„Reisen in den Film“ – Filmtourismus in Nordafrika

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„Reisen in den Film“ – Filmtourismus in Nordafrika
EGNER, HEIKE (Hrsg.): Tourismus – Lösung oder Fluch? Die Frage nach der nachhaltigen Entwicklung peripherer Regionen. Mainz 2003: 75-83 (= Mainzer Kontaktstudium Geographie, Bd. 9)
STEFAN ZIMMERMANN
„Reisen in den Film“ –
Filmtourismus in Nordafrika
1 Einleitung
“Tourism provides us less with experience than with
events to see, or rather, events to look at.” OSBORNE
2000, S. 82
Die zunehmend mediatisierte Welt ermöglicht, in
Gebiete und Regionen vorzudringen, die bislang
keine Landkarte verzeichnen konnte. Filmische
Phantasien können in der Imagination aufgesucht
werden. Die passenden Szenarien, die den Umstieg
von der Lebenswelt in die Welten der Filme ermöglichen, sind Orte, an denen Filme gemacht und gedreht wurden: die Filmlocations. Diese Orte und
Plätze sind mittlerweile durch die ständige Wiederverwertung in sämtlichen Mediengattungen weltweit verfügbar und eignen sich bestens als Reiseziel. Touristische Destinationen werden gezielt nach
ihrem Schauwert ausgewählt, wobei Kategorien wie
Träume und Phantasien in besonderem Maße angesprochen werden (URRY 2002). Die Zielorte werden
emotional aufgeladen und dadurch deutlich aufgewertet. Damit diese Orte der Filmhandlungen in der
Vorstellung aufgebaut und erhalten werden können,
ist ein hohes Maß an nicht-touristischen Handlungen nötig, z.B. in der Rezeption von Filmen, Fernsehen, Literatur, Videos und weiteren Massenmedien. Diese Mediennutzung betrachtet URRY (2002,
S. 3) als essentiell für den spezifisch touristischen
Blick, der nur so konstruiert und gewahrt werden
kann.
MEETHAN (2001, S. 25) erkennt, dass sich gegenwärtig neue Formen der touristischen Landschaftsnutzung und damit der Dimensionen von
Zimmermann: Filmtourismus in Nordafrika
Landschaft entwickeln und dass diese mit einer
neuen Art und Weise des Konsumierens von Landschaft einhergehen. Diese Form des Konsums kann
zum einen durch die „multioptionale Mediengesellschaft“ (OPASCHOWSKI 2002, S. 132), zum anderen
durch die Tatsache erklärt werden, dass Reisen, von
Seiten der Tourismusindustrie, in hohem Maße an
Gepflogenheiten des Medienkonsums angepasst
sind (SACK 1992, S. 98). Diese Ausprägungen zeigen sich in unterschiedlichsten Spielarten, wobei eine der aktuellsten der so genannte Film- oder Drehorttourismus ist (vgl. TOOKE und BAKER 1996, RILEY, BAKER UND VAN DOREN 1998, ESCHER und
ZIMMERMANN 2001).
2 Fragestellung
Die vorliegende Arbeit sucht anhand ausgewählter
Beispiele aus Nordafrika eine Tourismusform darzustellen, die in hohem Maße von visuellen Praktiken abhängt und in Marokko und Tunesien gut zu
beobachten ist. Marokko musste in den 1990er Jahren einen deutlichen Rückgang an Touristen hinnehmen (PFAFFENBACH 2001). Die Besucherzahlen
gingen von über 4 Millionen ausländischen Besuchern auf 3 Millionen zurück. Die Regierung suchte
nach Möglichkeiten, die bestehenden touristischen
Potentiale durch neu geschaffene Anreize zu ergänzen und auszubauen. Der Staat begann gezielt ausländische Filmproduktionen zu fördern und ermöglichte zahlreiche Drehs an eigens ausgewiesenen
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Orten. Ähnlich verhält es sich mit Tunesien, das auf
eine ähnliche Filmtradition wie Marokko zurückblicken kann und ebenfalls ein touristisches Zielgebiet
von großer Bedeutung ist1. Anders jedoch als Marokko kommt Tunesien in filmischen Fremdproduktionen nie als Tunesien vor. Das Land erscheint in
Filmen zumeist als Location- und Bilder-Lieferant
für unterschiedlichste Produktionen, was damit zu
tun haben könnte, dass Tunesien das Image eines
Billig- und Massentourismuslandes besitzt, was sicher mit dem ausgebauten Badetourismus zusammenhängt, der einen einfacheren Standard fördert
als z.B. Marokko (POPP 1993, S. 91).
Die zentralen Fragen dieser Arbeit sind dabei:
was verstehen wir unter Film- oder Drehorttourismus? Wie läuft diese besondere Form des Tourismus ab? Welche Dimensionen des Alltags sind davon berührt und wie wird diese Wirklichkeit generiert? Und schließlich wird die Frage nach der
Rückbindung der Filme in die touristische Lebenswelt gestellt. Das wichtigste Medium des 20. Jahrhunderts – der Spielfilm – und der Welt größter Industriesektor – die Tourismusindustrie (vgl. WTO
2000) – werden gemeinsam betrachtet und hinsichtlich ihrer landschaftsgenerierenden Wirkung untersucht.
