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»Gebunden aber in schwartz Leder«
Zum lippischen Bibeldruck des 18. Jahrhunderts
von Julia Freifrau Hiller von Gaertringen
Die Lippische Landesbibliothek Detmold nahm das »Jahr der Bibel 2003« mit seinen vielfältigen
Aktivitäten in Lippe und deutschlandweit zum Anlass, allmonatlich ein herausragendes Exemplar
des Buches der Bücher aus ihrer reichhaltigen Bibelsammlung zu präsentieren. Im November zeigte
sie die »lippische Kupferbibel« von 1720, den repräsentativsten Bibeldruck der Meyerschen Buchhandlung in Lemgo. Dies war Anlass, der umfangreichen Bibelproduktion dieses bedeutenden Verlages nachzugehen.1 Der folgende Beitrag erkundet den lippischen Bibeldruck von seinen Anfängen
als pietistische Initiative 1697 bis zu seinem Ende als nicht mehr konkurrenzfähiges Buchhandelserzeugnis im 19. Jahrhundert; nicht nur der Druck der Lutherbibel kommt zur Sprache, auch die Bemühungen um eine wissenschaftlich fundierte Neuübersetzung im Zeitgeist der Aufklärung werden
thematisiert.2
Das lippische Konsistorium erteilt der Meyerschen
Buchhandlung ein Privileg für den Bibeldruck
Im Jahr 1664 gründete Albert Meyer (1625-1690) zusammen mit seinem Bruder Heinrich († 1679)
in Lemgo eine Druckerei.3 Er erhielt 1676 ein Privileg seines Landesherrn Simon Henrich für den
Druck und Verkauf von Gesang- und sonstigen Büchern, Leichenpredigten und Versen, Kalendern
und Schulbüchern,4 dazu 1686 ein Privileg des lippischen Konsistoriums für den Druck einer hochdeutschen Lutherbibel im Taschenformat. Die Bedingungen dazu sind im Druckprivileg festgehalten:
»1. Sol zu dem Druck das allerbeste und sauberste Papier genommen werden, das in dieser Graffschafft gemacht wird. 2. Sol der Druck wol leßbahr und klar seyn. 3. Sol das Buch seyn in der Form
einer bequemen und mit sich in die Kirche zu tragen wol fügliche Handbibel, allerdings nach der
Form deren zu Wittenberg letzt gedruckten Bibel mit unterscheidlicher Absetzung der Versen.
4. Dafern aber wären, die vorhin einigen Verschuß, zu Erkauffung solcher Bibel etwa 18. oder mehr
Groschen thun wolten, denen sol ein Exemplar ungebunden vor 1 Thl. gebunden aber in schwartz
Leder mit Spangen vor 1 Thl. 9 gros. gegeben werden«, kurz: für diejenigen, die per Vorschuss den
Druck mitfinanzierten, wurde ein fester Preis vereinbart. »5. Denen, die vorhin keinen Verschuß
1 Als »Meyersche Hof-Buchhandlung« firmierte das Unternehmen erst ab Ende des 18. Jahrhunderts; daher ist in diesem vorrangig dem 18. Jahrhundert geltenden Bericht zeitgerecht von der »Meyerschen Buchhandlung« die Rede.
Nach wie vor grundlegend: WEIßBRODT, ERNST, Die Meyersche Buchhandlung in Lemgo und Detmold und ihre Vorläufer. Festschrift zum 250jährigen Bestehen der Firma am 12. Juni 1914, Detmold 1914; BRENKER, ANNE-MARGARETE, Die Meyersche Hofbuchhandlung in Lemgo in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, Bielefeld 1996. Letztere
S. 8-10 auch zur Quellensituation und zur älteren Forschungsliteratur. Zum Lemgoer Bibeldruck auch: HÖVELMANN,
HARTMUT, Kernstellen der Lutherbibel. Eine Anleitung zum Schriftverständnis, Bielefeld 1989, 174f.
2 Für diesen Beitrag wurden deutschlandweit die in öffentlichen Bibliotheken nachgewiesenen Bestände lippischer
Bibeldrucke recherchiert; die Drucke der Bibliotheken in Augsburg, Berlin, Bielefeld, Darmstadt, Detmold, Göttingen
und Halle an der Saale, Lemgo, München, Stuttgart und Wolfenbüttel wurden durch die Verfasserin, die Bibeln in Bad
Salzuflen, Dortmund, Düsseldorf, Gotha, Greifswald, Kassel, Köln, Münster, Paderborn, Rostock, Schweinfurt,
Schwerin, Siegen, Soest, Trier und Wiesbaden freundlicherweise durch Mitarbeiter der dortigen Bibliotheken autopsiert. Bestandsnachweise für weitere genannte Drucke konnten aus Platzgründen nicht mit aufgenommen werden.
3 Vgl. StADt, L 28 F Sect. III num. 1 vom 28.10.1664.
4 Privileg des Grafen Simon Henrich zur Lippe für die Buchdruckerei zu Lemgo vom 16.02.1676 (StADt, L 28 F Sect.
III num. 1). Mit »Versen« sind sicherlich andere Arten von Personalschriften (Akzidenzdrucke) gemeint.
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gethan, wird solche Bibel, wie obgedacht, vor nicht weniger dann zwey Thaler können verkauffet
werden. 6. Sol die Verfertigung solcher Bibel unter Gottes Hülffe seyn innerhalb eines Jahres Zeit.«
Und 7. sollten die Vorschüsse zurückerstattet werden, falls sich der Druck ungebührlich verzögern
sollte. Das Druckprivileg wurde selbst gedruckt und an sämtliche lippischen Pfarrer versandt mit
dem Auftrag,
»dass jeder so wol von der Cantzel als sonsten bey vorfallenden Gelegenheiten den Gliedern seiner
Gemeine dasselbe bekand machen, und nicht allein zu Erkauffung solcher Bibel und vorangeregtem
wenigen Verschuß die Habseligen beweglich vermahnen, sondern auch zu andächtig fleissigem lesen
und betrachten des Worts Gottes männiglichen auffmuntern solle.« 5
Im August 1690 wandte sich Albert Meyer an seinen Landesherrn mit der Bitte um Erneuerung
seines Privilegs. Bei dieser Gelegenheit erinnerte er den Grafen, »wie wir gesonnen gewest Vor dero
Unterthan eine eigene und bequeme Bibel zu drucken, wozu uns den genug Anlaß gegeben, auch
Beystand Versprochen worden«; in diesem Unternehmen werde er allerdings durch seinen Sohn
behindert. Er ersuchte den Grafen, seinen Sohn »per mandatum dahin anzuhalten, dass er mir nach
meinem Gefallen trucke, oder anderswo ohngehindert trucken lasse«.6 Albert Meyer und sein Sohn
Henrich Wilhelm wurden daraufhin auf die Gräflich Lippische Kanzlei zitiert, um sich dort miteinander zu vergleichen.
Im selben Jahr starb Albert Meyer. Und so wurde in Lemgo erst nach seinem Tod mit dem Bibeldruck begonnen. Henrich Wilhelm Meyer (1658-1722) führte die Druckerei weiter. Der früheste
bekannte Bibeldruck der Meyerschen Buchhandlung ist ein Neues Testament in Luthers Übersetzung im Duodezformat aus dem Jahr 1699.7 Er ist in unterschiedlichen Zusammenhängen als Separatdruck und als Bestandteil einer Vollbibel in Augsburg, Gotha, Halle und Wolfenbüttel überliefert.8
Die Gräfin Dorothee Elisabeth zur Lippe-Brake veranlasst den ersten Bibeldruck
Über das Zustandekommen des lippischen Bibeldrucks wissen wir Näheres aus einem Brief des
Halleschen Pietisten Anton Wilhelm Böhme (1673-1722)9 an August Hermann Francke in Halle, die
bedeutendste Persönlichkeit des Pietismus in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Böhme war
Einblattdruck, datiert 21.12.1686 (StADt, L 28 F Sect. III num. 4), vgl. WEIßBRODT 1914, 20; BRENKER 1996, 18.
Supplikation des Buchdruckers Albert Meyer an den Regierenden Grafen Simon Henrich zur Lippe vom 11.08.1690
(StADt, L 28 F Sect. III num. 1).
7 GEORGI, THEOPHIL, Europäisches Bücher-Lexicon, in welchem nach Ordnung des Dictionarii die allermeisten Autores oder Gattungen von Büchern zu finden (5 Theile, Leipzig 1742-1753. 3 Suppl.bände, Leipzig 1750-1758) Theil 3,
1742, 250, verzeichnet bereits ein Lemgoer Neues Testament für das Druckjahr 1690 (Preis: 5 gr.). Dies ist vermutlich
ein Druckfehler.
8 Die Heil. Schrifft Neues Testaments, unsers Herrn Jesu Christi: Nach der Teutschen Ubersetzung Doct. Martin Luthers. Mit Kurtzem Inhalt eines jeden Capitels, und angezeigten Concordantzien oder gleichen Schrifft-stellen. Benebenst Der Anweisung aller Sonn- und Fest-tägigen Evangelien und Episteln, und denen Biblischen Sprüchen, so zum
Hauptzweck dienen, Mit besondern Fleiß nach denen bewerthesten und neuesten Editionen außgefertiget. Lemgo:
Henrich Wilhelm Meyer, 1699. [3] Bl., 294 S., [3] Bl. Exemplare: Staats- und Stadtbibliothek Augsburg (Th B VII 70
Beibd.), Forschungsbibliothek Gotha (Th 8º 52), Universitäts- und Landesbibliothek Halle (AB K 438), Herzog August
Bibliothek Wolfenbüttel (Bibel-Slg 87).
9 Vgl. SAMES, ARNO, Anton Wilhelm Böhme (1673-1722). Studien zum ökumenischen Denken und Handeln eines
halleschen Pietisten, Göttingen 1983; BRECHT, MARTIN, August Hermann Francke und der Hallische Pietismus, in:
Ders. (Hg.), Der Pietismus vom 17. bis zum frühen 18. Jahrhundert, Göttingen 1993, 523-527, 529 [439-539]. - Wolfgang Breul, Marburg, bereitet derzeit seine Habilitationsschrift zur pietistischen Reform in der Grafschaft Waldeck
Anfang des 18. Jahrhunderts unter dem Einfluss des Halleschen Pietismus vor und beschäftigt sich dabei auch mit
Dorothee Elisabeth zur Lippe-Brake und Anton Wilhelm Böhme.
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Sohn eines Pfarrers in der waldeckischen Ortschaft Oesdorf. Er kam nach dem Tod des Vaters
1679 nach Lemgo in Kost und Logis bei Pfarrer Johann Weland, dem Senior der Gemeinde
St. Marien. In Lemgo besuchte er zumindest bis 1690 auch das Gymnasium,10 anschließend die
Stadtschule in Hameln. Vermutlich ab 1693 studierte er in Halle Theologie und erfuhr dort durch
Francke seine pietistische Prägung. Anschließend war er eine Zeit lang als Hauslehrer und ab 1698
als Informator am waldeckischen Hof in Arolsen tätig; später war er viele Jahre Hofprediger an der
lutherischen Hofkapelle St. James in London. Dort wirkte er als einer der wichtigsten Gefolgsleute
Franckes, warb für den Halleschen Pietismus in England und sorgte für dessen Verbindungen nach
Nordamerika und Indien.
Anfang 1697 hielt Böhme sich in Wierborn bei Barntrup auf; dort gab es ein Rittergut der Familie
von Kerßenbrock, wo er vermutlich als Hauslehrer tätig war: der Sohn des Hauses, Christoph
Friedrich von Kerßenbrock (1686-1710) war damals zehn Jahre alt.11 Über seinen Freund Mylius,
der am Hof zu Brake als Informator angestellt war, stand Böhme mit der Gräfin Dorothee Elisabeth zur Lippe-Brake in Verbindung. Bei diesem Freund handelt es sich vermutlich um Johann
Daniel Mylius (1671-1701) aus Zella in Thüringen, der nach zwei Studienjahren in Jena im Frühjahr
1695 nach Halle gekommen war, später als Prinzenerzieher in Ippenburg im Hannoverschen aktenkundig ist und im Dezember 1699 als Pfarrer in Preußisch Oldendorf ordiniert wurde.12 Böhme
berichtete am 19. Februar 1697 an Francke:
»Eß ist auf Verlangen einiger wohlgesinneten Hertzen endlich dahin gebracht, dass in benachbahrter Stad Lemgow eine Bibel soll aufgeleget und zum Druck befordert werden: der Sache aber desto
mehreren Nachdruck zugeben hat die Fr. Gräffin von der Lippe des Haußes Braak (: ist die, bey
welcher H. Mylius sich auffhält) Ihr gefallen lassen, vier, bis fünff hundert Thaler dem Verleger vorzuschießen, und hernach, alß ich erachte exemplaria davon zu nehmen.« 13
Dorothee Elisabeth zur Lippe-Brake (1661-1702), eine geborene Gräfin zu Waldeck und Pyrmont,
war in pietistischem Geist erzogen worden. Vor ihrer Eheschließung mit Rudolf Graf zur LippeBrake 1691 war sie Äbtissin eines Damenstifts in Waldeck gewesen. Sie stand selbst in persönlichem
Kontakt zu August Hermann Francke in Halle. Ihre religiöse Entfaltung wurde in Lippe durch den
regierenden Landesherrn Friedrich Adolf wie durch ihren Ehemann sehr beschränkt, so durfte sie
Die bisherige Forschung ging davon aus, dass Anton Wilhelm Böhme in der Matrikel des Lemgoer Gymnasiums
nicht genannt ist, und berief sich hinsichtlich des Schulbesuchs in Lemgo auf eine Böhme-Biographie des Jahres 1731,
zitiert bei SAMES 1983, 20. Lothar Weiß, Detmold, hat jetzt festgestellt, dass Böhme hingegen tatsächlich in der Schülermatrikel verzeichnet ist und ein Lesefehler des Editors August Schacht vorliegt. SCHACHT, AUGUST (Hg.), Die alte
Schülermatrikel des Gymnasiums zu Lemgo, Lemgo 1913, 31, verzeichnet für das Schuljahr 1689 einen »Andreas Guilielmus Bohemus Oestorffio-Pyrmont«; dieser Schüler wurde bislang für einen älteren Bruder Anton Wilhelm Böhmes
gehalten. Die Schulmatrikel führt allerdings an dieser Stelle eindeutig einen »Antonius Guilielmus Bohemus Oestorffio-Pyrmont« auf, vermutlich als eigenhändigen Eintrag (Stadtarchiv Lemgo, Y 109 Bl. 31v, S. 58). Es ist mit Lothar
Weiß anzunehmen, dass Böhme 1680 mit dem älteren Bruder Johann Christoph, verzeichnet in der Schülermatrikel am
13.07.1680, nach Lemgo kam, später in das Gymnasium eintrat und sich erst als Oberstufenschüler 1689 in die Matrikel eintrug. Weiß hat ebenfalls nachgewiesen, dass Böhme 1690 noch in Lemgo gewesen ist, denn die Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen besitzt ein Logik-Schulbuch von Jacob Stephani aus dem Jahr 1659 mit handschriftlichem
Besitzvermerk Anton Wilhelm Böhmes: »Suis me addidit libris Antonius Guilielmus Bobemus 1690 Lemgoviae«
(Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, 8° Phil. II, 1534), vgl. Verzeichnis der im deutschen Sprachraum erschienenen Drucke des 17. Jahrhunderts, 7:643149W; bei der Schreibweise des Namens liegt sicherlich wiederum ein Lesefehler vor.
11 Vgl. STÖWER, HERBERT, Die Familie von Kerßenbrock. Mit besonderer Berücksichtigung der lippischen Linien, in:
Lippische Mitteilungen, 27 (1958), 179, 184 [162-185].
12 Vgl. BAUKS, FRIEDRICH WILHELM, Die evangelischen Pfarrer in Westfalen von der Reformationszeit bis 1945, Bielefeld 1980, 349, Nr. 4368. Hinweis von Gisela Wilbertz, Lemgo.
13 SAMES 1983, 161f. – Abdruck des Briefes ebd. 161-163, Nr. 4. Der Brief befindet sich im Archiv der Franckeschen
Stiftungen zu Halle (C 229:3).
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laut Ehevertrag keinen eigenen Hofprediger bestimmen, lediglich ihre Andacht nach lutherischem
Ritus in einer Lemgoer Gemeinde oder privatim vollziehen.14 Graf Rudolf, der ab 1694 an der vormundschaftlichen Regierung in der reformierten Grafschaft Sayn-Wittgenstein-Berleburg beteiligt
war, ging dort scharf gegen pietistische Prediger vor und ließ seine Schwester Hedwig Sophie, die
den Berleburger Landesteil für radikale Pietisten geöffnet hatte und als enthusiastische Schwärmerin
auch das Herrschaftsgefüge ihrer Grafschaft entgleisen ließ, 1701 durch das Reichskammergericht
von der Regierung entheben.15 Seine Gattin Dorothee Elisabeth konnte ihre pietistischen und caritativen Bestrebungen in Lippe nicht verwirklichen. Das Waisenhaus, das sie in Franckes Geist 1698
mit eigenem Vermögen gründete, errichtete sie mit Zustimmung Franckes im waldeckischen Pyrmont.16 Franckes »Bitte an wohlhabende Freunde«, ihm bei der Verbreitung von Bibeldrucken
durch seine Waisenhaus-Buchhandlung behilflich zu sein, erfüllte sie zugleich vorbildlich durch das
Lemgoer Bibeldruck-Projekt. Ihrer Initiative ist es wohl zu verdanken, dass Henrich Wilhelm Meyer
das Projekt wagte und Lemgo für mehr als hundert Jahre zu einem Zentrum des norddeutschen
Bibeldrucks wurde.
Böhme berichtet in dem genannten Brief auch, dass die Gräfin sich das Recht vorbehalten habe,
über die Einrichtung und den Druck der Ausgabe mitzuentscheiden. Sie wolle die wichtigsten Fehler der Luther-Übersetzung »durch Warheit liebende Leute bemercken« und diese Anmerkungen am
Schluss eines jeden Kapitels anfügen lassen. Von Böhme wissen wir, dass er dagegen Bedenken
vortrug, weil ein solches Vorgehen den kanonischen Luthertext in Frage stellte. Dies habe voraussichtlich zu Folge, »daß widriggesinnete Leute, derer eß hier auch gibt, solchen Bibel-Druck alß eine
besondere Erneuerunge höchstenß verkleinern würden dadurch es denn leicht geschehen möchte,
dass die exemplaria beliegen blieben, undt also Sie u. der Verleger in Schaden gesetzet würde.«17
August Hermann Francke hatte in dieser Hinsicht bereits schlechte Erfahrungen gemacht, auf die
Böhme hier rekurriert. In seiner 1695 herausgegebenen Zeitschrift »Observationes biblicae, Anmerckungen über einige Oerter H. Schrifft, darinnen die Teutsche Ubersetzung des Sel. Lutheri
gegen den Original Text gehalten und bescheidentlich gezeiget wird, Wo man dem eigentlichen
Wort-Verstande näher kommen könne« hatte er philologisch begründete Korrekturen und Verbesserungen an der Luther-Übersetzung vorgeschlagen, das Unternehmen aber nach wenigen Monaten
aufgrund heftiger Anfeindungen der lutherischen Orthodoxie, die es als einen gezielten pietistischen
Angriff auf das Luthertum deklarierte, aufgeben müssen.18 Böhme schlug der Gräfin vor, die Verbesserungen nur für das Neue Testament ausarbeiten zu lassen, »in dem das A.T. herbey zuziehen
sehr weitläufftig fallen möchte«, und sie der Bibel als separaten Traktat beizugeben. Dann wäre die
Bibel auch ohne die Korrekturen zu erwerben gewesen: »So würden dann Liebhaber der Warheit
14 Ehevertrag zwischen Rudolf Graf zur Lippe-Brake und Dorothee Elisabeth Gräfin zu Waldeck, 17.12.1691 (StADt,
E I 2a Bl. 13-21).
15 Vgl. BAUER, EBERHARD, Der Separatismus in der Grafschaft Wittgenstein 1700-1725, in: Jahrbuch für westfälische
Kirchengeschichte, 75 (1982), 168-175 [167-183]; SCHNEIDER, HANS, Der radikale Pietismus im 17. Jahrhundert, in:
BRECHT, MARTIN (Hg.), Der Pietismus vom 17. bis zum frühen 18. Jahrhundert, Göttingen 1993, 420f. [391-437];
Ders., Der radikale Pietismus im 18. Jahrhundert, in: BRECHT, MARTIN/DEPPERMANN, KLAUS (Hg.), Der Pietismus im
18. Jahrhundert, Göttingen 1995, 123f. [107-197].
16 Vgl. dazu ausführlich ZÖTTLEIN, HELGA, Dynastie und Landesherrschaft. Politischer Wandel in der Grafschaft
Waldeck zwischen 1680 und 1730, Bad Arolsen 2004, 164-178.
17 SAMES 1983, 162; vgl. auch ZÖTTLEIN 2004, 165.
18 Vgl. zum Sachverhalt sehr ausführlich: ALAND, KURT, Bibel und Bibelexegese bei August Hermann Francke und
Johann Albrecht Bengel, in: Ders. (Hg.), Pietismus und Bibel, Witten 1970, 100-119 [89-146]; Ders., Der Hallesche
Pietismus und die Bibel, in: Ders., Supplementa zu den Neutestamentlichen und den Kirchengeschichtlichen Entwürfen, Berlin/New York 1990, 310f. [289-324]; BRECHT 1993, 469f.
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solches Segens genießen können. Welches den bemeldte Fr. Gräffin Ihr hat wohl gefallen lassen.« 19
Gleichzeitig erbat Böhme von Francke eine Meinungsäußerung dazu,
»undt so Er solches vor erbaulich halten würde, ob Er dann nicht beliebte noch eine quantité
Orther ex N.T. die verbessert werden könten, NB. zusammen zulesen, (es könnte bey Ermangelung
der Zeit durch geübte Studiosus solches leicht geschehen :) und selbige unß zuzusenden, auch im
übrigen nach Belieben ordnen, wie solches am füglichsten möchte eingerichtet werden, auf daß
auch hier undt dar einig Morale miteingestreuet würde, dadurch der Leser erfreuet würde: und bin
ich gewiß, eß würde die Fr. Gräffin welche MHM. liebet, solche Ihr wohlgefallen laßen. Eß würde
auch ja solches einigen Nutzen haben u. zum geringsten dazudienen, dass die Widersprecher sehen,
wie auch an andern Orthen erkant würde daß unsere Version eine Verbeßerung zu laße.«20
Francke ging offenbar auf diesen Vorschlag zur Mitarbeit ein. Dies ist einem an ihn gerichteten
Brief Johann Welands (1645-1713),21 des ersten Pfarrers an der lutherischen Gemeinde St. Marien in
Lemgo, vom 30. Juli 1697 zu entnehmen. Welands Sohn Johann Henrich war 1697 als Theologiestudent Freitischler in Halle; in einem weiteren, undatierten Brief bedankte sich der Vater bei Francke für dessen Fürsorge um seinen älteren Sohn.22 Damit lässt sich der Kreis der am Lemgoer Bibeldruck-Projekt Beteiligten schließen – es handelte sich um eine Initiative lutherischer Christen aus
pietistischem Geist. Sowohl Pfarrer Weland als auch die Gräfin Dorothee Elisabeth und die Nachwuchstheologen Böhme und Mylius standen in persönlicher Verbindung zu Francke. Da Weland
1702 auch die Leichenpredigt auf die Gräfin hielt,23 ist anzunehmen, dass er ihr zugleich als Seelsorger diente und mit ihr über das Bibeldruck-Projekt beriet. Hinzu kamen Gespräche über Personalfragen: Der junge Böhme hatte als Schüler des Lemgoer Gymnasiums bei der Familie Welands, der
zugleich Scholarch in Lemgo war, gewohnt; es ist zu vermuten, dass Weland ihn nach Halle zum
Studium gesandt hatte und dass die Gräfin Dorothee Elisabeth ihn veranlasste, bei dessen Beendigung 1696 nach Lippe zurückzukehren, denn er sollte eine Stelle in Brake antreten, die dann sein
Freund Mylius übernahm.24 In einem Brief an Francke vom 16. Juli 1696 teilte sie bereits mit: »Der
fromme Studiosus Böhme hatt sich sehr gesehnet wieder nach Halle in ihre Christl. Versamlung zu
kommen«, halte sich aber derzeit bei dem Herrn Magister Seip in Pyrmont auf, um diesem »in seinem schwären amt [zu] assistieren«25 – die Gräfin war also bemüht, dem jungen Mann eine Stelle zu
verschaffen und wird wohl auch 1697 seine Anstellung am waldeckischen Hof vermittelt haben.
In dem genannten Brief vom 30. Juli 1697 dankt Weland dem Adressaten Francke für dessen Anmerkungen zum Lemgoer Bibeldruck in einem Brief vom 11. Mai 1697:
»Den hiesigen Bibel-Druck betreffend, ist darin der Anfang schlechterdings gemacht, und Vermeine
ich, Weilen, dero Anmerckungen über das N.T. annoch nicht fertig waren, und bekandt das aller
hand nodi in A.T. sich finden, es würde zuträglich fallen, wenn etwa nachgesandt das gantze Werck
SAMES 1983, 162.
Ebd.
21 Vgl. PUHSTKUCHEN, FRIEDRICH CHRISTOPH, Beyträge zu den Denkwürdigkeiten der Grafschaft Lippe überhaupt
und in Absicht auf die Religions- und Kirchenbegebenheiten insonderheit, Lemgo 1769, 104f.; DREVES, AUGUST,
Geschichte der Kirchen, Pfarren, geistlichen Stiftungen und Geistlichen des Lippischen Landes, Lemgo 1881, 369, Nr.
21; BUTTERWECK, WILHELM, Die Geschichte der Lippischen Landeskirche, Schötmar 1926, 478, Nr. 51.
22 Brief Johann Welands an August Hermann Francke, undatiert (Archiv der Franckeschen Stiftungen zu Halle, C
821:15).
23 Enthalten in der Akte StADt, E I 2a.
24 Vgl. Brief Anton Wilhelm Böhmes an August Hermann Francke vom 15.06.1696, abgedruckt bei SAMES 1983, 158f.
25 Brief der Gräfin Dorothee Elisabeth zur Lippe-Brake an August Hermann Francke vom 16.07.1696 (Staatsbibliothek
zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Nachlass August Hermann Francke, 2b/18:1). Der Pietist Johann Philipp Seip
(1650-1715) war Nachfolger von Böhmes Vater als Pfarrer im waldeckischen Oesdorf und ab 1686 Inspektor der
Kirchen in der Grafschaft Pyrmont, er unterstützte das Waisenhausprojekt der Gräfin zur Lippe-Brake in Pyrmont.
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zusammen allein gedrückt, denen Liebhabern, wie des Sehl. Doct. Crameri hochnützl. Anmerckungen über die Bibel, desto besser zu statten käme.«26
Er spricht sich also dafür aus, Franckes Anmerkungen zum Alten und Neuen Testament gemeinsam in einem separaten Druck erscheinen zu lassen, wozu es in Lemgo allerdings nicht gekommen
ist. Francke selbst hat seine »Observationes biblicae« 1702 in erweiterter Fassung als Buch drucken
lassen.
Es ist zudem ein Brief August Hermann Franckes an die Gräfin Dorothee Elisabeth vom 16. Januar
1698 erhalten, in dem Francke auf das Pyrmonter Waisenhaus-Projekt eingeht und sich über den
geplanten Lemgoer Bibeldruck äußert. Mylius hatte Francke gegenüber bemerkt, dass es für den
Druck an einem geeigneten Korrektor mangele und zu erwägen sei, ob man dieses Amt nicht zugleich mit dem des voraussichtlich vakant werdenden Konrektorats am Lemgoer Gymnasium besetzen solle.27 Böhme hatte im Herbst 1697 eine Stelle am gräflichen Hof in Arolsen angetreten und
stand nicht mehr zur Verfügung. Francke hatte einen geeigneten Kandidaten namens Großmann im
Auge. Er schrieb nach Lemgo:
»Sonst wolle der Herr den gantzen Bibelwerck durch seine ewige Liebe einen Segen über viele Seelen sein lassen, daß dadurch ein helles Licht, sonderlich in ihrem Lande auffgehen, und viele erleuchten und erwärmen möge. Machet mich Gott tüchtig etwas beyzutragen, so bin ich von Herzen
begierig dazu. Nur fehlet es mir an der Zeit, daß ich furchtsam bin vieles zu sagen.«28
Man wird daraus schließen dürfen, dass Francke selbst sich an der Textbearbeitung für die Lemgoer
Bibelausgabe nicht weiter beteiligt hat, doch hat er ganz sicher ein wohlwollendes Interesse für das
Projekt gehabt.
Die Suche nach einem geeigneten Korrektor für den Lemgoer Bibeldruck war bis April 1698 noch
nicht abgeschlossen. Der Kandidat Großmann war nicht nach Lippe gekommen. In einem Brief an
Francke vom 30. April 1698 fragte die Gräfin selbst noch einmal an, ob nicht »von deßen rechtschaffenen kindern einer sich resolviren könnte in dieser kalten gegent vor geringe Condition anzunehmen sich beÿ einem prediger in unserer benachbarten statt Lemgau« aufzuhalten, um für Kost,
Logis und ein geringes Gehalt die Aufsicht über dessen einzigen Sohn zu führen und dem am Fieber laborierenden Pfarrer gelegentlich beim Predigen zu assistieren.29 Dabei handelte es sich um
Johann Barthold Haccius (1665-1726), in den Jahren 1694-1726 Pastor an St. Nicolai in Lemgo.30
26 Brief Johann Welands an August Hermann Francke vom 30.07.1697 (Archiv der Franckeschen Stiftungen zu Halle,C
821:13).
27 Was es mit der Vakanz des Lemgoer Konrektorats auf sich hat, muss offen bleiben. Konrektor des Lemgoer Gymnasiums war Anfang 1698 Johann Christian Ludovici. Dieser war 1675 am Lemgoer Gymnasium immatrikuliert worden, wurde 1690 Konrektor seiner ehemaligen Schule, erwarb 1706 das Lemgoer Bürgerrecht und wurde 1709 auf die
zweite Pfarrstelle an St. Marien berufen. Bei der Meyerschen Buchhandlung sind zwischen 1693 und 1699 vier Nachrufe auf lippische Persönlichkeiten und eine Einladungsschrift aus seiner Feder erschienen. Der letzte Nachruf aus
dem Jahr 1699 benennt Ludovici allerdings mit dem Zusatz »p.t. G.P. ConRect.« – dies könnte als »pro tempore« aufzulösen sein und bedeuten, dass Ludovici das Amt zu dieser Zeit nicht vollständig wahrnahm oder seinen Fortgang
plante, woraus dann zu erklären wäre, dass Mylius von einer Neubesetzung der Stelle schrieb. Die Konrektorenstelle ist
aber zu dieser Zeit nicht neu besetzt worden. Hinweis von Lothar Weiß, Detmold.
