Artikel P M 5 2012

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Artikel P M 5 2012
Aktuell ~
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Wie funktioniert unsere
Eurokrise, Staatsinsolvenz,
verrückte Märkte unsere Nachrichten
werden bestimmt
von e1nem
Thema: GELD.
Was ist das
eigentlich?
Warum ist es
so wichtig?
Und: Ist Geld
gut oder
schlecht?
(
VON STEFANIE SAND
In Krisenzeiten wird viel über Geld geredet,
"aber die Mehrheit der Deutschen kann die
elementaren geldpolitischen Fragen nicht
beantworten", offenbart eine Studie des
Marburger Makroökonomen Bernd Hayo.
Wie weitverbreitet die Defizite sind, zeigt
auch eine Befragung von 2000 Wirtschaftsstudenten zur Finanzkrise: Selbst die
angehenden Ökonomen können grundlegende wirtschaftliche Zusammenhänge oft
nicht erklären, bilanzierte der Forscher. Dabei haben wir seit 2700 Jahren Erfahrungen
mit Geld. Reicht das nicht, um zu verstehen,
wie Währung funktioniert?
Im siebenten Jahrhundert v. Chr. kamen
Menschen erstmals auf die Idee, den direkten
Tausch mit Gütern durch die Verwendung
kleiner Metallplättchen zu ersetzen, später
wurden wertlose Papierzettel als Zahlungsmittel akzeptiert. "Geld funktioniert nicht
ohne Vertrauen", erklärt Geld-Philosophin
Annika Schlitte von der Universität Eichstätt.
"Erschütterungen im Geldsystem sind
Momente, in denen uns klar wird, dass vieles
in unserer Gesellschaft ausschließlich auf der
Basis von Vertrauen funktioniert. Diese
Dimension gilt auch für Staaten."
Vertrauen in den Wert des Geldes ist die
wesentlichste Voraussetzung für seine
Verwendung. Gegenwärtig jedoGh erleben
wir einen massiven Vertrauensverlust in die
Währung, es grassiert Angst vor Inflation
und Währungskollaps. Zudem haben die
globalen Finanzkreisläufe für eine Umverteilung von Kapital gesorgt: Die Kluft zwischen
Besitzenden und Besitzlosen, zwischen
Gläubiger-Staaten und Schuldner-Staaten ist
riesig geworden. Sind Umschuldungen
denkbar? Sind Regionalwährungen eine
Lösung? Noch nie wurden so viele Modelle
diskutiert wie derzeit.
ZARTESPFLÄNZCHEN
Der Euro (links) soll erst
noch werden, was
die römische Goldmünze
(rechts) einmal war:
harte Währung .
6 F&A
Währ
Wie entsteht GELD aus
dem NICHTS?
Unser Geld besteht zu 20 Prozent aus Bargeld also Münzen und Banknoten - und zu 80 Prozent
aus sogenanntem Giralgeld. Diese Bezeichnung
leitet sich aus dem Italienischen "giro" (der Kreis)
ab. Denn dieses "unsichtbare" Geld wird in einer
Art Kreislauf von Bankkonto zu Bankkonto weitergegeben. Häufig spricht man auch von Buchgeld,
weil es nur in den Büchern der Banken erscheint.
Münzen werden vom Staat geprägt (Münzhoheit),
die Banknoten hingegen werden von der Europäischen Zentralbank ausgegeben (Notenmonopol).
Und das Giralgeld? Dieses Geld entsteht buchstäblich aus dem Nichts. Es wird von den Banken
frei geschöpft, und zwar in dem Moment, in dem
die Bank Kredite vergibt. ln der Sekunde, in der
ein Überziehungs-, Haus- oder Firmenkredit in
Anspruch genommen wird, hat der Kontoinhaber
- mit Einwilligung der Bank - neues Geld
geschöpft und damit die Geldmenge erweitert.
Sobald der Kredit zurückbezahlt ist, schrumpft die
Geldmenge wieder.
Warum führt zu viel GELD zu FINANZKRISEN?
Die Geldmenge ergibt sich aus den Krediten, die einzelne Banken vergeben. Einerseits
soll es nicht mehr Geld geben, als tatsächlich gebraucht wird - sonst drohen Inflation
und steigende Preise. Andererseits aber soll es auch nicht zu wenig vom Gleitmittel
Geld geben, sonst läuft die Wirtschaftsmaschinerie nicht reibungslos. ln wirtschaftlich
guten Zeiten offerieren die Banken allerdings oft allzu bereitwillig Kredite und schöpfen somit zu viel Geld. Die Statistik der Bundesbank zeigt: Zwischen 1992 und 2008
nahm die umlaufende Geldmenge um 189 Prozent zu. Das Bruttoinlandsprodukt aber
stieg nur um 24 Prozent. Ein großer Teil des "Mehrgelds" wurde demnach ~icht in
reale Güter investiert, sondern in Wertpapiere und andere Finanzmarktprodukte.
