PRÄFERENZEN ZUR STEUERUNG DES
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PRÄFERENZEN ZUR STEUERUNG DES
R E C H N U N G SW E S E N CONRAD MEYER CORRADO MENGHINI PRÄFERENZEN ZUR STEUERUNG DES UNTERNEHMENSERFOLGS Ein Experiment zum Earnings Management Entscheidungen des Managements können langfristig positive Auswirkungen auf das entsprechende Unternehmen haben oder der kurzfristigen Vergütungsoptimierung einzelner Entscheidungsträger dienen. Anhand eines Experiments sollen für verschiedene Szenarien die jeweiligen Präferenzen von Fachkräften bezüglich Ausmass und Technik der Erfolgssteuerung analysiert werden. 1. EINLEITUNG Der Wissensvorsprung der Managements gegenüber Fremdbzw. Eigenkapitalgebern schafft Raum zur bewussten Manipulation von Erfolgsgrössen. Zur Steuerung der Erfolge können Wahlrechte und Ermessensspielräume des finanziellen Rechnungswesens ausgenutzt oder operative Entscheide gefällt werden. Diese aktive Beeinflussung der Ergebnisse wird Earnings Management genannt und lässt sich in eine rein buchhalterische Steuerung (Accounting Earnings Management) und eine operative Steuerung (Real Earnings Management) unterteilen. Während Accounting Earnings Management Einfluss auf nicht-liquiditätswirksame Erträge und Aufwendungen nimmt, verändert Real Earnings Management auch die Cashflows. Die Steuerung der Ergebnisse kann dem Erreichen eines Erfolgsziels (Target Accounting) oder der Reduktion der Varianz von Ergebnissen (Earnings Smoothing) dienen. Auch kann der Unternehmenserfolg bei bereits hohen Verlusten weiter verschlechtert werden, um zukünftige Erfolge zu erhöhen (Big Bath Accounting). Der Hintergrund dieser Entscheidungsmechanismen liegt in der Verhaltenstheorie, welche durch ihre konvex-konkave Funktion abnehmenden Grenznutzen bei steigenden Gewinnen und abnehmende Grenzkosten bei steigenden Verlusten impliziert. Zusätzlich ist die Kurve für kleine Verluste steiler als für kleine Gewinne. Die Funktion geht von einem flexiblen Referenzpunkt aus, welcher durch Faktoren wie vergan- gene Ergebnisse oder Gewinnerwartungen beeinflusst werden kann (vgl. Abbildung 1). 2. ANSÄTZE ZUR MESSUNG VON EARNINGS MANAGEMENT Da die Steuerung des Unternehmenserfolgs weder für Accounting noch für Real Earnings Management direkt beobachtbar ist, liegt die Schwierigkeit einer Aufdeckung bilanzpolitischen Verhaltens in der Messung der Steuerungstechniken. Nachfolgende Ausführungen geben einen Einblick in die verschiedenen Untersuchungsmöglichkeiten. 2.1 Quantitative Modelle. Der bis anhin meist verwendete Untersuchungsansatz widmet sich der Analyse von Accruals zur Aufdeckung von Accounting Earnings Management. Als Accruals werden alle liquiditätsneutralen Aufwendungen und Erträge bezeichnet, weshalb die Summe der Accruals der Differenz zwischen dem Gewinn und dem Cashflow entspricht. Accruals können beispielsweise durch Abschreibungen, Rückstellungen oder durch die Umsatzerfassung aufgrund veränderter Forderungen und Verbindlichkeiten anfallen. Sie können in ihrer Summe oder als einzelne Position untersucht werden, wobei eine Aufgliederung in normale, dem Geschäftsverlauf entsprechende Accruals und willkürliche, zur Vergütungsmaximierung verwendete Accruals