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PRODUKTION
Eigentlich klassische
Handarbeit – aber die
Innenverkleidungen
der Kofferräume für
die Saab-Modelle 9.3
und 9.5 sind
vollautomatisch
hergestellt.
FLEXIBLE MASSARBEIT
LASERROBOTER FÜR INNENVERKLEIDUNGEN Laserschneiden von Formteilen aus Nadelfilz
und Kunststoff bringt Vorteile gegenüber dem Stanzen oder Wasserstrahlschneiden.
Bei dem Zulieferer Collins & Aikman erfüllt die Synergie aus Laser und Robotern die
Anforderungen der fertigungstechnischen Anwender wie die Ansprüche der zukünftigen
PKW-Besitzer.
A
utomobilfirmen setzen auf Wirkung und Qualität ihrer Produkte.
Diese ist in Hochlohnländern wie
Schweden oder Deutschland nur mit automatisierter Produktion zu wettbewerbsfähigen Preisen realisierbar. Das
gilt zunehmend auch für klassisch handgefertigte Teile wie Innenverkleidungen
anspruchsvoller PKW. Der international
tätige Zulieferer für die Automobilindustrie Collins & Aikman Corporation, Troy
in Michigan/USA, hat für diese Aufgabenstellung eine interessante Lösung
im Einsatz. Im schwedischen Skara be-
Autor
Günter Suffel, Produktmanager,
ABB Robotics GmbH, Friedberg,
[email protected]
100
Plastverarbeiter ‚ März 2006
treibt das Unternehmen eine vollautomatisierte Produktionslinie für Innenverkleidungen des Kofferraums der
Saab-Modelle 9.3 und 9.5. Die Handhabung und der Laserzuschnitt erfolgen
in einer robotergestützten LaserSchneidzelle von Robot-Technology
GmbH, Kleinostheim. Zu den Zielvorgaben gehörten eine vollautomatische
Anlage ohne Bedienpersonal, beengte
Platzverhältnisse von 15 m x 5 m und ein
Zeitraum von fünf Monaten für das komplette Engineering, Montage und Inbetriebnahme. Der Auftrag umfasste die
komplette Anlage mit Ausnahme der
Spritzgießmaschine und einiger Werkzeuge.
Die Entscheidung zugunsten des Laserschneidens fiel aus rationalen Gründen. Bei den aus Nadelfilz und Kunststoff
geformten Teilen verschmelzen die
Schnittkanten zu einer gerundeten Kante, so als ob sie entgratet seien. Der Hochdruck-Wasserstrahl würde dagegen
scharfe Kanten an den Materialien erzeugen. Hinzu käme ein unerwünschter hygroskopischer Effekt. Stanzen hätte vor
allem den Nachteil der geringen Flexibilität bei Formänderungen verbunden mit
dem hohen Werkzeugaufwand. Der Automationsanbieter konzipierte eine Lösung aus einer Kombination von Laserschneidanlage mit Roboter und einem
Handhabungsroboter. Beide Roboter
stammen vom Hersteller ABB Robotics
GmbH, Friedberg.
Integrierte Infrarotheizung
Am Beginn der Produktionslinie schneidet und erhitzt eine Maschine die Stoffbahnen. Um anschließend eine bessere
Verformung zu gewährleisten, wärmt die
Automatisch und
flexibel fertigen der
Handhabungs- und der
Laserschneid-Roboter
in der Kabine PKWInnenverkleidungen
aus Nadelfilz und
Kunststoff.
KOSTENEFFIZIENZ
Zukunftssicher
Vor allem im Automobilbau ändern sich
Bauteile und ihre Formen häufig – nicht nur
bei Modellwechseln. Per einfachem Programmieren und völlig ohne Werkzeugänderungen führen der Laser- und der
Handhabungsroboter neue Vorgaben aus.
Geringe Kosten und kurze Zeiten erhöhen
die Wirtschaftlichkeit der einmal getätigten
Investition.
integrierte Infrarotheizung den Stoff je
nach späterem Verformungsgrad. Das bedeutet, die Erwärmung ist partiell unterschiedlich. Die heiße Filzbahn übernimmt der Roboter IRB 6650, der über eine Tragkraft von 125 kg und eine Reichweite von 3 200 mm verfügt. Sein Arbeitsbereich beginnt vorne unter der
Aufstellfläche und reicht über den Scheitelpunkt hinweg nach hinten bis zur Aufstellfläche. Er eignet sich deshalb für
komplexe Handhabungen innerhalb
kleiner Räume. Er verfügt über eine Kollisionserkennung, eine elektronische
Bahnstabilisierung und ein aktives
Bremssystem. Es steuert die Bremsvorgänge und hält den Roboter im Falle eines Not-Aus nicht nur auf seiner Bahn,
sondern ermöglicht eine kurzfristige
Wiederaufnahme der Produktion.
Am Roboterhandgelenk ist eine Vorrichtung mit Greifern und Saugnäpfen
installiert. Die Greifer nehmen die Filzbahnen und legen sie in die Spritzgießmaschine ein. Diese hinterspritzt die
Bahnen und gibt ihnen ihre Kontur und
Stabilität. Nach dem Einlegen des Filzes
entnimmt der Roboter ein bereits gefertigtes Teil aus der Spritzgießmaschine
und legt es auf einer Kühlstrecke ab. Dazu greift er das Verkleidungsteil auf der
Kunststoffseite und legt es auf einen
Werkstückträger. Vor dem Schneiden
müssen die Teile definiert abkühlen.
Nach dem Ablegen auf der Kühlstrecke
wechselt der Roboter seine Position und
greift ein bereits abgekühltes Teil.
Automatisierte Laserschnitte
Das abgekühlte Verkleidungsteil fährt der
Roboter zur Laserschneidvorrichtung
und legt es dort auf einen Drehtisch mit
zwei Stationen. Der Drehtisch bringt das
noch ungeschnittene Teil in die Laserzelle und befördert ein bereits geschnittenes
Teil nach außen. In der Schneidkabine
Das Transportsystem
mit Greifern und Saugnäpfen am Handgelenk
des IRB 6650 eignet
sich zum Handling von
Bauteilen mit unterschiedlichen Materialien und Größen.
Beim Laserschneiden
der aus Nadelfilz und
Kunststoff geformten
Teile verschmelzen
die Schnittkanten zu
einer gerundeten,
gratfreien Kante.
übernimmt der speziell entwickelte Laserschneidroboter den Zuschnitt. Basis
des Laserroboters ist ein IRB 4400. Der
Roboter passt seine Geschwindigkeit dynamisch den voraus berechneten Bahnbewegungen an, statt sie zu korrigieren
beziehungsweise nachzustellen. Das
sorgt für glatte harmonische Schnittkanten ohne störende Absätze oder Verstellmarken.
Während der Laserroboter zuschneidet, nimmt der Handhabungsroboter ein
fertig geschnittenes Teil samt Restbeschnitt von der zweiten Station des
Drehtisches auf. Beide Teile legt er auf ein
Förderband. Dieses puffert gleichzeitig
die fertigen Kofferraumverkleidungen.
Je nach Bedarf entnehmen Werker meist
gleich mehrere Teile. Der Handhabungsroboter fährt nach dem Absetzen zurück
zur Stoffbereitstellung und holt neuen
Nadelfilz, um ihn in die Heizstation einzulegen und den Zyklus erneut zu beginnen.
Plastverarbeiter ‚ März 2006
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