28 Vgl. NEBELSIECK, HEINRICH, Zur Geschichte des Pietismus in der Grafschaft Waldeck, in: Geschichtsblätter für
Waldeck und Pyrmont, 24 (1934), 48-80. – Abdruck des Briefes ebd., 58-61, das Zitat auf 61. Der Brief befindet sich
als Abschrift im Archiv der Franckeschen Stiftungen zu Halle (D 113, 63-69).
29 Brief der Gräfin Dorothee Elisabeth zur Lippe-Brake an August Hermann Francke vom 30.04.1698 (Staatsbibliothek
zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Nachlass August Hermann Francke, 2b/18:2).
30 Vgl. PUHSTKUCHEN 1769, 93f., DREVES 1881, 348, Nr. 26, BUTTERWECK 1926, 493, Nr. 22; WEHRMANN, VOLKER
(Hg.), Die Lippische Landeskirche 1684-1984. Ihre Geschichte in Darstellungen, Bildern und Dokumenten, Detmold
1984, 104. Weitere Hinweise auf eine Krankheit des Pfarrers Haccius waren nicht zu ermitteln; er lebte, seit 1694 mit
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Der Pfarrassistent solle dann auch die Druckkorrektur des Alten Testaments übernehmen, teilte sie
nach Halle mit, »weihl in dem neuen welches nuhn endlig nach langem warten künftige woche fertig
wirt etliche Druckfehler eingeschlichen sein sollen«. Ende Juli 1698 war die Stelle des Bibelkorrektors immer noch offen. Die Gräfin insistierte bei Francke:
»wegen des reformirten studiosus ist die Condition noch offen, und höchst nötig das Er schläunigst
möge anhero kommen, die reise kosten wehrden ihme, wie billig ersezet wehrden, zweifele nicht es
wehrde ein solcher sein, von dehme man sich eines rechtschaffenen wesens in christo und der in
Einem freÿen Evangelischen Zustand, welches unter der Confession noch etwas rareres ist, sich
versichern könne.«31
Der Kandidat werde auch Gelegenheit haben, am lippe-brakischen Hof »etliche hungerige sehlen
mit Exempel und wortten zu Erbauwen«, vorzüglich aber werde er seine Gaben dazu anwenden
müssen, in der »geistl. fast dodten statt lemgau« die Mauern des Christentums wieder zu errichten.
Es ist nicht zu klären, ob Francke schließlich noch einen seiner Schüler nach Lemgo geschickt hat
und ob der Bibeldruck einen jungen pietistischen Theologen als Korrektor bekam. Francke hatte in
Halle 1698-1700 schwere Auseinandersetzungen mit der orthodoxen Stadtgeistlichkeit und den
magdeburgischen Landständen durchzustehen, die die Fortexistenz des Halleschen Pietismus in
Frage stellten;, dieser Krise fiel vermutlich das Interesse am Lemgoer Bibeldruck zum Opfer.32
Welcher Bibeltext dem Druck schließlich zugrunde lag, wird im Druck selbst an keiner Stelle näher
ausgeführt. Wenn es auf dem Titelblatt heißt, der Text sei »nach denen bewehrtesten und neuesten
Editionen ausgefertiget«, so kann vermutet werden, dass eine oder mehrere der neueren, um eine
Revision des in langer Druckgeschichte »verwilderten« Luthertextes bemühten Ausgaben als Vorlage gedient hat, etwa die Schleusingensche Bibelausgabe Johann Prettens seit 1684, die Leipziger
Foliobibel Philipp Jacob Speners von 1694 oder die sehr gut beleumundete Stadesche Bibelausgabe
Johannes Dieckmanns seit 1690, der bereits Johann Arndts »Informatorium biblicum« vorangestellt
war und die den Halleschen Pietisten für ihre eigenen Bibeldrucke als Vorlage diente.33 Eine textkritische Überprüfung kann im Rahmen dieses Beitrags nicht geleistet werden, auch weil die möglicherweise genutzten Druckvorlagen in Detmold nicht zur Verfügung stehen. Jedenfalls muss die
Meyersche Bibelausgabe den Qualitätsansprüchen genügt haben, die der beginnende Pietismus an
einen zur Verbreitung des wahren Gotteswortes geeigneten Bibeltext stellte, denn die Halleschen
Pietisten entschlossen sich schon im Jahr 1700, die Lemgoer Taschenbibel in ihren Dienst zu nehmen.
Es ist davon auszugehen, dass in der Meyerschen Druckerei letztlich kein theologisches Redaktionskollegium die Textfassung betreut hat, auch wenn möglicherweise der Lemgoer Rektor Andreas
Dietrich Schrader, der Konrektor Johann Christian Ludovici oder die lutherischen Pfarrer von
St. Marien und St. Nicolai daran mitgewirkt haben. Für Johann Welands Mitwirkung am Bibeldruck
spricht nach der Quellenlage noch am meisten. Henrich Döding, zweiter Pfarrer an St. Marien, wird
in diesem Zusammenhang nicht genannt. Von Julius Friedrich Lüder, dem ersten Pfarrer an
St. Nicolai, sind nur einige Gelegenheitsschriften bekannt; in Christian Friedrich Helwings Würdi-
der Pfarrerstochter Margarethe Elisabeth Rübe (1675-1740) verheiratet, in Lemgo und hatte einen Sohn (*1695) und
eine Tochter (*1702).
31 Brief der Gräfin Dorothee Elisabeth zur Lippe-Brake an August Hermann Francke vom 20.07.1698 (Staatsbibliothek
zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Nachlass August Hermann Francke, 2b/18:3).
32 Vgl. BRECHT 1993, 497f.
33 Vgl. hierzu ALAND 1970, 119f.; KÖSTER, BEATE, Die Lutherbibel im frühen Pietismus, Bielefeld 1984, 26-28.
8
gung seines Lebenswerks ist von Bemühungen um den Lemgoer Bibeldruck nicht die Rede.34 Auch
Johann Barthold Haccius, der zweite Pfarrer an St. Nicolai, verfolgte keine wissenschaftlichen Interessen; er ist allerdings derjenige, der mit dem Lemgoer lutherischen Gesangbuch zu gleicher Zeit
ein anderes Verlagsprojekt der Meyerschen Buchhandlung vorbereitete und für den die Gräfin Dorothee Elisabeth 1698 einen pietistischen Assistenten suchte. Wie weit diese Theologen an der Bibeledition beteiligt waren, muss aber letztlich offen bleiben.
Im Jahr 1699/1700 wird die erste lippische Bibel gedruckt
Die erste Vollbibel im Duodezformat unter der Firma »Henrich Wilhelm Meyer« ist in zwei Exemplaren in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel und in der Forschungsbibliothek Gotha
erhalten.35 Sie hat ein auf das Jahr 1700 ausgestelltes gemeinsames Titelblatt für das Alte und das
Neue Testament, aber beide Teile besitzen eine separate Seitenzählung und das Neue Testament
auch ein eigenes Titelblatt, datiert auf das Jahr 1699. Der Druck des letzteren ist identisch mit dem
in Augsburg und Halle erhaltenen Separatdruck.
Dem Bibeltext vorangestellt ist eine auf den 26. Oktober 1700 datierte Widmung des Verlegers
Meyer an Friedrich Adolf, Regierenden Grafen und Edlen Herrn zur Lippe (Abb. 1), und an dessen
zweite Gattin, die Gräfin Amalie, geborene Gräfin zu Solms. Meyer schreibt: »Wann nun [...] ich
der guten intention und zu beforderung einer solchen Liebe zum Worte Gottes / auf Anrahten
frommer Hertzen / mit nicht geringen Kosten / die heilige Bibel in Euer Hochgräfl. Gnaden Lippischen Landen / jetzo zum erstenmal aufgeleget / und mit dazu angeschafften sonderbahrem
Druck / in dis kleine Hand-Format gebracht. Und solchen Köst lichen Erstlingen / Lippischen
Bibel-Drucks / billig einen Alexandrum suchen muß / dessen Liebe und Beschirmung ich sie aufopffern und empfehlen möge«, so wolle er diese erste lippische Vollbibel dem Grafenpaar »als ein
Zeichen meiner unterthänigen Landes-Kindlichen Liebe und Treue« zueignen. Der Widmung folgt
eine Vorrede an den »Gott-suchenden und geliebten Leser«, die diesen darüber belehrt, dass die
Heilige Schrift Gottes Wort sei, und ihn aufruft, die Erkenntnisse seiner Bibellektüre in lebendige
Frömmigkeit zu verwandeln. Ein Verfasser ist nicht genannt.
Die Ermahnung, den evangelischen Glauben ins tätige Leben umzusetzen, ist auch Inhalt des »Informatorium Biblicum« des früheren braunschweigisch-lüneburgischen Generalsuperintendenten
Johann Arndt,36 das der Vorrede folgt. Arndt (Abb. 2) war eine der einflussreichsten, wenngleich
schon zu Lebzeiten nicht unumstrittenen Persönlichkeiten des nachreformatorischen Protestantismus. Seine Erbauungsbücher, vor allem seine ab 1605 erschienenen »Vier Bücher vom wahren
Christentum«, in hohen Auflagen gedruckt und in alle europäischen Sprachen übersetzt, waren
HELWING, CHRISTIAN FRIEDRICH, Die Lüderschen Verdienste, Lemgo 1750. Exemplar: Lippische Landesbibliothek
Detmold, Lz 55-1,42.
35 Biblia, Das ist: Die gantze Heil. Schrifft, Alten und Neuen Testaments, Nach der Teutschen Ubersetzung D. Martin
Luthers. Mit Kurtzem Inhalt eines jeden Capitels, und angezeigten häuffigen Concordantzien oder gleichen SchrifftStellen. Benebenst der Anweisung aller Sonn- und Fest-tägigen Evangelien und Episteln, und denen Biblischen Sprüchen, so zum Hauptzweck dienen, Samt Hn. Johann Arnds Informatorio Biblico, Mit besondern Fleisse nach denen
bewehrtesten und neuesten Editionen ausgefertiget. Lemgo: Henrich Wilhelm Meyer, 1700. [9] Bl., 1043, 294 S., [7] Bl.
Exemplare: Forschungsbibliothek Gotha (Th 8º 52, mit einer handschriftlichen Datierung vom 15.8.1702; in Gotha
freundlicherweise von K. Paasch autopsiert), Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel (Bibel-Slg 87; aus dem Vorbesitz
des 1699 gegründeten Klosters Zur Ehre Gottes in Salzdahlum, 1857 an die Bibliotheca Augusta abgegeben).
36 Johann Arndt (1555-1621), Theologe, ab 1611 Generalsuperintendent in Celle. Vgl. BRECHT, MARTIN, Johann Arndt
und das Wahre Christentum, in: Ders. (Hg.), Der Pietismus vom 17. bis zum frühen 18. Jahrhundert, Göttingen 1993,
130-151.
34
9
»Bestseller der christlichen Weltliteratur«;37 sie wurden in einer breiten kirchlichen Frömmigkeitsbewegung rezipiert, die dann in den Pietismus mündete.
Auch Henrich Wilhelm Meyer beteiligte sich an der Verbreitung von Arndts Frömmigkeitsideal:
171138 und 171239 veranstaltete er einen Nachdruck des »Wahren Christentums«, und 1713 erschien
eine Ausgabe des Gebetbuchs »Paradiesgärtlein voll christlicher Tugenden«.40 Ersteres wurde von
Johann Henrich Meyer 1736 in einer zweiten Auflage in Lemgo gedruckt, letzteres 1729 und 1736
wiederholt in Lemgo aufgelegt. Die letzten Auflagen beider Titel verkauften sich allerdings nicht
mehr besonders gut, beide waren noch mehr als hundert Jahre später in der Meyerschen Buchhandlung am Lager.41
Das der Lemgoer Bibel von 1700 beigegebene »Informatorium Biblicum, Das ist: Etliche Christliche Erinnerungs-Puncten, So Als ein Denckmahl im Eingang einer Bibel sollen geschrieben werden« wurde 1623 posthum als Schrift Arndts publiziert. Es ist keine Einführung in die Bibel, sondern eher eine Zusammenfassung der christlichen Lehre; Arndt wählte die für ihn wichtigsten Bibelstellen aus, von denen ausgehend der Leser die Heilige Schrift verstehen und die er täglich bußfertig bedenken soll.42 Möglicherweise nutzte man lediglich Arndts Autorität und der Text stammt
nicht von ihm selbst, aber er wurde seither sehr häufig Bibeln beigedruckt.
Das Neue Testament wird schon seit 1699 mit dem reformierten Gesangbuch kombiniert
Die Universitäts- und Landesbibliothek Halle besitzt ein Exemplar des Lemgoer Neuen Testaments
von 1699, dem Luthers Psalterübersetzung und der sogenannte Lobwasser-Psalter mit dem reformierten Gesangbuch angebunden sind.43 Der heute noch als Epigrammatiker bekannte Humanist
Ambrosius Lobwasser hatte während eines Studienaufenthalts in Frankreich den in Reime gefassten
französisch-reformierten Psalter kennen gelernt, der den Hugenotten als Gesangbuch diente.44 Die
SCHNEIDER, HANS, Johann Arndt, in: KILLY, WALTER (Hg.), Deutsche biographische Enzyklopädie. Bd. 1, München
1995, 174. Vgl. auch: GEYER, HERMANN, Verborgene Weisheit. Johann Arndts »Vier Bücher vom Wahren Christentum« als Programm einer spiritualistisch-hermetischen Theologie, Berlin 2001.
38 Des hocherleuchteten sel. Johann Arnds ... Sechs geistreiche Bücher vom wahren Christenthum, welche handeln von
heylsamer Busse ... nach den besten und vollständigsten Editionen, mit fünf unterschiedenen Registern, und einer
erbaulichen Vorrede, samt dem Lebenslauf des sel. Autoris. Lemgo: Meyer, 1711. Vgl. auch GEORGI, Theil 1, 1742, 64
(Preis: 8 gr.). Exemplar: Kloster St. Marienberg Helmstedt (IV 6 (1)).
39 Lemgo: Meyer, 1712. Exemplare: Sächsische Landesbibliothek/Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (Theol. ev.
asc. 1272.c, misc. 1), Forschungsbibliothek Gotha (32-Rad E 0069), Universitäts- und Landesbibliothek Halle (AB
133995 (1)), Kloster St. Marienberg Helmstedt (IV 6 (2)), Universitäts- und Landesbibliothek Münster (RD 918),
Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar (35, 2 : 19).
40 Johan Arnds Viel-vermehrtes geistliches Paradis-Gärtlein voll christlicher Tugenden, worzu auch des Christian Hohenburgs über Johann Arnds Sechs Bücher vom wahren Christenthum abgefassete Gebäter. Lemgo: Meyer, 1713. Vgl.
auch GEORGI, Theil 1, 1742, 64 (Preis: 6 gr.). Exemplare: Sächsische Landesbibliothek/Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (Theol. ev. asc. 1272.c, misc. 2), Universitätsbibliothek Freiburg (O 7929b), Universitäts- und Landesbibliothek Halle (AB 133995 (2)).
41 Vgl. Verlags-Catalog der Meyer’schen Hof-Buchhandlung in Lemgo und Detmold, Lemgo/Detmold 1848, 4. Exemplar: Lippische Landesbibliothek Detmold, Bg 79.
42 Vgl. QUACK, JÜRGEN, Evangelische Bibelvorreden von der Reformation bis zur Aufklärung, Gütersloh 1975, 231240.
43 Universitäts- und Landesbibliothek Halle (AB K 438). Angebunden: Psalter (ohne Titelbl.); Die Psalmen Davids, zum
Christlichen Gesang, in Reimen gebracht, von Ambrosio Lobwassern, D. Sampt Denen gebräuchlichen alten und neuen Kirchen-Gesängen verschiedener gottgelehrter Männer, welchen Hn. Joachim Neandri Geistreiche Bundes-Lieder
und Danck-Psalmen mit beygefüget. Nebst dem Heidelbergischen Catechismo, Tauff- und Communion gewöhnlichen
Formuln, Morgen- und Abend- Trost- und Danck-Gebetern. Lemgo: Henrich Wilhelm Meyer, 1699. 106 S., [1] Bl., 67
S., [1] Bl., 38 S.
44 Ambrosius Lobwasser (1515-1585), Jurist, Professor in Königsberg, Übersetzer des Hugenottenpsalters. Vgl. TRUNZ,
ERICH, Die deutschen Übersetzungen des Hugenottenpsalters, in: Euphorion, 29 (1928), 578-617; GRUNEWALD, ECKHARD (Hg.), Der Genfer Psalter und seine Rezeption in Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden 16.-18. Jahr37
10
Hugenotten lehnten das protestantische Kirchenlied ab und ließen im Gottesdienst nur den Psalter
als das gesungene Gotteswort zu; erst Anfang des 18. Jahrhunderts wurde diese strenge Regelung
aufgehoben. Die Noten zu den Melodien von Claude Goudimel sind im sogenannten »Genfer Psalter« mit abgedruckt. Lobwasser übersetzte dessen 1562 von Clément Marot und Théodore de Bèze
abgeschlossene Fassung ins Deutsche; die erste Ausgabe erschien 1573 in Leipzig. Der LobwasserPsalter diente den deutschen Calvinisten mehr als 200 Jahre lang als Gesangbuch. Bis etwa 1700
genoss er uneingeschränkte Autorität im Gottesdienst; dann überrundete ihn sein ständig wachsender Anhang mit protestantischen Kirchenliedern nicht nur an Umfang, sondern auch an Beliebtheit.
Die Meyersche Buchhandlung produzierte seit 1698 kombinierte Ausgaben des Lobwasser-Psalters
mit dem reformierten Gesangbuch und dem Heidelberger Katechismus, die ein gemeinsames Titelblatt, aber Zwischentitelblätter und getrennte Paginierung für alle drei Teile besitzen. Die Universitäts- und Landesbibliothek Halle verwahrt das früheste bekannte Exemplar aus dem Druckjahr
1698. Es stammt, wie der Vermerk eines Pfarrers auf dem Vorsatzblatt ausweist, aus dem Besitz der
Anna Magdalena Gröpperin, geboren zu Horn in der Grafschaft Lippe 1684, »vormals reformirter
Religion gewesen, hernach in Arnstadt Luthrisch worden, durch Gottes Gnade und meine Information, darauf 1712, Oct. XV., in der L. Ev. Kirche zum H. Abendmahl gegangen.«45
Diese Gesangbücher aus Lobwasser-Psalter, Gesangbuchanhang und Katechismus waren für reformierte Christen bestimmt; in lutherischen Gemeinden war der Lobwasser-Psalter nicht im Gebrauch. Sie wurden jahrzehntelang von der Meyerschen Buchhandlung wiederaufgelegt (Abb. 3).46
1757 wurde der Gesangbuchanhang stark erweitert,47 die letzte Auflage erschien 1784. Zuvor allerhundert, Tübingen 2004; darin vor allem 217-228: KESSNER, LARS, Ambrosius Lobwasser. Humanist, Dichter, Lutheraner, 263-281: SCHEITLER, IRMGARD, Die Rezeption des Genfer Psalters im protestantischen Deutschland des 17. und
18. Jahrhunderts (mit der älteren Literatur).
45 Psalmen Davids, Nach Frantzösis. Melodey in teutsche Reimen gebracht durch Doct. Ambrosium Lobwasser, Nebst
vielen anderen alten und neuen geistlichen, und zum wahren Christenthum auffmunternden Gesängen, Worunter
Herrn Joachimi Neandri geistreiche Bundslieder und Dank-Psalmen, Mit beygefügtem Heidelbergischen Catechismo,
Tauff- und Communion-Formulen, Morgen- und Abend- Trost- und Danck-Gebetern; Weniger nicht Die Sonn- und
Fest-tages Episteln und Evangelia, auch die Passion und Zerstörung Jerusalem; Welche aber mit und ohn dieselbe
verkaufft werden. Lemgo: Henrich Wilhelm Meyer, 1698. Exemplar: Universitäts- und Landesbibliothek Halle (AB B
3522). GEORGI, Theil 2, 1742, 430, verzeichnet bereits eine Ausgabe von 1697, zu der aber kein Bestand nachweisbar
ist.
46 Eine Oktavausgabe von 1706 (Preis: 4 gr.), eine Duodezausgabe von 1712 und eine Großoktavausgabe von 1714
(Preis: 12 gr.) verzeichnet GEORGI, Theil 2, 1742, 429. Ausgaben der Meyerschen Buchhandlung sind in deutschen
Bibliotheken bzw. in den Meyerschen Sortimentskatalogen nachgewiesen für die Jahre 1710 (Duodez), 1714 (Großoktav, Preis: 18 gr.), 1716 (Duodez), 1722, 1727 (Duodez, Preis: 5 gr.), 1731, 1732, 1736, 1737 (Duodez, Preis: 8 gr.),
1740 (Duodez, Preis: 5 gr.), 1741, 1742 (Duodez), 1744 (Duodez), 1748, 1749 (Duodez), 1753 (Großoktav), 1758
(Duodez), 1762 (Großoktav, Preis: 20 gr.), 1770 (Duodez, Preis: 4 gr.), 1771 (Duodez) und 1784 (Duodez). Die Lippische Landesbibliothek Detmold besitzt die Ausgaben von 1714 (LD 38), 1749 (LD 1), 1753 (LD 2) und 1784 (LD 3).
Die Theologische Bibliothek der Lippischen Landeskirche Detmold besitzt die Ausgaben von 1753 (Wea 7a), 1758 (Qa
3600/1, aus dem Besitz des Schwalenberger Pastors Alexander Zeiß, einzelne Seiten fehlen) und 1771 (1. Ex.: Dc 59
Mag., an den Bibeldruck Rudolf Hoffers von 1725/26 angebunden; 2. Ex.: Wea 7, angebunden ist das Gesangbuch
Stoschs in einer Ausgabe von 1777, aus dem Besitz von Wilhelm Zeiß, Schwalenberg, 1858), das Museum Hexenbürgermeisterhaus Lemgo die Ausgabe von 1742 (Mus. 205, an den Meyerschen Bibeldruck von 1742 angebunden), das
Stadtarchiv Lemgo die Ausgabe von 1771 (86, an den Meyerschen Bibeldruck von 1747 angebunden, es folgt die Erstausgabe des Gesangbuchs Stoschs von 1773). Die Bestände anderer Bibliotheken werden hier aus Platzgründen nicht
einzeln nachgewiesen.
47 Samlung verschiedener erbaulicher Lieder, als ein Anhang zu dem in den Reformirten Kirchen der Grafschaft Lippe
gebräuchlichen Gesangbuche. Lemgo: sel. Joh. Heinr. Meyers Wittwe, 1757. Exemplare: Lippische Landesbibliothek
Detmold (an LD 2), Theologische Bibliothek der Lippischen Landeskirche Detmold (in Wea 7a). Vgl. auch die Vorrede
zu: Die Psalmen Davids, Zum Christlichen Gesang in Reimen gebracht, von D. Ambrosio Lobwassern; denen der
Inhalt jeden Psalms vorgesetzet ist. Samt Denen gebräuchlichen alten und neuen Kirchen-Gesängen verschiedener
Gott-gelehrten Männer, nach der Ordnung des Heydelbergischen Catechismi eingerichtet. Welchen Hn. Joachim
Neandri Geistreiche Bundes-Lieder und Danck-Psalmen mit beygefüget. Nebst dem Heidelbergischen Catechismo,
Tauff- und Communion gewöhnlichen Formuln, Morgen- und Abend- Trost- und Danck-Gebetern. Lemgo: in der
11
dings hatte bereits 1773 der Generalsuperintendent Ferdinand Stosch den Anstoß zur Revision des
lippischen Kirchengesangs gegeben, indem er »Neueste Kirchen-Lieder aus den besten Dichtern
zum Gebrauch der öffentlichen sowol als häuslichen Andacht« bei der Meyerschen Buchhandlung
herausgab.48 Eine eigentliche »Gesangbuchreform« vollzog dann der Generalsuperintendent Ludwig
Friedrich August von Cölln 1799 mit der Veröffentlichung eines »Neuvermehrten nach der Ordnung des Heidelbergischen Katechismi eingerichteten Gesangbuchs« für die reformierten Gemeinden der Grafschaft Lippe.49 1828 wurde unter dem Generalsuperintendenten Weerth ein neues
»Gesangbuch für die kirchliche und häusliche Andacht der evangelischen Gemeinden im Fürstenthume Lippe« eingeführt.50
Das Hallesche Exemplar des Neuen Testaments mit dem reformierten Gesangbuch aus dem Jahr
1699 ist in einen mit Goldpressung verzierten braunen Schweinsledereinband gebunden und hat
Meyerischen Buchhandlung, 1758 (Exemplare: Theologische Bibliothek der Lippischen Landeskirche Detmold, Qa
3600/1; Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, Ag 1144; Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, Theol. 8°
10895).
48 Lemgo: in der Meyerschen Buchhandlung, 1773. Ein Exemplar war laut »Verzeichnis der Bücher, Landcharten und
Kupferwerke Seiner Durchlaucht des Prinzen Casimir August zur Lippe« im September 1793 im Besitz des Prinzen
und wurde laut Auktionsprotokoll vom 26.10.1795 meistbietend an den Hofprediger Droste versteigert (beide Dokumente in der Lippischen Landesbibliothek Detmold, Bibliotheksarchiv). Exemplare: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz (8° Em 82), Lippische Landesbibliothek Detmold (LD 4), Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen
(8° H. E. Rit. I, 9600), Bibliothek der Arbeitsstelle für Gottesdienst und Kirchenmusik der Ev.-luth. Landeskirche
Hannovers in Hildesheim (Hv 119 GBA 1773), Stadtarchiv Lemgo (an: 86, an den Meyerschen Bibeldruck von 1747 und
das reformierte Gesangbuch von 1771 angebunden).
Weitere Ausgaben sind in deutschen Bibliotheken nachgewiesen für die Jahre 1776, 1777, 1784, 1789, 1797, 1799,
1800, 1804, 1807, 1808, 1820 und 1825. Die Lippische Landesbibliothek Detmold besitzt die Ausgaben von 1784 (an
LD 3, mit dem reformierten Gesangbuch von 1784 zusammengebunden), 1797 (an LD 5, mit einem Bielefelder reformierten Gesangbuch von 1794 zusammengebunden. Vorbesitzerin: Friederike Wolffgang in Schwalenberg, geb.
1797, daher möglicherweise ein Taufgeschenk), 1799 (an LD 6, mit dem Gesangbuch von L. F. A. v. Cölln in der Ausgabe von 1799 zusammengebunden, erworben 1919 von der Lippischen Regierung. Vorbesitzer: Philipp Bernhard
Schierenberg (1802-1856), Schuhmachermeister in Detmold), 1804 (an LD 7, mit dem Gesangbuch von L. F. A. v.
Cölln in der Ausgabe von 1800 zusammengebunden), 1807 (an LD 8, mit dem Gesangbuch von L. F. A. v. Cölln in
der Ausgabe von 1807 zusammengebunden, erworben 1922 vom Fürstlich Lippischen Kommerzienrat August Steneberg (1845-1925), dem Besitzer der Barntruper Zigarrenfabrik, mit Namenseinträgen auf dem Vorsatz), 1808 (1. Ex.:
an LD 9, mit dem Gesangbuch von L. F. A. v. Cölln in der Ausgabe von 1821 zusammengebunden; 2. Ex.: an FA
100.3, mit dem Gesangbuch von L. F. A. v. Cölln in der Ausgabe von 1815 zusammengebunden) und 1825 (Th 3940,
mit dem Gesangbuch von L. F. A. v. Cölln in der Ausgabe von 1821 und einem NT von 1825 zusammengebunden).
Die Theologische Bibliothek der Lippischen Landeskirche Detmold besitzt die Ausgaben von 1777 (Wea 7, mit dem
reformierten Gesangbuch von 1771 zusammengebunden, aus dem Besitz des Schwalenberger Pastors Wilhelm Zeiß,
1858), 1784 (Dc 60, an eine Lemgoer Bibelausgabe von 1756/60 angebunden), 1799 (an Wec 1043/3, mit dem Gesangbuch von L. F. A. v. Cölln in der Ausgabe von 1799 zusammengebunden) und 1825 (an Wec 1019/1, mit dem
Gesangbuch von L. F. A. v. Cölln in der Ausgabe von 1821 zusammengebunden). – Vgl. WEHRMANN 1984, 124.
49 Lemgo: in der Meyerschen Buchhandlung, 1799. Exemplare: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz (8°
Em 84), Lippische Landesbibliothek Detmold (1. Ex.: LD 6, erworben 1919 von der Lippischen Regierung. Vorbesitzer:
Philipp Bernhard Schierenberg (1802-1856), Schuhmachermeister in Detmold; 2. Ex.: FP 14, aus der Bibliothek der
Fürstin Pauline zur Lippe), Theologische Bibliothek der Lippischen Landeskirche Detmold (Wec 1043/3).
Weitere Ausgaben (jeweils mit dem Gesangbuch von Stosch zusammengebunden) sind nachgewiesen für die Jahre
1800, 1807, 1810, 1815, 1817 und 1821. Die Lippische Landesbibliothek Detmold besitzt die Ausgaben aus dem Jahr
1800 (LD 7), 1807 (LD 8, erworben 1922 vom Fürstlich Lippischen Kommerzienrat August Steneberg (1845-1925),
dem Besitzer der Barntruper Zigarrenfabrik, mit Namenseinträgen auf dem Vorsatz), 1815 (1. Ex.: FP 14a, aus der
Bibliothek der Fürstin Pauline zur Lippe; 2. Ex.: FA 100.3, aus dem Besitz von Ferdinand Freiligrath) und 1821 (1.
Ex.: Th 3940, 2. Ex.: LD 9). Die Theologische Bibliothek der Lippischen Landeskirche Detmold besitzt die Ausgabe
von 1821 (Wec 1019/1). Das Stadtarchiv Lemgo besitzt die Ausgabe von 1810 (Y 1884, aus der Lemgoer Gymnasialbibliothek; Initialenprägung des Vorbesitzers: M. B.), ebenso das Museum Hexenbürgermeisterhaus Lemgo (Mus. 211,
nicht am Standort).
50 Lemgo: Meyer, 1828. Exemplare: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz (8° Em 234), Lippische
Landesbibliothek Detmold (LD 10), Stadtarchiv Lemgo (Y 1828, aus der Lemgoer Gymnasialbibliothek). Die zahlreichen
späteren Auflagen werden hier nicht im einzelnen angegeben.
