik verschließt und der 'Niederkunft' seiner Frau eindeutig Abscheu und Ekel entgegenbringt, stößt auf das zornige Unverständnis einer wütenden Mutter. Dies stellt ein weiteres Indiz für die Tatsache dar, daß Cronenberg diesen Vorgang als für seine Protagonistin normal schildert, da Nola die
Art und Weise, in der sie ihre 'Brut' zur Welt bringt, als natürlichen Vorgang zu
empfinden scheint und in keiner Weise die Abscheu ihres Ehemannes nachvollziehen kann, im Gegensatz zu dem eventuell geschockten (oder angewiderten) Zuschauer, der sich zuerst mit den Konzepten der Cronenbergschen 'Ästhetik des Fleisches', der Schönheit der menschlichen Anatomie auseinandersetzen und diese akzeptieren und verstehen lernen muß.
130
Transformationen – Krankheit, Alter und Tod
Obwohl sich Cronenberg nochmals einer 'Geburtsszene' in The Fly annehmen
wird29, scheint der Regisseur mehr daran interessiert, in seinen Filmen das
langsame Siechtum des Menschen, dessen physischen Verfall durch Alter,
Krankheit und schließlich dessen unausweichlichen Tod thematisch aufzuarbeiten, um sich mit der menschlichen Sterblichkeit auseinanderzusetzen.
"The Fly was also critically and financially a success. It deftly located the
centre of Cronenberg's obsession with flesh, disease and transformation,
as Seth Brundle (Goldblum) experiences a physical revolution which
emerges as a metaphor for the ageing process: the tragedy of mortality
accelerated and made more difficult to accumulate aesthetically by his
genetic fusion with an insect."30
In The Fly scheint das Schicksal Seth Brundles nach seiner genetischen
Verschmelzung mit einer gewöhnlichen Stubenfliege als Allegorie auf das Altern
und den krankheitsbedingten Zerfall eines Menschen31 zu sein. Brundles Körper
befindet sich im Zustand einer unkontrollierbaren Mutation, einer Revolution
seiner Körperzellen, die ihn gegen seinen Willen zu einem neuen Lebewesen
umformt.
Bevor die ersten Anzeichen der sich anbahnenden Verwandlung zu erkennen sind, betrachtet und empfindet der Wissenschaftler Seth Brundle den Prozeß der Teleportation als einen physischen, wie auch psychischen Reinigungsprozeß. Dementsprechend beschreibt er seine körperliche Verfassung als
ausgezeichnet und demonstriert die Kondition eines Leistungssportlers.
Der Umwandlungsprozeß setzt fast unmerklich in Form eines Ausschlags im
Gesicht Brundles ein; er wirkt kränklich. Die Mutation beginnt mit geringfügigen
Anzeichen, die bei dem Protagonisten keinen Zweifel an seinem gesundheitlichen Zustand erwecken, nur um sich später in unkontrollierbarer Form wuchernd auszubreiten.
Kurze Zeit später stellt Brundle entsetzt die ersten Anzeichen seiner Verwandlung fest (0:56): Er zieht sich, sozusagen als Sinnbild für das Altern und
die damit verbundenen degenerativen Prozesse im menschlichen Körper, einen
Zahn heraus (im späteren Verlauf seiner Transformation wird er auch seine
restlichen Zähne verlieren). Ebenso entfernt er schmerzlos einen Fingernagel
aus dessen Nagelbett, als sein Gewebe abzusterben beginnt. "Ist das der Anfang? Sterbe Ich?", kommentiert Brundle, schockiert über die Erkenntnis seiner
eigenen Sterblichkeit, das Bewußtsein, daß der langwierige Prozeß des Sterbens eingesetzt hat.
Die Angst des Menschen, die Kontrolle über den durch Krankheit oder Zerfall
revoltierenden Körper zu verlieren, "[…] the idea that you carry the seeds of
your own destruction around with you, always […]"32, beschreibt Cronenberg als
131
beklemmend, angesichts der menschlichen Hilflosigkeit, den Zeitpunkt des
Ausbruchs einer (eventuell letalen und unheilbaren) Erkrankung zu erkennen
und sich dieser zu widersetzen.
Das Motiv der Verwandlung als Analogie zum Verfall eines Menschen durch
eine tödliche Krankheit (oder auch Seuche) wird belegt durch die Assoziationen
und Kommentare Brundles, der seine Metamorphose mit Vokabular und Begriffen von Krankheit, Zerfall und Tod umschreibt:
"Du hattest recht, ich bin verseucht. Und wohlmöglich ist das
ansteckend. Ich will Dich nicht infizieren. Und es geht immer schneller.
Es ist unaufhaltsam. Jeden Tag irgendwelche Veränderungen. […] Es
sieht ganz so aus, als entwickelt sich eine bizarre Form von Krebs. […]
Ein generelles zelluläres Chaos. Eine Revolution. Ich warte auf den
Zersetzungsprozeß. Das wird eine gänzlich neue Erfahrung. Und das ist
dann das Ende. Dann werde ich sterben."33
Brundles physische Erscheinung in dieser oben zitierten Szene erweckt
Assoziationen mit einem älteren, unheilbar erkrankten Menschen34: Brundle
geht gebeugt, unsicher auf zwei Stöcke gestützt, scheint sich kaum noch ohne
Hilfsmittel bewegen zu können, seine Beine zittern. Dieses Bild erweckt weniger
den Eindruck einer Transformation oder Metamorphose in ein andersartiges
Lebewesen, als das Bild eines alten und schwachen Greises. Zwei
Einstellungen später ist Brundles Gesicht in Großaufnahme zu sehen, von
Auswüchsen entstellt, die Haut dunkel verfärbt, die Haare gelichtet, ein
unbeabsichtigtes Kratzen am Ohr führt dazu, das dieses sogleich abfällt, das
nicht von der Metamorphose befallene Gewebe stirbt ab. Im weiteren Verlauf
der Krankheit wird der menschliche Körper fast vollständig von den wuchernden
Geschwüren der Verwandlung bedeckt. Das Gesicht quillt auf und verliert seine
charakteristischen Züge. Wie ein Mann im hohen Alter (oder im letzten Stadium
einer den Organismus zerfressenden Krankheit) besitzt Brundle nur noch
wenige Zähne und Haare, die ihm in darauffolgenden Szenen weiter ausfallen
(1:05). Diese aus- beziehungsweise abfallenden Körperteile erscheinen als
Relikte der verlorenen Menschlichkeit Brundles, die die Figur sammelt, um sie
im Badezimmerschrank, dem "Brundle Museum für Naturgeschichte"
nostalgisch zu verwahren (1:11). Zu diesem Zeitpunkt ist der einstmals
menschliche Körper unter einer Masse unkontrolliert anschwellenden Fleisches,
unter einer Vielzahl an Geschwulsten und Schwellungen verschwunden. Kein
Kleidungsstück ist in der Lage, die unförmige Erscheinung des
Wissenschaftlers in dieser letzten Phase, bevor die 'Brundle-Fliege' aus ihm
hervorbricht, zu bedecken. Der Transformationsprozeß Seth Brundles als
Analogie zum altersbedingten, körperlichen Zerfall des Menschen wird im
folgenden Schaubild zusammengefaßt.
132
Transformationphasen des Seth Brundle als Analogie zum Alterungsprozeß
In Brundles Gesicht entzündet sich ein allergischer Ausschlag.
Das Gesicht wird von Pusteln und warzenartigen Auswüchsen verunstaltet.
Sein Gesicht wirkt angeschwollen und hat eine dunkle Farbe angenommen, Haare fallen aus.
Die 'Krankheit' breitet sich über Brundles ganzen Körper aus. Unter Geschwüren an seinem
Körper bilden sich neue Gliedmaßen.
Der gesamte Körper Brundles erinnert an die unkontrollierte Wucherung eines Geschwürs.
Einzelne Finger verschmelzen miteinander, seine Zähne fallen aus.
Das neue Wesen, die 'Brundle-Fliege', bricht unter der überwucherten, unnütz gewordenen
Hülle hervor. Der alte Körper ist gestorben.
Durch eine fehlgeschlagene, weitere Teleportation verschmilzt die 'Brundle-Fliege' mit Elementen der Teleportationskammer. Es entsteht das 'Brundle-Ding', eine kaum noch lebensfähige
Fusion von Fliegenmensch und Maschine.
"An unrelentingly gory film that explores the 'poetry of the flesh,' The Fly
causes most audiences to scream revulsion as Brundle's fly-body shed
its increasingly useless human appendages (which are kept in a
medicine cabinet, humorously referred to as 'The Brundle Museum of
Natural History'). The orgy of gross effects may be excessive, but
Cronenberg isn't interested in sparing the viewer from the disturbing
realities of the situation – just as the loved one of a terminal patient must
endure the day-to-day horrors of that reality."35
Den visuell vordergründigen Spezialeffekten zum Trotz erscheint The Fly
somit eher als naturalistisch-dokumentarische Darstellung des körperlichen Zerfalls eines Individuums, welches sich außer Stande sieht, diesen unaufhaltsamen Prozeß zu stoppen. Die alleinige Möglichkeit der Auseinandersetzung mit
dieser ausweglosen Situation, mit dieser Cronenbergschen Metapher der
menschlichen Sterblichkeit, besteht für den Protagonisten darin, sich in Sarkasmen zu ergehen, wenn er zum Beispiel vom oben zitiertem "Brundle Museum für Naturgeschichte" spricht. Schwarzer Humor als Reaktion auf die näher
rückende, unabwendbare Verwandlung in die 'Brundle-Fliege', mit der die Existenz des Wissenschaftlers als Mensch beendet sein wird – die Reaktion einer
Person, die ihr unumgängliches Schicksal, den bevorstehenden Tod akzeptiert
hat und den Fortschritt seines eigenen Verfalls wissenschaftlich genau beobachtet, analysiert und mit Neugier die "gänzlich neuen Erfahrung", den Zersetzungsprozeß, beinahe schon herbeisehnt.
"Bei vielen Leiden ist die Aufmerksamkeit des Kranken auf das in seinem
Körper Heranwachsende konzentriert, das gleichermaßen Bestandteil
des Leibes wie dessen tödliche Bedrohung ist. Dies gilt für Geschwulste
und Wucherungen, in besondere Maße aber für Parasiten"36
Analog zu seinen früheren Filmen fordert Cronenberg den Rezipienten in The
Fly mit dem krassen Naturalismus seiner Bilder der Verwandlung Seth Brundles
zum Überdenken seiner ästhetischen Vorstellungen heraus. Er konfrontiert den
133
Zuschauer mit der Unabwendbarkeit des Alterns und des Todes und fordert zur
Akzeptanz dieser Tatsachen: Bietet Cronenberg dem Zuschauer Seth Brundle
noch zu Anfang des Films als Identifikationsfigur an, so verliert der Betrachter
spätestens beim Ausbruch der Krankheit sein positives Interesse ihm.
Der Zuschauer bemerkt spätestens zu dem Zeitpunkt, als der sich bereits
verwandelnde Seth Brundle seine Krankheit als "bizarre Form von Krebs" oder
als "zelluläres Chaos" beschreibt, daß es zu keiner wundersamen Erlösung
kommen wird – "Dann werde ich sterben" kommentiert der Wissenschaftler das
Ende seiner bevorstehenden Verwandlung und damit auch die menschliche
Sterblichkeit. Er verkörpert somit den Typus des tragischen Helden, der sein
Schicksal, den bevorstehenden Tod akzeptiert hat. Findet der Rezipient zu diesen Motiven der Krankheit und des Verfalls Zugang, so lernt er, Seth Brundle
unter diesen Gesichtspunkten als 'leidende Figur' zu akzeptieren und die voranschreitende Verwandlung nicht mit Abscheu, sondern mit Faszination für das
aus dem Menschen heraustretende Unbekannte zu betrachten und Auflösungserscheinungen (ausfallende Zähne, ausgefallene Fingernägel oder abfallende Ohren) nicht mit Ekel, sondern mit Mitleid oder Mitgefühl für diesen tragischen Helden zu kommentieren.
"This is the tragedy of a man who's slipping away from the human race, a
man who's getting alienated on every level. and while his body
deteriorates, his mind provides a running commentary, often hilarious, on
the shock of his estrangement from his body – the same estrangement
an adolescent girl feels when her hormones kick and her menses start.
Or, more excruciatingly, the same estrangement a cancer victim feels
when his own cells begin to attack him"37
Das Motiv der Krankheit scheint in beinahe allen Filmen Cronenbergs in
Form von parasitären Lebewesen, einer Tollwut oder unkontrolliert wucherndernden Fleisch omnipräsent zu sein. Seine ersten Kinofilme, Shivers und Rabid, beinhalten ausgeprägte Assoziationen auf Motivkreise von Geschlechtskrankheiten und Seuchen. Die sexuell stimulierenden Parasiten infizieren den
menschlichen Körper, infiltrieren diesen durch seine Körperöffnungen, pflanzen
sich in ihm fort und werden wie im Fall von Janine Tudor (Susan Petrie) und
ihrer homosexuellen Freundin Betts (Barbara Steele) durch körperlichen Kontakt (während eines Kusses) in einem neuen menschlichen Wirtskörper eingenistet. In Rabid überträgt sich die nach einer kurzen Inkubationszeit ausbrechende, letale Tollwut durch die Übertragung von Körperflüssigkeiten, durch
den Stich des neu entstandenen Organs von Rose oder durch den Biß eines
Tollwütigen und somit durch den Speichel eines Verseuchten.38 Beide Filme
zeigen alle Charakteristika von real existierenden Krankheiten auf, die sich
durch Ansteckung aufgrund von körperlichem oder sexuellem Kontakts und einer bestimmten Zeitspanne der Inkubation bis hin zum Ausbruch definieren.
134
"I've found that I enjoy burying myself in heavy traffic" – James Ballard (James Spader)
und Dr. Helen Remington (Holly Hunter) in Crash
© Kinowelt
"The reshaping of the body by modern technology" – James Ballard (James Spader) in
Crash
© Kinowelt
135
Love in the dying moments of the twentieth century – David Cronenbergs Crash
© Kinowelt
David Cronenbergs am Set von Crash
© Kinowelt
136
"I had a brain tumour. and I had visions. I believe the visions cause the
tumour and not the reverse. I could feel the visions coalesce and become
flesh … uncontrollable flesh"
Professor Brian O'Blivion in Videodrome
In Videodrome formt ein im Fernsehbild codiertes Signal im Gehirn von Max
Renn einen Tumor39, worauf dieser in seinen Halluzinationen real Geschehenes
in Form sich öffnender Körper, hervortretender Geschwüre und Fusionen
menschlichen Fleisches mit mechanischen Gegenständen projiziert. Die
Halluzination,
manifestiert
in
Tumoren,
Traumzuständen
oder
Wahnvorstellungen, verformt in der irrealen Geisteswelt Renns menschliche
Materie: Während einer Präsentation neuer Brillenmodelle von 'Spectacular
Optical' schießt Max Renn auf Barry Convex, einen der Hintermänner der
'Videodrome'-Konspiration (1:16) – drei Schüsse aus der bio-mechanischen
Pistolenhand treffen in die Bauchgegend, ein vierter direkt in den Kopf. Als Max
flieht, wird der Körper des am Boden liegenden Antagonisten Convex von
spastischen Zuckungen aufgebäumt – es scheint, als versuche etwas sich
durch die Schußwunden am Bauch des Sterbenden einen Weg nach außen zu
bahnen. Schließlich platzt die Bauchdecke und weißlich-blasse Geschwüre
ebnen sich in widernatürlichem Eigenleben einen Ausweg aus der zerstörten
menschlichen Hülle. Ein weiterer 'lebendiger Tumor' bricht aus der Stirnwunde
hervor und spaltet den Schädel buchstäblich in zwei.
Diese Szene (und der damit verbundene Einsatz naturalistischer Spezialeffekte) symbolisiert ebenfalls die menschliche Urangst über eine unkontrolliert
wuchernde und sich ausbreitende Krankheit, die die physischen Grenzen des
Körpers zu sprengen droht. Eine Revolution der Körperzellen, die, zwangsläufig
im Tod endend, vom erkrankten Individuum nur in ohnmächtiger Hilflosigkeit
beobachtet oder, wie im Falle des Wissenschaftlers Seth Brundles in The Fly,
sarkastisch kommentiert werden kann.
"I don't think that the flesh is necessarily treacherous, evil, bad. It is
cantankerous, and it is independent. The idea of independence is the
key. It is like colonialism. The colonies suddenly decide that they can and
should exist with their own personality and should detach from the control
of the mother country. […] I think to myself: 'That's what it is: the
independence of the body, relative to the mind, and the difficulty of the
mind accepting what the revolution might entail"40
Selbst wenn die Themen Erkrankung, Mutation und Zerfall in Filmen wie
Scanners, The Dead Zone oder Dead Ringers nicht dominant vorherrschen, so
erscheinen sie jedoch immer präsent. Die Protagonisten dieser Filme leiden,
bedingt durch die Anwendung ihrer besonderen mentalen Fähigkeiten, unter
körperlichem Verfall. Dieser Aspekt wird in The Dead Zone durch Johnny Smith
137
visualisiert, der nach fünfjährigem Koma in einem völlig degenerierten Körper
erwacht, in dem er sich, bedingt durch Muskelschwund und künstliche
Ernährung, kaum zu bewegen vermag und deshalb Gehhilfen in Anspruch
nehmen muß. Motive der physischen Abnormität und der Mutation, die sich
bereits an Cronenbergschen Protagonisten der Filme The Brood, Videodrome
oder The Fly manifestierten, tauchen auch in einem eher auf die Psyche seiner
Protagonisten konzentrierten Film wie Dead Ringers auf. Claire Niveau, an der
Beverly Mantle eine Deformation am Uterus (sie besitzt drei Gebärmutterhälse
und drei separate, dazugehörige Kammern) diagnostiziert, stellt eine Ikone der
Cronenbergschen Besessenheit mit der Mutation des Fleisches dar. Zu einem
späteren Zeitpunkt läßt der Arzt sich gynäkologische Instrumente zur
'Behandlung mutierter Frauen' anfertigen. "Du weißt einfach nicht, was für
Patientinnen wir in letzter Zeit bekommen haben. Ich weiß nicht, was da
draußen vor sich geht. Die Patientinnen werden sonderbar. Äußerlich sind sie
völlig in Ordnung, aber innerlich sind sie deformiert."41, rechtfertigt Beverly
seinem Bruder Elliot gegenüber die Anwendung seiner bizarren
Operationsinstrumente (die sich später als Hilfsmittel zur Separation
siamesischer Zwillinge herausstellen sollen). Beverly Mantle personifiziert einen
archetypischen Protagonisten der Filme Cronenbergs, dessen 'innere
Deformationen' entweder physischer Natur sind und sich in physischen
Mutationen und Verwandlungen manifestieren (Rabid, The Fly), oder dessen
psychische Störungen sich in bizarren Scheinrealitäten äußern (Videodrome
und Naked Lunch) oder sogar neue Sexualität erschaffen (M. Butterfly und
Crash).
Sexuelle Transformationen
"In Crimes of The Future I talk about a world in which there are no
women. Men have to absorb the femaleness that is gone from the planet.
It can't just cease to exist because women aren't around. It starts to bring
out their own femaleness more, because that duality and balance is
necessary."42
David Cronenberg
Die Filme Cronenbergs sind nicht ausschließlich unter dem Aspekt der
physischen Transformationen oder Mutationen zu betrachten. Sie beschreiben
des weiteren geschlechtliche Metamorphosen auf einer mentalen Ebene der
meist maskulinen Protagonisten. Männliches und weibliches Geschlecht in
einer Person wirken in diesen Cronenbergschen Rollenspielen austauschbar,
da, obwohl seine Protagonisten durch ihr physisches Geschlecht definiert
scheinen, sie das Recht in Anspruch nehmen, ihre psychische sexuelle
Prägung selbst zu bestimmen. "Die Unterscheidung zwischen männlich und
weiblich ist zwar nützlich und hat eine historische Tradition, wird aber auch
138
überschätzt. Ich spreche hier nicht von Homosexualität. Man weiß, daß jeder
männliche und weibliche Anteile in sich hat"43, kommentiert Cronenberg die
genetischen
und
immateriellen
Voraussetzungen
dieser
sexuellen
Metamorphosen. Tatsächlich finden sich beispielsweise in Scanners, Dead
Ringers und M. Butterfly eingeschlechtliche Konstellationen, in denen in einer
Person das feminine Element dominiert, während im Gegenüber die maskulinen
Aspekte der Persönlichkeit überwiegen.44 Diese einem Rollenspiel gleichende
Zuordnung der Geschlechter innerhalb der Konstellation der Mantle-Zwillinge
beschreibt Cronenberg wie folgt: "Elliot and Beverly are a couple, not complete
in themselves. Both the characters have a femaleness in them. The idea that
Beverly is the wife of the couple is unacceptable to him."45
"Cronenberg geht von der Prämisse aus, daß Mann und Frau
verschiedene Wesen sind, daß männliche und weibliche Elemente
differenzierbar und beobachtbar sind. Jeder vereint in sich männliche
und weibliche Aspekte in unterschiedlichem Ausmaß, bleibt aber
dennoch Mann beziehungsweise Frau. Körperliche Transmutationen, die
die sexuelle Identität verwischen, androgyn oder hermaphroditisch
machen, sind Resultate der wissenschaftlichen Experimente, mit denen
Cronenberg die 'Stereo'-Sexualität von Menschen untersucht: […]"46
Die sexuelle Transformation der Protagonisten, besonders in Filmen wie
Naked Lunch und M. Butterfly, entlarvt sich als Suche nach der den Figuren
eigenen, ursprünglichen Identität, die, lange durch Konventionen oder andere
Umstände unterdrückt, nach der zu vollziehenden Metamorphose das Handeln
dominiert. Die Suche nach der originären Identität bezeichnet somit die Suche
nach der Sexualität, die sich nicht an physischen Merkmalen und
Geschlechtsorganen aufzeigen läßt, sondern mit Geist und Psyche des
Cronenbergschen Protagonisten harmoniert. Jedoch stimmt dieses mentale
Geschlecht mit dem genetisch determinierten in Cronenbergs Filmen selten
überein. Folglich erfinden und konstruieren beispielsweise Bill Lee in Naked
Lunch und René Gallimard in M. Butterfly ihre eigene Sexualität – ein
Selbstfindungsprozeß, dessen Verlauf das mentale Äquivalent zu einer der
physischen Transformationen und Metamorphosen in Cronenbergs Werk (wie
beispielsweise in The Brood, Videodrome oder The Fly) darstellt. Vor diesen
'Verwandlungen' sehen sich die Protagonisten in der stereotypen Tristesse
ihres genetisch determinierten maskulinen Geschlechts sowie in den ihnen
zugewiesenen Rollen in der Gesellschaft und ihrem sozialen Umfeld gefangen:
Max Renn kann in Videodrome chauvinistische Tendenzen in Sprache und
Handlung schwerlich unterdrücken, Bill Lee erscheint, konform den Normen der
Gesellschaft, heterosexuell, in M. Butterfly mimt René Gallimard gegenüber
seiner devoten asiatischen Geliebten Song Liling den überlegenen, dominanten
Europäer. Diese Figuren finden sich in den maskulinen, biologisch
determinierten Rahmen eingesperrt, ohne die Möglichkeit, ihre ursprüngliche,
139
ureigenste Identität zu erkennen und sie auszuleben. Dies kann nur durch die
mental-sexuelle Transformation gewährleistet werden – die Suche nach
Identität hat sich als Suche nach der im Protagonisten verwurzelten femininen
Sexualität herausgestellt: Max Renn entwickelt mit der vaginalen Bauchöffnung
ein weibliches Geschlechtsorgan, in das er eine Pistole, einem biomechanischen Geschlechtsakt gleich, einführt. Bill Lee wird in Naked Lunch von
seinem 'case officer' der Auftrag erteilt, zwecks Tarnung als Agent in der
'Interzone' in Homosexualität zu leben – eine Order, die in ihrer Symbolik
ausschließlich dem Zweck dient, Bill Lees unterdrückte bisexuelle Natur zu
offenbaren und ihn seine Neigung ausleben beziehungsweise erleben zu
lassen.
Diese geschlechtlichen Transformationen sind seitens der Protagonisten keinesfalls nach eigenem Belieben evozierte Prozesse einer inszenierten Selbstfindung des Egos. Oftmals werden diese Metamorphosen aus simpler Notwendigkeit geboren: in der familiären Beziehung von Frank Carveth und seiner
Tochter Candice in The Brood sucht der Vater das abwesende Feminine zu
kompensieren, da seine Gattin sich in der Isolation des 'Somafree Institute' der
'Psychoplasmatherapie' unterzieht. M. Butterfly zeigt den Versuch René Gallimards, das mentale Vakuum, das durch den Verlust seiner/seines Geliebten
Song Liling entstanden ist, durch die femininen Aspekte seines eigenen Ichs
aufzufüllen. Gallimard vollzieht die definitive Metamorphose, als er sich gegen
Ende des Films (ab 1:25) in eine Diva der chinesischen Oper verwandelt, um im
Gefängnis vor seinen Mitgefangenen als 'Madame Butterfly' aufzutreten. Als
Präzedenzfall für den kompromißlosen Rollentausch der Geschlechter sollen
die Verwandlungen von Réne Gallimard und Song Liling nachgezeichnet werden.
"Ich glaube, wir wünschen uns feste und absolute Werte. Aber wir
müssen sie erfinden, weil es sie nicht gibt. […] Darum fasziniert mich
wohl auch die Kreativität der menschlichen Existenz. Sie ist in einem fort
kreativ, ohne daß es uns bewußt ist. Jedenfalls nicht bewußt als etwas
Normales, im Sinne einer Realität, im Sinne von Normalität, von
Wirklichkeit. All diese Dinge bewegen und ändern sich ständig."47
M. Butterfly – Stationen einer Transformation
"Ich bin ein Mann, der eine Frau liebte, die von einem Mann geschaffen
wurde"
René Gallimard48
M. Butterfly wartet mit zwei physischen und mental-sexuellen Transformationen auf, die sich auf die Beziehung des französischen Botschaftsangestellten
140
zu dem sich als Frau ausgebenden Sänger der Peking-Oper, Song Liling, konzentrieren. Gallimard ist eingangs der gesellschaftlich-normativen Trennung von
maskulin und feminin verhaftet, bis er sich in Song Liling verliebt, die / der dem
Geliebten gegenüber die Phantasie eines 'dominanten Mannes' und der 'devoten Frau' personifiziert – ein Rollenspiel, in dem Gallimard zunächst seine Vorstellung von Sexualität auslebt. Nachdem Gallimard der Spionage überführt und
mit dem demaskierten Liling im Gerichtssaal konfrontiert wird (1:15), kompensiert der Franzose den Verlust seiner 'idealen Frau' durch seine eigenen aktivierten femininen Aspekte seiner Persönlichkeit und seines Bewußtseins. In M.
Butterfly lassen sich zwei dualistische, geschlechtliche Metamorphosen aufzeigen: Während Song Liling durch die Demaskierung vor Gericht von einer Frau
zu einem Mann retransformiert wird, erlebt René Gallimard die entgegengesetzte Verwandlung – Metamorphosen, die Cronenberg bereits vor deren Vollzug in
einer Szene codiert, in der der Betrachter Gallimard mit seiner Frau Jeanne nebeneinander im Ehebett liegen sieht, nur um eine Einstellung später die entsprechende Szene aus der subjektiven Sicht Renés wahrzunehmen, der in einen an der gegenüberliegenden Seite des Raumes befestigten Spiegel blickt:
Lag er zuvor noch auf der rechten Hälfte des Ehebettes, seine Ehefrau entsprechend zu seiner linken, eröffnet sich nun die Situation spiegelverkehrt. Die Geschlechter haben die Positionen vertauscht. Diese Einstellungen erscheinen als
Metapher des sich noch vollziehenden sexuellen Rollentausches Gallimards
und Lilings (0:11).49 Ein weiteres Indiz für die beschriebenen Transformationen
findet sich in Gallimards Manier, Song Liling mit den Worten "Bist Du meine
Butterfly?" anzureden, sie/ihn als 'Schmetterling' zu bezeichnen – ein Insekt,
das in seinem Lebenszyklus ebenfalls eine Metamorphose durchlebt.
In Song Liling findet Gallimard seine Phantasievorstellungen eines mystischen Chinas des Altertums sowie sein Ideal einer ergebenen, für den Europäer exotischen Weiblichkeit personifiziert. Vollends in dieser Scheinrealität lebend, bemerkt René Gallimard nicht, daß Song ihn im Gespräch immer wieder
auf das Motiv des Rollenspiels und seiner Travestie hinweist.50 Selbst Songs
Weigerung, sich Gallimard entblößt zu zeigen, stößt bei dem Franzosen nicht
auf Mißtrauen. Er führt diese Weigerung auf die (von Liling erfundenen) antiken
asiatischen Bräuche und Traditionen zurück. Angsterfüllt, seine Illusion einer
idealen Weiblichkeit zerstört zu sehen, reagiert Gallimard, als ihm der demaskierte Liling im Gerichtssaal vorgeführt wird, mit einem kurzen verstörten Lächeln, als frage er sich, warum seine geliebte 'Butterfly' sich der Verkleidung
eines Mannes bediene. Als sich kurze Zeit später die Verurteilten in einem Gefangenentransport gegenüber sitzen, entblößt sich der Asiate vor Gallimard, der
damit erstmalig die abgeschlossene Retransformation Lilings akzeptiert. (1:22).
Sexualität definiert sich in Cronenbergs Filmen analog zur bereits angesprochenen 'body and mind'-Thematik nicht ausschließlich an genetisch oder physisch determinierten Merkmalen. Das Geschlecht der Protagonisten erweist
141
sich als harmonisches oder disharmonisches Zusammenspiel von Körper und
Seele.
Der Regisseur etabliert in M. Butterfly bereits zu Anfang des Films die effektive Symbolik der Puccini-Oper als unheilschwangeres Vorzeichen auf den Suizid Gallimards. In 'Madame Butterfly' verliebt sich eine Japanerin in einen amerikanischen Seeoffizier, der sie zwar heiratet aber alsbald wieder verläßt, was
für die Frau den Tod bedeutet. Später wird Gallimard seine eigenwillige Interpretation der ‘Madame Butterfly’ aufführen, indem er als Diva in seiner persönlichen und intimen Inszenierung der Puccini-Oper in einem französischen Gefängnis den Verlust Song Lilings betrauert. "Der Mann, den ich liebte, war meiner nicht würdig. Ich hätte ihn nicht einmal eines zweiten Blickes würdigen dürfen" beschreibt René Gallimard, mit Perücke und Theaterschminke nun auch
visuell das durch Lilings Demaskierung entstandene Vakuum an Weiblichkeit
ausfüllend, in einem letzten Monolog vor seinen Mitgefangenen, die Ironie seines Schicksals offenlegend. Die Transformationen sind vollzogen – aus dem
Mann René Gallimard ist eine Frau geworden, aus der Opernsängerin Song
Liling ein Mann.
