Wenn der Darm streikt

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Wenn der Darm streikt
GESUNDES LEBEN
Nr. 02/26-01-2004
Seite 18
Aus der Sicht von Westlicher und Traditioneller Chinesischer Medizin (TCM)
Wenn der Darm streikt
Ein gesunder Darm ist Voraussetzung für eine gut funktionierende
Verdauung und für Ihr Wohlbefinden. In erster Linie dient der
Magen-Darmkanal natürlich der Verdauung. Die von uns aufgenommenen Nahrungsmittel werden schrittweise zerkleinert. Die
schlussendlich freigesetzten Nährstoffe wie Zucker, Fett- oder
Aminosäuren werden über die Darmwand in das Blut aufgenommen und als Energielieferanten zu den einzelnen Zellen unseres
Körpers transportiert.
von Dr. Thomas Schwingenschlögl und Dr. Katrin Bienert
Dr. Thomas Schwingenschlögl,
Facharzt für Innere Medizin,
Rheumatologie und
Ernährungsmedizin
in Wr. Neudorf
www.dr-schwingenschloegl.at
arüber hinaus stellt die
Darmschleimhaut das größte Abwehrorgan unseres
Körpers dar. Störungen können
sich demnach elementar auf unsere
Gesundheit
auswirken.
Neben organischen Erkrankungen
wie chronischen Darmentzündungen, Divertikeln oder Pilzinfektionen spielen vor allem funktionelle Darmerkrankungen wie
der Reizdarm oder die chronische
Verstopfung in den westlichen Industrienationen eine große Rolle.
D
Das Reizdarmsyndrom und
typische Beschwerden
Der Reizdarm (Colon irritabile)
ist die häufigste Erkrankung des
Darmes. Etwa 15% der erwachsenen Bevölkerung leiden unter
dieser Erkrankung. Im mittleren
Lebensalter sind besonders Frauen betroffen. Der Reizdarm ist
eine funktionelle Störung der
Transportmechanismen im Darmtrakt ohne fassbare organische
Veränderungen.
Typische Beschwerden sind:
– Dumpfe oder kolikartige Schmerzen, die oft nur sehr schwer lokalisierbar sind und den gesamten
Bauch betreffen können
– Stark wechselnde Stuhlkonsistenz mit Episoden von Durchfall und Verstopfung
– Häufige Darmentleerungen mit
kleiner Stuhlmenge
– Völlegefühl, Blähungen
– Unverträglichkeit diverser Nahrungsmittel
– Gefühl der unvollständigen
Darmentleerung sowie eines
aufgetriebenen Bauches
– Schleimauflagerungen am Stuhl
Da jedoch alle geschilderten
Symptome auch bei Darmentzündungen oder Tumoren auftreten
können, muss natürlich in jedem Fall
mittels einer genauen Diagnostik
eine andere Ursache ausgeschlossen
werden.
Laboruntersuchungen,
Kontrastmittelröntgen des Darmes,
endoskopische Untersuchungen wie
die Magen- oder Darmspiegelung,
Ultraschall der Oberbauchorgane
sowie Tests über die Leistungsfähigkeit des Verdauungssystems sind hierzu erforderlich.
Chronische Verstopfung
Die in westlichen Industrieländern häufige Verstopfung (Obstipation) beruht ebenfalls auf einer
Funktionsstörung des Darmes.
Schätzungsweise leiden 20 % der
Bevölkerung an Episoden von
Verstopfung. Etwa 2-5 % nehmen
regelmäßig Abführmittel ein. Die
Veränderungen der Stuhlgewohnheiten sind zum Teil von erheblichen Missempfindungen wie Völlegefühl, verstärkten Blähungen,
Bauchschmerzen und allgemeiner Leistungsschwäche begleitet.
Der Patient hat das Gefühl, dass
die Stuhlentleerung nur durch
heftiges Pressen möglich ist.
Ebenso wird von unvollständigen
Darmentleerungen berichtet.
Bei vielen Menschen besteht
eine übertriebene Angst vor vermeintlicher Selbstvergiftung durch
fehlenden Stuhlgang, weshalb eine
tägliche Darmentleerung erzwungen wird. Dabei ist anzumerken,
dass Stuhlfrequenzen zwischen
drei pro Tag und einer alle drei
Tage als normal gelten.
Die Hauptursache für die chronische Verstopfung ist in einer tiefgreifenden Ernährungsumstellung
zu sehen. Seit den dreißiger Jahren
geht der Verzehr von komplexen
Kohlenhydraten wie Getreideprodukten, Reis, Kartoffeln, Hülsenfrüchten und Ballaststoffen zugunsten von Fetten, Eiweiß und einfachen Kohlenhydraten wie Zucker
zurück. Gerade aber die ballaststoff- und stärkereiche Kost hat
eine natürliche abführende Wirkung. In vielen Fällen spielen auch
eine unzureichende Flüssigkeitsaufnahme oder gerade bei älteren
Menschen medikamentöse Nebenwirkungen eine Rolle bei der
Auslösung der Verstopfung.