12
zwei Schließen, die sich bis heute erhalten haben. Es enthält auf dem Schmutztitel die Widmung an
einen ungenannten Empfänger in französischer Sprache:
»Monseigneur
La Pieté devant etre la principale occupation d’ un Prince, et sa devotion ne pouvant etre trop
exemplaire; je prens la liberté de recommander ce St. Livre à V. A. S.me et j’ose esperer qu’Elle
voudra bien le recevoir de la main d’une personne, qui n’a rien lant à coeur que l’avancement de
Son Salut, et qui du reste Lui est tres aquise et tout-à-fait devouié.«
Die Widmung ist ausgestellt in Köthen, am 29. Februar 1708, durch Alion de Maiscroy. Vermutlich
handelt es sich um das Exemplar eines in Anhalt ansässig gewordenen Hugenotten. Wer der Empfänger gewesen ist, ließ sich leider nicht genau ermitteln. Sollte es ein Prinz vom Hof in Köthen
gewesen sein, so kämen nur zwei Personen in Frage: Leopold, Prinz von Anhalt-Plötzkau (16941728), der Anhalt-Köthen ab 1715 regierte, ein Landesherr mit musischen Interessen, der Johann
Sebastian Bach als Hofkapellmeister nach Köthen holte und die Köthener Hofbibliothek begründete, und sein Bruder August Ludwig, Prinz von Anhalt-Köthen (1697-1755), der ihm 1728 als Regent
nachfolgte.51 In Anhalt-Köthen herrschte seit 1606 die reformierte Konfession, der die beiden Prinzen angehörten. Im Widmungsjahr des Lemgoer Bibeldrucks 1708 regierte die Fürstin Gisela Agnes
(1669-1740), selbst lutherischer Konfession, vormundschaftlich für ihren ältesten Sohn; sie ermöglichte seit 1693 auch den lutherischen Christen wieder die freie Religionsausübung in AnhaltKöthen. Die neuen Freiheiten führten zu einer raschen Vermehrung der lutherischen Einwohnerschaft, was in den Jahren ihrer Regentschaft 1704-1715 Streitigkeiten zwischen den beiden evangelischen Konfessionen in Anhalt-Köthen verursachte.
Die Kombination eines Lemgoer Lobwasser-Psalters mit einem Lemgoer Bibeldruck in gemeinsamem Einband ist auch anderwärts überliefert. So besitzt die Württembergische Landesbibliothek
Stuttgart ein reformiertes Gesangbuch von 1710, das einem Lemgoer Neuen Testament aus demselben Druckjahr angebunden ist.52 Und die Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel besitzt ein
reformiertes Gesangbuch von 1716, dem ein Lemgoer Neues Testament von 1713 beigebunden
ist.53 Auch als Annex einer Lemgoer Vollbibel ist der Lobwasser-Psalter überliefert, etwa bei einer
Bibel der Fürstlich Waldeckischen Hofbibliothek in Arolsen von 1712/13,54 bei Bibeln der Universitäts- und Landesbibliothek Halle und der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart von
1728/27,55 bei einer Bibel der Detmolder Theologischen Bibliothek von 173656 und bei zwei in
Lemgo überlieferten Bibeln von 174257 und 1747.58
Von August Ludwig Fürst von Anhalt-Köthen ist bekannt, dass er 1753 den Hugenotten Pierre l’Orient als Hofprediger einsetzte. Dieser »wurde aus Nimes in Frankreich der Religion wegen vertrieben, saß zwei Jahre auf der Zitadelle
zu Montpellier gefangen. Fürst August Ludwig hatte Mitleid mit ihm und seiner Familie, als sie durch Köthen reisten
und stellte ihn als französischen Hofprediger an.« (SCHULZE, ROBERT, Verzeichnis der Prediger des Fürstentums und
nachherigen Herzogtums Anhalt-Köthen nach alphabetischer Ordnung von der Reformation bis 1863, Köthen 1930,
27, Nr. 302). Hugenotten durften am Hof zu Köthen also durchaus mit Wohlwollen rechnen.
52 Württembergische Landesbibliothek Stuttgart (B. deutsch 171005, Vorbesitzer: Josias Lorck).
53 Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel (Tl 183, Besitzvermerk des Braunschweigers Johann Georg Dahlmann vom
30.10.1745).
54 Mit Gesangbuch von 1710. Universitätsbibliothek Kassel (III 45b 22, mit Widmung des Grafen Eicholtz an seine
Tochter Victoria Charlotta vom 28.11.1717, aus der Fürstlich Waldeckschen Hofbibliothek Arolsen, in Kassel freundlicherweise von K. Wiedemann autopsiert).
55 Mit Gesangbuch von 1727. Universitäts- und Landesbibliothek Halle (IC 6318e, Vorbesitzerin: Maria Friederike
Elisabeth Lutz, geb. 1727, Tochter des Predigers Johann Paulus Lutz), Württembergische Landesbibliothek Stuttgart (B.
deutsch 172702, Vorbesitzer: Josias Lorck).
56 Mit Gesangbuch von 1731. Theologische Bibliothek der Lippischen Landeskirche Detmold (Dc 180).
57 Mit Gesangbuch von 1742. Museum Hexenbürgermeisterhaus Lemgo (Mus. 205).
58 Mit Gesangbuch von 1771 und dem Gesangbuch von Stosch aus dem Jahr 1773. Stadtarchiv Lemgo (86).
51
13
Ab 1703 wird auch ein lutherisches Gesangbuch gedruckt und mit der Bibel kombiniert
»Gebunden aber in schwartz Leder«, nur mit einfachen Streicheisenlinien verziert, präsentieren sich
zwei lutherische Gesangbücher aus dem Bestand der Lippischen Landesbibliothek, die 170359 und
171060 von Henrich Wilhelm Meyer gedruckt und verlegt wurden. Es sind die beiden frühesten
lutherischen Gesangbuch-Drucke der Meyerschen Buchhandlung (Abb. 4). Beide hat Otto Preuß
als Direktor der Lippischen Landesbibliothek 1877/78 antiquarisch erworben; sie waren nicht im
Bestand der Fürstlichen Bibliothek überliefert.
Bearbeiter dieser Gesangbuch-Ausgabe war Johann Barthold Haccius, der bereits genannte Pastor
zu St. Nicolai in Lemgo.61 Er stammte aus Bückeburg, hatte in Rinteln und Jena studiert und war
dann Feldprediger eines brandenburgischen Regiments gewesen. Friedrich Christoph Puhstkuchen
rühmte 1769 seine »gründliche, ordentliche und blühende Beredsamkeit«, seine »tiefe Einsicht in die
schönen Wissenschaften« und seine überaus große Beliebtheit »nicht nur bey seiner Gemeine, sondern auch bey allen übrigen Einwohnern dieser Stadt, ja gar bey vielen Auswärtigen.«62 Die Meyersche Buchhandlung druckte auch Gelegenheitsschriften von ihm, so 1698 eine Huldigung für Friedrich Adolf Graf zur Lippe, 1711 eine Leichenpredigt auf Maria Magdalena Meyer, geb. Kämpfer,
1716 eine umfangreiche Leichenpredigt auf Engelbert Kämpfer und 1719 ein Hochzeitsgedicht auf
Friedrich Wilhelm Meyer und Anna Dorothea Häseler.
Zusammengebunden sind die beiden Gesangbücher jeweils mit einem Gebetbuch sowie einem
Druck des Psalters und des Neuen Testaments nach Luthers Übersetzung, sämtlich aus der Meyerschen Druckerei in Lemgo (Abb. 5). Psalter und Testament haben eigene Titelblätter mit Nennung
abweichender Druckjahre, doch haben die Bände sicher schon in dieser kombinierten Form den
Lemgoer Verlag verlassen. Das belegt auch ein Gesangbuch von 1714, dessen Titelblatt ausdrücklich vermerkt, dass die geistlichen Lieder »auch Bey die kleine Hand-Bibel oder dessen Neues Testament können gebunden werden.«63 (Abb. 6)
Christ-Evangelisch Vollständiges Gesang-Buch, Darin bey die 700 Gesänge enthalten, Sonderlich des sel. Herrn
Doct. Martini Lutheri, und anderer in Gott erleuchteter Männer, Zu Ubung der Gottseligkeit, Aus allen In Ober- und
Nieder-Sachsen gebräuchlichen Gesang-Büchern zusammengezogen, Und mit einem besondern Register, aller Hannöverschen Gesänge, nach der alten und neuen Nummer, Wie auch der Ravensbergischen Gesänge, Dem dann ferner
Ein nützlich- und geistreiches Gebeht-Büchlein von Morgen- und Abend, Buß- Beicht- und Communion-Gebehtern
beygefüget. Lemgo: Henrich Wilhelm Meyer, 1703. [5] Bl., 300 S., [3 Bl.]. Daran angebunden: Christliches GebehtBüchlein (ohne Titelbl.), Psalter (ohne Titelbl.), Die Heilige Schrift Neuen Testaments (Lemgo: Henrich Wilhelm Meyer, 1702). Exemplar: Lippische Landesbibliothek Detmold (LD 22, Vermerk von Otto Preuß auf dem Vorsatz: »Antiquarisch für 1 Mrk. erstanden von der Dieterichs’schen Buchhandlung in Göttingen im März 1878.«).
60 Christ-Evangelisch-auserlesen- und vollständiges Gesang-Buch, Worin 800 der besten und geistreichesten Gesänge,
Sonderlich des seligen Herrn Doct. Martini Lutheri, und anderer in Gott erleuchteten Männer, enthalten, Zur Ubung in
der Gottseligkeit, Aus allen In Ober- und Niedersachsen, fürnehmlich im Hannoverisch- und Zellischen gebräuchlichen Gesang-Büchern, Mit sonderbahrem Fleiß von neuem vermehret und verbessert, Auch mit Anweisung bekannter
Melodeyen zusammen gebracht: Nebst einem erbaulich- und geistreichen Gebät-Büchlein. Bestehend in Morgen- und
Abend, Buß- Beicht- Communion- und andern Gebätern von J. B. H. V. D. M. Lemgo: Henrich Wilhelm Meyer, 1710.
[4] Bl., 354 S., [3 Bl.]. Daran angebunden: Psalter (Lemgo: Henrich Wilhelm Meyer, 1712), Die Heilige Schrift Neuen
Testaments unsers Herrn Jesu Christi (Lemgo: Henrich Wilhelm Meyer, 1710). Exemplar: Lippische Landesbibliothek
Detmold (LD 23 mit Besitzeintrag von J. B. Höper. Vermerk von Otto Preuß im Vorderdeckel: »Angekauft 1877 vom
Antiquar Beck in Nördlingen f. 1,50 Mrk.«).
61 s.o. Anm. 31.
62 PUHSTKUCHEN 1769, 93f.
63 Geistreiches Evangelisches Gesang-Buch, von Alten und Neuen auserlesenen Geistlichen Liedern; So hin und wieder in denen Evangelischen Gemeinden gebräuchlich. Mit sonderbarem Fleisse aus denen Hallischen, Gothischen,
Darmstädtischen, Berlinischen und andern bewehrten Gesangbüchern herausgezogen, Und in diese Ordnung und
Form gebracht; Daß dieselbe nach dem Alphabeth gesetzet, und ohne besonder Register aufgeschlagen, Auch Bey die
kleine Hand-Bibel oder dessen Neues Testament können gebunden werden. Lemgo: Henrich Wilhelm Meyer, 1714.
Preis: 9 gr. Exemplare: Universitätsbibliothek Augsburg (221/BS 4780 B 642.714), Lippische Landesbibliothek Detmold
(LD 24), Universitätsbibliothek Erlangen (H00/Thl XVII 7 a), Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen (8 H. E. Rit.
59
14
Diese für den persönlichen Gebrauch von Christen lutherischer Konfession bestimmten kombinierten Ausgaben aus dem seit 1703 ständig erweiterten Gesangbuch von Haccius, einem Gebetbuch, dem Psalter und dem Neuen Testament im Duodezformat sind in ganz kleiner NonpareilleSchrift gedruckt und dadurch handlich geblieben. Sie wurden in ihren einzeln kombinierbaren Bestandteilen in Lemgo immer wieder neu aufgelegt und offenbar gut verkauft.64 Erst 1789 führten die
lutherischen Gemeinden in Lemgo ein »Neues Gesangbuch für die Evangelisch-Lutherischen Gemeinden der Grafschaft Lippe« ein.65 Kombinierte Ausgaben aus Neuem Testament und HacciusGesangbuch sind in der Berliner Staatsbibliothek,66 der Universitätsbibliothek Greifswald,67 der
Universitäts- und Landesbibliothek Münster68 und der Lippischen Landesbibliothek69 überliefert. Es
gab aber auch hier die maximale Version, dass das Gesangbuch von Haccius mit dem kompletten
Bibeltext zusammengebunden wurde. So besitzt die Bibliothek der Franckeschen Stiftungen in Halle eine Lemgoer Bibel von 1708 mit dem Haccius-Gesangbuch von 1710,70 und die Universitäts-
I, 11974), Universitäts- und Landesbibliothek Halle (T Ld 1714), Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar (35, 2 : 4),
Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel (Tl 97. Vorbesitzerin: Christiana Sophia Kell(n)er, 22.4.1716).
64 Weitere Separatausgaben des Haccius-Gesangbuchs sind in deutschen Bibliotheken bzw. in den Meyerschen Sortimentskatalogen nachgewiesen für die Jahre 1712, 1717 (900 Gesänge, Duodez, Preis: 7 gr.), 1719, 1721 (810 Gesänge,
Duodez, Preis: 6 gr.), 1724 (1029 Gesänge, Großoktav, Preis: 18 gr.), 1726 (1029 Gesänge), 1732 (1029 Gesänge,
Duodez, Preis: 9 gr.), 1740 (1076 Gesänge) und 1752 (1123 Gesänge, Duodez, Preis: 6 gr.). Die Lippische Landesbibliothek Detmold besitzt die Ausgaben von 1719 (LD 25, aus der Fürstlich Stolbergischen Bibliothek Wernigerode.
Vorbesitzer: E. G. Fritsch), 1726 (LD 26, Vorbesitzervermerk im Vorderdeckel: »Goeringio suo pio animo Hoffmanny
Croh[...]«) und 1740 (LD 37). Die Theologische Bibliothek der Lippischen Landeskirche Detmold besitzt die Ausgabe
von 1724 (Wec 1043/1).
65 Lemgo: gedruckt mit Meyerschen Schriften, 1789. Preis: 9 mgr., auf Schreibpapier: 15 mgr. Exemplare: Staats- und
Stadtbibliothek Augsburg (Th Lt E 175), Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz (Em 230), Landeskirchliches Archiv Bielefeld (W 5431, Goldprägung der Initialen D. M. S. K. und des Jahres 1789 auf dem schwarzen Ledereinband, mit Anhang von 1714), Lippische Landesbibliothek Detmold (LD 28, Initialen-Blindprägung auf dem Vorderdeckel: A. M. E. T. // C. C. C. // 1794), Theologische Bibliothek der Lippischen LandeskircheDetmold (1. Ex.: Wec
1025, 2. Ex.: Wec 1043/2), Stadtarchiv Lemgo (Y 1888, aus der Lemgoer Gymnasialbibliothek, Vorbesitzer: F. A.
Hornhardt, Lemgo 1810), Museum Hexenbürgermeisterhaus Lemgo (o. Sign., Einbandprägung mit Jahreszahl 1790),
Bayerische Staatsbibliothek München (Liturg. 487 r).
Weitere Ausgaben: 1814 (Landeskirchliches Archiv Bielefeld, W 5432; Lippische Landesbibliothek Detmold, LD 30;
Stadtarchiv Lemgo, 1150, Einbandprägung der Initialen A.W. und des Jahres 1866; Museum Hexenbürgermeisterhaus
Lemgo, o. Sign.), 1834 (Lippische Landesbibliothek Detmold, LD 31, erworben 1922 von Gertrud Barner (1870-1953),
Detmold), 1844 (Museum Hexenbürgermeisterhaus Lemgo, Mus. 604, Vorbesitzer: Hermann Anton Helming (18151865), Maurer, Bürger zu Lemgo, mit Einträgen zur Eheschließung und zu drei Kindern), 1853 (Lippische Landesbibliothek Detmold, LD 32, erworben aus dem Vermächtnis Theodor Liebau (1854-1937), Detmold) und 1864 (Landeskirchliche Bibliothek Bielefeld, Gg 36; Lippische Landesbibliothek Detmold, LD 33; Museum Hexenbürgermeisterhaus
Lemgo, Mus. 529, nicht am Standort).
66 NT von 1710, Haccius-Gesangbuch von 1710: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz (8° Em 60).
67 NT von 1718, Haccius-Gesangbuch von 1715: Universitätsbibliothek Greifswald (527/FuH15950, in Greifswald
freundlicherweise von B. Blüggel autopsiert. Vorbesitzer: Elias Otto Dietrich Krause (1853-1900), Pfarrer an St. Nicolai in Greifswald).
68 NT von 1718, Haccius-Gesangbuch von 1719: Universitäts- und Landesbibliothek Münster (1 E 14811, mit Supralibros E. P. F. V. G. und Jahr 1719, die Ausgabe wurde in Münster freundlicherweise von B. Haller autopsiert). Diese
Ausgabe wurde auch von dem Buchhändler Heinsius in Leipzig verkauft, vgl. Catalogus novus universalis derer Bücher, welche vor den beygesetzten Preiß zu haben sind bey dem Buchhändler Joh. Sam. Heinsius zu Leipzig, [Leipzig]
1748, 215.
69 NT von 1718, Haccius-Gesangbuch von 1725: Lippische Landesbibliothek Detmold (Th 885bg, erworben mit anderen Lippiaca 1934 von Schönigh, Osnabrück. Vorbesitzer: Dr. Rothert); NT von 1767, Haccius-Gesangbuch mit Gebetbuch und Psalter von 1752: Lippische Landesbibliothek Detmold (LD 27, das Neue Testament ist bereits die 2. Auflage der Helwingschen Stehsatzbibel).
70 Franckesche Stiftungen Halle an der Saale (S/A:64, unvollständig, 1. Teil: S. 988 bis Ende fehlen, 2. Teil: S. 1-112
fehlen).
15
und Landesbibliothek Münster eine Lemgoer Bibel von 1747 mit dem Haccius-Gesangbuch von
1747.71
Auch für auswärtige Landeskirchen hat die Meyersche Buchhandlung Gesangbücher gedruckt. Die
Württembergische Landesbibliothek verwahrt ein Ravensbergisches Gesangbuch aus dem Druckjahr 1707 im langen Duodezformat, welches in Bielefeld durch Joachim Diebruchs Witwe und deren Sohn Johann Wilhelm verlegt wurde, das die angebundenen »Episteln und Evangelia« jedoch als
einen Lemgoer Druck ausweisen.72 Im selben Format liegt ein Hildesheimisches Gesangbuch aus
dem Jahr 1714 vor, für das Henrich Wilhelm Meyer als Verleger zeichnet und dem ebenfalls die
»Episteln und Evangelia« aus seiner Druckerei angebunden sind.73
Die Gräfin verkauft tausend Lemgoer Bibeln an die Franckeschen Stiftungen in Halle
Die Beziehung der Gräfin Dorothee Elisabeth zur Lippe-Brake nach Halle an der Saale führte auch
zu einem Verkauf von Lemgoer Bibeln an die Franckeschen Stiftungen.74 August Hermann Francke
hatte bereits 1690/91 für seine Erfurter Gemeinde bei den Gebr. Stern in Lüneburg Drucke des
Neuen Testaments in Partien zu 200 Exemplaren für 20 Taler gekauft, die er dann zum Selbstkostenpreis weitergegeben hatte.75 Auch von Halle aus bestellte Francke Neue Testamente aus Lüneburg und verteilte sie an seine Gemeindemitglieder weiter.76 Die im Jahr 1698 gegründete Waisenhaus-Buchhandlung der Franckeschen Stiftungen vertrieb zunächst anderwärts erworbene Bibeldrucke, darunter auch die Lemgoer Taschenbibel. Der erste gedruckte Sortimentskatalog der Waisenhaus-Buchhandlung aus dem Jahr 1701, der etwa 2.000 Titel umfasst, führt unter den Libri theologici eine »Biblia Teutsch Lutheri 12. Lemgo 1700« auf.77 Die vorletzte Zahl bezeichnet das Druckformat Duodez, die letzte das Druckjahr. Es muss sich also um die Erstausgabe der Lemgoer Vollbibel von 1700 mit dem Druck des Neuen Testaments von 1699 gehandelt haben. Weitere Drucke
Universitäts- und Landesbibliothek Münster (RD 2170, aus der Sammlung Fr. Kirmis, Neumünster, in Münster
freundlicherweise von B. Haller autopsiert).
72 Neues Ravensbergisches Evangelisches Gesangbuch Darinnen Auserlesene Alt- und Neue Gesänge, An der Zahl
400. Nebst Einem Geist-Reichen Gebeht-Buch, Und nöhtigen Registern enthalten. Bielefeld: in Verlegung Sel. Joachim Diebruchs Wittw. Und Sohn Johann Wilhelm Diebruch, 1707. Angebunden: Episteln und Evangelia, Auf alle
Sonn- und Fest-Tage durchs gantze Jahr, Nebst beygefügter Historia Vom Leyden und Sterben Jesu Christi. Lemgo:
gedruckt Bey Henrich Wilhelm Meyer, 1708. Exemplar: Württembergische Landesbibliothek Stuttgart (Theol. 8° 6169).
Weiteres Exemplar ohne das angebundene Werk: Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld (E 80 2).
73 Hildesheimisches Evangelisches Gesang-Buch, Worin über 800 Gesänge, Sonderlich des sel. Herrn Martini Lutheri,
Und anderer Gott-erleuchteter Männer, enthalten, Aus allen in Ober- und Niedersachsen gebräuchlichen GesangBüchern zusammen gezogen. Welchem ferner Ein erbaulich- und geistreiches Gebet-Büchlein von Morgen- und
Abend, Buß-, Beicht- und Communion-Gebetern beygefüget. Lemgo: gedruckt und verlegt Bey Henrich Wilhelm
Meyer, Hochgräfl. Lipp.Hof-Buchdrucker, 1714. Angebunden: Episteln und Evangelia Auf alle Sonn- und Fest-Tage
Durchs gantze Jahr, Nebst beygefügter Historia vom Leyden und Sterben unsers Herrn und Heylandes Jesu Christi,
Wie auch die Beschreibung von Zerstörung der Stadt Jerusalem. Lemgo: gedruckt mit Meyerischen Schriften, 1731.
Exemplare: Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen (8° H. E. Rit. I, 11633), Württembergische Landesbibliothek
Stuttgart (Theol. 8° 6126).
74 WEIßBRODT 1914, 21 ohne Angabe der Quellen. Danach BRENKER 1996, 20; HÖVELMANN 1989, 160, 174f. – Zur
Halleschen Waisenhaus-Buchhandlung vgl. SCHÜRMANN, AUGUST, Zur Geschichte der Buchhandlung des Waisenhauses und der Cansteinschen Bibelanstalt in Halle a. S., Halle/Saale 1898; KÖSTER 1984, 83-135; RAABE, PAUL u.a.
(Bearb.), Vier Thaler und sechzehn Groschen. August Hermann Francke. Der Stifter und sein Werk, Halle/Saale,
1998.
75 SCHÜRMANN 1898, 27, 49. Danach KÖSTER 1984, 83; HÖVELMANN 1989, 160.
76 KÖSTER 1984, 83.
77 Verzeichniß Derjenigen Bücher, Welche Bey nächst-verwichener Franckfurter und Leipziger Oster-Messe 1701,
angeschaffet worden; Samt beygefügter Specification dessen, Was auff Kosten des Waysen-Hauses bißhero ediret und
verkauffet worden, Im Waysenhaus-Buchladen zu Glaucha vor Halle. Halle/Saale o.J. (Archiv der Franckeschen Stiftungen zu Halle an der Saale, 222 A 28 (13)).
71
16
der Meyerschen Buchhandlung sind nicht im Sortiment, was darauf hinweist, dass zum Lemgoer
Verlag keine verlegerische Tauschbeziehung bestand, sondern die Bibeln gegen Bezahlung erworben wurden.
Der ebenfalls 1698 gegründete Verlag der Waisenhaus-Buchhandlung fand bei den ortsansässigen
Druckereien nicht ausreichend Kapazität für seine umfangreiche Produktion und ließ bis zur Einrichtung einer eigenen Druckerei 1702 vielfach auch andernorts drucken. Nach Angaben Weißbrodts hat Meyer im Jahr 1702 eintausend Lemgoer Duodez-Bibeln zum Stückpreis von 21 Mariengroschen nach Halle geliefert, die dann unter dem Verlag der Waisenhaus-Buchhandlung verkauft
wurden. Dieses Geschäft muss einst auch in den Akten der Franckeschen Stiftungen dokumentiert
gewesen sein, denn August Schürmann, der Chronist der Waisenhaus-Buchhandlung, berichtete
1898 ebenfalls davon.78 Ein Kaufvertrag zwischen Heinrich Julius Elers79 von der WaisenhausBuchhandlung und der Gräfin Dorothee Elisabeth zur Lippe-Brake aus dem Januar 1702 war erhalten geblieben; die Gräfin überließ darin dem Halleschen Buchhändler die Bibeldrucke zur freien
Verwendung, und dieser verpflichtete sich, den Kaufpreis von 538 Reichstalern und 8 guten Groschen in drei Raten spätestens bis zur nächsten Michaelismesse zu bezahlen. Da der Kaufvertrag
nicht mit Henrich Wilhelm Meyer abgeschlossen wurde, wird es sich bei dem Verkauf um diejenigen Bibeldrucke handeln, durch deren Vorfinanzierung die Gräfin Eigentümerin geworden war. Die
Einnahmen der Gräfin aus dem Verkauf der Lemgoer Bibel nach Halle kamen dann offenbar wieder ihrem Pyrmonter Waisenhaus zugute.80
Der handschriftliche Katalog der »Verlags-Bücher des Waysenhauses von Anno 1702 biß Anno
1705« enthält eine »Biblia, das ist, die gantze H. Schrifft A. undt N. T., nach der teutschen Übersetzung D. Martin Luthers, mit jedes Cap. kurtzen summarien, concordantzien, und H. Joh. Arnds
Informatorio biblico, benebens A. H. Franckens Unterricht, wie man die H. Schrifft zu seiner Erbauung lesen soll. 12. 1702«.81 Es ist aber nicht ausdrücklich vermerkt, dass diese Bibel auch in Halle
gedruckt ist. Und so handelt es sich denn auch nicht um einen Halleschen Bibeldruck, sondern um
die Lemgoer Bibel von 1700, die mit einem auf das Jahr 1702 ausgestellten Titelblatt nach Halle
geliefert und von dort aus unter der Firma Waisenhaus-Buchhandlung – auf dem Titelblatt ist zu
lesen: »zu finden im Buchladen des Waysenhauses« – weitervertrieben wurde.
Eines der tausend Exemplare dieser Lemgoer Duodez-Bibel, die unter dem Verlag der WaisenhausBuchhandlung verkauft wurden, konnte in der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg wiederentdeckt
werden.82 Es besteht aus dem eigens für die Waisenhaus-Buchhandlung gedruckten Titelblatt von
1702, dem Lemgoer Alten Testament von 1700 und dem Lemgoer Neuen Testament von 1699.
Letzterem ist das Titelblatt von 1699 vorgebunden, das auf den Druckort Lemgo und den Verleger
Henrich Wilhelm Meyer ausgestellt ist. Damit hat sich die Augsburger Bibel als ein Lemgoer Bibeldruck verraten. Aus einem alten Signaturschild ist zu erschließen, dass sie sich einst in der Bibliothek des Augsburger Jesuitenkollegs in der Abteilung separierter häretischer Schriften befunden hat.
Sie ist also nicht nur deshalb erstaunlich, weil sie den Vertriebsweg der ersten Lemgoer Vollbibel
SCHÜRMANN 1898, 30. Danach KÖSTER 1984, 84-86; HÖVELMANN 1989, 160, 174. Eine Überprüfung bei den
Franckeschen Stiftungen in Halle ergab, dass heute in deren Archiv keine Materialien zu Geschäftsbeziehungen nach
Lemgo mehr nachweisbar sind (Auskunft von A. Mies, 5.02.2004).
79 Heinrich Julius Elers (1667-1728), Theologe, Begründer und Betreiber der Waisenhaus-Buchhandlung.
80 Hinweis von Wolfgang Breul, Marburg.
81 Acta die Buchhandlung und Druckerei des W[aisen]H[auses] betr. de Anno 1704 (Archiv der Franckeschen Stiftungen zu Halle an der Saale, Tit. IX, Sect. III Nr. 5 Bd. 1, S. 8f.). Zitiert bei SCHÜRMANN 1898, 29f.; KÖSTER 1984, 85.
82 Biblia, Das ist, Die gantze Heilige Schrifft Altes und Neues Testaments, Nach der Teutschen Ubersetzung Doct.
Martini Luthers, Mit Jedes Capitels kurtzen Summarien, Concordantzien und Hn. Johann Arndts Informatorio biblico,
Benebenst Aug. Hermann Franckens Unterricht, wie man die H. Schrifft zu seiner Erbauung lesen soll. Halle, zu finden im Buchladen des Waysenhauses, Im Jahr MDCCII. Exemplar: Staats- und Stadtbibliothek Augsburg (Th B VII 70).
78
17
und das Geschäftsgebaren der Halleschen Waisenhaus-Buchhandlung, sondern weil sie auch das
Interesse des katholischen Klerus an dieser protestantischen Bibelausgabe belegt.
Wie die erste Lemgoer Vollbibel enthält auch die Ausgabe für die Waisenhaus-Buchhandlung die
Vorrede an den »Gott-suchenden und geliebten Leser« und das »Informatorium Biblicum« von
Johann Arndt. Neu hinzugekommen und den anderen Schriften vorangestellt ist in dieser Ausgabe
August Hermann Franckes »Kurtzer Unterricht Wie man die H. Schrifft zu seiner wahren Erbauung
lesen solle«.83 Diese Schrift des Pietisten Francke war zuerst 1695 erschienen. Sie richtet sich an die
»Einfältigen« und ist auch entsprechend einfach verständlich abgefasst. Gegliedert ist sie in sieben
Abschnitte. Im ersten Abschnitt warnt Francke davor, die Bibel aus falschen Gründen zu lesen,
etwa aus Zeitvertreib, aus Werkgerechtigkeitsdenken oder aus Gelehrsamkeit. Der zweite Abschnitt
nennt den einzig richtigen Grund: die Unterweisung des Lesers im wahren Glauben. Die folgenden
Abschnitte erklären jede Bibellektüre, die nicht von andächtigem Gebet und erbaulicher Betrachtung begleitet wird, für nutzlos und geben hilfreiche Beispiele für solche Gebete und Betrachtungen. Zuletzt nennt Francke noch die Anfechtung als dritte Möglichkeit, die Schrift recht zu verstehen, denn sie sei eine von Gott auferlegte Prüfung, in der ein Christenmensch beweisen könne, was
er aus der Heiligen Schrift bereits gelernt habe.
