Entwicklung der Kinderzeichnung

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Entwicklung der Kinderzeichnung
Die Entwicklung der Kinderzeichnung – eine Ausstellung
Titelbild „Teufel“ von Kathrin Heilig, 9 Jahre
Die Ausstellung fand vom 29. Februar bis 29. März 1996 in der KSK Eislingen in Zusammenarbeit mit den
Kindergärten St. Elisabeth und St. Markus, der Schillerschule GS/HS und der Kreissparkasse Eislingen
statt.
Für die freundliche Unterstützung bedanke ich mich bei Frau Kümmerle, Frau Frey, Herrn Traub
(Schillerschule), Frau Baudisch (Kiga St. Elisabeth), Frau Lübke (Kiga St. Markus), Herrn Malchers und
Herrn Kaiser (KSK)
Klaus Zickner
Die Entwicklung der Kinderzeichnung
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Entwicklung der Kinderzeichnung
Mit den Bildern der Ausstellung wenden wir uns an Eltern, Erzieher und alle, die an Bildern Freude haben.
Die Bildersprache der Menschen ist eine Entwicklung und wird im Gegensatz zur Sprache vom Kind selbst
entwickelt. Die Ausstellung zeigt exemplarisch die Entwicklung der Kinderzeichnung. Das bildnerische
Gestalten der Kinder ist nicht nur Ausdruck von Entwicklung, sondern es ist bedeutsam für ihre
Entfaltung, da es spezifisch persönlichkeitsbildende Elemente aufweist.
Die Ausstellung veranschaulicht Kreativität und Originalität von Kinderzeichnungen. Sie zeigt aber auch,
daß Entwicklungen Zeit, Raum und Geduld brauchen und deshalb nicht beschleunigt werden müssen.
Kinder brauchen Material, Werkzeug, Freiheit und Hilfe, aber niemals Schablonen.
Kritzelphase
Ein kleines Kind kritzelt mit einen Bleistift auf Papier. Papier und Bleistift werden stark beansprucht, das
Kind erkennt, daß seine eigenen Bewegungen Spuren hinterlassen. Das Kind freut sich darüber. Eine
Darstellungsabsicht ist aber noch nicht vorhanden.
Bald werden die Bewegungen des Kindes beim Kritzeln gesteuert. Das Kind beachtet Werkzeug und
Material und paßt seine Bewegungen an.
Keira Byrne, 4,4 Jahre, „Große Blume“, Wachsfarben, Kindergarten St. Markus
Die Sprache wird im Gegensatz zur Bildersprache (dem Zeichnen) als eine fertige Gegebenheit aus der
Umwelt vom Kind übernommen. Die sprachlichen Laute sind das erste Gestaltungsmittel des Kindes. Die
Bildersprache entwickelt das Kind selbst, man sagt, daß diese Entwicklung den Produkten aus der
gesamten Bildersprache der Menschheitsgeschichte entspricht.
Die Entwicklung der Kinderzeichnung
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Simon Pursley, 4 Jahre, „Elefant im Zirkus“, Wachsfarben, Kindergarten St. Markus
Simon hat seinen Elefanten nicht als Umrißlinie, sondern flächig gestaltet.
Die Kinderzeichnung ist die Beschreibung dessen, was das Kind sich vorstellen kann, Es zeigt die Dinge
als Gesamtbild. Der sogenannte Kopffüßler ist das Gesamtbild des Körpers.
Cansu Yilmaz, 4,4 Jahre, „Kopffüßler“, Kindergarten St. Elisabeth
Die Entwicklung der Kinderzeichnung
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Roberto Bruno, 4,1 Jahre, Wachsfarben
Kindergarten St. Elisabeth
Jessica Nytrai, 5 Jahre, „Nikolaus“, Wachsfarben,
Kindergarten St. Elisabeth
Das zeichnende Kind bemüht sich zunehmend um Details, einzelne bedeutungsvolle Formen bekommen
ihren Platz auf der Bildfläche. Zu beachten ist, daß sich die Formensprache mit dem Vermögen,
Malstifte zu benutzen, entwickelt. Formen werden mit dem Zeichenstift (Wachsmalkreide) als Umrißlinien
begriffen, obwohl Formen von uns Menschen als Farbflächen erfahren werden. Dies wird besonders in
Jessicas Bild deutlich.