3 Was verstehen wir unter Drehorttourismus?
Medien im Allgemeinen und Spielfilme im Besonderen sind Teil des Alltags vieler Menschen. Die
dem Film innewohnende Kraft Zuschauer musikalisch, modisch und politisch zu beeinflussen ist bekannt (vgl. LUKINBEAL 1995). Aber auch die Wirkung von Filmen hinsichtlich der raum- und landschaftgsgenerierenden Funktion darf auf keinen Fall
unterschätzt werden (HOPKINS 1994), was sich am
Beispiel des Film- oder Drehorttourismus gut demonstrieren lässt. Filmtourismus kann zunächst als
Sonderform des so genannten Kulturtourismus (vgl.
BECKER 1992) begriffen werden. Es gilt festzuhalten, dass diese spezielle Form des Tourismus, der
Film- oder Drehorttourismus eine medial determinierte Erscheinung ist, d.h. dass ohne die Wirkung
der Massenmedien kein, oder nur geringes, Interesse
für die entsprechende Destination bestehen würde.
Massenmedien versorgen Touristen mit Images und
stellen Informationen über Destinationen zur Verfü1
Tunesien baut seit über dreißig Jahren die Tourismusbranche kontinuierlich aus und kann von allen nordafrikanischen Ländern die
konstantesten Besucherzahlen aufweisen (vgl. KAGERMEIER und
POPP 2000).
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gung, die sonst nicht zugänglich wären (vgl. BUT1990). Dies gilt in besonderem für Reiseziele,
die ihre Bekanntheit durch Kinofilme und Fernsehproduktionen erlangt haben (TOOKE und BAKER
1996). Unter dem Namen Filmtourismus lassen sich
alle Formen des Reisens an Orte subsumieren, die
ganz generell Anschlüsse an die Welt, respektive
Wirklichkeit, von Filmen ermöglichen und den Einstieg in die Welt des Films erlauben. Darunter fallen
touristische Reisen an Orte und Phänomene, die:
• in irgendeiner Art und Weise durch Filmproduktionen induziert sind,
• die den Besuch von Drehorten betreffen,
• den Besuch von Filmstudios betreffen (auch innerhalb von Vergnügungsparkkomplexen),
• das Motto einer Reise aus einem oder mehreren
Spielfilmen ableiten,
• einer touristischen Destination mittels visueller
Medien zu einer Extension der eigentlichen Bedeutung verholfen haben.
Hierbei sollte jedoch Erwähnung finden, dass die
so beschriebene Form des Tourismus in der Regel
mit weiteren Ausprägungen touristischer Art kombiniert wird.
Film- oder Drehorttourismus ist ein Phänomen,
das weltweit in zunehmendem Maß registriert wird
(vgl. TOOKE und BAKER 1996, MANTHEY 1998,
RILEY, BAKER und VAN DOREN 1998, REEVES
2001) und nicht nur in Marokko und Tunesien anzutreffen ist. Dennoch eignen sich diese Länder in besonderem Maße, um den eingangs beschriebenen
Wandel in der touristischen Wahrnehmung aufzuzeigen, da beide Länder sowohl eine lange Geschichte der Filmproduktion, als auch eine touristische Tradition aufweisen. Spielfilme und Fernsehserien können einen wahren Tourismusboom für eine
bestimmte Region, eine Stadt oder eine bestimmte
Location innerhalb einer Stadt auslösen (vgl. REEVES 2001, MANTHEY 1998). Dieser Tatsache wird
bei der Vermarktung von Orten und Landschaften
zusehends Rechnung getragen (TOOKE und BAKER
1996, RILEY, BAKER und VAN DOREN 1998, ESCHER und ZIMMERMANN 2001).
.
LER
4 Beispiele der Wirklichkeitsgenerierung und ihre Umsetzung
Anhand von Beispielen aus Marokko und Tunesien
wird gezeigt, in welcher Art und Weise Simulationen aus dem Bereich der Spielfilme Eingang in touristische Lebenswelten gefunden haben. Dabei wird
zwischen vier verschiedenen Strategien unterschie-
MKG 9: Tourismus – Lösung oder Fluch?
den, die nicht zwingend ausschließlich zu beobachten sind. Die Varianten lassen sich unterscheiden in:
persönliche Rituale der Touristen, visuelle Vorgaben, die Einbettung in filmische Historie und die
Emotionalisierung bestimmter Orte und Landschaften.