Franckes »Kurtzer Unterricht« wurde später, vor allem durch seine Aufnahme in viele Bibelausgaben der Halleschen Waisenhaus-Druckerei, die meistgedruckte deutsche Bibelvorrede und betonte sehr deutlich die pietistische Zielrichtung aufgeklärter Bibellektüre. Er ist, so geht aus dem bereits
genannten Brief Anton Wilhelm Böhmes an Francke vom 19. Februar 1697 hervor, offenbar auch
bereits 1697 in Lemgo separat gedruckt worden. Böhme schreibt: »So sindt auch die 2 Bogen: Anleitung zum Christenth. und der eintfältige Unterricht vom Bibel-lesen neulich allhier zusammen
gedruckt auff Gutbefinden einiger guten Hertzen, und in dem solcheß hin und wieder außgebreitet,
habe bereitß gehöret, dass eß bey einigen nicht ohn allen Segen gewesen: und dörffte wohl bald
wieder auffgeleget werden, da die exemplarien fast consumiret.«84 Die zweite genannte Schrift,
Franckes »Kurtze und einfältige jedoch gründliche Anleitung zum Christenthum« war zuerst 1696 in
Halle gedruckt worden. Der von Böhme erwähnte Lemgoer Druck von 1697 ist nicht mehr nachweisbar. Franckes erbauliche Schriften waren auch später bei der Meyerschen Buchhandlung in
großer Vielfalt vorrätig.85
Neu hinzugekommen und den übrigen Vorreden nachgestellt ist in der Lemgoer Bibelausgabe für
die Waisenhaus-Buchhandlung auch das »Nachdenckliche Urtheil von Herrn Doct. Martini Lutheri
Teutschen Ubersetzung der H. Schrift« aus der Feder des Theologen Tilemann Hesshus (15271588). Hesshus war einer der streitbarsten Verfechter des strengen und unverfälschten Luthertums
in der nachreformatorischen Zeit und einer der aggressivsten Gegner weitergehender reformatorischer Bestrebungen. Seine kurze Schrift sollte die unbedingte Autorität des Luthertextes verbürgen.
Sie erklärt Luthers deutsche Bibelübersetzung zu einem unbezahlbaren Schatz und befindet: »Wenn
alle Commentaria, so in Griechischer und Lateinischer Sprache über die gantze Bibel gemacht
seynd, derer ein sehr grosser Hauffe ist, und viel Centner wegen, mit grossen Fleiß durchgelesen
werden, so geben sie doch allesamt nicht so viel Liechts und Verstandes dem Christlichen Leser, als
die klare gar herrliche Dolmetschung Lutheri. [...] Mit einem einigen Wort gibt offt Lutherus reichern Verstand, als zehen Ubersetzer mit ihren grossen Büchern, daß man sihet, wie der heilige
Geist sonderliche Lust gehabt, mit uns Teutschen in unser Mutter-Sprache zu reden. [...] Darum
Vgl. dazu KÖSTER 1984, 86-88; HÖVELMANN 1989, 151f.; QUACK 1975, 280-283.
SAMES 1983, 163.
85 Vgl. die Sortimentskataloge der Meyerschen Buchhandlung 1733-1745 und 1783ff. (Anm. 98f.).
83
84
18
soll kein frommes Hertz daran zweiffeln, wer in der Teutschen Bibel Lutheri lieset, der höret den
ewigen und allmächtigen Gott selbst reden.«
Da die Schriften Franckes und Hesshus’ in der Lemgoer Erstausgabe der Taschenbibel von 1700
nicht enthalten sind, ist anzunehmen, dass sie auf besonderen Wunsch der Halleschen Auftraggeber
hinzugefügt wurden. Da sie aber in allen späteren Ausgaben der Lemgoer Taschenbibel ebenfalls
mit aufgenommen sind, ist es wahrscheinlich, dass sie auch für die von Halle aus vertriebene Ausgabe bereits in Lemgo mitgedruckt wurden und nicht, wie gelegentlich angenommen wird, in Halle
gedruckt und der Lemgoer Bibel anschließend vorgebunden wurden.86 Andererseits ist natürlich in
der Halleschen Ausgabe der Lemgoer Taschenbibel Meyers Widmungsvorrede an seinen Landesherrn weggelassen worden.
Der Augsburger Druck ist weiterhin ausgestattet mit Bildschmuck und Versen. Franckes »Kurtzem
Unterricht« folgt ein einzelnes ungezähltes Blatt mit einer Vignette, die das Buch mit den sieben
Siegeln zeigt, darauf lagernd das Lamm Gottes im Arm einer Putte und von oben rechts einfallend
das Licht Gottes. Jeweils sechs Verse stehen ober- und unterhalb der Vignette:
Wie ist dis liebe Buch bißher verdunckelt worden
Durch Menschen / die der Welt gedien’t und ihrem Orden:
Nein! Nein! Ein neuer Schlauch muß fassen diesen Wein
Und nicht nach altem Brauch selbst Meister wollen seyn.
Die Neue Creatur alleine kann verstehen /
Wie Vater / Sohn und Geist in ihrer Wirckung gehen.
Mit ungewaschner Hand greif dann dis Buch nicht an /
Das Lamm / das theure Pfand allein dirs öffnen kann.
O Jesu! Wollest dann dein Zeugniß selbst beschützen!
Laß schwinden / brechen bald / was nur sind falsche Stützen;
Laß dringen dessen Krafft durch Geist / Seel / Marck und Bein /
JEHOVAH deiner Macht soll’s dediciret seyn!
Als Frontispiz dient der Waisenhaus-Ausgabe der Lemgoer Bibel eine Illustration »Der Gottes gelehrten Sinn« des Leipziger Kupferstechers Erasmus Andresohn mit den Versen:
Alles wird allein bewährt,
Durch des ewigen Wortes Schwerd.
Was zur neun Geburt führt ein,
Muß ins Hertz geschrieben seÿn.
Seij auff Jesum selbst gericht.
Biß der Stern in dir anbricht.
Der entdeckten Gottheit Schein
Bringt den vollen Tag hinein.
1703 expedierte Henrich Wilhelm Meyer nach Angaben Weißbrodts noch einmal 100 bestellte Bibeln zu ½ Reichstaler und 8 Gesangbücher als Ansichtsexemplare zu 3 Guten Groschen an Heinrich Julius Elers.
86
HÖVELMANN 1989, 174.
19
Henrich Wilhelm Meyer verkauft Lemgoer Taschenbibeln bis 1722
Weitere Bibeldrucke aus der Zeit Henrich Wilhelm Meyers sind für das Alte Testament in den Jahren 1708, 1712 und 1719, für das Neue Testament in den Jahren 170287, 170788, 171089, 171390 und
171891 und für den Psalter im Jahr 1712 belegt. Auf den Titelblättern ist die aus diesen Drucken
zusammengesetzte, jeweils mit Zwischentiteln versehene Bibel von 1708/10 als 2. Ausgabe,92 die
von 1712/13 als 3. Ausgabe,93 die von 1719/18 als 4. Ausgabe bezeichnet.
Die 2. und 3. Ausgabe enthalten außer der wiederholten, diesmal auf den 7. Juni 1708 bzw. den 21.
Juli 1713 datierten Widmung des Bibeldrucks an Friedrich Adolf, Regierenden Grafen und Edlen
Herrn zur Lippe, und an Gräfin Amalie wiederum dieselbe Vorrede an den »Gott-suchenden und
geliebten Leser« wie der Erstdruck von 1700 und Johann Arndts »Informatorium biblicum«, außerdem aber auch Tilemann Hesshus’ »Nachdenckliches Urtheil von Herrn Doct. Martini Lutheri
Teutschen Ubersetzung der H. Schrifft« und August Hermann Franckes »Unterricht, die Heilige
Schrift erbaulich zu lesen«. Offenbar wurden diese den von Halle aus vertriebenen Lemgoer Bibeln
beigefügten Schriften bereits ab der zweiten Ausgabe auch den von der Meyerschen Buchhandlung
selbst verkauften Exemplaren beigegeben. Diese Textzusammenstellung wurde bis zur letzten Ausgabe von 1760 beibehalten.
Die 4. Ausgabe von 1719/18,94 noch von Henrich Wilhelm Meyer verantwortet, enthält eine neue
Widmungsvorrede, nämlich an Simon Henrich Adolf zur Lippe, der 1718 die Regierung angetreten
hatte. Die Vorrede ist auf den 16. November 1718 datiert. Sie beschwört die Vielzahl der Feinde
Gottes, die »schwerlich zu beschreiben / und unmöglich zu zählen sind« und ihre Feindseligkeit
vornehmlich in der Bekämpfung des heiligen und heilsamen Gottesworts beweisen. Sie sind aber
bisher immer zuschanden geworden und werden auch weiterhin zuschanden werden, denn der allmächtige Gott weiß sein Wort auch unter den schwersten Verfolgungen zu beschützen. Daran
schließt Meyer an:
87 Einzelexemplar des NT: Lippische Landesbibliothek Detmold (LD 22, mit dem lutherischen Gesangbuchdruck von
1703 zusammengebunden).
88 GEORGI, Theil 3, 1742, 250 (Preis: 4 gr.). Kein Exemplar nachgewiesen.
89 Einzelexemplare des NT: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz (8° Em 60, mit dem lutherischen Gesangbuchdruck von 1710 zusammengebunden), Lippische Landesbibliothek Detmold (LD 23 mit verschiedenen Besitzeinträgen, mit dem lutherischen Gesangbuchdruck von 1710 zusammengebunden), Universitätsbibliothek Greifswald
(527/FuH 33570, zusammen mit dem Lemgoer Psalter von 1712 an ein Hanauisches Gesangbuch von 1713 angebunden; in Greifswald freundlicherweise von B. Blüggel autopsiert. Vorbesitzer: Elias Otto Dietrich Krause (1853-1900),
Pfarrer an St. Nicolai in Greifswald), Württembergische Landesbibliothek Stuttgart (B. deutsch 171005, dem reformierten Gesangbuch von 1710 vorgebunden, Vorbesitzer: Josias Lorck).
90 Einzelexemplar des NT: Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel (Tl 183, mit dem reformierten Gesangbuchdruck von
1716 zusammengebunden). Auch: GEORGI, Theil 3, 1742, 250 (Preis: 4 gr.).
91 Einzelexemplare des NT: Lippische Landesbibliothek Detmold (Th 885bg, erworben mit anderen Lippiaca 1934 von
Schönigh, Osnabrück. Vorbesitzer: Dr. Rothert), Universitätsbibliothek Greifswald (527/FuH 15950adn1, zusammen
mit einem Lemgoer Psalter von 1712 an ein Lemgoer lutherisches Gesangbuch von 1715 angebunden; in Greifswald
freundlicherweise von B. Blüggel autopsiert. Vorbesitzer: Elias Otto Dietrich Krause (1853-1900), Pfarrer an St. Nicolai in Greifswald), Universitäts- und Landesbibliothek Münster (1 E 14811, mit Supralibros E. P. F. V. G. und Jahr
1719; in Münster freundlicherweise von B. Haller autopsiert), Württembergische Landesbibliothek Stuttgart (B. deutsch
171803, zusammengebunden mit einem Lemgoer Psalter von 1723, Vorbesitzer: Josias Lorck).
92 Exemplar: Franckesche Stiftungen Halle an der Saale (S/A:64), unvollständig, 1. Teil: S. 988 bis Ende fehlen, 2. Teil:
S. 1-112 fehlen; angebunden: Lemgoer lutherisches Gesangbuch von 1710.
93 Exemplare: Universitätsbibliothek Kassel (III 45b 22, aus der Fürstlich Waldeckischen Hofbibliothek Arolsen), Museum Hexenbürgermeisterhaus Lemgo (Mus. 532, nicht am Standort), Württembergische Landesbibliothek Stuttgart (B.
deutsch 171304, Vorbesitzer: Josias Lorck).
94 Exemplare: Museum Hexenbürgermeisterhaus Lemgo (Mus. 523, Besitzvermerke von L. P. Buhl, Ole Marcussen,
Isaacus Zylius und Ellen Anders Datter, nicht am Standort), Württembergische Landesbibliothek Stuttgart (B. deutsch
17802, Vorbesitzer: Josias Lorck). Vgl. auch GEORGI, Theil 1, 1742, 151 (Preis: 18 gr.).
20
»Es kan demnach durch die Kunst der Buchdruckerey nicht bessers ausgerichtet werden / als das
theure und bewehrte Wort Gottes so an das Licht zu legen / daß es reichlich unter den Menschen
wohnen möge. Des Endes ich mich auch beflissen seit 20 Jahren her die heil. Schrift des Wort Gottes in diese bequeme Bücher-Form zu fassen / und jederman zum heylsahmen Gebrauch anzupreisen. Worzu mir auch der liebe Gott den Schutz hoher Christlichen Obrigkeit gegönnet; Da ich die
hohe Gnade genossen / daß meine zeitherige Bibel-Arbeit unter dem Hoch-Gräfl. LandesVäterlichen Schutz Eurer Hoch-Gräfl. Gnaden nunmehro hochsel. Herrn Vaters / des weil. Hochgebohrnen Grafen und Herrn / Herrn Friderich Adolphs / Hoch-Gräfl. Gnaden / und Dero
Hoch-Gräflichen Frau Gemahlinnen / glücklich ausgebreitet worden.«
Meyer spricht den Wunsch aus, dass der neue Landesherr ihm und seiner Buchdruckerei denselben
Schutz gewähren möge wie der bisherige Regent Friedrich Adolf und legt ihm zum Regierungsantritt den neuen Bibeldruck als ein »unterthäniges Opfer« dar.
Im Jahr 1710 erhielt Henrich Wilhelm Meyer die Erlaubnis, auch gebundene Bücher zu verkaufen,
und eröffnete in Lemgo ein Ladengeschäft, in dem er nicht nur seine eigene Verlagsproduktion
anbot.95 Bis dahin war der gesamte Absatz gebundener Bücher in Lippe über die ansässigen Buchbinder erfolgt. Diese wurden jetzt verpflichtet, ihre Ware in Lemgo zu kaufen. Die Lemgoer Bibeln
wurden in Lippe nun nicht mehr nur auf Märkten und bei Gottesdiensten verkauft, sondern konnten in der Meyerschen Sortimentsbuchhandlung erworben werden.
Die in den Jahren 1733-174596 und ab 178397 erschienenen Lagerkataloge der Buchhandlung verzeichnen eine Vielzahl auch auswärtiger Bibeldrucke, wissenschaftlicher Ausgaben in den Originalsprachen und illustrierter Bibeln. Allein der Katalog von 1733 hat neun hebräische, vier griechische,
zwölf lateinische und 36 deutsche Bibeln sowie elf griechisch-lateinische, neun griechische und fünf
deutschsprachige Ausgaben des Neuen Testaments aus dem Zeitraum 1596-1732 im Angebot, unter
den acht mit Kupferstichen illustrierten Bibeln auch eine Merian-Bibel von 1704 und eine Nürnberger Ausgabe der illustrierten »Kurfürstenbibel« von 1720.98 Dass der fünfzig Jahre später erschienene Druck des »Universal Catalogus« der Buchhandlung von 1783 mit 1332 Seiten vor allem dazu
dienen sollte, das Lager von veralteter Ware zu räumen, wird auch daran deutlich, dass 29 der 53
aufgelisteten Bibeln bereits in den Lagerkatalogen von 1733-1745 enthalten gewesen waren. Als
ältester Druck war noch immer Andreas Osianders lateinische Bibel in einer Frankfurter FolioAusgabe von 1635 zu haben. Die Preise übrigens hatten sich von 1733 bis 1783 überhaupt nicht
verändert. Von den Bibeldrucken aus dem eigenen Verlag sind jeweils nur die neuesten Auflagen
angezeigt.
95 Vgl.
Privileg des Grafen Friedrich Adolf zur Lippe für den Buchdrucker Henrich Wilhelm Meyer zu Lemgo vom
10.08.1710 (StADt, L 28 F Sect. III num. 1: Entwurf, num. 2: Abschrift); BRENKER 1996, 22f.
96 Catalogus librorum theologicorum, juridicorum, medicorum, philosophicorum, philologicorum, historicorum et
aliorum, qui Lemgoviae in officina Meyeriana venales reperiuntur. Anno 1733; Continuatio I. … Anno 1737;
Continuatio II. … Anno 1739; Continuatio III. … Anno 1740; Continuatio IV. … Anno 1742; Continuatio V. …
Anno 1743; Continuatio VI. … Anno 1744; Continuatio VII. … Anno 1745. o.O.u.J. Exemplar: Lippische
Landesbibliothek Detmold, LB 8.
97 Universal Catalogus der Bücher welche in der Meyerschen Buchhandlung zu Lemgo zu haben sind. 2 Bde., o.O.,
1783. Exemplar: Lippische Landesbibliothek Detmold, Bg 77; Anhang zum Universalcatalogus der Bücher welche in der
Meyerschen Buchhandlung zu Lemgo zu haben sind. Dieser enthält die in den Oster- und Michaelismessen der Jahre
1778 bis 1784 angeschaften neuen Bücher. Lemgo: im Verlage der Meyerschen Buchhandlung, o.J. Exemplar: Lippische Landesbibliothek Detmold, Bg 77; Verzeichnis neuer Bücher so aus der Frankfurter und Leipziger Oster- [und
Michael-]messe ... in der Meyerschen Buchhandlung zu Lemgo angeschaffet worden, und daselbst für beygesetzte
billige Preise zu haben sind, o.O., 1785ff. Exemplar: Lippische Landesbibliothek Detmold, Bg 81, Jahrgänge 1785, 1789,
1793-1797.
98 Catalogus librorum theologicorum, juridicorum, medicorum, philosophicorum, philologicorum, historicorum et
aliorum, qui Lemgoviae in officina Meyeriana venales reperiuntur. Anno 1733, 35-37 u. 385f.
21
Über den Vertrieb der Lemgoer Taschenbibel gibt auch ein in den Akten des Detmolder Staatsarchivs überlieferter Vorfall Auskunft. Am 22. März 1712 wandte sich der Buchhändler Johann Joachim Deyerlein aus Münster an den Grafen Friedrich Adolf zur Lippe, weil das geistliche Gericht
im katholischen Münster bei einer Durchsuchung in seinem Hause einige Lemgoer Handbibeln
konfisziert und diese auch auf mehrfaches Bitten nicht herausgegeben hatte.99 Die Bibeln hatte
Deyerlein in den reformierten Gemeinden Burgsteinfurt, Bentheim, Wenden und Schitrop vertreiben wollen. Deyerlein ersuchte den lippischen Landesherrn, in dieser Sache beim Bischof von Paderborn vorstellig zu werden, was auch geschah.100
Johann Henrich Meyer bringt die Lemgoer Taschenbibel bis zur 14. Auflage
Weitere Ausgaben der Lemgoer Lutherbibel im Taschenformat sind für die Jahre 1728101, 1731102,
1735103, 1738104, 1742105, 1744106, 1747107 und 1752108 belegt, 1759/60 erschien die letzte von insge99 Supplikation des Buchhändlers Johann Joachim Deyerlein an Friedrich Adolf Graf zur Lippe vom 22.03.1712
(StADt, L 28 F Sect. III num. 3), vgl. auch WEIßBRODT 1914, 23.
100 Schreiben des Grafen Friedrich Adolf zur Lippe an den Fürstbischof Franz Arnold von Paderborn vom 23.03.1712
(StA Detmold L 28 F Sect. III num. 3).
101 6. Auflage. Lemgo: Henr. Wilh. Meyers sel. Wittwen, und Johann Henrich Meyern, Hoch-Gräfl. Lipp. HofBuchdrucker, 1728. Mit NT von 1727. Exemplare: Universitäts- und Landesbibliothek Halle (IC 6318e, angebunden:
Lemgoer reformiertes Gesangbuch von 1727, Vorbesitzerin: Maria Friederike Elisabeth Lutz, geb. 1727, Tochter des
Predigers Johann Paulus Lutz), Museum Hexenbürgermeisterhaus Lemgo (Mus. 204, Titelblatt fehlt), Württembergische
Landesbibliothek Stuttgart (B. deutsch 172702, angebunden: Lemgoer reformiertes Gesangbuch von 1727, Vorbesitzer:
Josias Lorck).
102 7. Auflage. Lemgo: Henr. Wilh. Meyers sel. Wittwen, und Johann Henrich Meyern, Hoch-Gräfl. Lippischer HofBuchdrucker, 1731. Mit NT von 1731. Preis: 24 gr. Exemplare: Lippische Landesbibliothek Detmold (1. Ex.: Th 885ab,
2. Ex.: 18.04.1043, aus dem Besitz des Detmolder Landgerichtsdirektors Paul Theopold (1856-1928)), Universitätsund Stadtbibliothek Köln (T 4/365, erworben am 13.04.1896 von C. Schnabel; in Köln freundlicherweise von F. Beßelmann autopsiert), Württembergische Landesbibliothek Stuttgart (B. deutsch 173104).
103 8. Auflage. Lemgo: Henr. Wilh. Meyers sel. Wittwen, und Johann Henrich Meyern, Hoch-Gräfl. Lippischer HofBuchdrucker, 1735. Mit NT von 1736. Exemplar: Stadtbibliothek Dortmund (Nachweis im Nordrhein-Westfälischen
Bibliotheksverbund, die Bibel war 2005 in Dortmund nicht auffindbar).
104 9. Auflage. Lemgo: sel. Heinr. Wilh. Meyers Wittwen, und Johann Heinrich Meyern, Hoch-Gräfl. Lippischer HofBuchdrucker, 1738. Mit NT von 1738. Exemplare: Franckesche Stiftungen Halle an der Saale (Canst: 1741), Universitäts- und Landesbibliothek Halle (AB K 1481, Vorbesitzerin: Charlotta Carolina Augusta Meyer, konfirmiert in der
Garnisonkirche in Braunschweig am 26.04.1789), Universitätsbibliothek Siegen (04 IMO 1368(9), Vorbesitzerin: Christiane Sophia Opderbeck, später der Kölner Kaffeegroßhändler Gustav Luchtenberg, erworben aus dem Nachlass von
Paul Luchtenberg (1890-1973); in Siegen freundlicherweise von Fr. Issak autopsiert). – Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld besitzen eine Lemgoer Taschenbibel ohne Titelblatt mit Druck des Neuen Testaments
von 1740 (E 70/19, es fehlen einzelne Seiten).
105 10. Auflage. Lemgo: sel. Heinr. Wilh. Meyers Wittwen, und Johann Heinrich Meyern, Hoch-Gräfl. Lippischer HofBuchdrucker, 1742. Exemplare: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz mit NT von 1744 (Bu 10018; angebunden: Reformiertes Gesangbuch für die Grafschaft Jülich, Kleve, Berg und Mark. Basel: ohne Verlag, 1744; Exlibris:
Georg Minden), Marktkirche Goslar (1112), Museum Hexenbürgermeisterhaus Lemgo mit NT von 1740 (Mus. 205,
angebunden: Lemgoer reformiertes Gesangbuch von 1742), Württembergische Landesbibliothek Stuttgart mit NT von
1740 (B deutsch 174003, Vorbesitzer: Josias Lorck).
106 11. Auflage. Lemgo: Johann Heinrich Meyer, Hoch-Gräfl. Lippis. Hof-Buchdrucker, 1744. Ein Exemplar war laut
»Verzeichnis der Bücher, Landcharten und Kupferwerke Seiner Durchlaucht des Prinzen Casimir August zur Lippe«
im September 1793 im Besitz des Prinzen (Lippische Landesbibliothek Detmold, Bibliotheksarchiv). Exemplare: Lippische Landesbibliothek Detmold (Th 885a), Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern Schwerin (Bb IV 855, in Schwerin freundlicherweise von W. Weinert autopsiert), Württembergische Landesbibliothek Stuttgart (1. Ex.: B. deutsch
174402, Vorbesitzer: Josias Lorck; 2. Ex.: B. deutsch 174403, aus dem Besitz der Prinzessin Dorothea Sophie Friederike zu Brandenburg-Schwedt), Priesterseminar Trier (HA 5586, in Trier freundlicherweise von R. Schwindt autopsiert).
107 12. Auflage. Lemgo: Johann Heinrich Meyer, 1747. Exemplare: Landeskirchliches Archiv Bielefeld (W 2297), Forschungsbibliothek Gotha (Cant. spir. 2077(01), erworben im Jahr 2000, mit Familieneinträgen aus den Jahren 1754/55;
die Bibel wurde in Gotha freundlicherweise von K. Paasch autopsiert), Stadtarchiv Lemgo (86, angebunden sind das
reformierte Gesangbuch von 1771 und die »Neuesten Kirchen-Lieder« von Stosch in der Erstausgabe von 1773), Universitäts- und Landesbibliothek Münster (RD 2170, mit dem Lemgoer lutherischen Gesangbuch von 1747 zusammen-
22
samt vierzehn Auflagen.109 Auch von diesen Bibelausgaben waren Drucke des Psalters und des
Neuen Testaments einzeln erhältlich. Dies belegt nicht nur die separate Überlieferung,110 sondern
auch der Verkaufskatalog der Meyerschen Buchhandlung von 1733, der den in Lemgo 1725 gedruckten Psalter in Duodez für 2 Groschen und die Oktavausgabe von 1732 für einen Groschen
anbietet; das bei Meyer gedruckte Neue Testament von 1726 in Oktav und Petitschrift war für 8
Groschen zu haben und das Exemplar von 1732 in Nonpareilleschrift für 6 Groschen.111 Theophil
Georgis »Europäisches Bücher-Lexicon« (1742-1753) verzeichnet ein Lemgoer Neues Testament
von 1728 für 4 Groschen.112 Auch der Universalkatalog des Leipziger Buchhändlers Johann Samuel
Heinsius aus dem Jahr 1748 führt ein Lemgoer Neues Testament von 1745 zu 4 Groschen als am
Lager befindlich auf, hat aber eine Lemgoer Vollbibel nicht vorrätig.113
In der Zeit ab 1722 führten Henrich Wilhelm Meyers Witwe Margarete Anna Meyer (1663-1742)
und sein jüngerer Sohn Johann Henrich Meyer (1702-1754), zuletzt dessen Witwe Anna Henriette
Meyer das Geschäft. Einige der Neuausgaben aus dieser Zeit besitzen neue Widmungsvorreden. So
hat Johann Henrich Meyer die 6. Auflage von 1727/28 dem Grafen Simon Henrich Adolf zur Lipgebunden, aus der Sammlung Fr. Kirmis, Neumünster; in Münster freundlicherweise von B. Haller autopsiert), Universitätsbibliothek Rostock (Fb 3431, Vorbesitzer: Rudolph Gerhard von Darteln; die Bibel gelangte 1913 aus dem Besitz
des Rostocker Oberbauinspektors Otto Greverus als Geschenk in die Universitätsbibliothek Rostock und wurde dort
freundlicherweise von C. Michaelis autopsiert), Stadtarchiv und Stadtbibliothek Soest (S t 110/4, Vorbesitzereintrag:
»Margreta Elsabein Becker Nuen mehro genant Rittershausen Im Jahr 1749« (die Familie Rittershausen war seit 1709
in Soest ansässig), angebunden: Das neu-eingerichtete erbauliche Soestische Gesang-Buch. Soest: Hermanni, 1747; die
Bibel wurde in Soest freundlicherweise von D. Elbert autopsiert).
108 13. Auflage. Lemgo: Johann Heinrich Meyer, Hoch-Gräfl. Lippis. Hof-Buchdrucker, 1752. Exemplare: Lippische
Landesbibliothek Detmold (Th 885b, Taufgeschenk mit Vermerk auf dem Vorsatz: »Der Täuffer: H. Pastor Nolting, Die
Gevattern: Mademoisell Margaretha Crohnen, Madame Anna Catrina Woltern, H. Christopher Ferger«; »Der Täuffer:
H. Pastor Nolting, Die Gevattern: Großvatter Frantz Lienau, Großvatt. Otto Hinrich Wallmann, Madame Anna Catarina Woltern.«), Württembergische Landesbibliothek Stuttgart (B. deutsch 175204, Vorbesitzer: Josias Lorck).
109 14. Auflage. Lemgo: In der Meyerischen Hoch-Gräfl. Lippisch-privilegirten Hof-Buchdruckerey, 1759. Mit NT von
1760. Exemplare: Lippische Landesbibliothek Detmold (18.05.457, aus dem Besitz von Louise Chemnitz), Theologische
Bibliothek der Lippischen Landeskirche Detmold (Dc 60, aus dem Besitz von Theodora Brandt, Horn, geboren 1770,
mit Geburts- und Sterbenotizen der Familie, Gesangbuch-Anhang von Stosch (1784)), Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf (Bibl. Th. 699, mit Besitzeinträgen von Conrad Vigelius 1840 und später von E. Hense; in Düsseldorf
freundlicherweise von M. Plassmann autopsiert).
110 Einzelausgaben des Neuen Testaments:
1723: Württembergische Landesbibliothek Stuttgart (B. deutsch 172303, mit einem Lübeckischen Gesangbuch aus dem
Druckjahr 1726 zusammengebunden, Vorbesitzer: Josias Lorck).
1727: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz (Bu 9984).
1734: Bibliothek der Arbeitsstelle für Gottesdienst und Kirchenmusik der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers in Hildesheim (Hv 119 GBA 1739, mit dem Lemgoer Psalter von 1738 und einem Hamburgischen Gesangbuch von 1739 zusammengebunden), Württembergische Landesbibliothek Stuttgart (B. deutsch 173404, Vorbesitzer: Josias Lorck, auf
angebundenen Schreibblättern sind geistliche Gedichte, Gesangstexte und Bibelverse notiert).
1746: Württembergische Landesbibliothek Stuttgart (B. deutsch 174604).
1752: Stadtbibliothek Dortmund (Nachweis im Nordrhein-Westfälischen Bibliotheksverbund, die Ausgabe war 2005 in
Dortmund nicht auffindbar).
Einzelausgaben des Psalters:
1723: Württembergische Landesbibliothek Stuttgart (1. Ex.: B. deutsch 171803, angebunden an ein Lemgoer Neues
Testament von 1718, Vorbesitzer: Josias Lorck; 2. Ex.: B. deutsch 172006, zusammengebunden mit einem Biblischen
Spruch-Register von 1725 und Separatdrucken des Jesus Sirach und des Buches Hiob von 1720, Vorbesitzer: Josias
Lorck).
1738: Bibliothek der Arbeitsstelle für Gottesdienst und Kirchenmusik der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers in Hildesheim (Hv 119 GBA 1739, mit dem Lemgoer Neuen Testament von 1734 und einem Hamburgischen Gesangbuch von
1739 zusammengebunden).
111 Catalogus librorum theologicorum, juridicorum, medicorum, philosophicorum, philologicorum, historicorum et
aliorum, qui Lemgoviae in officina Meyeriana venales reperiuntur. Anno 1733, 386.
112 GEORGI, Theil 3, 1742, 250.
113 Catalogus novus universalis derer Bücher, welche vor den beygesetzten Preiß zu haben sind bey dem Buchhändler
Joh. Sam. Heinsius zu Leipzig 1748, 830.