möglich ist. Die Ermittlung der normalen Accruals basiert stets auf Annahmen und schliesst unvorhergesehene oder CONRAD MEYER, CORRADO MENGHINI, PROF. DR. OEC. PUBL., DR. OEC., ORDINARIUS FÜR BETRIEBS- STRATEGIEBERATER, WIRTSCHAFTSLEHRE, THE BOSTON CONSULTING EH. INHABER DES LEHR- GROUP, ZÜRICH STUHLS FÜR ACCOUNTING, INSTITUT FÜR BWL, UNIVERSITÄT ZÜRICH, ZÜRICH 1126 D E R S C H W E I Z E R T R E U H Ä N D E R 2014 | 12 R E C H N U N G SW E S E N P RÄF E R E N Z E N Z U R STE U E R U N G D E S U NTE R N E H M E N S E R FO LG S Abbildung 1: WERTFUNKTION UND AUS PRÄGUNG DES EARNINGS MANAGEMENT [1] Wert Earnings Smoothing Target Accounting Verluste Gewinne Big Bath Accounting unregelmässig eintretende Ereignisse aus, was dazu führen kann, dass normale Geschäftsaktivitäten als Earnings Management gewertet werden [2]. Real Earnings Management wird quantitativ überwiegend gemessen, indem cash-wirksame Positionen wie zum Beispiel Forschungs- und Entwicklungskosten, willkürliche Aufwendungen oder Fertigungskosten von Unternehmen, welche eine Gewinnschwelle knapp erreichen, mit denselben Positionen von Unternehmen verglichen werden, welche weiter von einer Gewinnschwelle entfernt sind. Die Gewinnschwellen selbst können ebenfalls der Analyse von Earnings Management dienen. Durch die Beobachtung der Häufigkeitsverteilung des Erfolgs resp. der Erfolgsver änderung einer grossen Stichprobe lässt sich ermitteln, ob die Anzahl der Unternehmen mit knapp nicht erreichtem positiven Erfolg oder leicht negativer Erfolgsveränderung von der erwarteten Normalverteilung aller Unternehmen abweicht. Eine Unterteilung in Real und Accounting Earnings Management ist bei dieser Analyse jedoch nicht möglich. Zusätzlich zu den genannten Nachteilen quantitativer Untersuchungsmethoden können durch diese Verfahren keine einzelnen Führungskräfte, welche Earnings Management betreiben, identifiziert werden. Auch erschweren beispielsweise gegenläufige Massnahmen der Erfolgssteuerung durch verschiedene Segmentverantwortliche desselben Unternehmens den Nachweis von Earnings Management durch quantitative Modelle [3]. Ferner können die Resultate quantitativer Modelle aufgrund nicht berücksichtigter Variablen verzerrt ausfallen [4]. 2.2 Analytische Modelle. In der Literatur weniger verbreitet sind Untersuchungen auf rein analytischer Basis. Mit Hilfe von Gleichungen und ohne erhobene Daten können Einflüsse auf Real und Accounting Earnings Management analysiert werden. Beispielsweise wird untersucht, wie sich strengere Rechnungslegungsstandards auf die Verwendung der beiden Earnings-Management-Techniken auswirken [5]. 12 | 2014 D E R S C H W E I Z E R T R E U H Ä N D E R Die vielen zu treffenden Annahmen zur Verwendung der Modelle lassen jedoch keine definitiven Schlüsse zu. 2.3 Befragungen. Eine weitere Untersuchungsmethode stellen Befragungen dar. Dazu können beispielsweise Chief Financial Officers (CFO), Wirtschaftsprüfende oder Studierende zu Earnings Management befragt werden. Durch vorgegebene Szenarien kann das ethische Empfinden gegenüber verschiedener Earnings-Management-Techniken überprüft werden [6]. Auch können die Fachkräfte direkt über ihre Präferenzen und Einflussfaktoren zur Verwendung von Earnings Management befragt werden. Der wesentliche Nachteil von Befragungen lässt sich durch den Effekt sozialer Erwünschtheit erklären. Demnach beantworten die teilnehmenden Führungskräfte kritische Fragen zu ihren Präferenzen und Handlungen betreffend Earnings Management nicht immer wahrheitsgetreu, da ihr ethisch und langfristig ökonomisch fragwürdiges Verhalten sozialen Normen widersprechen würde [7]. 