"Es handelt sich wie bei Brundle um eine Verschmelzung seiner Selbst
mit einem Anderen. Sicherlich versucht Gallimard, daß zu erreichen,
beides in einem zu werden, zu verschmelzen. Es findet eine tatsächliche
Verwandlung statt. […] Gallimard ist am Ende des Films ein Monster. Er
ist mit dem Anderen verschmolzen. Er ist mit etwas verschmolzen, das er
selbst erfunden hat, um daraus eine doppelte Persönlichkeit zu
erschaffen. Damit verkörpert er beide Personen. Als er seine Geliebte
nicht bekommen kann, wird er sie und er zugleich und erschafft dieses
unheimliche, hybride Wesen."51
Sexualität auf Kollisionskurs
"David Cronenberg hingegen entfernte sich mit 'Crash' (1996) weit von
den herkömmlichen Genremustern. In fragmentarischen Episoden
erzählt er von der sexuellen Fetischisierung schwerer Autounfälle und
deren Opfern. Das erotische Interesse hat sich von der reinen
Körperlichkeit entfernt und strebt nach der Verschmelzung mit den
Statussymbolen des Industriezeitalters: den metallenen Maschinen,
vornehmlich Autos. Der Körper einer von Rosanna Arquette gespielten
Frau ist bereits den ersten Schritt der Mutation zum 'neuen Fleisch'
gegangen; Schrauben ragen aus ihrem Gewebe, Knochen werden durch
künstliche Bauelemente ersetzt."52
In Crash führt David Cronenberg seine Thematik sexueller Identitätssuche konsequent fort. Sexualität wird als Bewußtseinszustand geschildert und ist somit
von der Physis des einzelnen Individuums unabhängig. Cronenberg befaßte
sich bereits in Naked Lunch und M. Butterfly ausführlich mit dieser Thematik.
142
Bill Lee entdeckt in der Scheinrealität der 'Interzone' seine Homosexualität, René Gallimard und Song Liling (er)finden eigene Sexualitäten in ihrer heimlichen
Partnerschaft.
In Crash erschaffen die Protagonisten ebenfalls ihre eigenen Sexualitäten,
benötigen dazu aber einen Katalysator: Die Verbindung von Mensch und Maschine durch das Automobil und die Verschmelzung von Mensch und Maschine
in Autounfällen und Kollisionen:
"A car is not the highest in high tech. But it has affected us and changed
us more than anything else in the last hundred years. […] The weird
privacy in public that it gives us. The sexual freedom – which in the 50s
wasn't even subtle! I mean, the first guy who had a convertible in high
school was the guy who had the sex. […] He had a mobile bedroom. […]
So we have already incorporated the car into our understanding of time,
space, distance and sexuality."53
Vordergründig scheint Cronenberg sein Publikum zu täuschen, zelebriert er
doch in Crash die Thematik der Verschmelzung von Mensch und Maschine –
ein spätestens seit Scanners bekanntes Motiv im Werk des Regisseurs.
Wie der Regisseur, so gibt auch Vaughan in Crash zunächst sein 'Forschungsziel' als "reshaping the human body by modern technology"54 an. Später stellt
sich heraus, daß die Automobile und Autounfälle nur den Katalysator für eine
noch nicht von den Protagonisten entdeckte Sexualität darstellen. Das wahre
Gesicht dieses Konzepts offenbart sich in einem Dialog zwischen James Ballard und Vaughan:
" Vaughan:
James:
Vaughan:
It's the future, Ballard, and you're already part of it. For the
first time, a benevolent psychopathology beckons towards
us. For example, the car crash is a fertilizing rather than a
destructive event – a liberation of sexual energy that
mediates the sexuality of those who died with an intensity
impossible in any other form. To fully understand that, and
to live that … that is my project.
What about the reshaping of the human body by modern
technology? I thought, that was your project.
A crude sci-fi concept that floats on the surface and doesn't
threaten anybody. I use it to test the resilience of my potential partners in psychopathology." 55
Das Science-fiction-Konzept der Verschmelzung von Mensch und Maschine
erweist sich nur als Spitze des Eisbergs. Unter der Oberfläche liegt, wie in Naked Lunch und M. Butterfly, die Suche nach der sexuellen Identität der Protagonisten.
Die Figuren, beispielsweise das Ehepaar James und Catherine Ballard, leben in einem emotionalen Niemandsland. Sie driften durch die Leere ihrer Ehe
und nicht einmal ihre jeweiligen Affären bringen Fluktuation in die Stagnation
ihres Lebens. Selbst die gegenseitige Schilderung der jeweiligen Seitensprünge
143
bringen den Ballards nicht den emotionalen 'Kick' beim Geschlechtsverkehr.
"Their sex-making is disconnected, passionless, as though it would disappear if
they noticed it."56 beschreibt Cronenberg in seinem Drehbuch den Sexualverkehr der Ballards. Selten haben die Ballards Blickkontakt. Cronenberg zeigt
beide Figuren bevorzugt in Situationen, die es ihnen gestattet, aneinander vorbeizusehen. Er beschreibt ein desolates und trostlos ausklingendes 20. Jahrhundert, in der Gefühle und zwischenmenschliche Beziehungen zur Langeweile
verkommen sind. "Menschen in dieser kalten, emotionslosen Welt betreiben
Sex 'von hinten' oder anal, um es somit zu vermeiden, in das Gesicht des Partners blicken zu müssen"57 beschreibt Georg Seeßlen die Protagonisten und deren Umwelt in Crash.
Der Autounfall erscheint für die Protagonisten in seiner seltsamen, schwer
verständlichen Fusion aus Adrenalin, sexueller Erregung, und Blechschaden
der letzte 'Kick' zu sein – ein Katalysator für eine aufkeimende, neue Sexualität,
die die Protagonisten kurzzeitig aus ihrer permanenten Starre befreit. Der
'Crash' als Auslöser für eine der typischen Cronenbergschen Metamorphosen:
Die durch die Autounfälle verstümmelten menschlichen Körper erfahren durch
ihre physische Verformung auch eine psychische Transformation: Ehemalig
verdrängte sexuelle Energie wird freigesetzt und projiziert. Fast alle Protagonisten in Crash tragen Spuren ehemaliger Unfälle. Vaughan ist am gesamten Körper vernarbt, Dr. Helen Remington (Holly Hunter) und James Ballard haben
mehr als nur physische Narben nach ihrem Autounfall davongetragen und Gabrielle ist in ihrer metallenen Gehhilfe und ihrer zentimetertiefen Narbe im Oberschenkel das besondere Objekt dieser neu entstandenen sexuellen Identität:
Ballard penetriert Gabrielles Körper durch ihre Unfallnarbe; daß sie durch ihre
Gehhilfen eine verminderte Beweglichkeit gegenüber anderen Menschen hat,
scheint James Ballard zu erregen: Er ist dem Maschinen-Sex einen Schritt näher gekommen:
"Seine [Cronenbergs] Figuren leben zwar in einer anderen Welt, die der
unseren ausgesprochen ähnlich sieht, ihr Innenleben, ihr Begehren und
ihre Motivationen gehören einem anderen Universum an, einer anderen
Seelenkonstruktion, die die Figuren aufnehmen, sobald sie in einem
Autounfall verwickelt worden sind. Der Unfall ist nicht nur der grimmige
Flash, der die Protagonisten süchtig macht, er ist auch das Tor zu einem
vollkommenen Umbau der Persönlichkeit, der erste Schritt jener
Umwandlung, von der Vaughan spricht."58
Identitätsverlust und Isolation
and the Raven, never flitting, still is sitting, still is sitting
On the pallid bust of Pallas just above my chamber door;
and his eyes have all the seeming of a demon's that is dreaming,
and the lamp-light o'er him streaming throws his shadow on the floor;
144
and my soul from out that shadow that lies floating on the floor
Shall be lifted – nevermore!
Edgar Allan Poe - 'The Raven'
Wurden in den vorangehenden Abschnitten Phänomene der physischen und
psychischen, sexuellen und fleischlichen Mutation beziehungsweise Transformation aufgezeigt, sollen jetzt die Konsequenzen aufgezeigt werden, die diese
Erscheinungen bezüglich der dramaturgischen Entwicklung der Filmfiguren haben. Für die größtenteils maskulinen Protagonisten in Cronenbergs Filmen sind
eine Vielzahl gemeinsamer Eigenschaften hinsichtlich Gestaltung und Konzeption der Filmfigur bezeichnend. Damit kann der Betrachter angesichts der sich
innerhalb des filmischen Gesamtwerks wiederholenden Aspekte der Figurenführung und deren Konzeption vom 'Cronenberg-Code' sprechen.
Die Protagonisten eines Cronenberg-Films präsentieren sich in Gestalt emotionaler und/oder sozialer Außenseiter. Sie treten als andersartige Einzelgänger
am Rande einer normativen Gesellschaft auf. Sie scheinen durch die ihnen eigene physische oder psychische Fremdartigkeit zu dem ihnen zugewiesenen,
tragischen und oftmals letalen Schicksal verdammt, dessen kompromißlose
Unabwendbarkeit in The Dead Zone durch Johnny Smith reflektiert wird.
Der Akteur als 'Outcast' – ein Aspekt, der den Figuren entweder von
Anbeginn des Films anhaftet (wie Cameron Vale in Scanners oder Allegra
Geller in eXistenZ, die mehr in der virtuellen, als in der realen Welt lebt) oder
ein Status, den sie durch die auf sie einwirkenden Veränderungen in Form
physischer Mutation oder Transformation (Seth Brundle in The Fly, Nola
Carveth in The Brood) oder durch ihre Taten (Max Renns Morde in
Videodrome, Johnny Smiths Attentatsversuch in The Dead Zone) unweigerlich
erreichen. Jedoch erscheint der Aspekt der 'Isolation' nicht ausschließlich auf
das soziale Umfeld des Protagonisten beschränkt, betrachtet man den Begriff
der 'Isolation' unter dem Gesichtspunkt eines mentalen, auch emotionalen
Zurückziehens in das Exil diverser Scheinrealitäten oder irrealer Geisteswelten.
Die Figuren erliegen als Konsequenz ihrer physischen oder psychischen
Transformation und der daraus resultierenden sozialen oder emotionalmentalen Isolation, einem (bei Cronenberg schon unvermeidlichen) Identitätsverlust. Hieraus resultiert entweder der absolute Identitätsverlust in Form eines
Zerfalls des individuellen Intellekts, ein Zersetzungsprozeß, der den menschlichen Körper als pure organische, jedoch nicht mehr überlebensfähige Hülle zurückläßt, oder das Erwachen eines die ursprüngliche Form der Identität verdrängenden, neuartigen Bewußtseins. Als letzte Konsequenz der Andersartigkeit seiner Filmfiguren etabliert Cronenberg die Thematik der externen Kontrolle
'fremder Mächte' oder der dem Inneren des 'desindividualisierten Protagonisten'
entspringenden Beherrschung. Der Mensch als Spielball fremder Mächte, als
Marionette anonymer Organisationen, als Opfer diverser paranoider Weltver145
schwörungstheorien oder als hilfloser Augenzeuge seiner eigenen körperlichen
Transformation oder Auflösung.59
Begriffe der 'mental-emotionalen Isolation' beziehungsweise der 'sozialen
Isolation' lassen sich somit bezüglich der Gestaltung und Figurenzeichnung der
Protagonisten aufzeigen. Weiterhin lassen sich Aspekte des 'Verlustes der individuellen Identität' und der 'Kontrolle fremder Einflüsse oder Mächte' im folgenden an exemplarischen Fallbeispielen nachweisen.
Räumliche Isolation
Die bereits beschriebenen physischen Transformations- beziehungsweise Zerfallserscheinungen der Cronenbergschen Protagonisten verleihen diesen ein
derart bizarres Erscheinungsbild, daß sich Figuren ihres sozialen Umfelds meist
mit Abscheu von ihnen abwenden. Der transformierte Körper des Menschen hat
den Rahmen der durch gesellschaftliche Normen etablierten Ästhetik durchbrochen und kann somit von seinen Bezugspersonen nicht mehr als Mitglied der
Gesellschaft akzeptiert werden: So wendet sich Frank Carveth in The Brood
angewidert von seiner Frau Nola ab, als sie aus ihrem Exo-Uterus eine Kreatur
der 'Brut' gebiert. Ihre biologische Andersartigkeit isoliert Nola in ihrem
selbstgewählten Exil (einer einsamen Waldhütte) von ihrer sozialen Umwelt, die
von ihrem Ehemann Frank, ihren Eltern, ihrer Tochter Candice und von ihren
Mitpatienten, die sich am 'Somafree-Institut' einer 'Psychoplasmatherapie' unterziehen, repräsentiert wird.
Ebenso verstört wie Frank Carveth bezüglich der physischen Veränderungen
und Metamorphosen des Partners reagiert Veronica Quaife in The Fly, als sie
ihren Geliebten Seth Brundle zum ersten Male im fortgeschrittenen Stadium
seiner Verwandlung zur genetisch verschmolzenen Mensch-Fliege
gegenübertritt (1:00). Im Gegensatz zu ihrem maskulinen Pendant in The Brood
dominieren weniger offene Abscheu und Ekel ihre Mimik, als eine tiefe
Betroffenheit und ein ehrliches Mitgefühl dem offensichtlichen Zerfall ihres
Partners gegenüber. Die drastischen Veränderungen seiner Physis zwingen
den Protagonisten in The Fly in die soziale Isolation, die räumliche Trennung
von seiner Geliebten, den Rückzug aus dem gesellschaftlichen Leben.
Angesichts der sichtbaren Auswirkungen seiner Transformation erscheint eine
Existenz innerhalb der Gesellschaft impraktikabel. So sterben Seth Brundle im
Verlauf seiner Verwandlung hinfällig gewordene Körperteile ab, die er dann
beinahe beiläufig verliert (er verliert beispielsweise durch eine Berührung
Veronicas ein Ohr). Dazu entwickelt er eine neuartige Methode der
Nahrungsaufnahme. Er erbricht ein vorverdauendes Enzym auf seine Nahrung,
das diese zersetzt, damit sie anschließend wieder aufgesogen und
weiterverdaut werden kann. Somit erscheint der Protagonist als Gefangener in
seinem eigenen Labor. Ausgesperrt von der menschlichen Gesellschaft, der er
sich, bedingt durch seine genetische Fusion mit einem Insekt, nicht mehr
zugehörig fühlt und eingesperrt in einem selbstgewählten Exil. Eine Situation
146
der sozialen Isolation, vergleichbar der Gregor Samsas in Franz Kafkas
Erzählung 'Die Verwandlung'.60
"In acht Mutationsschritten wandelt Goldblum sich in der Folge zur
Fliege; die Zwischenstufen zeigen ihn so, wie man sich Kafkas Gregor
Samsa schon immer vorgestellt hat. Bereits ab der dritten Stufe treten
die physio- und pathognomischen – also die festen ebenso wie die in den
weichen Teilen des Gesichts eingeschriebenen – Linien und Züge hinter
die immer rundlichere Form des werdenden Insektenkopfes zurück, ehe
später auch noch Ohren, Nägel und die dazugehörigen Finger abzufallen
beginnen."61
Kafka, ebenso wie Cronenberg, schildert Unverständnis, Ablehnung und
Abscheu des sozialen Umfeldes dem transformierten Protagonisten gegenüber
in Form der Familie Samsa beziehungsweise von Veronica Quaife und Stathis
Borans (John Getz) in The Fly. Die Figur der Erzählung 'Die Verwandlung',
Gregor Samsa, wird von seiner Familie nahezu ignoriert. Sie betreten selten
sein Zimmer, Nahrung wird ihm schnell durch die Tür hereingereicht, diese
danach sofort wieder eiligst verschlossen. Ebenso erscheint Seth Brundle in
späteren Phasen der Metamorphose, in der der gesamte Körper des
Wissenschaftlers unter schmutzig-braunen Geschwüren und Wucherungen zu
verschwinden droht, zu grotesk deformiert, als daß ein freies Bewegen
innerhalb des normativen, sozialen Lebens möglich erscheint. Diese Tatsache
und die unausweichlich folgenden ablehnenden Reaktionen von Mitmenschen
und Umwelt auf die Transformationen tragen die Verantwortung dafür, daß
Gregor Samsa und Seth Brundle aus ihrem sozialen Umfeld und aus der
menschlichen Gesellschaft ausgeschlossen werden, so daß sie ausschließlich
in von der Außenwelt abgeschirmten, geschlossenen Systemen (Gregors
Zimmer, Brundles 'Wohnlabor') in der Lage scheinen, ihre Existenz bis hin zum
unausweichlichen Ende, dem Tod, zu fristen.62
Jedoch nicht nur die physische Deformation der durch die Transformationen
entstellten menschlichen Körper erweist sich als Ursache der sozialen Isolation
der Protagonisten, oftmals erscheint dieses Phänomen der Abkapselung auch
als Konsequenz eines Zusammenspiels körperlicher und mentaler Metamorphosen, wie es Cronenberg am Beispiel Brundles aufzeigt:
"Du mußt jetzt gehen und darfst nie wieder herkommen. Hast Du jemals
von Insektenmitgefühl gehört? Ich auch nicht. Insekten haben kein
Mitgefühl. Sie sind überaus brutal. Kein Mitleid, kein Kompromiß. […]
Aber jetzt sind die Träume vorbei und das Insekt ist wach. […] Ich will
damit sagen, daß ich Dir weh tue, wenn Du nicht gehst."63
Zu diesem Zeitpunkt, da der Wissenschaftler unter den wuchernden Geschwüren seiner voranschreitenden Transformation kaum noch als menschliches Wesen zu erkennen ist, erfährt er auch eine Umformung seiner Psyche,
147
das Erwachen eines andersartigen, fremden Verstandes. Das durch die Teleportation mit seinem Körper fusionierte Insekt entfesselt das triebhafte 'Es' des
Brundleschen Bewußtseins: einen dominanten, animalischen Geist, der kaum
noch dazu befähigt scheint, seine Handlungen aufgrund ethisch-moralischer
Werte abzuwägen, und der selbst nicht davor zurückschreckt, Bezugspersonen
seiner früheren, rein menschlichen Existenz Schaden zuzufügen.64
Mentale Isolation und Identitätsverlust
Der Verlust der Menschlichkeit durch das Erwachen eines nicht-menschlichen
Bewußtseins bedingt durch physische Veränderungen umschreibt nur einen
Aspekt des Identitätsverlusts in Cronenbergs Filmen. Oftmals und besonders in
seinen späteren Filmen wie Dead Ringers, Naked Lunch oder M. Butterfly
bedarf es keiner Transformation auf physischem Niveau, um den Protagonisten
seines individuellen Selbst zu berauben und ihn in ein auswegloses mentales
Exil der Vereinsamung, der Isolation paranoider Wahnvorstellungen oder
irrealer, selbsterfundener Scheinrealitäten zu verbannen.
Wird eine mentale Verbindung zwischen zwei Personen durchtrennt, wie im
Fall der Mantle-Brüder in Dead Ringers, die ein individuelles Nervensystem besitzen, kann bereits ein Verlust der Identität aufgrund eines Defizits innerhalb
eines funktionierenden, symbiotischen Systems aufgezeigt werden: Durch das
Eindringen des 'femininen Fremdkörpers' Claire Niveau in die ideale eingeschlechtliche Beziehung der Mantle-Brüder separiert sich Beverly zusehends
von seinem Bruder. Die Folgen dieser Entfremdung finden sich neben der bereits angesprochenen Medikamentensucht der Zwillinge auch in dem nun aufzuzeigenden Identitätsverlust der Mantle-Brüder, die, längere Zeit voneinander
getrennt, den Bezug zu ihrer gemeinsamen Wesenseinheit verlieren. So läßt
sich Elliot Mantle auf einer Dienstreise, getrennt von seinem Bruder Beverly reisend, von einem 'Hostess-Service' eineiige Zwillinge auf das Zimmer bestellen,
von denen er sich, um die Schwestern voneinander unterscheiden zu können,
mit 'Bev' und 'Elli' anreden läßt (0:48). Diese Szene ist als Markierung des Identitätsverlusts der sich unwiderruflich voneinander entfremdenden Brüder zu betrachten, scheint doch hier die 'Identitätsgrenze' zwischen den Elliot und Beverly zu verwischen. Während der Trennung von Beverly versucht Elliot dieses Vakuum, das die Abwesenheit seines Bruders hervorruft, dadurch zu kompensieren, daß er die Zwillingshostessen anweist, ihn auch mit 'Bev' anzusprechen,
um so seinen Bruder zu simulieren und den mentalen Verlust durch eine 'Verdoppelung' Elliots aufzuwiegen.
Als die Schauspielerin Claire Niveau zwecks Dreharbeiten die Stadt verläßt,
verliert der bereits von der symbiotischen Beziehung zu seinem Bruder Elliot
entfremdete Beverly Mantle seine einzige Bezugsperson, was für den zu diesem Zeitpunkt bereits medikamentenabhängigen Zwilling ein weiteres Stadium
der Isolation und des Identitätsverlustes impliziert: So stellt sich Beverly in der
148
Gemeinschaftspraxis der Brüder einer neuen Patientin mit den Worten vor: "Erlauben Sie mir, daß ich mich vorstelle? Ich bin einer der Mantle-Zwillinge"
(0:58). Kaum noch seiner eigenen Identität bewußt, wählt er diese Sätze. Seine
schwindende Individualität scheint nicht mehr befähigt, eine Differenzierung
zwischen den beiden Antipoden dieses gleichgeschalteten Nervensystems der
Brüder Beverly und Elliot zu treffen. Den letzten Beweis für den Identitätsverlust
Beverly Mantles offeriert Cronenberg nach der letalen, 'chirurgischen Trennung'
von seinem Bruder Elliot, durch dessen Tod die symbiotische Beziehung und
somit die mentale Verbindung der Brüder zerstört wurde. Am Tag nach der 'Operation' verläßt Beverly das gemeinschaftliche Apartment, um von einer Telefonzelle aus seine Geliebte, Claire Niveau, anzurufen: ein letzter, verzweifelter
Versuch, die fatale mentale Abhängigkeit zwischen den Zwillingen zu unterbinden. Auf Claires aus dem Telefonhörer klingende Frage "Wer ist da?" (1:40)
kann Beverly keine Antwort geben. Das vitale 'Lebenserhaltungssystem', die
mentale Interaktion der Brüder ist zerstört. Beverly scheint ohne seinen Bruder
Elliot als eine identitätslose, physische Hülle ohne jegliches individuelles Bewußtsein zurückgelassen, unfähig, simple Frage wie die nach seinem Namen
zu beantworten. Mit dem Ende der Existenz des Gefüges der Mantle-Zwillinge
erscheinen die einzelnen Komponenten nicht mehr lebensfähig. In der Isolation
des Apartments stirbt Beverly an den Folgen eines durch Vereinsamung bedingten Identitätsverlusts.
Realitätsverlust
Ein weiteres Motiv, das den Zerfall der Individualität charakterisiert, findet sich
im Realitätsverlust der Protagonisten, die sich in selbst erschaffene
Scheinrealitäten flüchten und sich in ihren Phantasiewelten von der sie
scheinbar erdrückenden realen Umwelt isolieren, wie es anhand Max Renns
und Bills oder René Gallimards aufzuzeigen ist.
Max Renn distanziert sich durch den Konsum des Piratensenders
'Videodrome' und des im Fernsehsignal implantierten 'Videodrome'-Signals von
seiner Umwelt, er beginnt zu halluzinieren. Der Verlust seiner Partnerin Nicki
Brand65 zwingt Max weiter in die Flucht vor seiner Umwelt, da er in seiner
Scheinrealität der 'Videodrome'-Weltverschwörung in der Lage ist, seine
Geliebte neu zu erschaffen und sei es nur via Bildschirm. Später erfolgt die
räumliche Abkapselung, das selbstgewählte Exil, die Flucht in den Bauch eines
brachliegenden Schiffswracks (1:17). Diese letzte Zuflucht zeichnet Cronenberg
als Konsequenz der unter dem Einfluß der Halluzinationen verübten Morde
Renns an den Teilhabern seines Fernsehsenders 'Civic TV' und an den
Verschwörern Harlan und Barry Convex; Taten, die den Protagonisten als
sozialen Außenseiter definieren. Somit stellt die Flucht in das Schiffswrack nicht
nur vordergründig einen Versuch Renns dar, sich den Konsequenzen seiner
antisozialen Taten zu entziehen, sprich einer Ergreifung durch die Behörden zu
entgehen. Vielmehr symbolisiert das fensterlose, klaustrophobische Exil der
149
Schiffsräumlichkeiten ein letztes Zurückziehen in das geschlossene System des
durch Visionen und Halluzinationen verwirrten Geistes des Protagonisten, ein
letztlich auswegloser Übergang in die 'Videodrome'-Realität – das
Überschreiten einer Grenze zu einer neuen Daseinsform – ein Wechsel, der
vom Protagonisten in Form der als Vision auf einem Fernseher erscheinenden
Nicki Brand fordert, allen fleischlichen Aspekten seiner Existenz zu entsagen,
um diese neuartige Form der Existenz, das 'Neue Fleisch' zu erreichen. Der
Suizid Renns erscheint als logische Konsequenz eines absoluten
Realitätsverlustes infolge sozialer und mentaler Isolation in die letale
Scheinwirklichkeit der sado-erotischen Bilder und Weltverschwörungen der
'Videodrome'-Realität.
Analog zu den Geschehnissen in Videodrome erscheinen die Aktionen des
Schriftstellers Bill Lee in Naked Lunch, der sich, mental zerrüttet durch den von
ihm verschuldeten Unfalltod seiner Frau Joan und vor der Verfolgung durch die
Behörden flüchtend, in die sichere Anonymität der 'Interzone' zurückzieht, wie
eine von ihm im Drogenrausch konstruierten Scheinrealität. In dem mentalen
Exil seines verworrenen Geistes erschafft Lee, abgeschieden von der ihn
umgebenden materiellen Realität, seine verstorbene Frau in Gestalt von Joan
Frost neu. Er inszeniert Verwirrspiele um Dr. Benway (Roy Scheider), um
Agenten und Doppelagenten der 'Interzone Incorporated' – Alptraumkonstrukte
der Drogenphantasien des Protagonisten, die mit dem bereits beschriebenen
Eintreffen Lees an der Grenze des imaginären, totalitären Staates 'Annexia' und
deren Überschreitung die Scheinrealitäten in Naked Lunch auf eine MetaEbene bringen. Fragmente der Realität des New York des Jahres 1953 brechen
zwar in Form verzerrter Kulissen oder in Gestalt der befreundeten Schriftsteller
Hank und Martin in die mentale Scheinwelt der 'Interzone' ein, aber Lee bleibt,
ohne Aussicht auf eine Rückkehr in die Realität, in seiner immateriellen
Isolation gefangen.
"Interzone existiert natürlich nur in der Phantasie. […] Unsere Hauptfigur
ist ein Mann, der vielen Dingen aus dem Weg gehen will, um mit sich
selbst ins Reine zu kommen. Dinge, die sehr real sind: seine
Homosexualität beispielsweise. Sein Verlangen, seine Fähigkeit und sein
Wunsch, Schriftsteller zu sein. Er hat entschieden, daß er sich mit diesen
Dingen nicht auseinandersetzen möchte. Statt dessen versucht er, ein
geradliniger, normaler Mensch zu sein. Er hat eine Arbeit und führt ein
nettes, unscheinbares Leben. Interzone ist ein Ort, den er für sich selbst
kreiert und wo er gezwungen wird, sich mit seinen Problemen zu
beschäftigen."66
Die Irreversibilität des Zurückziehens in eine Scheinrealität bestärkt Cronenberg in der Symbolik des finalen Passierens der Grenze der 'Interzone' zum totalitären 'Annexia', das Lee den Übergang von einem Geisteszustand in einen
anderen, von einer Scheinwirklichkeit in eine Phantasie innerhalb einer Phantasie verheißt. 'Annexia' erscheint somit als Sinnbild für ein endgültiges Verweilen
150
in der Isolation eines in seinen verwirrten Geist zurückgezogenen Menschen.
Die Totalität des 'meta-fiktiven’ Staates impliziert die Aussichtslosigkeit einer
Rückkehr in die Realität der Stadt New York.
Die mentale Einsamkeit eines Individuums als Schöpfer einer in seinem idyllischen Charakter trügerischen Scheinrealität, ausgelöst durch die Entfremdung
zweier Menschen, umschreibt den Cronenbergschen Aspekt der 'Isolation des
Protagonisten' in M. Butterfly. Der Botschaftsangestellte René Gallimard konstruiert sich aufgrund der Indifferenz seiner Frau Jeanne sein weibliches Ideal,
eine perfekte Frau, die er in Gestalt Song Lilings findet, auf der er das ihn faszinierende Flair, verkörpert durch die für den Europäer fremdartig anmutende
Atmosphäre der Peking-Oper, als Symbol seines romantischen, aber irrealen
Abbild Chinas projiziert. In dieser Beziehung entsteht um die Figur der Opernsängerin Gallimards klischeebeladene, abendländische Scheinrealität eines
längst vergangenen, von Mystik und Traditionen dominierten antiken Chinas,
wobei seine 'Butterfly', Song Liling in der Rolle der devoten Geliebten, den Bezugspunkt dieses imaginären Konstrukts darstellt – eine irreale Wirklichkeit, in
der Gallimard Zuflucht vor den Intrigen und Alltäglichkeiten seines Arbeitsplatzes an der Botschaft und der Indifferenz seiner Ehefrau findet.
"Cronenberg füllt dieses unheimliche China so voller bizarrer Formen
und Schatten, daß man es auch für eine asiatische Ausgabe der
Interzone aus seiner Burroughs Verfilmung Naked Lunch halten könnte:
Nichts ist wahr, alles ist möglich."67
Doch im Kontrast zu den Protagonisten der Filme Videodrome und Naked
Lunch, für die letzten Endes die von ihnen kreierten Illusionen die Realität
ersetzen, verliert sich René Gallimard nicht in seiner Scheinrealität, sondern
scheitert an der Instabilität seiner Phantasie. Während die 'Videodrome'-Realität
und die 'Interzone' als sich mit dem Voranschreiten der Filme verdichtende,
konstante Realitätsebenen erscheinen, zerbricht für Gallimard in M. Butterfly
zunächst mit dem Ausbruch der Kulturrevolution, den Verbrennungen
traditioneller Opern-Kostüme und politischen Theaterinszenierungen, sein Bild
eines antiken, mystischen Chinas (0:58). Zu einem späteren Zeitpunkt werden
durch die Demaskierung Lilings als Mann in einem französischen Gerichtssaal
die Überreste dieser Illusion vollends zerstört (1:15).68 Gallimard desillusioniert
in seiner emotionalen Leere zurücklassend, erklärt Liling, daß er
zurückhaltende sexuelle Rituale und fiktive asiatische Traditionen erfunden
habe, um sie der Phantasiewelt Gallimards anzupassen, der nun, nach dem
Verlust seiner 'Butterfly' dieses entstandene Vakuum durch seine
Transformation zur 'Diva' kompensiert.
"Cronenberg makes no attempt to convince the audience of John Lone's
femininity. Cronenberg offers the spectacle of a man creating an
imaginative universe in his own image – which for the Broadway roots
151
puts M. Butterfly in the same thematic boat as Videodrome and Naked
Lunch."69
Unter der Kontrolle fremder Mächte
"Der scheinbar eigenen Entscheidungen folgende Mensch der Neuzeit
sieht sich plötzlich als bloßes Objekt von Fremdbestimmung. Er lehnt
sich auf und geht gerade dadurch zugrunde."70
Mit dem Aspekt des unter der 'Kontrolle fremder Mächte' stehenden
Individuums kontrastiert Cronenberg die bisher besprochenen Motive des
'Identitätsverlustes' und der 'Isolation' seiner agierenden Filmfiguren, bei denen
der Verlust der Individualität sowie die Flucht in das mentale Exil der
Scheinrealitäten und Wunschphantasien sich in der Psyche oder Physis des
betreffenden Protagonisten gründen. Das Phänomen, das die Vielzahl der
Protagonisten Cronenbergs miteinander verbindet, begründet sich in deren
Unfähigkeit, ihr eigenes Schicksal zu bestimmen. Er läßt die Figuren zu
Spielbällen oder willenlosen Marionetten der extern auf sie einwirkenden
Fremdeinflüsse werden. Er spricht ihnen nicht nur das Vermögen selbständigen
Handelns ab, sondern stellt zusätzlich die Autonomie des menschlichen
Wesens prinzipiell in Frage. Neben seinen Transformationsmotiven, die das
Fleisch der Protagonisten gegen deren Willen in einer regelrechten
'Körperrevolution' verformen, variiert Cronenberg Art und Erscheinungsformen
dieser Fremdeinflüsse, von denen die Filmfiguren kontrolliert werden, in Form
anonymer, konspirativer Verbindungen oder Organisationen wie dem nicht
näher definierten 'Consec'-Konzern in Scanners oder den Hintermännern des
'Videodrome' im gleichnamigen Film bis hin zu den bizarren Drogen des
'bugpowders', des 'Schwarzen Fleisches' und des 'Mugwump-Spermas', welche
Bill Lee in Naked Lunch zu einer Marionette seiner fiktiven (da
selbstinszenierten) 'Controller' werden läßt.