4.1
Rituale von Touristen
Nähert man sich dem Land Marokko über das Medium Film, kommt man nicht umhin, mit dem Film
Casablanca zu beginnen. Viele Touristen, die die
marokkanische Hafenstadt Casablanca besuchen,
denken an Michael Curtiz unvergesslichen Film mit
Humphrey Bogart und Ingrid Bergman. Sie suchen
Rick’ s Café und sind schwer enttäuscht, wenn sie
nicht fündig werden. Aber wie auch: Schließlich
wurde keine einzige Szene des Films in Casablanca
gedreht. Ja, noch schlimmer: Rick’ s Café hat in Casablanca nie existiert. Das Hyatt Regency Hotel in
Casablanca verfügt zwar mittlerweile über eine Hotelbar, die im Stil von Rick' s Café eingerichtet und
auch danach benannt ist, der Originalschauplatz der
Aufnahmen liegt jedoch in den Filmstudios der
Warner Brothers in Hollywood. Trotzdem erwartet
der Reisende eben jenes Lokal vorzufinden: einen
Ort, der zunächst nur im Film und der Imagination
des Zuschauers existiert (vgl. ANDERSON 1998).
Handlungen der Reisenden haben sich mittlerweile
als besonders gut funktionierende Variante der Einbettung erwiesen. Durch das aktive Aufsuchen der
Hotelbar wird es für den Touristen möglich, sich als
Teil des Films zu sehen. Dabei wird er Teil der Simulation und durch sein ausgeführtes Ritual in der
Bar, vermengt er Film- und Lebenswelt. Für
BAUDRILLARD (1994, S. 12 f.) ist es dabei nicht die
Realität die verschwindet, sondern die Formen der
bekannten Realität. Die Unterscheidung zwischen
Realem und Imaginärem ist nicht mehr möglich.
Der Besucher begibt sich demnach in die Simulation einer Simulation. Durch die Omnipräsenz medialer Simulation ist für die eigentliche Realität kein
Platz mehr. An ihre Stelle tritt etwas, dass realer ist
als das Reale: die Hyperrealität (vgl. ECO 1986,
BAUDRILLARD 1994).
Ähnliches gilt auch für Matmata, das im Hügelland Tunesiens gelegen ist. Der Ort wurde bereits
1977 als Location der Star Wars Saga genutzt. Die
in den Tuff getriebenen Höhlenwohnungen waren
Drehort des ersten Teils der Star Wars-Reihe und
werden immer noch von Reisenden aus aller Welt
besichtigt. Zentraler Anlaufpunkt für die Besucher
ist das Hotel Sidi Driss. Dort machen während der
Hochsaison, im Rahmen von Tagesausflügen, über
800 Besucher pro Tag Station. Die Busreisenden
Zimmermann: Filmtourismus in Nordafrika
kommen überwiegend aus den großen Hotelanlagen
Djerbas. Am ehemaligen Set bekommen sie die Gelegenheit, einige Fotos zu schießen und sich für einen Moment als Besucher des Sandplaneten Tatooine zu fühlen, der seinen Namen einer Verballhornung des realen Ortes Tataouine verdankt. Viele
Reisende bewegen sich dort in einer gemischten
Fiktion aus lebensweltlichem Ort und filmischer
Wirklichkeit (vgl. BAUDRILLARD und GUILLAUME
1996, S. 12). Ein Ort, an dem eine saubere Trennung zwischen Realität und Fiktion nicht mehr
möglich ist (vgl. BLOTHNER 1999, S. 51). Laut
BERGER und LUCKMANN (1977, S. 25) kann diese
Form der Wirklichkeit durch individuelles Handeln
modifiziert werden. Das Einnehmen eines Getränks
in der Star Wars Bar holt die Ebene des Films in die
der Alltagswelt. Die Mischung aus Illusion, filmischer Atmosphäre und inszenierter Romantik ermöglicht, die Landschaft, respektive den Ort, aus
ganz anderem Blickwinkel zu erleben und erweitert
die bisherige Bedeutung um ein Vielfaches. Die Bedeutung der filmischen Wirklichkeit übersteigt die
des lebensweltlichen Ortes und fügt eine weitere
Bedeutungsebene hinzu. Der Film ist wahrer als die
Wirklichkeit geworden (BLOTHNER 1999, S. 51),
eine Trennung ist für den Besucher nicht mehr möglich.
Auch im tunesieschen Tozeur wird Wirklichkeit
durch persönliches Handeln der Reisenden generiert. Der Ort ist Ausgangspunkt für weiterführende
Besuche in die Welt Luke Skywalkers und seines
Heimatplaneten Tatooine. Von dort können die eigentlich fiktiven Orte Mos Espa und Mos Eisley aus
dem ersten Star Wars Film und der beiden zuletzt
entstandenen Filme in Oung Jemel aufgesucht werden. Diese existieren aber auch lebensweltlich, als
aufzusuchende Kulissen der Dreharbeiten. Dafür ist
es jedoch erforderlich, eine der zahlreichen örtlichen Agenturen zu bemühen, die ganz im Sinne der
Inszenierung, mit Geländefahrzeugen zu den Sets
fahren und damit die Unzugänglichkeit der Landschaft unterstreichen. Die Fahrt über die ungewohnte Sandpiste inszeniert die Landschaft als das „Andere“ (vgl. BAUDRILLARD und GUILLAUME 1996, S.