2.4 Experimente. Durch experimentelle Analysen werden Kausalbeziehungen auf ihre Gültigkeit getestet. Dabei können Einflussfaktoren gezielt kontrolliert und eingesetzt werden. Durch bewusstes Ausklammern störender und nicht relevanter Faktoren kann der zu untersuchende Zusammenhang verschiedener Variablen isoliert und eindeutig nachgewiesen werden [8]. Ferner werden durch Experimente im Gegensatz zu Befragungen Handlungen gemessen. Werden die Anreize korrekt eingesetzt, kann die Möglichkeit stark eingeschränkt werden, dass Teilnehmende, entgegen ihrer eigentlichen Überzeugung, sozialen Normen entsprechend reagieren. Bisherige auf experimentellen Modellen aufgebaute Studien im Accounting gehen nicht auf die Entscheidung zur Earnings-Management-Technik ein. Auch werden in diesen Arbeiten keine echten finanziellen Anreize geboten. Die Vorgehensweisen und Erkenntnisse bisheriger Studien fliessen in die Gestaltung der nachfolgend beschriebenen Untersuchung mit ein. Dabei wird auf Basis einer experimentellen Analyse untersucht, ob Earnings Management betrieben wird und inwiefern Accounting Earnings Management oder Real Earnings Management bevorzugt angewendet werden. 3. DESIGN DES EXPERIMENTS [9] Zur Beobachtung der Entscheidungen bezüglich Earnings Management wurde mit Studierenden der Universität Zürich ein Experiment durchgeführt. Bei den Probanden handelt es sich um Wirtschaftstudierende im Bachelor- und Masterstudium, welche mindestens während dreier Semester Accountingvorlesungen besucht haben. Das Experiment fand online statt und bot den Teilnehmenden eine leistungsabhängige Vergütung (vgl. Abbildung 2). Nach einer Begrüssung und Vertraulichkeitserklärung auf der Titelseite gelangen die Teilnehmenden zur Ausgangslage des Experiments. Diese besteht aus Informationen zu einem fiktiven Unternehmen, für welches die Teilnehmenden die Funktion des CFO übernehmen. Zusätzlich wird 1127 R E C H N U N G SW E S E N P RÄF E R E N Z E N Z U R STE U E R U N G D E S U NTE R N E H M E N S E R FO LG S Abbildung 2: AUFBAU DES EXPERIMENTS Titelseite Ausgangslage Szenarien über die Vergütung informiert, welche die Teilnehmenden, in Schweizer Franken (CHF) umgewandelt, ausbezahlt bekommen. Der anzuwendende Rechnungslegungsstandard fordert die Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bilds der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage (True and Fair View). Vergütungsabschläge drohen, falls Earnings Management exzessiv betrieben oder gegen den Rechnungslegungsstandard verstossen wird. Anschliessend trafen die Studierenden in verschiedenen Szenarien Entscheidungen zur Erfolgssteuerung. Beim Experiment handelt es sich um einen Mehrperiodenapproach, sodass die Entscheidungen den Bonus über mehrere Szenarien hinaus beeinflussen können. Werden beispielsweise