Landmaschinen früher und heute, Teil 2

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Landmaschinen früher und heute, Teil 2
Leben und Wissen 15
SÜDKURIER NR. 220 | MP
SAMSTAG, 21. SEPTEMBER 2013
S AÜ M
D KS U
T ARGI E, R2 1N. RS. E2P2T0E M
| BMEPR 2 0 1 3
Leben und Wissen 15
LANZ D8506
Luft-Ansaugrohr zum
Start des Schleppers
aus einem historischen Werbeplaktat der
Firma Lanz, Mannheim
Handbremse
Schmieröl- Schmieröl- BrennstoffBehälter
Feinfilter
Behälter
BenzinBehälter
Lichtschalter
Luftfilter
Hauptschalthebel
Batterie
Kühlwasserraum
Stufen-Schalthebel
Baujahr: 1950
Fertigung: Mannheim
Motor: 1-Zylinder-Zweitakter mit 10,3 Liter
Hubraum und 35 PS
Gewicht: 3,7 Tonnen
Liebhaber-Preis:
25 000 bis 35 000 Euro
Schallfänger/
Auspuff
Kühlerelemente
Kupplungspedal
Brennstoffdüse
Zündkerze
Zylinderkopf
Sicherheits-Schraube
Werkzeugkasten
Gefederte
Straßen-Anhängervorrichtung
Zündkopf
Schmieröl-Vorfilter
Acker-Anhängervorrichtung
Motorkolben
Vorderachse
Getriebe
im Ölbad
QUELLE: DLG-VERLAG / SAMMLUNG KARL PRILLINGER
Rüstungsproduktion beschlagnahmt.
Erst 1950 kam Bautz mit einem 14 PS
Zweizylinder-Traktor auf den Markt.
Wenig später mischte man in der Spitze
der führenden Schlepperhersteller
Deutschlands mit. Wie für so viele Hersteller kam mit dem Wandel in der
Landwirtschaft, dem Rückgang der
Kleinbauern und dem gestiegenen
Wettbewerbsdruck das Ende rasch:
1962 wurde nach 25 000 Schleppern der
Traktorbau eingestellt. Stattdessen
konzentrierte man sich auf Erntemaschinen. Schließlich wird das Unternehmen 1969 an Claas verkauft.
Eine fast kuriose Geschichte ist die
des Porsche-Schleppers. Mit Sachverstand nahm sich „Volkswagen“-Konstrukteur Ferdinand Porsche nahezu aller mechanischer Fortbewegungsmittel an. Ihm schwebte eine Zugmaschine
vor, die als „Volksschlepper“ Pferd und
Ochse ersetzen sollte. Nach einem
„Pflugtraktor“ (1915) kam erst 1937 die
Entwicklung und der Bau einiger Prototypen des Schleppers voran. Der Zweite
Weltkrieg jedoch machte alle Planungen zunichte und auch das „Volksschlepperwerk“ bei Köln blieb eine
Idee. Einzig der „Ostradschlepper“, eine Zugmaschine mit riesigen Rädern,
wurde 1942 auf die Äcker geschickt.
Das Unternehmen Allgaier in Uhingen übernahm die Lizenzproduktion
der Volksschlepper. 1950 kam der erste
Allgaier-Schlepper „System Porsche“
auf den Markt. Bis 1955 verließen mehr
als 25 000 Porsche-Schlepper die Werke
in Uhingen und Friedrichshafen. Dann
wurde der Schlepperbau bei Allgaier in
Uhingen eingestellt.
Der Traktorbau in Friedrichshafen
wurde von der Allgaier Maschinenbau
GmbH in die Porsche-Diesel-Motorenbau GmbH umgewandelt. Die neue Firma als Unternehmen des Mannes-
Die Serie
Kurbelwelle
mann-Konzerns fertigte dort fortan
auch Traktoren. In der kurzen Zeit von
nur acht Jahren liefen mehr als 120 000
Porsche-Diesel-Schlepper vom Band.
Viel, aber nicht genug. Denn ausländische Hersteller drängen auf den deutschen Markt und die Konkurrenz
schläft nicht. 1963 lässt Mannesmann
den Schlepperbau bei Porsche-Diesel
einstellen. Die Fabrik wird an Daimler
Benz verkauft.
Eine deutsche Marke, die sich bis
heute mit ihrer grünen Modellpalette
bestens behauptet, ist Fendt aus Markt-
14. September: Die Landwirtschaft und
Agrartechnik im Südwesten
Diese Ausgabe: Der Traktor früher
28. September: Der Traktor heute
5. Oktober: Die Aussaat heute
12 Oktober: Ernten/Dreschen früher
19. Oktober: Ernten/Dreschen heute
26. Oktober: Die Arbeit im Wald
SÜDKURIERRedakteur Alexander Michel hat im
Traktormuseum
Bodensee in
Gebhardsweiler
den Lanz-Bulldog
gefunden, der
oben auf dem
Plakat zu sehen
ist. Im Hintergrund auf dem
Regalbrett die
mächtigen Kolben
aus einem LanzEinzylinder-Motor.