9 f.) und gibt dem Touristen die Gelegenheit sich
etwas Neues zu erschließen. Die Nachfrage nach
dieser Attraktion steigt ständig an, was sich in Zahlen folgendermaßen liest: gab es 1989 ganze neun
Geländefahrzeuge, die für den Tourismus eingesetzt
wurden, wies der Fuhrpark zehn Jahre später bereits
150 Fahrzeuge auf (EAMES 2000). Inszenierung des
Ortes und subjektive Perzeption seitens der Besucher spielen auch hier eine entscheidende Rolle. Betrachtet man Baudrillards Annahme über die Simulation der Welt, dann ist die beobachtete Szene ein
weiteres Indiz für die Existenz einer Hyperrealität
(BAUDRILLARD 1994). Eine Hyperrealität, die da-
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durch entsteht, dass im Zuge einer Suche nach dem
Anderen die Realität verformt wird (BAUDRILLARD
und GUILLAUME 1996, S. 12). Es entsteht eine Welt
der Simulationen, in welcher der Unterschied zwischen authentisch und inauthentisch keinerlei Rolle
mehr spielt. Eine Filmkulisse, die schlecht zugänglich am Nordrand der tunesischen Sahara liegt und
eigentlich eine Siedlung ist, die Hollywood auf einen fernen Planeten verortet, kann in unserem klassischen Verständnis nicht real sein und doch gilt sie
als gleichwertig real. Der Landschaftsausschnitt
wird als das Andere verfüg- und verhandelbar gemacht und dementsprechend zum Konsumieren
dargeboten. Der Ort wird einzig und allein mit dem
Ziel aufgesucht, sich einer Idee, einer Vorstellung
zu bedienen und zu nähern. Das vermeintlich Andere wird also nicht entdeckt, sondern konstruiert
(BAUDRILLARD und GUILLAUME 1996, S. 15).
4.2
Visuelle Vorgaben für Touristen
Was auch schon für die vorgehenden Beispiele galt,
nämlich die Stärke des Visuellen, der Wiedererkennungswert, trifft in noch stärkerem Maße auf die
folgenden Beispiele zu. In Ouarzazate, dem Zentrum der Filmproduktion in Marokko befinden sich
die Atlas-Filmstudios2, die sich großer Beliebtheit
bei den Besuchern erfreuen. Dies wird durch den
Besuch von ca. 60 Reisebussen pro Tag recht eindrucksvoll belegt (WEIß 1999). Der Besuch der Studios ist zum festen Bestandteil der organisierten
Busreisen geworden, die durch Marokko führen,
und bietet den Besuchern einen Einblick in die dort
arbeitende internationale Filmproduktion. Die Studios stellen Zeichen und Icons zur Verfügung, die
hier in Form von Requisiten aus bekannten Filmen
gegenwärtig sind (z.B. der Düsenjäger aus The Jewel of the Nile, Gebäude aus Scorseses Kundun).
Diese können dann auch als solche von den Besuchern gelesen werden, was eine Verbindung zum
bereits gesehen Film aufbaut. Das Widererkennen
als touristische Praxis ermöglicht ein filmisches
Bild oder Image in der Lebenswelt aufzusuchen und
es erneut als Bild zu verarbeiten (OSBORNE 2000, S.
72).
Tunesien spricht seit einigen Jahren ganz gezielt
Touristen und auch Filmemacher an, um diese über
das Medium Film zu erreichen und bedient sich dabei einfachster visueller Botschaften. BAUDRILLARD
(1994, S. 87) sieht in der Werbung den kleinsten
gemeinsamen Nenner aller Bedeutungen und drückt
2
Zwischen 1998 und 2000 entstanden 36 Spielfilme, 120 Kurzfilme, 70 Werbeclips und 20 Musikvideos in den Atlas-Filmstudios
(CHAFFANGEON 2000).
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damit aus, inwiefern Werbung und dazugehörige
Medien Inhalte reduzieren.
4.3
Einbettung der Orte in filmische Historie
Wirklichkeitsgenerierung kann durch die Einbindung in Geschichte und Geschichten erfolgen. Dass
dabei ebenfalls visuelle Vorgaben eine Rolle spielen
versteht sich von selbst. Deutlich wird dies am Beispiel des marokkanischen Ksar Ait Benhaddou, der
eine Wallfahrtsstätte für Filmfans aus aller Welt
geworden ist. Im Jahr 1962 wurde er für den Film
entdeckt und taucht seither in immer kürzer werdenden Abständen in Filmen auf. Nicht nur The
Last Days of Soddom and Gomorrha (1962), Lawrence of Arabia (1962), The Man who would be
King (1975), Spies like us (1985) und The Jewel of
the Nile (1985), sondern auch der mit mehreren Oscars ausgezeichnete Film Gladiator (2000) wurde
dort – also ‘on-location’ – gedreht. Weitere Produktionen (z.B. die Bibelverfilmungen aus dem
Hause Kirch) entstanden in dem von der UNESCO
1987 zum Weltkulturerbe ernannten Ksar. Im Zuge
dessen und auch schon vor der Aufnahme in das
Weltkulturerbe-Programm wurden erhebliche Eingriffe in die Architektur und Bebauung vorgenommen (vgl. POPP 2001).