23
pe (Abb. 7) und der Gräfin Johannette Wilhelmine, einer geborenen Prinzessin von Nassau-IdsteinWiesbaden (Abb. 8), gewidmet; er erörtert in seiner Vorrede die Frage nach der Schönheit Christi
und vollbringt einen semantischen Salto, indem er einen Vers aus dem Hohen Lied auf die lippischen Regenten bezieht – der Vers »Seine Lippen sind wie Rosen« (Hoheslied 5,13) sei nämlich mit
diesem Bibeldruck besonders
»verbunden, alldieweil der König aller Könige und Herr aller Herren Ew. Hochgräfl. Gnaden und
Hochfürstl. Durchl. zu einen [sic] hohen Beschützer und Beschützerinn seines Evangelischen Wortes, Mundes und Lippen in unsern Christ-Evangelischen Lippen- und Rosen-Lande aus Gnaden
selbst verordnet und eingesetzet, gleichwie Dieselben mit Hertz, Mund und Lippen die Worte des
Evangelii selbst bekennen, und in die geheiligten Fußstapfen Dero Glorwürdigsten Vorfahren treten. Wann ich nun der festen Zuversicht lebe, daß Ew. Hochgr. Gnaden und Hochfürstl. Durchl.
die aus den Lippen Gottes hergeflossene Zeugnisse, wie Rosen achten, und zum Preiß des allerheiligsten Nahmens in diesen geliebten Rosen-Lande unter allen Lippen als theure Pfleg-Eltern der
Kirche Christi auszubreiten und zu verthädigen, Landes-Herrschaftl. Sorge tragen; So bin auch der
ungezweifelten Hoffnung, Dieselben werden Gegenwärtiges, nicht in Ansehung meiner, sondern
wegen des Buchs innerlicher Schönheit von Dero geringesten Diener in allen Gnaden auf und annehmen.«
Die Worte Rosen und Lippen sind zur Verdeutlichung immer fettgeduckt. Für die 7. Auflage von
1731 (Abb. 9) hat sich Meyer etwas Neues ausgedacht, hier vergleicht er in der Vorrede den Grafen
Simon Henrich Adolf und die Gräfin Johannette Wilhelmine zur Lippe ganz devot mit den himmlischen Cherubim.
Ab 1736 verlegte die Meyersche Buchhandlung außerdem eine Bibel im Großoktavformat und in
dem etwas größerem Schriftgrad Petit.114 In dieser Ausgabe fehlen Hesshus’ »Nachdenkliches
Urtheil«, Arndts »Informatorium biblicum« und Franckes »Kurtzer Unterricht«. Gewidmet ist sie
der 1734 verwitweten Gräfin Johannette Wilhelmine. In der auf den 16. August 1735 datierten
Widmungsvorrede erörtert Johann Henrich Meyer die geistliche und weltliche Obrigkeit als »die
beyden vor dem Tempel Salomonis vormahls stehende Seulen, Jachin und Boas, worauf das
menschliche Geschlecht, ja die gantze Welt gegründet und bevestiget ist.« Da es nun dem Herrn
gefallen habe, den Grafen Simon Henrich Adolf durch einen frühen Tod »als die gedoppelte Stütze
der Kirchen und des Regiments dieser Landen unter uns weg zu rücken«, so hoffe er doch, »daß
eine allmächtige Hand eine neue Stütze für das gantze Vaterland bereits in dem Thron-Folger eingesencket habe, und da dessen, wegen der Jahre Wenigkeit, zarte Schultern sothane gedoppelte Last
noch nicht zu tragen vermögend, wann auch Ew. Hoch-Fürstl. Durchl. aus Landes-Mütterlicher
Gnade und Hulde sich dieser Bürde nicht unterzogen hätten.« Eine Neuauflage dieser Ausgabe »mit
etwas gröberer Schrift« erschien 1749.115 Sie kostete 14 Groschen und war noch 1848 lieferbar.116
In der Vorrede zur 9. bis 11. Auflage der kleinformatigen Taschenbibel 1738-1744, die Meyer ebenfalls der bis 1747 die Vormundschaftsregierung für ihren Sohn ausübenden Gräfin Johannette Wilhelmine widmete, stellt er eine Betrachtung über das menschliche Haupt an und äußert die Bitte,
Biblia, Das ist: Die gantze Heilige Schrift, Alten und Neuen Testaments, Nach der Teutschen Ubersetzung D. Martin Luthers, Mit vorgesetzetem kurtzem Inhalt eines jeden Capitels, Und Vielen Concordantzen oder gleichen SchriftStellen. Nach denen bewehrtesten und neuesten Editionen in gegenwärtigem gröberm Druck zum ersten mahl mit
Fleiß heraus gegeben. Lemgo: gedruckt und Verlegt von Henr. Wilh. Meyers sel. Wittwen, und Johann Henrich Meyern, 1736. [8 Bl.], 1312, 378 S., [3 Bl.]. Exemplar: Theologische Bibliothek der Lippischen Landeskirche Detmold (Dc
180, angebunden: Lemgoer reformiertes Gesangbuch von 1731).
115 Vgl. GEORGI, Suppl. 2, 1755, 43; Universal Catalogus der Bücher welche in der Meyerschen Buchhandlung zu
Lemgo zu haben sind. Bd.1, 1783, 194.
116 Verlags-Catalog der Meyer’schen Hof-Buchhandlung in Lemgo und Detmold 1848, 10. Preis: 12½ Sgr.
114
24
»daß Höchst Dieselben, so wie meine ganze Bücher-Handlung, also auch absonderlich diese neue
Bibel-Auflage wider alle Nachstellungen höchst beschirmen wollen. Ich werde für solche beschützende Gnade bittend wünschen, daß er, der Herr, Ew. Hochfürstl. Durchl. und Dero theures
Haupt gleichfals wider alles beschirmen und unverrückt erheben wolle«.
Die Meyersche Buchdruckerei produzierte auch ein »Biblisches Spruch-Register«, das in alphabetischer Reihenfolge die Anfänge der wichtigsten Bibelverse aufführt. Dieses zum Auffinden von Bibelstellen sehr nützliche Register ist in acht Auflagen zwischen 1720 und 1761 gedruckt worden.117
Die Auflage aus dem Jahr 1725 ist unter anderem in der Württembergischen Landesbibliothek vorhanden,118 wo sie zusammengebunden mit einem Lemgoer Psalter von 1723 und einem Lemgoer
Separatdruck des »Jesus Sirach« aus dem Druckjahr 1720 überliefert ist. Die 5. Auflage von 1736 ist
in einem Exemplar der Berliner Staatsbibliothek dem Druck des Lemgoer Neuen Testaments von
1727,119 die 6. Auflage von 1740 in einem Stuttgarter Exemplar der 10. Auflage der Lemgoer Taschenbibel von 1742 angefügt.120
Ein Exemplar der Taschenbibel in der 11. Auflage von 1744 diente der Prinzessin Dorothea Sophie
Friederike von Brandenburg-Schwedt (1736-1798), seit 1753 verheiratet mit Friedrich Eugen von
Württemberg (1732-1797), als Familienbibel.121 Ihr Ehemann, dritter Sohn des Herzogs Carl Alexander von Württemberg, stand seit 1749 als Oberster der Reiterei und Chef eines Dragonerregiments in den Diensten des preußischen Königs Friedrich des Großen und lernte seine Gattin,
eine Nichte des Königs, am Berliner Hof kennen. Im Ehevertrag war festgesetzt, dass die Nachkommenschaft aus dieser Ehe im evangelischen Glauben, der württembergischen Landeskonfession, erzogen werden solle; der Ehemann selbst war infolge der Konversion seines Vaters katholisch.
Biblisches Spruch-Register, Welches Nach der Alphabets-Ordnung Die fürnehmsten Sprüche, Wie sie von Anfang
lauten, in sich haltend: Zu sonderbahrem Nutzen und Vortheil denen Liebhabern der Heiligen Schrift, Damit sie die
meisten Schrift-Oerter Die Glaubens-Lehren und das Christliche Leben angehende, ohne Mühe finden mögen. Mit
Fleiß zusammengetragen. Lemgo: Johann Henrich Meyer, 1720. Exemplar: Universitäts- und Landesbibliothek Halle
(AB B 3796), Universitäts- und Landesbibliothek Jena (8° Theol. XXI 29). – Weitere Ausgaben des Spruch-Registers:
1725: Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt (Sammlung Günderrode 920), Fliedner Kulturstiftung Kaiserswerth
(o. Sign.), Universitätsbibliothek Leipzig (Biblia 1848).
4. Aufl. 1732: Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld (E 70 32), Württembergische Landesbibliothek
Stuttgart (HBF 6282).
5. Aufl. 1736: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz (1. Ex.: 8° Bibl. Diez 5469, 2. Ex.: Bg 854, in einem
theologischen Sammelband), Universitätsbibliothek Erlangen (H00/Thl A X 77), Universitäts- und Landesbibliothek
Halle (1. Ex.: AB 71 B 13/f, 31 , 2. Ex.: AB 154212 (2)), Universitätsbibliothek Leipzig (Biblia 1848-c), Evangelischer
Oberkirchenrat Stuttgart (III,22).
6. Aufl. 1740: Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung Berlin (AD 3605,1), Universitäts- und Landesbibliothek
Jena (8° MS 30461), Universitätsbibliothek München (8° Döll. 15659), Württembergische Landesbibliothek Stuttgart
(HBF 6283), Evangelischer Oberkirchenrat Stuttgart (III,22).
7. Aufl. 1745: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz (Ep 370(7)), Bibliothek für Bildungsgeschichtliche
Forschung Berlin (AD 3605,2), Universitätsbibliothek Greifswald (520/Fb 104), Universitäts- und Landesbibliothek Halle
(AB 168735) Universitätsbibliothek Leipzig (PR 1360), Universitätsbibliothek Rostock (Fm 3797), Universitätsbibliothek Tübingen (Gi 830 b).
8. Aufl. 1761: Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt (Ko 12071), Universitäts- und Landesbibliothek Halle (Ic
6328, an eine Baseler Bibel von 1772 angebunden), Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern Schwerin (Bb II
370:8).
118 Wohleingerichtete Anweisung zur Biblischen Concordanz, Vermittelst einem Biblischen Spruch-Register, Nach der
Alphabets-Ordnung Wie die fürnehmsten Sprüche der Heiligen Schrift Alten und Neuen Testaments von Anfang
lauten, damit sie Von Christlichen Lehrern und Zuhörern gar leicht erfunden und zum Beweiß der göttlichen Warheit,
wie auch Zur Beforderung der Gottseligkeit wohl gebrauchet werden. Lemgo: Henrich Wilhelm Meyers Wittwe, 1725.
Exemplar: Württembergische Landesbibliothek Stuttgart (B. deutsch 172006, zusammengebunden mit einem Lemgoer
Separatdruck des Psalters von 1723 sowie einem Separatdruck des Jesus Sirach und des Buches Hiob von 1720, Vorbesitzer: Josias Lorck).
119 Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz (Bu 9984).
120 Württembergische Landesbibliothek Stuttgart (an B. deutsch 174003, Vorbesitzer: Josias Lorck).
121 Württembergische Landesbibliothek Stuttgart (B. deutsch 174403).
117
25
Einem eigenhändigen französischsprachigen Eintrag der Prinzessin auf dem Schmutztitelblatt zufolge erhielt sie die Bibel 1749 als Geschenk ihres Vaters, des Markgrafen Friedrich Wilhelm zu
Brandenburg-Schwedt. Das Datum legt nahe, dass es sich bei der Bibel um ein Konfirmationsgeschenk handelte. Auf dem hinteren Schmutztitelblatt und dem hinteren Vorsatz hat sie später die
Geburt und Taufe ihrer zwölf Kinder in den Jahren 1754 bis 1772 handschriftlich festgehalten. Von
ihren acht Söhnen und vier Töchtern starb nur ein Kind in jungen Jahren; für die 1769 in Treptow
geborene Tochter Friederike Wilhelmine Catherine hat die Mutter in ihrer Familienbibel auch den
Tod im Alter von drei Monaten vermerkt. Friedrich Eugen schied 1769 aus dem preußischen Militärdienst aus und lebte mit seiner Familie im württembergischen Mömpelgard; nach dem Tod seiner
beiden älteren Brüder wurde er 1795 regierender Herzog von Württemberg.
Den Wechsel der lippischen Regenten nachvollziehend dedizierte Meyer die 12. Auflage von 1747
dem Grafen Simon August zur Lippe (Abb. 10). In der Widmungsvorrede wird dem lippischen
Landesherrn, der als Zwanzigjähriger gerade erst die Regierung angetreten hatte, in der bewährten
Manier eines Fürstenspiegels geschmeichelt; er wird mit einem durchscheinend illuminierten Bildnis
verglichen: »Sind Regenten an sich Bilder der göttlichen Hoheit und Majestät, wie weit prächtiger
glänzen und leuchten Sie, wenn auch das göttliche Licht der heilsamen Erkänntniß, der geordnetsten Weißheit und Klugheit, der herrlichsten Eigenschaften und Tugenden, in und durch Sie strahlet. Je heller das Licht ist bey einem obgedachten Illuminations-Gemählde, desto glänzender lässt
sich dieses sehen: Aber auch ie schöner das Gemählde an Farben und Zügen ist, desto kräftiger und
reitzender wird ein helles Licht dadurch spielen. Ein aufs schönste und künstlichste gemahltes Bild,
das vor den hellesten Fackeln aufgestellet, die Augen aller Zuschauer an sich ziehet, und die Bewunderung aller Kunstkenner erreget, ist nur ein dunkler, nur ein todter Schatten, gegen denjenigen
Glanz, den man an einem von Gott bereiteten, von Gott erleuchteten, und selbst ein Bild Gottes
abgebenden Regenten, sich hat vorzustellen. Welcher Pinsel, welche Feder, kann diese Schönheit
recht ausdrucken und beschreiben? Da nur allein eine anschauende Erfahrung und Empfindung, die
jederman von Ew. Hochgräfl. Excellenz sich verspricht, uns einen lebhaften Begriff davon kann
beybringen.« Und es heißt, nicht ohne Stolz auf die weite Verbreitung bisheriger Lemgoer Bibeldrucke: »Das Hauptgeschäft einer von Gott mir anvertraueten Buchdruckerey ist, das himmlische
Licht des göttlichen Wortes, in verständlicher Schrift und leserlichen Buchstaben, vor aller Menschen Augen aufzustellen. Ein Licht, das von hieraus nicht etwa über eine Gasse, sondern in weit
entlegene Länder bisher geleuchtet.«
Die 13. Auflage von 1752 ist, nach der 1750 erfolgten ersten Eheschließung des Landesherrn, dem
Grafen Simon August und der Gräfin Luise zur Lippe gewidmet (Abb. 11). In der Vorrede zu dieser Ausgabe wies Meyer darauf hin, dass der Bibelexport aus Lippe zwar nicht so spektakulär sei »als
wenn aus einem Peru starke Flotten von Gold und Silber; aus einem Indien oder Arabien reiche
Ladungen von Gewürz und übrigen Kostbarkeiten; aus anderen Ländern theure Waaren und kunstreiche Manufacturen abgehen«, auch nicht so viel Geld ins Land zurückbringe wie der Export anderer Güter, ja nicht einmal Glanz und Ruhm in der Bücherwelt eintrage: »Dem ohnerachtet wird
doch das Beste eines Landes und des menschlichen Geschlechts durch bequeme Bibel-Auflagen
mehr, als durch irgend eine andere Handlungs-Anstalt, befordert.« Denn »ohne Ansicht und Beobachtung dessen, was das Wort Gottes uns vorschreibet«, erwecken Luxusgüter nur Eitelkeit und
Verschwendung, und alle Bücherweisheit bleibe belanglos gegen die Weisheit des göttlichen Wortes,
aber die Bibelverbreitung ermögliche Tausenden von Lesern den rechten Zugang zur christlichen
Botschaft und erzieht sie zu treuen, gehorsamen und nützlichen Einwohnern ihres Landes. An
Selbstbewusstsein hat es dem Verleger Meyer offenbar nicht gemangelt.
26
Eine letzte »Nachricht« von den Taschenbibeln der ersten Jahrhunderthälfte gibt die 1756 in Lemgo
gedruckte Foliobibel auf der Rückseite ihres Titelblatts: »Fleissigen Forschern heil. Schrift wird hiedurch gemeldet, daß man in der Meyerschen Handlung noch zwey Arten Lemgoischer Bibeln in
Oktav haben könne, davon die eine mit etwas grösserer Schrift gedruckt ist als die andere. Beide
sind für billige Preise, welche in einer Bibel zu bestimmen ohnedem der gehörige Ort nicht ist, auf
Verlangen der Liebhaber zu bekommen. Und kann dieselbe, wenn sie hundertweise begehret wird,
wie leicht zu erachten ist, weit wohlfeiler als einzeln überlassen werden.«
Ein Großdruck erleichtert ab 1720 auch älteren Lesern die Bibellektüre
und lässt sich mit Kupferstichen zur repräsentativen Bilderbibel erweitern
Die älteste Lemgoer Vollbibel im Bestand der Lippischen Landesbibliothek ist die Biblia sacra von
1720, ein Foliodruck in zwei Bänden (Abb. 12).122 In der Nachricht zur »Ursache des Verlegers von
dieser Teutschen Bibel« begründet Henrich Wilhelm Meyer seine Veranlassung zu diesem Druck: er
habe seit Anfang des Jahrhunderts bereits vier Bibel-Ausgaben im Taschenformat drucken lassen,
die »bey allen rechtschaffenen Evangelischen Christen / und Liebhabern des Worts Gottes gnugsamen Beyfall / Liebe und Gunst gefunden« hätten, jedoch sei »auch von denen alten und bejahreten Christ-glaubigen Seelen seine Bibel in grössern Buchstaben und Format verlanget worden: So
hat er weniger nicht auch diesem Verlangen ein Genügen zu thun / die Heilige Schrift in gegenwärtigem grossen Format / durch seinen Verlag und bekannten guten Druck ausgehen lassen.« Es handelt sich also in erster Linie um einen lesefreundlichen Großdruck für fehlsichtige Christenmenschen. Gedruckt wurde die Bibel im Schriftgrad Mittel.
Die Textgestalt der Foliobibel entspricht weitgehend den bisherigen Taschenausgaben. Auch ihr
sind Hesshus’ »Nachdenkliches Urtheil«, Arndts »Informatorium biblicum« und Franckes »Kurtzer
Unterricht« vorangestellt. Damit wird pietistischen Lesebedürfnissen weitgehend Rechnung getragen. Ergänzt ist die Ausgabe allerdings um Luthers Vorreden und Randglossen, die in den Ausgaben der Taschenbibel fehlen, und um die »Zugabe« zu den Apokryphen mit dem 3. und 4. Buch
Esra und dem 3. Buch der Makkabäer samt Daniel Cramers Vorrede; diese Beigaben entsprechen
eher den Ansprüchen der lutherischen Orthodoxie an eine vollständige Bibelausgabe. Interessant ist
auch, dass in der Foliobibel sogenannte Kernstellen ausgewiesen sind, ein »Register der fürnehmsten Haupt-Artickel Christlicher Lehre« führt sie in einer Schlagwortliste auf; zugrunde liegen dabei
die Kernstellen der Wittenberger Bibel von 1715 als einer lutherisch-orthodoxen Bibelausgabe.123
122 Biblia Sacra, Das ist: Die gantze Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments, Nach der teutschen Ubersetzung D.
Martini Lutheri, Mit der Zugabe Des III und IV Buchs Esra und des III Buchs der Maccabeer, Samt kurtzem Inhalt
und Abtheilung eines jeden Capitels, Auch nöhtigen [sic] und erbaulichen Auslegungen der schweresten Oerter und
Sprüche, Nach D. Lutheri Rand-Glossen und Anmerckungen; Nebst dessen geistreichen Vorreden eines jeden Buchs,
So dann mit Völligen Concordantzen, oder gleichen Schrift-Stellen: Und Einiger berühmten Gottes-Gelehrten Unterricht, wie die heilige Schrift erbaulich zu lesen, Dabey Ein vollständiges Alphabetisches Register der fürnehmsten Lehren, Wie auch Eine Verzeichniß derer Sprüche Alten Testaments, so im Neuen Testament angeführet und erkläret
sind. Nach denen bewährtesten und neuesten Editionen, in diesem großen Fomat, mit grober und leserlicher Schrift,
aufs sorgfältigste und fleissigste ausgefertiget. Lemgo: Henrich Wilhelm Meyer, 1720. [18] Bl., 1116, 308 S., [2] Bl., 2°.
Preis: 1 thl. 12 gr. Exemplare: Lippische Landesbibliothek Detmold (Th 86.e.2°, 2 Bde.); Universitäts- und Landesbibliothek Halle (AB KK 76, nur Bd.1 = Altes Testament bis S. 646 vorhanden), Stadtarchiv Lemgo (Mus. 6113 St, Vorbesitzerin: Ernestine Michelsen, geb. von Brockdorff (1803-1872), Ehefrau des Kieler Juristen und Historikers Andreas
Ludwig Jacob Michelsen, aus der Bibliothek ihres Vaters 1841), Sakristeibibliothek St. Johannis Schweinfurt (B 16, 2
Bde., ohne Frontispiz; die Bibel wurde in Schweinfurt freundlicherweise durch W. Wößner autopsiert), Württembergische Landesbibliothek Stuttgart (Bb. deutsch 172001, Vorbesitzer: Josias Lorck).
123 Vgl. HÖVELMANN 1989, 175.
27
Ein Bilderschmuck, den der Verleger Meyer selbst seiner Foliobibel beifügte, ist das Frontispiz, das
er bei dem Braunschweiger Kupferstecher Johann Georg Bäck (1676-1722) in Auftrag gab; es zeigt
ein kleines Luther-Portrait inmitten einer weitläufigen Sakralarchitektur und im unteren Teil einen
Stich der Stadt Lemgo (Abb. 13). Die Geschäftsbeziehung zu Bäck ist wahrscheinlich über die Meyersche Buchhandlung in Braunschweig zustande gekommen, die Henrich Wilhelm Meyer seinem
älteren Sohn Friedrich Wilhelm (1695-1774) im Jahre 1716 eingerichtet hatte; Bäck hat auch das
Frontispiz zu einer 1722 bei Friedrich Wilhelm Meyer »Mit Hertzogl. Braunschweig-Lüneb[urgischem] Privilegio« erschienenen Quartbibel124 gestochen, die bei Heinsius in Leipzig125 und Meyer in
Lemgo126 für 3 Reichstaler zu kaufen war.
Das Detmolder Exemplar der Bibel von 1720 ist darüber hinaus mit Titelkupfern zu den beiden
Testamenten und 135 hochwertigen Kupferstich-Tafeln auf besserem Kupfertiefdruckpapier ausgestattet, die die ersten Besitzer der Bibel in diese haben einbinden lassen. Der Kupferstecher Johann
Ulrich Krauß (1655-1719) betrieb in Augsburg ein einträgliches Verlagsgeschäft, in dem in den Jahren 1698-1700 eine von ihm selbst illustrierte Bilderbibel in fünf Lieferungen erschienen war.127 Diese isoliert entstandenen Kupferstich-Tafeln (Plattengröße im Hochformat ca. 28 x 17 cm) wurden
in die Detmolder Bibel übernommen. Eine solche Kombination aus Lemgoer Foliobibel und
Krauß’scher Bilderbibel ist in anderen Bibliotheken nicht nachgewiesen, doch wurde 1992 im Hamburger Auktionshaus F. Dörling ein solcher Band zum Verkauf angeboten.128
Die Titelkupfer beeindrucken jeweils mit einer barocken Triumpharchitektur, darin postiert biblische Figuren wie die Erzväter für das Alte und die Apostel für das Neue Testament (Abb. 14, 15).
Die illustrierenden Tafeln (Abb. 16-18) sind formal identisch aufgebaut: Die obere Hälfte füllt ein
querrechteckiges Vollbild mit einer Hauptszene des Bibelgeschehens. Diese Szenen sind in weiträumige Landschaften oder vor imposante Barockarchitekturen gesetzt, auch Theater- und Festdekorationen dienen als Kulisse für die biblische Darstellung; die menschlichen Figuren nehmen sich
darin oft winzig aus. Die Bilder zum Neuen Testament wirken im Vergleich mit denen des Alten
Testaments zumeist einfallslos, weil lediglich einzelne Figuren nebeneinander aufgereiht vor einer
reich gegliederten Wandfläche zu sehen sind und der Bildraum keinerlei Tiefe aufweist. Über dem
Hauptbild findet sich ein Summarium der zugehörigen Bibelverse als Überschrift, unter das Bild
Biblia, Das ist: Die Gantze Heilige Schrift, Alten und Neuen Testaments, Nach der deutschen Ubersetzung D.
Martini Lutheri, Nebst Dessen Geist-reichen Vorreden und Rand-Glossen; Imgleichen mit M. Viti Dieterichs Summarien, Und Francisci Vierlings Vorreden, Dann mit des Herrn David von Schweinitz Historisch- und Moralischen
Versen über jedes Capitul der Heil. Schrift, erläutert: Samt vielen Locis parallelis, oder gleich-Stimmigen Schrift-Stellen
... Braunschweig: Friedrich Wilhelm Meyer, 1722. [15] Bl., 1447 S., [2] Bl., 504 S., [2] Bl. Exemplar: Universitäts- und
Landesbibliothek Halle (AB KK 2, aus dem Besitz des Lyzeums Wernigerode). Diese Bibel entspricht in der Textgestalt
weitgehend der Bibelausgabe, die 1704 in der später von Friedrich Wilhelm Meyer übernommenen Zilligerschen
Buchhandlung in Braunschweig erschienen war; vgl. HÖVELMANN 1989, 198. Ihr Frontispiz, gezeichnet und gestochen
von Johann Georg Bäck, zeigt im unteren Teil rechts Moses mit den Gesetzestafeln und israelitischen Kultus, auch
König Salomo mit der Harfe – dem ist links ein die Bibel haltender Engel mit den Evangelistensymbolen gegenübergestellt, dahinter ein Altar mit Kreuz und Abendmahlskelch und eine Missionsszene. Der obere Teil zeigt eine Wolke mit
Christus im Strahlenkranz, umgeben von Engelsputten. Als Motti sind hervorgehoben die Bibelverse 2. Korinther 5
»Das alte ist vergangen, sihe, es ist alles neu worden« und Römer 13, 12 »Die Nacht ist vergangen, der Tag aber herbey
kommen«.
125 Catalogus novus universalis derer Bücher, welche vor den beygesetzten Preiß zu haben sind bey dem Buchhändler
Joh. Sam. Heinsius zu Leipzig 1748, 49.
126 Catalogus librorum theologicorum, juridicorum, medicorum, philosophicorum, philologicorum, historicorum et
aliorum, qui Lemgoviae in officina Meyeriana venales reperiuntur. Anno 1733, 37.
127 Johann Ulrich Krauss Historische Bilder-Bibel: welche besteht in Fünff Theil ... gezeichnet und in Kupfer gestochen von Johann Ulrich Kraussen. Augsburg: Krauss, 1698-1700. [2] Bl., 135 Taf., 2° – 2. Aufl. 1700, 3. Aufl. 1705.
128 Auktionshaus F. Dörling, Hamburg: 144. Auktion, 30.11./1.12.1992, Nr. 49. Vgl. Jahrbuch der Auktionspreise für
Bücher, Handschriften und Autographen, 43 (1992), 94.
124
28
sind zweispaltig gestochene erbauliche Alexandrinerverse gesetzt. Die untere Hälfte der Tafeln zeigt
eine reich geschmückte Kartusche mit einer oder mehreren weiteren Einzelszenen im Kleinformat.
Krauß’ von französischen Vorbildern beeinflussten Stiche gelten als einer der Höhepunkte der barocken Bibelillustration.129 Sie zeichnen sich durch eine bemerkenswerte Sorgfalt und künstlerische
Gewandtheit aus und beeindrucken durch den souveränen Umgang mit barocken Motivtraditionen.
Es gibt aber auch kritische Stimmen, die dem Künstler Eklektizismus und geringe Originalität bescheinigen: Krauß hat die Szenerien zu seinen Bildern mehrheitlich aus nichtreligiösen französischen Kupferstichwerken übernommen; für die Architektur lieferte zum Beispiel Jean Lepautre, für
die Gärten und Landschaften hauptsächlich die Künstlerfamilie Perelle die Vorlagen.130 Hermann
Oertel urteilte in einem Aufsatz zur Bibelillustration 1977, mit Krauß löse sich die biblische Graphik
ganz vom Bibeldruck, werde »barocke Artistik, die für das fromme Gemüt geschaffen sein soll, aber
an den Kunstliebhaber denkt.[...] Das biblische Geschehen in die eigene Gegenwart zu verlegen, um
den Zugang zum biblischen Ereignis zu erleichtern, war überlieferter Brauch der religiösen Kunst;
aber bei Kraus [sic] ist die Szenerie einseitiges Abbild französischer Hofkultur, damit Selbstzweck
und das biblische Geschehen in ihr ein Fremdkörper.«131 Es besteht allerdings auch kein Zweifel
daran, dass Krauß seine konfessionell nicht gebundenen Bibelillustrationen für die private Lektüre
und eine letztlich synästhetische Glaubensvertiefung erstellt hat.
Die Kupferbibel der Detmolder Landesbibliothek ist in zwei helle, handvergoldete Schweinslederbände gebunden. Sie gehörte – nach einer Eintragung auf dem Vorsatz mit dem Datum 17. April
1732 – Wilhelmine Charlotte von Wendt, der jüngsten Tochter des in hannoverschen Diensten
stehenden Freiherrn Johann Franz Dietrich von Wendt. Ihre Lebensdaten sind unbekannt, sie war
lutherischer Konfession und heiratete 1743 den hannoverschen Hof- und Kriegsrat August Ulrich
von Hardenberg.132 Die Bibel wurde 1956 antiquarisch für die Lippische Landesbibliothek erworben.
Zu einer Neuausgabe der Foliobibel von 1720 kam es erst 1756, als Johann Henrichs Witwe Anna
Henriette Meyer mit ihrem Schwiegersohn Christian Friedrich Helwing, dem damaligen Rektor des
Lemgoer Gymnasiums, die Firma leitete. Anna Henriette Meyer teilte das Vorhaben bereits in einem Brief an den Kanzler Sigismund Magnus Cracau vom 17. März 1755 mit und wies darauf hin,
dass sie zu diesem Druck »ein ziehmlich ansehnlich Capital« benötige, teils für das Papier, dessen
Preis gegenwärtig ohnehin sehr hoch sei, teils für die Druckerkosten. Sie sehe sich deshalb genötigt,
»um verschiedene aussenstehende Geld-Posten anzuhalten.« 133
Vgl. VOLLMER, HANS (Hg.), Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Bd.
