06-14 Kosmische
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06-14 Kosmische
Innerhalb der nächsten Jahre findet eine ungewöhnliche Anhäufung von spektakulären Himmelsereignissen statt. Bis 2005 können wir – schönes Wetter vorausgesetzt – vier totale Mondfinsternisse, zwei partielle Sonnenfinsternisse und je einen Durchgang von Merkur und Venus vor der Sonne beobachten. Den Start zu diesen kosmischen Sondervorstellungen bildet die Mondfinsternis vom 16. Mai 2003. Noch im gleichen Monat, am 31. Mai 2003, können wir einer partiellen Sonnenfinsternis beiwohnen. Text und Fotos: Andreas Walker 6 Natürlich | 4-2003 Schattenspiele NATUR Die Grundvoraussetzung für die Beobachtung der Mondfinsternis ist ein klarer Himmel. Besonders geeignet sind dunkle Beobachtungsorte ohne störende Lichtquellen (Strassenlampen oder Lichtglocke über einer Stadt). Für eine nähere Betrachtung leistet ein Feldstecher bereits gute Dienste; die Mondfinsternis ist aber auch von blossem Auge sichtbar. Besonders interessant ist die Phase während der totalen Verfinsterung: Das fahle Rot des verfinsterten Mondes verändert bei längerer Beobachtung oft seine Farbe und Intensität. Je dreckiger die Luft, desto röter der Mond Bei einer Mondfinsternis taucht der Vollmond in den Erdschatten ein. Von der Erde aus sehen wir, dass der helle Vollmond von einer Seite her immer dunkler wird, bis er schliesslich vollständig im Erdschatten verschwindet. Selbst während der tota- len Verfinsterung bleibt der Mond immer noch als fahle, meist rötliche Scheibe sichtbar. Aufgrund ihrer Streuwirkung lässt die Erdatmosphäre praktisch nur rotes Licht passieren, ähnlich wie beim Morgenrot der aufgehenden Sonne. So verleiht das in der Atmosphäre gebrochene Licht dem verfinsterten Mond die typisch rötliche Farbe. Da Farbe und Helligkeit während der Totalität durch die Erdatmosphäre bestimmt werden, sieht jede Mondfinsternis anders aus. Entscheidend für den Farbton ist der Verschmutzungsgrad der Atmosphäre durch menschliche Einflüsse und durch Vulkanausbrüche,Waldbrände u.a. – je trüber die Luft zur Zeit der Mondfinsternis ist, desto röter wird der Mond. Die Helligkeit wird von der Bewölkung bestimmt: je mehr Wolken, desto heller scheint der Mond. Sobald der Himmelskörper wieder aus dem Kernschatten der Erde auftaucht, verschwindet für den Beobachter die rötliche Farbe schlagartig, Totale Sonnenfinsternis vom 21. Juni 2001 in Sambia. Die Korona, die äusserste Hülle der Sonne, ist mehrere Millionen Grad heiss. Sie ist für uns nur während der wenigen Minuten einer totalen Sonnenfinsternis zu sehen. I n der Nacht vom 15. auf den 16. Mai 2003 ist Vollmond. Gleichzeitig befinden sich Sonne, Erde und Mond wieder einmal exakt in einer Linie. Diese Konstellation wird eine Mondfinsternis verursachen, die für den Erdbeobachter als faszinierendes Naturschauspiel zu bewundern sein wird. Die Mondbahn verläuft nicht ganz genau in der gleichen Ebene wie die Erdbahn; sie ist um 5 Grad zur Erdbahn geneigt. Wäre dies nämlich nicht der Fall, gäbe es bei jedem Vollmond eine Mondfinsternis und bei jedem Neumond eine Sonnenfinsternis. Natürlich | 4-2003 7 NATUR Schattenspiele denn das direkt vom Mond reflektierte Sonnenlicht ist um ein Vielfaches heller als das fahle Rotlicht während der Totalität. Wenn der Tag zur Nacht wird Bei einer totalen Sonnenfinsternis stehen Sonne, Mond und Erde in einer Linie und der Mond wirft seinen Schatten