Maraike Mühleck, 5,3 Jahre, „Indianer“, Wachsfarben, Kindergarten St. Elisabeth
Die Entwicklung der Kinderzeichnung
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Schemaphase
In den Bildern von Maraike und Enza ist schon der Übergang von der Kritzelphase zur Schemaphase
erkennbar. Die Bildzeichen enthalten „Spuren eines Erkennungscodes“ realer Objekte. (Zelt,
Indianerschmuck, Sonne...)
Enza Moiena Fidanza, 6 Jahre, Wachsfarben, Wasserfarben, Kindergarten St. Markus
In Kinderzeichnungen steht oft das Wesentliche im Vordergrund. Der „Kopffüßler“ zeigt das Gesicht des
Menschen, ein Bild, welches zu den ersten „Bilderfahrungen“, die Kinder machen, gehört. In Simons Bild
wird mit „Röntgenaugen“ dargestellt, was sich im Inneren eines „Blättersaugers“ abspielt. Dies ist eine
durchaus übliche Methode, Wesentliches darzustellen, die auch noch von älteren Kindern angewendet
wird.
Simon, 6 Jahre, „Ein Blättersauger“, Wachsfarben, Kindergarten St. Markus
Die Entwicklung der Kinderzeichnung
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Auch bei den Kindern in der Grundschule werden wir immer wieder Bilder sehen, die einfache Schemata
zeigen oder gar „Kopffüßler“. Das Kind entwickelt „seine“ Bildersprache selbst. Sie ist die Beschreibung
dessen, was das Kind sich vorstellen kann.
Ann-Christin Thielert, 7,8 Jahre, „Das bin ich“, Wachsfarben, Schillerschule GS 1d (2d) / 04.95
Sicher hat Ann-Christin nicht in den Spiegel geschaut. Aber würden wir Erwachsenen uns selbst malen,
ohne einen Spiegel zu verwenden? Wohl kaum!
Auffallend ist die Größe des Kopfes und das Bemühen, die Extremitäten (Arme, Beine) ins rechte Licht zu
rücken. Proportionen sind nicht von Bedeutung: fast nichts ist nachträglich verändert, radiert.
Tobias Neckernuß, 7 Jahre, „Komm ich tröste dich!“, Bleistift, Schillerschule GS 1d (2d) / 04.95
Das Schema „trauriges - lachendes Gesicht“ ist bei Kindern dieser Altersstufe bekannt.
Die Entwicklung der Kinderzeichnung
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Christina Wailand, 7 Jahre, „Hurra, ich schwimme!“, Wachsfarben auf grünem Tonpapier,
Schillerschule GS 1d (2d) / 04.95
Carissa Poke, 7,1 Jahre, „Hurra, ich schwimme!“, Wachsfarben auf grünem Tonpapier,
Schillerschule GS 1d (2d) / 04.95
„Hurra, ich schwimme“ zeigt die Bewegung des Schwimmens und es wird in diesen Bildern deutlich:
Schwimmen ist nicht einfach. Carissa Poke hat Schwimmflossen an und in Christinas Bild wird mit Armen
und Beinen geschwommen! In beiden Bildern sieht man Schemata der Erwachsenen (Baum, Palme,
Vögel). Diese Schemata haben die Kinder zur Vereinfachung übernommen. Ist es doch schon schwierig
genug einen schwimmenden Menschen zu malen.
Die Entwicklung der Kinderzeichnung
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Dominik Pursley, 7,2 Jahre, „Die Angst der Katze vor der Maus“, Wachsmalstifte auf braunem Tonpapier,
Schillerschule GS 1d (2d) / 04.95
Harald Hummel, 7,1 Jahre, „Die Angst der Katze vor der Maus“, Wachsmalstifte auf braunem Tonpapier,
Schillerschule GS 1d (2d) / 04.95
Es ist für ein Kind wohl sehr schwierig „Angst“ darzustellen, machen sich doch Kinder Bilder von den
Dingen, die es gesehen und erlebt hat. In Haralds Bild ist die Maus gar nicht zu sehen und Dominiks
Katze schaut so furchterregend und zeigt ihre Krallen, daß wohl auch diese Maus Angst bekommt! Dies
entspricht ja auch der Erfahrungsebene dieser Kinder: haben sie nicht selbst schon mal das Erlebnis der
Angst vor einer kratzenden, fauchenden Katze gehabt und sich klein wie eine Maus gefühlt!