21, Leipzig 1927, 440-443; LANCKORONSKA, MARIA/OEHLER, RICHARD, Die Buchillustration des XVIII. Jahrhunderts
in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Bd. 1, Hamburg 1932, 21f.; HUMMEL, HERIBERT, Die Bibel in Bildern.
Illustrierte Bibeldrucke des 15.-20. Jahrhunderts. Ein Katalog, Stuttgart 1983, 100, Nr. 56; ULMER, CLAUDIA, Drei
Werke von Johann Ulrich Krauß, in: REENTS, CHRISTINE, Bilderbibeln und illustrierte Bibeln aus sechs Jahrhunderten
(15.-20. Jh.). Ausstellung aus dem Bestand der Landesbibliothek Oldenburg und Versuch einer Beschreibung, Oldenburg 1988, 64-68, Nr. 47-49; DIEKAMP, BUSSO, Illustrierte Bibeln des 15. bis 19. Jahrhunderts aus dem Besitz der
Stadtbibliothek Worms. Begleitheft zur Ausstellung aus Anlaß des Lutherjahres 1996, Worms 1996, 41f.; MÜHLEN,
REINHARD, Die Bibel und ihr Titelblatt. Die bildliche Entwicklung der Titelblattgestaltung lutherischer Bibeldrucke
vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, Würzburg 2001, 126.
130 Vgl. REICHL, OTTO, Die Illustrationen in vier geistlichen Büchern des Augsburger Kupferstechers Johann Ulrich
Krauß, Straßburg 1933.
131 OERTEL, HERMANN, Das Bild in Bibeldrucken vom 15. bis zum 18. Jahrhundert, in: Jahrbuch der Gesellschaft für
Niedersächsische Kirchengeschichte, 75 (1977), 28f. [9-37].
132 Schriftliche Auskunft des Westfälischen Archivamts Münster (H. Conrad) vom 14.08.2003. Das Familienarchiv von
Wendt befindet sich im Besitz des Westfälischen Archivamts.
133 Schreiben von Anna Henriette Meyer an den lippischen Kanzler, 17.03.1755 (StADt, L 28 F Sect. III num. 2).
129
29
Die 1756 gedruckte Bibel ist ausdrücklich als »Zweite verbesserte und mit einer Abhandlung von
den jüdischen Alterthümern vermehrte Auflage« bezeichnet.134 Tatsächlich entspricht die Bibel von
1756 der früheren Ausgabe auch im Hinblick auf die verschiedenen Vorreden und Beigaben. Ebenso ist das Frontispiz von Johann Georg Bäck mit der Stadtansicht von Lemgo wieder aufgenommen worden.
Drei Exemplare der neuen Ausgabe besitzt die Detmolder Landesbibliothek, eines davon aus dem
Nachlass der Fürstin Elisabeth zur Lippe (1833-1896), versehen mit eigenhändigen Anstreichungen
und Anmerkungen der Fürstin, die auf ihre Lektüre der Schriften Friedrich Christoph Oetingers
(1702-1782) hinweisen.135 Die Werke dieses führenden württembergischen Pietisten und Theosophen des 18. Jahrhunderts wurden Mitte des 19. Jahrhunderts auf der Ebene des Erbaulichen erneut stark rezipiert.
Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld besitzen ein Exemplar, das aus dem Besitz der Familie Alemann im Amt Ravensberg stammt.136 Auf vorgebundenen Blättern hat Anton
August Alemann am 23. März 1780 familiengeschichtliche Notizen eingetragen, die die Genealogie
der Familie seit 1619 rekonstruieren. Auch über sich selbst gibt er Auskunft: 1732 geboren, wurde
er 1754 Actuarius des Amtes Ravensberg und 1762 Kommissionssekretär sowie Amtsschreiber,
dazu 1763 Kanonikus am Marienstift; er heiratete 1766 Johanna Friederike Schreven, geboren 1747,
und hatte sieben Kinder. Seine Notizen hat er in späteren Jahren bis 1796 fortgesetzt und um die
Todesnachrichten zu seiner Mutter und seiner Ehefrau wie zu seinem ältesten Sohn, der als Gefreiter eines K.u.K. Infanterieregiments 1793 am Faulfieber, also an Typhus starb – der Totenschein ist
eingeklebt –, ergänzt. Als Urgroßvater taucht der streitbare Pastor Johann Christoph Holtzhausen
(1640-1695)137 auf, der einen bewegten und auch Lippe tangierenden Lebenslauf hatte. Zunächst
Pfarrer in Schildesche und Herford, wurde er 1670 von Kurfürst Friedrich Wilhelm als Hofprediger
nach Berlin berufen, weigerte sich aber dort, das Religionsedikt zu unterzeichnen und musste deshalb Brandenburg verlassen. 1676 kam er als zweiter Pfarrer der lutherischen Nicolai-Gemeinde
nach Lemgo, ist dort, wie sein Urenkel vermerkt, »aber nicht lange geblieben, weil er in 21 Wochen
Eilf angebl. Hexen zum Tode begleitet, dem Magistrat darüber Vorwürfe gemacht und freywillig
Biblia Sacra, Das ist: Die gantze Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments, Nach der teutschen Uebersetzung D.
Martini Lutheri, Mit der Zugabe Des III und IV Buchs Esra, und des III Buchs der Maccabäer, Samt kurzem Inhalt
und Abtheilung eines jeden Capitels, Auch nöhtigen [sic] und erbaulichen Auslegungen der schweresten Oerter und
Sprüche, Nach D. Lutheri Rand-Glossen und Anmerckungen; Nebst Dessen geistreichen Vorreden eines jeden Buchs,
So dann mit Völligen Concordanzen, oder gleichen Schrift-Stellen: Und Einiger berühmten Gottes-Gelehrten Unterricht, wie die heil. Schrift erbaulich zu lesen, Dabey Ein vollständiges Alphabetisches Register der vornehmsten Lehren, Wie auch Ein Verzeichniß der Sprüche Alten Testaments, so im Neuen Testament angeführet und erkläret sind.
Zweite verbesserte und mit einer Abhandlung von den jüdischen Alterthümern vermehrte Auflage. Lemgo: Johann
Heinrich Meyers Witwe, 1756. [18] Bl., 1116, 308 S., [2] Bl., 2°. Preis: 1 Rthl. 6 gr. Noch 1834 lieferbar. Exemplare:
Stadtarchiv Bad Salzuflen (Nachlass Rudolph Brandes; offenbar Familienbibel von Heinrich Gottlieb Brandes und Elisabeth Ernestine Brandes, geb. Helwing, Salzuflen, Eheschließung 1831; in Salzuflen freundlicherweise von F. Meyer
autopsiert); Landeskirchliches Archiv Bielefeld (Pfarrbibliothek Hagen-Hohenlimburg, 1452. Vorbesitzer: Ministerialrat
Schmelzer, Ruhr-Departement, 1805; Hermann Gubner, 1836), Lippische Landesbibliothek Detmold (1. Ex.: Th 86d. 2°;
2. Ex.: Th 86d. 2°+1, erworben 1904 aus dem Nachlass von Elise Kestner, Detmold; 3. Ex.: Th 86.e.2°+2), Theologische Bibliothek der Lippischen Landeskirche Detmold (Bibelschrank), Universitätsbibliothek Greifswald (521/Fa 611 2º;
in Greifswald freundlicherweise von B. Blüggel autopsiert; Geschenk an die Bibliothek 1901 von Amalie Gerling,
Gützkow), Stadtarchiv Lemgo (8031), Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern Schwerin (Bb IV 855/5-4º; in Schwerin freundlicherweise von W. Weinert autopsiert), Württembergische Landesbibliothek Stuttgart (Bb. deutsch 175601,
Vorbesitzer: Josias Lorck).
135 Lippische Landesbibliothek Detmold (Th 86.e.2°+2) in 8 Einzelbänden.
136 Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld (E 70/2, aus der Gymnasialbibliothek zu Bielefeld).
137 Vgl. PUHSTKUCHEN 1767, 90f.; DREVES 1881, 346f., Nr. 21; BUTTERWECK 1926, 492, Nr. 17; BAUTZ, FRIEDRICH
WILHELM (Hg.), Biographisch-bibliographisches Kirchenlexikon. Bd. 2, Hamm 1990, 1011.
134
30
abgedankt« hat. Ein halbes Jahr nach seiner Berufung wechselte er nach Hildesheim. Aus dem Familienbesitz Alemann gelangte die Lemgoer Bibel später in die Bielefelder Gymnasialbibliothek.
Die Folio-Bibel von 1720/1756 war mehr als hundert Jahre lang in der Meyerschen Buchhandlung
vorrätig. Gottlieb Leopold Helwing, Urenkel des Verlegers Henrich Wilhelm Meyer, der die Erstausgabe 1720 veranstaltet hatte, machte noch 1820 in einem der Neuerwerbungsverzeichnisse der
Buchhandlung dafür Werbung: »Unsere Druckerey besorgt alle Arten von Drucksachen. Die schöne Bibel in Folio, welche sie unter Beförderung unsers Großvaters J. H. Meyer, des damaligen Eigenthümers der unterzeichneten Hofbuchhandlung und Hofbuchdruckerey-Anstalt, in der Mitte
vorigen Jahrhunderts lieferte, ist zu 1 Rthlr. Conv. Münze, äußerst preiswürdig, und paßt für das
schwächere Auge besonders.«138 Ein Antiquariatskatalog, den seine Witwe Caroline und sein Sohn
Leopold Helwing, die das Geschäft seit 1821 führten, zur Räumung ihres Bücherlagers 1834 herausgaben, bot immer noch die Ausgabe von 1756 zum Preis von einem Reichstaler zum Kauf an.139
Und der Verlagskatalog der Meyerschen Buchhandlung von 1848 führte sie nach wie vor als lieferbar auf.140
Rudolf Hoffer macht in Detmold dem Meyerschen Bibeldruck Konkurrenz
Spätestens 1722 entstand dem Verleger Henrich Wilhelm Meyer in Detmold Konkurrenz. Dort
hatte der Buchdrucker Rudolf Hoffer ein Verlagsgeschäft eröffnet und ebenfalls, wie bereits Meyer
im Jahr 1710, den Titel eines Hofbuchdruckers erhalten.141 Er hatte bereits ein Druckprivileg ȟber
Schul-, Gesang- und andere in Dero Landen gangbahre Bücher« bekommen und beantragte nun
beim Grafen Simon Henrich Adolf zur Lippe ein weiteres Privileg speziell für den Druck lippischer
Schulbücher, Katechismen, Evangelien, Psalter sowie »kleiner und großer Lobwasser«, also reformierter Gesangbücher.142 Ob er es bekommen hat, ist ungewiss; aber er hat tatsächlich in den Jahren 1725/26 einen Bibeldruck zustande gebracht, der in der Lippischen Landesbibliothek (Abb. 19)
und in der Theologischen Bibliothek der Lippischen Landeskirche in zwei Exemplaren erhalten
ist.143
Es war nicht der erste Bibeldruck des Druckerverlegers Hoffer. In der Bibel-Sammlung der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart finden sich zwei Lutherbibeln im Langduodezformat,
gedruckt und verlegt durch Rudolf Hoffer in Hamburg im Jahr 1716 und 1717. Die Texte des Alten
Testaments sind in beiden Bibeln druckgleich, Titelblätter, Frontispize, Widmung, Vorrede und
Druck des Neuen Testaments aber unterschiedlich.
Systematisches Verzeichnis neuer Bücher, Musikalien, Landcharten etc., welche vom May bis Ende October 1820
erschienen, und in der Meyerschen Hof-Buchhandlung zu Lemgo zu haben sind, o.O., Michael-Messe 1820, Vorbericht vom 13.11.1820. Exemplar: Lippische Landesbibliothek Detmold, Bg 81.
139 Verzeichniß alter, zum Theil höchst seltener Bücher, welche zu den beigesetzten festen Preisen gegen gleich baare
Bezahlung durch alle solide Buch- und antiquarische Handlungen Deutschland’s und der Schweiz von der Meyerschen
Hofbuchhandlung in Lemgo bezogen werden können, Lemgo 1834, 2. Exemplar: Lippische Landesbibliothek Detmold,
Bg 78.
140 Verlags-Catalog der Meyer’schen Hof-Buchhandlung in Lemgo und Detmold 1848, 9f.
141 Vgl. Supplikation des Buchdruckers Hoffer an den Regierenden Grafen Simon Henrich zur Lippe vom 13.07.1724
(StADt, L 28 F Sect. III num. 1); WEIßBRODT 1914, 24; BRENKER 1996, 25f.
142 Vgl. Supplikation des Buchdruckers Hoffer an den Regierenden Grafen Simon Henrich zur Lippe [1721] (StADt, L
18 D Sect. V Nr. 103).
143 Biblia, Das ist: Die gantze Göttliche Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments, Nach Der Deutschen Ubersetzung D. Martin Luthers, Mit kurtzen Summarien, Abtheilungen und Concordantzien oder gleichen Schrifft-Stellen.
Nach denen bewerthesten und neuesten Editionen mit Fleiß ausgefertigt. Detmold: Rudolff Hoffer, 1725-1726. [3] Bl.,
1128, 332 S., [2] Bl., 8°. Exemplare: Lippische Landesbibliothek Detmold (Th 885), Theologische Bibliothek der Lippischen Landeskirche Detmold (Dc 59 Mag.).
138
31
Die Bibel aus dem Jahr 1716144 enthält eine auf den 7. Mai 1716 datierte Widmung des Druckers
Hoffer an die Notabeln der Stadt Hamburg. Hoffer erinnert sie daran, »daß Sie nemlich die ihnen
von Gott verliehene Autorität und Macht / der Kirche allen nöthigen Beystand in Förderung der
reinen Lehre und eines gottseligen Wandels / und in Christlichem Eiffer gegen alle falsche Lehren
und öffentliche Scandale zu leisten / sie gegen alle innerliche und äusserliche Gefährlichkeiten der
Feinde zu schützen / und sie / so viel möglich / auszubreiten / anwenden sollen.« Dies geschehe
am besten dadurch, dass sich die Obrigkeit um die Ausbreitung des Gotteswortes bemühe. Daher
hoffe er auf eine Förderung seiner Bibel durch das Hamburger Stadtregiment, nachdem er »zu Ehren meines Gottes und zur Beförderung seines Worts eine neue Auflage der gantzen Bibel alhier
mit großen Kosten unternommen / auch durch Gottes Beystand zum Ende gebracht« habe. Der
Widmungsvorrede folgt eine Vorrede an den christlichen Leser von Johann Friedrich Winckler,
Pastor zu St. Nicolai in Hamburg, die auf den 24. April 1716 datiert ist.
Offenbar hatte Hoffer im Frühjahr 1716 den Druck eines Alten Testaments abschließen können,
den er dann um einen früheren Druck des Neuen Testaments zur Vollbibel ergänzte. Dieser
schließt sich nämlich mit einem auf das Druckjahr 1714 datierten Zwischentitelblatt an das Alte
Testament an. Das Zwischentitelblatt besagt, dass der folgende Bibeltext in Hamburg im Verlag der
zweiten Neustädter Armen-Schule verlegt und bei dem Buchdrucker Rudolf Hoffer am großen
Neuen Markt gedruckt worden sei. Das Neue Testament enthält ebenfalls eine Vorrede von Winckler, auf den 29. Januar 1714 datiert; sicherlich ist es bereits ab Anfang 1714 als eigenständiger Druck
vertrieben worden. Ihm mit eigener Foliierung angehängt ist »Der von dem Sel. Luthero doppelt
verteutschte Psalter Davids«, der ohne Angabe von Verlag und Druckerei auf das Druckjahr 1713
ausgestellt und möglicherweise noch vor der Fertigstellung des Neuen Testaments ebenfalls separat
verkauft wurde; dieser Druck war aber laut Titelblatt 1714 integrierter Bestandteil des Neuen Testaments.
Der Hoffer-Bibel aus dem Jahr 1717145 fehlt die Widmungsvorrede der vorjährigen Erstausgabe
völlig. Das Titelblatt und die letzten Seiten der Wincklerschen Vorrede wurden neu gesetzt, dann
folgen die 1146 unveränderten Seiten des Alten Testaments. Das Neue Testament schließt sich mit
Zwischentitelblatt als Neudruck des Jahres 1716 an, die Foliierung der früheren Ausgabe ist durch
eine durchgehende Paginierung ersetzt. Die vormals zum Neuen Testament erstellte Vorrede
Wincklers von 1714 ist in der Neuausgabe weggelassen, auch der nachgestellte Psalter fehlt; an seine
Stelle ist ein »Geistreiches Gesang- und Gebet-Büchlein« getreten, dessen Zwischentitelblatt es auf
das Druckjahr 1717 datiert; offenbar seinetwegen ist die Gesamtausgabe der Bibel jetzt auf das Jahr
1717 ausgestellt worden.
In Hamburg war Hoffer spätestens seit 1712 ansässig, in diesem Jahr druckte er einen Traktat des
Kieler Mathematikers Samuel Reyher »De nummis argenteis antiquissimis«. Möglicherweise hat die
Stadt Hamburg Hoffers folgende Bemühungen als Bibeldrucker nicht ausreichend gefördert; es
Biblia, Das ist: Die gantze H. Schrift Alten und Neuen Testaments Verdeutschet durch D. Mar. Luthern, Und mit
kurtzen Summarien und Concordantzien, auch ordentlicher Anweisung zum Sonn- und Fest-tägigen Gebrauch nützlich zugerichtet. Nunmehr in diesem bequemen Format, Mit dem Doppelt-Übersetzten Psalter, Mit unverdrossenem
Fleiß und sorgfältiger Bemühung nach den besten Editionen ausgefertiget, Nebst einer neuen Vorrede Hn. Johann
Friederich Wincklers, Pastoris der Kirchen zu St. Nicolai in Hamburg. Hamburg: gedruckt und verlegt durch Rudolff
Hoffer, 1716. Exemplar: Württembergische Landesbibliothek Stuttgart (B. deutsch 171603, Vorbesitzer: Josias Lorck,
mit Familiennotizen eines früheren Vorbesitzers auf dem hinteren Vorsatz).
145 Biblia, Das ist: Die gantze H. Schrift Alten und Neuen Testaments, Verdeutschet, durch Doct. Martin Luthern, Mit
kurtzen Summarien und Concordantzien Nach den besten Editionen aufs neue durchsehen. Nebst Einer neuen Vorrede Hn. Joh. Friderich Wincklers, Pastoris der Kirchen zu St. Nicolai in Hamburg. Wie auch einem Geistreichen Gesang- und Gebet-Büchlein. Hamburg: gedruckt und verlegt durch Rudolph Hoffer, 1717. Exemplar: Württembergische
Landesbibliothek Stuttgart (B. deutsch 171604, Vorbesitzer: Josias Lorck, früherer Besitzvermerk: F. W. Jessen 1719).
144
32
wird ja einen Grund gehabt haben, dass er in der Bibel des Jahres 1717 die Widmungsvorrede weg
ließ. Spätestens 1719 finden wir ihn in Bremen, er war von der lutherischen in die reformierte
Nachbarmetropole gewechselt. Der früheste nachgewiesene Druck Hoffers in Bremen ist ein Trauergedicht auf den verstorbenen Landdrosten Cort Veit von Witzleben. In Bremen druckte Hoffer
für den Verleger Johann Andreas Grimm.146 Im eigenen Verlag ließ er jeweils ohne Angabe des
Druckjahrs einen Lobwasser-Psalter, eine Predigt des Bremer Pfarrers Ludwig Georg Treviranus
sowie eine »Predigt von der Gnaden-Wahl« erscheinen. 1722 druckte er einen »Summarischen Bericht Vom Ursprung Der Streitigkeiten in Religions-Sachen zwischen den Evangelischen Kirchen
und worauf dieselbe noch beruhen, sampt Einem Schrifftmäßigen Unterricht Von der Weise der
Gegenwart und Gemeinschafft des wahren Leibs und Bluts Jesu Christi im heiligen Abendmahl«.
Was Hoffer bewogen hat, in die kleine Residenzstadt Detmold umzuziehen und dort noch einmal
einen Bibeldruck herzustellen, wird nicht mehr zu klären sein. In Detmold jedenfalls hat Hoffer es
noch einmal mit einer Widmung an die Obrigkeit versucht. Wie auch die spätere 7. Auflage der
Meyerschen Bibel ist seine Detmolder Bibel dem Grafen Simon Henrich Adolf und der Gräfin Johannette Wilhelmine zur Lippe gewidmet; die in devote Formeln gekleidete Widmung vom 6. August 1725 fällt allerdings sehr knapp aus. Es gibt eine »Vorrede an den Warheit-liebenden Leser«
von einer Seite Umfang, aber keine weiteren erbaulichen Einführungen in die Bibellektüre und auch
keine Nachrichten des Verlegers über sein glücklich abgeschlossenes Bibelprojekt.
Auskunft darüber gibt allerdings ein Schreiben Hoffers an seinen Landesherrn vom Anfang des
Jahres 1726.147 Darin teilt er mit, dass er nunmehr die »Anno 1723 angefangene Biebel nebst Lobwasser und Gesangbuch [...] mit großer Mühe und Unkosten unter Gottes Beystand und Seegen zu
Ende gebracht« habe. Allerdings hätte er das Projekt auch innerhalb eines einzigen Jahres vollenden
können, wenn nicht so viele Pränumeranten ihre für den Fortgang des Druckes erforderlichen Zahlungen schuldig geblieben wären. Leider hätten, obwohl das lippische Konsistorium einige der ausstehenden Zahlungen habe beitreiben können, noch immer über zweihundert Pränumeranten nicht
gezahlt. Und damit der Druck nicht ins Stocken gerate, habe er Gelder leihen müssen. Um nun auf
dem finanziellen Schaden nicht sitzen zu bleiben, schlägt er dem Grafen vor, ein Schreiben an alle
Pränumeranten ausgehen zu lassen mit der Aufforderung, bei Zahlung eines zusätzlichen Mariengroschens für die ohnehin preisgünstige Bibel werde diese 14 Tage nach Ostern ausgeliefert; bislang
säumige Zahler sollten durch die Zahlung von drei zusätzlichen Mariengroschen für den entstandenen Schaden in die Pflicht genommen werden. Ob Simon Henrich Adolf wie gewünscht verfahren
ist, ist nicht bekannt.
Das in grünes Leder gebundene Exemplar der Lippischen Landesbibliothek stammt aus dem Besitz
des Detmolder Stadtrentmeisters und Kaufmanns Christian Heinrich Schnitger (1775-1826), der es,
einem Vermerk des Bibliothekars Clostermeier auf dem Vorsatz und dem Eintrag des im Bibliotheksarchiv überlieferten »Verzeichnisses der der Bibliothek gemachten Geschenke an Büchern
usw. 1823-1894« zufolge, am 15. Juli 1822 »der Bibliothek verehrt« hat. Das Datum fällt in die Aufbauphase der Fürstlich Öffentlichen Bibliothek zu Detmold, die im April 1824 unter der Direktion
Clostermeiers im spätbarocken Reithaus eröffnet wurde; sicher hat Clostermeier das seltene Exemplar des Detmolder Drucks von seinem Besitzer für die öffentliche Bibliothek erbeten.
Mit seinen Typen wurde eine Zeit lang die von den Bremer Pfarrern Friedrich Adolf Lampe und Theodor von Has
herausgegebene Zeitschrift »Bibliotheca historico-philologico-theologica« gedruckt; zu den umfangreicheren Bremer
Drucken Hoffers gehört Luneberg Mushards »Bremisch- und Verdischer Ritter-Sahl Oder Denckmahl Der Uhralten
Berühmten Hoch-adelichen Geschlechter Insonderheit der Hochlöblichen Ritterschafft in Denen Hertzogthümern
Bremen und Verden« (1720).
147 Supplikation des Buchdruckers Hoffer an den Regierenden Grafen Simon Henrich zur Lippe [1726] (StADt, L 37 X
num. 6).
146
33
Das ehemals stark beschädigte, bereits restaurierte Exemplar der Theologischen Bibliothek Detmold war in einen dunklen Ledereinband gebunden, der die Initialen A. M. E. B. und das Jahr 1772
in Blindprägung auf dem Vorderdeckel trägt. Das Titelblatt fehlt. Der ohnehin schon 1450 Seiten
starken Bibel wurde noch ein reformiertes Gesangbuch der Meyerschen Buchhandlung von 1771,
bestehend aus Lobwasser-Psalter, Gesangbuch-Anhang und Heidelberger Katechismus mit je separater Paginierung und insgesamt 288 Seiten, angebunden. Im rückwärtigen Deckel haben Elise und
Henriette Meyer aus Meinberg im Jahr 1828 Bibelverse eingetragen.
Das Hoffersche Verlagsgeschäft hat in Detmold bis 1732 bestanden. Im Regierungsauftrag druckte
Hoffer um 1722 nach dem Original aus der Gräflich Lippischen Regierungskanzlei die »Reprotestatio Welche Occasione der zwischen Ihro Hochfürstl. Gnaden zu Paderborn und weyland Herrn
Simon Henrich, Regierenden Graffen und Edlen Herrn zur Lippe ... Wegen der Jurisdiction in denen Ämtern Schwalenberg und Oldenburg entstandenen ... Irrungen und Mißverstände«.148 Zeitweilig warb Hoffer bei Johann Henrich Meyer den Juristen Friedrich Hermann Cramer ab, der seit
1713 bei Meyer publizierte, aber 1722 bei ihm den zweiten Teil seines »Tractatus juris gentium ...
exhibens centuriam conclusionum jurisprudentiae universalis«149 und 1725 seine »Decisiones juris
publici de regalibus connexo indice copiosissimo«150 drucken ließ. Aus Hoffers weiterer Detmolder
Produktion sind bisher nur theologische Traktate bekannt geworden, etwa August Steubes »Das
unter dem Philadelphischen Engel (Ez. 37, 16 24) vereinigte Holtz Juda und Jsrael oder Vorschlag,
wie sich die Evang.-Reform[ierten] und Lutheraner im Punct des H[eiligen] Abendmahls vereinigen
können« (1723)151 und Wilhelm Hilgers »Glaubens-Bekäntniß ... abgeleget von dem gew[esenen]
Rabbiner Moses Levi Marcus ... in der Heiligen Tauffe Wilhelm Henrich benahmet« (1725).152 In
den Jahren 1724 bis 1727 befasste Hoffer den Landesherrn mit Eingaben gegen die Meyersche
Buchhandlung, die seine Druck- und Vertriebsrechte betreffend den Baumgartenschen Kalender
missachtete, in ihrer Buchhandlung auch die Hoffer-Bibel nicht verkaufte.153 Doch er stieß »gegen
eine Mauer aus Geschäftsverbindungen, die die Meyersche Buchhandlung aufgebaut hatte«154 und
hatte das Nachsehen. Offenbar ist er dann nach Zwickau weitergezogen, wo er um 1734 einen
Traktat von Christian Clodius, dem Rektor der dortigen Lateinschule, druckte.
Die »Neue Bät-Bibel« des lippischen Generalsuperintendenten
Sustmann wird 1740 neu aufgelegt
Im Jahr 1740 erschien bei Johann Henrich Meyer in Lemgo die »Neue Bät-Bibel«155 des früheren
lippischen Generalsuperintendenten Conrad Sustmann (Abb. 20).156 Diese war der Nachdruck eines
Exemplare: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz (12 in: 4° Gw 10735-2), Lippische Landesbibliothek
Detmold (LH 17.4°).
149 Exemplar: Lippische Landesbibliothek Detmold (R 760/6).
150 Exemplare: Universitätsbibliothek Bamberg (20/Jur. 955), Lippische Landesbibliothek Detmold (R 760/7), Bayerische
Staatsbibliothek München (1. Ex.: 4° J. rom. m. 9, 2. Ex.: 4° J. rom. f. 36, 3. Ex.: 4° Diss. 5265, 4. Ex.: 4° Diss. 1390),
Universitätsbibliothek München (0001/4 Jus 6318).
151 Exemplar: Stadtarchiv und Stadtbibliothek Soest (5 in Nn 1.48).
152 Exemplar: Lippische Landesbibliothek Detmold (LD 118).
153 Vgl. StADt, L 28 F Sect. III num. 1, Akten betr. das Calender-Privilegium 1724-1727.
154 BRENKER 1996, 25.
155 Neue Bät-Bibel, Darin Auf ein jedes Capitel der ganzen H. Schrift, ein besonder Gebät kurz, und also, daß zugleich
eines jeden Capitels Rechter Verstand, Fürnehmste Lehren und Heylsahmer Gebrauch, Den Einfältigen gezeiget, und
zur Seelen Erbauung gute Anleitung gegeben wird, Abgefasset und dem Druck übergeben, durch Conradus Sustmannus, Weyland gewesenen Superintendens der Grafschaft Lippe. Lemgo: zu finden bey Johann Heinrich Meyer, 1740. [6
Bl.], 1192 S. Preis: 27 gr. Vgl. auch GEORGI, Theil 4, 1742, S.173. Exemplare: Stadtarchiv und Landesgeschichtliche
Bibliothek Bielefeld (E 80/50), Lippische Landesbibliothek Detmold (Th 2892c, 1. u. 2. Ex.), Universitätsbibliothek
Leipzig (Pred. 2249).
148
34
der frühesten Erzeugnisse der Meyerschen Buchhandlung bereits im 17. Jahrhundert – noch vor
Gründung einer eigenen Druckerei in Lemgo hatten die Brüder Albert und Heinrich Meyer 1662
dieses Werk des lippischen Theologen verlegt und in Rinteln bei der Witwe des Buchdruckers Peter
Lucius drucken lassen.157 1666 hatten sie Sustmanns »Geistliche Sonnen-Strahlen, welche in den
gewöhnlichen Sonn- und Fest-Tags Evangelien hervorleuchten« verlegt.158 Weitere Ausgaben der
Betbibel waren 1681, 1695 und 1719 in Basel sowie 1702 in Danzig erschienen. Die Baseler Ausgabe
von 1719 war 1733 bei der Meyerschen Sortimentsbuchhandlung am Lager.159
Sustmann hatte das Werk 1662 seinem Landesherrn Hermann Adolf und der Gräfin Ernestine gewidmet. Widmung und Vorrede sind auch in Meyers Nachdruck von 1740 wieder mit aufgenommen. Darin liefert Sustmann die Begründung für sein immerhin fast 1200 Seiten starkes Werk:
»Recht und wol die Bibel lesen, macht recht und wol bäten. Und recht wol bäten, macht recht und
wol die Bibel lesen.« Das Gebet, so Sustmann in seiner Widmungsvorrede, sei ein »Schlüssel der
Erkänntniß, [...] so kann man darauf recht und mit Nutzen die Heilige Schrift lesen, und deren
Kern geniessen.« Er habe also zu dem Zweck, dass die lippischen Untertanen verstärkt zum Beten
angehalten würden, diese seine Betbibel verfasst und drucken lassen. Sie sei hauptsächlich für diejenigen gedacht, die sich selbst mit dem Formulieren von Gebeten schwer täten und in seinem Werk
vorformulierte Texte finden könnten: »In Betrachtung oftmahls bey einfältigen und bekümmerten
Hertzen es nicht so bald gebricht an der Begierde zu bäten, als an den Worten, dadurch, wann man
sie in Bereitschaft hat, solche Hertzensbegierde ziemlich befriediget wird.«
Das Buch selbst ist nun allerdings keine Bibel, sondern ein Gebetbuch. Jedem Bibelkapitel ist eine
Seite vorbehalten, die mit einem Gebet gefüllt ist, das der Bibelleser seiner Lektüre voranstellen soll,
um rechte Erkenntnis des Schriftsinns zu erlangen. Interessanterweise ist es das Bestreben der
Schriftsetzer in der Ausgabe von 1740 gewesen, die Seiten möglichst ganz auszufüllen. Es werden
deshalb verschieden große Schrifttypen benutzt. Als größte Type wurde eine Mittel verwendet;
doch nur selten passte der ganze Gebetstext in dieser Schrift auf die Seite – sobald der Setzer dies
merkte, wechselte er auf die nächstkleinere Schrifttype Cicero. Ließ die Länge des Gebetstextes von
vornherein erwarten, dass er im Schriftgrad Mittel nicht auf die Seite passen würde, wurde oben auf
der Seite in Cicero begonnen und gegebenenfalls in der nächstkleineren Korpusschrift fortgefahren.
