Schimmel in Gebäuden - Eine Betrachtung aus Sicht des
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Schimmel in Gebäuden - Eine Betrachtung aus Sicht des
Schimmel in Gebäuden Vortrag anlässlich der ATA-Tagung an der Rheinischen Friedrich-WilhelmsUniversität Bonn am 27.05.2010 Dipl.-Ing. Anja Jubelius Abteilungsleiterin Arbeits- und Umweltschutz Leitende Fachkraft für Arbeitssicherheit Betriebsbeauftragte für Abfall www.sichtech.uni-bonn.de [email protected] Tel.: 0228/73-5992 Fax: 0228/73-3319 Inhalt des Vortrages Typische Anfragen im Arbeitsschutz Was sind Schimmelpilze und was brauchen sie zum Wachstum? Welche gesundheitlichen Risiken bestehen? Welche Untersuchungsmethoden gibt es? Ursachen, Gegen- und Vorbeugemaßnahmen Typische Anfragen im Arbeitsschutz Wir hatten einen Wasserschaden, es wurde saniert aber es richt immer noch muffig. Sichtbarer Schimmel an Wänden. Bücher/Archivarien oder Gegenstände sind verschimmelt. Unspezifische körperliche Beschwerden wie Hals- und Nasenreizungen, Kopfschmerzen, Müdigkeit. Was sind Schimmelpilze? Schimmelpilze ist ein Sammelbegriff für verschiedenste Fadenpilze aus mehreren Pilzgruppen. Schimmelpilze bilden in der Wachtsumsphase Zellfäden, das sog. Myzel, welches meist farblos und mit bloßem Auge nicht sichtbar ist. Die Verbreitungsorgane der Pilze sind die sog. Sporen (Durchmesser meist < 10 µm). Diese sind meist mit bloßem Auge sichtbar (z.B. als Schimmelpilzflecken). Sporen können über die Luft über weite Strecken transportiert und auch eingeatmet werden. Der typische Schimmelgeruch entsteht durch die von Schimmelpilzen produzierten flüchtigen organischen Verbindungen (MVOC, Microbial Volatile Was sind Schimmelpilze? Schimmelpilze sind ein natürlicher Teil unserer Umwelt und sind daher auch in Innenräumen vorhanden. Ein Wachstum in Innenräumen sollte aber vermieden werden. Was braucht der Schimmelpilz? Substrat (Nährstoffquelle): Holz, Papier, Tapeten, Tapetenkleister , Kunststoffe, Silikon, Gummi, Farben, Lacke, Kleber, Leder, organische Partikel aus der Luft die sich an Oberflächen (z.B. Glas) anlagern, Zement, Beton. Feuchtigkeit: Ausschlaggebend ist nicht die Gesamtfeuchte des Materials, sondern das dem Pilz zur Verfügung stehende „freie“ Wasser (sog. Wasseraktivität, aw-Wert). Temperatur: abhängig von der Pilzart Gesundheitliche Auswirkungen Das Einatmen von Sporen und Stoffwechselprodukten von Schimmelpilzen kann allergische und reizende Reaktionen hervorrufen. Wissenschaftlich abgesicherte Aussagen bzgl. der Dosis-Wirkungsbeziehung zwischen Schimmelpilzexposition in Innenräumen und gesundheitlichen Beschwerden sind jedoch nicht möglich. Aus der Schimmelpilz-konzentration kann also nicht unmittelbar auf gesundheitliche Wirkungen geschlossen werden. Pilze können Gifte produzieren – sog. Mykotoxine. Zu den gesundheitlichen Auswirkungen beim Auftreten in Innenräumen liegen derzeit keine validierten Informationen vor. Eine Betrachtung aus Vorsorgegründen ist jedoch notwendig. Ablauf der Untersuchun g auf Schimmelpil ze in Innenräume n Begehung Mögliche Ursachen für eine Schimmelpilzbelastung abklären. Erhebung physikalischer Daten wie Temperatur und Luftfeuchte. Angaben zu möglichen Quellen. Abfrage gesundheitlicher Beeinträchtigungen. Multidisziplinäres Problem von Experten (Baufachleute, Mikrobiologen, Umwelt- und Arbeitsmediziner, Fachkräfte für Arbeitssicherheit) Ablauf der Untersuchun g auf Schimmelpil ze in Innenräume n Messung kultivierbarer Schimmelpilze in Materialund Oberflächenproben Entnahme einer Materialprobe (Putz, Tapete etc.) Oberflächenkontaktproben: