„Die mobile Nutzung ersetzt das Kabelfernsehen nicht“

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„Die mobile Nutzung ersetzt das Kabelfernsehen nicht“
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pro
media. Juni/2013 I Breitbandinfrastruktur
>> Kabelnetzbetreiber investieren ca. 25 Prozent ihrer Umsätze in den Netzausbau
„Die mobile Nutzung ersetzt
das Kabelfernsehen nicht“
Interview mit Thomas Braun, Präsident, ANGA Verband Deutscher Kabelnetzbetreiber e.V.
Der Zugang zum schnellen Internet ist nach wie vor in Deutschland eine Standortfrage – der
flächendeckende Breitbandausbau bleibt daher auch nach der Bundestagswahl ein wichtiges
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des Infrastrukturwettbewerbs liegen. Hierzu Thomas Braun, Präsident des Verbandes Deutscher
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die Ausgestaltung und Bepreisung des Internetzugangs erfolgt, ist dann eine spezifische Entscheidung über die Produktgestaltung, die jedes Unternehmen für sich treffen muss.“
>> Thomas Braun
Geboren: 1952
1979 - 1989 Geschäftsführender Gesellschafter mehrerer Telekommunikationsunternehmen
Ab 1990 Geschäftsführer der KMG KabelFernsehen Hannover GmbH und RKS Niedersächsischen Kabel-Service
1990 - 1992 zusätzlich Geschäftsführer der
KFL Kabelfernsehen Leipzig GmbH.
2000 - 2008 Mitglied der Geschäftsführung
bzw. des Vorstandes von Tele Columbus
Ab 2009 geschäftsführender Gesellschafter der
Concept Unternehmens- und Medienberatung
Seit 1997 Präsident der ANGA
promedia: Herr Braun, die Telekom
hat angekündigt ein neues Preissystem für das stationäre Internet
einzuführen und Datenraten zu
drosseln. Werden die Kabelnetzbetreiber diesem Beispiel folgen?
Braun: Die deutschen Kabelnetzbetreiber investieren seit Jahren ca. 25
Prozent ihrer Umsätze in den Netzausbau und konnten sich so als erfolgreiche Infrastrukturwettbewerber im
Breitbandmarkt positionieren. Als Folge
der erheblichen Investitionen sind die
Breitbandkabelnetze heute eine der
zukunftsfähigsten Infrastrukturen mit
ständig wachsenden Kundenzahlen.
Dabei ist auch bei den hohen Bandbreiten eine steigende Nachfrage zu
verzeichnen – mittlerweile nutzen
knapp 60 Prozent aller Kabelkunden
Internetbandbreiten über 30 MBit/s.
Aus Sicht der deutschen Kabelbranche ist es wichtig, dass Unternehmen
Spielraum für die Entwicklung neuer
Geschäftsmodelle haben, die eine
weitere Finanzierung des Breitbandausbaus sicherstellen sollen. Wie letztlich
die Ausgestaltung und Bepreisung
des Internetzugangs erfolgt, ist dann
eine spezifische Entscheidung über die
Produktgestaltung, die jedes Unternehmen für sich treffen muss.
promedia: Es gibt noch immer
Gebiete, wo die Datenrate unter 2
Mbit/s beim Internetanschluss liegt,
vor allem in ländlichen Gebieten.
Wie kann – ohne eine gesetzliche
Regelung – der Ausbau beschleunigt
werden?
Braun: Ein Technologiemix aus funkund kabelgebundenen Anwendungen
ist erforderlich, um den Breitbandausbau gerade in unterversorgten Gebieten
voranzutreiben. Sowohl Mobilfunk als
auch Satellitenangebote spielen hier
eine wichtige Rolle. Gleichzeitig müssen
in manchen Gebieten auch Fördermittel
eingesetzt werden, um die Wirtschaftlichkeitslücke beim Ausbau zu schließen
– das gilt umso mehr bei den nächsten
Stufen der Breitbandstrategie, die den
Zugang zum Hochgeschwindigkeitsinternet ermöglichen sollen.
promedia: Also sollte der Ausbau
werden?
Braun: Es gibt Gebiete, in denen ein
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Ausbau allein auf wirtschaftlicher
Grundlage nicht möglich sein wird.
Förderprogramme müssen allerdings strikt auf echte weiße Flecken
fokussiert werden, in denen durch
keine der verfügbaren Technologien
ein wirtschaftlicher Ausbau möglich
ist. Der Überbau von existierenden
Hochgeschwindigkeitsnetzen (z.B.
Kabelnetzen) durch geförderte Infrastrukturen muss vermieden werden.
promedia: Welchen Beitrag können die Kabelnetzbetreiber hier
auch nicht gerade deren Domäne.
Braun: Kabelnetzbetreiber binden
in ganz Deutschland Haushalte an
das schnelle Internet an. Auf Grund
der erheblichen Investitionen in den
Ausbau der Netze in den letzten Jahren
sind heute 55 Prozent der deutschen
Haushalte über Kabel an das Hochgeschwindigkeitsinternet anschließbar. Die
Aufrüstung mit DOCSIS 3.0 hat auch
in ländlichen Gebieten vielen Haushalten erstmalig Zugang zum schnellen
Internet gebracht. Gerade wenn in
einer Kommune bereits Kabelfernsehen vorhanden ist, können noch nicht
versorgte Haushalte oft mit überschaubarem Aufwand im Wege eines
Lückenschlusses angeschlossen werden.
promedia: Wie sehen Sie generell
die Rolle und Position der Kabelnetzbetreiber im Infrastruktur-Viergestirn Kabel, Telekommunikation,
Satellit, Mobil?