Beachtlich das Gesicht der Katze, die Harald gemalt hat: sie hat menschliche Züge und trägt einen Hut!
Die Entwicklung der Kinderzeichnung
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Christoff Klinkicht, 7,8 Jahre, „Spannenlanger Hansel, nudeldicke Dirn“, Wachsmalfarben, Wasserfarben,
Schillerschule GS 2c / 10.95
Christian Loipersberger, 8 Jahre, „Spannenlanger Hansel, nudeldicke Dirn“, Wachsmalfarben, Wasserfarben,
Schillerschule GS 2c / 10.95
Bei allen Zeichnungen gibt es Schemen: Zunächst wird der unterste Rand eines Blattes vom Kind als
Standort benützt. Dies sieht man auf dem Bild von Christoff. Bei dem Bild von Christian sind Linien
gezeichnet, welche Richtungsweisend sind. (Baumwurzeln, Gras)
In dieser Entwicklungsstufe sieht das Kind nicht nur das Gesamtbild eines Gegenstandes, sondern auch
dessen Einzelteile (Baum - Stamm - Äste - Blätter). Die Zeichnung ist aber noch keine naturgetreue
Ansicht des Baumes, sie stellt vielmehr das Vorstellungsvermögen des Kindes dar.
Auffallend ist die unterschiedliche Darstellungsweise der Bäume. Die Bilder sollten deshalb unter diesem
Gesichtspunkt betrachtet werden.
In Christoffs Bild findet man eine Mischung aus Formen die „übernommen“ oder „angelernt“ sind und
Formen, die entwicklungstypisch sind: Äste, die waagrecht aus dem Stamm ragen und Äpfel tragen. Bei
Christoff sind die Menschen noch ähnlich den „Kopffüßlern“, während sie in Christians Bild schon dem
Thema entsprechend gestaltet sind. Christian hat in seinem Bild auch schon einen lebenden Baum mit
Wurzeln, dickem Stamm, Ästen und den Blättern und daran hängen Äpfeln dargestellt, der schon eher
der realistischen Vorstellung Erwachsener entspricht.
Die Entwicklung der Kinderzeichnung
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Sebastian Wilde, 7,6 Jahre, „Wir helfen bei der Apfelernte“, schwarzer Filzstift, Schillerschule GS 2d / 09.95
Ann-Christin Thielert, 7,11 Jahre, „Wir helfen bei der Apfelernte“, schwarzer Filzstift, Schillerschule GS 2d / 09.95
Auch bei diesen Bildern interessant: Baumformen, Darstellung von Menschen und technischen
Gegenstand (Leiter). Sebastian hat sich auch überlegt, wie das wohl ist, wenn die Äpfel vom Baum
geworfen werden. Für Ann-Christin schien es wichtig zu sein, daß viele Menschen mithelfen und nicht
irgendwelche: sie sind alle beim Namen genannt.
Die Entwicklung der Kinderzeichnung
10
Alper Güney, 8,5 Jahre, „Igitt igitt, es regnet“, Wachsfarben, Schillerschule GS 2 (3d) / 09.94
Oliver Jäckle, 8,9 Jahre, „Igitt igitt, es regnet“, Wachsfarben, Schillerschule GS 2 (3d) / 09.94
Auch in diesen Bildern wird der unterste Rand des Blattes vom Kind als Standort benützt. Alle
Gegenstände und Personen „grenzen“ an diese Linie. Zu beachten ist das Fahrrad in Olivers Bild. Es zeigt
schon sehr technische Details, die Personen tragen auch keine aufgespannten Schirme, die sehr
schwierig darzustellen sind. Sie haben einfach Schirmkappen auf dem Kopf!
Die Entwicklung der Kinderzeichnung
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Pinar Gül, 9,8 Jahre, „Im Zirkus“, Wasser- Deckfarben, Schillerschule GS 3b / 03.94
Der Bildbetrachter sieht in das große Manegerund des Zirkus. Er sieht es von oben und doch gleichzeitig
die Artisten und die Tiere von der Seite. So löst das Kind das Problem der Darstellung von „Raum“,
obwohl es noch nichts von den technischen Raffinessen einer perspektivischen Sehens- und
Darstellungsweise weiß!