auf die Erde. Deshalb tritt eine Sonnenfinsternis immer bei Neumond auf und eine Mondfinsternis kann nur bei Vollmond auftreten. Ein einzigartiger Zufall lässt Sonne und Mond von der Erde aus gesehen am Himmel fast gleich gross erscheinen. Die Sonne hat zwar einen 400-mal grösseren Durchmesser als der Mond, ist jedoch 400-mal weiter weg. So kann der Neumond, wenn er sich gerade in der Nähe eines Mondbahnknotens befindet, die Sonne bedecken. Da sich Totale Sonnenfinsternis in Sambia vom 21. Juni 2001. Gesamthimmelsaufnahme mit Fischaugenobjektiv. Für knappe vier Minuten war die Sonne total verfinstert. Die Landschaft wurde in ein seltsames Dämmerlicht getaucht und am Horizont der Himmel rötlich gefärbt. 8 Natürlich | 4-2003 der Mond auf einer Ellipsenbahn um die Erde bewegt, variiert die Entfernung Erde–Mond im Laufe eines Monats ein wenig. Befindet er sich in Erdnähe, erscheint er uns etwas grösser als die Sonne und vermag diese vollständig zu verfinstern. Ist der Mond von der Erde weiter entfernt, erscheint er ein wenig kleiner als die Sonnenscheibe und kann somit bei einer Finsternis die Sonne nicht vollständig bedecken. Auch im Moment der maximalen Verfinsterung bleibt immer noch ein schmaler, heller Sonnenring um die Mondscheibe herum bestehen. Ein solches Ereignis bezeichnet man als ringförmige Sonnenfinsternis. Ist also die Entfernung Erde–Mond kürzer als die Kernschattenlänge des Mondes, schneidet der Kernschattenkegel die Erdoberfläche und kann bei hochstehender Sonne ein Gebiet von maximal 273 km Breite bedecken. Um dieses Gebiet herum erstreckt sich ein weitaus grösseres kreisförmiges Gebilde, der Halbschatten, der bis zu 7000 km breit sein kann. Befindet sich der Beobachter auf der Erdoberfläche im Gebiet des Kernschattens, sieht er eine totale Sonnenfinsternis. In dieser Phase der Totalität werden der Strahlenkranz (Korona) und die randnahen ausströmenden leuchtenden Gasmassen (Protuberanzen) sichtbar. Befindet sich der Beobachter im Halbschatten, erlebt er eine partielle Verfinsterung der Sonne. Ist die Entfernung Erde–Mond jedoch grösser als die Länge des Kernschattenkegels, liegt die Erdkugel hinter der Kernschattenzone des Mondes. Für den Beobachter auf der Erde erscheint damit die Mondscheibe ein wenig kleiner als die Sonnenscheibe – es kommt zu einer ring- Am 8. Juni 2004 wandert die Venus von uns aus gesehen vor der Sonnenscheibe vorbei. Jahrhundert-Spektakel am 8. Juni 2004 Am Vormittag des 7. Mai 2003 wird der innerste Planet Merkur als kleiner schwarzer Punkt vor der Sonne durchziehen. Ein solcher für uns sichtbarer Merkur-Durchgang vor der Sonne fand letztmals am 11.November 1973 statt. Gut ein Jahr später – am 8. Juni 2004 kommen wir dann in den Genuss eines himmlischen Schauspiels, welches höchstens zweimal pro Jahrhundert stattfindet: Unser Nachbarplanet Venus wandert von uns aus gesehen genau vor der Sonne durch. Das Spektakel beginnt am Morgen um 7.20 Uhr und endet um 13.24 Uhr. Blickt man während dieses Geschehens mit einem starken Filter zur Sonne, könnte man auf den ersten Blick meinen, jemand hätte ein kleines rundes Loch in unser Mutter- Mitte des Venustransits Die Bilder wurden mit dem Computer simuliert förmigen Sonnenfinsternis. Obwohl bei einer solchen Finsternis fast die ganze Sonnenscheibe abgedeckt wird, bleibt die Korona unsichtbar, da der schmale, helle Sonnenring alles überstrahlt. In seltenen Fällen, wie dies z. B. am 