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Draußen vor der Tür
... lauert das Grauen: Eli Roths fulminanter PsychoSchlampen-Schocker: "Knock Knock"(deutscher
Kinostart. 10. Dezember 2015)
von Marc Hairapetian
1977 schockte Peter S. Traynors Low-Budget-Horror-Thriller "Tödliche Spiele" (Originaltitel "Death Game")
die (Independent-Film-)Welt. Basierend auf einer wahren Geschichte nisten sich in ihm zwei attraktive,
junge Frauen (Sondra Locke, Colleen Camp) nach einer angeblichen Autopanne bei einem Geschäftsmann
(Seymour Cassel), der seinen Geburtstag ohne seine Familie verbringen muss, am Rande von San
Francisco ein. Sie becircen ihn nach allen Regeln der Kunst. Doch nachdem er sich mit ihnen auf einen
flotten Dreier eingelassen hat, entpuppen sich die zwei blonden Engel als wahre Satansbraten, die ihn mit
ihren Psycho- und Folterspielen nach allen Regeln der Kunst fertigmachen. 38 Jahre nach der ultrafeministischen Tour de Force bringt nun "Hostel"-Regisseur und Quentin-Tarantino-Buddy Eli Roth, der in
"Inglorious Basterds" (2009) den Nazis abschlachtenden "Bärenjuden" mimte, ein großartiges Remake
eines seiner Lieblingsfilme in die Kinos, dass bei allem Grusel auch noch auf satirische Weise unterhält.
Als seine Frau, die Künstlerin Karen (Ignacia Allamand), samt den gemeinsamen Kindern übers
Wochenende an den Strand fährt, bleibt der ehemalige DJ und jetzige Architekt Evan Webber (Keanu
Reeves) mit seinem kleinen Hund im idyllisch in den Hollywood Hills gelegenen Haus, um ungestört zu
arbeiten. Gegen ein Uhr morgens klopft es plötzlich. "Draußen vor der Tür" stehen die total durchnässten
Freundinnen Genesis (Lorenza Izzo) und Bel (Ana de Armas), die offenbar auf dem Weg zu einer Party
waren, aber vom Taxi falsch abgesetzt wurden. Evan erweist sich als Gentleman: Er bittet die süßen
Mädchen herein, gibt ihnen Bademäntel, trocknet ihre Wäsche und lässt sie sein Tablet benutzen.
Während der 45-minütigen Wartezeit werden die Gesprächsthemen offenherziger, die Komplimente immer
schmeichelnder und irgendwann kann der liebende Familienvater - er ist ja schließlich auch nur ein Mann
...! - der geballten Versuchung einfach nicht mehr widerstehen. Nach einer heißen Sexnacht, die vom
"Tatort" Dusche ins Ehebett führt, findet er die heißen Girls in der verwüsteten Küche wieder, wie sie
Cornflakes aus dem Hundenapf mampfen. Doch das ist nur der Auftakt zu einem Wochenende, dass er
bestimmt nie vergessen wird - vorausgesetzt, dass er es überlebt...
Die Hauptdarsteller strotzen nur so vor Spielfreude, wobei Roths gleich drei Besetzungscoups gelungen
sind: Seine 20 Jahre jüngere, chilenische Ehefrau Lorenza Izzo und die kubanische Schönheit Ana de
Armas beeindrucken als dunkle Engel, die zunächst ihren Sex-Appeal gekonnt einsetzen, um später ihr
Psycho-Schlampen-Dasein nur noch ungezügelter auszuleben. Action-Star Keanu Reeves ("Matrix",
"Speed"), der es in seiner wechselhaften Karriere zuvor schon mit den Mördern seines Hundes ("John
Wick"), einem Vampir-Grafen ("Bram Stoker´s Darcula") und sogar dem Beelzebub persönlich ("Im Auftrag
des Teufels") aufgenommen hat, überzeugt diesmal als schwacher Mann, dem deutlich von den beiden
überreifen Gören seine Grenzen aufgezeigt werden. Dem sorgfältig ausgestatteten Kammerspiel merkt
man seine räumliche Begrenzung kaum an; vor allem nicht in der grandiosen Quiz-Show-Szene, in welcher
der an einen Stuhl gefesselte Reeves seinen Peinigerinnen auf ihre Multiple-Choice-Fragenkatalog die
jeweils richtige Antwort geben muss, um nicht gleich massakriert zu werden. Ohne viel Blut, aber mit einem
fulminanten Soundtrack, der von Sixties-Perlen bis zu "Where Is My Mind" von den Pixies reicht, ist Roth
mit "Knock Knock" ein echter Reißer gelungen, bei dem "Tödliche Spiele"-Regisseur Peter S. Traynor als
Ausführender Produzent fungierte. Das Ende ist auf eine andere Weise bitter als vielleicht vom Leser jetzt
erwartet. Nur eines sei vorweggenommen: Evans niedliche Französische Bulldogge kommt bei PETATierschützer Roth nicht zu Schaden. Gut so!
Marc Hairapetian am 19. November 2015 für SPIRIT - EIN LÄCHELN IM STURM www.spirit-ein-laechelnim-sturm.de