Kathrin Heilig, 9,3 Jahre, „Tanz des Feuerteufels“, Wasserfarben,
Schillerschule GS 3b / 09.95
Mit der Einschränkung Figuren blattausfüllend zu gestalten, wird
erreicht, daß die Kinder auf das Wesentliche hingelenkt werden. Das
Wesentliche ist durch das Thema vorgegeben.
In dem Bild sind wieder bestimmte Schemata erkennbar: Form der
Feuerflammen, die aufgerissenen Augen des Teufels und seine
Zähne....
Die Entwicklung der Kinderzeichnung
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Jason Jecelj, 9,1 Jahre, „Mein Freund und ich“, Wasserfarbe, Schillerschule GS 3c / 09.95
In der Schemaphase sehen sich auch „Freunde“ sehr ähnlich: es werden gleiche oder sehr ähnliche
Schemata verwendet. Dies wird in Jasons Bild deutlich. Gesichter und Körperhaltung der Freunde sind
ähnlich. Janson hat nur den Pullover des rechten Jungen variiert.
Claudia Ressel, 9,8 Jahre, „Insekt unter der Lupe“, Filzstift, Schillerschule GS 3 / 11.94
Das Insekt ist in Binnenflächen gegliedert. Diese Flächen sind mit Ornamenten oder Strukturen
ausgestaltet. Die Insekten haben deutlich „menschliche“ Gesichtszüge. Das Schema „Menschengesicht“
steht im Vordergrund und wird von den Kindern einheitlich eingesetzt.
Die Entwicklung der Kinderzeichnung
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Pinar Gül, 9,6 Jahre, „Katze“, Filzstift, Schillerschule GS 3b (4b) / 11.94
In diesem Bild sind die Binnenflächen strukturell ausgestaltet, Fell und Schnurrbarthaare sind
richtungsbezogen dargestellt. Struktur und Form „passen“ zusammen. Das deutet auf den Anfang der
Pseudorealistischen Schemaphase.
Pseudorealistischen Schemaphase
Denise Fauth, 9,3 Jahre, „Selbstbildnis“, Wasserfarben, Schillerschule GS 3d / 09.95
Im Übergang von der Schemaphase zur Pseudorealistischen Schemaphase bemühen sich die Kinder um
„realistische“ Darstellung. Alle muß so aussehen, wie in der Wirklichkeit. Denise hat in einigen Versuchen
die Stellung und Form der Augen verbessert.
Die Entwicklung der Kinderzeichnung
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Nadine Mayer, 9,5 Jahre, „Fisch“, Wasserfarben, Schillerschule GS 3b (4b) / 10.94
Pseudorealistisch: Fisch mit Kiemen, Schuppen am Körper, differenzierte Schwanzflosse, weniger
ausgeprägt die Rücken, und Bauchflosse... hat der Fisch Füße?
Martin Rochus, 10,3 Jahre, „Hurra, es hat geschneit!“, Wasserfarben, Deckweiß auf blauem Tonpapier,
Schillerschule GS 4c / 02.94
Die Häuser an einer Straße und die Fahrzeuge auf der Straße sind in der Seitenansicht dargestellt, die
Straße sieht man aus der Vogelperspektive. Häuser stehen nebeneinander und übereinander. Es gibt
keine Überschneidungen der Formen. Was weiter weg ist, ist im Bild weiter oben angeordnet.
Die Entwicklung der Kinderzeichnung
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Emrah Tubal, 9,8 Jahre, „Dragor“, Schwarzpapier gerissen, Schillerschule GS 4c / 10.94
Marinko Basic, 9 Jahre, „Mausdrachenbein“ Schwarzpapier gerissen, Schillerschule GS 4c / 10.94
Alle Tiere haben Namen bekommen. Trotz ihrer phantasievollen Darstellung, wird ein gewisser Realismus
durch die Namensgebung unterstützt: „und vielleicht gibt es sie doch?“
Die Entwicklung der Kinderzeichnung
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Nadina König, 9,10 Jahre, „Auf dem Schulhof“, Filzstift, Schillerschule GS 4a / 03.95
Bianca Benkelmann, 10 Jahre, „Auf dem Schulhof“, Filzstift, Schillerschule GS 4a / 03.95
Das Kind setzt sich in einer bestimmten Phase seiner Entwicklung in einer seiner Fähigkeiten
angemessenen Weise mit einem Bereich seiner Lebenswelt auseinander. Hierbei hat es ein bestimmtes
Repertoire von Umweltzonen in denen es selbst agiert, die ihm vertraut sind und aus denen es einen
Themenbereich für ein Bildmotiv auswählen kann.