Auch der Durchschuss wurde nach unten hin schmaler, wenn der Platz nicht reichte. Als ästhetisch
Conrad Sustmann (ca. 1615-1677), Pastor zu Treysa, 1651 als Generalsuperintendent nach Lippe berufen. Vgl.
PUHSTKUCHEN 1769, 61, Nr. 7, DREVES 1881, 33f., Nr. 7, BUTTERWECK 1926, 267, Nr. 8.
157 Neue Beth-Bibel, Darin Auff ein jedes Capitel der gantzen H. Schrifft ein besonders Gebet kurtz, und also: daß
zugleich eines jeden Capitels Rechter Verstand, Vornehmste Lehren, Und heylsamer Gebrauch, Den Einfältigen gezeiget, und zur Seelen Erbauung gute Anleitung gegeben wird, Abgefast, und dem Druck übergeben hat Cunradus
Sustmannus. Rinteln: bey Sel. Lucii nachgel. Witwen, In Verlegung Albert und Henrich Meyern, Gebrüdern, wohnhafftig zu Lemgow und Detmold, 1662. Exemplare: Universitäts- und Landesbibliothek Halle (AB 64140, aus der Regierungsbibliothek Merseburg), Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel (1. Ex.: Tc 330, 2. Ex.: 697.72 Theol.). In Lemgo
wurde die Erstausgabe von Sustmanns Betbibel 1773 aus dem Nachlass der Erben Engelbert Kämpfers versteigert, vgl.
Catalogus verschiedener rarer und auserlesener Theologisch-Juristisch-Medicinisch-Philosophisch-Philologisch- und
Historischer Bücher welche den 25ten October 1773 und folgende Tage des Morgens um 9 und des Nachmittags um 2
Uhr in Lemgo in der seel. Jungfer Kämpfern Behausung an den Meistbietenden verkauft, jedoch ohne baare Bezahlung
in Conventionsmünze nicht verabfolget werden sollen, Lemgo 1773, 229, Nr. 537. Exemplar: Stadtarchiv Lemgo, A 989,
durchschossen, mit Einträgen der Käufer und erzielten Auktionserlöse.
158 Geistliche Sonnen-Strahlen, Welche In den gewöhnlichen Sonn- und Fest-Tags Evangelien aus einem sonderbaren
Kern-Spruch hervor leuchten, und Vermittelst kurtz abgefaster Predigten anzuschawen, fürnemlich seinen einfältigen
Pfarrkindern zum besten, fürgestelt, und auff begehren dem Druck übergeben hat Cunradus Sustman. Lemgo: Gedruckt bey und in Verlegung Albert und Henrich Meyers Gebrüder, 1666. Exemplar: Theologische Bibliothek der
Lippischen Landeskirche Detmold (Qa 6600, 1. u. 2. Ex.). Vgl. GEORGI, Theil 4, 1742, 174 (Preis: 16 gr.); Universal
Catalogus der Bücher welche in der Meyerschen Buchhandlung zu Lemgo zu haben sind 1783. Bd. 2, 521.
159 Catalogus librorum theologicorum, juridicorum, medicorum, philosophicorum, philologicorum, historicorum et
aliorum, qui Lemgoviae in officina Meyeriana venales reperiuntur. Anno 1733, 381.
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gelungen hätte man das Ergebnis schon damals nicht bezeichnet; es kopierte offenbar ein Stilmittel,
das bereits in früheren Ausgaben der Betbibel angewandt worden war. So sind in den Baseler Ausgaben von 1681 und 1719 die Schriftgrade Cicero und Korpus gelegentlich nebeneinander eingesetzt worden, allerdings ist die Verwendung auf einer Seite nicht der Regelfall und das Druckbild
weit ebenmäßiger.
Offenbar fand Sustmanns Betbibel über viele Jahre ein dankbares Publikum, sonst hätte Johann
Henrich Meyer sie nicht fast achtzig Jahre nach ihrem ersten Erscheinen neu aufgelegt. Der Ladenpreis für die Neuausgabe betrug 27 Groschen; sie kostete damit genauso viel wie die früher in Lemgo verkaufte Baseler Ausgabe.160 Eines der Exemplare aus dem Druckjahr 1740 schenkte Elisabeth
Henriette Amalia zur Lippe, Äbtissin zu Cappel und zu St. Marien in Lemgo, am 5. Juni 1786 dem
Chor in Cappel – so hat sie es eigenhändig auf dem Schmutztitel vermerkt.161 Sustmanns Lemgoer
Betbibel war noch 1848 beim Verlag lieferbar.162
Noch 1863, zweihundert Jahre nach ihrer Entstehung, veranstaltete der Christliche Verein im nördlichen Deutschland eine Neuausgabe von Sustmanns Betbibel zum Gebrauch für die häusliche Andacht. Die Herausgeber beschreiben im Vorwort den Nutzwert des Werkes: »Wir dürfen uns nicht
wundern, daß dieselbe so vielfach begehrt und gebraucht worden ist, denn nicht allein wohnt der
rechte Gebetsgeist, welcher der heilige Geist ist, in diesen einfachen, und doch so tiefen und gesalbten Gebeten, sondern auch der Inhalt jedes Kapitels, auf welches sie sich beziehen, ist, obgleich
kurz, doch meist so vollständig, so bündig, so geistreich, so lichtvoll, so lehrhaftig und so erbaulich
wieder gegeben, daß bei aufmerksamer Betrachtung man ein eben so tiefes Verständniß des jedesmaligen Schriftabschnittes gewinnt, als das Gemüth durch die gemachte erbauliche Anwendung sich
erhoben und zu allem Guten gekräftigt fühlt. [...] Wir halten dafür, daß seine Gebete meist ein kurzer, aber überaus reicher Commentar der ganzen heiligen Schrift sind, und wenn der Hausvater, der
diese Gebete in seiner Hausandacht gebraucht, zuvor dieselben genau durchforscht, so wird er,
wenn er es sonst geeignet findet, seinen Hausgenossen auch eine genügende Auslegung der gelesenen Schriftstelle geben können, wodurch dann das am Schluß gesprochene Gebet um so erbaulicher und fruchtbarer werden wird.«163
Christian Friedrich Helwing stellt 1767 auf den Stehsatz um
Dem Verleger Christian Friedrich Helwing (1725-1800), der 1757 die alleinige Führung des Unternehmens übernahm, verdankte die Meyersche Buchhandlung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts den Ruf als eines der größeren deutschen Verlagsunternehmen. Er verwendete nach Übernahme der Verlagsleitung 1756 für den Druck einer neu eingerichteten Lemgoer Taschenbibel mit
einer Vorrede von Johann Friedrich Jacobi »stehen bleibende Schriften«, d.h. das Satzmaterial zu
sämtlichen 1104 Seiten der Bibel blieb nach dem Druck der Erstauflage in den Holzrahmen stehen,
die mehr als 3 Millionen Lettern wurden nicht für andere Drucke verwendet. Nur das Titelblatt und
Continuatio II. Catalogi librorum theologicorum, juridicorum, medicorum, philosophicorum, philologicorum,
historicorum et aliorum, qui Lemgoviae in officina Meyeriana venales reperiuntur. Anno 1739, 60.
161 Lippische Landesbibliothek Detmold (Th 2892c).
162 Verlags-Catalog der Meyer’schen Hof-Buchhandlung in Lemgo und Detmold 1848, 78.
163 Bet-Bibel, darin auf ein jedes Kapitel der Heiligen Schrift ein besonderes Gebet, kurz und also: daß des Kapitels
rechter Verstand, vornehmste Lehren und heilsamer Gebrauch gewiesen und zu der Seelen Erbauung gute Anleitung
gegeben wird. Hrsg. vom christlichen Verein im nördlichen Deutschland. Verlegt durch den christlichen Verein und zu
haben in der Niederlage seiner Schriften bei August Klöppel in Eisleben, wie auch bei G. E. Schulze in Leipzig, 1863.
2 Bde. Das Zitat Bd. 1, V-VI. Exemplare: Theologische Bibliothek der Lippischen Landeskirche Detmold (Wöbbel A
82, 83; aus der Pfarrbibliothek Wöbbel), Universitäts- und Landesbibliothek Halle (AB 114790), Universitätsbibliothek
Regensburg (00/BM 1800 B562), Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern Schwerin (Be VIII 2,398).
160
36
und die Vorrede wurden jeweils neu gesetzt. Das senkte die Personalkosten für die Schriftsetzer und
Korrektoren sowie die Druckfehlerquote und ermöglichte einen besonders günstigen Ladenpreis,
erforderte aber zunächst eine hohe Investition und band langfristig einen großen Teil des Betriebsvermögens.
Die Waisenhaus-Buchhandlung in Halle arbeitete schon seit Anfang des Jahrhunderts auf diese
Weise.164 Die ersten in der 1702 gegründeten Waisenhaus-Druckerei hergestellten Auflagen sowohl
des Neuen Testaments in Duodez als auch der ganzen Bibel in Großoktav wurden noch mit abgelegtem Satz hergestellt. Seit 1710 vorbereitet, erschien aber 1714 in Halle die erste Ausgabe des
Neuen Testaments zum Preis von 2 Groschen, drei Jahre später die erste Ausgabe einer Vollbibel in
Großoktav zum Preis von 9 Groschen mit stehenden Schriften, jeweils in einer Startauflage von
6.000 Exemplaren und ständig nachgedruckt. 1722 wurde die erste Taschenbibel im Duodezformat
in Nonpareille-Schrift ebenfalls mit stehendem Satz hergestellt und für 6 Groschen verkauft.165 Mit
dem ersten Stehsatz des Neuen Testaments konnten bis 1724 80.000 Exemplare, mit dem ersten
Satz der Großoktavbibel bis 1730 75.000 und mit dem ersten Satz der Duodezbibel bis 1732
120.000 Exemplare erzeugt werden.166 Die Bibeln der später »Cansteinsche Bibelanstalt« genannten
Halleschen Druckerei wurden ohne Geschäftsgewinn zum Herstellungspreis abgegeben; die Geschäftsidee war, die in Deutschland herrschende »Bibelnot« zu beseitigen und auch den Ärmsten
den Besitz einer Bibel zu ermöglichen. Bis zum Jahr 1800 wurden fast drei Millionen Hallesche Bibeln verkauft.
Christian Friedrich Helwing hatte in den Jahren 1743 bis 1749 in Halle studiert und dort offenbar
auch mitbekommen, welcher Umsatz sich mit einer Stehsatzbibel erzielen ließ. Denn trotz der nicht
zu schlagenden Halleschen Konkurrenz muss sich die Produktion einer Bibel im Stehsatzverfahren
auch für Helwing gelohnt haben. Von 1766 bis zu seinem Tod im Jahr 1800 erschienen in Lemgo
elf Auflagen dieser Lutherbibel; unter seinen Nachfolgern brachte sie es bis 1832 zur 26. Auflage.167
164 Vgl.
GOLDFRIEDRICH, JOHANN, Geschichte des Deutschen Buchhandels. Bd. 2: Vom Westfälischen Frieden bis
zum Beginn der klassischen Litteraturperiode (1648-1740), 346; SCHÜRMANN 1898, 30f., 48ff.; KÖSTER 1984, 88ff.,
100ff.; BRECHT, MARTIN, Franckes »Glauchasche Anstalten«, in: Ders. (Hg.), Der Pietismus vom 17. bis zum frühen
18. Jahrhundert, Göttingen 1993, 484-488; RAABE 1998, 163, 176, 180f.
165 SCHÜRMANN 1898, 52.
166 Ebd. 59.
167 Biblia das ist Die ganze Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments nach der teutschen Uebersetzung D. Martin
Luthers mit vorgesetztem kurzem Inhalt eines jeden Capitels und sehr vielen Concordanzen oder gleichen SchriftStellen, Mit einer Vorrede von Johann Friedrich Jacobi. Lemgo: gedruckt mit Meyerischen Schriften. [16] Bl., 848, 252
S., [2] Bl. 8°.
1. Aufl. 1767. Mit NT von 1766: Landeskirchliches Archiv Bielefeld (Pfarrbibliothek Hagen-Hohenlimburg, 1534, angebunden ist ein märkisches lutherisches Gesangbuch, gedruckt in Hagen 1769), Württembergische Landesbibliothek
Stuttgart (B. deutsch 176603, Vorbesitzer: Josias Lorck) - Mit NT von 1767: Stadtarchiv und Stadtbibliothek Soest (Z
4051; in Soest freundlicherweise von D. Elbert autopsiert).
2. Aufl. 1771. Mit NT von 1766. Preis: 12 gr. Exemplare: Lippische Landesbibliothek Detmold (Th 885bb, erworben
1933 von Lauffes, Barmen. Vorbesitzerin: Christina Maria Trapmann, Düsseldorf, 1.9.1791), Stadtbibliothek Dortmund
(72/844).
8. Aufl. 1788. Mit NT von 1789. Exemplar: Stadtarchiv Lemgo (Y 1892, aus der Lemgoer Gymnasialbibliothek, Vorbesitzer: Rudolph Brandes).
10. Aufl. 1796. Exemplar: Hessische Landesbibliothek Wiesbaden (Mf 2939/30-10, Ledereinband mit den Initialen C. R.
1799, erworben 1934 als Geschenk des Dekans Schmidt, Wiesbaden; in Wiesbaden freundlicherweise von R. Braun
autopsiert).
11. Aufl. 1799. Exemplar: Lippische Landesbibliothek Detmold (Th 885bba, erworben 1941 aus der Sammlung Wasserfall. Vorbesitzer: Ferdinand Weerth, Generalsuperintendent der Lippischen Landeskirche 1805-1836).
12. Aufl. 1802. Exemplar: Franckesche Stiftungen Halle an der Saale (Canst. 1732).
14. Aufl. 1811. Exemplare: Landeskirchliches Archiv Bielefeld (W 2291, Besitzeinträge von Maria Dorothea Elisa
Reusch, Springe 1814, und von Amalie Heidsiek, Lübbecke 1841), Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf (G
866, aus der Sammlung Günther, Besitzeintrag J. W. v. d. Sch. auf dem Titelblatt sowie von Louis Günther, Carl Wol-
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Die Helwingsche Taschenbibel enthält einen »Vorbericht des Verlegers wegen dieser durchgehends
verbesserten neuen Bibelausgabe« vom 1. Januar 1767, die in allen späteren Auflagen wieder abgedruckt ist. Helwing berichtet, was ihn zu dieser Neuausgabe veranlasst hat. Die Lemgoer Druckerei
habe nämlich außer der Foliobibel bisher vierzehn Auflagen der Taschenbibel mit Nonpareilleschrift hergestellt, davon die drei letzteren allerdings in einer höheren Auflage »als es die zu einer
Auflage bestimmet gewesenen Schriften ertragen mögen«. Damit habe sie zwar den Verkaufspreis
der Bibel senken, aber wegen der abgenutzten Typen nicht mehr das gewohnt saubere Druckbild
liefern können. »Der Verleger hat demnach dafür gesorget, daß diese feinere Handbibel nunmehr
so correct, so sauber und mit so gutem Papier, als es der äußerst billige Preis nur erlauben wollen, in
einer durchgehends verbesserten Einrichtung zum ersten male erscheinet.«
Die Herstellung der Bibel im Stehsatzverfahren hat sich offenbar über lange Zeit hingezogen. In
den Lippischen Intelligenzblättern vom 24. Oktober 1767 warb Helwing unter »Vermischte Nachrichten« für das neue Produkt: »Endlich ist die seit 1700 in ganz Deutschland genugsam bekante
Lemgoische kleine Bibel durch und durch mit stehenbleibenden Schriften nach Art der Cansteinischen in dem Waisenhause zu Halle gegossen, und dieses kostbare Vorhaben in zehen Jahren unter
götlichem Beistande vollendet worden. Ob Papier und Schriften sauberer sind, als in der hallischen
Ausgabe, das überlässet man dem Augenschein. Der Preis ist indessen ebenso geringe als der im
Waisenhause für diejenigen, welche sich die Bibeln in größeren Quantitäten verschreiben. Bei einzelnem Handverkauf bleibet derselbe auf dem vorigen Fuße. Die Vorrede, welche der Hr. Consistorialraht Jacobi zu Celle diesem Buche vorgesetzet hat, wird jedem Christen als merkwürdig in die
Augen fallen. Außer dieser kleineren Octavbibel wird in der Meyerschen Buchhandlung noch eine
Octavbibel mit etwas gröberer Schrift und zwar das einzelne Stük zu 18 mgr. die Lemgoische Foliobibel aber von 17 Alphabeten einzeln für 1 rthl. 6 mgr. verkauft.«168
Die Vorrede des Celler Generalsuperintendenten Johann Friedrich Jacobi,169 datiert auf den 6. Juni
1766, handelt »Von den Vorzügen der Heiligen Schrift vor allen Büchern, so je geschrieben worden«. Eine Fußnote des Verlegers gibt Auskunft, dass diese Vorrede wie auch die folgende »Ermunterung zum fleißigen Bibellesen« um der verschiedenen Leser willen vom Verfasser erbeten worden
sei; sie ist wohl auch nur mit der Lemgoer Bibel zusammen erschienen und für andere Bibeldrucke
ter und M... Hilger auf dem vorderen Spiegel; in Düsseldorf freundlicherweise von M. Plassmann autopsiert), Stadtarchiv Lemgo (Y 1882, mit NT von 1808, aus der Lemgoer Gymnasialbibliothek), Museum Hexenbürgermeisterhaus
Lemgo (Mus. 206, Vorbesitzerin: Auguste Kelbe).
15. Aufl. 1815. Nachweis: Bayerische Staatsbibliothek München (B. g. luth. 191b, Verlust).
18. Aufl. 1818. Exemplar: Stadtbibliothek Dortmund (63/2164).
19. Aufl. 1819. - Mit NT von 1820. Exemplare: Lippische Landesbibliothek Detmold (Th 884a), Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel (Bibel-Slg. 143).
22. Aufl. 1826. Exemplar: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz (Bu 10304, Vorbesitzer: Louis Klüssendorff, Exlibris: Reinhard Ehrlich).
23. Aufl. 1827. Exemplare: Theologische Bibliothek der Lippischen Landeskirche Detmold (Dc 59, Vorbesitzer: August
Menze, geb. am 31.08.1854. August Menze war der uneheliche Sohn der Wilhelmine Friederike Klemme (geb. 1835),
die wiederum ein uneheliches Kind der Tischlermeisterstochter Konradine Wilhelmine Klemme (geb. 1811) gewesen
ist; er wurde 1854 vom Detmolder Weißgerber und Sattler Andreas Arnold Menze (geb. 1817), der seit 1843 mit seiner
Großmutter verheiratet war, adoptiert), Museum Hexenbürgermeisterhaus Lemgo (o. Sign., Vorbesitzer: Karl Müller,
Blomberg), Erzbischöflich Akademische Bibliothek Paderborn (51 A 177, vermutlich aus der Pfarrbibliothek Stukenbrock; in Paderborn freundlicherweise von H.-J. Schmalor autopsiert).
24. Aufl. 1830.- Mit NT von 1832. Exemplar: Theologische Bibliothek der Lippischen Landeskirche Detmold (Dc 54).
26. Aufl. 1832. Mit NT von 1833. Exemplar: Theologische Bibliothek der Lippischen Landeskirche Detmold (Dc 77.
Vorbesitzer: Friedrich T. Dubbert, 1834, mit Geburtsnotizen zu fünf Kindern aus den Jahren 1859-1869 im Vorderdeckel).
168 Fürstlich Lippische Intelligenzblätter, Nr. 38 vom 24.10.1767, 599f.
169 Johann Friedrich Jacobi (1712-1791), Theologe, ab 1858 Konsistorialrat und Generalsuperintendent des Fürstentums Lüneburg in Celle. Die Meyersche Buchhandlung hat keine weiteren Schriften Jacobis verlegt.
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nicht verwendet worden. Ausgangspunkt von Jacobis Vorrede ist der seines Seelenheils ungewisse
Leser, der die Gewissheit weder in den Büchern der alten noch in den Schriften der neuen Weisen
findet:
»Ich sehe, daß aller Unterricht, den mir die Weisen dieser Welt geben, mich in den wichtigsten Dingen, ohne welche doch mein Gemüth keine dauerhafte Ruhe findet, zu keiner freudigen Gewißheit
bringen kann. Ich kehre demnach zu den Büchern zurück, welche man mir in meiner Kindheit als
göttliche Bücher in die Hände gegeben, und deren Lehren mich schon oft entzückt. Diese verkündigen und versichern, was mein trauriges Gemüthe wünschet, einen Gott, der alles mit Güte regieret, der auch mich kennet und für mich sorget, der mir als Sünder eine heiligende Gnade gestiftet,
und in seinem ewigen Rathe mir eine Unsterblichkeit bestimmet hat, wenn ich mich dazu bereiten
lassen will. O möchte mich doch nie der Witz und das Geschrey derer irre machen, welchen der
Glaube und die Pflichten der göttlichen Offenbarung unerträglich vorkommen. O Seele, wollen die
Zweifel derer, welche das Göttliche der Offenbarung nicht erkennen, deinen Glauben wankend
machen, so siehe insonderheit auf die großen und seligen Wirkungen der heiligen Schrift, die sie in
der Welt und auch in dir selber hervorgebracht, und auf die Art, wie solches geschehen: so wirst du
inne werden, daß nie ein menschliches Buch dergleichen bewirket, und daß sie folglich einen höhern Ursprung haben müsse. Dieser Erdboden kann ja kein einziges Buch aufweisen, welches den
Bewohnern desselben so vieles Heil und Vergnügen verschaffet hätte, als diejenige Samlung von
Büchern, welche wir die Heilige Schrift nennen, und dieses ist der deutlichste Beweis von ihrer Vortreflichkeit.«
Diese Argumentation, ausgehend von der Wirkung der Heiligen Schrift, die den Skeptiker von ihrer
»Vortrefflichkeit« überzeugen soll, ist etwas ganz anderes als das A-Priori der Identität von Bibeltext
und Gotteswort in Johann Arndts Vorrede zum Bibeldruck von 1700. Jacobi gehörte zu den Theologen der Aufklärung, die auch die Religion aus der Vernunft begründeten und den Sinn der Bibellektüre aus ihrer ethisch-moralischen Wirkung auf den einzelnen und auf die Wohlfahrt der Allgemeinheit. Seine in Hannover und Celle erschienenen Schriften waren im Sortiment der Meyerschen
Buchhandlung vorrätig.170
Es ist sicher kein Zufall, dass Helwing seiner Bibelneuausgabe auch ein »moderneres« Vorwort mitgab. Er selbst war in seiner Studienzeit in Halle Schüler des Theologen Siegmund Jakob Baumgarten (1706-1757) gewesen, der ihn auch als Hauslehrer und Bibliothekar beschäftigt hatte. Baumgarten gilt als wichtigster Hallescher Vertreter einer »Übergangstheologie« zwischen Pietismus und
Aufklärung; er integrierte bereits die Wolffsche Philosophie und die Geschichtswissenschaft in seine
Theologie und hatte sicherlich entscheidenden Anteil an der geistigen Prägung des späteren Verlegers Helwing.171
Neben der Vollbibel gab es auch von der Helwingschen Taschenbibel mit stehenden Schriften wieder Einzelausgaben des Neuen Testaments.172 Sie wurden gelegentlich auch mit dem separat ge-
170 Universal Catalogus der Bücher welche in der Meyerschen Buchhandlung zu Lemgo zu haben sind. Bd. 1, 1783,
921; Anhang zum Universalcatalogus der Bücher welche in der Meyerschen Buchhandlung zu Lemgo zu haben sind,
238; Verzeichnis neuer Bücher so aus der Frankfurter und Leipziger Oster- und Michaelmesse 1785 in der Meyerschen
Buchhandlung zu Lemgo angeschaffet worden, und daselbst für beygesetzte billige Preise zu haben sind, 1785, 47.
171 Vgl. SCHLOEMANN, MARTIN, Siegmund Jacob Baumgarten. System und Geschichte in der Theologie des Übergangs
zum Neuprotestantismus, Göttingen 1974; BRECHT, MARTIN, Der Hallische Pietismus in der Mitte des 18. Jahrhunderts – seine Ausstrahlung und sein Niedergang, in: BRECHT/DEPPERMANN 1995, 329-333 [319-357].
172 Ein Exemplar des Neuen Testaments im Druck von 1799 war im Besitz von Friedrich August Volland (gest. 1825),
1817-1825 Pastor in Schlangen, dessen nachgelassene Bibliothek im August 1826 in Detmold versteigert wurde, vgl.
Verzeichniß von Büchern, größtentheils theologischen, philologischen und pädagogischen Inhalts, welche am 28 Au-
39
druckten Psalter und einem Gesangbuch zusammengebunden verkauft.173 Aus diesem Grund haben
auch alle Vollbibeln eine separate Paginierung des Neuen Testaments und ein Zwischentitelblatt –
im Stehsatz ließen sich die Seitenzahlen ja nicht verändern.
Gottlieb Leopold Helwing (1771-1821, Abb. 21), der Sohn Christian Friedrich Helwings, der die
Lemgoer Buchhandlung im Jahr 1800 übernahm, wies im Neuerwerbungskatalog der Meyerschen
Buchhandlung vom Herbst 1820 nicht nur auf die andauernde Verfügbarkeit der Foliobibel von
1756, sondern auch der Stehsatzbibel von 1767 hin: »Von der gewöhnlichen Bibelausgabe mit stehenbleibender kleiner Schrift, welche unser Vater, Christian Friedrich Helwing im dritten Viertel
vorigen Jahrhunderts aus eigenen Mitteln veranstaltete, und wovon jetzt schon mehrere hundert
tausend Abdrücke aufgelegt worden, ist fast ununterbrochen bey uns Vorrath, und kosten 100 Exemplare bey baarer und Portofreyer Vorausbezahlung 6½ Friedrichsd’or in Golde, nebst 12 ggr. als
Emballage-Vergütung, einzelne Exemplare aber 9 ggr. Conv. Münze.«174
In den Neuerwerbungskatalogen der Meyerschen Buchhandlung ab 1801 wurden die verlagseigenen
Bibeldrucke nicht mehr angezeigt; überhaupt scheint die Neuerwerbung von Bibeln für das Sortiment stark rückläufig gewesen zu sein.175 Nur 1820 wird in den Verzeichnissen einmal wieder auf die
eigene Bibelproduktion hingewiesen. Das neu erwachte Interesse des Verlegers Gottlieb Leopold
Helwing am Verkauf seiner Bibeln (Abb. 22) dürfte auch im Zusammenhang stehen mit den sich
entfaltenden Aktivitäten der 1816 gegründeten Lippischen Bibelgesellschaft.
Die Lippische Bibelgesellschaft, die Armen und Bedürftigen die Bibel unentgeltlich zur Verfügung
stellen wollte und sich in Absprache mit dem Fürstlich Lippischen Konsistorium in den ersten Jahren vor allem das Ziel setzte, jedem lippischen Konfirmanden als »Mitgift fürs Leben« eine eigene
Bibel in die Hand zu geben, war nach ihrer Gründung vermutlich der wichtigste Abnehmer von
Lemgoer Stehsatzbibeln. Auf der ersten Vorstandssitzung am 25. April 1816 wurde beschlossen,
zunächst einmal 100 Duodezbibeln für die Jugend von Meyer in Lemgo und 25 Bibeln der großen
Baseler Ausgabe »für ältere Personen« von der Hermannschen Buchhandlung in Frankfurt am Main
zu beziehen – fast hundert Jahre nach der von Henrich Wilhelm Meyer veranstalteten Foliobibel im
Großdruck für die »alten und bejahreten Christ-glaubigen Seelen« war also wieder einmal Altersweitsichtigkeit Kriterium einer Geschäftsentscheidung.176 Die im Vergleich zur Lemgoer Stehsatzbibel relativ teure Großoktav-Ausgabe der Hermannschen Buchhandlung war zum Preis von 6
gust 1826 und an den folgenden Tagen in Detmold an den Meistbietenden verkauft werden sollen, Lemgo 1826, 57,
Nr. 899. Exemplar: Lippische Landesbibliothek Detmold, Bg 82.
173 Ausgabe von 1767: Lippische Landesbibliothek Detmold (LD 27) mit dem Lemgoer lutherischen Gesangbuch von
1752; Ausgabe von 1825: Lippische Landesbibliothek Detmold (Th 3940, erworben 1959 mit anderen Lippiaca von
Gallaun, Detmold) mit angebundenem Psalter (1821), Gesangbuch von L. F. A. v. Cölln (1821), Gesangbuch-Anhang
von Stosch (1825).
174 Systematisches Verzeichnis neuer Bücher, Musikalien, Landcharten etc., welche vom May bis Ende October 1820
erschienen, und in der Meyerschen Hof-Buchhandlung zu Lemgo zu haben sind, Michael-Messe 1820, Vorbericht vom
13.11.1820.