Braun: Die deutschen Kabelnetzbetreiber versorgen rund 18 Millionen Haushalte mit Fernsehen und 4,4 Millionen
Haushalte mit Kabelinternet. Steigende
Kundenzahlen für Breitbandinternet
und Telefonie, aber auch für PayTV
und FreeTV in HD zeigen, dass das
Kabel in einem wettbewerbsintensiven
Markt auf einem guten Weg ist.
promedia: Jeder zweite Kabelhaushalt nutzt heute die digitalen Angebote. Doch der analoge Satellit
wurde vor einem Jahr abgeschaltet. Inzwischen gibt es deutlich
mehr HD-Angebote. Warum
vollzieht sich die Nutzung digitaler
Angebote im Kabel im Verhältnis
immer noch so schleppend?
Braun: Der Satellit hatte bei der Digitalnutzung ganz andere Ausgangsbedingungen, weil man auch schon für
den analogen Empfang eine Set-TopBox brauchte. In den letzten Jahren
haben wir aber sehr deutlich aufgeholt und sind jetzt bei ca. 50 Prozent.
Bezüglich HDTV muss man bei dem
Vergleich zudem berücksichtigen, dass
die Programme in hochauflösender
Qualität erst seit kurzer Zeit in den
Kabelnetzen zur Verfügung stehen.
und die audio-visuelle Mediennutzung
insgesamt steigen werden. Um den
zukünftigen Bandbreitenbedarf muss
man sich – das zeigen ja auch einige
aktuelle Diskussionen – nun wirklich
keine Sorgen machen. Für diesen
Bedarf haben wir die besten Voraussetzungen – sei es linear oder nichtlinear.
promedia: Die Zukunft von DVB-T
ist ungewiss. Damit verstärken
sich die Forderungen, weitere
Rundfunkfrequenzen für mobile
Dienste frei zu geben. Sie hatten
beim Start von LTE über Störungen in Ihren Netzen geklagt. Ist
das inzwischen technisch gelöst?
promedia: Wann wollen Sie bei 100
Braun: Die Forderung nach einer
Prozent sein?
Koexistenz von Mobilfunk und Kabel
Braun: Das wird noch einige Zeit
ist durch die Diskussion über eine
dauern, aber wir sind ja nicht unter
Vergabe weiteren Spektrums an den
Druck, weil sich auch unser digitales
Mobilfunk aktueller denn je. Das
Angebot prima entwickelt. Wir maThema Störungsfreiheit ist frühzeitig
chen den digitalen Empfang stetig atzu adressieren, damit mögliche Abhiltraktiver, lassen als guter Dienstleister
femaßnahmen diskutiert und identifiunseren Kabelkunden aber weiterhin
ziert werden köndie freie Wahl.
nen. Nur so kann
IN MANCHEN
verhindert werden,
promedia: Wie
GEBIETEN
MÜSdass die parallele
wirkt sich der
SEN FÖRDERNutzung desselben
Wegfall der
MITTEL FÜR DEN
Spektrums durch
Grundverschlüskabelgebundene
selung von
NETZAUSBAU
und mobile Dienste
FreeTV auf die
EINGESETZT WERnegative KonseDigitalquote aus?
DEN.
quenzen für die
Braun: Durch den
Endkunden hat.
zunehmenden
Wegfall der Grundverschlüsselung wird
promedia: Insgesamt nimmt die
die Zahl der Kabelhaushalte, die auch
mobile Mediennutzung zu. Kommt
digitale Programme schauen, in den
damit ein neuer Konkurrent auf
nächsten Monaten zusätzlich wachsen,
Sie zu oder werden die Kabelweil die Umgewöhnung noch leichter
netzbetreiber selbst ihre Mobilwird.
angebote ausbauen und vielleicht
auch in der nächsten Runde selbst
promedia: Die Fernsehnutzung
Mobilfunkfrequenzen erwerben?
über das Internet nimmt zu, damit
Braun: Wir gehen davon aus, dass die
„stirbt“ Ihr klassischer Versormobile Mediennutzung das Kabelferngungskanal langsam. Was machen
sehen nicht ersetzen wird, sondern
Sie mit den freien Kapazitäten?
eine Ergänzung darstellt. Kunden wolBraun: Soweit sind wir aber noch
len sowohl zeitlich als auch örtlich eilange nicht! Zunächst ist der Fernsehnen flexiblen Zugriff auf Medieninhalte
konsum ja in den letzten Jahren gar
– darauf reagieren die Kabelnetzbetreinicht zurückgegangen. Zudem spricht
ber mit neuen Angeboten wie Video
einiges dafür, dass das Zusammenspiel
on Demand oder Multiscreen-Lösungvon Internet und Fernsehen, z.B. über
en.
(HH)
die Nutzung eines Second Screen,
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