Die Entwicklung der Kinderzeichnung
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Martin Rochus, 9,3 Jahre, „Bei den Eskimos“, Wasserfarbe, Deckweiß, Filzstift, Schillerschule GS 4c / 02.94
Erst im Ansatz deutlich: die Linie zur Darstellung von Raum. Dies ist an der Darstellung der Eisberge im
Bild zu erkennen. Noch nicht so wichtig ist die Übereinstimmung der Größenverhältnisse der einzelnen
Figuren im Bild.
Pinar Gül, 9,10 Jahre, „Indianerin“, Wasserfarbe,
Schillerschule GS 4b / 05.95
Raphaela Vogel, 9,5 Jahre, „Indianerin“, Wasserfarbe,
Schillerschule GS 4b / 05.95
Wesentlich die Darstellung unterschiedlicher Schemata in den Gesichtern der Indianerinnen.
Die Entwicklung der Kinderzeichnung
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Zoran Micic, 11,7 Jahre, „Unterwassergarten“, Wachsmalstifte/ Sgaffito, Schillerschule HS 5a / 05.95
Jochen Stützle, 11,6 Jahre, „Unterwassergarten“, Wachsmalstifte/ Sgaffito, Schillerschule HS 5a / 05.95
Die farbige Gestaltung in diesen Arbeiten ist festgelegt. In den Formen erkennt man schon
Überschneidungen, die auf den Versuch deuten, Räumlichkeit realistisch darstellen zu wollen.
Die Entwicklung der Kinderzeichnung
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Alena Kraus, 11,8 Jahre, „Selbstbildnis“, Bleistift, Schillerschule HS 5a / 05.95
Die Pseudonaturalistische Phase markiert das Ende der Kinderzeichnung, den Übergang zur Jugend- bzw.
Erwachsenenzeichnung. Neben realistischen Bildkonzepten, in denen erscheinungstreue Darstellungen
favorisiert werden, entwickeln sich andere, die unterschiedliche kulturelle Phänomene aufgreifen.
Die Entwicklung der Kinderzeichnung
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Nicole Nimeyer, 12,4 Jahre, „Tulpen“, Linol-Mehrfarbendruck, Schillerschule HS 5a / 04.95
Blatt- und Blütenformen sind durch das Thema „Tulpe“ festgelegt. Allerdings erfordert die Technik des
Linolschnitts großes Handgeschick. Nicht immer wird dann auch der Druck genau den Vorstellungen des
Kindes entsprechen. Dem Zufall ist ein Türchen geöffnet. Das Ergebnis bereitet oft Überraschungen und
das Erlebnis „Aha!“
Denise Ballesteros, 11,4 Jahre, „Sonnenblumenstrauß“, Wasserfarben, Schillerschule HS 5a / 04.95
Vincent van Gogh stand Pate. Überschneidungen der Formen sind in vielfacher Weise erkennbar. Die
Kinder sind auf dem Weg zu einer mehr realistischen Sehens- und Darstellungsweise. Sie sehen ihre
Bilder mit kritischen Augen, sind nicht mehr mit allem zufrieden und trauen sich aber auch nicht mehr
alles zu: „Das sieht doof aus!“ ist noch einer der gemäßigten Aussprüche, mit denen das Herstellen der
Bilder begleitet wird:
Die Entwicklung der Kinderzeichnung
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Realistisch- Naturalistische Phase
Am Ende einer Entwicklung, die nicht geradlinig und folgerichtig verläuft, steht das Bemühen alles
naturalistisch darzustellen. Alle, was nicht realistisch, natürlich dargestellt wird erscheint als abstrakt. Oft
werden Darstellungen, die nicht in naturalistischer Weise ausgeführt sind, abgelehnt. Der Jugendliche
möchte sich am liebsten vom Zeichenuntericht abmelden. Der Erwachsene hat es aufgegeben, irgend
etwas malerisch oder zeichnerisch zu gestalten. „ich kann es nicht, kein Talent vorhanden, auch mein
Großvater....“