Die Obstipation zählt ebenfalls
zu den funktionellen Darmstörungen ohne wesentliche organische
Veränderungen. Wie schon beim
Reizdarm muß auch hier entsprechend abgeklärt werden.
Richtige Ernährung ist
wichtig
Ziel einer Behandlung sollte
sein, langfristig die Beschwerden
zu beseitigen und die Lebensqualität zu verbessern. Neueste Studien haben gezeigt, dass jeder zweite Betroffene bereits durch diätetische Maßnahmen eine deutliche
Besserung der Symptome verspürt.
Um einen genauen Zusammenhang zwischen Speisen und Be-
Tipps zur Ernährung:
– Reduzieren Sie Ihren Fettkonsum: Gehärtete Margarine und
Mayonnaise meiden, Butter,
Margarine und Öl reduzieren.
Verwenden Sie zum Braten
ausschließlich
beschichtete
Pfannen und mageres Fleisch.
Lassen Sie das Fleisch nach
dem Braten abtropfen. Meiden
Sie Frittiertes und Wurstsorten
mit hohem Fettgehalt.
– Genussmittel
reduzieren:
Künstliche Süßstoffe, scharfe
Gewürze wie Pfeffer oder Curry,
Geschmacksverstärker wie Natriumglutamat
und
starker
Zuckerkonsum führen oft zu
einer Verstärkung der Beschwerden. In vielen Fällen
lösen auch Zitrusfrüchte, Apfelund Birnensaft sowie rohes
Obst und Nüsse die Beschwerden aus.
– Den Genuss von kohlensäurehaltigen Getränke, Alkohol, Kaffee und Milchprodukten sollten
Sie besser meiden.
– Meiden Sie hastiges „Zwischendurch-Essen“,
ungenügendes Kauen und Hektik
während der Mahlzeiten. Viele
Symptome treten nämlich vorwiegend in Stresssituationen
auf.
Dr. Katrin Bienert,
Ärztin für Allgemeinmedizin
und Traditionelle Chinesische
Medizin, Wahlarztordinationen
in Wr. Neudorf und Wien
E-Mail: [email protected]
schwerden zu finden, sollte jeder
Patient ein Tagebuch führen. Sie
gewinnen damit am ehesten Aufschluss über die Auslöser der Symptome. Lebensmittel, welche die
Symptomatik auslösen oder verstärken (vor allem Kaffee, rohes
Obst, gebratene Speisen, alkoholische Getränke und Milch), sollten
gemieden werden.
Obwohl es keine generelle
Reizdarmdiät gibt und die
Ernährung immer individuell gestaltet werden muss, gibt es allgemeine Ernährungsempfehlungen,
die bei fast allen Betroffenen eine
Besserung der Beschwerden hervorrufen.
Patienten mit vorwiegenden
Durchfällen sollten sich nicht zu
ballaststoffreich ernähren. Vollkornprodukte, Obst, Gemüse und
Salate sind wegen des hohen Anteils an Ballaststoffen für die Verdauung zwar generell sehr gesund, können beim Reizdarm-Patienten Durchfälle und Blähungen
aber verstärken. Bei Verstopfung
kann die Gabe von Weizenkleie
oder Leinsamen als Ballaststoffträger erfolgen, wobei unbedingt
auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr zu achten ist.
Medikamente nur vom Arzt
Es existiert bis heute kein Medikament, welches alle Darmbeschwerden beseitigt. Es gibt aber
eine Fülle von Arzneimitteln, die
viele Symptome sehr wohl lindern können.
So gibt es Präparate zur Beschleunigung der Darmmotorik.
Diese werden bei Druck- und Völlegefühl, Übelkeit und frühem Sättigungsgefühl mit Erfolg eingesetzt.
Bei Durchfall und spontanem
Stuhldrang werden Antidiarrhoika
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ERNÄHRUNG
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Mag. FRANZ KERNMAYER
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GESUNDES LEBEN
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und Quellmittel wie Flohsamen
eingesetzt. Für Blähungen und Völlegefühl gibt es entschäumende
Präparate und Spasmolytika, die
auch bei krampfartigen Darmschmerzen eine Entspannung der
Darmmuskulatur bewirken. Bei vielen Patienten kann durch Gabe von
Darmflorapräparaten und Milchsäurebakterien eine Normalisierung der Stuhlregulation erzielt
werden. Ihr Arzt berät Sie sicherlich
gerne bei der Auswahl des richtigen Arzneimittels.
Reichlich Bewegung
Spezielle Bewegungsübungen
zur Aktivierung des Darmes in
Form von Gymnastik, Ausdauersport und Bauchmuskeltraining
sind von großer Bedeutung. Gerade Ausdauersportarten wie Spazierengehen, Walken, Joggen oder
Radfahren haben beim regelmäßigen Betreiben einen äußerst posi-
tiven Effekt auf eine Harmonisierung der Darmmotorik.
Bevor Sie jedoch mit einem regelmäßigen Fitnesstraining beginnen, sollten Sie sich unbedingt
einem Herz-Kreislauf-Belastungstest unterziehen. Dieser entscheidet über Dauer und Pulsfrequenz
bei den sportlichen Betätigungen.