Zeichnen sich Filme wie Shivers, Rabid, The Brood und The Fly durch eine
sehr auf die Physis der Protagonisten bezogene Kontrolle aus, so werden die
das Individuum kontrollierenden Einflüsse und Mächte spätestens mit Videodrome in Form von Instanzen oder Konspirationen konkretisiert. In letzterem
Film wird der Protagonist durch das 'Videodrome'-Signal, welches implementiert
in Fernsehbildern ausgesendet wird, von der Realität entfernt und somit für Befehle und Instruktionen durch die Hintermänner dieser Verschwörung, Barry
Convex und Harlan, gefügig gemacht. Max Renn wird durch eine in seine vaginale Bauchöffnung eingeführte Videokassette 'programmiert' (0:59). Willenlos
muß er den 'aufgezeichneten Befehlen' gehorchen, die als Stimme Barry Convex' aus dem 'Off' ertönen und ihn hypnotisch instruieren, seine Partner bei 'Civic-TV' zu töten (1:01), eine Aufforderung, der der Protagonist prompt nachkommt (1:02). Unfähig, sich aus eigenem Willen und Motivation aus dieser sug152
gestiven Kontrolle durch 'Videodrome' zu entziehen, bedarf es Bianca O'Blivions, um Max von seinen Handlungen abzubringen, was allerdings auch nur
durch eine 'Umprogrammierung' erreicht werden kann (1:06). Somit reduziert
Cronenbergs Videodrome seinen Protagonisten im letzten Drittel des Films zur
charakterlosen Marionette ohne jedes Anzeichen von Individualität: Renn gehorcht als emotionslose Mordmaschine, als Spielball verfeindeter Opponenten,
entweder der Stimme Barry Convex' und somit der 'Videodrome'-Konspiration
oder geht unter der hypnotischen Suggestion Bianca O'Blivions gegen die Verschwörer mit Waffengewalt vor (1:12, 1:15). Der Film endet in der unausweichlichen Katastrophe, in der sich Renn, seiner Identität vollends beraubt und einem suggestiven Befehl seiner irrealen, auf einem Fernsehschirm erscheinenden Geliebten Nicki Brand folgend, erschießt.
Analog hierzu konzipiert Cronenberg die Thematik des 'Protagonisten als
Spielball fremder Mächte' in Naked Lunch, wobei er das Halluzinationen
hervorrufende 'Videodrome'-Signal durch fiktive Drogen austauscht71 und Bill
Lee in ein von ihm selbst konstruiertes und illusioniertes Netz aus (für den
Betrachter kaum noch logisch aufzulösenden) Spionagen und Gegenspionagen
mysteriöser, nichtmenschlicher Agenten und ominöser Vereinigungen der
'Interzone Incorporated' verstrickt. Beinahe parallel zur 'Öffnung des Geistes'
Renns durch das 'Videodrome'-Signal eröffnen sich Lee in Naked Lunch durch
den Konsum des 'bugpowders' neue Bilderwelten und neue Realitäten. Die
Protagonisten dieser Filme erscheinen aufnahmebereit für suggestive Befehle
und Anweisungen: Aufgrund der Offenbarung seines insektenartigen 'case
officers', Bill Lees Frau Joan wäre kein Mensch und darüber hinaus noch ein
Agent der 'Interzone Incorporated', erschießt dieser seine Frau auf Anweisung
seiner 'Controller', flüchtet vor der Verfolgung durch die Polizei auf Anraten des
'Mugwump' in die Anonymität der 'Interzone' und gibt der Forderung seines
'bugwriters' bereitwillig nach, der Schriftsteller solle sich zwecks Tarnung seiner
'Agententätigkeit' der Homosexualität zuwenden.72
Hierbei hebt Cronenberg, analog zu dem Spiel der Realitätsebenen, das Motiv der 'Abhängigkeit' oder der 'Kontrolle durch fremdartige Mächte' des Protagonisten in Videodrome und Naked Lunch auf eine Meta-Ebene:
Durch den Konsum diverser Drogen erscheint zwar Bill Lees Geist für die
extern an ihn herangetragenen Informationen und Suggestionen der 'Mugwumps' oder der 'bugwriter' empfänglich. Es bleibt jedoch zu bedenken, daß
diese 'Aufträge', ebenso wie die Szenarien der 'Interzone'- oder der 'Videodrome'-Realität, nur irreale Geisteszustände einer verstörten Psyche darstellen.
Somit 'programmiert' Lee sich selbst und projiziert externe 'fremde Mächte' in
seine Scheinrealität, die jedoch seinem eigenen Ich entspringen. Der Befehl der
'Controller', Bill habe sich als Homosexueller zu tarnen, erscheint in Naked
Lunch als ein externalisierter Impuls seines eigenen Unterbewußtseins – die
Freisetzung seiner unterdrückten Sexualität. Damit wären die Cronenbergschen
Motivkreise der 'Kontrolle des Protagonisten durch fremde, externe Mächte und
153
Einflüsse' in den zuletzt besprochenen Filmen ohne Zweifel wieder auf die
Thematik der 'mentalen Transformation' beziehungsweise der 'mentalen Isolation' zurückzuführen.
Eine Fusion aus der diesmal wortwörtlichen Programmierung der Protagonisten (Videodrome) und den Verschwörungen von geheimen Organisationen (Naked Lunch) präsentiert Cronenberg in seinem letzen Film eXistenZ. Einmal in
das Spiel eingeklingt, haben die Spieler – nach Aussage der Erfinderin Allegra
Geller – nicht die absolute Kontrolle über ihr Handeln in der virtuellen Welt. Die
Erfinderin des Spiels erklärt, daß diverse Verhaltensmuster vom Spiel vorgegeben werden, damit der Spielverlauf in die entsprechende Richtung gelenkt wird.
So geschieht es, daß Ted Pikul Spielfiguren mit Worten anspricht, die zu sagen
er gar nicht beabsichtigt hatte – hier hat die Software das 'Gamepods' die Kontrolle über den Spieler übernommen. Wie weit diese Kontrolle gehen kann zeigt
Cronenberg anhand der Szene, in der sich Ted Pikul aus Knochenresten einer
bizarren Malzeit eine 'Knorpelpistole' zusammenfügt und an Allegra gewandt
verkündet, er habe das Bedürfnis irgend jemanden umzubringen. Kurze Augenblicke später tötet Pikul den chinesischen Kellner, der im eigentlichen Sinn des
Spiels seinen Kontaktmann darstellte – das Motiv für diese Hinrichtung erfährt
Pikul später über eine dritte Person. 'eXistenZ' läßt somit seinen Spielern kaum
Freiraum um einen freien Willen in der virtuellen Realität zu entfalten. Die Figur
des Ted Pikul unterscheidet sich somit kaum noch von der des Max Renn, der
von der 'Videodrome'-Konspiration programmiert, sich seiner Geschäftspartner
entledigt.
Mit jedem Wechsel zwischen den einzelnen Realitätsebenen scheinen die
Spieler in 'eXistenZ' neu programmiert zu werden, scheinen sie neue Identitäten
anzunehmen: Auf einem virtuellen Bazar kaufen Ted und Allegra
Miniaturausgaben ihrer 'Gamepods'. Einmal an den 'Bioport' des Spielers
angeschlossen, verschwinden die 'Minipods' durch diese biologische
Schnittstelle im Körper der Spieler. Allegra und Ted gelangen dadurch nur auf
eine neue Realitätsebene in 'eXistenZ', ihre Spielcharaktere werden hierbei
gleichsam neu programmiert, neu erfunden. Binnen weniger Sekunden
entwickeln Ted und Allegra, die sich bis dahin sehr distanziert zueinander
verhalten haben, ein ungeahntes sexuelles Verlangen aufeinander73. Mit der
Erfindung neuer Realitäten werden in eXistenZ gleichzeitig Figuren und deren
Charaktere und Rollen im Spiel neu erfunden, ohne daß die beteiligten
Personen darauf Einfluß nehmen könnten.
Die Protagonisten in Cronenbergs Filmen scheinen, der Vielzahl der hier
angesprochenen, von Cronenberg benutzten Motivkreise zum Trotz, das sie
untereinander verbindende Charakteristikum des 'Außenseiters' für sich in
Anspruch zu nehmen, gleichgültig, ob die Konsequenz der mentalen oder
sozialen Isolation des Phänomen der psychischen beziehungsweise physischen
Transformation, des Zurückziehens in konstruierte Scheinrealitäten oder der
154
externen Kontrolle einer Fremdeinwirkung entspringt. Ebenfalls tritt hierbei das
Motiv des 'Individualitätsverlusts' in den besprochenen Filmen auf; wiederum
unabhängig von der Tatsache, ob diese Auflösung der Persönlichkeit von
körperbezogenen oder seelischen Aspekten dominiert wird. Hierbei erfährt das
Individuum eine Reduktion zur willenlosen biologischen Maschine, unfähig, die
von ihr ausgehenden Handlungen und Aktionen selbst zu bestimmen. So
erscheint es dem Betrachter oft, als stelle Cronenberg die Autonomie des
menschlichen Wesens prinzipiell in Frage, da Filme wie The Dead Zone oder
Dead Ringers die Thematik eines dem Protagonisten vorbestimmten,
unausweichlichen Schicksals aufwerfen. Weiterhin widmet sich Cronenberg der
Problematik eines von seiner Biologie determinierten Individuums, welches
sich, unfähig seinem vorprogrammierten Schicksal zu entkommen, bereitwillig
dem (vom Zuschauer zu Recht bereits erwarteten) letalen Ende ergibt.
155
Anmerkungen
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
zitiert aus der deutschen Fernsehfassung von Forbidden Planet (1:22 -1:23). In diesem von
Shakespeares 'The Tempest' inspirierten Science-fiction-Film landet ein Raumschiff unter
Kommando von Captain Adams auf dem Planeten Altair IV, um nach einem seit zwanzig
Jahren verschollenen Raumschiff zu suchen. Die einzigen Überlebenden, Dr. Morbius und
seine Tochter, haben sich die unvorstellbare Technologie der ausgestorbenen Ureinwohner,
der Krell, zu nutzen gemacht. Doch diese Technologie, die alle Gedanken in Materie umsetzen kann, wird den Menschen auf Altair IV beinahe zum Verhängnis: Das Unterbewußtsein
des Dr. Morbius läßt aus seiner Abneigung Captain Adams gegenüber ein Monster aus dem
Id entstehen, welches das Leben aller bedroht.
Forbidden Planet (Alarm im Weltall) USA 1956, Buch von Cyril Hume, Regie: Fred McLeod
Wilcox.
Rodley, Chris, S. 58.
David Cronenberg, zitiert nach: 'David Cronenberg – I Have To Make The Word Be Flesh'
(Fernsehdokumentation, Frankreich 1999).
Der französische Philosoph René Descartes (*1596, †1650), oftmals auch als Begründer der
modernen Philosophie und der analytischen Geometrie bezeichnet, gilt als wichtiger Vertreter der philosophischen Betrachtung der Konfliktes zwischen Körper und Geist.
Das Phänomen der psychosomatischen Krankheitserscheinungen basiert auf der Lehre von
dem Dialog zwischen Leib und Seele, wobei die Psyche des Menschen als ausschlaggebend für den Ausbruch dieser Krankheiten hervortritt. Organische Erkrankungen können sich
aus seelischen Ursachen wie Depressionen, Angstzuständen oder gar Streßerscheinungen
entwickeln und sich wiederum negativ auf die Psyche zurückwirken.
Rodley, Chris, S. 80.
Diese Demonstration endet mit Applaus seitens der Zuschauer im Hörsaal des Instituts.
Dem Kinozuschauer jedoch erscheint Dr. Raglans Demonstration eher unbefriedigend,
macht Mike Trellan doch noch einen zu hilfsbedürftigen Anschein, als daß man von einer erfolgreichen Therapie sprechen könnte. Und tatsächlich erscheinen die Erfolge der Therapie
Dr. Raglans als zweifelhaft, da die Patienten als unselbständig charakterisiert werden, was
besonders in der Figur des Mike Trellan zum Ausdruck kommt, der sich weigert, das 'Somafree'-Institut zu verlassen, als Raglan es für seine Patienten schließen läßt, um so seine
Studien einzig auf Nola Carveth konzentrieren zu können.
So führte die Psychoanalyse zum Beispiel Krankheitserscheinungen wie partielle Lähmungen, Blindheit oder Stimmverlust bei physisch gesunden Menschen auf psychische Effekte
wie unterbewußte Wünsche oder Traumata zurück.
Oetjen / Wacker, S. 80.
Seth Brundle beweist sein fehlendes Mitgefühl oder die absolute Dominanz seines triebhaften, animalischen 'Es', indem er den ehemaligen Lebensgefährten seiner Freundin Veronica,
Stathis Borans, grausam verstümmelt (The Fly, 1:22).
Oetjen / Wacker, S. 137.
An dieser Stelle sei angemerkt, daß, als in besagter Traumsequenz, in der Veronica Quaife,
die von dem bereits sich genetisch verändernden Seth Brundle ein Kind erwartet, die überdimensionale Made 'zur Welt bringt', David Cronenberg die Rolle des behandelnden Gynäkologen verkörpert (The Fly, 1:09).
Die menschliche Hülle als Kokon für eine neue Lebensform - eine Thematik, die auch John
Carpenter in seinem 'Remake' des Science-fiction-Klassikers The Thing aufgreift, in der ein
amorphes, außerirdisches Wesen die Bewohner einer Forschungsstation in der Antarktis infiltriert und assimiliert. Wird ein durch dieses Wesen infiziertes Individuum bedroht, bricht
das fremde Wesen in Form sich ständig verändernden Fleisches buchstäblich aus der
menschlichen Hülle hervor.
Vgl.: 'Das moderne Lexikon' (Gütersloh, 1977), Band 18, S. 269.
ebd., S. 268.
Beard, William, in: Handling, Piers, S. 4.
Der Begriff der 'Dead Zone' bezieht sich hier ausschließlich auf den Film David Cronenbergs
und nicht auf die abweichende Bedeutung des betreffenden Terminus in Stephen Kings Roman.
156
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
"At the beginning John Smith is involved in a car accident, and goes into a coma until the
mid-1970s. When he awakes, he not only feels alien in the changed cultural and political
landscape, but finds, that he has new, uncontrollable psychic powers that are gradually killing him. They seem to originate in a part of his brain destroyed by the crash, the 'dead zone'
of the title. But the dead zone not only gives psychic powers, it also takes memories. He has
lost the ability to make minor mental associations, and is unable to name certain objects."
Jancovich, Mark, S. 100.
Es findet sich in The Dead Zone jedoch noch ein weiterer Bezug zwischen geistiger Befähigung und dem Aspekt der Körperlichkeit: Die Visionen des Johnny Smith machen einen direkten Körperkontakt (beispielsweise das Berühren mit den Händen) mit einer anderen Person erforderlich. Durch diesen physischen Kontakt kann die Gabe des Protagonisten in bezug auf sein Gegenüber aktiv werden: Es erfolgt quasi ein 'Zusammenschluß zweier Nervensysteme', eine Umschreibung, die auch die Figur des Dr. Paul Ruth im Zusammenhang
mit dem Phänomen des 'Scannens' benutzt.
Das 'Scannen' ist jedoch kein Vorgang, der nur von einem mental begabten Menschen als
eine von ihm ausgehende, aber von anderen Personen nicht reflektierte Handlung charakterisiert wird. Die Gruppe von 'Scannern', die sich um die Figur der Protagonistin Kim Obrist
versammelt hat, erfährt das gemeinschaftliche 'Scannen' als eine Art Gruppentherapie, als
eine Selbsthilfe, als ein Verschmelzen zu einem Gemeinschaftsbewußtsein, als ein positives, emotionales (und beinahe auch erotisches) Erlebnis (0:47).
Vgl.: Scanners, (0:43).
Szely, Sylvia, "'Brothers should be close, don't you think?' - Verdopplung und Trennung in
Scanners und Dead Ringers" in: Robnik / Palm, S. 82f.
Baumann, Hans, S. 253 [Hier ist als ergänzende Lektüre der gesamte Abschnitt "Krankheit,
Schmerz und Tod", S. 253ff, zu empfehlen].
Oetjen / Wacker, S. 28.
Dieses beinahe dokumentarische Element tritt besonders in Cronenbergs The Fly hervor, in
dem erstens der Zerfall Seth Brundles detailliert in verschiedenen Phasen festzuhalten ist
und zweitens die Tatsache eine Rolle spielt, daß der Wissenschaftler erst sein Experiment,
später seine fortschreitende Transformation durch die Reporterin Veronica Quaife mit der
Videokamera dokumentiert wissen möchte.
Vgl.: hierzu Abschnitt 3, 'Cronenberg rezensiert'.
McCarty, John, 'The Modern Horror Film', S. 176.
David Cronenberg, zitiert nach: 'David Cronenberg – I Have To Make The Word Be Flesh'
(Fernsehdokumentation, Frankreich 1999).
Oetjen / Wacker, S. 78f.
Dieser dramatische Höhepunkt des Films The Brood, die Konfrontation zwischen Frank Carveth und seiner Frau Nola, erinnert an ein vetrautes Bild aus dem Genre des Vampirfilms:
Nola breitet ihrer Arme aus und entfaltet dabei ihr weißes Gewand, wie ein Vampir sein Cape entfaltet, bevor er seinem Opfer das Blut aussaugt. Die Kamera Mark Irwins erfaßt hierbei
die Gestalt der Schauspielerin Samantha Eggar aus der Rückenansicht, als sie ihr 'VampirCape' öffnet, welches das Geheimnis um sie und um ihren Fortschritt mit der 'Psychoplasmatherapie' verdeckt. Für einen kurzen Moment erscheint die Figur der Nola als angriffsbereiter Vampir, bereit, sich auf ihren Mann Frank zu stürzen.
Diese 'Traumsequenz' erscheint visuell noch drastischer als die bereits besprochene Geburt
der 'Brut': Veronica Quaife wird, nachdem sie erfahren hat, daß sie von dem sich bereits
verwandelnden Seth Brundle schwanger ist, in eine Klinik zwecks Abtreibung des Kindes
eingewiesen. Auch hier erspart der Regisseur dem Zuschauer nicht die visuelle Gewalt seiner Bilderwelten: Der Gynäkologe (dargestellt von David Cronenberg selbst) holt aus Veronicas Unterleib eine circa dreißig Zentimeter große, zuckende, weiße Insektenlarve hervor.
Rodley, Chris, S. XXII.
Unzutreffenderweise interpretierten Kritiker wie auch Zuschauer The Fly als metaphorische
Auseinandersetzung mit der AIDS-Problematik, was von Cronenberg dementiert wird.
Vgl.: hierzu Rodley, Chris, S. 127ff.
Rodley, Chris, S. 58.
(1:00 - 1:02)
157
34
35
36
37
38
39
40
41
42
43
44
45
46
47
48
49
50
51
52
53
54
55
56
57
58
59
Dieses steht (natürlich) im krassen Gegensatz zu der Figur des Wissenschaftlers André Delombre (Al Hedison) der Erstverfilmung von The Fly aus dem Jahre 1958, der nur den überdimensionalen Kopf und die insektenhafte Klaue einer Fliege besaß und diese zum Beispiel
unter einer Kapuze verbarg, nur um in einem klassischen Schockmoment, in dem der Zuschauer den Fliegenkopf zum ersten Male zu Gesicht bekommt, demaskiert zu werden.
Mulay, James, 'The Horror Film', S. 84.
Baumann, S. 258.
Edelstein, David, "The Love Bug" in 'Rolling Stone' (Nr. 484, 1986), S. 45.
Somit ließen sich die Filme Shivers und Rabid (würden die Produktionsdaten außer acht
gelassen werden) eher auf die bereits angesprochene AIDS-Problematik beziehen als der
1986 entstandene The Fly. Die Behauptung, diese Filme besäßen einen 'prophetischen
Charakter', wird ebenfalls von Cronenberg dementiert.
Wieder einmal ist das Cronenbergsche Vokabular in Videodrome in oben genanntem Zitat
besonders zu beachten. Es scheint nicht zu genügen, daß das 'Videodrome'-Signal die Figur
des Max Renn beispielsweise hypnotisiert und damit seine Halluzinationen hervorruft, sondern wieder einmal wird direkter Bezug auf unkontrolliertes, wucherndes Fleisch (besagten
Gehirntumor) genommen.
David Cronenberg zitiert nach: Rodley, Chris, S. 80.
Dead Ringers (1:09).
David Cronenberg, zitiert nach Rodley, Chris, S. 31.
zitiert nach der Fernsehdokumentation 'Verwandlungen - Der Filmemacher David Cronenberg'.
Vgl.: hierzu im Kapitel 'double writing' den Abschnitt der Doppelgängermotive in Cronenbergs Filmen Scanners und Dead Ringers und nachstehendes Schaubild.
Cronenberg, zitiert nach Rodley, Chris, S. 147.
Oetjen / Wacker, S. 24.
David Cronenberg, zitiert nach: 'David Cronenberg – I Have To Make The Word Be Flesh'
(Fernsehdokumentation, Frankreich 1999).
M. Butterfly (1:24).
Erwähnenswert erscheint die Tatsache, daß sich David Cronenberg in der Gestaltung seiner
Figuren ausschließlich auf René Gallimard und Song Liling konzentriert, die Beziehung des
französischen Botschaftsangestellten zu seiner Frau Jeanne erscheint seitens des Regisseurs nur skizziert. Sie wirkt indifferent gegenüber der Affaire ihres Gatten, eine Szene, in
der sie René verläßt, wird nicht etabliert, wodurch die Präsenz der Jeanne Gallimard zu einer Statistenrolle reduziert wird.
So befragt Song Liling René Gallimard beispielsweise: "Bei der Auswahl, die Du an westlichen Frauen hast, wieso hast Du da ausgerechnet mich, eine Chinesin, gewählt, die eine
knabenhafte Brust hat?". Gallimard entgegnet, ohne diese Art der Hinweise zu beachten:
"Nein, nicht die Brust eines Jungen, eher die eines Mädchens. Eines jungen, unschuldigen
Mädchens." (0:40).
David Cronenberg, zitiert nach: 'David Cronenberg – I Have To Make The Word Be Flesh'
(Fernsehdokumentation, Frankreich 1999).
Stiglegger, Marcus, "Fin de siecle – fin de globe: Endzeitstimmung im Film der 90er Jahre"
in: 'film-dienst' (21/98).
David Cronenberg zitiert nach Rodley, Chris, in: 'Sight and Sound' (o.A.).
vgl. Cronenberg, David, 'Crash' (London, Boston, 1996), S.35.
ebd. S.42.
ebd. S.5.
Seeßlen, Georg, "Crash" in: 'epd film' (o.A.).
ebd.
So ist beispielsweise die Figur des Seth Brundle in The Fly seiner eigenen Verwandlung
derart ohnmächtig ausgeliefert, daß der Wissenschaftler seinen Zerfall nur noch sarkastisch
zu kommentieren weiß. In Videodrome steht der Protagonist den Halluzinationen der 'Videodrome'-Realität entsprechend hilflos gegenüber, läßt seine fleischlichen Transformationen
158
60
61
62
63
64
65
66
67
68
über seinen Körper ergehen, betrachtet später seinen Suizid in einem Fernseher, den er willenlos gemäß dem gesehenen Abbild in die Tat umsetzt.
Diese, mehr von anglo-amerikanischen als von deutschsprachigen Kritikern verzeichneten
Parallelen der erwähnten Erzählung und des Filmstoffes, erscheinen eingehend betrachtet
weder widersinnig noch absurd, bezieht der Betrachter Cronenbergs literarischen Background, wie die Faszination des Regisseurs für Insekten und Insektenmotive in seinen Filmen in die Überlegung mit ein. Zweitens bietet alleine die Tatsache des Motivs der Verwandlung eines Menschen in ein Insekt die Basis einer vergleichenden Betrachtung von Literatur
und Film. Dominantester Gedankengang dieser Gegenüberstellung erscheint jedoch in der
Schilderung der Reaktion des sozialen Umfeldes auf die zu Insekten transformierten Protagonisten und deren soziale und emotionale Isolation in den Werken des Autors beziehungsweise des Regisseurs.
Vgl.: Kafka, Franz, 'Die Verwandlung' (Frankfurt am Main, 1993).
Omasta, Michael, "Mutationen der dritten Art - David Cronenbergs «Special Actors»" in:
Robnik / Palm, S. 29.
Tatsächlich versetzt Cronenberg in The Fly das Setting seines Films auch nur in wenigen
Szenen außerhalb des Labors – eine Tatsache, die dem Film beinahe schon den Charakter
eines Kammerspiels verleiht.
Seth Brundle zu Veronica Quaife in The Fly (1:15).
Diese Drohung Brundles findet sich im späteren Verlauf des Films bestätigt, als der Wissenschaftler im letzten verzweifelten Versuch, seine verlorene Menschlichkeit wieder herzustellen (seinen Körper mit dem der schwangeren Veronica Quaife zu fusionieren), um so den animalischen Anteil in seinem Körper auf ein Minimum zu reduzieren (1:24), wobei er keine
Skrupel zeigt, durch dieses Experiment das individuelle Wesen seiner Geliebten zu zerstören.
Das Schicksal der Nicki Brand wird dem Zuschauer des Films Videodrome nicht in eindeutigen, unmißverständlichen Informationen zugänglich gemacht. Nachdem sie Max Renn offenbart, daß sie in Pittsburgh mit den Initiatoren des 'Videodrome'-Senders Kontakt aufzunehmen versucht, erscheint sie Max in einer seiner vielschichtigen Halluzinationen als Mörderin Professor O'Blivions im Auftrag der 'Videodrome'-Konspiration (0:36), danach in den
bei 'Spectacular Optical' durch besagten Helm aufgezeichneten Visionen (0:50), später suggeriert Bianca O'Blivion dem bereits ausschließlich in Halluzinationen seine Umwelt wahrnehmenden Protagonisten, Nicki Brand wäre von den 'Videodrome'-Hintermännern ermordet
worden, eine Tat, die sich wieder einmal in Fernsehbildern für Max als 'Realität' darstellt
(1:07). Gleichgültig, wie der Rezipient von Videodrome die von Cronenberg dargebotenen
Bilder zu deuten vermag, so spricht doch die Tatsache, daß die Figur der Nicki Brand ab einem gewissen Zeitpunkt (0:36) nur noch via Fernsehbildschirm im Geschehen auftaucht, für
die Authentizität ihres Todes.
David Cronenberg, zitiert nach einem Interview in der 'Süddeutschen Zeitung' (29. April
1992).
'Blickpunkt: Film' (Nr. 42, 18. Oktober 1993).
Über die M. Butterfly zugeschriebene Durchsichtigkeit der Travestie Song Lilings (und damit
auch der Darstellung John Lones) herrscht im Tenor der Rezensionen eine beinahe geschlossene Einheit:
"Daß Song Liling ein Mann ist, kaschiert der Film keinen Augenblick. Der / die Geliebte ist
ein Monstrum, eine Ausgeburt der Phantasie des Liebenden. Das Bild von ihm hat mit der
Wirklichkeit und dem Realitätsprinzip nichts zu tun."
Vgl.: Göttler, Fritz, in: 'Süddeutsche Zeitung'.
"Dennoch hätte sich zweifellos ein in der Frauenrolle überzeugenderer Darsteller finden lassen als der Weltstar John Lone, den jedes Kind sogleich als Mann erkennt. Bleibt die Vermutung, daß Cronenberg eben dies beabsichtigt hat, daß er die Irritation des Zuschauers auf
René Gallimards Bewußtseinszustand lenken, dessen Realitätsferne illustrieren wollte. Mag
sein, daß der Zuschauer dem 'Helden' des Films diese Erkenntnis vorausahnen soll."
Vgl.: Terhechte, Christoph, in: 'Tip'.
Unabhängig von der Er- oder Unkenntnis der Maskerade Lilings gelingt es Cronenberg dennoch, gezielt die intendierte emotionale Reaktion des Betrachters hervorzurufen. Im Falle
des Nichterkennens der Travestie erlebt der Zuschauer, der konsequenterweise Gallimard
als Identifikationsfigur akzeptiert hat, die Demaskierung Lilings vor Gericht als Schockmo-
159
69
70
71
72
73
ment. Akzeptiert der Betrachter jedoch nicht die ihm angebotene Illusion der Weiblichkeit,
wird ihm somit die Tragik und die Ausweglosigkeit dieser Beziehung bewußt.
Harkness, John, "M. Butterfly" in: 'Sight and Sound' (5 / 94).
Löser, Claus, "Videodrome" in: 'Lexikon des internationalen Films' (CD-ROM Ausgabe
1999).
Cronenberg ersetzte in Naked Lunch Drogen wie beispielsweise Marihuana und Heroin
durch das 'bugpowder', das 'Schwarze Fleisch' und das 'Mugwump'-Sperma, da es weder in
seiner Intention lag, einen 'Drogenfilm' inszenieren zu wollen, noch sich thematisch mit den
sozialen Aspekten der Drogenproblematik auseinanderzusetzen.
Vgl.: Interview mit David Cronenberg in der 'Morgenpost' (30. April 1992).
Da, wie bereits in der Abhandlung des Aspektes der diversen Realitätsebenen in Naked
Lunch angesprochen, die sogenannte 'Interzone' nur als eine fiktive Scheinrealität des verstörten Geistes Bill Lees existiert, läßt sich die Aufforderung seines 'case officers', er habe
den 'Deckmantel der Homosexualität anzulegen' nur hinsichtlich der Tatsache interpretieren,
daß die Homophilie des Protagonisten bereits inaktiv vorhanden gewesen ist (bisher aber
durch seine Ehe mit Joan Lee unterdrückt, ebenso wie durch das normative Leben innerhalb
der realen Gesellschaft der Stadt New York), jedoch erst in den lasziven Rauschzuständen
der 'Interzone' ausgelebt werden kann.
Das Eindringen des Miniatur-'Gamepods' in den menschlichen Körpers, gefolgt von ungebändigter sexueller Stimulation stellt hier ein Eigenzitat Cronenbergs auf seine Parasiten in
Shivers dar.
160
Zum Schluß
"I've seen The Brood, Scanners and Videodrome in the intervening
years. I'm too cowed to look at The Parasite Murders [Shivers] a second
time, never mind The Brood; they're just too disturbing. Cronenberg's
best movies still have the capacity to cause a sort of Jungian culture
shock. They're like Bunuel [sic!], or Francis Bacon: wit and trauma
savagery and pity. Within what for most people is a very restrictive genre,
Cronenberg has come up with a vision that is genuinely original. Internal
metaphors, external horror. […] I think a lot about his movies. I wish I
didn't. I look forward to the new ones. I wish I didn't. They still have the
old power."1
Martin Scorsese
Es existieren sicherlich noch mehr Aspekte, die Cronenbergs
Schaffen prägen und einzigartig erscheinen lassen. Doch
sollten wir uns nicht die Filme durch übertriebene Pedanterie
oder Akribie verderben lassen. Der Filmwissenschaftler neigt
von Natur aus dazu, viele Dinge einfach 'tot zu analysieren'.