aufgrund kurzfristiger Erfolgsmaximierung wertsteigernde Investitionen nicht getätigt, hat dies über mehrere Jahre hinaus negative Auswirkungen auf den Unternehmenswert und folglich auf den Bonus. Wird die Abschreibungsmethode mehrmals verändert, erhöht dies die Wahrscheinlichkeit einer Busse und führt dementsprechend zu einem tieferen Bonus. Das Experiment enthält acht Szenarien und dauert sieben fiktive Jahre. Zwei Szenarien analysieren Big Bath Accounting, während je drei Szenarien Earnings Smoothing sowie Target A ccounting untersuchen. In den Szenarien müssen sich die Teilnehmenden bei gegebenen Analystenerwartungen für bzw. gegen Earnings Management und die verschiedenen Techniken entscheiden, wobei weder der Begriff «Earnings Management» noch die genaue Absicht der Untersuchung kommuniziert werden. Den Szenarien folgt eine von der Vergütung unabhängige Befragung der Teilnehmenden zu Earnings Management. Dadurch soll untersucht werden, inwiefern sich das tatsächliche Verhalten in den Aussagen zu Earnings Management widerspiegelt. Abschliessende Angaben zu den Probanden liefern Hintergrundinformationen, welche für die Analyse zu berücksichtigen sind. Um Abbrüche des Experiments zu vermeiden, wurden Pretests und umfangreiche eigene Untersuchungen mit u nterschiedlichen Browsern und verschiedener Hardware durchgeführt. Der technische Aufbau des Experiments lässt kein Auslassen von Angaben zu. Auch kann nicht zu bereits beantworteten Szenarien zurückgekehrt werden, um Antworten zu ändern. Ferner werden Sicherheitsmassnahmen getroffen, damit jeder Teilnehmende das Experiment nur einmal durchführen kann [10]. 4. STICHPROBE An der betreffenden Bachelor- und der Mastervorlesung nahmen 470 Studierende teil, wovon sich 315 am Experiment beteiligten. Dies führt zu einer Rücklaufquote von 67%. Die 1128 Fragen ohne Einfluss auf die Vergütung Informationen zu den Probanden im Vergleich zu anderen Studien sehr hohe Rücklaufquote ist auf die angebotene Vergütung, den Aufbau des Experiments und die Anrechnung als Studienleistung zurückzuführen, welche die Studierenden bei Vollendung des Experiments erhielten [11]. Die Teilnehmenden haben durchschnittlich 3.45 Accountingvorlesungen besucht und über fünf Semester absolviert, weshalb sie als erfahrene Fachkräfte eingestuft werden und das Experiment ohne Weiteres verstehen. Im Durchschnitt benötigten die Teilnehmenden 21 Minuten für die Durchführung des Experiments, was bei einer durchschnittlichen Vergütung von CHF 12.– zu einem theoretischen Stundenlohn von CHF 34.– führt. Dieser Lohn entspricht in etwa demjenigen von Studierenden in der Privatwirtschaft und eignet sich, um Präferenzen aufzudecken. « Beim Experiment handelt es sich um einen Mehrperiodenapproach, sodass die Entscheidungen den Bonus über mehrere Szenarien hinaus beeinflussen können.» Vergleichbare Studien verwenden mit der vorliegenden Untersuchung übereinstimmende Beträge [12]. 