Einige dieser Veränderungen sind mittlerweile
durch UNESCO-Konventionen geschützt und dürfen nicht mehr zurückgebaut werden. Die moderne
Alltagswelt ist dort zu einem „Mischraum“ − einer
Zwischenwelt − (BLOTHNER 1999) aus Erlebtem
und Gesehenem geworden. Der Besucher kann nicht
mehr unterscheiden, ob es sich um ein ’authentisches’ Berberdorf handelt oder eine trickreiche
Filmkulisse ist. Bauliche Veränderungen haben das
Aussehen des denkmalgeschützten Dorfes verändert, ganz so, wie es für die entsprechenden Filme
notwendig war. Durch neue Filme werden ständig
weitere Umbauten gemacht, die für die dort ansässigen Berber (derzeit sieben Familien) nichts mit ihrer
eigentlichen Heimat gemein haben. Die Bewohner
sind selbst zum Bestandteil des Filmsets geworden
und treten in dieser Funktion auch immer wieder als
Komparsen in den Produktionen auf. Bis zu 3.000
Besucher (WEIß 1999) sind täglich während der
Hauptsaison, von Januar bis Mai, in den engen Gassen zu finden. Die Touristen sind in der Regel erstaunt, Einwohner anzutreffen. ‚Echte’ Menschen
passen nicht in die inszenierte Filmwelt, was eher
an ein ‚authentisches’ Dorf glauben lässt. Auch hier
sind die Grenzen der Wahrnehmung nicht statisch.
Die Besucher bewegen sich gedanklich zwischen
Filmset und historischem Ort, ohne genau zu wissen, welchem Ort mehr zu vertrauen ist. Für den
MKG 9: Tourismus – Lösung oder Fluch?
historischen Ort spricht die Tatsache, dass Geschichte als Referenzmuster herangezogen wird, geschieht dies in Verbindung mit filmisch erzählten
Geschichten, so nehmen diese Erzählungen die Stelle von Mythen ein und manifestieren sich in der
Vorstellung der Besucher (vgl. BAUDRILLARD
1994, S. 43). Es existiert nur noch eine Historizität
und zwar die Geschichtsschreibung des Kinos
(BAUDRILLARD 1994, S. 44 f.). Zugegebenermaßen
eine ästhetisierende, aber umso wirkungsvollere
Simulation dessen, was vermeintlich einmal war.
Ait Benhaddou ist ein Ort, an dem seit über 40 Jahren ‚Geschichte gemacht’ wird, demnach ein Beispiel für perfekte Simulation. OSBORNE (2000, S.
71) beschreibt diesen Verlust der eigenen Geschichte eines Objekts durch fotografische Praxis und
führt aus, dass ein Gebäude durch die visuelle Manifestierung, also z.B. durch die Verwendung im
Film, nicht nur der eigenen Bedeutung beraubt wird,
sondern als Kulisse Teil einer dem Touristen eigenen Geschichte wird.
Der Einfluss von Spielfilmen auf touristische
Ziele, hinsichtlich einer filmischen Geschichtsschreibung wird auch an anderer Stelle sichtbar und
zwar an einer eher klassisch touristischen Badedestination. Die kleine Hafenstadt Port El Kantaoui in
der Nähe von Sousse, am Golf von Hammamet gelegen, wurde 1979 als Sportboot Marina ausgebaut
und als Baderessort erschlossen. Im Jahr 1986 gestaltete Roman Polanski den Ort für kurze Zeit in einen karibischen Hafen um. Für sein Projekt Pirates
(1986) ließ er den Ort zu einem Piratenunterschlupf
werden. Nach den Dreharbeiten lag das genutzte Piratenschiff noch im Hafen und erweckte das Interesse vieler Urlauber. Der bis auf den heutigen Tag
sichtbare Einfluss der Filmproduktion zeigt sich in
der Präsenz zahlreicher umgebauter Fischerboote,
die ihr Dasein – ganz im Sinne der Hinwendung
zum Tourismus – als Piratenschiffe fristen und tagein, tagaus Badeurlauber auf halbtägige Törns mitnehmen. Der Film hat hier eine historische Dimension geschaffen, die den Touristen neben einer Portion Exotik vor allem ein Abtauchen in versunkene
Zeitalter ermöglichen, was laut BAUDRILLARD
(2001, S. 97) eine spezifische Eigenschaft des Reisens ist. Interessanterweise findet hier keine gezielte
Vermarktung über den Film statt, dafür war er
wahrscheinlich nicht erfolgreich genug. Die wenigsten Touristen sind über den Zusammenhang von
Film und Piratenschiff informiert. Es handelt sich
hierbei um eine Location, die nur indirekt vom Film
beeinflusst wurde, die jedoch ohne die Berücksichtigung als Drehort wahrscheinlich anders aussähe.
Der Film ist Ideenlieferant und der Ort greift den
Mythos der Piraten dankend auf, um so eine eigene
Historie zu konstruieren.