Interessant wären jedoch noch einige Aspekte der
Cronenbergschen Filmsprache:
Die Figur des 'Cronenbergschen Wissenschaftlers'
(besonders im 'Frühwerk') und seine Funktion im Vergleich zum klassischen
'mad scientist' wäre sicherlich ein Thema.
Hardcore-Theoretiker können sich noch mit der Bildgestaltung und Montagetechnik in Cronenbergs Filme beschäftigen. Vielleicht finden sie ja nach drei
Jahren Recherche einen Algorithmus, nach dem die Filme des Kanadiers montiert sind. Zu ihrem großen Erstaunen werden diese Hardcore-Theoretiker dann
feststellen müssen, daß dies niemanden interessiert.
Sicher ist, daß Cronenbergs Filme einen sehr eigenwilligen Look haben. Sie
wirken sehr dicht, arbeiten selten mit Totalen, sondern bleiben fast immer nah
am Subjekt. Cronenberg, der nicht durch den sogenannten inspirierenden 'magischen Kinomoment' das Medium Film entdeckte, sondern die technische Annäherung an die Materie durch autodidaktisches Erlernen der Kameratechnik
suchte, inszeniert spartanische, kühle und beinahe statische Bilder, durch die
es ihm beispielsweise gelingt, die monumentale Kulisse der Chinesischen Mauer in M. Butterfly derart in Szene zu setzen, daß sie im Gegensatz zu der Intimität der davor agierenden Figuren René Gallimard und Song Liling als unbedeutend erscheint.
"Mit klinischer Ungerührtheit, lakonisch, scheinbar ohne Wertung wird die
Kamera auf das Geschehen gerichtet. In Abgrenzung zum Designer-Kino
des letzten Jahrzehnts verzichtet Cronenberg stets auf die gesuchten
Einstellungen und ambitionierten Manöver, die den Effekt einer Szene
bloß 'unterstützen', und die auffällige Abwesenheit der Emotion in seiner
161
Verwendung des filmischen Apparats steht in irritierendem Kontrast zur
Entfesselung des Leibes, zur Vorherrschaft von Körperflüssigkeiten,
Zusatzorganen und unkontrollierbaren Wucherungen in den Bildern
selbst."2
Drei zentrale Thesen
Es stellt sich die Frage, ob sich die einzelnen Stilmittel der spezifischen Filmsprache Cronenbergs in eine allgemeingültige Formel fassen lassen, eine Formel, die im Verlauf seines cineastischen Schaffens mit der Komplexität seines
'Reifeprozesses' immer weiter konkretisiert werden kann. Dieser Reduktionsversuch erweist sich als äußerst komplexe Problemstellung, da die besprochenen Einzelaspekte zu vielschichtig erscheinen, als daß eine Evaluierung der
Cronenbergschen 'Geheimformel' des Ergebnisses seines in seinen Filmen
konstant fortgeführten Experiments allgemeingültig vorgenommen werden
kann. Eher erscheint es angebracht, mehrere mögliche Thesen im Zusammenhang des Cronenbergschen Kinos als Iteration an eine thematische, den Film
als Einzelwerk übergreifende Essenz zu diskutieren:
Erste These: Auseinandersetzung mit Sterblichkeit
"Furthermore, each film can now be seen as an important and necessary
stage in a continuing meta-experiment, which has taken years. In true
scientific spirit, the director has been encouraged by each movie to
progress and refine that experiment - film to film as part of a lifetime's
commitment towards an end: finding the cure to a disease common to us
all. It is called mortality.
Knowing this disease to be incurable, and finding religious belief an
unacceptable anaesthetic, each film explores an alternative way of
exploring and diffusing anxiety about death. Mutation and transformation
are offered up as possible cures for a mind / body schism which results
from the very incomprehensibility of bodily demise."3
Die Filme Cronenbergs als 'Meta-Experiment' konfrontieren den Zuschauer mit
dem gesamten Zyklus seiner begrenzten Existenz, mit Bildern der Geburt (The
Brood, The Fly), der Krankheit (Shivers, Rabid), des Alterns, des Zerfalls (The
Fly) und des Todes, der in jedem seiner Filme eine zentrale Rolle einnimmt.
Abgesehen von der Konfrontation des Zuschauers mit der oftmals tabuisierten,
expliziten Darstellung und Diskussion der menschlichen Endlichkeit, offenbart
Cronenberg wiederholt auf eindringliche und unangenehme Art und Weise die
Tatsache, daß sich der Mensch seines Zerfalls durch Alter und Krankheit
beinahe schmerzlich bewußt wird und somit der Unausweichlichkeit seines
eigenen Todes entgegensieht. Ein Aspekt des filmischen Gesamtwerks,
welcher besonders in The Fly zum Ausdruck kommt, als Seth Brundle im
162
Bewußtsein
seiner
voranschreitenden
Transformation
und
seines
unabwendbaren Todes seinen konstanten Verfall exakt bis ins letzte Detail
dokumentiert. Veronica Quaife, die dem kontinuierlichen Zerfall ihres Geliebten
ebenfalls hilflos gegenübersteht, symbolisiert somit die Ohnmacht gegenüber
der Tatsache der Sterblichkeit eines jeden Menschen. "Einer erlebt des anderen
Zerfall und Tod. Und das ist stets eine schmerzhafte Erfahrung"4 kommentiert
Cronenberg das altersbedingte Siechtum, welches er im Zusammenhang der
Verwandlung seines Protagonisten in die 'Brundle-Fliege' symbolisiert. Weitaus
erschreckender erscheint somit in Anbetracht der Unabwendbarkeit des Todes
auch noch die in Dead Ringers und Videodrome thematisierte Bereitschaft zur
freiwilligen Aufgabe dieser Existenz in Form der 'operativen Trennung' der
Mantle-Zwillinge oder der Zerstörung des 'alten Fleisches' (des Körpers) Max
Renns. Diese intensive und für manchen Zuschauer emotional unbehagliche
Auseinandersetzung mit der Endlichkeit menschlicher Existenz erscheint als ein
möglicher Indikator für den Zwiespalt in der Rezeption und Rezension der Filme
Cronenbergs:
"Und doch geht es Cronenberg um weit mehr, als Angst und Schrecken
zu verbreiten und ein Kino der Katharsis zu zelebrieren. Eigentlich ist das
Gegenteil der Fall. Cronenberg erzählt nicht vom Ende mit Schrecken, er
beschreibt einen Schrecken ohne Ende, und dieser Schrecken heißt
Leben und Verstrickung. Wenn seine Filme zu Ende sind und seine
Leinwand-Helden ihre 'Erlösung' gefunden haben, dann sind die
Geschichten noch lange nicht zu Ende: Sie wirken nach, wirken ins
wirkliche Leben hinein.
Das Horror-Kino hat sich unter Cronenbergs Regie zum Kino der
modernen Leinwand-Tragödie gewandelt."5
"Wir redeten ja darüber, daß der menschliche Körper die erste Tatsache
der menschlichen Existenz ist. Für mich hat dort alles seinen Ursprung:
Philosophie, Religion. Alles ergibt sich aus dem Körper und seiner
Sterblichkeit."6
Zweite These: das Leben als kontinuierlicher Prozeß
der Transformationen
"This unshakeable belief in the unavoidable nature of change (it is
neither good nor bad, it simply is) lies at the centre of Cronenberg's
cinema. Together his films constitute a perversely polemical body of work
which has grown in strange and wondrous ways while retaining an
immutable retaining heart. The rebellion of the body; the unconscious
redefinition of the self; the shock of the flesh - each of these themes has
been employed by Cronenberg to address his recurrent central thesis:
the acceptance and celebration of mutation."7
163
Der zweite Versuch, die Aspekte des 'Cronenberg-Codes' in einer Formel zusammenzufassen beziehungsweise einen einzelnen Gesichtspunkt für das Gesamtfilmwerk als dominant zu betrachten, konzentriert sich auf die Darstellung
des Lebens, von Geburt bis zum Tod, als kontinuierlicher Zyklus niemals endender Transformationen und Verwandlungen, wenn nicht gar Metamorphosen.
Cronenberg, fasziniert vom Motiv eines sich verpuppenden Schmetterlings als
Symbol der Verwandlung, setzt die Natur dem Begriff der 'Veränderung' gleich,
unabhängig davon, ob die Transformationen von destruktiver körperlicher (Shivers, Rabid, The Brood), mentaler (Scanners, Videodrome, The Dead Zone,
Dead Ringers) oder sexueller Natur (Naked Lunch, M. Butterfly) sind oder ob
sie als Symbol des Alterns, des Zerfalls durch Krankheit und des Sterbens (The
Fly) dienen.
"Mich interessiert weniger der biologische Aspekt der Geburt, sondern
das kreative Moment einer menschlichen Wiedergeburt. Der Gedanke,
daß wir uns neu erfinden, etwas neu erfinden, die Welt neu erfinden."8
Dritte These: Wiederkehr und Akzeptanz des Verdrängten
"Fast alle seine [Cronenbergs] Filme handeln von der Wiederkehr des
Verdrängten, das mit Gewalt durch die Oberfläche des 'zivilisierten'
Lebens bricht und metaphorisch als body horror zum Vorschein kommt
— indem es den 'zugerichteten' zivilisierten Körper deformiert. Das wäre
an sich noch nicht so bemerkenswert, versuchte Cronenberg nicht, im
Unterschied zu den traditionellen Hervorbringungen des Genres, dem
guten alten Es – 'Id', wie das Monster als Materilisation verdrängter
Wünsche in dem SF-Klassiker Forbidden Planet programmatisch wurde
– endlich zu seinem Recht zu verhelfen."9
Abgesehen von der zuvor beschriebenen Symbolik der Cronenbergschen
Transformationen und Metamorphosen, implizieren diese Verwandlungen
weitaus drastischere Veränderungen, als die bloßen Auswirkungen auf die
Physis des Protagonisten, setzen sie doch das Verdrängte, das Unterbewußte
meist auf zerstörerische Weise frei. Der Parasit in Shivers entfesselt die längst
verdrängte animalische Lust einer überrationalisierten und uniformen
Gesellschaft. Das zu lange unterdrückte, animalische 'Es', das enorme
menschliche Aggressionspotential, erhebt sich in Form der die letale Tollwut
verbreitenden Rose in Rabid, in Gestalt der 'Brut' der Nola Carveth oder des,
aufgrund der genetischen Fusion in Seth Brundle hervorbrechenden,
gnadenlosen Insekts in The Fly. Wiederum bezeichnet dieses Motiv der
'Wiederkehr des Verdrängten' auch das Erwachen eines neuartigen
Körperbewußtseins, einer aufgrund der Tabuisierung der Gesellschaft allzu
lange unterdrückten Sexualität, die im Fall von Max Renn in Videodrome zur
164
Entdeckung sado-masochistischer Sinnlichkeit mit seiner Partnerin Nicki Brand
führt und bei Bill Lee zum Ausleben seiner Homosexualität in der Scheinrealität
der 'Interzone', die er zugunsten eines 'normalen' Lebens im New York der
fünfziger Jahre unterdrückte.
"Natürlich fürchtet sich Lee vor dieser Wahrheit [der Entdeckung der
eigenen Homosexualität], stellt sie doch ein weiteres Mal die endlich
sicher geglaubte Identität in Frage. Von seinen diversen
Schreibmaschinen, die im Rausch ein garstiges Eigenleben entwickeln,
wird er zu dieser Erkenntnis gezwungen: Sie diktieren ihm die Sätze
ebenso wie sein Leben, und auch der Seitensprung mit der Frau des
Freundes hilft wenig. Im Gegenteil, während des Liebesaktes wird Lee
von einem Inkubus [der sogenannte Sex-Blob] heimgesucht; es gibt eben
kein Entrinnen vor dem eigenen Ich."10
Durch diese physischen und/oder mentalen Transformationen lernen die
Cronenbergschen Protagonisten, das Verdrängte, ihr Aggressionspotential, ihr
neuartiges Körperbewußtsein und ihre ihnen bis dahin fremdartige Sexualität zu
akzeptieren, sich mit dieser Seite ihrer Persönlichkeit zu konfrontieren und darin
aufzugehen, so wie Seth Brundle durch die genetische Fusion während seiner
Teleportation sein überrationalisiertes Ich zugunsten einer animalischen, auf die
Physis fixierten Persönlichkeit aufgibt.
"Die Gesellschaft basiert auf Anschein, auf Strukturen, auf Verdrängung.
Aus der Sicht Freuds ist Zivilisation Verdrängung. […] es besteht
weiterhin die felsenfeste Überzeugung, daß Zivilisation und zivilisiertes
Verhalten nur mit Verdrängung und kaschierenden Strukturen existieren
können. Wenn man aber ein ernsthafter Künstler ist, wünscht man sich
all das zu demontieren."11
Versuch einer Zusammenfassung
An dieser Stelle soll nun ein Ansatz aufgezeigt werden, der den Versuch macht,
die drei oben beschriebenen Thesen zusammenfassend zu formulieren, um
sich somit einem möglichen Gesamtkonzept oder einer übergreifenden Thematik in Cronenbergs Filmen zu nähern:
Keine dieser drei Thesen der 'Auseinandersetzung mit der Sterblichkeit', der
Beschreibung des 'Lebens als kontinuierlicher Vorgang von Transformationen'
oder der 'Auseinandersetzung mit dem Verdrängten' erscheint im Kontext des
Gesamtwerks isoliert von den folgenden oder vorangehenden Theorien. Tatsächlich mutet es an, als stünden alle drei Thesen im Dialog miteinander. Sie
geben sich als untrennbare, miteinander kommunizierende Konstrukte, wobei
das zentrale Motiv der 'Verwandlung' und 'Metamorphose' einen thematischen
Schwerpunkt darstellt: das zentrale Motiv eines jeden Films Cronenbergs ist die
'Verwandlung' des Protagonisten/der Protagonistin, unabhängig von der Natur
165
dieser Transformationen, die sich in physischen Deformationen (Rabid, The
Brood, Videodrome oder The Fly), im Erwachen neuer, mentaler Fähigkeiten
(Scanners oder The Dead Zone), im Verschmelzen zweier konträrer Wesen
(Scanners) oder deren letaler Trennung (Dead Ringers) oder auch in Form der
geschlechtliche Metamorphose, die die Ratio und die 'Norm' zu Gunsten einer
neuartigen Sexualität verdrängt (Shivers, Videodrome, Naked Lunch oder M.
Butterfly), manifestiert.
Die vorgenommene Zentralisierung oder Konzentration der 'Transformation'
(zweite These) als primäres Motiv der Cronenbergschen 'Geheimformel', die
seine Filme zu einem homogenen Gefüge eines Gesamtkunstwerks zusammenführt, umschließt gleichzeitig die essentiellen Aspekte der 'Konfrontation mit
der menschlichen Sterblichkeit' (erste These) und der 'Akzeptanz des hervorbrechenden Verdrängten' (dritte These): Somit stellt beispielsweise die beginnende Mutation der Veränderung des Körpers des Wissenschaftlers Seth
Brundle in The Fly nicht nur den Auslöser für die Konfrontation des Protagonisten mit seiner Sterblichkeit, der Erkenntnis seines Zerfalls, seiner Auflösung und
seines Todes dar, sondern entfesselt auch das der Filmfigur bis dato unbekannte Körperbewußtsein und das verdrängte, animalisch-aggressive Potential, als
das Insekt in ihm hervorbricht.
Es erscheint zwar der Aspekt der physischen, psychischen oder sexuellen
Verwandlung als Leitmotiv, als roter Faden im Werk Cronenbergs, jedoch
scheinen diese Transformationen immer begleitet von einer filmischen
Auseinandersetzung mit Sterblichkeit und Tod in deren verschiedensten
Erscheinungsformen. Weiterhin sind es diese Metamorphosen, die sich als
Auslöser der Entfesselung der unterbewußten oder verdrängten Triebe der
Cronenbergschen Protagonisten erweisen und somit auch dieses Motiv (dritte
These) in das übergreifende Konzept des 'Meta-Experimentes' Cronenbergs mit
einbeziehen. Dieser Dialog, diese Interaktion der ersten und dritten These mit
dem zentralen Konzept der Transformationen wird innerhalb des cineastischen
Gesamtwerks immer wieder variiert. Einzelne Themen werden zu neuen
Geflechten kombiniert, um sich so der zentralen Fragestellung Cronenbergs mit
jedem weiteren Film anzunähern: der Untersuchung oder Bestimmung der
essentiellen Grundbegriffe der menschlichen Existenz.
166
"Is the traffic heavier now? There seem to be three times as many cars as there were
before the accident" – Catherine Ballard (Deborah Unger) in Crash
© Kinowelt
"Maybe the next one, darling… Maybe the next one…" – Catherine (Deborah Unger) und
James Ballard (James Spader) in Crash
© Kinowelt
167
David Cronenbergs am Set von Crash
© Kinowelt
168
Anmerkungen
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
Scorsese, Martin, "Internal Metaphors, External Horror" in: 'BFI Dossier 21 - David Cronenberg'.
Horst, Sabine, "Die Wiederkehr des Verdrängten" in: 'epd Film' (5/92).
Steenbeck, Martyn, Vorwort zu: Rodley, Chris, S. xiv.
zitiert nach Giesen, Rolf, 'Sagenhafte Welten', S. 314.
Vgl.: Messias, Hans, "Die Schuld der Opfer – Die neuen Filme von David Cronenberg" in:
'film-dienst' (10/1992).
David Cronenberg, zitiert nach: 'David Cronenberg – I Have To Make The Word Be Flesh'
(Fernsehdokumentation, Frankreich 1999).
zitiert aus "David Cronenberg - Interview by Mark Kermode" in: 'Sight and Sound' (o. A.).
David Cronenberg, zitiert nach: 'David Cronenberg – I Have To Make The Word Be Flesh'
(Fernsehdokumentation, Frankreich 1999).
Horst, Sabine, "Die Wiederkehr des Verdrängten" in: 'epd Film' (5/92).
Vgl.: Messias, Hans, "Die Schuld der Opfer – Die neuen Filme von David Cronenberg" in:
'film-dienst' (10/1992).
David Cronenberg, zitiert nach: 'David Cronenberg – I Have To Make The Word Be Flesh'
(Fernsehdokumentation, Frankreich 1999).
169
Nachwort
Bezüglich der Fragestellung, ob sich das Grundkonzept der Filme Cronenbergs
bestätigen wird, können bis dato nur Spekulationen erstellt werden. Zukünftige
Filme werden aufzeigen, ob sich der kanadische Filmemacher, in der konstanten Weiterentwicklung seiner filmsprachlichen Stilmittel, auch künftig mit der
Fragestellung nach den beschriebenen Komponenten des Lebens befassen
wird.
Zu erwarten ist, daß sich auch die folgenden Filmprojekte Cronenbergs unter
dem Aspekt der Einordnung in ein homogenes Gesamtkunstwerk einreihen lassen werden, daß sich jedes neue Einzelwerk immer als ein Bestandteil eines
größeren Ganzen, eines 'Masterplans', erweist.
Sicher erscheint weiterhin, daß dem früheren 'Genreregisseur' David Cronenberg durch seine ihm eigene Filmsprache niemals die ungeteilte Gunst eines konsumorientierten 'mainstream'-Publikums zuteil werden wird. Cronenberg
macht kein 'großes Kino', er macht sein eigenes Kino. Er versetzt uns stets mit
seiner ihm eigenen Sprache in seine eigenwilligen Visionen. Auch wenn sich
seine einzelnen Arbeiten stark voneinander unterscheiden, bleiben sie auf ihre
Art und Weise 'Cronenberg-Filme'.
Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang daran, als ich zum ersten Mal
Crash gesehen habe. Nachdem ich mich über ein Jahr intensiv mit Cronenbergs Filmen beschäftigt hatte, dachte ich, ich könnte dem neuen CronenbergFilm vorbereitet gegenübertreten. Besser gesagt, ich dachte, daß ich wüßte,
was mich erwartet.
Noch während des Films fällt mir wieder das Zitat von Martin Scorsese ein: "I
look forward to the new ones. I wish I didn't. They still have the old power." Ich
muß an dieser Stelle auch zugeben, daß einige Zeit vergehen mußte, bis ich
den Mut hatte, mir Crash zum zweiten Mal anschauen zu können.
Somit offenbart sich eine einmalige Ambivalenz: Jeder Film ist neu, einzigartig und auf seine ihm eigene Art verstörend. Auf der anderen Seite ist Crash
dennoch 'typisch Cronenberg' – identifizierbar an der Originalität der Filmsprache. Erkennbar als kleines Teil des Puzzles, des filmischen 'Metaexperiments'.
Im ausgehenden 20. Jahrhundert steckt Hollywood in einer Sackgasse: Ein
Film gleicht dem nächsten – ein Trend kopiert den nächsten, bis eine Welle totgeritten ist. Mir erscheint es, als würden Großproduktionen immer uninteressanter, immer inhaltsloser, gleich unzähligen Generationsverlusten beim Kopieren
von Videobändern. Jede Kopie wird blasser, farbloser, geräuscharmer. Irgendwann sehen wir nur noch grauen Einheitsbrei auf dem Bildschirm, sind aber zu
träge, um wegzuschauen.
Es gibt in diesen Zeiten nur noch wenige Regisseure, die sich einen Dreck
um Hollywood scheren, ihre Visionen verwirklichen und Filme mit einer eigenen
Handschrift prägen. Welche Regisseure können dies noch von sich behaupten?
170
Einige haben sich buchstäblich 'verkauft'. Andere sollen hier absichtlich nicht
genannt werden.
Es gibt heute nur noch wenige Regisseure, die zu den kreativen Künstlern
gezählt werden können. Kaum noch läßt sich unter den soliden Handwerkern,
die heute das Kino dominieren, etwas wie eine 'Handschrift' eines Regisseurs
erkennen.
Nur noch wenige zeichnen sich durch einen persönlichen Stil aus. Zu diesen
wenigen gehört sicherlich David Cronenberg.
171
Die Arbeiten David Cronenbergs
Die nachstehende Filmographie David Cronenbergs wurde aus den folgenden
Quellen zusammengetragen: Wayne Drew, 'BFI Dossier 21 - David Cronenberg'
British Film Institute, Piers Handling, 'The Shape of Rage - The Films of David
Cronenberg', Almut Oetjen und Holger Wacker 'Organischer Horror - Die Filme
des David Cronenberg', sowie Chris Rodley, 'Cronenberg on Cronenberg'. Als
weitere Referenzquelle wurde das 'Lexikon des Internationalen Films' (CD-ROM
Edition) und die 'Internet Movie Database' (german.imdb.com) benutzt. Letztere
bleibt eine der informativsten und zuverlässigsten Filmnachschlagewerke auf
den vernetzten Daten-Highways.
Ich hoffe, daß die Filmographie Cronenbergs so umfangreich und ausführlich
wie möglich geworden ist. Jedoch kann – trotz aller schriftlichen und digitalen
Nachschlagewerke – keine Garantie auf Vollständigkeit gewährleistet werden.
Anmerkung: Inhaltsangaben wurden nur für die Regiearbeiten Cronenbergs
dem jeweiligen Filmeintrag hinzugefügt. Auftritte von David Cronenberg in seinen eigenen beziehungsweise Fremdproduktionen werden in Fettdruck hervorgehoben. Angaben über die Produktionskosten eines Films sind mit Vorbehalt
zu genießen. Die Angaben verschiedener Quellen differieren in nicht gerade
geringen Geldbeträgen. Außerdem scheint sich letzten Endes niemand so recht
sicher zu sein, wie eigentlich die Produktionskosten eines Films kalkuliert werden. Unterschiedliche Angaben zu der Laufzeit eines Films bedeutet nicht
zwangsläufig, daß ein Film 'gekürzt' ist – man bedenke allein die unterschiedliche Rate von '24 frames per second' (Film) und '25 frames per second' (Video).
Angaben zu Kino- und Videoverleih, Daten der Erstaufführung, sowie die Altersfreigabe des entsprechenden Films beziehen sich ausschließlich auf den deutschen Markt.
172
1966
Transfer
Kanada
Regie: David Cronenberg
Drehbuch: David Cronenberg
Kamera: David Cronenberg
Schnitt: David Cronenberg
Ton: Margaret Hindson, Stephen Nosko
Produktionskosten: 300 $
7 Minuten, 16mm, Farbe
Darsteller:
Mort Ritts, Rafe Macpherson.
Inhalt:
Ein surrealer Sketch – ein Zwei-PersonenStück. Mitten auf einem schneebedeckten
Feld sitzen ein Psychiater und sein Patient an
einem gedeckten Tisch. Der Patient ist seinem Psychiater an diesem Ort gefolgt, da er
zu diesem die einzige zwischenmenschliche
Beziehung aufgebaut hat, die ihm etwas bedeutet. Der Patient beteuert, daß er Erfundenes dazu benutzt hat, um den Psychiater zu
erfreuen oder um ihm Sorgen zu bereiten. Der
Psychiater bleibt jedoch gleichgültig.
1967
FROM THE DRAIN
Kanada
Regie: David Cronenberg
Drehbuch: David Cronenberg
Kamera: David Cronenberg
Schnitt: David Cronenberg
Produktionskosten 500 $
14 Minuten, 16mm, Farbe
Darsteller:
Mort Ritts, Stephen Nosko.
Inhalt:
In einer fernen Zukunft sitzen zwei Männer
angezogen in einem Bad in einem Veteranenheim. Sie diskutieren die Veränderungen
in der menschlichen und pflanzlichen Evolution. Eine Pflanze kommt aus dem Ausfluß und
tötet einen der Männer. Der andere Mann
nimmt die Schuhe des Getöteten und deponiert diese in einem Schrank voller Schuhpaare.
173
1969
Stereo
Kanada
Produktion: Emergent Films
Produzent: David Cronenberg
Regie: David Cronenberg
Drehbuch: David Cronenberg
Kamera: David Cronenberg
Schnitt: David Cronenberg
Produktionskosten: 8.500 $
65 Minuten, 35mm, Ratio 1,85:1, Schwarz/Weiß
Darsteller:
Ronald Mlodzik, Iain Ewing, Jack Messinger, Clara Meyer, Paul Mulholland,
Arlene Mlodzik, Glenn McCauley und andere.
Inhalt:
In der Zukunft untersucht die 'Canadian Academy for Erotic Inquiry' die Theorien des Parapsychologen Luther Springfellow. Um das
telepathische Potential zu erhöhen, unterziehen sich sieben Personen einer Gehirnoperation, die ihr Sprachzentrum deaktiviert. Eine
Gruppe Studenten überwacht die Ergebnisse
dieses Eingriffs. Während des Experiments
bestätigen sich Springfellows Theorien. Zu
einem späteren Zeitpunkt fügt man Aphrodisiaka und diverse Drogen der Nahrung der
Testpersonen hinzu, um eine angeborene
'polymorphe Perversion' herbeizuführen. Abschließend werden die Testpersonen voneinander getrennt, was Feindschaft, Gewalt und
zwei Selbstmorde von Gruppenmitgliedern zur
Folge hat.
1970
Crimes of The Future
Kanada
Produktion: Emergent Films, in Zusammenarbeit
mit der 'Canadian Film Development
Corporation' (CFDC)
Produzent: David Cronenberg
Regie: David Cronenberg
Drehbuch: David Cronenberg
Kamera: David Cronenberg
Schnitt: David Cronenberg
Produktionsassistent: Stephen Nosko
Produktionskosten: 15.000 $
65 Minuten, 35mm, Ratio 1.85:1, Farbe
Mono
174
Darsteller:
Ronald Mlodzik (Adrian Tripod), John Lidolt, Tania Zolty, Jack Messinger,
Iain Ewing, Rafe Macpherson, Willem Poolman, Donald Owen, Norman
Snider, Stephen Czernecki und andere.
Inhalt:
In der Zukunft sterben Millionen Frauen kurz
nach der Pubertät an 'Rouge's Malady'. Diese
Krankheit wird durch den Gebrauch von Kosmetika hervorgerufen und wurde nach dem
Dermatologen Antoine Rouge benannt. Obwohl Antoine Rouge verschwunden ist, wird
seine Klinik, 'The House of Skin' von seinem
loyalen Schüler Adrian Tripod weitergeleitet.
Tripod scheint sich ohne die Führung seines
Mentors und Meisters auf verlorenem Posten
zu befinden. Am Institut der 'Neo-Veneral Disease' trifft er einen alten Kollegen, an dessen
Körper neue, jedoch nutzlose Organe wachsen. Während die restliche männliche Bevöl-
kerung psychisch zurückfällt, tritt Tripod dem
Therapieprogramm der 'Oceanic Podiatry
Goup' bei. Tiomkin, der Kopf einer Verschwörung von pädophilen Heterosexuellen ist, tritt
an Tripod heran. Der Zweck der Verschwörung besteht darin, ein kleines Mädchen zu
schwängern, das vorzeitig in die Pubertät
versetzt wurde, um somit 'Rouge's Malady' zu
entgehen. Das Mädchen wird entführt, doch
niemand aus der Gruppe will sie schwängern.
Tripod wird für diese Aufgabe ausgewählt,
zögert jedoch, als er bei dem Mädchen die
Anwesenheit von Rouge spürt.
1971
Während eines Frankreichaufenthalts drehte Cronenberg Pausenfüller für das
kanadische Fernsehen.
Jim Ritchie Sculptor
Script, Kamera und Regie: David Cronenberg
16 mm, Farbe
Letter From Michelangelo
Script, Kamera und Regie: David Cronenberg
Text: Michelangelo
Erzähler: Paul Mulholland
16 mm, Farbe
Tourettes
Script, Kamera und Regie: David Cronenberg
16 mm, Farbe
175
1972
Zurück in Canada drehte Cronenberg weitere Pausenfüller für das kandische
Fernsehen. Diese 'Kurzfilme' sind alle 5 bis 6 Minuten lang und ausschließlich
mit Musik unterlegt.
Don Valley
Fort York
Lakeshore
Winter Garden
Scarborough Bluffs
In the Dirt
Script, Kamera und Regie:
David Cronenberg
16 mm
Secret Weapons
Fernsehserie, Kanada
Produktion: Emergent Films für die Canadian
Broadcasting Corporation
Produzent: Paddy Sampson, George Joans
Regie: David Cronenberg
Drehbuch: Norman Snider
Kamera: David Cronenberg
27 Minuten, 16mm, Farbe
Darsteller:
Barbara O'Kelley (Motorradgang-Anführer), Norman Snider (Wissenschaftler), Vernan Chapman (Bürokrat), Ronald Mlodzik, Bruce Martin, Tom
Skudra, Moses Smith und andere.
Inhalt:
1977 – Nach fünf Jahren Bürgerkrieg hat der
gigantische Pharmakonzern 'General Pharmaceuticals' die Führung der Gesellschaft
übernommen. Ein ehemaliger Forscher, der
mit Aggressionsstimulanzen experimentiert,
wird zu einer Sicherheitsuntersuchung berufen. Da er seine Forschungsergebnisse nicht
preisgeben will, wird er zu einem Zufluchtsort
der 'Holy Police' geschickt. Mit der Fähigkeit
des 'psychischen Judos' kann der Forscher
entkommen und nimmt Kontakt zu einer Motorradgang auf, die von einer Frau geführt
wird, die nur an Rebellion glaubt.