5. ERGEBNISSE 5.1 Zentrale Resultate des Experiments. Das Experiment vermag die Anwendung von Earnings Management in den verschiedenen Szenarien aufzuzeigen. In einem Szenario wird der Anreiz der erfolgsabhängigen Vergütung kontrolliert, indem die Probanden in zwei Gruppen eingeteilt werden. Während eine Gruppe, wie in der Ausgangslage informiert, erfolgsabhängig vergütet wird, wird den Teilnehmenden der anderen Gruppe mitgeteilt, dass sie für eine Periode einen fixen Bonus erhalten. Die Teilnehmenden werden mit knapp nicht erreichten Erfolgserwartungen konfrontiert und können zwischen verschiedenen Techniken des Earnings Management wählen oder kein Earnings Management betreiben. Mittels Chi-Quadrat-Test lässt sich ein für die Kontrollgruppe auf dem 5%-Niveau signifikant von der Bonusgruppe unterschiedliches Verhalten feststellen. Dabei lehnen in der Kontrollgruppe 70% eine bewusste Steuerung ab, während bei der Gruppe mit erfolgsabhängiger Vergütung 57% auf Earnings Management verzichten (vgl. Abbildung 3). Ein weiteres Szenario, in welchem ein Investitionsentscheid gefällt werden muss, stützt diese Erkenntnis kurz D E R S C H W E I Z E R T R E U H Ä N D E R 2014 | 12 R E C H N U N G SW E S E N P RÄF E R E N Z E N Z U R STE U E R U N G D E S U NTE R N E H M E N S E R FO LG S Abbildung 3: RESULTAT FÜR BONUS- UND KONTROLLGRUPPE in % 80 70 70 60 57 Unternehmenserfolg. Die Probanden müssen sich anhand zweier Szenarien zwischen einem stabilen und einem zwar langfristig höheren, aber sehr volatilen Ergebnisausweis entscheiden. Ist das Unternehmen börsenkotiert, bevorzugt eine Mehrheit (83%) die weniger volatilen Erfolge und verzichtet somit auf Unternehmenswert. Ist die Unternehmung nach einem Delisting nicht mehr börsenkotiert, verzichten noch 40% der Probanden auf einen Teil des Unternehmenserfolgs, um die Varianz der Ergebnisse zu reduzieren (vgl. Abbildung 5). 50 Abbildung 5: EARNINGS MANAGEMENT ZUR VARIANZREDUKTION (n = 315) 40 30 24 20 19 20 in % 83 80 10 10 90 70 0 Kein EM REM Fixlohn (n = 156) AEM Bonus (n = 159) 50 fristiger Optimierung. Obwohl die Investition den langfristi gen Unternehmenswert erhöht, entscheidet sich eine Mehr heit (66%) gegen die Investition, falls diese dazu führt, dass der Erfolg unter die Erwartungen sinkt. Werden die kurzfristigen Erfolgserwartungen trotz Investition erfüllt, stimmt die Mehrheit (64%) für die Investition (vgl. Abbildung 4). Weiter manifestiert sich Earnings Management in der Reduktion der Erfolgsvolatilität auf Kosten von langfristigem Abbildung 4: INVESTITION IN ABHÄNGIGKEIT DER ERFOLGSERWARTUNGEN (n = 315) 70 40 40 30 20 17 10 0 Börsenkotiert Nicht börsenkotiert Grosse Varianz, höherer Gewinn Kleine Varianz, tieferer Gewinn in % 66 64 60 50 40 60 60 36 34 30 20 10 0 Erwartungen erfüllt Investition getätigt Erwartungen nicht erfüllt Investition nicht getätigt 12 | 2014 D E R S C H W E I Z E R T R E U H Ä N D E R Für die Jahre 3 bis 6 des Experiments finden die Teilnehmenden Szenarien vor, in welchen sie die Ergebnisse durch Real Earnings Management (REM) oder Accounting Earnings Management (AEM) steuern können. Während das Unternehmen die Gewinnerwartungen in den Jahren 3 und 6 weit verfehlt, werden diese im Jahr 4 weit übertroffen und im Jahr 5 ohne weitere Eingriffe knapp verpasst. Die grafische Darstellung zeigt die gewählte Earnings-ManagementTechnik für die einzelnen Jahre sowie die Ausprägungen des Earnings Management und die Richtung der Steuerung des Erfolgs (π) (vgl. Abbildung 6). Die