Sven Widmann, 13,1 Jahre, „Maiskolben und Holzbrett“, Bleistift, Schillerschule HS 7 / 09.85
Doris Knüppel, 13,7 Jahre, „Davos“ (nach L. Kirchner), Wasserfarben, Schillerschule HS 8 / 12.86
Die Entwicklung der Kinderzeichnung
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Oliver Kübler, 15,6 Jahre, „Mein Zimmer“, Bleistift, Schillerschule HS 9b / 03.87
Alessandra Martino, 15,4 Jahre, „Mein Zimmer“, Bleistift, Schillerschule HS 9b / 03.87
Die Entwicklung der Kinderzeichnung
23
Irene Philipsen, 15,9 Jahre, „Junge Vögel im Nest“, Bleistift, Schillerschule HS 9a / 05.93
Irene Philipsen, 15,8 Jahre, „Gefäße“, Wasserfarben, Schillerschule HS 9a / 05.93
Die Entwicklung der Kinderzeichnung
24
Attila Friedrich, 15,11 Jahre, „Garten-Gerätehaus“, Bleistift, Schillerschule HS 9a / 05.95
Monika Dukic, 15,11 Jahre, „Bildnis meiner Freundin“, Bleistift, Schillerschule HS 9b / 05.92
Die Entwicklung der Kinderzeichnung
25
Hülya Bakir, 16 Jahre, „Porträt“, Kaltnadelradierung und Druck, Schillerschule HS 9b / 05.95
Die Entwicklung der Kinderzeichnung
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Die Entwicklung der Kinderzeichnung im Überblick
Die Bildersprache der Menschen ist eine Entwicklung und wird im Gegensatz zur Sprache vom Kind selbst
entwickelt. Die Ausstellung zeigt exemplarisch die Entwicklung der Kinderzeichnung. Das bildnerische
Gestalten der Kinder ist nicht nur Ausdruck von Entwicklung, sondern es ist bedeutsam für ihre
Entfaltung, da es spezifisch persönlichkeitsbildende Elemente aufweist.
Die Ausstellung veranschaulicht Kreativität und Originalität von Kinderzeichnungen. Sie zeigt aber auch,
daß Entwicklungen Zeit, Raum und Geduld brauchen und deshalb nicht beschleunigt werden müssen.
Kinder brauchen Material, Werkzeug, Freiheit und Hilfe, aber niemals Schablonen.
Kritzelphase
Ein kleines Kind kritzelt mit einen Bleistift auf Papier. Papier und Bleistift werden stark beansprucht, das
Kind erkennt, daß seine eigenen Bewegungen Spuren hinterlassen. Das Kind freut sich darüber. Eine
Darstellungsabsicht ist aber noch nicht vorhanden.
Bald werden die Bewegungen des Kindes beim Kritzeln gesteuert. Das Kind beachtet Werkzeug und
Material und paßt seine Bewegungen an.
Die Sprache wird im Gegensatz zur Bildersprache (dem Zeichnen) als eine fertige Gegebenheit aus der
Umwelt vom Kind übernommen. Die sprachlichen Laute sind das erste Gestaltungsmittel des Kindes. Die
Bildersprache entwickelt das Kind selbst, man sagt, daß diese Entwicklung den Produkten aus der
gesamten Bildersprache der Menschheitsgeschichte entspricht.
Die Kinderzeichnung ist die Beschreibung dessen, was das Kind sich vorstellen kann, Es zeigt die Dinge
als Gesamtbild. Der sogenannte Kopffüßler ist das Gesamtbild des Körpers.
Das zeichnende Kind bemüht sich zunehmend um Details, einzelne bedeutungsvolle Formen bekommen
ihren Platz auf der Bildfläche. Die Formensprache entwickelt sich mit dem Vermögen, Werkzeuge zu
benutzen.
Wesentliches steht im Vordergrund. Der „Kopffüßler“ zeigt das Gesicht des Menschen. Ein Bild, welches
zu den ersten „Bilderfahrungen“ der Kinder gehört. Mit „Röntgenaugen“ wird dargestellt, was sich im
Inneren eines „Blättersaugers“ abspielt, eine durchaus übliche Methode, Wesentliches darzustellen, die
auch noch von älteren Kindern angewendet wird.