176
1975
Shivers
alternative Titel: They Came From Within /
The Parasite Murders / Frissons
(Parasiten Mörder)
Kanada
Cinépix, Trans America, DAL Reitman
Productions Ltd., CFDC
Produziert von: Alfred Pariser , Ivan Reitman,
John Dunning, André Link
Regie: David Cronenberg
Drehbuch: David Cronenberg
Kamera: Roberd Saad
Schnitt: Patrick Dodd
Spezialeffekte: Joe Blasco
Musik: Ivan Reitman
Produktionskosten: 179.000 $
87 Minuten, 35 mm, Ratio 1.85:1, Farbe, Mono
Kinoverleih: Scotia, Videoverleih: EuroVideo/VMP
Erstaufführung: 2.9.1976 (Kino), 1981 (Video)
FSK: ab 18
Produktion:
Darsteller und ihre Rollen:
Paul Hampton (Roger St. Luc), Joe Silver (Rollo Linski), Lynn Lowry (Forsythe), Allan Migicovsky (Nicholas Turdor), Susan Petrie (Janine Tudor),
Barbara Steele (Betts), Ronald Mlodzik (Meerik), Barry Boldero (Detective
Heller), Camil Ducharme (Mr. Guilbault), hanka Posnanska (mrs. Guilbault),
Wally Martin (Portier), Vlasta Vrana (Kresimer Sviben), Silvie Debois (Benda Sviben), Charles Perley (Botenjunge), Al Rochman (Parkins), Julie
Wildman (Miss Lewis), Arthur Grosser (Mr. Wolfe), Edith Johnson (Olive),
Dorothy Davis (Vi), Joy Coghill (Mona Whealey), Joan Blackman (Mutter im
Fahrstuhl), Kirsten Bishopric (Kind im Fahrstuhl), Fred Doederlein (Emil
Hobbes), Sonny Forbes (Mann bei den Mülltonnen), Nora Johnson (Frau
im Waschraum), Kathy Graham (Annabelle), Robert Brennen (Junge), Felicia Schulman (Mädchen), Roy Willan (bärtiger Mann), Denis Payne (Mann
im Fahrstuhl), Kevin Fenlow (Mann im Fahrstuhl) und andere.
Inhalt:
Unter dem Vorsatz, einen Parasiten zu züchten, der innerhalb des menschlichen Körpers
die Funktion eines Ersatzorgans übernehmen
kann, entwickelt Dr. Emil Hobbes eine Lebensform, die dem modernen 'überrationalisierten' Menschen sein fleischliches oder körperliches Ich bewußt macht. Hobbes Parasit
ist ein aggressives Aphrodisiakum, welches
das Gehirn lähmt und sich im menschlichen
Körper fortpflanzt. Diesen Parasiten implantiert der Arzt im Körper eines jungen Mädchens, welches sexuellen Kontakt mit vielen
Bewohnern des 'Starliner Towers' pflegt und
somit jeden ihrer Liebhaber mit den Parasiten
infiziert. Dr. Hobbes erkennt die Gefahr, die
entstehen würde, könnte sich der Parasit über
den 'Starliner Tower' hinaus verbreiten, und
tötet sich und das junge Mädchen. Dies ist
jedoch zu spät, da bereits weitere Bewohner
des Gebäudes infiziert wurden und somit eine
Seuche verbreiten, die sich schon bald jeder
Kontrolle entzieht. Trotz aller Versuche des
Arztes Roger St. Luc, der Seuche Herr zu
werden, breiten sich die Parasiten immer weiter aus, bis sie das Hochhaus in eine Orgie
von Chaos, Sex, Gewalt und Tod verwandelt
177
haben. Als letzte Konsequenz wird die Seuche und somit die Parasiten über den 'Starli-
ner Tower' hinaus in die Welt getragen.
Peep Show: The Victim
Fernsehserie – Kanada
Produktion: Canadian Broadcasting Corporation
Produzent: George Bloomfield, Deborah Peaker
Regie: David Cronenberg
Drehbuch: Ty Haller
Kamera: Eamonn Beglan, Ron Manson und
andere.
Schnitt: Garry Fisher
Produktionsdesign: Nickolai Soliov
27 Minuten, Video
Darsteller:
Janet Wright (Lucy), Jonathan Welsh (Donald), Cedric Smith (Mann auf der
Parkbank).
Inhalt:
Donald macht obszöne Telefonanrufe. Sein
kleines Apartment ist übersät mit BondageBildern, Damenunterwäsche und ausgeschnittenen Zeitungsartikeln über Gewalt und Vergewaltigung. Wiederholt belästigt er die Hausfrau Lucy, die sich jedoch nicht von diesen
Anrufen einschüchtern läßt. Im Verlauf der
Geschichte bittet Lucy Donald, sie zu besuchen. Als er ihr Apartment betritt, findet er
sich in einem Käfig wieder - mit Lucy als dominanten Dompteur.
Peep Show: The Lie Chair
Fernsehserie – Kanada
Produktion: Canadian Broadcasting Corporation
Produzent: George Bloomfield, Eoin Sprott
Regie: David Cronenberg
Drehbuch: David Cole
Kamera: Eamonn Beglan, George Clemmens und
andere.
27 Minuten, Video
Darsteller:
Richard Monette (Neil), Susan Hogan (Carol), Amelia Hall (Mildred), Doris
Petrie (Mrs Rogers).
Inhalt:
Neil und Carol haben in einer stürmischen
Nacht mit ihrem Auto eine Panne. Sie suchen
Zuflucht in einem abgelegenen Haus, in dem
die beiden alten Damen Mildred und Mrs.
Rogers leben. Da das Telefon nicht funktio-
niert, beschließen Neil und Carol in diesem
Haus die Nacht zu verbringen. Nach und nach
werden sie überredet, die Identitäten der Enkel von Mildred und Mrs. Rogers anzunehmen.
1976
178
The Italian Machine
Kanada
Produktion: Canadian Broadcasting Corporation
Produzent: Stephen Patrick
Regie: David Cronenberg
Drehbuch: David Cronenberg
Kamera: Nicholas Evdemon
Schnitt: David Denovan
Musik: Patrick Russell
Produktionsdesign: Peter Douet
28 Minuten, 16 mm, Farbe
Darsteller:
Gary McKeehan (Lionel), Frank Moore (Fred), Hardee Linehan (Bug),
Chuch Shamata (Reinhardt), Louis Negin (Mouette), Toby Tarnow (Lana),
Geza Kovacs (Riccardo), Cedrick Smith (Luke) und andere.
Inhalt:
Die Motorrad-Freaks Lionel, Fred und Bug
erfahren, daß der örtliche Motorradhändler ein
sehr seltenes italienischen Motorrad, eine
Ducati Desmo Super Sport im Angebot hat.
Es ist aber bereits an den Kunstsammler Mouette verkauft. Lionel, Fred und Bug geben
sich als Journalisten des 'Techno Art World'
Magazins aus und verschaffen sich somit
Zugang zu Mouette und finden das Motorrad
als Statue in dessen Wohnzimmer ausgestellt.
Hier finden sie auch Ricardo und Lana, die
ebenfalls als Kunstobjekt ausgestellt sind.
Lionel besticht Ricardo mit Drogen, der dauraufhin Mouette mit der Idee konfrontiert, daß
ein Kunstobjekt das andere kauft. Mouette
stimmt diesem Handel zu, Lana ersteht eine
neue 'lebendige Statue' und die MotorradFreaks fahren auf ihren Maschinen davon.
1976
Rabid
Alternativtitel: Rage
(Rabid - der brüllende Tod
Alternativtitel: Der Überfall der teuflischen Bestien)
Kanada
Cinema Entertainment Enterprises /
CFDC / Cinépix-Dibar / New World
Produziert von: André Link , Ivan Reitman ,
John Dunning, Daniel Goldberg
Regie: David Cronenberg
Drehbuch: David Cronenberg
Kamera: René Verzier
Schnitt: Jean Lafleur
Kostüme: Erla Gliserman
Spezialeffekte: Joe Blasco
Musik: Ivan Reitman
Produktionsdesign: Claude Marchand
Produktionskosten: 530.000 $
Produktion:
179
91 Minuten, 35 mm, Ratio 1.85:1, Farbe, Mono
Kinoverleih: Gloria (für Residenz)
Erstaufführung: 24.6.1977 (Kino)
FSK: ab 18
Darsteller und ihre Rollen:
Marily Chambers (Rose), Frank Moore (Hart Read), Joe Silver (Murray
Cypher), Howard Ryshpan (Dr. Dan Keloid), Patricia Gage (Dr. Roxanne
Keloid), Susan Roman (Mindy Kent), J. Roger Periard (Lloyd Walsh), Lynne
Deragon (Nurse Louise), Terry Schonblum (Judy Glasberg), Victor Désy
(Claude LaPointe), Julie Anna (Krankenschwester Rita), Gary McKeehan
(Smooth Eddy), Terence G. Ross (Farmer), Miguel Eernandes (Mann im
Kino), Robert D'Ree (Polizei Sergeant), Greg Van Riel (Junger Mann im
Plaza), Jerome Tiberghien (Dr. Karl), Allan Moyle (Junger Mann in der
Lobby), Richard W. Farrell (Camper), Jeannette Casenave (Camper Lady),
Carl Wasserman (Kind), John Hoylan (Junger Polizist im Plaza), Malcolm
Nelthorpe (Älterer Polizist im Plaza), Vlasta Vrana (Polizist in der Klinik)
und andere.
Inhalt:
Hart Read und seine Freundin Rose erleiden
einen schweren Motorradunfall, bei dem er
nur leicht, sie aber lebensgefährlich verletzt
wird. Um Rose zu retten, greift Dr. Dan Keloid
zu einer radikalen Maßnahme: Er benutzt bei
der Notoperation 'neutralisiertes Gewebe',
welches zerstörte Organe nachbilden kann,
obwohl sich die Forschung noch im Versuchsstadium befindet. Als Rose aus ihrem
langen Koma aufwacht, muß sie feststellen,
daß sie anstatt Nahrung nur noch menschliches Blut aufnehmen kann, das sie durch ein
neues Organ, einen phallusartigen Stachel in
ihrer Achselhöhle, aufnimmt. Auf der Suche
nach Nahrung entkommt Rose aus dem
Krankenhaus. Auf alle Menschen, von denen
sie Blut aufnimmt, überträgt sie eine Art Toll-
wut, die die Menschen in blutgierige Ungeheuer verwandelt. Montreal wird schon bald
von einer Welle dieser Tollwütigen überschwemmt. Der Ausnahmezustand wird ausgerufen und Chaos und Gewalt brechen über
die Stadt herein. Mitten in diesem Chaos findet Hart seine Freundin Rose, die er mit der
Wahrheit konfrontiert, daß sie der Vampir ist,
der die Seuche initiiert hat. Rose glaubt ihm
jedoch nicht und schließt sich mit einem Infizierten in einen Raum ein, der sie schließlich
tötet. Am nächsten Morgen wird die tot auf der
Straße liegende Rose von einem 'Säuberungskommando' gefunden und mit den anderen Toten der Epidemie in einem Müllwagen
abtransportiert.
180
1979
Fast Company
(1000 PS - Vollgasrausch im Grenzbereich)
Kanada
Produktion: Michael Lebowitz Inc. (für Quadrant
Films Ltd) mit Unterstützung der CFDC
Produziert von: David M. Perlmutter, Michael Lebowitz,
Courtney Smith
Regie: David Cronenberg
Drehbuch: Phil Savath, Courtney Thorne-Smith,
David Cronenberg (nach einem Roman
von Alan Treen)
Kamera: Mark Irwin
Schnitt: Ronald Sanders
Musik: Fred Mollin
Produktionsdesign: Carol Spier
Produktionskosten: 1,2 Millionen $
91 Minuten, 35 mm, Ratio 1.85:1, Farbe, Mono
Kein deutscher Kinoverleih
TV-Erstaufführung: 20.9.1990 RTL plus
FSK: –
Darsteller und ihre Rollen:
William Smith (Lonnie 'Lucky Man' Johnson), Claudia Jennings (Sammy),
John Saxon (Phil Adamson), Nicholas Campbell (Billy 'The Kid' Brooker),
Cedrick Smith (Gary 'The Blacksmith' Black), Judy Foster (Candy), George
Buza (Meatball), Robert Haley (P.J.), Don Francks (Elder), David Petersen
(Slezak) und andere.
Inhalt:
Der Drag-Racer Lonnie Johnson wird von
dem korrupten Fastco-Teammanager Phil
Adamson gezwungen, den Wagen seines
Teamkameraden Billy Brooker ins Rennen
gegen den unabhängigen Rennfahrer Gary
Black zu führen. Daraufhin verunglimpft Lonnie Fastco-Produkte in einen TV-Interview.
Adamson versucht Billys Freundin zu überreden, den Interviewer zu verführen. Als sie sich
jedoch weigert, wird sie von Adamson gefeuert. Nach einer Auseinandersetzung mit Lonnie weist Adamson Blacks Mechaniker Meatball an, dessen Wagen zu sabotieren. Lonnie
tritt gegen Black in einem Rennen an. Black
wird zum Opfer des Sabotage-Akts und stirbt
während des Rennens. Bei dem Versuch, mit
einem Flugzeug zu fliehen, wird Adamson von
Lonnie in seinem Dragster gestoppt.
181
The Brood
(Die Brut)
Kanada
Les Productions Mutuelles, Elgin
International Pictures, CFDC,
New World Pictures
Produziert von: Victor Solnicki, Pierre David,
Claude Héroux,
Regie: David Cronenberg
Drehbuch: David Cronenberg
Kamera: Mark Irwin
Schnitt: Alan Collins
Spezialeffekte: Jack Young, Dennis Pike
Musik: Howard Shore
Produktionsdesign: Carol Spier
Produktionskosten: 1,4 Millionen $
91 Minuten, 35mm, Ratio 185:1, Farbe, Mono
Kinoverleih: Cinevox, Videoverleih: Toppic
Erstaufführung: 12.11.1982 (vermutlich Video)
FSK: ab 18
Produktion:
Darsteller und ihre Rollen:
Oliver Reed (Dr. Hal Raglan), Samantha Eggar (Nola Carveth), Art Hindle
(Frank Carveth), Cindy Hinds (Candice Carveth), Henry Beckman (Barton
Kelly), Nuale Fitz-Gerald (Juliana Kelley), Susan Hogan (Ruth Mayer), Gary
McKeehan (Mike Trellan), Michael Magee (Inspector), Robert A. Silverman
(Jan Hartog), Joseph Shaw (Leichenbeschauer), Larry Solway (Anwalt),
Reiner Schwartz (Dr. Birkin), Felix Silla (Kreatur der 'Brut'), John Ferguson
(Kreatur der 'Brut'), Nicholas Campbell (Chris), Mary Swinton (Wendy), Jerry Kostur (Bauarbeiter), Christopher Britton (Mann im Hörsaal) und andere.
Inhalt:
Doktor Hal Raglan hat mit seiner 'Psychoplasma-Therapie' einen neuen Weg bereitet,
schwere seelische Störungen durch deren
physische Manifestation am menschlichen
Körper zu behandeln. Besonders interessiert
ist Raglan an Nola Carveth, einer Frau voller
Zorn auf ihren entfremdeten Ehemann, die an
seinem 'Somafree Institute' in fast absoluter
Isolation ihrer Therapie nachgeht. Als seine
Tochter Candice mit Blutergüssen am Körper
vom Besuch ihrer Mutter zurückkehrt, versucht Frank Carveth, Nola zu verbieten, ihre
Tochter zu sehen. Kurz darauf werden Nolas
Eltern und eine Lehrerin des Kindes von seltsamen kleinwüchsigen Gestalten getötet, die
anschließend auch Candice entführen. Eine
dieser Gestalten wird gefunden und unter-
sucht. Es stellt sich heraus, daß diese Karikatur eines menschlichen Kindes über keinen
Bauchnabel und nur eine minimale Lebenserwartung verfügt, da es von einer eigenen
internen, begrenzten Nahrungsquelle zehrt.
Frank bricht in das 'Somafree Institute' ein,
dringt bis zu seiner Frau vor, nur um festzustellen, daß Nola ihre Aggressionen in diesen
nicht-menschlichen Kindern - ihrer 'Brut' - manifestiert, die in einem externen Uterus am
Unterleib heranwachsen. Dr. Raglan kann
Candice vor der 'Brut' retten, verliert aber dabei sein Leben. Frank erwürgt seine Frau Nola, mit ihr stirbt auch ihre Brut.
182
1980
Scanners
(Scanners - Ihre Gedanken können töten)
Kanada
Filmplan International Inc. / CFDC
Pierre David , Victor Solnicki ,
Claude Héroux
Regie: David Cronenberg
Drehbuch: David Cronenberg
Kamera: Mark Irwin
Schnitt: Ronald Sanders
Kostüme: Delphine White
Spezialeffekte: Gary Zeller, Sephan Dupuis,
Chris Walas, Tow Schwartz
Musik: Howard Shore
Produktionsdesign: Carol Spier
Produktionskosten: 4,1 Millionen $
105 Min, 35mm, Ratio 1.85:1, Farbe, Mono
Kinoverleih: Neue Konstantin, Videoverleih: Ufa
Erstaufführung: 5.3.1981 (Kino)
FSK: ab 18
Produktion:
Produziert von:
Darsteller und ihre Rollen:
Stephen Lack (Cameron Vale), Jennifer O'Neill (Kim Obrist), Patrick
McGoohan (Dr. Paul Ruth), Michael Ironside (Daryl Revok), Lawrence Z.
Dane (Braedon Keller), Robert Silverman (Benjamin Pierce), Lee Broker
(Security), Mavor Moore (Travellyan), Adam Ludwig (Arno Crostic), Lee
Murray II (Programmierer), Fred Doederlein (Dieter Tautz), Gézá Kovacs
(Killer im Schallplattenladen), Sony Porbes (Killer auf dem Dachboden), Jerome Tiberghien (Killer auf dem Dachboden), Denis Lacroix (Killer in der
Scheune), Elizabeth Mudry (Killer in der Scheune), Victor Désy (Dr. Gatineau), Louis Del Grande (Erster Scanner), Anthony Sherwood (Scanner
auf dem Dachboden), Ken Umland (Scanner auf dem Dachboden), Anne
Anglin (Scanner auf dem Dachboden), Jock Brandis (Scanner auf dem
Dachboden), Jack Messinger (Scanner an der Tür) und andere.
Inhalt:
Der soziale Außenseiter Cameron Vale erwacht in der Klinik des mysteriösen Dr. Paul
Ruth, der vorgibt, als Einziger das Problem
seines Patienten zu verstehen. Cameron Vale
ist ein sogenannter 'Scanner', einer von wenigen telekinetisch begabten Menschen, von
denen viele in den Wahnsinn getrieben werden, weil sie konstant die Gedanken ihrer
Mitmenschen wahrnehmen. Dr. Ruth verabreicht Vale das Medikament 'Ephemerol', welches die Stimmen in Camerons Kopf erträglich machen. Dr. Ruth arbeitet für 'Consec',
eine mächtige, gesichtlose Organisation. Cameron Vale soll nun für Ruth den psychopa-
thischen 'Scanner' Darryl Revok, den Führer
einer 'Scanner'-Untergrund-Bewegung ausfindig machen. Vale trifft dabei auf die 'Scannerin' Kim Obrist, die eine kleine Gruppe 'Scanner' um sich versammelt hat, damit diese sich
gegenseitig helfen. Sie finden heraus, daß
Darryl Revok riesige Mengen der Droge
'Ephemerol' herstellen läßt, um damit Arztpraxen im ganzen Land zu beliefern. 'Ephemerol'
wird schwangeren Frauen als Beruhigungsmittel verabreicht, bewirkt aber, daß sich die
ungeborenen Kinder im Mutterleib zu 'Scannern' entwickeln. In der finalen Auseinandersetzung treffen Cameron Vale und Darryl Re-
183
vok aufeinander, letzterer offenbart, daß beide
Brüder seien - die Kinder von Dr. Paul Ruth.
Als Cameron sich nicht der Organisation seines Bruders anschließen will, kommt es zwi-
schen beiden zu einem telekinetischen 'Scanner'-Duell, wobei der Körper Vales zerstört
wird, dessen Geist jedoch in Revoks Körper
projiziert erscheint.
1982
Videodrome
(Videodrome )
Kanada
Produktion: Filmplan International II Inc., Universal
Guardian Trust Company, CFDC
Produziert von: Pierre David , Victor Solnicki ,
Claude Héroux, Lawrence Nesis
Regie: David Cronenberg
Drehbuch: David Cronenberg
Kamera: Mark Irwin
Schnitt: Ronald Sanders
Kostüme: Delphine White
Spezialeffekte: Rick Baker
Musik: Howard Shore
Produktionsdesign: Carol Spier
Produktionskosten: 6 Millionen $
87 Min, 35mm, Ratio 1.85:1, Farbe, Mono
Videoverleih: CIC
Erstaufführung: 1.7.1985 (nur Video)
FSK: ab 18
Darsteller und ihre Rollen:
James Woods (Max Renn), Sonja Smits (Bianca O'Blivion), Deborah Harry
(Nicki Brand), Peter Dvorsky (Harlan), Les Carlson (Barry Convex), Jack
Creley (Brian O'Blivion), Lynne Gorman (Masha), Julie Khaner (Bridey),
Reiner Schwartz (Moses), David Bolt (Raphael), Lally Cadeau (Rena King),
Henry Gomez (Brolley), Harvey Chao (Japanischer Videoverkäufer), David
Tsubouchi (Japanischer Videoverkäufer), Kay Hawtrey (Hausmutter), Sam
Malkin (Obdachloser auf dem Bürgersteig), Bob Church (Nachrichtensprecher), Jayne Eastwood (weiblicher Telefonanrufer), Franciszka Hedland
(Bauchtänzerin) und andere.
Inhalt:
Max
Renn
ist
der
Besitzer
des
Fernsehsenders 'Civic TV', dessen Programm
sich größtenteils aus Softpornographie und
Gewalt zusammensetzt. Diese Sendungen
bezieht er aus mehr oder weniger obskuren
Quellen. Der 'Videopirat' Harlan stellt Max das
Programm 'Videodrome' vor, das nur aus
authentischen Folterungen besteht. Während
einer Talkshow, bei der neben dem
'Medienpropheten' Dr. Brian O'Blivion, der nur
via Monitor auftritt, auch Max Renn
eingeladen
ist,
lernt
dieser
die
Radiomoderatorin Nicki Brandt kennen, mit
der er sich durch Betrachtung des
'Videodrome'-Programmes
anschließend
sexuell stimuliert. Nicki beschließt, nach
Pittsburgh zu reisen, um dort mit den
Produzenten
von
'Videodrome'
zusammenzutreffen.
Die
Suche
nach
Kontaktmännern
des
'Videodrome'Programms führt Max zu Bianca O'Blivion, der
Tochter des Professors Brian O'Blivion. Ein
184
Max per Post zugesandtes Videoband
Professor
O'Blivions
enthüllt
neue
Informationen:
Die
Betrachtung
des
'Videodrome'-Programms
erzeugt
bei
längerem Konsum einen Tumor im Gehirn des
Zuschauers. Kurze Zeit später beginnt Max zu
halluzinieren: Auf einem organisch 'atmenden'
Fernseher wird Professor O'Blivion von Nicki
Brand im Auftrag 'Videodromes' ermordet. Ein
neuerlicher Besuch bei Bianca O'Blivion
offenbart, daß Professor O'Blivion, einer der
Erfinder des 'Videodrome'-Signals, von seinen
Partnern ermordet wurde. Seit diesem
Zeitpunkt schneidet seine Tochter die auf
Video aufgezeichneten Monologe Brian
O'Blivions zusammen, um ihren Vater via
Bildschirm 'am Leben' zu erhalten. Ein Wagen
bringt Max zu 'Spectacular Optical'. Dort gibt
Barry Convex Renn einen Helm, um dessen
Halluzinationen aufzuzeichnen. Im Labor des
'Videopiraten' Harlan, der mit Convex
konspiriert, wird Max das Ausmaß der
'Videodrome'-Verschwörung offenbart: Max
wurde absichtlich dem 'Videodrome'-Signal
ausgesetzt, damit er im Auftrag Convex' über
'Civic TV' das 'Videodrome'-Signal öffentlich
ausstrahlt. Max wird von Barry Convex
'programmiert'. Er erhält den Befehl, seine
Partner bei 'Civic TV' umzubringen. Der
nächste Auftrag führt Max wieder zu Bianca
O'Blivion. Er wird jedoch von dieser zu einer
Waffe gegen 'Videodrome' umprogrammiert.
Auf
einer
Präsentation
von
neuen
Brillenmodellen erschießt Max Barry Convex.
Auf der Flucht zieht sich Max Renn in das
Wrack eines brachliegenden Schiffes zurück,
wo ihn im Inneren auf einem Fernseher Nicki
wiederbegegnet. Den Worten Nickis folgend,
erschießt sich Max.
1983
The Dead Zone
(Dead Zone - Der Attentäter
Alternativtitel: Stephen Kings Dead Zone)
Kanada
Dead Zone Productions, Lorimar
Productions, Paramount
Produziert von: Dino de Laurentiis, Debra Hill,
Jeffrey Chernov
Regie: David Cronenberg
Drehbuch: Jeffrey Boam (nach einem Roman von
Stephen King)
Kamera: Mark Irwin
Schnitt: Ronald Sanders
Spezialeffekte: John Belyeu
Kostüme: Olga Dimitrov
Musik: Michael Kamen
Produktionsdesign: Carol Spier
Produktionskosten: 10 Millionen $
100 Min, 35mm, Ratio 1.85:1, Farbe, Dolby
Kino- und Videoverleih: Neue Constantin
Erstaufführung: 18.5.1984 (Kino)
FSK: ab 16
Produktion:
Darsteller und ihre Rollen:
Christopher Walken (Johnny Smith), Brooke Adams (Sarah Bracknell),
Martin Sheen (Greg Stillson), Sean Sullivan (Herb Smith), Jackie Burroughs (Vera Smith), Herbert Lom (Dr. Sam Weizak), Tom Skerrit (Bannerman), Anthony Zerbe (Roger Stuart), Colleen Dewhurst (Henrietta
Dodd), Nicholas Campbell (Frank Dodd), Géza Kovács (Sonny Elliman),
185
Roberta Weiss (Alma Frechette), Simon Craig (Chris Suart), Peter Dvorsky
(Dardis), Julie-Ann Heathwood (Amy), Barry Flatman (Walt), Raffi Tchalikian (Denny), Ken Pogue (Vizepräsident), Bill Copeland (Staatssekretär),
Jack Messinger (Therapeut), Chapelle Jaffe (Krankenschwester), Cindy Hines (Natalie), Helene Udy (Weizaks Mutter), Ramon Estevez II (Teenager
mit Kamera) und andere.
Inhalt:
Der Lehrer Johnny Smith steht kurz vor der
Heirat mit Sarah Bracknell. Als er nach einem
Abend bei Sarah nach Hause fährt, wird
Johnny in einen schweren Autounfall verwickelt und erwacht erst fünf Jahre später in
einer Klinik aus seinem Koma. Johnny erfährt,
daß Sarah bereits verheiratet ist. Durch das
lange Koma entkräftet, wird sich Johnny einer
neuen Fähigkeit bewußt: Er hat Visionen, die
durch den Körperkontakt mit anderen Menschen ausgelöst werden. Die Visionen offenbaren vergangene, gegenwärtige und zukünftige Ereignisse. Als Johnny von Sheriff Bannerman gebeten wird, seine Fähigkeiten bei
der Ergreifung des 'Castle-Rock-Mörders' zur
Verfügung zu stellen, identifiziert er den jungen Polizisten Frank Dott als den gesuchten
Verbrecher, wird aber bei der Verhaftung von
dessen Mutter angeschossen. Johnny zieht in
eine andere Stadt, um in der Anonymität seiner Lehrertätigkeit nachzugehen. In dem jungen Christ Stuart findet Johnny für kurze Zeit
einen Freund. Jedoch kommt es kurze Zeit
später zu einem Streit mit dessen Vater Ro-
ger, als Johnny diesen beschwört, seinen
Sohn nicht zu einem Eishockeyspiel gehen zu
lassen, einem Ereignis, welches in einer Vision zum Tod des Jungen geführt hätte. Johnny
erkennt einen dunklen Fleck in seinen Visionen, die sogenannte 'Dead Zone', einen
Punkt, an dem die Zukunft nicht eindeutig
definiert erscheint, an dem er das Schicksal
beeinflussen kann. Während des Wahlkampfes des Politikers Greg Stillson erlebt Johnny
während eines kurzen Händedrucks in einer
Vision, wie der Politiker als zukünftiger Präsident der Vereinigten Staaten den Dritten
Weltkrieg auslösen wird, und beschließt, Stillson auf einer Kundgebung zu erschießen. Bei
diesem Versuch wird Johnny jedoch von einem Leibwächter lebensgefährlich verwundet,
während Stillson als Schutz vor Johnnys
Schüssen ein kleines Kind schützend vor sich
hält. Sterbend, erlebt Johnny eine letzte Vision: Greg Stillson wird wegen seines feigen
Verhaltens während des Mordversuches von
der Presse diskreditiert und begeht Selbstmord.
1985
Into the Night
(Kopfüber in die Nacht)
USA
Universal Pictures
George Folsey jr., Dan Allingham,
Leslie Belzberg, Ron Koslow,
David Sosna
Regie: John Landis
Drehbuch: Ron Koslow
Kamera: Robert, Paynter
Schnitt: Malcolm Campbell
Musik: Ira Newborn
115 Min, Farbe
Kinoverleih: UIP, Videoverleih: CIC
Erstaufführung: 24.5.1985 (Kino), November 1985 (Video)
Prädikat: wertvoll
FSK: ab 16
Produktion:
Produziert von:
186
Darsteller und ihre Rollen:
Jeff Goldblum (Ed Okin), Michelle Pfeiffer (Diana), Richard Farnsworth
(Jack Caper), Irene Papas (Shaheen Parvizi), Jake Steinfeld (Larry), Dan
Aykroyd (Herb), David Bowie (Colin Morris), Roger Vadim (Mons. Melville),
Lou Costello (Wilbur), Bud Abbott (Chic), John Landis (Killer), Jack Arnold
(Mann mit Hund), Don Siegel (erboster Mann), Jim Henson (Mann am Telefon), David Cronenberg (Supervisor), Rick Baker (Dealer), Paul Mazursky
(Bud Herman), Roger Vadim (Monsieur Melville), Lawrence Kasdan (2. Detektive), Vera Miles (Joan Caper) Jonathan Demme (FBI-Agent) und andere.
1986
The Fly
(Die Fliege)
Kanada
Produktion: Brooksfilm, 20th Century Fox
Produziert von: Stuart Cornfeld, Marc Boyman (co-pro.),
Kip Ohman (co-pro.)
Regie: David Cronenberg
Drehbuch: Charles Edward Pogue, David
Cronenberg (nach einer Geschichte
von George Langelaan)
Kamera: Mark Irwin
Schnitt: Ronald Sanders
Kostüme: Denise Cronenberg
Spezialeffekte: Chris Walas, Louis Craig, Ted Ross
Musik: Howard Shore
Produktionsdesign: Carol Spier
Produktionskosten: 10 Millionen $
92 Min, 35mm, Ratio 1.185:1, Farbe, Dolby
Kinoverleih: 20th Century Fox, Videoverleih: Fox
Erstaufführung: 18.1.1987 (Kino), Februar 1988 (Video)
FSK: ab 18
Darsteller und ihre Rollen:
Jeff Goldblum (Seth Brundle), Geena Davis (Veronica Quaife), John Getz
(Stathis Borans), Joy Boushel (Tawny), Les Carlson (Dr. Cheevers),
George Chuvalo (Marky), Michael Copeman (2. Mann in der Bar), David
Cronenberg (Gynäkologe), Carol Lazare (Krankenschwester), Shawn Hewitt (Anwalt) und andere.