Bei akuten Schmerzen sollte
man sich entspannt auf den
Rücken legen und mit langsamen
kreisenden Bewegungen den
Bauch massieren. Atemübungen
wirken ebenso wie Wärme entspannend. Wickeln Sie eine heiße
Wärmeflasche in ein Tuch und
legen Sie diese auf den Bauch.
Auch ein Leibwickel wirkt entkrampfend und wohltuend.
Entspannende Bauchmassagen und Ausstreichen des Darmes fördern oftmals die Darmmobilität. Bei Stress im Alltag
können Entspannungsübungen
wie Autogenes Training, Joga, Qi
Gong oder Tai Chi die Beschwerden oft erheblich mildern.
Wenn der Darm streikt – Behandlung nach TCM
Im Rahmen der Traditionellen
Chinesischen Medizin (TCM)
kann man viel gegen die Beschwerden des Reizdarmsyndroms machen. Man unterscheidet zwei verschiedene Formen:
Entweder handelt es sich um eine
Schwäche des Erdelementes oder
um eine Stagnation im Holzelement. Häufig können beide Formen gemeinsam auftreten.
Die Schwäche des Erdelementes, also eine sogenannte Milz Qi
Schwäche zeigt sich durch folgende Symptome: Blähungen, Winde,
Völlegefühl, weicher Stuhl bis
Durchfall, Schmerzen im gesamten
Bauch oder in der Mitte des Bauches. Hinzu kommen eventuelle
Müdigkeit und Energielosigkeit. Die
Zunge ist eher blass und hat Zahneindrücke. Der Puls ist schwach.
Die Stagnation im Holzelement, also eine Leber Qi Stagnation, zeigt sich durch Schmerzen an
der Bauchseite unter dem Rippenbogen (an der Dickdarmkurve). Häufig ist nur eine Seite betroffen. Blähungen, eher harter
Stuhl oder sogar Verstopfung sind
die Folgen. Häufig haben diese
Leute Stress oder viel Ärger, Kopfschmerzen oder erhöhter Blutdruck können damit kombiniert
sein. Die Zunge ist eher spitz und
rot. Die Ränder eventuell gerillt.
Der Puls ist gespannt.
Therapie der Milz Qi
Schwäche:
Essen Sie morgens einen warmen Getreidebrei aus Hirse oder
Reis mit einem geriebenen Apfel,
Ingwer, Zimt und braunem
Zucker. Trinken Sie Ingwertee
oder auch Schwarztee. Vermeiden Sie kalte oder rohe Nahrungsmittel und Milchprodukte.
Legen Sie einen warmen Thermophor jeden Tag auf den Bauch.
In der Akupunktur werden hier
vorwiegend Punkte auf dem Milz-
und Magenmeridian verwendet.
Chinesische Kräuterrezepturen
enthalten gerne chinesische Datteln, Ingwer, Zitronenschale und
Süßholz. Eine fein abgestimmte
Kräuterrezeptur kann die Schmerzen gut in den Griff bekommen
und die Energie zurückbringen.
Therapie der Leber Qi
Stagnation:
Essen Sie morgens eine
warme Suppe oder eine Misosuppe. Sehr gut sind auch Gemüsesuppen oder eine klare Suppe.
Trinken
Sie
grünen
Tee,
Chrysanthemenblütentee oder Zitronenschalentee. Fisch löst durch
seinen leicht salzigen Geschmack
diese Darmblockade gut auf.
Auch mild-scharfe Gewürze lösen
den Energiestau. Ein Birnenkompott mit ein wenig Zimt und
Kardamom befeuchtet den Darm
und entspannt ihn. Sojaprodukte
sind sehr zu empfehlen.
In der Akupunktur werden
Punkte entlang des Leber- und
Gallenblasenmeridians verwendet. Zur Auflösung der Stagnation
lassen Sie sich entweder Kräuter
von Ihrem TCM-Arzt verschreiben
oder kaufen Sie einen Tee aus
Orangenblüten, Passionsblume,
Ringelblüten, Akazienblüten, Melisse, Rosenblüten und Pfefferminze. Sie können die Tees mischen oder auch einzeln trinken.
Noch ein Tipp: Tee aus Wermut
und Pfefferminze: 1:1,5 - 1TL pro
Tasse, fünf Minuten ziehen lassen.
Insgesamt wird die Bedeutung
des Darmes im Vergleich zu anderen Organen wie Herz oder Niere
noch immer unterschätzt. Zunehmend wird aber die Erkenntnis gewonnen, dass ein nicht richtig funktionierender Darm krank macht.
Deswegen sollten Verdauungsstörungen, speziell dann, wenn
sie längere Zeit bestehen, ernst
genommen werden.
Information
für Leser
Wenn Sie Fragen zu
redaktionellen Artikeln haben,
dann wenden Sie sich bitte
an das Sekretariat der
„Ihr EINKAUF“-Zentrale
in Wien unter
Tel. 01/488 88 DW -273, -233
Ab März 2004 auch in Wien
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