Zimmermann: Filmtourismus in Nordafrika
4.4
Emotionalisierung von Orten und
Landschaften
Schließlich kann auch die Einbettung durch Emotionalisierung und Inszenierung erreicht werden. Besonders deutlich wird dies am Beispiel der Themenreisen, die sowohl durch Marokko als auch durch
Tunesien führen. Rundreisen nutzen ebenfalls Orte
und Landschaften, die als Filmlocation vermarktet
werden. Diese Reise-Angebote preisen z.B. Marokko als Filmland an, ohne dabei weitere Inhalte zu
behandeln. Das Land wird auf Filmhistorie reduziert, die Landschaften als Rohstoff für Filme betrachtet. Marrakech ist nicht mehr nur die alte Königsstadt, sondern der einstige Drehort des Hitchcock-Klassikers The Man who Knew too much
(1955) und der Verfilmung des Esther Freud Romans Hideous Kinky (1998) (vgl. Cinema 2000,
ZIMMERMANN und ESCHER 2001). Marrakechs bekanntestes Hotel La Mamounia findet als der Ort
Eingang in die Reiseroute, an dem Alfred Hitchcock
während der Dreharbeiten zu The Man who knew
too much (1955) die Idee zu seinem späteren Film
The Birds (1963) bekommen sollte und das zum
Teil der filmischen Glamourwelt geworden ist (vgl.
La Mamounia 2000).
Aber auch Tunesien kennt solche Rundreisen
vor allem deutscher, britischer und amerikanischer
Anbieter, die ihre Unternehmungen z.B. „Auf den
Spuren des englischen Patienten“ nennen (vgl. À la
Carte Reisen 2002). Das auch dabei Zugeständnisse
gemacht werden müssen, wird beim Gespräch mit
dem tunesischen Filmemacher und Regisseur Moez
Kamoun3 deutlich, der in einem Interview über die
Vorbereitungen zum Dreh des Englischen Patienten
sagte: „Ich kann hier in Tunesien ein perfektes Kairo erschaffen, nur verlangt bitte keine Pyramiden.“
Was hier für die Illusion des Kinos gilt, kann deckungsgleich auf den Tourismus übertragen werden.
Das gelieferte Bild muss nur einer Idee entsprechen,
die der Reisende bereits in sich trägt. Es wird eine
emotionale Bindung zum Ort hergestellt, die mit
dem lebensweltlichen Ort nichts oder nur wenig
gemein hat und zunächst nur in der subjektiven
Wahrnehmung des Reisenden aufgebaut wird.
Grundlage dafür bietet die Tatsache, dass Film Erlebnispotential schafft (WUSS1999, S. 9). So können
Konsumwünsche der Touristen bedient werden, die
sonst nicht umzusetzen wären. Die Landschaft und
die Orte werden auf diesen Reisen systematisch
konsumiert und die touristische Handlung kann als
Simulation dritter Ordnung verstanden werden, genau, wie die entsprechende Landschaft. Die Illusion
des Moments bestimmt das Handeln der Reisenden,
3
Moez Kamoun war unter anderem assistant director bei den Filmen The English Patient und den zuletzt gedrehten Star Wars
Filmen.
79
die in der Phantasiewelt des Films ihre Lebenswelt
für eine bestimmte Zeit hinter sich lassen und Teil
der eigenen Simulation werden. Dabei spielt es keine Rolle, dass die Romanvorlage Michael Ondaatjes
in Ägypten spielt, der Film aufgrund politischer und
wirtschaftlicher Rahmenbedingungen in Tunesien
entstand.
5 Drehort-Destinationen nach ihrer
spezifischen Ausrichtung und das
Hyperreale touristischer Landschaften
Die Vielschichtigkeit der Bedeutungen von Landschaft und Ort wird beim Betrachten der Filmlocations deutlich. Ein Drehort kann unterschiedliche Zuschreibungen bekommen, variierend je nach Art und
Weise des Konsumierens dieses speziellen Landschaftsausschnittes. Die originär lebensweltliche
Dimension tritt für den Besucher eines Drehortes
meistens in den Hintergrund. Dabei spielt die externe Bedeutungszuschreibung eine erhebliche Rolle.
Ein als filmisch relevant ausgewiesener Ort wird
auch als solcher wahrgenommen und als solcher
konsumiert, weitere Zuschreibungen werden ausgeklammert, die vorfilmische Bedeutung ignoriert. Indem zahlreiche Zuschreibungen möglich sind, die
gleichzeitig bereits bestehende Zuschreibungen
verwerfen und neu konstruieren, ergeben sich völlig
neue Spielarten. Diese Simulationen erkennt
BAUDRILLARD (1994) als Indizien seines Entwurfes
von Hyperrealität.