Analyse der vier Jahre führt zu folgenden Erkenntnissen: Übertroffene Erwartungen bieten den grössten Anreiz. Im Jahr 4, in welchem die Erwartungen weit übertroffen werden, betreiben 79% der Teilnehmenden Earnings Management (Earnings Smoothing). Für die Ausprägungen weit verfehlter Erwartungen (Big Bath Accounting) sowie knapp verfehlter Erwartungen (Target Accounting) werden 1129 R E C H N U N G SW E S E N P RÄF E R E N Z E N Z U R STE U E R U N G D E S U NTE R N E H M E N S E R FO LG S Abbildung 6: GRAFISCHE ANALYSE DER EARNINGS-MANAGEMENT-TECHNIK (n = 315) 70 in % 59 60 49 49 50 44 40 42 37 30 30 26 25 21 20 14 10 4 0 Jahr 3 Big Bath Kein EM Jahr 4 Smoothing REM Jahr 5 Target Accounting Jahr 6 Big Bath AEM die Ergebnisse weit weniger gesteuert. Für Target Accounting kann dies vor allem im oben geschilderten Szenario festgestellt werden, in welchem die Kontrollgruppe gebildet wurde (vgl. Abbildung 3). Das Jahr 5 darf aufgrund einer drohenden Busse für Accounting Earnings Management für diese Erkenntnis nicht in Betracht gezogen werden. Accounting Earnings Management wird bevorzugt. Während im Jahr 3 noch keine klare Präferenz ersichtlich ist, überwiegt in den Jahren 4 und 6 die Anwendung von Accounting Earnings Management zur Erfolgsreduktion. Da das Jahr 5 aufgrund der drohenden Busse wiederum nicht betrachtet werden darf, muss für erfolgserhöhende Massnahmen wiederum das Szenario mit der Kontrollgruppe betrachtet werden (vgl. Abbildung 3). Klare Prä ferenzen bezüglich der Technik sind dabei nicht ersichtlich, wobei auch für dieses Szenario Accounting Earnings Management leicht überwiegt. Regulierung führt zu einer Verschiebung zu Real Earnings Management. Im Jahr 5 werden die Erfolgserwartungen knapp nicht erreicht. Die Erhöhung des Erfolgs durch die Veränderung der Abschreibungsmethode kann bei diesem Szenario zu einer Busse führen, was den Teilnehmenden mitgeteilt wird. Die Wahrscheinlichkeit der Busse steigt, falls in vorhergehenden Perioden die Abschreibungsmethode bereits verändert wurde. Während 4% der Teilnehmenden eine mögliche Busse in Kauf nehmen, erhöhen 37% den Erfolg durch eine Rabattaktion (Real Earnings Management). Regulierung reduziert die Anwendung von Earnings Ma nagement. Die mögliche Busse im Jahr 5 führt nicht nur zu einer Verschiebung, sondern auch zu einer Reduktion des Earnings Management gegenüber den anderen Jahren. Diese Erkenntnis zeigt, dass Rechnungslegungsstandards einen Einfluss auf das Earnings Management haben. 5.2 Zentrale Resultate der Befragung. Die durchgeführte Befragung zeigt, dass im Hinblick auf den Verzicht langfristiger Erfolge zugunsten kurzfristiger Erfolgsoptimierung fast die Hälfte der Teilnehmenden (47%) eine Anwendung von Earnings Management befürwortet. Werden die Erfolge zwar verschoben, aber langfristig nicht reduziert, steigt die Akzeptanz auf 84% (vgl. Abbildung 7). Eine Mehrheit befürwortet den Verzicht auf einen Teil des kurzfristigen Unternehmenserfolgs zugunsten einer tiefe- Abbildung 7: VERZICHT AUF LANGFRISTIGE GEWINNE, UM KURZFRISTIGE ZU ERREICHEN (n = 315) in % 12 Summe bleibt gleich Summe wird kleiner 4 Verzicht grosser Teil lfr. Gewinne 41 41 Verzicht moderater Teil lfr. Gewinne 31 16 53 