Inhalt:
Auf einer wissenschaftlichen Tagung lernt die
Journalistin Veronica Quaife den exzentrischen Wissenschaftler Seth Brundle kennen.
In seinem Labor führt er Veronica seine Erfindung vor: Einen Teleporter, der anorgani-
sches Material an einem Ort desintegriert und
an einem anderen rematerialisieren kann. Die
Journalistin erklärt sich dazu bereit, einen
Exklusivbericht über Brundle zu schreiben
und ihn erst zu dem Zeitpunkt zu veröffentli-
187
chen, an dem Brundle es geschafft hat, erfolgreich lebende Materie zu teleportieren. Bisher
endeten die Versuche, Tiere zu teleportieren,
in einer Katastrophe. Ein teleportierter Pavian
wird beim Rematerilisationsprozeß buchstäblich von Innen nach Außen gekehrt. Zwischen
Seth und Veronica entwickelt sich eine Romanze, durch die der zuvor eher schüchterne
Wissenschaftler die Konzeption und die Natur
des 'Fleisches' versteht und es ihm schließlich
gelingt, einen Pavian zu teleportieren, ohne
daß das Tier Schaden nimmt. Als jedoch
Stathis Borans, Veronicas ehemaliger Liebhaber und Herausgeber des 'Particle Magazins', für das sie arbeitet, versucht, die Beziehung zwischen Veronica und Seth Brundle zu
stören, kommt es zum Desaster: Brundle betrinkt sich vor Eifersucht. Er wagt den Selbstversuch, betritt den Teleporter und teleportiert
sich mehrere Meter durch sein Labor. Brundle
ahnt nicht, daß sich eine Stubenfliege sich mit
ihm im Transporter befand. Der Computer des
Teleporters hat während des Vorgangs
Brundle und die Fliege auf molekularer Ebene
mittels 'Gene-Splicings' miteinander ver-
schmolzen. Brundle, der die aufkeimende
Revolte in seinem Körper zuerst für einen
durch die Teleportation hervorgerufenen, positiven 'Reinigungseffekt' hält, beginnt langsam, sich in etwas Nichtmenschliches zu verwandeln. Die schwangere Veronica versucht,
aus Angst, ihr Kind könnte ebenfalls die gleichen Verwandlungen durchleben wie der Vater Seth, eine Abtreibung vornehmen zu lassen, wird aber von Seth entführt. Im Labor
versucht Brundle, sich, Veronica und ihr ungeborenen Kind mittels Teleportation zu einer
neuen Person zu verschmelzen, um somit
den 'Fliegen-Anteil' in seinem Körper auf ein
Minimum zu reduzieren. Stathis Borans versucht, Veronica zu retten, wird dabei aber bei
dem daraus resultierenden Kampf von Brundle schwer verstümmelt. Während der Teleportation kommt es zu einem Unfall. Die 'BrundleFliege' wird mit der metallischen Struktur des
Teleporters verschmolzen. Als das kaum noch
lebensfähige 'Brundle-Ding' um Erlösung bittet, wird es von Veronica erschossen.
1987
Friday's Curse: The Faith Healer
Alternativtitel: Friday, the 13th – The Series
(Horrornächte – Mörderische Vergangenheit)
Fernsehserie – Kanada
Produktion: Paramount Pictures,
Hometown Films
Produziert von: Iain Paterson, Frank Manusco jr.,
Jon Anderson, J. Miles Dale,
Robert Wertheimer
Regie: David Cronenberg
Drehbuch: Rob Hedden (The Faith Healer)
Kamera: Rodney Charters
Schnitt: Gary L. Smith, Peter Light
Musik: Fred Mollin
Produktionsassistent: Ronald Sanders
je Episode: 46 Min, Farbe, Video
Videoverleih: CIC
Erstaufführung: April 1998 (Video)
FSK: ab 18
188
Darsteller und ihre Rollen:
John D. Le May (Ryan Dallion), Louise Robey (Micki Foster), Chris Wiggins
(Jack Marshak), Steve Monarque (Johnny Ventura), Miguel Fernandes,
Robert Silverman, Robey, Angelo Rizacos und andere.
Inhalt:
Bei dieser Fernsehserie handelt es sich um
Episoden, in denen Detektive die Aufklärung
okkulter Fälle übernehmen. 'The Faith Healer'
dreht sich um einen Handschuh, der Personen von Krankheiten heilen kann, jedoch nur,
um sie auf andere Menschen zu übertragen.
1988
Dead Ringers
Alternativtitel: Twins
(Die Unzertrennlichen)
Kanada
Produktion: Mantle Clinic II Ltd / Morgan Creek
Productions Inc. / Téléfilm Canada
Produziert von: Carol Baum , Sylvio Tabet ,
David Cronenberg, Marc Boyman,
John Board
Regie: David Cronenberg
Drehbuch: David Cronenberg, Norman Snider
(basierend auf dem Buch 'Twins' von
Bari Wood und Jack Geasland)
Kamera: Peter Suschitzky
Schnitt: Ronald Sanders
Kostüme: Denise Cronenberg
Musik: Howard Shore
Produktionsdesign: Carol Spier
Produktionskosten: 9 Millionen $
115 Min, 35 mm, Ratio 1.85:1, Farbe, Dolby
Kinoverleih: Senator, Videoverleih: Starlight
Erstaufführung: 9.2.1989 (Kino)
Prädikat: wertvoll
FSK: ab 16
Darsteller und ihre Rollen:
Jeremy Irons (Elliot Mantle / Beverly Mantle), Geneviève Bujold (Claire Niveau), Heidi von Palleske (Cary), Barbara Gordon (Danuta), Shirley Douglas (Laura), Stephen Lack (Anders Wolleck), Nick Nichols (Leo), Lynne
Cormack (Arlene), Damir Andrei (Birchall), Miriam Newhouse (Mrs. Bookman), David Hughes (Superintendent), Richard W. Farrell (Dekan), Warren
Davis (Leiter der Anatomieklasse), Jonathan Haley (Beverly, 9 Jahre), Nicholas Haley (Elliot, 9 Jahre), Marsha Moreau (Raffaella), Dennis Akayama
189
(Apotheker), Dee McCafferty (Chirurg), Susan Markle (Krankenschwester
im OP), Murray Cruchley (Assistenzarzt) und andere.
Inhalt:
In der kanadischen Stadt Toronto unterhalten
die berühmten Gynäkologen Beverly und Elliot Mantle ihre Praxis. Die eineiigen Zwillinge
teilen sich die Arbeit in der Klinik, die Patienten und ihre Sexualpartner, was zu einem
Großteil dem schüchternen und unsicheren
Beverly Mantle zu Gute kommt, der in diesen
Fall einfach in die Rolle seines Bruders Elliot
schlüpft, einem aalglatten Charmeur und Gigolo. Eines Tages erscheint in der Praxis der
beiden die Schauspielerin Claire Niveau. Ohne Kenntnis, daß es sich bei 'Dr. Mantle' um
Zwillinge handelt, beginnt sie eine Affäre mit
Elliot, der sie schließlich an seinen 'BabyBruder' Beverly weiterreicht. Der schüchterne
und sensiblere Beverly verliebt sich bald darauf in die Schauspielerin. Die Katastrophe
bahnt sich an, als Claire Beverly dazu drängt,
ihr seinen Bruder Elliot vorzustellen. Als sie
feststellen muß, daß sie mit beiden Brüdern
ein sexuelles Verhältnis gehabt hat, verläßt
sie den im emotionalen Chaos zusammenbrechenden Beverly. Er beginnt aus Depressionen wegen der Trennung auf eine Medikamentenabhängigkeit zuzusteuern, kann
sich jedoch für kurze Zeit fangen, als er Claire
wieder trifft. Als Claire Toronto für neue Dreharbeiten verläßt, bricht Beverly zusammen
und ergeht sich in Melancholie. Der Medikamentenrausch erscheint als einziger Ausweg.
Elliot setzt seinen Bruder auf Entzug, gerät
dabei jedoch ebenfalls in den Teufelskreis, als
er Aufputschmittel nimmt. Eine Katastrophe
scheint unvermeidbar: Die Patienten bleiben
aus, die Praxis verwahrlost. Schließlich wird
den Brüdern die Erlaubnis zum Praktizieren
entzogen, als Beverly beinahe eine Patientin
im Operationssaal tötet, als er diese mit seinen eigens angefertigten 'Instrumenten zur
Behandlung mutierter Frauen' (eigentlich chirurgische Werkzeuge zur Trennung siamesischer Zwillinge) zu behandeln versucht. Beverly und Elliot bemerken, daß sie in einem
Kreislauf von Drogen und Wahnsinn geraten
sind und aus diesem solange nicht ausbrechen können, wie die Zwillinge noch auf psychischer Ebene miteinander verbunden sind.
Eine Trennung verspricht die einzige Lösung
in diesem Dilemma zu sein. Als Beverly seinen Bruder jedoch mit seinen chirurgischen
Instrumenten 'abzutrennen' versucht, stirbt
Elliot auf dem Operationstisch und Beverly
bleibt ohne eigene Identität zurück. Am
nächsten Tag liegen Elliot und Beverly tot
nebeneinander auf dem Boden ihrer Praxis.
1989
In diesem Jahr arbeitete Cronenberg intensiv am Drehbuch und an den Vorbereitungen zu seinem nächsten Film Naked Lunch. Jedoch zeichnete er für vier
Werbespots verantwortlich:
Hydro
Auftraggeber:
Produkt:
Agentur:
Produktionsfirma:
Format:
Titel:
Ontario Hydro
Energy conversation
Burghardt Wolowich Crunkhorn
The Partner's Film Company Ltd
4 Werbespots à 30 Sekunden
Hot Showers, Laundry, Cleaners, Timers
190
1990
In diesem Jahr führte Cronenberg Regie bei 2 Episoden der Serie Scales of
Justice. Diese Episoden sind 60-minütige pseudo-dokumentarische Fernsehdramen, die reale Verhandlungen an kanadischen Gerichtshöfen nachzeichnet.
Des Weiteren drehte Cronenberg die folgenden Werbespots:
Caramilk
Auftraggeber:
Produkt:
Agentur:
Produktionsfirma:
Format:
Titel:
William Neilson Ltd.
Cadbury Caramilk
Scali McCabe, Sloves (Kanada) Ltd
The Partner's Film Company Ltd
2 Werbespots à 30 Sekunden
Bistro, Surveillance
Nike
Auftraggeber:
Produkt:
Agentur:
Produktionsfirma:
Format:
Titel:
Nike International
Nike Air 180
Wieden and Kennedy
The Partner's Film Company Ltd
1 Spot à 15, 4 Spots à 30 Sekunden
Transformation
Scales of Justice: Regina Versus Horvath
Fernsehserie – Kanada
Produktion: Canadian Broadcasting Operation in
Zusammenarbeit mit Scales of Justicce
Enterprises Inc.
Produziert von: George Jonas
Regie: David Cronenberg
Drehbuch: Michale Tait, George Jonas
Kamera: Rodney Charters
Schnitt: Ronald Sanders
Musik: Howard Shore
Produktionsdesign: Carol Spier
48 Min, Betacam
Darsteller und ihre Rollen:
Justin Louis (John Horvath), Les Carlson (Larry Proke), Len Doncheff (John
Molnar), Kurt Reis (Mr Justice Gould) und andere.
Inhalt:
British Columbia in den siebziger Jahren. Der
17-jährige John Horvath wird verdächtigt, seine Mutter in Vancouver getötet zu haben. Es
gibt nur wenige belastende Beweise gegen
den Jungen, doch nach einem langen Verhör
durch den Polizisten Larry Proke gesteht John
Horvath doch den Muttermord. Das geschickte Verhör wird aber als Hypnose gewertet, so
daß an der Zuverlässigkeit des Geständnisses Zweifel gehegt werden.
191
Scales of Justice: Regina Versus Logan
Fernsehserie – Kanada
Produktion: Canadian Broadcasting Operation in
Zusammenarbeit mit Scales of Justicce
Enterprises Inc.
Produziert von: Carol Reynolds, George Jonas
Regie: David Cronenberg
Drehbuch: Gabriel Emmanuel, George Jonas
Kamera: Rodney Charters
Schnitt: Ronald Sanders
Musik: Howard Shore
Produktionsdesign: Carol Spier
48 Min, Betacam
Darsteller und ihre Rollen:
Barbara Turnbull (spielt sich selbst), Richard Yearwood (Cliff), Desmond
Campbell (Hugh), Mark Feruson (Warren) und andere.
Inhalt:
Ontario, 1980. Eine Gruppe schwarzer Jugendlicher überfällt ein Geschäft in Toronto.
Dabei wird die Kassiererin Barbara Turnbull
angeschossen. Der Fall wird aus der Sicht
des Opfers erzählt und offenbart Einblicke in
die schwarze Gemeinde Torontos.
Nightbreed
(Cabal – Die Brut der Nacht)
USA/GB
Produktion: Morgan Creek
Produziert von: Gabrielle Martinelli
Regie: Clive Barker
Drehbuch: Clive Barker (nach seinem eigenen
Roman)
Kamera: Robin Vidgeon
Schnitt: Richard Marden, Mark Goldblatt
Spezialeffekte: Bob Keen, Image Animation
Musik: Danny Elfman
Produktionsdesign: Steve Hardie
103 Min, Farbe, Dolby
Kinoverleih: Senator, Videoverleih: Starlight
Erstaufführung: 4.10.1990 (Kino), 15.3.1991 (Video)
FSK: ab 18
Darsteller und ihre Rollen:
Craig Shaffer (Boone), Anne-Marie Bobby (Lori), David Cronenberg (Dr.
Decker), Charles Haid (Captain Eigerman), Hugh Quarshie (Detective Joyce) und andere.
1991
192
Naked Lunch
(Naked Lunch – Nackter Rausch)
Produktion:
Kanada
Recorded Picture Company, Telefilm
Canada, Ontario Film Development
Corporation, Naked Lunch Productions
Jeremy Thomas, Gabriella
Martinelli (co-pro)
Regie: David Cronenberg
Drehbuch: David Cronenberg
(basierend auf dem Roman The Naked
Lunch von William S. Burroughs )
Kamera: Peter Suschitzky
Schnitt: Ronald Sanders
Kostüme: Denise Cronenberg
Spezialeffekte: Chris Walas
Musik: Howard Shore,
Ornette Coleman (Solist)
Produktionsdesign: Carol Spier
Produktionskosten: 17 Millionen $
115 Min, 35mm, Ratio 1.85:1, Farbe, Dolby
Kinoverleih: Jugendfilm, Videoverleih: Ufa
Erstaufführung: 30.4.1992 (Kino), 25.1.1993 (Video),
6.2.1994 (TV: premiere)
FSK: ab 16
Produziert von:
Darsteller und ihre Rollen:
Peter Weller (Bill Lee), Judy Davis (Joan Lee / Joan Frost), Roy Scheider
(Dr. Benway), Ian Holm (Tom Frost), Julian Sands (Yves Cloquet), Michael
Zelniker (Martin), Nicholas Campbell (Hank), Monique Mercure (Fadela),
Joseph Scorsiani (Kiki), Peter Boretski (Stimme der Kreaturen, Kammerjäger #2), Yuval Daniel (Hafid), John Friesen (Hauser), Sean McCann (O'Brien), Howard Jerome (A.J. Cohen), Michael Caruana (Pfandleiher), Kurt
Reis (Kammerjäger #1), Justin Louis (Kammerjäger #3), Julian Richings
(Kammerjäger #4) und andere.
Inhalt:
Im New York des Jahres 1953 arbeitet William
Lee als Kammerjäger. Als ihm eines Tages
das Insektizid ausgeht, muß Bill feststellen,
daß seine Frau Joan sich das 'bugpowder' als
Droge spritzt. Nach seiner Arbeit erwarten Bill
zwei Polizisten des Rauschgiftdezernates, die
ihn zu einem Verhör auf das Revier mitnehmen. Dort wird der Kammerjäger mit einem
circa dreißig Zentimeter großen Käfer konfrontiert, der sich ihm als sein 'case officer'
vorstellt und ihm mitteilt, seine Frau Joan wäre kein menschliches Wesen. Das Problem
seiner sich steigernden Abhängigkeit vom
'bugpowder' führt Bill zu dem mysteriösen Dr.
Benway, der ihm das 'black meat' verschreibt,
welches aus dem Fleisch des 'großen brasili-
anischen Tausendfüßlers' gewonnen wird.
Eines Abends erschießt Bill Lee im Drogenrausch seine Frau Joan, als sie ihre 'Wilhelm
Tell Routine' durchspielen. Auf der Flucht trifft
Bill in einer Bar einen 'Mugwump', ein fremdartiges Geschöpf der 'Interzone', welches ihn
mit Flugtickets ausstattet und ihn auffordert,
von dort aus Reportagen zu verfassen. In der
'Interzone' angekommen, beginnt Bill, seine
Berichte zu schreiben. Daraufhin verwandelt
sich seine Schreibmaschine in den 'bug writer', einer Fusion zwischen Schreibmaschine
und einem gigantischen Käfer. Sie befiehlt Bill
Lee, zum Zweck der 'Tarnung eines Agenten'
den 'Deckmantel der Homosexualität' anzunehmen – eine neue Sexualität, die der ehe-
193
malige Kammerjäger mit dem einheimischen
Kiki auslebt. Im Folgenden begegnet er dem
homosexuellen reichen Schweizer Yves Cloquet und dem Schriftstellerehepaar Tom und
Joan Frost, welche Bills verstorbener Frau bis
ins kleinste Detail gleicht. Im Auftrag seines
'bugwriters' verführt Bill Joan Frost. Nach folgenden Berichten und Drogenexzessen entwickelt Bill die Vorliebe für 'Mugwump Sperma', welches von den gleichnamigen Geschöpfen durch phallische Drüsen am Kopf
ausgeschieden wird. Bei einem Besuch auf
Cloquets Anwesen, verliert Bill in Ausübung
seiner 'Nachforschungen' seinen Geliebten
Kiki, der von einem zum Tausendfüßler transformierten Cloquet absorbiert wird. In einer
großen Halle, in der sich Drogenabhängige
dem Rausch des 'Mugwump-Spermas' hingeben, findet Bill Joan Frost und deren Haushälterin Fadela. Unter der Verkleidung Joan
Frosts verbirgt sich Dr. Benway. Dieser bietet
Bill an, für ihn im Staat 'Annexia' zu spionieren
und Berichte zu verfassen. Bill willigt unter der
Bedingung ein, daß Joan Frost ihn begleiten
kann. An der Grenze zu 'Annexia' wird Bill Lee
von den Grenzbeamten des totalitären Staates aufgefordert, sich als Schriftsteller auszuweisen. Um diesen Beweis zu erbringen, erschießt Bill Lee in einer wiederholten 'Wilhelm
Tell Routine' Joan Frost. Zufrieden mit dieser
Vorstellung, lassen ihn die Grenzbeamten
passieren.
1991
Maniac Mansion: Idella's Breakdown
Fernsehserie – Kanada
Produktion: Atlantis Films Ltd
Produziert von: Jamie Paul Rock
Regie: Dug Rotstein
Kamera: Raymond Brounstein
Schnitt: Stephen Fanfara, Robin Russell
Musik: Louis Natale
30 Min, Video, Farbe
Kein deutscher Verleih
Darsteller und ihre Rollen:
George Buza (Turner Edison), Joe Flaherty (Fred Edison), John Hemphill
(Harry the Fly), Avi Phillips (Ike Edison), Kathleen Robertson (Tina Edison),
Deborah Theaker (Casey Edison), Mary Charlotte Wilcox (Idella Muckle
Orca), David Cronenberg (als David Cronenberg) und andere.
Anmerkung:
Die kanadische Comedy-Serie Maniac Mansion, die 1990 auf Sendung ging, basiert lose
auf der Grundidee des gleichnamigen Computerspiel der Firma Lucasfilm Games (später
LucasArts). Diese Serie beschreibt die Familie
Addison, die die Energien eines in ihrem
Swimmingpool abgestürzten Meteoriten nutzen möchte. Leider hat dies den unerwünschten Nebeneffekt, daß die Familie seltsame
Mutationen durchläuft. Die Figur des Harry ist
beispielsweise eine Fliege (!). In der Folge
Idella's Breakdown, (Regie führte Cronenbergs Continuity Man Dug Rotstein) sucht
Regisseur David Cronenberg psychiatrische
Hilfe. Er hat Angst, die Regie für einen 'normalen' Film zu übernehmen. Idella Addison
besucht den gleichen Psychiater, da sie es
nicht mehr aushalten kann, mit einer Fliege
verheiratet zu sein (!). Im weiteren Verlauf
diese Episode trifft Cronenberg die Fliege
Harry, der ein großer Fan des Regisseurs ist.
Besonders gut hätte ihm – so Harry – Die
Fliege II gefallen. Cronenberg betont ausdrücklich, daß er hierbei nicht Regie geführt
habe.
194
1992
Blue
Kurzfilm - Kanada
Produziert von: Bruce McDonald
Regie: Don McKellar
Drehbuch: Don McKellar
Kamera: Miroslaw Baszak
22 Min, Farbe
kein deutscher Verleih
Darsteller
David Cronenberg, Rod Hopkins, Elizabeth Zorn
1993
M. Butterfly
(M. Butterfly )
Kanada
Geffen Pictures
David Henry Hwang , Philip
Sandhaus , Gabriella Martinelli
Regie: David Cronenberg
Drehbuch: David Henry Hwang (nach seinem
Bühnenstück)
Kamera: Peter Suschitzky
Schnitt: Ronald Sanders
Kostüme: Denise Cronenberg
Musik: Howard Shore
Produktionsdesign: Carol Spier
Produktionskosten 17 Millionen $
101 Min, 35mm, Ratio 1.85:1, Farbe, Dolby
Kino- und Videoverleih: Warner Bros.
Erstaufführung: 9.12.1993 (Kino), 10.6.1994 (Video)
29.6.1995 (TV: premiere)
Prädikat: wertvoll
FSK: ab 12
Produktion:
Produziert von:
195
Darsteller und ihre Rollen:
Jeremy Irons (René Gallimard), John Lone (Song Liling), Barbara Sukowa
(Jeanne Gallimard), Ian Richardson (Botschafter Toulon), Annabel Leventon (Frau Baden), Shizuko Hoshi (Comrade Chin), Richard McMillan (Mitarbeiter an der Botschaft), Vernon Dobtcheff (Agent Etancellin), David
Hemblen (Geheimagent), Damir Andrei (Geheimagent), Antony Parr (Geheimagent), Margaret Ma (Songs Dienerin), Tristam Jellinek (Verteidiger),
Philip McGough (Ankläger), David Neal (Richter) und andere.
Inhalt:
Der Angestellte der französischen Botschaft in
Peking, René Gallimard, besucht im Rahmen
eines Empfangs eine Aufführung der PucciniOper 'Madame Butterfly'. Fasziniert vom exotischen Charme dieser Darbietung, spricht
Gallimard nach der Aufführung die Sängerin
Song Liling an. Ihrem Vorschlag nachkommend, besucht René Gallimard eine Vorstellung Song Lilings in der Peking-Oper. Verzaubert von der Exotik und der Mystik eines
antiken Chinas, verliebt sich der Franzose in
die anmutige Sängerin und entfremdet sich
bald darauf von seiner eigenen Frau. Gallimard besucht immer wieder Song Liling, die
sich seinen Annäherungen mit einer Keuschheit entzieht, die Gallimard auf Traditionen
einer ihm völlig unbekannten Kultur zurückführt. Immer weiter zieht sich Gallimard in die
fiktive Welt eines antiken Chinas zurück, welches er in Song Liling zu finden glaubt. Obwohl sich die Liebesbeziehung Gallimards zu
Liling festigt, weigert diese sich aus Schamgefühl, ihrem Liebhaber unbekleidet gegenüberzutreten. Alle Energien in die Beziehung mit
Song Liling setzend, steht der Franzose der
Tatsache blind gegenüber, daß seine 'Butterfly' als Spion für den chinesischen Geheimdienst arbeitet und Gallimard mit einer vorgetäuschten Schwangerschaft und einem angeblichen Kind noch stärker an sich bindet.
Bald aber überschattet die Kulturrevolution die
'Beziehung' zwischen Gallimard und Liling: Er
muß aufgrund der wachsenden Ausländer-
feindlichkeit das Land verlassen. Song Liling
wird zusammen mit anderen Künstlern und
Intellektuellen in ein Arbeitslager zur 'Umerziehung' geschickt. In den Straßen werden
traditionelle Kostüme auf Scheiterhaufen verbrannt und in der Peking-Oper werden politische Revolutionsstücke aufgeführt. Gallimards Traum des exotischen und antiken
Chinas ist zusammengebrochen. Im Paris des
Jahres 1968 trauert Gallimard über den Verlust seiner 'Butterfly'. Als eines Tages Song
Liling vor der Tür seiner Pariser Wohnung
steht, glaubt Gallimard sein Glück wieder hergestellt zu sehen. Mit der Behauptung, die
chinesische Regierung halte ihr gemeinsames
Kind in Gefangenschaft, erzwingt sie Geheiminformationen von Gallimard, der daraufhin
verhaftet wird. Während des Prozesses erfährt Gallimard einen drastischen Schock:
Song Liling wird mit kurzgeschorenen Haaren
und im Anzug dem Gericht als Mann vorgeführt. Auf dem Weg zum Gefängnis muß Gallimard, konfrontiert mit der Blöße Lilings, erkennen, daß seine 'Butterfly' ebenso irreal war
wie seine Traumvorstellung Chinas. Während
Song Liling nach China abgeschoben wird,
inszeniert René Gallimard im Gefängnis vor
anderen Gefangenen seine eigene Interpretation der 'Madame Butterfly'. Angezogen und
geschminkt wie eine Diva der China-Oper,
begeht Gallimard Selbstmord aus Schmerz
über verlorene Liebe und Träume.
1994
Henry & Verlin
(Henry und Verlin)
Kanada
Opeongo Films, Act of God Productions
The Original Motion Picture Company
Produziert von: John Board, Simon Board
Regie: Gary Ledbetter
Produktion:
196
Drehbuch: Gary Ledbetter, Ken Ledbetter
Kamera: Paul Huguenot van der Linden
Schnitt: Miume Jan Eramo
Musik: Mark Korven
87 Min, Farbe, Dolby
Videoverleih: Matthias Film
Erstaufführung: 1998 (Video)
FSK: –
Darsteller und ihre Rollen:
Gary Farmer (Henry), Keegan MacIntosh (Verlin), Nancy Beatty (Minnie),
Robert Joy (Ferris), Joan Orenstein (Agnes), Eric Peterson (Lovejoy), Margot Kidder (Mabel), David Cronenberg (Doc Fisher), Wilfrid Bray (Elvin),
Neil Dainard (Noel Winetree) und andere.
Trial by Jury
(Die Geschworene – Verurteilt zur Angst
Alternativtitel: Die Geschworene)
Kanada/USA
Produktion: Morgan Creek Production
Produziert von: James G. Robinson, Christopher
Meledandri, Mark Gordon, Gary Barber,
Michael MacDonald
Regie: Heywood Gould
Drehbuch: Jordan Katz, Heywood Gould
Kamera: Frederick Elemes
Schnitt: Joel Goodman
Musik: Terrence Blanchard
102 Min
98 Min, Farbe, Dolby
Videoverleih: Warner
Erstaufführung: 14.7.1995 (Video), 9.8.1996 (TV: premiere)
FSK: ab 16
Darsteller und ihre Rollen:
Joanne Whalley-Kilmer (Valerie Alston), Armand Assante (Rusty Pirone),
Gabriel Byrne (Graham), William Hurt (Tommy Vesey), Kathleen Quinlan
(Wanda), Margaret Whitton (Jane Lyle), Ed Lauter (John Boyle), Richard
Portnow (Leo Greco), David Cronenberg (Regisseur) und andere.
197
1995
Blood & Donuts
(Blood and Donuts)
Kanada
Produktion: Deban Films, The Feature Film Project
Produziert von: Stephen Hoban
Regie: Holly Dale
Drehbuch: Andrew Rai Berzins
Kamera: Paul Sarrossy
Schnitt: Stephan Fanfara, Brett C. Sullivan
Musik: Nash the Slash
88 Min (Can) / 85 Min (Dt) – Kürzung nicht bekannt,
Farbe, Ultra Stereo
Kinoverleih: offen
Erstaufführung: 4.10.1998 (TV: SAT1)
FSK: –
Darsteller und ihre Rollen:
Gordon Currie (Boya Zsekley), Justin Louis (Earl), Helene Clarkson (Molly),
Fiona Reid (Rita), Frank Moore (Pierce), Headley Kay (Axel), David Cronenberg (Stephen), J. Winston Carroll (Bernie), Earl Pastko (Donut Shop
Junkie), Sam Malkin (Hotelportier), Susan Koffman (alte Frau), Charles
Hayter (alter Mann) und andere.
To Die For
(To Die For)
USA
Produktion: Columbia
Produziert von: Laura Ziskin, Joseph M. Caracciollo jr.,
Sandy Isaac, Leslie Morgan,
Jonathan T. Taplin
Regie: Gus Van Sant
Drehbuch: Buck Henry (nach einem Roman von
Joyce Maynard)
Kamera: Eric Alan Edwards
Schnitt: Curtiss Clayton
Musik: Danny Elfman
106 Min, Farbe, Dolby
Kinoverleih: CI-Vertriebsgemeinschaft, Videoverleih: VCL
Erstaufführung: 14.12.1995 (Kino), 18.6.1996 (Video),
1997 (TV: premiere)
FSK: ab 12
198
Darsteller und ihre Rollen:
Nicole Kidman (Suzanne Stone), Matt Dillon (Larry Maretto), Joaquin
Phoenix (Jimmy Emmett), Alison Folland (Lydia Mertz), Casey Afflec (Russell Hines), Illeana Douglas (Janice Maretto), Dan Hedaya (Joe Maretto),
Jurtwood Smith (Ed Grant), Wayne Knight (Ed Rant) David Cronenberg
(Mann am See) und andere.
The Stupids
USA
Produktion: Image Entertainment, Savoy Pictures
Produziert von: Leslie Belzberg
Regie: John Landis
Drehbuch: James Marshall, Henry Allard,
Brent Forrester
Kamera: Manfred Guthe
Schnitt: Dale Beldin
Musik: Christopher Stone
94 Min, Farbe, Dolby digital
kein deutscher Verleih
Darsteller und ihre Rollen:
Tom Arnold (Stanley Stupid), Jessica Lundy (Joan Stupid), Bug Hall (Buster Stupid), Alex McKenna (Petunia Stupid), Mark Metcalf (Colonel), Mathew Kesslar (Lieutenant), Christopher Lee (Evil Sender), Mick Garris (2.
Reporter), Robert Wise (Stanleys Nachbar), Constantin Costa-Gavras
(Tankwart), Jenny McCarthy (Schauspielerin) Norman Jewison (Fernsehregisseur), Rick Avery (Bad Guy) und David Cronenberg (Postbeamter).
1996
The Newsroom: Meltdown Part 1
Fernsehserie Kanada
Produktion: Canadian Broadcasting Company
Produziert von: Ken Finkleman
Jan Peter Meyboom
Regie: Ken Finkleman
Kamera: Joan Hutton
Schnitt: Allan Novak
kein deutscher Verleih
199
Darsteller und ihre Rollen:
Ken Finkleman (George Findlay), Jeremy Hotz (Jeremy), Tanya Allen (Audrey), Mark Farrell (Mark), Karen Hines (Karen), David Huband (Bruce), Peter Keleghan (Jim Walcott), David Cronenberg (als David Cronenberg)
und andere.