Die nachfilmische Inszenierung einer Location,
als Anschlussstelle zur bereits konsumierten Landschaft des Films, wird durch mehrere Verfahren
herbeigeführt. Ein beliebtes Muster diesen Anschluss herbeizuführen, ist das Nachspielen oder die
zumindest teilweise Inszenierung bekannter Ideen,
Geschichten und Szenen, die dem filmischen Umfeld entliehen sind. Film erschafft Phantasiewelten
und diese können im Auge des Betrachters an den
entsprechenden Locations Teil der subjektiven Lebenswelt werden. Die Landschaft, die als Location
auftritt, stellt eine Anschlussstelle für die Touristen
dar. Ein Ort, der scheinbar außerhalb der alltäglichen Lebenswelt liegt und dem Besucher die Möglichkeit gibt, eine imaginäre Welt zu betreten. Die
touristische Destination wird zu einem Stargate,
welches der Tourist durchschreitet und das ihn in
die Lage versetzt, an der Filmwelt zu partizipieren.
Mit dem Vor-Ort-Sein erhält der Reisende die Möglichkeit, bereits Gesehenes erneut zu durch- und er-
80
leben und weist damit dem Drehort eine neue, über
den Film hinausgehende Bedeutung zu.
Es kristallisieren sich demnach drei verschiedene
Destinations und Location-Typen heraus, die jene
Welt repräsentieren und aufgrund ihrer Verschiedenheit auch getrennt von einander betrachtet werden sollten. Auch wenn und gerade weil sie nebeneinander existieren und eine filmisch geprägte Welt
erschaffen:
• Destinationen, die durch einen Film an Bedeutung gewonnen haben (direkter Einfluss, z.B.
Matmata => Star Wars).
• Destinationen, für die ein Film Ideengeber war
(indirekter Einfluss, z.B. Port El Kantaoui =>
Pirates).
• Genre Destinationen: Locations, die auf mehrere Filme zurückgreifen und ausgewählte Elemente nutzen (z.B. Ait Benhaddou => Lawrence of Arabia, Jewel of the Nile, Gladiator).
6 Die Reise ins Hyperreale – eine
neue Welt
Die so genannte realistische Komponente der FilmRepräsentation wird heute noch von vielen Rezipienten positiv erwähnt und zeigt, dass „filmische
Realität“ nur selten in Frage gestellt wird (AITKEN
1994). Spielfilme und Massenmedien übernehmen
einen nicht unerheblichen Teil unserer Umwelt- und
Wirklichkeitsprägung (VATTIMO und WELSCH
1998) und übernehmen die Vermittlung von Wissen
über die Wirklichkeit. Primärerfahrung wird durch
Sekundärerfahrung ersetzt. Touristische Aktivität ist
ebenfalls untrennbar mit visueller Erfahrung gepaart
(OSBORNE 2000, S. 81). Dementsprechend müssen
sich die Wahrnehmungssphären von Mediennutzern
und Touristen überlagern oder zumindest berühren.
OSBORNE (2000, S. 83) vertritt die Meinung, dass
der Tourist in der Regel weiß, was ihn an seiner
Destination zu erwarten hat und er über ein gewisses Maß an Erfahrung verfügt, die in erster Linie
durch visuelle Vorgaben zustande gekommen sind.
Dass Sehen die Basis für diese Art des Verstehens
ist, erkennt schon POCOCK (1981, S. 385 f.), der
deutlich macht, dass unsere Lebenswelt eine visuelle geworden ist.
Die moderne Gesellschaft kennt nur noch Touristen, die sich in einer Welt bewegen, die aus Konstruktionen und Erfindungen besteht (URRY 2002).
Ursprüngliches und Authentisches existiert nicht
mehr. FEIFER (1985) spricht in diesem Fall vom Typus des Post-Touristen, der einen spielerischen Um-
MKG 9: Tourismus – Lösung oder Fluch?
gang mit den ihm gebotenen Szenarien sucht und
eine gezielte Auseinandersetzung anstrebt. Dabei
setzt sie voraus, dass Touristen immer wissentlich
handeln und ihnen demnach der Spielcharakter bewusst ist.
URRY (2000, S. 77) behauptet ebenfalls, dass
Menschen sich der Simulation der Medien bewusst
sind, sie im Gegenzug dafür die Medien simulieren,
also auch damit spielen. Macht man sich die Ideen
Baudrillards zu eigen, muss man zu dem Ergebnis
gelangen, dass der Reisende sich nicht mehr auf ein
Spiel einlassen kann, da alle Grenzen zwischen
wahr und falsch, authentisch und inauthentisch aufgelöst sind. Die Inszenierung eines Spektakels, eines Ortes oder einer Landschaft wird selbst zum Bestandteil desselben, der Tourist bewegt sich in der
so genannten Hyperrealität, in der die Grenzen zwischen real und fiktiv aufgehoben sind. Die Ordnung
der Simulation, die dem Simulakrum der dritten
Ordnung entspricht, unterscheidet nicht mehr zwischen Realität und Fiktion. Die verwendeten Zeichen bilden nicht mehr die Realität ab, sondern sind
zur einzigen handlungsrelevanten Wirklichkeit geworden (BAUDRILLARD 1994). Das System ist ein
selbstreferentielles geworden, in dem nichts mehr
als authentisch gilt, oder aber alles authentisch geworden ist. Die Unterscheidung wird durch den Einfluss der Massenmedien auf sämtliche Lebensbereiche noch erschwert. So sind mittlerweile zahlreiche
populäre Publikationen auf Drehorttourismus spezialisiert und geben genauste Anleitung, wo und wie
welche Location zu finden ist und welche Szene wie
gedreht wurde (vgl. STANTON 1994, GORDON 1999,
REEVES 2001, PETZEL 2001, SKRENTNY 2002). Neben diesen Reiseführern greifen auch immer wieder
Zeitschriften, Tages- und Wochenzeitungen diese
Thematik auf und tragen auf diesem Weg ihren Teil
zur Vermarktung der Reiseziele bei. Drehorte vermarkten sich mittlerweile selbst, um von ihrem positiven filmisch kreierten Image zu profitieren, um
so wirtschaftlich am Erfolg eines Filmes partizipieren zu können (TOOKE und BAKER 1996).