8. April 2005 der Fall sein wird, kann eine Sonnenfinsternis am Anfang und Ende der verfinsterten Zone ringförmig und in der Mitte für wenige Sekunden total sein. Die Erdrotation und die Mondumkreisung der Erde erfolgen im gleichen Drehsinn, von West nach Ost. Daher bewegt sich auch der Mondschatten immer von Westen nach Osten über die Erde; bei hochstehender Sonne erreicht er Geschwindigkeiten von rund 2000 bis 3000 Kilometern pro Stunde. Erfolgt der zweite Kontakt, sieht man nicht wie erwartet die kreisrunde Form der Venus, die sich gerade vom inneren Sonnenrand löst, sondern es kann beobachtet werden, wie sich das Planetenscheibchen scheinbar nicht vom Sonnenrand ablöst; für einige Zeit bleibt immer noch eine dunkle Brücke zum Sonnenrand bestehen. Das Gebilde hat zu dieser Zeit eine ähnliche Form wie ein schwarzer Tropfen. Augen schützen! Damit die Augen keinen Schaden erleiden, darf man die Sonne nur durch dunkle Sonnenfilter-Folien betrachten. Normale Sonnenbrillen reichen dafür nicht aus! Und auf gar keinen Fall darf man mit einem Fernrohr, Feldstecher oder Teleobjektiv ohne diese Filter in die Sonne schauen. Die gebündelten Sonnenstrahlen würden die Netzhaut schädigen und im schlimmsten Fall zur Erblindung führen. Solche Filterfolien können in Foto- oder Optikgeschäften bezogen werden. Mitte des Venustransits (ganze Sonne) Natürlich | 4-2003 9 NATUR Schattenspiele gestirn gestanzt: Der schwarze Kreis auf der Sonnenscheibe zeigt die Umrisse der Venus im Gegenlicht der Sonne. Genau genommen handelt es sich bei diesem Phänomen um eine ringförmige Sonnenfinsternis. Der letzte Venus-Durchgang vor der Sonne fand am 6. Dezember 1882 statt. Bereits am 5./6. Juni 2012 wandert die Venus noch einmal vor der Sonne durch. Allerdings ist dieser Durchgang von Europa aus nicht sichtbar, da er (für uns zumindest) während der Nacht stattfindet. Erst über ein Jahrhundert später, am 11. Dezember 2117, passiert die Venus unser Muttergestirn erneut, allerdings von uns aus gesehen wiederum nachts. Der nächste Venusdurch- Diese Serie aus 3 Bildern zeigt die Mondfinsternis vom 9. Januar 2001. Der Mond wurde im Verlauf der Verfinsterung immer diffuser, da hohe Eiswolken eines Warmfrontaufzuges die Sicht immer mehr trübten. 10 Natürlich | 4-2003 Ringförmige Sonnenfinsternis vom 10. Mai 1994 in Truro, 80 Kilometer nördlich von Halifax (Kanada) um 15.58 Uhr Ortszeit aufgenommen (Bild Felix Walker). gang, der für uns während des Tages stattfindet, ist erst wieder für den 8. Dezember 2125 angesagt. Venusdurchgänge sind von der gesamten Erdhälfte zu beobachten, welche der Sonne zugekehrt ist. Da die Venusdurchgänge einige Stunden dauern, ist die Venus vor der Sonne von mehr als der halben Erdoberfläche aus zu beobachten. Theoretisch ist die Venus mit blossem Auge vor der Sonne erkennbar. In jedem Fall reicht ein Feldstecher oder ein kleines Fernrohr, um sie zu sehen. Es wird jedoch dringend davor gewarnt, die Sonne ohne ausreichenden Filter zu beobachten. Am ungefährlichsten ist es, wenn man das Sonnenbild am okularseitigen Ende des Teleskops oder Feldstechers auf ein weisses Papier oder Tuch projiziert. Anders als bei einer Sonnenfinsternis, bei der sich die Mondscheibe von West nach Ost vor die Sonne schiebt, ziehen Merkur oder Venus von Osten nach Westen vor der Sonnenscheibe durch. Bei Transiten werden in der Regel (wie bei Sonnenfinsternissen) vier Kontaktzeiten angegeben. Beim