Citizen Kane (Orson Welles, 1941)
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Citizen Kane (Orson Welles, 1941)
Citizen Kane (Orson Welles, 1941) • Citizen Kane – Schlüsselfilm in verschiedener Hinsicht: • Höhepunkt der amerikanischen Filmkunst innerhalb des Hollywoodsystems – Technisch brillanter Film, dessen visuelle Kraft auch heute nicht nachgelassen hat • historisches Bindeglied zwischen Hollywood und dem späteren europäischen Autorenfilm – Welles als „Autor“ (auteur) in Hollywood • CK als Ort, an dem die Moderne sichtbar zu zerbrechen beginnt – Problematisierung der Wahrheitssuche als Vorbote der Postmoderne • Orson Welles (1915-1985) – 1931-1936 Theatertätigkeit • Zusammenarbeit mit John Houseman (Schauspieler und Dirigent) • sehr erfolgreiche „Macbeth“-Inszenierung mit dem Federal Theater Project (Negro Theater Unit); Macbeth in Haiti • Mercury Theater – Joseph Cotten, Agnes Moorehead, Everett Sloane u.a., die später in CK mitwirken • 1937-1938: Radioadaptionen von klassischen Werken – Zusammenarbeit mit Komponisten Bernard Herrmann – Oct. 30 1938: realistisch inszenierte „War of the Worlds“-Sendung löst Panik und Verwirrung aus, macht Welles berühmt – 1940 Welles geht nach Hollywood • Carte blanche von RKO: Welles hat volle künstlerische Kontrolle muss lediglich einen Etat einhalten • Citizen Kane (1941) • The Magnificent Ambersons (1942) • Nachkriegsfilme in Hollywood – The Stranger 1947 – The Lady from Shanghai 1948 • Europäische Phase 1948-1956 – Macbeth 1952 – Othello 1955 – Mr. Arkadin 1958 • Rückkehr nach Amerika – Touch of Evil 1958 • Europäisch produzierte Spätwerke – 1962 The Trial – 1965 Chimes at Midnight (Shakespeare-Adaptation) • 1970-1985; Rückkehr nach Amerika, Arbeit in Fernsehen, Reklamen, Ehrenoscar (1970) • Nebenfiguren (alle mit Tiefendimension) – Bernstein • jüdischer Aufsteiger, der Kane hauptsächlich als Erfolgsmenschen begreift • nicht unsympathische Gestalt, die Kanes romantische Sehnsucht teilt („girl on the ferry“) – Leland • Idealist und Ästhet, der von Kane enttäuscht wird (alter ego von Kane) • endet wie Kane (vereinsamt) • ihm fehlt Kanes Lebenskraft (und Sexualität) – Susan • jemand, der Kane zunächst nicht erkennt, ihn aber als Person anerkennt • vermag sich nur teilweise von Kane zu befreien (verfällt dem Alkohol) – Thatcher • Ersatz-Vater, den Kane nicht überwinden kann • dem Bankier J.P. Morgan nachempfunden, wird wie ein Charakter aus einem Dickens Roman stilisiert • kinematographische Innovation in Kane: – Plan-Sequenzen (anstelle von analytischem Schneiden) • Sequenzen spielen sich in Realzeit ab – radikale Tiefenschärfe (ermöglicht durch neue Weitwinkelobjektive sowie durch Trickverfahren) • zusammen mit Plansequenzen erlaubt Dynamisierung des ganzen Raums im Film – ungewöhnliche Kamera-Winkel (Froschperspektive, Vogelperspektive) • groteske Effekte, die an den Expressionismus erinnern – chiaroscuro-Effekte bzw. high-key-Beleuchtung (hoher Kontrast zw. schwarz und weiß) • ebenfalls expressionistisch wirkend; daraus geht der spätere film noir hervor Thatcher als Gestalt aus einem Charles-Dickens-Roman groteske Nah- und Großaufnahme Schwarz-weiß-Kontrast, buchstäblich schwarzes Gesicht in Nahaufnahme (Picknickszene) „High-key“ Beleuchtung (Chiaroscuro): Der Anfang des Film noir Froschperspektive und Tiefenschärfe verlangen Kulissen mit Decken; überdimensionierter Kane vs. „kleiner“ Leland angemalte Zuschauer Tiefenschärfe (Vorwegnahme des Falls von Kane); vermutlich mit Leinwandprojektion gedreht Mis en abyme: unendlicher Regress der Wahrheitssuche (Vorwegnahme der Endszene im Spiegelkabinett in „Lady from Shanghai“ und Vorwegnahme der Postmoderne) Mis en scène: Kane, Leland, Redakteur und Lampe aus der Froschperspektive: Leland befindet sich auf der Seite des Wahrheitssymbols, von Kane getrennt Joseph Cotten (roter Kreis) und Herman Mankiewicz (blauer Kreis) als Statisten: ein kleiner Insiderwitz des Filmemachers • Narrativer Aufbau – 5 sich überschneidende, auseinander gehende Versionen einer einzigen Lebensgeschichte (Subgenre: „Tycoon“-Biography) • Fragmente oder Zitate verschiedener anderer Genres (Reporterfilm, Musical, Horrorfilm, Newsreel) – Grundproblem der Moderne: wie man (oder ob man) Wahrheit durch Kunst überhaupt erfassen kann • Citizen Kane als Übergangsphänomen zwischen der ideologisch konstruierten Wahrheit eines Eisenstein und dem Wahrheitszweifel von Rashomon – These 1 (traditionelle „einheitliche“ Interpretation): Rosebud als Symbol für den Mangel an Liebe; Sinnbild einer Wahrheit, die sich auktorial wieder herstellen lässt • Mankiewicz hatte gerade eine 2 Jahre andauernde Freudsche Psychoanalyse hinter sich • Hollywood-Konventionen der Zeit verlangten ein abgeschlossenes Ende – These 2 (postmoderne Interpretation): Rosebud als ironische Finte, die eine prismatische Wahrheitskonzeption entfaltet • „billiger Freudianismus“ *„dollarbook Freudianism“+ (Welles in den 60ern) • Carringer: im Zentrum steht nicht „Rosebud“, sondern der zerbrochene gläserne Briefbeschwerer (s. Carringer, „Rosebud Dead or Alive“ im Internet) • gesellschaftspolitische Relevanz – kritische Thematisierung des Konflikts zwischen Individuum und Gesellschaft (Korruption eines Idealisten durch Macht) • Aber: Restglaube an der Möglichkeiten einer einheitlichen Wahrheit • Faszination mit dem Individuum als solchen – Nebengestalten bleiben ohne Kane unerfüllt