Abklatschproben mittels Nährmedium oder Klebefilmpräparat (mikroskopischer Nachweis durch das Wachstums des Myzels) Methode erlaubt keine quantitative Aussage (KBE) Differenzierung nach Art des Pilzes möglich. Interpretation der Ergebnisse ist oft schwierig, da diese Materialabhängig sind und Vergleichwerte oft fehlen. Ablauf der Untersuchun g auf Schimmelpil ze in Innenräume n Bestimmung vitaler Sporenkonzentration in Raum- und Außenluft Schimmelpilze in der Innenraumluft können 2 Quellen haben: Eintrag durch die Außenluft (z.B. beim Lüften) oder Quellen im Raum. Verfahren: Ansaugung einer definierten Luftmenge mittels einer Pumpe und Abscheidung auf einem Filter (Filtration) oder auf einem Nährmedium (Impaktion). Anzüchtung der Pilze auf geeigneten Nährmedien. Angabe des Ergebnissen (Konzentration) in „Kolonie bildende Einheiten“ (KBE/m3 Luftvolumen) inkl. möglicher Differenzierung nach vorhandenen Schimmelpilzarten. Bewertung erfolgt nach hygienisch-mikrobiologischen Zustand von gut bis sehr gut, grenzwertig bis hin zu unzureichend. Messung der Schimmelpilze im Staub Vorteil: Im Gegensatz zur Messung in der Luft gibt diese Methode eine Aussage über eine mögliche andauernde Schimmelpilzbelastung. Verfahren: Absaugen des Teppichbodens oder anderer Flächen auf einen Planfilter. Direktverfahren: Aufbringung des Staubes auf ein Nährmedium. Verdünnungsverfahren: Suspension in Wasser und anschließende Aufbringung auf ein Nährmedium. Vorteil: Ermittlung höherer Werte möglich. Messung der der organisch flüchtigen Komponenten (MVOC) Schimmelpilze bilden MVOC bei Wachstum und dies führt zum typischen Geruch. Stoffklassen wie Aldehyde, Alkanole, Ester, Carbonsäuren, Ether, schwefelhaltige Verbindungen, Terpene. Beste Indikatoren: 3- Methylfuran, Dimethylsulfoxid, 1Octen-3-ol, 3-Octanon, 3-methyl-1-butanol. Einsatz des Meßverfahrens ist besonders sinnvoll bei noch nicht sichtbarem Befall. Meßmethoden: z.B. Aktivkohleröhrchen und anschließende GC-MS-Bestimmung der MVOC (VDIRichtlinie 4255). Abschätzung der gesundheitlichen Risiken allein durch MVOC-Messungen sollte nicht vorgenommen werden, da die Substanzen u.a. auch aus anderen Quellen Einsatz eines Schimmelpilzspürhunde s Ergänzung mikrobieller Messungen oder MVOCMessungen bei nicht sichtbaren aber vermuteten Schimmelpilzschäden. Der Hund zeigt die noch nicht sichtbare Quelle des Schimmelpilzbefalls aufgrund seines Geruchssinns durch antrainierte Verhaltensweisen an. Geruchswahrnehmung der MVOC bereits bei sehr geringen Konzentrationen. Entscheidung für Maßnahmen sollte sich jedoch nie alleine auf diese Untersuchungsmethode stützen. Google: Schimmelpilzspürhund oder „Schimmelpilz Spürhund“ Bewertungshilfen Schnelltests – sind nach Aussagen von Experten ungeeignet, da nicht standardisiert (z.B. Bio-Check, Quicktox). Ursachensuche Voraussetzung ist eine erhöhte Feuchte, die sowohl durch Bauschäden als auch durch Nutzerverhalten entstanden sein kann. Ursache: Bauliche Mängel Durchfeuchtung infolge von Rissen Durchfeuchtung infolge von undichten Wandabdichtungen Mängel am Heizungssystem Häufige Baumängel Nicht sachgemäß beseitigter Wasserschaden Mangelhafte Grundrissplanung mit ungenügenden Lüftungsmöglichkeiten, z.B. Lüftungskurzschluß in Bädern Durchfeuchtung infolge von undichten Dächern Durchfeuchtung an baulichen Schwachstellen, z.B. an Kältebrücken, infolge von Oberflächentauwasserausfall Ursache: Nutzungsmängel Zu wenig Lüften Zu wenig heizen; nicht Beheizung einzelner Räume Zu niedrige Raumtemperatur – weniger als 16°C Falsches Lüften, z.B. Unterkühlung der Laibungsfläche durch ständige