ersten Kontakt erfolgt die Berührung des Planetenscheibchens mit dem Sonnenrand. Beim zweiten Kontakt befindet sich der gesamte Planet innerhalb der Sonnenscheibe und berührt diese von innen. Gegen Ende des Durchgangs berührt der Planet den Sonnenrand wieder von innen – es erfolgt der dritte Kontakt. Der vierte Kontakt ist die letzte Berührung des Sonnenrandes von aussen und bildet das Ende des Durchganges. Die exakte Erfassung der zweiten und dritten Kontaktzeiten sind schwierig, da bei visueller Betrachtung ein seltsames Phänomen auftaucht, welches als «Schwarzer Tropfen» bezeichnet wird. Erfolgt der zweite Kontakt, sieht ein Beobachter nicht wie erwartet die kreisrunde Venus, die sich vom inneren Sonnenrand löst, sondern er kann beobachten, wie sich das Planetenscheibchen scheinbar nicht vom Sonnenrand ablöst, denn für einige Zeit bleibt immer noch eine dunkle Brücke zum Sonnenrand bestehen. Das Gebilde hat zu dieser Zeit eine ähnliche Form wie ein schwarzer Tropfen. Reisst die dunkle Verbindung schliesslich ab, befindet sich das Planetenscheibchen Schattenspiele NATUR Sonnenfinsternisse bei uns Am 31. Mai 2003 findet bei uns eine partielle Sonnenfinsternis statt. Am Morgen können wir beobachten, wie die Sonnenscheibe – zur Hälfte vom Neumond bedeckt – um 5.34 Uhr aufgeht. Danach wird die Sonnensichel am Himmel immer breiter werden und um 6.21 Uhr ist die Finsternis bereits zu Ende. In Teilen von Grönland, Island und im Norden von Schottland kann diese Finsternis als ringförmige Sonnenfinsternis beobachtet werden. Am 3. Oktober 2005 kann bei uns die nächste partielle Sonnenfinsternis beobachtet werden. Diese Finsternis ist wiederum ringförmig und verläuft durch Spanien und die Sahara. Von einem bestimmten Punkt der Erde aus sind Mondfinsternisse wesentlich häufiger zu beobachten als Sonnenfinsternisse, obwohl über einen gewissen Zeitraum hinweg Mondfinsternisse seltener sind als Sonnenfinsternisse. Dies mag paradox erscheinen, wird aber verständlich, wenn man bedenkt, dass jede Mondfinsternis immer auf der gesamten Nachtseite der Erde sichtbar ist, während die Sonnenfinsternis in ihrer totalen Phase nur gerade in einem maximal 273 Kilometer breiten Band (Durchmesser des Mond- schon ein deutliches Stück vom Sonnenrand entfernt. Das gleiche Phänomen erscheint natürlich auch wieder beim dritten Kontakt und erschwert die exakten Zeitangaben der «wirklichen Kontakte». kernschattens auf der Erdoberfläche) gesehen werden kann. Die nächste totale Sonnenfinsternis in der Schweiz wird erst am 3. September 2081 zu beobachten sein. Sonne und Mond in alten Kulturen Im alten Ägypten verehrten die Menschen als höchste Allmacht den Sonnengott Rê, der tagsüber seine Bahn am Himmel auf der Sonnenbarke zog. Während der Nacht fuhr die Sonnenbarke durch die Unterwelt, um mit der morgendlichen Sonne wieder aufzutauchen. Eine Legende erzählt, dass Nut, die Himmelsgöttin, Rê jeden Abend verschlingt. In seiner Barke fährt er in den Nachtstunden durch ihren Körper, um am nächsten Morgen wiedergeboren zu werden. In der Religion der Azteken stand die Sonne im Mittelpunkt. Aztekische Darstellungen zeigen die Sonne als jungen Krieger, der jeden Abend stirbt, um am nächsten Tag wiedergeboren zu werden. Im Morgengrauen beginnt sein täglicher Kampf gegen die Sterne und den Mond, die er mit einem Lichtstrahl vertreibt. Für die Azteken war die Sonne das Vorbild für den gebauten runden