Moonshine Highway
Fernsehfilm – Kanada
Produktion: Showtime Networks Inc.
Produziert von: Andy Armstrong, Becky Arntzen,
Chris Danton
Regie: Andy Armstrong
Drehbuch: Andy Armstrong
Kamera: Richard Quinlan
Schnitt: Patrick McMahon
Musik: Steve Dorff
96 Min, Farbe, Ultra Stereo
kein deutscher Verleih
Darsteller und ihre Rollen:
Randy Quaid (Sheriff Miller), Maria del Mar (Ethel Miller), Alex Carter (Bill
Rickman), Gary Farmer (Hooch Wilson), Jeremy Ratchford (Dwayne Dayton), Les Carlson (Pappy), Dennis Fitzgerald (Clancy Clayton), Raleigh
Wilson (Claude Clayton), Michale Copeman (Ol Man Clayton), David Cronenberg (Clem Clayton), Andy Armstrong (Bill Meyers), Kyle MacLachlan
(Jed Muldoon) und andere.
Crash
(Crash )
Kanada
Produktion: Alliance Communications Productions,
Recorded Pictures
Produziert von: Jeremy Thomas, Robert Lantos,
Chris Auty
Regie: David Cronenberg
Drehbuch: David Cronenberg (nach dem
gleichnamigen Roman von James
Graham Ballard )
Kamera: Peter Suschitzky
Schnitt: Ronald Sanders
Kostüme: Denise Cronenberg
Musik: Howard Shore
Produktionsdesign: Carol Spier
Produktionskosten: ca. 9 - 10 Millionen $
98 Min, 35 mm, Ratio 1.85:1, Farbe, Dolby
Kinoverleih: Jugendfilm, Videoverleih: VMP / Kinowelt
Erstaufführung: 31.10.1996 (Kino), 13.5.1997 (Video),
200
1.6.1998 (TV: premiere)
FSK: ab 18
Darsteller und ihre Rollen:
James Spader (James Ballard), Holly Hunter (Dr. Helen Remington), Elias
Koteas (Vaughan), Deborah Unger (Catherine Ballard), Rosanna Arquette
(Gabrielle), Peter MacNeill (Collin Seagrave), Yolande Julian (Prostituierte
am Flughafen), Cheryl Swarts (Vera Seagrave), Judah Katz (Verkäufer),
Nicky Guadagni (Tätowierer), Ronn Sarosiak (A.D.), Boyd Banks (Grip),
Markus Parilo (Mann im Hangar), John Stoneham Jr. (Trask), Ron Vanhart
(Stuntfahrer), Alice Poon (Kamerafrau), David Cronenberg (nur Stimme:
Schrottplatzhändler) und andere.
Inhalt:
In einer emotionslosen Welt aus BetonHochhäusern - kleinen Inseln inmitten
gigantischer Autobahnkreuze - stimulieren
sich der Filmproduzent James Ballard und
seine Frau Catherine mit Beschreibungen der
außerehelichen Affären. Am Abend des
nächsten Tages fährt Ballard von der Arbeit
im Filmstudio nach Hause. Auf dem Freeway
verliert er die Kontrolle über sein Fahrzeug
und kollidiert mit einem entgegenkommenden
Wagen. Bei diesem Unfall wird der Beifahrer
des anderen Wagens getötet. James wird
schwer verletzt, die Fahrerin des anderen
Wagens, Dr. Helen Remington, kommt mit
leichten Verletzungen davon. James erwacht
im Krankenhaus. Nach einiger Zeit, die James
bewegungsunfähig im Krankenbett verbringt,
trifft er bei seinen ersten Gehversuchen
wieder auf Helen Remington, die sich
feindselig von ihm abwendet. Ballard trifft den
angeblichen Arzt Dr. Vaughan, der fasziniert
das frische Narbengewebe auf James' Haut
studiert. Als er aus dem Krankenhaus
entlassen wird, sucht James auf einem
Schrottplatz seinen alten Unfallwagen. Hier
trifft er wieder auf Helen Remigton, mit der er
eine Affäre beginnt. Helen führt James in eine
seltsame Gruppe ein: Menschen, die ihre
sexuelle Stimulation in Autounfällen und den
entstellten Opfern suchen. James wird Zeuge
einer bizarren nächtlichen Szenerie, in der
Vaughan mit einigen Gleichgesinnten, die
Todesfahrt des Filmstars James Dean
nachstellt. Zu diesem Kreis gehören der
Fahrer des 'Dean-Porsches', Collin, sowie die
junge Gabrielle, die seit einem Unfall ihre
vernarbten Beine nur mit Hilfe einen
Schienenkorsetts bewegen kann. Nach und
nach gerät James Ballard in diesem Kreis der
sich
seinen
sexuellen
Rausch
aus
Autounfällen und vernarbten menschlichen
Körpern holt. Catherine Ballard verfällt nach
kurzer Zeit dem charismatischen Vaughan
und seiner Idee 'der Umformung des
menschlichen Körpers durch die moderne
Technologie'. Bald schon beginnt sie eine
Affäre mit Vaughan, bei der James nur
stummer Beobachter ist. Der Fahrer Collin
stirbt bei dem Versuch, seinem Traum zu
realisieren, indem er den Unfalltod Jane
Mansfields
nachstellt.
Partner
werden
ausgetauscht (unter anderem hat James eine
Affaire mit Vaughan), die Mittel der sexuellen
Stimulation werden auf immer drastischere
Weise ausgelöst, bis Vaughan bei einer
Verfolgungsjagd mit James und Catherine
ums Leben kommt. Bei einer weiterem
provozierten
Unfall
nach
einer
Verfolgungsjagd, diesmal zwischen James
und Catherine, finden beide ihre sexuelle
Befriedigung in einem schnellen Akt zwischen
den Trümmern des Unfallwagens.
201
Extreme Measures
Alternativtitel: Extreme
(Extrem – Mit allen Mitteln)
USA
Castle Rock Entertainment, Simian
Elizabeth Hurley, Hugh Grant,
Chris Brigham (co-pro.),
Jeanny Kim ,
Andrew Scheinman
Regie: Michael Apted
Drehbuch: Tony Gilroy (nach einem Roman von
Michael Palmer)
Kamera: John Bailey
Schnitt: Rick Shaine
Musik: Danny Elfman
118 Min, Scope, Farbe, Dolby
Kinoverleih: Concorde, Castle Rock / Turner,
Videoverleih: Columbia Tristar
Erstaufführung: 19.12.1996 (Kino), 15.7.1997 (Video),
14.8.1998 (TV: premiere)
Prädikat: besonders wertvoll
FSK: ab 12
Produktion:
Produziert von:
Darsteller und ihre Rollen:
Hugh Grant (Dr. Guy Luthan), Gene Hackman (Dr. Lawrence Myrick) Sarah
Jessica Parker (Jodie Trammel), Debra Monk (Dr. Judith Gruzynski), Paul
Guilfoyle (Dr. Jeffrey Manko), David Morse (Frank Hare), Bill Nunn (Burke),
Peter Appel (Detective Joseph Bunson), David Cronenberg (Krankenhausanwalt) und andere.
1997
The Grace of God
Kanada
Regie:
Gérald L'Ecuyer
Darsteller:
David Bolt, David Cronenberg, Robbie Pennant, Michael Riley und andere.
202
1998
Last Night
Alternativtiel: 2000 vu par…
(Die letzte Nacht)
Kanada
Rhombus Media, La Sept Arte,
Haut & Court, WFE, Cineplex, CBC
Produziert von: Caroline Benjo, Joseph Boccia,
Niv Fichman, Daniel Iron,
Nathan Lafionatis, Carole Scotta
Regie: Don McKellar
Drehbuch: Don McKellar
Kamera: Douglas Koch
Schnitt: Reginald Dean Harkema
Musik: Alexina Louie
Alex Pauk
96 Min
kein deutscher Kinoverleih
Erstaufführung: 4.12.1998 (TV: arte)
FSK: –
Produktion:
Darsteller und ihre Rollen:
David Cronenberg (Duncan), Tracy Wright (Donna), Geneviève Bujold
(Mrs. Carlton), Roberta Maxwell (Mrs. Wheeler), Robin Gammel (Mr.
Wheeler), Trent McMullen (Alex), Karen Glave (Lily), Jackie Burroughs
(Jogger), Sandra Oh (Sandra), Sarah Polley (Jennifer Wheeler), Callum
Keith Rennie (Craig Zwiller) und andere.
I'm Loosing You
Kanada / USA
Produktion: Killer Films, Lions Gate Films Inc.
Produziert von: David Cronenberg, John Dunning,
Pamela Koffler, André Link,
Michael Paseornek, Jeff Sackman
Regie: Bruce Wagner
Drehbuch: Bruce Wagner (nach seinem eigenen
Roman)
Kamera: Rob Sweeney
Schnitt: Janice Hampton
Musik: Daniel Catan
100 Min, Farbe, Dolby
kein deutscher Verleih
203
Darsteller und ihre Rollen:
Rosanna Arquette (Rachel Krohn), Andrew McCarthy (Bertie Krohn), Frank Langella (Perry Needham Krohn), Elizabeth Perkins (Aubrey), Salome Jens (Diantha
Krohn), Buck Henry (Philip Dragom), Aria Noelle Curzon (Tiffany) und andere.
1999
eXistenZ
(eXistenZ)
Kanada, GB
Produktion: Union Générale Cinématographique,
Alliance Communications Corporation,
Télefilm Canada, The Movie Network
Produziert von:
David Cronenberg,
Bradley Adams,
Damon Bryant, Andras Hamori,
Robert Lantos
Regie: David Cronenberg
Drehbuch: David Cronenberg
Kamera: Peter Suschitzky
Schnitt: Ronald Sanders
Kostüme: Denise Cronenberg
Spezialeffekte: Toybox, Jim Isaak
Musik: Howard Shore
Produktionsdesign: Carol Spier
97 Min, 35mm, Ratio 1.85:1, Farbe, Dolby Digital
Kinoverleih: Kinowelt
Erstaufführung: 18.11.1999
FSK: ab 16
Darsteller und ihre Rollen:
Jennifer Jason Leigh (Allegra Geller), Jude Law (Ted Pikul), Willem Dafoe
(Gas), Ian Holm (Kiri Vinokur), Don McKellar (Yevgeny Nourish), Callum
Keith Rennie (Hugo Carlaw), Sarah Polley (Merle), Christopher Eccleston
(Levi), Kris Lemche (Noel Dichter), Vik Sahay (Assistent) und andere.
Inhalt:
Allegra Geller, Superstar unter den Erfindern
von
Computerspielen
stellt
den
Geschäftsführern
der
High-Tech-Firma
'Antenna Research' ihr neues Spiel zu
Testzwecken vor. Das Spiel heißt 'eXistenZ'
und
basiert
auf
einer
organischen
Technologie. Das Spiel wird über den im
Rücken des Spielers implantierten Bioport
direkt in sein Nervensystem gespeist. Über
eine Nabelschnur ist hierbei der Spieler mit
der organischen Spielkonsole verbunden.
Hierbei entsteht für die an diesem Spiel
beteiligten ein von der Realität nicht mehr zu
unterscheidendes Szenario. Jedes Spiel
verläuft in verschieden Bahnen, abhängig von
den individuellen Spielern, die gerade an
'eXistenZ'
teilnehmen.
Doch
bei
der
Vorführung von 'eXistenZ' kommt es zu einem
unerwarteten Zwischenfall. Ein fanatisches
Mitglied
erbitterter
Computerspielgegner
verübt während der Präsentation ein Attentat
auf Allegra Geller. Die Spiel-Designerin wird
204
hierbei verletzt, auch der Prototyp der
'eXistenZ'-Konsole, der Gamepod, wird dabei
beschädigt.
Zusammen
mit
ihrem
unerfahrenen Leibwächter Ted Pikul kann
Allegra im entstehenden Tumult fliehen. Um
herauszufinden, wie beschädigt ihr Gamepod
ist, überredet Allegra Pikul, sich mit ihr
zusammen in 'eXistenZ' einzuklinken. Dies ist
die einzige Möglichkeit um festzustellen, wie
stark der Prototyp beschädigt ist. Pikul jedoch
ist kein Spieler und besitzt somit auch keine
Schnittstelle, keinen Bioport, um sich an die
Spielkonsole anzuschließen. Sie begeben
sich zum Tankstellenwärter Gas, der im
Hinterzimmer seines Geschäftes illegal
Bioports im Nervengewebe zahlungsfreudiger
Kunden implantiert. Jedoch werden sie von
Gas hintergangen, dessen Handlung nur
durch die auf Allegras Kopf ausgesetzten fünf
Millionen Dollar gesteuert wird.
Allegra und Ted Pikul flüchten zu einem
verlassenen Ski-Ort, wo sie sich in die Obhut
von Kiri Vinokur, einem Experten für
Computerspiele,
begeben.
Durch
eine
Operation kann Kiri Allegras organische
Spielkonsole retten. In einem verlassenen
Chalet klinken sich Allegra und Ted an den
Gamepod an und beginnen so ihre Reise in
die Spielwelt von 'eXistenZ'. In der von der
tatsächlichen Welt nicht zu unterscheidenden
'eXistenZ'-Realität geraten Pikul und Allegra
in schier unüberschaubare Verwicklungen mit
dem Doppelagenten Yevgeny Nourish und
erleben diverse Anschläge der Anti-
'eXistenZ'ialisten. Jede Aktion scheint nur
einem Ziel zu dienen: Allegra Geller und das
Spiel 'eXistenZ' zu vernichten. Mit knapper
Not entkommen Ted Pikul und Allegra Geller
der Spielwelt, nur um von Kiri Vinokur gestellt
zu werden, der für eine Konkurrenzfirma
arbeitet und Allegras Werk zerstören will.
Allegra kann Kiri töten, worauf sie von Ted
Pikul mit der Waffe bedroht wird. Ted, Mitglied
der 'Realitätsbewegung', hoffte durch das
geplante Attentat auf Allegra und die
gemeinsame Flucht, die Sympathien der
Spiel-Designerin für sich gewinnen zu
können, um seinen Feind besser studieren zu
können. Durch eine List kann Allegra Ted
töten. Draufhin finden sich alle Personen,
einschließlich Ted, Allegra, Kiri, Gas und
Yevgeny in einem Raum wieder. Anscheinend
sind sie nur Testpersonen für das von
Yevgeny
Nourish
erfundene
Spiel
'TransCendenZ' gewesen und alles, was
zuvor geschehen ist, erscheint Teil des Spiels
zu sein. Yevgeny fragt sich, woher die
destruktiven
Elemente
im
Spielverlauf
aufgetaucht sind und vermutet, daß sich in
der Gruppe seiner Testpersonen radikale
Computerspielgegner
befinden.
Diese
Realisten sind niemand anderes als Ted Pikul
und Allegra Geller, die nach ihrer Enttarnung
den Erfinder von 'TransCendenZ' töten. Als
sie eine weitere Testperson bedrohen, fleht er
sie an: "Are we still in the game?… Tell me
the truth. Are we still in the game?"
Resurrection
USA 1999
Produktion:
Interlight Pictures,
Columbia TriStar
Produziert von: Patrick D. Choi, Jack Gilardi Jr.,
Christopher Lambert, Nile Niami,
Paul Pompian, John V. Stuckmeyer
Regie: Russell Mulcahy
Drehbuch: Brad Mirman
Kamera: Jonatha Freeman
Musik: Jim McGrath
112 Min, Farbe, Dolby
noch kein deutscher Verleih
Darsteller und ihre Rollen:
Christopher Lambert (John Prudhomme), David Cronenberg (Priester),
Rick Fox (Detective Scholfield), Robert Joy (Agent Wingate), James Kidnie
(Walter Chibley), Leland Orser (Andrew Hollingsworth), Barbara Tyson (Sara Prudhomme), Philip Williams (Detective Rousch) und andere.
205
Dead by Monday
USA 1999
Produziert von:
Regie:
Drehbuch:
Schnitt:
Margarit Ritzmann
Curt Truninger
Myra Fried
Ronald Sanders
Darsteller:
Helen Baxendale, Toni Collette, David Cronenberg, Tim Dutton, Ed
Morysiak und andere.
206
Auszeichnungen für David Cronenberg und seine Filme
1999
1996
1991
1989
1986 1984
Jahr
Film
Ergebnis
Preis
Kategorie
Brüssel
Gewonnen
Bester
Sciencefiction Film
–––
Genie Awards
Gewonnen
Genie
Best Achievement
in Direction
The Fly
Academy Awards
gewonnen
Oscar
Bestes Make-up
Dead
Ringers
LAFCA
gewonnen
LAFCA Award
Best Director
Genie Awards
gewonnen
Genie
Genie Awards
gewonnen
NSFC
gewonnen
NSFC
gewonnen
NYFCC
gewonnen
Genie
NSFC Award
NSFC Award
NYFCC
Award
Genie Awards
gewonnen
Genie
Best Achievement
in Direction
Cannes
gewonnen
Spezialpreis der
Jury
für künstlerische
Originalität, Innovation und Waghalsigkeit
Cannes
nominiert
Goldene
Palme
–––
Genie Awards
gewonnen
Genie
Best Achievement
in Direction
Berlin
gewonnen
Silberner
Bär
für besondere
künstlerische Leistungen
Berlin
nominiert
Goldener
Bär
–––
Videodrome
Naked
Lunch
Crash
eXistenZ
Festival
Brüssel – Brussels International Festival of Fantasy Film
Genie – Genie Awards
LAFCA – Los Angeles Film Critics Association Award
NSFC – National Society of Film Critics Awards, USA
NYFCC – New York Film Critics Circle Awards
207
Best Achievement
in Direction
Best Motion Picture
Best Director
Best Screenplay
Best Screenplay
Werbeslogans
Shivers
T-E-R-R-O-R beyond the power of priests or science to exorcise.
Rabid
Pray it doesn't happen to you.
The Brood
A unique experience of inner terror
Scanners
Their thoughts can kill!
Videodrome
First it controlls your mind, then it destroys your body.
The Fly
Be afraid. Be very afraid.
Dead Ringers
Separation can be a terrifying thing
Naked Lunch
Exterminate all rational thought
Crash
Love in the dying moments of the twentieth century
eXistenZ
Play or be played
(In Wirklichkeit ist die Wirklichkeit nicht Wirklichkeit)
208
'The Story of the Butterfly'
'The Story of the Butterfly' resümiert die Geschichte einer chinesischen Oper
und reflektiert thematisch nicht nur die historischen Ereignisse des französischen Spionagefalles um Bernard Boursicot und seines / seiner chinesischen
Geliebten Shi Pei Pu, sondern auch David Henry Hwangs dramatische Bühnenadaption, M. Butterfly, sowie Cronenbergs Film des gleichen Titels.
Im Jahre 1965 erzählte Shi Pei Pu (in Bühneninszenierung und Film dargestellt
durch die Figur des / der Song Liling) Bernard Boursicot (der dramatischen Figur des René Gallimard) die folgende Geschichte:
"Long ago in China, there lived a beautiful girl named Zhu Yingtai. The
daughter of a learned man, she dearly wished to attend one of the
imperial schools, but being a girl she wasn't permitted to do so. It
troubled her, particularly because her brother did badly in school.
She made a plot with her brother, they exchanged clothes and she went
to school in his place. She was a brilliant student. In school she met a
handsome boy, Liang Shanbo, and they came to love one another.
Liang, however, couldn't understand the strange attraction he felt for
another boy. Zhu, who was attracted to Liang as well, yearned to tell him
her secret but refrained, not wishing to bring dishonour to her family.
Then word came that she had to go home: her family had found her a
husband. Finally, the girl revealed her true identity to her friend.
Declaring his love for her, Liang asked her to marry him. But though she
loved him, Zhu couldn't disobey her family.
'It is too late,' she told him.
Zhu returned home. Distraught, Liang took his life. Zhu's family insisted
she proceed with her wedding. She agreed, but said she must first go to
her beloved's grave. There, beneath the willows, she threw herself on his
tomb and died. Her family, finally understanding how much her daughter
loved Liang, buried her beside him. The souls of the two lovers turned
into butterflies and flew away together. and over the grave willow
branches grew and intertwined."
209
Weiterführende Literatur
Bedachten im anglo-amerikanischen Raum Kritiker und Autoren David Cronenberg bereits zu Zeiten seiner Filme Scanners und Videodrome mit würdigenden Beiträgen, so dauerte es hierzulande noch 'ein wenig'. Erschien bereits
1983, also zum Zeitpunkt des Films The Dead Zone, in Kanada die erste kritische Sammlung von Aufsätzen zum Werk Cronenbergs, so dauerte es bis
1993, sprich bis Naked Lunch, bis erstens die deutschsprachigen Kritiker erkannt hatten, daß dieser kanadische Regisseur ambitioniertes und innovatives
Kino inszeniert und zweitens das erste (deutschsprachige) Buch erschien, welches sich ausschließlich den Filmen David Cronenbergs widmete.
Bis dato fanden sich Rezensionen und Kurzbesprechungen der Filme Cronenbergs in gängigen Science-fiction- und Horrorfilm-Lexika (beispielsweise in
denen der Autoren Ronald M. Hahn und Volker Jansen) sowie in den Büchern
zum phantastischen Film von Rolf Giesen. Diese Schriften, nicht selten vom
Charakter einer Filmnotiz, wurden den Filmen Cronenbergs weder gerecht,
noch gaben sie größtenteils den Inhalt des Films korrekt wieder. So behauptet
das 'Lexikon des internationalen Films' zu Videodrome: "Der Präsident einer
Kabelfernsehgesellschaft stößt auf ein Videoprogramm, das Halluzinationen
erzeugt, den Sinn für Realität und Illusion verschwinden läßt. In der Folge verwandelt er sich in eine lebende Videokassette."
Manchmal ist die Bewertung dieser Bücher nicht gerade objektiv ausgefallen.
Dies gebe ich nur bereitwillig. Doch zu oft habe ich mir vor Wut bei der Recherche für dieses Buch die Haare ausgerissen, als ich so manchen Aufsatz gelesen habe. Oftmals habe ich mich gefragt: "Wie kann man so einen bullsh…
schreiben?" Doch nun zu den einzelnen Werken:
Eines der frühesten Bücher zum Thema ist die Aufsatzsammlung 'The Shape
of Rage - The Films of David Cronenberg', herausgegeben von Piers Handling
(1983). In diesem Band, der seinen inhaltlichen Schwerpunkt auf Videodrome
legt, findet sich William Beards viel zitierte analytische Filmographie der Filme
Cronenbergs, 'The Visceral Mind - The Major Films of David Cronenberg', ebenso wie Robin Woods in bezug auf das Werk des Regisseurs sehr kritische
Schrift 'Cronenberg: A Dissenting View' und diverse Aufsätze, die zum Beispiel
Person und Werk Cronenbergs als typischen Vertreter eines jungen kanadischen Kinos beschreiben. Dieses Buch könnte man als 'der essentielle Cronenberg' bezeichnen und ist für jeden Freund des Regisseurs ein absolutes Muß.
Dieses Buch umfaßt nur die Filme Cronenbergs bis einschließlich Videodrome,
der Wandel in seinen neueren Filmen wird nicht berücksichtigt. Leider ist dieses
Buch niemals aktualisiert worden und ist auch hoffnungslos vergriffen, es existiert jedoch eine französischsprachige Übersetzung.
210
Eine weitere Kompilation von Schriften nicht minderer Qualität lassen sich im
'BFI Dossier 21 - David Cronenberg' des 'British Film Institute' finden, darunter
auch der bekannte Kommentar Martin Scorseses, 'Internal Metaphors, External
Horror', sowie einige der wenigen Abhandlungen, die sich mit Cronenbergs
hierzulande unzugänglichen und unbekannten Fernseharbeiten auseinandersetzen. Eine wichtige und kompetente Aufsatzsammlung.
Zum Kinostart des Films Dead Ringers (9.2.1989) erschien in der Filmzeitschrift 'Steadycam' unter dem Titel 'Flesh & Fantasy' die erste deutschsprachige
Sammlung diverser Artikel sowie ein umfangreiches Interview, in dem sich der
Regisseur hauptsächlich auf seinen Film Dead Ringers bezieht. Dies ist die erste ernsthafte Auseinandersetzung mit Cronenbergs Werk im deutschsprachigen
Raum.
Ein informatives (in der zweiten Neuauflage um Crash ergänztes) Buch stellt
die Interview-Kompilation 'Cronenberg on Cronenberg' von Chris Rodley dar,
die Chris Rodley ausführlich kommentiert und einen Einblick in Hintergründe,
die Dreharbeiten und Cronenbergs eigene Sichtweise seines Filmwerks offeriert. Dieses Buch ist ein einmaliger Einblick in die Gedankenwelt Cronenbergs.
Eine analytisch exzellente, filmhistorisch orientierte Abhandlung der Filme
Cronenbergs bietet der Band von Almut Oetjen und Holger Wacker 'Organischer Horror - Die Filme des David Cronenberg'. Einziges Manko stellt die Besprechung des Films Naked Lunch dar, die oftmals wortgetreu dem Drehbericht
'Everything Is Permitted - The Making of Naked Lunch' von Ira Silverberg nachempfunden scheint. Als positiv erscheint in all dieser Literatur, daß Cronenbergs Frühwerk zwar unter der Perspektive des filmischen Reifeprozesses des
Regisseurs betrachtet wird, aber als gleichwertig im Kontext der späteren Filme
behandelt wird.
Vor der folgenden Publikation kann man eigentlich nur warnen. Schon vom
ersten Augenblick an stand ich mit dieser Textsammlung auf Kriegsfuß. 'Und
das Wort ist Fleisch geworden' ist eine Aufsatzsammlung von Filmstudenten
und freischaffenden Filmjournalisten, herausgegeben von Drehli Robnik und
Michael Palm, entstanden aus Diskussionen im Zusammenhang einer Wiener
Cronenberg-Retrospektive.
Hier stellen sich angehende Filmwissenschaftler und andere Egomanen
selbst dar: Unverständliches, intellektuell-elitäres Geschwafel ohne Bezug zu
der Materie Film. Voluminöse Sprachhülsen ohne Belang und Inhalt. Hauptsache, man wirkt avangardistisch, denken sich die Autoren zweier Beiträge und
bringen mit ihrem durchgängig in Kleinbuchstaben gesetzten Text den Leser
zur Weißglut. Einziger Lichtpunkt: der Aufsatz von Lox Loidolt 'Isolation und
Kontrast. Eine Ikonographie der modernen Architektur bei David Cronenberg'.
Ein kurzer Nachtrag zur zweiten Auflage: Zum Augenblick der Veröffentlichung ist 'Lang lebe das Neue Fleisch' neben oben genannter Publikation von
Robnik/Palm leider das einzige Schriftwerk auf dem deutschen Buchmarkt, wel211
ches sich ausschließlich mit den Filmen David Cronenbergs auseinandersetzt.
Das Buch 'Organischer Horror - Die Filme des David Cronenberg' von Almut
Oetjen und Holger Wacker ist vergriffen..
Wahrscheinlich ist über Internet oder direkt aus England eine (hoffentlich schon
aktualisierte) Ausgabe von Rodleys 'Cronenberg on Cronenberg' zu bestellen.
Darüberhinaus erscheint die Suche nach Büchern zum Thema ein aussichtslosen Unterfangen zu sein. Ein trauriges Zeugnis darüber, wie kurzlebig eigentlich
Filmliteratur ist.
Somit bleibt dem Interessenten an Cronenbergs Arbeiten nur der mühsame
Weg in Filmarchive oder in das Informationschaos des Internets.
Bücher über David Cronenberg und den Horrorfilm
Balun, Chas., 'The Deep Red Horror Handbook' (New York, 1989).
Barker, Clive / Salisbury, Mark / Gilbert, John, 'Clive Barker 's Nightbreed - The
Making of The Film' (London, 1990).
1
Baumann, Hans D., 'Horror - Die Lust am Grauen' (München, [ 1989] 1993)
Clover, Carol J., 'Men, Women and Chainsaws - Gender In The Modern HorrorFilm' (London 1992).
Collins, Michael R., 'Stephen King und seine Filme' (München, 1987).
Conenberg, David, 'Crash' (London, Boston, 1996).
Drew, Wayne (Hrsg.), 'BFI Dossier 21 - David Cronenberg' (British Film Institute, London, 1984).
Giesen, Rolf, 'Der Phantastische Film' (Ebersberg, 1983)
Giesen, Rolf, 'Sagenhafte Welten - Der phantastische Film' (München, 1990).
Handling, Piers, 'The Shape of Rage - The Films of David Cronenberg' (Toronto, 1983).
Jancovich, Mark, 'Horror' (London, 1992).
King, Stephen, 'Danse Macabre - Die Welt des Horrors in Literatur und Film'
(München, 1989).
212
Lenne, Gérard, 'Der erotische Film' (München, 1990).
Manderbach, Jochen, 'Das Remake - Studien zu seiner Theorie und Praxis'
(Siegen, 1988).
McCarty, John, 'Splatter Movies - Breaking The Last Taboo of The Screen' (Albany, New York, 1981).
McCarty, John, 'The Modern Horror Film' (New York, 1990).
Neale, Steve, 'Genre' (BFI [British Film Institute] Publishing, London, 1980).
Newman, Kim, 'Nightmare Movies - A Critical Guide To Contemporary Horror
Films' (New York, 1988).
Noël, Carroll, 'The Philosophy of Horror Or Paradoxes of The Heart' (New York,
London, 1990).
Oetjen, Almut / Wacker, Holger, 'Organischer Horror - Die Filme des David Cronenberg' (Meitingen, 1993).
Robnik, Drehli / Palm, Michael (Hrsg.), 'Und das Wort ist Fleisch geworden'
(Wien, 1992).
Rodley, Chris (Hrsg.), 'Cronenberg on Cronenberg' (London, Boston, 1992).
Rodley, Chris (Hrsg.), 'Cronenberg on Cronenberg' (London, Boston, [11992]
[21992] 1996).
Schnelle, Frank, 'Suspense Shock Terror - John Carpenter und seine Filme'
(Stuttgart 1991).
Seeßlen, Georg / Weil, Claudius, 'Kino des Phantastischen. Geschichte und
Mythologie des Horror-Films' (Reinbek bei Hamburg 1980).
Silverberg, Ira (Hrsg.), 'Everything Is Permitted - The Making of Naked Lunch
'(London, 1992).
Stresau, Norbert, 'Der Horror-Film - Von Dracula zum Zombie-Shocker' (München, 1987).
213
Tudor, Andrew, 'Monsters & Mad Scientists - A Cultural History of The Horror
Movie' (Oxford, UK, Cambridge, Mass, 1989).
Wiater, Stanley, 'Dark Visions - Conversations With The Masters of The Horror
Film' (New York, 1992).
Aufsätze und Artikel
Angeli, Michael, "Get Happy" in: 'Movieline' (Januar/Februar 1992).
Beard, William, "The Visceral Mind - The Major Films of David Cronenberg" in:
Handling, Piers (Hrsg.), 'The Shape of Rage - The Films of David
Cronenberg' (Toronto, 1983).
Brealey, Louise, "There is not only a lot of sex, there is a lot of anal sex." in:
'Sky Magazine' (11/96).
Breskin, David, "David Cronenberg - The Rolling Stone Interview" in: 'Rolling
Stone' (6. Februar 1992).
Byrge, Duane, "Crash " in: 'The Hollywood Reporter' (20. May 1996).
Desalm, Brigitte, "Metamorphosen: Der Teufel im Leib - Über einige Motive bei
David Cronenberg" in: 'Steadycam' (Nr. 11 / Frühjahr 1989).