Den Beleg dafür liefern Vergleichszahlen aus dem Jahr 2011: Während der Gesamtwert aller weltweit produzierten Güter- und Dienstleistungen nur 63 Billionen Dollar
betrug, summierte sich der Gesamtwert aller weltweiten Finanzmarktgeschäfte auf
955 Billionen Dollar. Was ist aus diesem Geld geworden? "Es wurden Spekulationsblasen finanziert", erklärt Finanzwissenschaftler Joseph Huber von der Uni Halle. "Ob
Wertpapiere oder Immobilien - immer neue Kredite haben die Nachfrage danach
angeheizt. Das trieb die Preise nach oben. Es kam also zu einer Inflation von Vermögenstiteln oder Vermögenspreisen." Als die Kredite nicht mehr bedient werden konnten und die Blasen platzten, wurde auch die Realwirtschaft in den Strudel gerissen.
Ist GELD GUT oder
SCHLECHT?
Bis heute ist sich die Finanzwissenschaft
uneinig, was Geld eigentlich ist. Als
kleinsten gemeinsamen Nenner lehren
Ökonomen drei Funktionen. Erstens: Es ist
Tauschmedium. Gäbe es kein Geld, wäre
man gezwungen, Güter direkt zu tauschen.
Zweitens: Es ist eine Recheneinheit Gäbe
es keine Währung, könnte man keine Preise vergleichen. Drittens: Geld dient auch
dazu, Werte aufzubewahren.
Eine vierte Funktion wird oft nicht erwähnt: Geld ist eine Ware. Dies erkennt
man ganz leicht daran, dass man einen
Preis zahlen muss, um es zu erwerben. Im
Falle des Geldes heißt dieser Preis
Zins. Für die einen ist der Zins eine notwendige Prämie für den Kapitalgeber. Für
die anderen zeigt sich hier der "Irrsinn der
Ökonomie", wie der Autor Michael
Schmidt-Salomon ("Keine Macht den Doofen") meint. Denn der Zins mache Reiche
noch reicher- und Arme ärmer. "Wer Kapital hat, dem fließt zusätzliches Kapital in
Form von Zinserträgen zu. Wer kein Kapital
besitzt, dem wird auch noch das wenige,
das er hat, in Form von Zinslasten genommen", geißelt Schmidt-Salomon den "zinsbedingten Geldtransfer von Arm auf
Reich". Als einen Beleg führt der Finanzexperte eine Untersuchung an. "Die größten Zins-Gewinner waren dabei in den
letzten Jahrzehnten die reichsten 10 Prozent der deutschen Haushalte." 80 Prozent
der Haushalte hingegen mussten deutliche
Verluste hinnehmen.
Auch global dokumentiert die Einkommenstatistik eine wachsende Kluft. Die
reichsten 10 Prozent der Weltbevölkerung
besitzen 85 Prozent des globalen Vermögens, die ärmere Hälfte der Menschheit
zusammengenommen gerade mal 1 Prozent. Ist Geld demnach schlecht, weil es
Ungleichheit erzeugt? Auch jenseits der
rein ökonomischen Ebene suchen Forscher
nach einer Antwort. So ist für den Schweizer Soziologen Aldo Haesler Geld sowohl
ein symbolisches als auch diabolisches
Medium. "Es ist symbolisch", so der Gelehrte, "weil es Dinge zusammenbringt,
die nicht unbedingt zusammengehören wenn etwa der Freier zur Prostituierten
geht statt zu einer Geliebten." Doch Geld
sei auch ein diabolisches Medium, das wie
ein "Spaltpilz" wirke. So habe Geld die
Fürsorge für Alte, die früher innerhalb der
Großfamilie geregelt wurde, in eine Ware
verwandelt. "Damit", so Heasler, "hat es
die Menschen vereinsamen lassen."
Fortsetzung nächste Seite _____.
F&A
7
Aktuell
Müssen wir um
UNSER ERSPARTES
fürchten?
RENTE
Wohin VERSCHWINDET unserGELD?
Die internationale Staatsverschuldung hat ungeheure Höhen erreicht. Die Verbindlichkeiten
aller Staaten zusammen belaufen sich auf rund 54 Billionen Dollar. Würde man dieses Geld
für BicMacs ausgeben und diese stapeln, käme man rund 2000 Mal zum Mond. Unser Land
hat aktuell über zwei Billionen Euro Schulden, pro Sekunde kommen etwa 2280 Euro dazu.
Auf jeden Bundesbürger, vom Baby bis zum Greis, entfallen rund 25000 Euro Staatsschulden. Für seine Schulden zahlt Deutschland Jahr für Jahr an die 60 Milliarden Euro Zinsen.
Doch an wen diese Zinszahlungen fließen, ist ein Geheimnis. Denn mit einem Großteil der
Schulden wird ständig gehandelt. So gibt der Bund zum Beispiel regelmäßig Bundeswertpapiere heraus, um an frisches Geld zu kommen. Diese Wertpapiere werden frei gehandelt.
Registriert sind als Käufer lediglich die Banken, in deren Auftrag die Firma Clearstream die
technische Abwicklung besorgt. Die Banken indes halten das Gros der Schuldpapiere im
Namen ihrer Kundschaft: vom kleinen Sparer bis zum Millionär. Diese eigentlichen Begünstigten bleiben anonym. Und viele von ihnen wissen gar nicht, dass sie dem Staat Geld
geliehen haben und von den Zinsen profitieren. Denn fast alle Lebensversicherer z.B. haben
Geld in Staatsanleihen angelegt. Wer also eine Lebensversicherung besitzt, bei dem steht
der Staat damit indirekt in der Kreide.