Kalenderstein, der für den Beginn der Welt und für ihr Ende stand. Er stellte die Zerstörung der vier vorangegangenen Welten – oder Sonnen, wie sie die Azteken nannten – dar. Die Azteken glaubten, im fünften und letzten In der Schweiz war diese Sonnenfinsternis als partielle Verfinsterung der Sonne sichtbar, die am Abend ihr Maximum erreichte. Das Bild wurde am 10. Mai 1994 um 20.28 Uhr bei Herzogenbuchsee aufgenommen. Natürlich | 4-2003 11 NATUR Schattenspiele Diese Serie aus 12 Bildern zeigt die Mondfinsternis vom 21. Januar 2000, die im Tessin unter guten Bedingungen beobachtet werden konnte. Der hochstehende silberfarbene Mond taucht in den Kernschatten der Erde ein. Während der Phase der totalen Verfinsterung erschien er in den verschiedensten gelb-rötlich-braunen Farbtönen. Danach zeigte er wieder die gewohnte silberweisse Farbe. Da er sich nur noch knapp über dem Horizont befand, bekam er einen gelblich-grünen Farbton. 12 Natürlich | 4-2003 Beobachtbare Verfinsterungen bis 2005 Zeitpläne Totale Mondfinsternis vom 16. Mai 2003 Mondfinsternis vom 4./5. Mai 2004 Venustransit vom 8. Juni 2004 Eintritt in den Kernschatten Beginn der Totalität Mitte der Finsternis Ende der totalen Phase Austritt aus dem Kernschatten Eintritt in den Kernschatten Beginn der Totalität Mitte der Finsternis Ende der totalen Phase Austritt aus dem Kernschatten 1. Kontakt 2. Kontakt Mitte der Finsternis 3. Kontakt 4. Kontakt 4.03 Uhr 5.14 Uhr 5.40 Uhr 6.07 Uhr 7.18 Uhr Ringförmige Sonnenfinsternis vom 31. Mai 2003 (bei uns nur partiell sichtbar) Sonnenaufgang (Sonne zur Hälfte verfinstert) Ende der Finsternis 5.34 Uhr 6.21 Uhr 20.48 Uhr 21.52 Uhr 22.30 Uhr 23.08 Uhr 00.12 Uhr Mondfinsternis vom 28. Oktober 2004 Eintritt in den Kernschatten Beginn der Totalität Mitte der Finsternis Ende der totalen Phase Austritt aus dem Kernschatten 3.14 Uhr 4.23 Uhr 5.04 Uhr 5.45 Uhr 6.54 Uhr 7.20 Uhr 7.40 Uhr 10.23 Uhr 13.04 Uhr 13.24 Uhr Ringförmig-totale Sonnenfinsternis (bei uns nur partiell sichtbar) vom 3. Oktober 2005 Beginn der Finsternis Mitte der Finsternis (57%) Ende der Finsternis 9.52 Uhr 11.09 Uhr 12.30 Uhr Totale Mondfinsternis vom 9. November 2003 Eintritt in den Kernschatten Beginn der Totalität Mitte der Finsternis Ende der totalen Phase Austritt aus dem Kernschatten 0.32 Uhr 2.07 Uhr 2.19 Uhr 2.31 Uhr 4.05 Uhr Merkurtransit vom 7. Mai 2003 1. Kontakt 2. Kontakt Mitte der Finsternis 3. Kontakt 4. Kontakt 7.12 Uhr 7.16 Uhr 9.52 Uhr 12.28 Uhr 12.33 Uhr Natürlich | 4-2003 13 NATUR Schattenspiele Zeitalter zu leben. Auf tragische Art erfüllte sich die Prophezeiung mit dem Eintreffen der spanischen Eroberer. Die Maya bauten Tempel, bei denen die Fenster auf den Lauf der Sonne ausgerichtet waren. Sie berechneten durch Beobachtungen der Sonne, der Venus und des Mondes das Sonnenjahr mit seinen 365 Tagen und bauten darauf einen genauen Kalender auf. Da ihre Priester Mond- und Sonnenfinsternisse vorausberechnen konnten, galten sie als gefürchtete Zauberer. Im Sonnenkult der Inka entstand eine Vereinigung von Frauen, die sich «Jungfrauen der Sonne» nannten. Dabei wurden ausgewählte Frauen in einer Zeremonie mit dem Sonnengott vermählt und danach als Priesterinnen in die Tempel des Reiches geschickt, um geheimnisvolle Riten zu zelebrieren. Im alten China gehörten zu den mythischen Anschauungen, die auch das Wetter betrafen, die Polaritäten von Yin und Yang. Yang verkörpert das männliche Prinzip, aus