Drew, Wayne, "A Gothic Revival: Obsession and Fascination In The Films of
David Cronenberg" in: Drew, Wayne (Hrsg.), 'BFI Dossier 21 - David
Cronenberg' (British Film Institute, London, 1984).
Edelstein, David, "The Love Bug" in 'Rolling Stone' (Nr. 484, 1986).
Gaitskill, Mary, "David Cronenberg" in: 'Interview' (Januar 1992).
Göttler, Fritz, "Brutalität und beklemmende Klarheit - David Cronenbergs monströser Film 'M. Butterfly '" in: 'Süddeutsche Zeitung' (13. Dezember
93).
Handling, Piers, "A Canadian Cronenberg" in: Handling, Piers (Hrsg.), 'The
Shape of Rage - The Films of David Cronenberg' (Toronto, 1983).
Harkness, John, "M. Butterfly " in: 'Sight and Sound' (5 / 94).
214
Harkness, John, "The Word, The Flesh and David Cronenberg" in: Handling,
Piers (Hrsg.), 'The Shape of Rage - The Films of David Cronenberg'
(Toronto, 1983).
Heinke, Steffen, "Crash " in: 'Filmecho/Filmwoche' (45/96).
Heybrock, Mathias, "eXistenZ" in: 'epd Film' (11/99).
Horst, Sabine, "Die Wiederkehr des Verdrängten - David Cronenberg und seine
Filme" in: 'epd Film' (5 / 92).
Huschke, Roland, "Déjà vu" in: 'Tip Filmjahrbuch Nr. 7' (Berlin, 1991).
Jenny, Urs, "Mit Schrott zu Gott" in: 'Der Spiegel' (44/96).
Kenny, Glenn, "David Cronenberg – The Filmmaker Series" in: 'Premiere' (April
1997).
Kilb, Andreas, "Verwirrung der Gefühle" in: 'Die Zeit' (10. Dezember 1993).
Kniebe, Tobias, "Der Traum von einer Liebe ohne Grenzen" in: 'Focus' (49 /
1993).
Köhler, Margret, "'Grenzsituationen Faszinieren mich – Porträt Jeremy Irons" in:
'Filmdienst' (25/93).
Kuhlbrodt, Detlef, "The Crying Game" in: 'TAZ' (9. Dezember. 1993).
Lucas, Tim, "The Image As Virus - The Filming of Videodrome " in: Handling,
Piers (Hrsg.), 'The Shape of Rage - The Films of David Cronenberg'
(Toronto, 1983).
McCarthy, Todd, "Crash " in: 'Variety' (20. bis 26. Mai 1996).
McGreal, Gill, "Interview with David Cronenberg" in: Drew, Wayne (Hrsg.), 'BFI
Dossier 21 - David Cronenberg' (British Film Institute, London, 1984).
Messias, Hans, "Die Schuld der Opfer – Die neuen Filme von David Cronenberg" in: 'Filmdienst '(10/92).
Neale, Steve, "Questions of Genre" in: 'Screen' (Vol. 31, Nr.1, Oxford, 1990).
215
Neumann, Hans-Joachim, "Subversiv – Crash von David Cronenberg" in 'Zitty'
(22/96).
Newman, Kim, "Fast Company : The Machine Movie" in: Drew, Wayne (Hrsg.),
'BFI Dossier 21 - David Cronenberg' (British Film Institute, London,
1984).
O'Pray, Michael, "Primitive Fantasy in Cronenberg's Films" in: Drew, Wayne
(Hrsg.), 'BFI Dossier 21 - David Cronenberg' (British Film Institute,
London, 1984).
Pavlovic, Milan, "Horrender Tiefgang - Ein Interview mit David Cronenberg" in:
'Steadycam' (Nr. 11 / Frühjahr 1989).
Petley, Julian, "V.D. O'Nasty" in: Drew, Wayne (Hrsg.), 'BFI Dossier 21 - David
Cronenberg' (British Film Institute, London, 1984).
Pevere, Geoff, "Cronenberg Tackles Dominant Videology" in: Handling, Piers
(Hrsg.), 'The Shape of Rage - The Films of David Cronenberg' (Toronto, 1983).
Riepe, Manfred, "Das Fieber im Kopf - David Cronenbergs Filme" in: 'BLIMP'
(Frühjahr 1994).
Rodley, Chris, "Crash " in: 'Sight and Sound' (o.A.)
Rodley, Chris, "Stereo, Sex and Crimes For The Future" in: Drew, Wayne
(Hrsg.), 'BFI Dossier 21 - David Cronenberg' (British Film Institute,
London, 1984).
Rose, Kerstin, "Im Liebestaumel" in: 'Hamburger Rundschau' (Nr. 50, 9. Dezember 1993).
Rowe, Michael, "Cronenberg Does Lunch" in: 'Fangoria' (Nr. 110, 1992)
Sank, Manfred, "M. Butterfly " in: 'Filmecho' (48 / 93)
Schiff, Stephen, "The Brood " in: Drew, Wayne (Hrsg.), 'BFI Dossier 21 - David
Cronenberg' (British Film Institute, London, 1984).
Schifferle, Hans, "Der Ritt auf der Maschine - Cronenbergs Fast Company " in:
'Steadycam' (Nr. 11 / Frühjahr 1989).
216
Schifferle, Hans, "Milch und Blut, Lust und Schmerz - Über Marilyn Chambers
und ihre Rolle in David Cronenbergs Rabid " in: 'Steadycam' (Nr. 11 /
Frühjahr 1989).
Scorsese, Martin, "Internal Metaphors, External Horror" in: Drew, Wayne
(Hrsg.), 'BFI Dossier 21 - David Cronenberg' (British Film Institute,
London, 1984).
Seeßlen, Georg, "Crash " in: epd Film (11/96).
Seeßlen, Georg, "Der Autor als Monster - zu Cronenbergs Naked Lunch" in:
'epd Film' (Mai 1992).
Silvermann, Michael, "A Postmodern Cronenberg" in: Drew, Wayne (Hrsg.), 'BFI
Dossier 21 - David Cronenberg' (British Film Institute, London, 1984).
Terhechte, Christoph, "Buchhalter in der Oper" in: 'Tip' (25 / 93).
Terhechte, Christoph, "Kollision der Sinne" in: 'Tip' (23 / 96).
Timpone, Anthony, "How to Make a 'Fly '" in: 'The Bloody Best of Fangoria'
(Nr.6, 1987).
Taubin, Amy, "The Wrong Body" in: 'Sight and Sound' (März 1992).
Taylor, Paul, "Cronenbergs Television Work" in: Drew, Wayne (Hrsg.), 'BFI
Dossier 21 - David Cronenberg' (British Film Institute, London, 1984).
Thomas, Bernard, "The Victim : New Rules For An Old Game" in: Drew, Wayne
(Hrsg.), 'BFI Dossier 21 - David Cronenberg' (British Film Institute,
London, 1984).
von Berg, Ulrich, "Der Virus stirbt mit seinem Träger - Cronenbergs erste Spielfilme" in: 'Steadycam' (Nr. 11 / Frühjahr 1989).
von Thüna, Ulrich, "M. Butterfly " in: 'epd Film' (12 / 93).
Wood, Robin, "Cronenberg: A Dissenting View" in: Handling, Piers (Hrsg.), 'The
Shape of Rage - The Films of David Cronenberg' (Toronto, 1983).
Yakowar, Maurice, "The Comedy of Cronenberg" in: Handling, Piers (Hrsg.),
'The Shape of Rage - The Films of David Cronenberg' (Toronto,
1983).
217
Lexika und Nachschlagewerke
Hahn, Ronald M / Jansen, Volker, 'Lexikon des Horror-Films', (Bergisch Gladbach, 1989 [11985]).
Hardy, Phil (Hrsg.), 'Horror - The Aurum Film Encyclopedia' (London, 1993
[11985]).
Hardy, Phil (Hrsg.), 'Science Fiction - The Aurum Film Encyclopedia' (London,
1991 [11984]).
McCarty, John, 'The Official Splatter Movie Guide' (New York,1989)
McCarty, John, 'The Official Splatter Movie Guide Volume II' (New York,1992)
Mulay, James (Hrsg.), 'The Horror Film' (Evanston, Illinois, 1989).
Diverse Quellen
'Alle Kunst will Klarheit', Interview mit David Cronenberg zu Naked Lunch (Süddeutsche Zeitung, 29. April 1992).
'Crash' (Blickpunkt:Film, 23/96).
'Crash - Presseinformation', hrsg. von Jugendfilm Verleih GmbH (1996).
'Das Unzeigbare zeigen, das Unsagbare sagen – Regisseur David Cronenberg
zu Crash', Interview mit David Cronenberg (Blickpunkt:Film, 43/96).
'David Cronenberg', Interview mit David Cronenberg zu Dead Ringers (Filmfaust, Nr. 70-71, Januar / Februar 1989).
'David
Cronenberg – I Have To Make The Word Be Flesh',
Fernsehdokumentation (Frankreich 1999, unter der Regie von André
S. Labarthe, ausgestrahlt von arte am 20. Oktober 1999)
'eXistenZ – Presseinformation', hrsg. von Kinowelt Filmverleih GmbH (1999).
218
'Im Tausendfüßler-Rausch', Interview mit David Cronenberg zu Naked Lunch
(Morgenpost, 30. April 1992).
'Meyer - Enzyklopädisches Lexikon' (Mannheim, Wien, Zürich, [11977] korrigierte Ausgabe 1981).
'Multimedia Encyclopedia', hrsg. von Grolier Electronic Publishing (1992).
'M. Butterfly' (Blickpunkt:Film, Nr.42, 18. Oktober 1993)
'M. Butterfly – Presseinformation', hrsg. von Warner Bros. Film GmbH (1993).
'M. Butterfly von David Cronenberg' (Der Gildendienst 482, Dezember 1993)
'Long Live The New Flesh - The Films of David Cronenberg', Dokumentation für
CBC Toronto und Chanal Four (Großbritanien), produziert von Laurens C. Postma (auch Regie) und Chris Rodley.
'The Internet Movie Database'
'Verwandlungen - Der Filmemacher David Cronenberg', in der Reihe Kinomagazin produziert vom WDR. (1993), Autor: Peter Kremski.
Diverse Literatur
Burroughs, William S., 'Naked Lunch' (Frankfurt a.M., Berlin, [11962] 1992).
Dreibrodt, Thomas / Lukas, Christian (Hrsg.), 'Onscreen – Regisseure, Schauspieler und ihre Filme in Interviews' (Bochum, 1999).
Lovecraft, Howard Philips, „Anmerkungen zum Schreiben unheimlicher Erzählungen“ in: 'Azatoth' (Frankfurt a. M., 1989).
Novak, John Luther / Cronenberg, David, 'eXistenZ' (Berlin, 1999).
Stevenson, Robert Louis, 'The Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde' (Penguin Popular Classics, London, 1994).
Wadler, Joyce, "The Spy Who Fell In Love With A Shadow" in: 'New York Times
Magazine' (15. August 1993).
219
220
Index
After Hours .........................................................25
Agnes of God .....................................................25
Alien ................................................................51
Alien – Resurrection ..........................................23
Altman, Robert...................................................28
American Werewolf in London, An .................115
Apocalypse Now................................................48
Argento, Dario..................................................106
Armstrong, Andy ................................................23
Arnold, Jack .......................................................17
Arquette, Rosanna.....................................13, 142
Backdraft ............................................................28
Bacon, Francis.................................................161
Baker, Rick.........................................................19
Ballard, James Graham ............. 22, 27, 102, 112
Barker, Clive ..........................................21, 26, 98
BAT-21 ...............................................................25
Baumann, Hans D. .................107, 111, 157, 158
Beard, William............................................16, 108
Believers, The ....................................................25
Beverly Hills Cop ...............................................20
Big
................................................................25
Blob, The......................................................25, 53
Blood and Donuts ..............................................23
Blue ................................................................27
Body of Evidence...............................................28
Boursicot, Bernard.............................................27
Brain Dead .......................................................111
Brood, The11, 12, 13, 16, 18, 19, 25, 26, 29, 30,
31, 35, 36, 50, 56, 59, 89, 90, 91, 92, 93,
94, 101, 104, 109, 110, 114, 115, 116,
117, 118, 121, 122, 123, 125, 126, 128,
129, 138, 139, 140, 145, 146, 152, 157,
161, 162, 164, 166
Brooks, Mel ........................................................20
Bujold, Geneviève .............................................12
Buñuel, Luis .....................................................161
Burroughs, William S.13, 17, 20, 21, 26, 27, 36,
87, 89, 151
Burton, Tim ........................................................25
Cameron, James ...............................................27
Campbell, Nicholas......................................67, 74
Candyman..................................................98, 112
Carlson, Les.......................................................63
Caro, Marc .........................................................27
Carpenter, John ..............26, 43, 47, 48, 107, 156
Carrie ............................................... 43, 107, 111
Children of the Corn ..........................................43
Christine .............................................................43
Cité Des Enfants Perdus, La.............................27
Clavell, James ...................................................26
Client, The..........................................................25
Clover, Carol J. ................................................111
Coen, Ethan ....................................................... 28
Coen, Joel.......................................................... 28
Collector, The .................................................... 25
Collins, Michael R.............................................. 43
Cool, Dry Place, A ............................................. 26
Cop Land ........................................................... 25
Coppola, Francis Ford.................................22, 48
Corman, Roger ............................................19, 26
Craig, Simon ...................................................... 74
Crash 11, 13, 18, 22, 23, 25, 37, 38, 39, 41, 43,
44, 45, 46, 48, 49, 53, 54, 79, 86, 101,
102, 103, 106, 138, 142, 143, 144, 158,
170
Creepshow......................................................... 43
Crimes of The Future ..........................56, 89, 138
Cronenberg, Cassandra.................................... 25
Cronenberg, Denise .......................................... 26
Crying Game, The ............................................. 44
Cujo ................................................................ 43
Dafoe, Willem ........................................24, 28, 97
Dante, Joe........................................................115
Dark City ......................................................13, 69
Dave ................................................................ 25
Davis, Geena ..................................................... 21
Davis, Judy ........................................................ 60
de Bont, Jan....................................................... 28
de Laurentiis, Dino ......................................20, 53
de Palma, Brian ................43, 106, 107, 109, 111
Dead Ringers11, 12, 13, 14, 18, 21, 26, 31, 35,
40, 41, 44, 45, 46, 49, 53, 54, 64, 73, 75,
80, 81, 82, 84, 85, 88, 91, 96, 106, 109,
110, 123, 124, 127, 128, 129, 137, 139,
148, 155, 157, 158, 163, 164, 166
Dead Zone, The16, 20, 25, 26, 32, 35, 41, 43,
52, 53, 73, 74, 75, 79, 80, 84, 85, 106,
109, 110, 115, 126, 137, 145, 155, 157,
164, 166
Death Race 2000............................................... 26
del Torro, Guillermo........................................... 25
Delicatessen ...................................................... 27
Descartes, René............................. 114, 116, 156
Devils, The ......................................................... 25
Dewhurst, Colleen ............................................. 74
Dika, Vera ........................................................107
Don't Look Now ................................................. 25
Drew, Wayne ............................ 16, 108, 109, 111
Dumb and Dumber ............................................ 25
Eastwood, Clint.................................................. 27
Ed Wood ............................................................ 25
Edel, Uli.............................................................. 28
Edelstein, David...............................................158
Eggar, Samantha................18, 25, 115, 129, 157
Elephant Man, The ............................................ 26
221
Ellis, Bret Easton ...............................................22
Ellison, Harlan..................................................112
Empire Strikes Back, The..................................25
Escape from New York......................................26
eXistenZ11, 13, 14, 15, 23, 24, 25, 26, 27, 38,
39, 40, 41, 44, 45, 46, 48, 50, 53, 54, 59,
60, 61, 63, 64, 69, 70, 71, 72, 80, 86, 90,
96, 97, 98, 109, 145, 154, 215
Extreme Measures ............................................25
Eyes of A Stranger ............................................28
Eyes of Laura Mars, The.................................107
Eyes Wide Shut .................................................24
Fast Company .......................................18, 25, 56
Ferrara, Abel ......................................................48
Fincher, David..............................................25, 27
Fitzgerald, F. Scott ............................................69
Flashdance ........................................................20
Flesh and Blood.................................................28
Fly, The12, 13, 20, 25, 26, 32, 35, 36, 40, 41,
42, 46, 50, 51, 52, 53, 59, 95, 96, 101,
106, 107, 108, 109, 112, 115, 121, 122,
123, 124, 128, 130, 131, 133, 137, 138,
139, 145, 146, 147, 152, 156, 157, 158,
159, 162, 164, 166
Fog, The.............................................................26
Forbidden Planet ............................ 114, 156, 164
Francis, Freddie.................................................18
Franklin, Richard..............................................107
Freud, Sigmund ........................ 91, 111, 117, 118
Friday, the 13th........................................107, 111
Friedkin, William ................................................27
Friends at Last ...................................................26
Fright Night - Part 2 ...........................................25
From the Drain ...................................................17
Fulford, Robert...................................................29
Fury, The..........................................................107
Gaitskill, Mary ..................................................109
Game, The .........................................................25
Gattaca...............................................................27
Geffen, David ...............................................22, 37
Gerhold, Hans....................................................42
Getz, John........................................................147
Ghostbusters......................................................25
Ghostbusters II ..................................................25
Giesen, Rolf ........................................ 32, 43, 169
Gilbert, Brian ......................................................27
Ginsberg, Allen ..................................................27
Gold, Jack ........................................................107
Goldblum, Jeff........................... 21, 108, 131, 147
Gorman, Lynne ..................................................94
Göttler, Fritz ...............................................43, 159
Hahn, Ronald M.................................. 26, 42, 106
Halloween ..................................................26, 107
Hammett, Dashiell .............................................69
Hampton, Paul .................................................105
Handling, Piers .......... 16, 42, 107, 108, 112, 156
Hanks, Tom........................................................25
Harkness, John....................................37, 43, 160
Harmon, Robert ................................................. 28
Harry, Deborah .................................................. 12
Heavy Metal....................................................... 25
Hedison, Al.......................................................158
Hellraiser ............................................................ 26
Henry and Verlin ................................................ 23
Hill, Debra ....................................................20, 26
Hill, Phil .............................................................. 23
Hill, Walter....................................................27, 48
Hindle, Art ........................................................115
Hinds, Cindy ....................................................118
Hitchcock, Alfred........................................48, 111
Hitcher, The ....................................................... 28
Hoffmann, E. T. A. ...........................................110
Holm, Ian..........................................................106
Hooper, Tobe..................................................... 43
Horst, Sabine ...................................................169
Howard, Ron ...................................................... 28
Howling, The ....................................................115
Hudsucker Proxy, The....................................... 28
Hume, Cyril ......................................................156
Hunter, Holly ....................................................144
Huschke, Roland ............................................... 42
Hwang, David Henry ...................................22, 37
Immortal Beloved............................................... 25
In The Mouth of Madness ................................. 48
Invaders From Mars .......................................... 53
Irons, Jeremy ................................ 12, 37, 54, 110
Ironside, Michael .............................................107
Irwin, Mark .................................... 18, 25, 45, 157
It Came From Outer Space............................... 18
Italian Machine, The .......................................... 18
Jancovich, Mark.......................................111, 157
Jansen, Volker.....................................26, 42, 106
Jason Leigh, Jennifer ..................... 24, 28, 53, 60
Jeunet, Jean-Pierre ........................................... 27
Jewison, Norman............................................... 26
Joe's Apartment................................................. 25
Johnny Mnemonic .......................................25, 69
Jordan, Neil........................................................ 44
Junior ................................................................ 25
Kafka, Franz ............................... 35, 69, 147, 159
Kansas City........................................................ 28
Kerouac, Jack .................................................... 27
Kershner, Irwin.................................................107
Kidder, Margot .................................................109
Kilb, Andreas ..................................................... 43
Kindergarten Cop .............................................. 25
Kniebe, Tobias................................................... 43
Koteas, Elias ...................................................... 79
Kramer vs. Kramer ............................................ 18
Krays, The........................................................109
Krull ................................................................ 25
Kubrick, Stanley...........................................24, 43
Kuhlbrodt, Detlef................................................ 43
Landis, John ..............................................20, 115
222
Langelaan, George............................................26
Last Night ...........................................................27
Last Temptation of Christ, The .........................27
Law, Jude...............................................24, 53, 60
Letzte Ausfahrt Brooklyn ...................................28
Lie Chair, The ....................................................18
Lisberger, Steven ..............................................69
Loidolt, Lox.......................................................113
Lone, John ........................................ 89, 151, 159
Lord of Illusions..................................................26
Lovecraft, Howard Phillips.........................49, 106
Lynch, David ................................................26, 27
M. Butterfly11, 13, 14, 22, 25, 27, 36, 37, 39, 41,
43, 44, 46, 53, 54, 70, 72, 87, 89, 106,
109, 138, 139, 140, 142, 143, 148, 151,
152, 158, 159, 160, 161, 164, 166
Manderbach, Jochen.........................................42
Mangold, James ................................................25
Marcus, Cyril & Steward....................................26
Mars Attacks! .....................................................25
Matrix, The ..........................13, 38, 39, 44, 64, 69
Maximum Overdrive ..........................................43
McCarty, John............................... 25, 42, 43, 157
McKeehan, Gary..............................................116
McKellar, Don ....................................................27
McLuhan, Marshall ............................................32
Medusa Touch, The ........................................107
Midnight In The Garden of Good and Evil........27
Mimic ................................................................25
Misery ..............................................................111
Mississippi Burning............................................28
Mistrial ................................................................26
Moonlight and Valentino....................................26
Moonshine Highway ..........................................23
Mrs Doubtfire .....................................................25
Ms. 45 ................................................................48
Mulay, James...................................... 42, 43, 158
Murder at 1600 ..................................................26
Naked Lunch11, 12, 13, 14, 20, 21, 25, 26, 36,
41, 46, 48, 49, 53, 54, 59, 61, 62, 63, 64,
65, 66, 67, 68, 69, 70, 71, 73, 85, 86, 87,
89, 106, 107, 108, 109, 138, 139, 142,
143, 148, 150, 151, 152, 153, 154, 160,
164, 166
Network of Blood ...............................................19
Neumann, Kurt.......................................26, 32, 52
Newman, Kim.................................... 48, 106, 113
Night of The Living Dead...................................30
Nightbreed....................................................21, 26
Nightmare on Elmstreet, A ..............................107
Nirvana ...............................................................13
Oetjen, Almut106, 107, 108, 109, 111, 156, 157,
158
Open Your Eyes ................................................39
Oscar Wilde .......................................................27
Parker, Alan .......................................................28
Passenger 57.....................................................25
Patrick ..............................................................107
Payson, John ..................................................... 25
Petley, Julian ...........................................108, 111
Petrie, Susan ...................................................134
Pevere, Geoff...................................................107
Philadelphia ....................................................... 25
Platoon ............................................................... 28
Poe, Edgar Allan......................................110, 145
Pogue, Charles Edward .................................... 20
Psycho ............................................................... 48
Pu, Shi Pei ......................................................... 27
Rabid 11, 12, 13, 16, 18, 25, 29, 30, 35, 46, 50,
56, 59, 89, 90, 91, 92, 93, 101, 104, 105,
110, 111, 115, 122, 134, 138, 152, 158,
162, 164, 166
Rebound – The Legend of Earl 'The Goat'
Manigault................................................ 26
Red Cars ............................................................ 23
Reed, Oliver .................................................18, 25
Reiner, Rob................................................43, 111
Reitman, Ivan...............................................17, 26
Robnik, Drehli .................111, 112, 113, 157, 159
Robocop 2.......................................................... 25
Rocky Horror Pictue Show, The ....................... 25
Roeg, Nicholas .................................................. 25
Rollerball ............................................................ 26
Romero, George A. ...............................30, 43, 47
Rushdie, Salman ............................................... 24
Salem's Lot ........................................................ 43
Sanders, Ronald..........................................18, 25
Sands, Julian ...................................................106
Santa Clause, The............................................. 25
Scanners12, 13, 16, 19, 25, 26, 31, 42, 45, 50,
52, 56, 72, 73, 74, 75, 76, 79, 80, 81, 82,
83, 84, 92, 101, 104, 107, 109, 110, 115,
116, 121, 125, 126, 137, 139, 143, 145,
152, 157, 158, 161, 164, 166
Scheider, Roy ..................................................150
Schwarzenegger, Arnold................................... 26
Scorsese, Martin.................27, 48, 161, 169, 170
Scorsiani, Joseph .............................................. 89
Scott, Ridley....................................................... 27
Secret Weapons ................................................ 17
Seeßlen, Georg38, 44, 48, 49, 50, 106, 107,
112, 113, 144, 158
Sensitives........................................................... 19
Seven ............................................. 23, 25, 27, 48
Shakespeare, William .....................................156
Sheen, Martin .................................................... 73
Shelley, Mary ...................................................106
Shining, The....................................................... 43
Shivers11, 12, 13, 15, 16, 17, 18, 25, 29, 30, 35,
36, 46, 50, 54, 56, 59, 89, 91, 101, 102,
103, 110, 112, 115, 122, 128, 134, 152,
158, 160, 161, 162, 164, 166
Shopping............................................................ 27
Shore, Howard................................................... 18
223
Short Cuts ..........................................................28
Silence of the Lambs, The ..........................25, 48
Silver Bullet ........................................................43
Sisters ..............................................................109
Six Days – Seven Nights...................................25
Six Legs .............................................................20
Skerritt, Tom ......................................................74
Slaughter High .................................................107
Sleepaway Camp ............................................107
Southern Comfort ..............................................48
Spader, James.................................... 12, 79, 103
Speed 2..............................................................28
Spier, Carol ........................................................18
Splatter University ...........................................107
Stand By Me ......................................................43
Steele, Barbara................................................134
Steenbeck, Martyn...........................................169
Stephen King ....... 20, 32, 43, 107, 109, 111, 156
Stereo ...................................17, 29, 56, 104, 139
Stevenson, Robert Louis...................................83
Stone, Platoon ...................................................28
Stop! Or My Mom Will Shoot! ...........................25
Strange Days ...............................................40, 86
Streets of Fire ....................................................27
Sugartime...........................................................26
Suschitzky, Peter...............................................18
Swann ................................................................25
Szely, Sylvia.....................................................157
Tarkowskij, Andrej .............................................38
Taxi Driver..........................................................48
Teague, Lewis ...................................................43
Telepathy 2000 ..................................................26
Terhechte, Christoph.................................43, 159
Texas Chainsaw Massacre, The ......................48
That Thing You Do! ...........................................25
Them! ................................................................56
They Came From Beyond Space .....................18
They Came From Within .............................17, 30
Thing, The ........................................... 53, 56, 156
Thirteenth Floor, The .........................................39
To Die For .......................................................... 23
To Live and Die in L.A....................................... 27
Tommy ............................................................... 25
Top Gun ............................................................. 20
Total Recall ..................................... 20, 26, 40, 69
Transfer.............................................................. 17
Tron ................................................................ 69
Tudor, Janine...........................................103, 134
Twins ..........................................................25, 26
Twins of Evil.....................................................109
Unger, Deborah ...............................................103
Van Sant, Gus ................................................... 23
Vanishing, The................................................... 25
Verhoeven, Paul ..........................................26, 28
Victim, The ......................................................... 18
Videodrome12, 13, 14, 16, 19, 20, 25, 26, 31,
36, 39, 40, 42, 46, 48, 50, 53, 54, 56, 59,
60, 61, 62, 63, 64, 65, 66, 68, 70, 90, 91,
92, 94, 95, 108, 109, 110, 111, 112, 115,
117, 123, 128, 137, 138, 139, 145, 149,
150, 151, 152, 153, 154, 158, 159, 161,
163, 164, 166
Virtuosity ......................................................13, 69
Wachowski, Andy .............................................. 38
Wacker, Holger106, 107, 108, 109, 111, 156,
157, 158
Wadler, Joyce .................................................... 27
Walken, Christopher............................37, 74, 126
Weil, Claudius48, 49, 50, 61, 91, 106, 107, 112,
113
Wiederhorn, Ken................................................ 28
Wilcox, Fred McLeod.......................................156
Wild At Heart...................................................... 27
Wilde, Oscar ........................................29, 42, 110
Wilkinson, Charles............................................. 22
Wolfen 98
Woods, James .......................................12, 37, 60
Yakowar, Maurice............................................112
Zelnicker, Michael.............................................. 67
224
Danksagungen
Ein besonderes Dankeschön geht an: Kai für die Unterstützung mit Literatur
und für die Hilfe bei der Filmographie, Gerald, der mir bei der Korrektur des ursprünglichen Manuskriptes geholfen (und nicht kapituliert) hat, Sven für die Unterstützung durch seltenes Videomaterial, Dokumentationen und Ergänzungen
in der Filmographie, Christian Lukas für Beratung, Unterstützung und für die
Zusammenarbeit, die 'Onscreen' Realität werden ließ, Armin Schneider von der
Warner Bros. und der Presseabteilung der Jugendfilm für die prompte Zusendung von Pressematerialien, Frau Christine Wedemeyer vom Archiv der Zeitschrift 'Cinema', ohne deren freundliche Hilfe dieses Buch um einige Zitate ärmer wäre, Lothar Rhode für seine unschätzbare Hilfe und Unterstützung während meines Studiums, Prof. Dr. W. Beilenhoff für seine freundliche Unterstützung.
Ein persönliches Dankeschön geht außerdem an: Almut und Barbara für ihre
moralische Unterstützung und Freundschaft, Gundula, die sich M. Butterfly und
Crash mit mir im Kino angesehen hat, an meine 'Mitgefangenen' Christian, Martin und Annette, die sich als kompetente Gesprächspartner in puncto Cronenberg herausgestellt haben und mir so manchen Geisteblitz beschert haben. Und
wie immer gibt es eine Reihe von Personen, die nichts mit diesem Buch zu tun
haben, ohne die jedoch die Welt und mein Leben um einiges ärmer wäre (und
die sich außerdem freuen, ihren Namen in einem Buch wiederzufinden): Andrea
S. (frühere B.), Micha, Franko, Holgi und Jeanette, Verena, Sabinchen aus der
Pfalz und besonders Sascha und allen die mir – wenn es um das Thema Cronenberg ging – zugehört haben.
Mein besonderer Dank gilt Frau Wienhardt und Frau Lehman von der Kinowelt
Filmverleih GmbH, ohne deren freundliche Unterstützung dieses Buch nicht bebildert wäre.
An dieser besonderen Stelle danke ich meinen Verlegern Uschi und Dr. OZ.
225
Über den Autor
Thomas J. Dreibrodt, Jahrgang 1967, beendete 1996 das Studium der Filmwissenschaft und Anglistik mit dem Magisterexamen. Neben seiner Hauptbeschäftigung als Produzent bei einem Düsseldorfer Teleshopping-Sender, betätigt er
sich als Filmjournalist und Drehbuchautor. Mit ‚Lang lebe das Neue Fleisch‘
veröffentlicht er sein mit Herzblut geschriebenes Buch über die Filme von David
Cronenberg. Zuletzt arbeitete zusammen mit Co-Herausgeber Christian Lukas
an der Interview-Sammlung 'Onscreen' (ebenfalls im Paragon-Verlag erschienen). Während die Vorbereitungen für 'Onscreen 2' auf Hochtouren laufen, arbeitet Thomas J. Dreibrodt an weiteren Projekten, die jedoch laut eigener Aussage noch "strikte Verschlußsache sind". Es ist jedoch zu vermuten, daß er seinem Lieblingsthema – der Phantastik – in anstehenden Projekten weiterhin treu
bleiben wird.
226
227
229
230