Verzicht kleiner Teil lfr. Gewinne Nein 1130 D E R S C H W E I Z E R T R E U H Ä N D E R 2014 | 12 R E C H N U N G SW E S E N P RÄF E R E N Z E N Z U R STE U E R U N G D E S U NTE R N E H M E N S E R FO LG S Abbildung 8: VERZICHT AUF KURZFRISTIGE GEWINNE, UM DIE VARIANZ ZU REDUZIEREN (n = 315) [13] in % 29 Summe bleibt gleich Summe wird kleiner * 42 21 22 40 Verzicht grosser Teil kfr. Gewinne 7 36 Verzicht moderater Teil kfr. Gewinne Verzicht kleiner Teil kfr. Gewinne Nein Abbildung 9: AUSPRÄGUNGEN DES EARNINGS MANAGEMENT (n = 315) in % 16 Befürwortung Income Smoothing Befürwortung Big Bath Accounting * +++ (ja, vollkommen) ++ 32 8 24 + – ren Erfolgsvolatilität. Dies ist sowohl bei kleiner werdendem kumulierten Erfolg (64%) als auch bei gleich bleibendem kumulierten Erfolg (93%) auf Kosten einer «Fair Presentation» der Fall (vgl. Abbildung 8). Die Antworten bezüglich einer Erfolgsreduktion in sehr guten und sehr schlechten Jahren gehen mit den Unter suchungen des Experiments einher. Während in sehr schlechten Jahren 34% damit einverstanden sind, zukünftige Ausgaben vorzuziehen, zeigt sich in sehr guten Jahren eine grosse Mehrheit (80%) gewillt, Ausgaben zeitlich vorzuverlegen. Dieses Verhalten stimmt mit den Beobachtungen im Experiment überein, widerspricht jedoch der Theorie von Kahneman und Tversky, welche auch für hohe Verluste eine flache Wertfunktion beschreibt (vgl. Abbildung 9). Die Aussagen zu den Earnings-Management-Techniken entsprechen den Resultaten bisheriger Forschungsarbeiten, welche Earnings Management anhand von Umfragen unter- 12 | 2014 D E R S C H W E I Z E R T R E U H Ä N D E R 32 23 –– 10 23 8 20 * – – – (nein, gar nicht) suchten [14]. Befürwortet über die Hälfte (55%) Real Earnings Management als erfolgssteuernde Massnahme, sind es für Accounting Earnings Management nur 39%. Der Vergleich mit den im vergüteten Teil des Experiments getätigten Entscheidungen zugunsten von Accounting Earnings Management weist jedoch auf einen Widerspruch hin. Werden durch eine Simulation variable Anreize gesetzt, findet trotz divergierender Aussagen die Anwendung von buchhalterischen Massnahmen gegenüber einer realen Schwächung des Unternehmens stärkeren Anklang. 6. FAZIT Das durchgeführte Experiment zeigt, dass zur Erhöhung der eigenen Vergütung erfolgssteuernde Massnahmen eingesetzt werden. Das Erreichen kurzfristiger Erfolgsziele sowie tiefer Erfolgsvolatilität wird gegenüber einer lang fristig optimalen Strategie bevorzugt. Weiterführend kann 1131 R E C H N U N G SW E S E N P RÄF E R E N Z E N Z U R STE U E R U N G D E S U NTE R N E H M E N S E R FO LG S gezeigt werden, dass die Hemmschwelle zur Anwendung von Earnings Management bei Earnings Smoothing am tiefsten ist. Dass zur Erfolgssteuerung mehrheitlich Accoun- « Das durchgeführte Experiment zeigt, dass zur Erhöhung der eigenen Vergütung erfolgssteuernde Massnahmen eingesetzt werden.» ting Earnings Management betrieben wird, widerspricht sowohl den Umfragen bisheriger Forschungsliteratur als auch der dem Experiment folgenden eigenen Umfrage. Das Experiment vermag folglich zu zeigen, dass Führungskräfte Anmerkungen: 1) In Anlehnung an Kahneman/ Tversky (1984), S. 342. 2) Vgl. Ball (2013), S. 851. 