Dass auf diese Art Simulationen im Baudrillard’schen Sinne erzeugt werden, wird am folgenden Beispiel deutlich. Die British Tourist Authority
gibt seit Mitte der 1990er Jahre, in immer wieder
neuen Auflagen, eine Film und Location Landkarte
für Großbritannien heraus und versorgt Touristen
mit passenden Informationen zu Drehorten von
Film- und Fernsehproduktionen. Neustes Produkt
der BTA ist die Harry-Potter-Location-Landkarte,
die alle Drehorte der Produktion verzeichnet. Die
eigentliche historische Bedeutung, der als Set genutzten Gebäude4 spielt keine Rolle mehr. Lokale
4
Namentlich Alnwick Castle in Northumberland. Alnwick ist das
zweitgrößte bewohnte Schloss Großbritanniens und Teile der Anlagen gehen auf das Jahr 1096 zurück. Berühmt ist das Schloss für
Zimmermann: Filmtourismus in Nordafrika
Kultur, Geschichte und Geographie werden neu geschrieben. Die Wahrnehmung der Besucher wird
auf die neue Zuschreibung gelenkt, und der Ort
droht zu einer reinen Schule für Zauberei zu verkommen.
7 Fazit
Tourismus ist in der Regel dadurch gekennzeichnet,
dass Reisende generell einen Ausstieg aus ihrer Alltagswelt suchen (STORBECK 1988, S. 246ff.). Dabei
suchen sie zunehmend nach Angeboten und Abwechslungen, die der globalen Medienwelt entspringen. Mittlerweile wird die alltägliche Lebenswelt in immer stärkerem Maße mit den Sphären der
Massenmedien und speziell der Kinoproduktion
vermengt und erlangt dadurch neue Bedeutungszuschreibungen. Massenmedien laden die Lebenswelt
mit mehr und mehr Informationen auf, stellen aber
gleichzeitig immer weniger sinnhafte Inhalte zur
Verfügung (BAUDRILLARD 1994, S. 79). Den Zuschreibungen sind demnach keine Grenzen gesetzt.
Filmtouristen können auf ihren Reisen unterschiedliche Orte und Landschaften nutzen und betreten
und zudem verschiedene Zeitdimensionen aufsuchen. Auf der einen Seite die lebensweltlich existierenden, also z.B. Filmstudios oder Themenparke.
Zum anderen die Locations, die unverwechselbar
mit einem bestimmten Film in Zusammenhang stehen und Bezug zu diesem Produkt haben. Außerdem
bietet eine Themenreise ein Abtauchen in filmische
Welten an und nutzt dabei die Landschaft als Mythos (vgl. ESCHER und ZIMMERMANN 2001).
Diese Art des ‚Aussteigens’ für eine zeitlich begrenzte Phase schlägt sich in zahlreichen Formen
nieder und wird in scheinbar endlosen Variationen
von der Tourismusindustrie bedient. Filmtourismus
bietet eine immer häufiger anzutreffende Spielart
des touristischen Konsumierens und wird vielerorts
als möglicher Anreiz verstanden. Die Touristen
werden dort abgeholt, wo sie sich auskennen: in der
bunten Welt des Kinos und der Medien. An den
Drehorten ihrer Lieblingsfilme finden sie einen Einstieg in die Welt der Filme, die bereits Teil ihrer alltäglichen Lebenswelt geworden ist. Die Reisenden
kommen zurück nach Hause, in die Welt der eigenen Phantasie.
die reichhaltige Kunstsammlung, die unter anderem Bilder von
Canaletto und Titian präsentiert.
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Kundun. 1997. Regie: M. Scorsese.
Hideous Kinky (Marrakesch). 1998. Regie: G. MacKinnon.
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und der Stein der Weisen). 2001. Regie: C. Columbus.
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9 Filmographie
Casablanca. 1942. Regie: M. Curtiz.
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wußte). 1955. Regie: A. Hitchcock.
Lawrence of Arabia (Lawrence von Arabien). 1962.
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The Last Days of Sodom and Gomorrha (Sodom
und Gomorra). 1962. Regie: R. Aldrich/S. Leone.
Dipl.-Geogr. Stefan Zimmermann
Geographisches Institut, Universität Mainz
Becherweg 21, 55099 Mainz
[email protected]
www.geo.uni-mainz.de/zimmermann
Zimmermann: Filmtourismus in Nordafrika
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