dem der Himmel, das Feuer und die Sonne entstanden. Yin vertritt das weibliche Prinzip, aus dem Wasser, Mond und Erde hervorgingen. Im alten China waren Astronomie und Meteorologie eine Geheimwissenschaft der Priesterkaiser. Der Kaiser bestimmte die vier Kardinalpunkte des Himmels und entschied über den Kalender. Zur Bewältigung dieser Aufgaben stand ihm ein «Amt für Astronomie» zur Seite, das als Institution zwei Jahrtausende überdauerte. Der Leiter dieser zentralen Behörde besass die Stellung eines Hofastronomen. Mit seinen Mitarbeitern musste er Anzeigen 14 Natürlich | 4-2003 aus den Farben der fünf Wolkenarten und der Polarlichter das Eintreten von Fluten oder Dürren, von reichen Ernten oder Hungersnöten vorhersagen. Ausserdem hatte er aus der Beobachtung der zwölf Winde auf den Zustand der Harmonie oder Disharmonie zwischen Erde und Himmel zu schliessen. Das Ergebnis war dem Kaiser mitzuteilen, damit am Hof entsprechende Massnahmen in die Wege geleitet werden konnten. Der kaiserliche Meteorologe schliesslich, der hauptsächlich mit meteorologischen Beobachtungen sowie den Vorhersagen von Sonnen- und Mondfinsternissen betraut war, hatte die zehn Arten der Halos, der farbigen Ringerscheinungen um Sonne oder Mond, sowie weitere optische Phänomene in der Natur zu beobachten. Daraus musste er Gutes oder Schlechtes für die Zukunft ableiten und seine Erkenntnisse der Öffentlichkeit mitteilen. Irrtümer bei astronomischen Berechnungen konnten für den Betreffenden fatale Folgen haben. Besonders bei Fehlern in der Vorhersage von Sonnen- und Mondfinsternissen musste der dafür zuständige Astronom mit der Todesstrafe rechnen. Ein Dämon verschluckt die Sonne Sonnen- und Mondfinsternisse wurden in der antiken Mythologie häufig mit Kämpfen von Gut und Böse verbunden. Dies ist leicht nachzuvollziehen, drängt sich doch in einem dualen Weltbild die Verknüpfung mit Licht und Schatten geradezu auf. Eine Finsternis betrachtete man auch als die Folge von Ohnmacht, Krankheit oder Tod des verfinsterten Himmelskörpers, und es wurde angenommen, dass Sonne oder Mond ihren gewohnten Platz am Himmel verlassen hätten. Die Azteken brachten während einer Sonnenfinsternis Menschenopfer dar, um die verfinsterte Sonne zu beschwören und zu stärken. Nach einer anderen gängigen Vorstellung verschlangen höllische dunkle Mächte oder tierische Ungeheuer die Sonne bei einer Finsternis. So berichtet eine indische Legende, dass der Dämonenherrscher Rahu die Sonne bei einer Sonnenfinsternis aus Zorn verschluckt, weil er nicht an einem himmlischen Fest teilnehmen darf. Rahu lässt die Sonne erst dann wieder frei, wenn Gottkönig Indra ihn bittet, das Universum vor einem ewigen Winter zu retten. Die Sonne, von der Licht, Wärme und Leben ausgehen, ist auch in der Bibel die grosse Segensspenderin der Welt. So existieren oftmals Parallelen zwischen dem «Christuslicht» und dem Sonnenlicht. Im apokryphen Petrusevangelium aus dem 2. Jahrhundert wird der Tod Christi auf dramatische Weise mit der Verfinsterung der Sonne verknüpft. So verschieden diese Vorstellungen auch sind – sie haben etwas gemeinsam: die Angst vor einer Bedrohung oder sogar Vernichtung des Gestirns. In vielen Mythen wird die Überzeugung deutlich, dass beim «Tod» der Sonne das Ende der Welt naht. Das bedeutet gleichzeitig, dass die Sonne schon von Anfang an da gewesen sein muss. Sie spielt deshalb in allen Schöpfungsgeschichten eine wichtige Rolle.