Kippstellung der Fenster; Oberflächentauwasserbildung durch Belüften von kalten Räumen mit warmer Außenluft Häufige Nutzungsmängel Zu hohe Raumluftfeuchte – auf Dauer mehr als 65% relative Luftfeuchte in kalten Räumen Falsches Heizen, z.B. Erwärmen von Räumen durch warme Luft aus anderen Räumen statt durch Heizkörper Kurzfristige Gegenmaßnahmen Reinigung und Desinfektion ohne Staubaufwirbelung bei leichtem Schimmelbefall: oberflächliches Abwaschen mit 70% bis 80% -igem Ethylalkohol. Einsatz spez. Fungizide (nicht zu empfehlen, wenn dann zeitlich und örtlich sehr stark begrenzt). Abdecken oder Abschotten der befallenen Stellen Gezieltes bzw. vermehrtes Lüften und Heizen der befallenen Stellen bzw. des Raumes um die Feuchtigkeit zu reduzieren. Substrate entfernen; ggf. besondere Entsorgungsvorgaben beachten. Substrate säubern (z.B. Bücher) um die Konzentration in der Raumluft weiter zu senken. Arbeitsschutznahmen beachten (PSA, Betriebsanweisung, Unterweisung). Langfristige Gegenmaßnahmen Bauseitige Schäden beheben und Aufklärung der Nutzer, wie zukünftig Schimmelpilzbefall vermieden werden kann. Ziel der Sanierung Schimmelpilzbefallene Materialien vollständig entfernen. Verschiedene Maßnahmen je nach Materialart (vom Abwaschen, Ausbau, Abschleifen). Substrate in Maßnahmen mit einbeziehen. Arbeitsschutzmaßnahmen Maßnahmen gegen Berühren, Einatmen, Aufnahme über Schleimhäute persönliche Hygienemaßnahmen, fachlich qualifiziertes Personal Rechtsgrundlagen: Biostoffverordnung, TRBA bzw. TRGS (z.B. 907 Verzeichnis sensibilisierender Stoffe; 540 Sensibilisierende Stoffe; 524 Sanierung und Arbeiten in kontaminierten Bereichen) Vorbeugemaßnahmen Relative Luftfeuchte: 40 bis 60 % Im Raum entstehende Feuchtigkeit (Kochen, Duschen) nach Außen durch regelmäßiges Lüften abführen. Stoßlüftung/Querlüftung statt dauerhaft gekippter Fenster Lufttemperatur: 17 – 21 °C Ideales Raumklima Fensterlüftung im Sommer: tagsüber und nachts 2 bis 4 mal für 30 Minuten Fensterlüftung im Winter: tagsüber 2 bis 4 mal für 5 Minuten Fensterlüftung in der Übergangszeit: tagsüber 2 bis 4 mal für 15 Minuten Vorbeugemaßnahmen Auskühlen der Wände verhindern. Ursachen für Feuchtigkeit (aufsteigende Dämpfe, Sickerwasser, Wasserschäden) sofort beseitigen. Schimmelpilzgefährdete Wände möglichst nicht tapezieren. Bei Sanierungsmaßnahmen anorganische Materialien wie Kalkputz, Kalk- und Mineralfarben verwenden. Verschimmelte Nahrungsmittel, Proben (z.B. im naturwissenschaftlich-biologischen Bereich), Blumentopferde umgehend beseitigen. Eine grundsätzliche Abhilfe von Schimmelpilzbefall durch Entzug der Nährstoffe ist jedoch nicht umsetzbar. Zusammenfassung Gesundheitliche Risiken ernst nehmen – für den Nutzer der Räume und für die Mitarbeiter, die die Sanierungsmaßnahmen durchführen (Arbeitsschutzmaßnahmen). Untersuchungsmethoden müssen differenziert betrachtet und angewendet werden. Ggf. sind mehrere Meßmethoden anzuwenden. Die Einbindung verschiedener Experten ist notwendig. Ursache kann baulich und/oder nutzungsbedingt sein. Gegenmaßnahmen sind abhängig vom Grad des Schimmelpilzbefalls. Ziel einer Sanierung: Beseitigung der Ursachen der Entstehung des mikrobiellen Befalls. Vorbeugemaßnahmen sind meist nutzungsbedingt. Literatur Umweltbundesamt (www.uba.de) Hilfe! Schimmel im Haus. Leitfaden zur Vorbeugung, Untersuchung, Bewertung und Sanierung von Schimmelpilzwachstum in Innenräumen (Schimmelpilzleitfaden) Leitfaden zur Ursachensuche und Sanierung bei Schimmelpilzwachstum in Innenräumen (Schimmelpilzsanierungsleitfaden) Podcast www.quarks.de Danke für Ihre Aufmerksamkeit!