Die Deutschen haben historische Erfahrungen der Hyperinflation von 1923 und
der Währungsreform 1948. Beides hat
die Ersparnisse radikal entwertet. Nach
einer Umfrage fürchtet jetzt fast die
Hälfte der Befragten, dass ihre Ersparnisse wieder durch eine Inflation aufgefressen werden. Können sich die
historischen Inflations-Szenarien wiederholen? Wenn es nach den Statuten
des Euro-Systems geht, dann ist eine
Hyperinflation ausgeschlossen. Denn
das vorrangige Ziel des Eurosystems ist
es, Preisstabilität zu gewährleisten. Und
die wird definiert als Anstieg des Verbraucherpreisindex (VPI) von unter zwei
Prozent gegenüber dem Vorjahr. Ermittelt wird dieser VPI aus den Preisen von
Produkten eines bunt gemischten Warenkorbs.
Noch ist Inflation kein akutes Problem,
noch hält sich die Geldstabilität im Korridor des Zentralbankziels. Doch mitten
in der Finanzkrise sorgen Vorschläge
von Experten für Aufsehen, die Notenbanken sollten statt zwei Prozent künftig vier Prozent Inflation zulassen.
Was versprechen sich die Experten
davon? Diese Ökonomen erhoffen sich
eine Entschuldung der Staaten. Die Theorie ist einfach: Entwertet man das Geld,
dann sind auch die Schulden weniger
wert. So sind z.B. 100 Euro bei einer
jährlichen Inflationsrate von zwei Prozent in 50 Jahren real nur noch so viel
wert wie 30 Euro heute. Bei einer Inflationsrate von vier Prozent erhält man
nur noch Güter im heutigen Gegenwert
von etwa 15 Euro. Dies zeigt: Nach einigen Jahren höherer Inflation kann der
Staat seine Schulden viel leichter zurückzahlen. Verlierer sind die Sparer
und vor allem die Rentner. Denn deren
Rentenhöhe vollzieht die Entwicklung
der Inflationsrate nicht nach.
Müssen wir mit solch einer Entwicklung rechnen? ln einer jüngsten Studie
zum Thema Inflationsgefahr heißt es:
"Die Möglichkeit der Entschuldung
könnte einen Anreiz für die Regierungen
geben, Inflation in einem höheren Maß
zuzulassen als in jüngster Vergangenheit üblich." Eine Zeit steigender Teuerung werde "mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht wenige Monate dauern",
sondern könnte "ein Begleiter der
nächsten Jahre sein".
Wie funktioniert eine ENTSCHULDUNG?
Braucht ein Staat Geld, dann leiht er es sich, indem er Staatsanleihen verkauft. Die Käufer
sollen zu einem festgelegten Zeitpunkt das geliehene Geld zurückgezahlt bekommen, plus
Zinsen vom Staat. Gerät der Staat in finanzielle Schwierigkeiten, versucht er mit den Kreditgebern eine Umschuldung auszuhandeln. Je nachdem, wie groß seine Schulden sind, kann er
eine sanfte oder harte Form der Entschuldung erreichen. Bei einer sanften Umschuldung gewähren die Kreditgeber mehr Zeit und geben sich mit niedrigeren Zinsen zufrieden. Dahinter
steckt die Hoffnung, dass der Staat wieder auf die Beine kommt und dann seine Schulden
wieder in vollem Umfang bedient. Bei einer harten Umschuldung kommt es zum Schuldenschnitt, dem sogenannten Hair Cut: Die Gläubiger erlassen dem Staat einen Teil der Schulden,
wie viel Nachlass gewährt wird, ist Verhandlungssache und wird bestimmt vom Kalkül: besser,
einen (möglichst großen) Teil des geliehenen Geldes zurückbekommen, als leer ausgehen.
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REGIONALWÄHRUNG-dieZukunft
des GELDES?
ln immer mehr Regionen der Weit kann man seine Einkäufe statt mit der
offiziellen Landeswährung auch mit einer sogenannten Regionalwährung
bezahlen. Die Idee dahinter: Dieser Bargeldersatz soll die regionale Wirtschaft in einer zunehmend globalisierten Weit stärken. Es funktioniert so:
Ein Träger, beispielsweise ein Verein, gibt eine "eigene" Währung an Privatpersonen ab. Damit kann man bei Unternehmen einkaufen, die sich an
das Regionalwährungssystem anschließen. Vorteil für den Unternehmer:
Mehr Verbraucher beziehen Konsumgüter oder Dienstleistungen von Anbietern innerhalb der Region. Vorteil für den Verbraucher: Die Wirtschaft
seiner Region wird gestärkt. Experten prophezeien einen Boom der Regionalwährungen, mit denen der Versuch unternommen wird, die undurchschaubaren Kreisläufe des Geldes wieder an überschaubare Gemeinschaften zu binden.
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