3) Vgl. Guidry/Leone/Rock (1999), S. 120. 4) Vgl. Graham/Harvey/Rajgopal (2005), S. 36. 5) Vgl. Ewert/ Wagenhofer (2005). 6) Vgl. Merchant/Rockness (1994). 7) Vgl. Graham/Harvey/Rajgopal (2005), S. 6. 8) Vgl. Gillenkirch/Arnold (2008), S. 131. 9) Das gesamte Experiment ist in Menghini (2014) ersichtlich. 10) Vgl. weiterführend Menghini (2014), S. 75. 11) In beiden Vorlesungen mussten die Studierenden eine gewisse Anzahl Übungspunkte sammeln. 12) Vgl. Libby/Bloomfield/Nelson (2002), S. 803. 13) Aus Gründen einer übersichtlicheren Darstellung werden in den Abbildungen Anteile < 5% mit *) gekennzeichnet. 14) Vgl. Graham/Harvey/Rajgopal (2005), S. 6 und vgl. Merchant/Rockness (1994), S. 88. 1132 trotz widersprechender Aussagen eher gegen Rechnungs legungsstandards verstossen, als das operative Geschäft und somit den Cashflow eines Unternehmens zu manipulieren. Weiter zeigt die Umfrage, dass eine Toleranz für die Korrektur von Erfolgen vorhanden ist und nur sehr wenige Teilnehmende eine «Fair Presentation» gegenüber Earnings Mana gement bevorzugen. Die durchgeführte Studie soll Anspruchsgruppen wie Analysten, Investoren sowie Verwaltungsräten das im Zusammenhang mit erfolgsabhängiger Vergütung stehende bilanzpolitische Verhalten der Führungskräfte aufzeigen. Die Rechnungslegung sowie operative Möglichkeiten lassen Spielräume für eine Steuerung des Erfolgs in die gewünschte Richtung offen und führen zu entsprechendem Interpreta tionsspielraum. Der Nachweis sowie mögliche Massnahmen zur Reduktion von Earnings Management werden die Anspruchsgruppen auch in Zukunft herausfordern. n Literatur: Ball, Ray (2013): Accounting Informs Investors and Earnings Management is Rife: Two Questionable Beliefs, in: Accounting Horizons, Vol. 27, Nr. 4, S. 847–853. Ewert, Ralf/Wagenhofer, Alfred (2005): Economic Effects of Tightening Accounting Standards to Restrict Earnings Management, in: The Accounting Review, Vol. 80, Nr. 4, S. 1101–1124. Gillenkirch, Robert M./Arnold, Markus C. (2008): State of the Art des Behavioral Accounting, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium, Vol. 3, S. 128–134. Graham, John R./ Harvey, Campbell R./Rajgopal Shiva (2005): The economic implications of corporate financial reporting, in: Journal of Accounting and Economics, Vol. 40, Nr. 1–3, S. 3–73. Guidry, Flora/Leone, Andrew J./Rock, Steve (1999): Earnings-based bonus plans and earnings management by business-unit managers, in: Journal of Accounting and Eco nomics, Vol. 26, Nr. 1–3, S. 113–142. Kahneman, Daniel/Tversky, Amos (1984): Choices, Values, and Frames, in: American Psychologist, Vol. 39, Nr. 4, S. 341–350. Libby, Robert/Bloomfield, Robert/ Nelson, Mark W. (2002): Experimental research in financial accounting, in: Accounting, Organizations and Society, Vol. 27, Nr. 8, S. 775–810. Menghini, Corrado (2014): Transaktionsentscheide oder das Ausnutzen von Wahlrechten und Ermessensspielräumen in der Rechnungslegung – Ein Experiment zu Earnings Management, Zürich 2014. Merchant, Kenneth A./Rockness, Joanne (1994): The Ethics of Managing Earnings: An Empirical In vestigation, in: Journal of Accounting and Public Policy, Vol. 13, Nr. 1, S. 79–94. D E R S C H W E I Z E R T R E U H Ä N D E R 2014 | 12