Schemaphase
Schon im Übergang von der Kritzel- zur Schemaphase sind Bildzeichen erkennbar: „Spuren eines
Erkennungscodes“ realer Objekte: Zelt, Indianerschmuck, Sonne... Ein „trauriges - lachendes Gesicht“ ist
bei Kindern dieser Altersstufe bekannt.
„Hurra, ich schwimme“ zeigt die Bewegung des Schwimmens und es wird in diesen Bildern deutlich:
Schwimmen ist nicht einfach. In den Bildern sieht man aber auch Schemata der Erwachsenen: Baum,
Palme und Vögel. Diese Schemata haben die Kinder zur Vereinfachung übernommen. Ist es doch schon
schwierig genug einen schwimmenden Menschen zu zeichnen.
Das Kind sieht nicht nur das Gesamtbild eines Gegenstandes, sondern auch dessen Einzelteile: Baum Stamm - Äste - Blätter. Die Zeichnung ist aber noch keine naturgetreue Ansicht.
Der unterste Rand eines Blattes wird vom Kind als Standort benützt.
Der Bildbetrachter sieht in das große Manegerund eines Zirkus. Er sieht es von oben und doch
gleichzeitig von der Seite die Artisten und die Tiere. So löst das Kind das Problem der Darstellung von
„Raum“, obwohl es noch nichts von den technischen Raffinessen einer perspektivischen Sehens- und
Darstellungsweise weiß!
In der Schemaphase sehen sich auch „Freunde“ sehr ähnlich: es werden gleiche oder sehr ähnliche
Schemata verwendet.
Die Entwicklung der Kinderzeichnung
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Pseudorealistischen Schemaphase
Im Übergang von der Schemaphase zur Pseudorealistischen Schemaphase bemühen sich die Kinder um
„realistische“ Darstellung. Alle muß so aussehen, wie in der Wirklichkeit.
Die Häuser an einer Straße und die Fahrzeuge auf der Straße sind in der Seitenansicht dargestellt, die
Straße sieht man aus der Vogelperspektive. Häuser stehen nebeneinander und übereinander. Es gibt
keine Überschneidungen der Formen. Was weiter weg ist, ist im Bild weiter oben angeordnet.
Das Kind setzt sich in einer bestimmten Phase seiner Entwicklung in einer seiner Fähigkeiten
angemessenen Weise mit einem Bereich seiner Lebenswelt auseinander. Hierbei hat es ein bestimmtes
Repertoire von Umweltzonen in denen es selbst agiert, die ihm vertraut sind und aus denen es einen
Themenbereich für ein Bildmotiv auswählen kann.
Die Pseudonaturalistische Phase markiert das Ende der Kinderzeichnung, den Übergang zur Jugend- bzw.
Erwachsenenzeichnung. Neben realistischen Bildkonzepten, in denen erscheinungstreue Darstellungen
favorisiert werden, entwickeln sich andere, die unterschiedliche kulturelle Phänomene aufgreifen.
(Comics)
Die Kinder sind auf dem Weg zu einer mehr realistischen Sehens- und Darstellungsweise. Sie sehen ihre
Bilder mit kritischen Augen, sind nicht mehr mit allem zufrieden und trauen sich aber auch nicht mehr
alles zu: „Das sieht doof aus!“ ist noch einer der gemäßigten Aussprüche, mit denen das Herstellen der
Bilder begleitet wird.
Realistisch- Naturalistische Phase
Am Ende einer Entwicklung, die nicht geradlinig und folgerichtig verläuft, steht das Bemühen alles
naturalistisch darzustellen. Alle, was nicht realistisch, natürlich dargestellt wird erscheint als abstrakt. Oft
werden Darstellungen, die nicht in naturalistischer Weise ausgeführt sind, abgelehnt. Der Jugendliche
möchte sich am liebsten vom Zeichenuntericht abmelden. Der Erwachsene hat es aufgegeben, irgend
etwas malerisch oder zeichnerisch zu gestalten. „ich kann es nicht, kein Talent vorhanden, auch mein
Großvater....“
Klaus Zickner
Die Entwicklung der Kinderzeichnung
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Anhang
Einladung zur Ausstellung
Aus der Presse
Die Entwicklung der Kinderzeichnung
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