B ILD : TE SCHE
Traktorenbau in Baden-Württemberg
Heinrich Lanz (1878*−1960*)
heute John Deere
*Fertigung der ersten Lokomobile
bis Ende Bulldog-Produktion
Stihl (1948 − 1961)
Waiblingen
Stuttgart
Daimler Benz
„Unimog“
(1951 bis heute)
BI L D: TESCHE
Allgaier (1950 − 1955)
Uhingen
Göppingen
Gaggenau
Tübingen
Zanker
(1949 − 1950) Bad Urach /
Metzingen
BoehringerUnimog
(1948 − 1951)
Holder
Balingen
Wahl (1935 − 1963)
(seit 1930)
BAYERN
Marktoberdorf
Fendt
Bad Saulgau
Heitersheim
Hummel
Fahr Bautz (1949 − 1962)
(1938 − 1962)
Gottmadingen
(1954 − 1960)
Überlingen
Kramer (1952 − 1973)
Aulendorf
Goldene Zeiten und große Namen
Die Region um den Bodensee war einmal
Heimat mehrerer berühmter Hersteller von
Traktoren. Nur die Namen sind noch bekannt, der Rest große Geschichte:
Mannheim
Zu Öffnungszeiten und Sammlungen der
beiden Museen:
www.traktormuseum.de
www.fahr-schlepper-freunde.de
Aktivitäten und Treffen
der Oldtimer-Schlepper-Szene
www.bulldog-freunde-bodensee.de
www.busf.de
Buchtipp: Eine Fundgrube für Fans ist der
Band von Karl Prillinger
„Abenteuer historische
Landtechnik – Lanz“, mit
vielen Farbbildern und
Grafiken, teils zum
Ausklappen, 24,99 Euro.
Alle Teile mit Videos, Bildergalerien
und Website-Hinweisen auf:
www.suedkurier/landmaschinen
Oben: Auf
Ausfahrt ist
Hubert Auer,
Vorsitzender
der Schlepper-Freunde
Fahr. Das
Modell ist
ein D 270
von 1955. Er
hat 32 PS.
Nachkriegszeit riesig. Viele Marken –
das ist nicht anders als im Automobilbau – sind dennoch heute Geschichte –
darunter Bautz, Eicher, Güldner, Hanomag und der bayerische Hersteller
Schlüter. Auch Zanker in Tübingen, bekannter als Waschmaschinen-Hersteller, gehörte dazu. Sein Traktor hieß ganz
einfach „Bauernschlepper“.
immer samstags
der Agrartechnik
nig entfernt, in der Carl-Benz-Straße im
Gewerbegebiet, ist fahrbereit geblieben, was einst in rot vom Band lief:
Schlepper aus drei Jahrzehnten, Mähdrescher, Ernte- und Häckselwagen
oder Heuwender. Alles in Eigeninitiative gesammelt und errichtet. Bravo!
oberdorf im Allgäu. Innerhalb von 75
Jahren wurde aus der bescheidenen
Hofwerkstatt ein Weltkonzern. Und aus
dem ersten Sechs-PS-Kleinschlepper
von 1930 mit dem bezeichnenden Namen „Dieselross“, der ein Mähwerk
oder einen Pflug ziehen konnte, ist heute ein mehr als 350 PS starker VarioGroßschlepper geworden.
Wie rasant nach 1945 die Mechanisierung der Landwirtschaft voranschritt,
belegt die Tatsache, dass bei Fendt 1961
der 100 000ste Schlepper vom Band lief.
Der Bedarf an Traktoren war in der
(1930
bis heute)
Hermann Lanz
(Hela, 1929 − 1979)
Friedrichshafen
Porsche (1950 − 1963)
QUELLE: EIGENE RECHERCHE / SÜDKURIER-GRAFIK: STELLER
➤ Fahr, Gottmadingen: Die Firma startete 1870, Traktoren wurden seit 1938
gebaut. 1951 stellte man den ersten
deutschen Mähdrescher vor, der nicht
geschleppt wurde, sondern selber
fuhr. Ab 1958 arbeitete Fahr beim
Traktorbau mit Güldner in Aschaffenburg zusammen (gibt es heute auch
nicht mehr). 1961 stieg die Deutz AG
bei Fahr ein, und der Schlepperbau
bei Fahr endete ein Jahr darauf.
➤ Kramer, Überlingen: 1925 in Gutmadingen bei Geisingen gegründet,
baute die Firma ideenreich ihre Motormäher und Traktoren – seit 1952 in
Überlingen. 1973 stieg man aus dem
Schlepperbau aus und verlegte sich
auf Baumaschinen – seit 2008 im
neuen Werk in Pfullendorf.
➤ Porsche, Friedrichshafen: Nur Traktorfans wissen, dass sich Porsche
lange vor dem 911er mit zwei Zylindern und 18 PS einen guten Namen
machte. Der „Allgaier-Schlepper
System Porsche“ war auf dem Acker
ein Renner und bald zog man das
Schlepper-Geschäft am Bodensee
groß auf: Vier Typen – von einem bis
vier Zylinder – gab es. 1963, vor 50
Jahren, kam das Aus. Doch viele der
roten Trecker fahren noch heute.
➤ Bautz, Bad Saulgau: Erntemaschinen
baute die Firma seit 1900. Schlepper
kamen 1949 dazu. Nach 25 000 Stück
war 1962 Schluss. Der Claas-Konzern
übernahm Bautz 1969.
➤ Hermann Lanz (HELA), Aulendorf:
Die 1888 gegründete Firma gehörte zu
den ganz großen Nummern im
Schlepperbau, der 1929 startete. Mehr
als 30 000 Traktoren wurden gebaut.
Noch heute gibt es eine große Fangemeinde rund um die HELA-Schlepper,
die seit den 60er-Jahren in einer breiten Modellpalette angeboten wurden.
➤ Holder, Bad Urach/Metzingen: Endlich ein früherer Traktor-Bauer, der
am Markt überlebt hat, weil er sich
rechtzeitig auf Spezialfahrzeuge wie
Kehrmaschinen und Schneefräsen
spezialisiert hat. Doch Holders AllradOldie-Schlepper sind noch heute bei
den Fans heiß begehrt. (mic)