175 Systematisches Verzeichnis neuer [bis 1811: deutscher, französischer, englischer, [spanischer], italienischer] Bücher
und Musikalien, welche aus der Frankfurter und Leipziger Oster- [und Michael-]messe ... in der Meyerschen Buchhandlung zu Lemgo [bis Michaelismesse 1809: und in der Academischen Buchhandlung zu Rinteln / Ostermesse 1810:
und Rinteln] angeschaffet und für beygesetzte Preise zu haben sind, o.O., 1801ff. Exemplar: Lippische Landesbibliothek Detmold, Bg 81, Jahrgänge 1801-1802, 1809-1813, 1814; Systematisches Verzeichnis neuer Bücher, Musikalien und
Landcharten, welche von ... bis ... [ab 1816: erschienen und] in der Meyerschen Hof-Buchhandlung zu Lemgo angeschaffet und [bis 1818: für beygesetzte Preise] zu haben sind, o.O., 1815ff. Exemplar: Lippische Landesbibliothek
Detmold, Bg 81, Jahrgänge 1815-1824; Verzeichnis der Bücher, Landkarten etc., welche vom ... bis ... neu erschienen
oder neu aufgelegt sind, mit Bemerckung der Bogenzahl, der Verleger und Preise, nebst andern literarischen Notizen
und einem wissenschaftlichen Repertorium; zu finden in der Meyerschen Hofbuchhandlung in Lemgo, o.O., 1825ff.
Exemplar: Lippische Landesbibliothek Detmold, Bg 81, Jahrgänge 1825-1830.
176 WEßEL, AUGUST, Die Lippische Bibelgesellschaft 1816-1916, Detmold 1916, 15.
40
Reichstalern auch im Sortiment der Meyerschen Buchhandlung zu finden. Innerhalb des ersten
halben Jahres verteilte die Lippische Bibelgesellschaft 284 Vollbibeln und 15 Neue Testamente.177
Gottlieb Leopold Helwing gelang es offenbar nicht, die Lippische Bibelgesellschaft von der Tauglichkeit seiner Stehsatzbibel für alle Zwecke zu überzeugen; er erklärte es zwar für »unpatriotisch«,
wenn mit lippischem Geld Bibeln im »Ausland« gekauft würden, konnte aber nicht verhindern, dass
die Bibelgesellschaft auch in Geschäftsverkehr stand mit der Hermannschen Buchhandlung in
Frankfurt, der Hahnschen Buchhandlung in Hannover, mit Bösendahl in Rinteln, Steinhaus in
Barmen oder Teubner in Leipzig.178 Wirklich zu beklagen hatten er und seine Nachfolger sich allerdings nicht. Eine Aufstellung aus dem Jahr 1843 ergab, dass die Bibelgesellschaft seit 1816 insgesamt
5.124 Lemgoer Bibeln, 74 hannoversche Bibeln, 157 hannoversche Neue Testamente und 30 Londoner Neue Testamente verteilt hatte.179 Bibeln der Cansteinschen Bibelanstalt wurden erst ab 1862
bezogen,180 aber da wurden schon lange keine Bibeln mehr in Lippe gedruckt.
Nach der 26. Auflage von 1832 wurde der Bibeldruck in Lippe eingestellt. Der Konkurrenz der
deutschen Bibelanstalten mit ihrer unschlagbar preisgünstigen Massenproduktion war der privat
geführte Buchverlag nicht mehr gewachsen. Gleichwohl erschienen noch 1845 und 1848 in der
Meyerschen Buchhandlung, die inzwischen ihren Firmensitz nach Detmold verlegt hatte, unbezifferte Nachauflagen des Psalters und des Neuen Testaments der Stehsatzbibel.181 Von ihnen konnte
nur noch ein einziges Exemplar ermittelt werden, das zusammen mit einem Detmolder reformierten Gesangbuch von 1857 als Hochzeitsgeschenk aus dem Jahr 1859 überliefert ist.182
Wilhelm Friedrich Hezel publiziert ab 1780 eine annotierte Bibel für »alle Leserklassen«
Christian Friedrich Helwing übernahm 1780 auch den Verlag der zehnbändigen Bibelausgabe »mit
vollständig-erklärenden Anmerkungen« von Wilhelm Friedrich Hezel (1754-1824).183 Dieser, Theologe und Orientalist, hatte seit 1772 in Jena Theologie studiert. Er lebte ab 1778 als Privatgelehrter
in Ilmenau, 1786 wurde er als Professor für orientalische und biblische Literatur nach Gießen berufen, 1801 wechselte er an die Universität Dorpat.
In Ilmenau widmete sich Hezel der Ausarbeitung eines großen erklärenden Bibelwerkes aus rationalistischem Zeitgeist. In seiner Selbstauskunft zu Strieders »Hessischer Gelehrtengeschichte« aus dem
Jahr 1819 berichtet er, er habe sich damals entschlossen, »erst die schwersten Stücke, und nachher
die ganze Bibel in einem deutschen Kommentar zu erklären. Es fanden sich bei tausend Subskribenten. Zur Ausarbeitung dieses Werks mußte er Ruhe suchen. Kollegienlesen wollte er nur so lange einstellen, und zugleich an einem kleineren Orte mehr für seine häusliche Ruhe sorgen. Wunder-
Fürstlich Lippische Intelligenzblätter, Nr. 40 vom 5.10.1816, 317.
WEßEL 1916, 14.
179 Ebd. 38f.
180 Ebd. 38.
181 Vgl. Verlags-Catalog der Meyer’schen Hof-Buchhandlung in Lemgo und Detmold 1848, 79.
182 Die Heilige Schrift Neuen Testaments Unsers Herrn Jesu Christi ... Lemgo: gedruckt mit Meyerschen Schriften,
1848. Angebunden: Der Psalter oder die 150 Geistliche Psalmen des heiligen Königes und Propheten Davids ... Lemgo
und Detmold: gedruckt mit Meyer’schen Schriften, 1845. Angebunden: Gesangbuch für die kirchliche und häusliche
Andacht der evangelischen Gemeinden im Fürstenthume Lippe. Detmold: Meyer, 1857. Exemplar: Museum Hexenbürgermeisterhaus Lemgo (Mus. 208, Hochzeitsbibel von W.N. und F.N. 1859).
183 STRIEDER, FRIEDRICH WILHELM, Grundlage zu einer Hessischen Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte. Bd. 18,
Marburg 1819, 222-239; DÖRING, HEINRICH, Die gelehrten Theologen Deutschlands im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert nach ihrem Leben und Wirken dargestellt. Bd. 1, Neustadt a. d. Orla 1833, 728-737; ALLGEMEINE
DEUTSCHE BIOGRAPHIE. Bd. 12, Leipzig 1880, 381f. (Redslob). Zu Hezel vgl. auch BRENKER 1996, 63f.
177
178
41
bar wies ihm die Vorsehung die Stätte an, wo er’s sollte.«184 Auf einer Reise mit dem Mediziner
Ernst Schwabe lernte er in Ilmenau dessen Schwester Charlotte Henriette kennen, mit der er sich
1778 verheiratete. Der Tod seines Schwiegervaters und das ihm dabei zufallende Erbe ermöglichte
ihm ab 1780 offenbar ein sorgenfreies Landleben. Bereits als Sechsundzwanzigjähriger ließ er bei
der Meyerschen Buchhandlung den ersten Band seiner Bibelexegese zu den fünf Büchern Mose
erscheinen und versicherte in der Vorrede nicht unbescheiden, dass »die christliche, und zwar insonderheit die evangelische Religion, durch meine Anmerkungen eher gewinnen, als verlieren werde«.185
Hezel hatte seine kommentierte Bibel ursprünglich im Selbstverlag herausgeben wollen und über
eine Subskribentenliste Käufer geworben. Der zweite Band führt mehr als 550 von ihnen namentlich auf. Unter der Hand geriet ihm das Ganze stetig umfangreicher als geplant; statt das Werk – wie
im ersten Band angekündigt – innerhalb von drei Jahren fertig zu stellen, schloss er es erst zur Ostermesse 1791 mit dem zehnten Band ab. Entschädigt wurden die Subskribenten mit dem in
Kupfer gestochenen Portrait des Verfassers, das dem letzten Band als Frontispiz beigegeben war
(Abb. 23).
Hezels Unvermögen, sich knapp zu fassen, war aber nicht der einzige Grund für ein zeitweise säumiges Erscheinen der Bibel. Bei der Herstellung gab es offenbar gleich anfangs Probleme mit der
Papierlieferung. Hezel zitiert einen Brief Helwings: »Wegen des Papiers, weshalb wir jetzo, da so viel
nach Hamburg, Lübeck, Bremen und übers Meer geht, in großer Verlegenheit sind, (hier sowol als
im übrigen Deutschland) muß ich Ihnen klagen, daß ich von der Sorte zur Bibel kaum zu einem
Theil habe. Ich habe nemlich nicht genug davon geliefert erhalten. Es ist also unmöglich, zu Michael einen Theil, und zu Ostern 1781 wieder einen Theil zu liefern ...«.186 Hieraus begründete sich
schon die verzögerte Lieferung des zweiten Bandes, der erst zu Ostern 1781 erschien. Die aktuelle
Papierknappheit in Lippe im Jahr 1780 dokumentiert auch eine am 26. September 1780 erlassene
Landesverordnung, die vorschrieb, dass die Lumpensammler in Lippe nur die einheimischen Papiermühlen beliefern und nichts nach außerhalb exportieren durften.187
STRIEDER 1819, 227.
Die Bibel Alten und Neuen Testaments mit vollständig-erklärenden Anmerkungen von Friedrich Wilhelm Hezel.
Th. 1-10. Lemgo: im Verlag der Meyerschen Buchhandlung, 1780-1791. Exemplare: Staats- und Stadtbibliothek Augsburg (Th B VII 100, nur Th. 1, 3, 5, 7 und 9), Universitätsbibliothek Augsburg (02 XIII 4.8.470), Staatsbibliothek zu
Berlin Preußischer Kulturbesitz (Bibl. Diez 8° 27-36, Th. 2-7: 2. Aufl. 1788-1793), Universitäts- und Landesbibliothek
Darmstadt (V 648, Th. 1-3 u. 5-7: 2. Aufl. 1786-1793), Lippische Landesbibliothek Detmold (1. Ex.: Th 882; 2. Ex. unter
derselben Signatur aus der Gymnasialbibliothek Lemgo, Vorbesitzer: Hofmarschall Wilhelm Gottlieb Levin von Donop), Theologische Bibliothek der Lippischen Landeskirche Detmold (Jh 101, nur Th. 9), Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen (8° Th. Bib. 608/55), Universitätsbibliothek Greifswald (520/Fc 15, Th. 1-3 in 2. Aufl.; in Greifswald
freundlicherweise von B. Blüggel autopsiert), Franckesche Stiftungen Halle an der Saale (Canst: 1706, nur Th. 1-8),
Universitäts- und Landesbibliothek Halle (Ie 78, nur Th. 6 u. 8-10), Universitäts- und Landesbibliothek Jena (8° Theol.
XXII, 2k), Stadtarchiv Lemgo (Y 1889, nur Th. 1-4, aus der Lemgoer Gymnasialbibliothek), Universitätsbibliothek München (Bibl. 186, Vorbesitzerstempel »Ad Bibl. Acad. Land.«; Vorbesitz der Königlichen Bibliothek München, als Dublette an die Universitätsbibliothek abgegeben; Eintragung auf den Vorsätzen: »Comparavit ... D. Benedictus Abbas Weltenburgk. 1792.«; die beiden Exemplare der Bayerischen Staatsbibliothek sind inzwischen als Verlust gekennzeichnet);
Diözesanbibliothek Münster (o. Sign.), Universitätsbibliothek Rostock (Fb 3157, nur Th. 1-5 und 9, Th. 1 mit dem Besitzvermerk »Siemssen« auf dem Titelblatt möglicherweise aus dem Vorbesitz des Rostocker Naturwissenschaftlers
Adolf Christian Siemssen (1768-1833), Th. 9 mit dem Besitzvermerk »Kaupmann 1820« auf dem Vorsatz gelangte
1939 aus dem Nachlass des reformierten Pfarrers und mecklenburgischen Ministers Carl Gladischewski (1862-1938) an
die Universitätsbibliothek Rostock; die Bibel wurde dort freundlicherweise von C. Michaelis autopsiert), Württembergische Landesbibliothek Stuttgart (1. Ex.: B. deutsch 178005; 2. Ex.: B. deutsch 178604, nur Th. 8-10, Th. 1-7 in 2.
Auflage), Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar (Cl I : 142 (aa), unvollst.), Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel
(Tc 188).
186 Hezel, Wilhelm Friedrich, Ueber die Quellen der Mosaischen Urgeschichte, Lemgo 1780, Vorrede, o. S.
187 Landesverordnungen der Grafschaft Lippe. Bd. 2, Lemgo 1781, 737.
184
185
42
Schon der erste Band zum Preis von 1 Reichstaler und 8 Guten Groschen (Abb. 24) enthielt weit
weniger kommentierten Bibeltext als in der Subskription angekündigt worden war, so dass Hezel
erklärte: »Der Verlagshandlung ist es, wie ich merke, nicht leid, für jeden Abonnenten, den es aus
diesem Grund reuen sollte, auf meine Bibel unterzeichnet zu haben, wieder einen andern Käufer zu
finden, der, als Käufer, (denn Subscribent ist er nicht) sichs gefallen lässt, noch ein Drittel über den
Subscriptionspreiß zu zahlen.« Der Ladenpreis lag also noch einmal um ein Drittel höher als der
Subskriptionspreis. Nach Abschluss des Gesamtwerks 1791 fügte die Meyersche Buchhandlung
dem zehnten Band eine »Nachricht« an, in der sie die Leser über den aktuellen Ladenpreis von 19
Reichstalern 6 Guten Groschen Sächsischer Währung informierte und anbot, bei Komplettabnahme bis zur Michaelismesse 1791 und Barzahlung einen Vorzugspreis von nur 12 Reichstalern und 20
Guten Groschen einzuräumen.188
Gedacht war diese Bibel für »alle Leserklassen«, insbesondere aber für Prediger in den Städten und
auf dem Land, die Erklärungsbedürftiges bei Hezel bequem nachschlagen können sollten, statt in
der theologischen Fachliteratur suchen zu müssen. Die lippischen Pastoren August Führing in Brake, Johann Philipp Ludwig Finke in Detmold, Gottfried Jülicher in Donop, August Heinrich König
und Hector Wilhelm Süvern von St. Nicolai und Johann Friedrich Sasse von St. Marien in Lemgo,
Leopold Adolf Radau in Schötmar und die Kandidaten Johann Friedrich Ludwig Dreves aus Horn
und Plöger aus Detmold haben denn auch das Werk subskribiert. Brauchbar sollte es aber auch für
interessierte Laien sein, erwähnt wird gut aufklärerisch der nicht ganz ungebildete »Hausvater«, der
über ihm dunkle Bibelstellen die nötige Belehrung erfahren sollte. Damit entsprach Hezels Anliegen
auch dem Interesse des Verlegers Helwing, dessen Verlagsprogramm sich hauptsächlich an eine
breite Öffentlichkeit mit aufgeklärtem Bildungsinteresse, weniger an ein gelehrtes Zielpublikum
richtete. Eine Verbreitung bei einfachen Leuten verhinderte selbstverständlich schon der stolze
Preis. Aber auch den gelehrten Fachkollegen empfahl Hezel seine Bibel mit dem Argument, dass er
in seiner Exegese nicht nur »sclavischer Nachbeter anderer« sei, sondern – wie er immer wieder
betont – »selbst gedacht« habe, so dass also auch für Fachkreise durchaus noch Gewinn daraus zu
ziehen sei.
Gedankt wurde ihm diese Spannbreite nicht. Nicht erst das Urteil der Nachwelt lautete, Hezel sei
zwar sehr fleißig gewesen, aber seine Werke seien doch sehr oberflächlich und flüchtig ausgeführt
und genügten streng wissenschaftlichen Ansprüchen nicht: »Aber sowohl ihrem Inhalt, als der
Form nach, ließ diese Arbeit viel zu wünschen übrig, und seine Übersetzung verrieth oft, unter anderm beim Hiob und Jesaias, eine tadelnswerthe Unbeholfenheit.«189 Im ersten Band des Exemplars
der Franckeschen Stiftungen zu Halle an der Saale, das »in usum instituti Cansteiniani« angeschafft
wurde – einem der drei für die Waisenhausbuchhandlung subskribierten Exemplare – ist vermerkt:
»Hat aber nicht den Werth, den man zu finden gehofft. 13. Jul. 1780«.190
Hezels Bibel wurde mehrfach in Friedrich Nicolais »Allgemeiner Deutscher Bibliothek« und in der
Jenaer »Allgemeinen Litteratur-Zeitung«, den führenden Rezensionsorganen der Aufklärung in
Deutschland, besprochen.191 Wilhelm Friedrich Hufnagel (1754-1830), Professor der Theologie in
Erlangen und ab 1791 Senior des geistlichen Ministeriums in Frankfurt am Main, gilt als gelehrter
Auch: Lippische Intelligenzblätter, 1791, Nr. 20 vom 14.5.1787, 158.
1833, 732. Vgl. auch Allgemeine Deutsche Biographie. Bd. 12, Leipzig 1880, 382.
190 Franckesche Stiftungen Halle an der Saale (Canst: 1706).
191 Die zeitgenössischen Rezensionen sind in Strieders bio-bibliographischem Artikel über Hezel (230f.) nachgewiesen:
Annalen der neuesten theologischen Litteratur und Kirchengeschichte 2 (1790), 33. Woche, 523; 3 (1791), 26. Woche,
404; Allgemeine deutsche Bibliothek 101/2 (1791), 345-352 (Gf.); 108/2 (1792), 581-583 (Az.); Allgemeine LiteraturZeitung, Nr. 126 vom 26.05.1787, 394; Nr. 316 vom 25.10.1790, 237-240; Nr. 145 vom 23.05.1791, 357-359; Nr. 100
vom 24.03.1794, 796f.
188
189 DÖRING
43
Vertreter des Rationalismus. Er besprach Hezels Bibel 1790 beim Erscheinen des 8. und 9. Bandes,
welche die Evangelien, die Apostelgeschichte und die ersten Paulus-Briefe enthalten, sehr detailliert.
Hufnagel lobt, dass Hezels von gründlicher Sprach- und Exegese-Kenntnis zeugender Bibelkommentar das richtige Verständnis der heiligen Schriften unter den Zeitgenossen schon merklich gefördert habe: »Hätte er mit diesen Eigenschaften noch einen sich gleichen und ausdauernden Fleiß
verbunden; wäre er bey der Aufnahme mancher gewagten Erklärung etwas vorsichtiger gewesen;
und hätte er vor allen seine eigene Meynungen schärfer geprüft, ehe er sie hier dem Bibelleser vorlegte: so wäre der Beyfall noch gerechter gewesen, den man ihm freylich auch jetzt in gewisser Hinsicht nicht versagen kann.«192 Wohlwollend endet er seine Besprechung mit dem Hinweis auf Hezels
Verdienst, »das große Publicum auf eine bessere und dem Geschmack unserer Zeiten angemessene
Bibelübersetzung vor[zu]bereiten«.193 Beim Erscheinen des letzten Bandes 1791 beurteilte auch der
Helmstedter Orientalist und Handschriftenforscher Paul Jakob Bruns (1743-1814) gerade diesen
Aspekt positiv.194 Auch die Besprechungen der letzten Bände in der »Allgemeinen LiteraturZeitung« urteilen durchweg positiv, der ungenannte Rezensent des 9. Bandes schrieb 1790: »Uebrigens wird man bey den vielen neuen Erklärungen überall Ursache finden, den Hn. Vf. als einen
aufrichtigen Religionslehrer hochzuschätzen, so gar auch da, wo er die Fesseln der scholastischen
Dogmatik von sich wirft, und mit edler Freymüthigkeit nach seinem Gefühl Wahrheit lehrt.«195
Laut Subskriptionsverzeichnis hat Hezels Bibelwerk allein in Lippe 20 Abnehmer gefunden. Als
Kollekteure, die die Käufer warben und das Geld einsammelten, fungierten in Lemgo der Pastor
Süvern, in Detmold der Hofrat Johann Wilhelm Kersten. Als Erzieher des Prinzen Leopold zählte
er zur Zielgruppe der interessierten Laien, wie auch der spätere Regierungs- und Kammerpräsident
Ferdinand Bernhard Hoffmann und der Hofmarschall Wilhelm Gottlieb Levin von Donop, die
beide das Werk subskribiert und nachweislich besessen haben. Außer den oben bereits genannten
Theologen sind als Personen »weltlichen Standes« der Regierungsrat Simon August HeinrichVolkhausen in Detmold, der Prorektor Henrich Arnold Stohlmann in Lemgo und der Lemgoer Schüler
Bernhard Möllmann aus Menslage im Osnabrückischen196 Subskribenten gewesen. Und neben »Drei
Ungenannten« in Lemgo tauchen auch drei lippische Offiziere als Käufer auf: der Obrist Ernst Johann von Schröderß, der Hauptmann Christoph Benjamin Stivarius und der Major Georg Wenzel.
Manche von ihnen haben das Werk vermutlich auch aus Gefälligkeit gegenüber dem Verleger Helwing erworben, der nicht nur als Bürgermeister der Stadt Lemgo seit 1758, sondern auch als Lippischer Rat seit 1771 politischen Einfluss in Lippe besaß und 1782-1789 Mitglied der Vormundschaftsregierung war.
Die Pfarrer an der Lemgoer St. Nicolai-Gemeinde, König und Süvern, haben eines ihrer Exemplare
in der Kirchenbibliothek aufgestellt, in deren bis 1827 geführten Katalog Hezels Bibel mit neun
Bänden verzeichnet ist.197 Das Exemplar des späteren lippischen Kanzlers Hoffmann wurde am 21.
August 1826 mit seiner gesamten Büchersammlung in Detmold versteigert.198 Ein weiteres der in
Lippe verkauften Exemplare kam nur eine Woche später aus dem Nachlass des Schlangener Pastors
Allgemeine deutsche Bibliothek, 101/2 (1791), 345.
Ebd. 352.
194 Allgemeine deutsche Bibliothek, 108/2 (1792), 581-583.
195 Allgemeine Literatur-Zeitung, Nr. 316 vom 25.10.1790, 240.
196 Später Pfarrer im Osnabrückischen, vgl. SCHACHT 1913, 67, Nr. 103.
197 Vgl. WEIßBRODT, ERNST, Die Lemgoer Kirchenbibliotheken, in: Mitteilungen aus der lippischen Geschichte und
Landeskunde, 9 (1911), 201, Nr. 116 [184-208].
198 Verzeichniß der Bücher und Landcharten, welche am 21 August dieses Jahres und ferner Morgens 9 Uhr und
Nachmittags 3 Uhr in Detmold meistbietend verkauft werden sollen, Lemgo 1826, 69, Nr. 1308.
192
193
44
Friedrich August Volland zur Versteigerung.199 Und das Exemplar des Hofmarschalls von Donop
hat seinen Weg in die Lippische Landesbibliothek gefunden, wo heute auch ein zweites vollständiges Exemplar, dessen Vorbesitzer nicht bekannt ist, aufbewahrt wird.
Hezels Verdienst um die publikumswirksame Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse ist unbestritten, und so hat des Vielschreibers populärer Bibelkommentar denn auch buchhändlerisch
guten Erfolg gehabt. Ab 1786 wurde bereits eine zweite verbesserte Auflage der sieben Bände des
Alten Testaments gedruckt:200 »allein da ich weiß, wie unangenehm es den Besitzern der ersten Ausgabe eines jeden Buches ist, wenn sie dasselbe in der neuen Auflage völlig umgeschmolzen sehen: so
habe ich hin und wieder nur das Nöthigste geändert, gebessert, ergänzt«, heißt es in der Vorrede
zum ersten Band der neuen Auflage. Die Rezensenten der »Allgemeinen Literatur-Zeitung« haben
auch diese Zweitauflage günstig besprochen, jedoch in einem Fall die Druckqualität moniert, da »die
Schrift ziemlich abgestumpft, ja! hier und da ganz unleserlich ist und überhaupt zum großen Nachtheil für das Auge etwas blendendes hat«.201
In der Vorrede zum 6. Band der Neuauflage schrieb Hezel: »Auch bey diesem sechsten Theile bleibe ich meinem Vorsatz getreu, nur sehr wenig zuzusetzen und zu ändern, um nicht den Unwillen
der Besitzer der ersten Auflage zu verdienen. Alles, was ich, nicht nur bey diesem Bande, sondern
auch bey allen übrigen, wichtiges zu ändern, zuzusetzen, mehr ins Licht zu setzen, bündiger zu beweisen, oder auch wol ganz anders zu erklären hätte, liefere ich in einer, mit diesem Bibelwerke in
genauem Zusammenhang stehenden biblischen periodischen Schrift, welche ich seit dem April des
Jahrs 1792, wöchentlich einen Bogen, deren 52 einen Band oder Jahrgang, in vier Quartalheften,
ausmachen, herausgebe, und von Jahr zu Jahr fortsetze, so lange mir Gott Leben und Gesundheit
schenke. Der Titel ist: Der Schriftforscher, in einem Sonntagsblatt, zur Ehre der Offenbarung. Gießen, bey Friedrich Heyer.« Die genannte Zeitschrift gab Hezel 1791-1793 tatsächlich in Gießen heraus.202 Obwohl das Unternehmen in der »Allgemeinen Literatur-Zeitung« als nützlich und verdienstlich besprochen wurde,203 zeigte »das gelehrte Publikum, bei der Dürftigkeit des Inhalts und der
Breite in der Darstellung, kein dauerndes Interesse.«204
Speziell für Laien wurde 1787 eine preiswerte Auswahlausgabe veranstaltet, mit der Hezel den damaligen Lehramtsanwärter Wilhelm Schenk beauftragt hatte (Abb. 25).205 Dabei handelte es sich um
Verzeichniß von Büchern, größtentheils theologischen, philologischen und pädagogischen Inhalts, welche am 28
August 1826 und an den folgenden Tagen in Detmold an den Meistbietenden verkauft werden sollen 1826, 57, Nr.
910f.
200 Die Bibel. Altes und Neues Testament mit vollständig-erklärenden Anmerkungen von Friedrich Wilhelm Hezel. 2.,
hin und wieder verbesserte Auflage. Th. 1-7. Lemgo: im Verlag der Meyerschen Buchhandlung, 1786-1793. Noch 1848
lieferbar. Die Bde. 8-10 zum Neuen Testament und die beiden Bände zu den Apokryphen sind nicht in 2. Auflage
erschienen. Häufig sind Bände der 1. und 2. Auflage miteinander kombiniert (s.o. Anm. 186); vollständiges Exemplar
der 2. Auflage: Württembergische Landesbibliothek Stuttgart (B. deutsch 178604).
201 Allgemeine Literatur-Zeitung, Nr. 145 vom 23.05.1791, 359.
202 Wilh. Friedr. Hezel's Schrifftforscher in einem Sonntagsblatt zur Ehre der Offenbarung. Gießen: Heyer.
1.1791/1792 Nr. 1-52, 2.1792/1793 Nr. 1-36. Exemplare: Universitätsbibliothek Augsburg (02/XIII.4.8.350, Jg.
1791/92 St. 8-52), Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt (V 2431), Universitätsbibliothek Eichstätt (04/1 B I
220, Jg. 1791/92), Universitätsbibliothek Gießen (1/7860, unvollst.), Universitätsbibliothek Greifswald (F 431, komplett), Universitäts- und Landesbibliothek Jena (8° Theol. XXIII 126, komplett), Universitätsbibliothek Leipzig (Exeg.
App. 1836, bis Jg. 1792/93 H.1), Universitätsbibliothek München (8° Bibl. 622), Wilhelmsstift Tübingen (o. Sign., Jg.
1791/92).
203 Allgemeine Literatur-Zeitung, Nr. 180 vom 9.07.1792, 65-67, Nr. 19 vom 20.01.1794, 145-148, und Nr. 177 vom
28.05.1794, 537-541.
204 DÖRING 1833, 734. Die zeitgenössischen Rezensionen sind in Strieders bio-bibliographischem Artikel über Hezel
(233f.) nachgewiesen.
205 Die Bibel Alten und Neuen Testaments nach des sel. D. Martin Luthers deutscher Übersetzung mit schicklichen
Parallelstellen und kurzen erläuternden Anmerkungen aus dem Hezel’schen Bibelwerk gezogen von Wilhelm Schenk
unter der Aufsicht und mit einer Vorrede von Friedrich Wilhelm Hezel. Th. 1, Abth. 1-2 [mehr nicht erschienen].
199
45
den Ilmenauer Lehrer Johann Christian Philipp Wilhelm Schenk (1757-1818), später Pfarrer in Martinroda und zuletzt Superintendent in Allstedt.206 Angekündigt wurde die Ausgabe in den Lippischen Intelligenzblättern und im Anhang zum achten Teil der Hezel-Bibel 1787: »Viele Bibelleser
haben von dem beliebten Hezelschen Bibelwerke einen wohlfeilern Auszug gewünscht, der denn
auch nunmehr von dem Hrn. Verfasser in der bisherigen Verlagshandlung dergestalt besorget worden, daß der erste Theil des Auszugs in bevorstehender Leipziger Ostermesse 1787 ausgeliefert, und
jedes Alphabeth für einen Conventionsgulden baar, diesemnächst aber in den Buchläden für einen
Reichsthaler verlassen, überdem auch auf zehn Exemplare des Auszugs das eilfte frei beigelegt werden wird. Lemgo den 23ten Febr. 1787. Meyersche Buchhandlung daselbst.«207 Zur Michaelismesse
1787 lag der erste Band vor.208 Das Urteil des Rezensenten in der »Allgemeinen Deutschen Bibliothek«, des Quedlinburger Konsistorialrats und Aufklärungsschriftstellers Johann August Hermes
(1736-1822), war negativ: »Wenig mehr als ein Abdruck der Lutherischen Uebersetzung!«209 Erläuterungsbedürftige Stellen seien unkommentiert geblieben oder ihre Erklärung sei ihrerseits wiederum
erläuterungsbedürftig, dagegen sei einfach Verständliches überflüssigerweise kommentiert worden:
»Unsre Anmerkungen beziehen sich nur auf den Anfang des Buches. Wir glauben aber, dass wir es
dabey können bewenden lassen.«210 Die Auswahlausgabe war dreibändig geplant, brachte es allerdings nur bis zum ersten Band. Obwohl die Meyersche Buchhandlung zur Leipziger Ostermesse
1791 noch die Fortsetzung ankündigte,211 wurde sie nicht weitergeführt. Auch diese Ausgabe war
noch 1848 lieferbar.212
In den Jahren 1800-1802 lieferte Hezel seiner kommentierten Bibel noch zwei Bände eines Anhangs
zu den Apokryphen nach.213 Dieser, so teilte Hezel in Strieders »Hessischer Gelehrtengeschichte«
mit, stammte indessen nicht aus seiner eigenen Feder.214 Helwing in Lemgo verlegte auch Hezels
Schrift »Über die Quellen der Mosaischen Urgeschichte« (1780), eine von ihm überarbeitete »Hebräische Grammatik für Anfänger« von Johann Christian Wilhelm Diederichs (1781), zur Ostermesse 1787 seine »Anweisung zum Chaldäischen bey Ermangelung alles mündlichen Unterrichts« und
im folgenden Jahr seine »Syrische Sprachlehre«, außerdem Hezels Schrift »Carminum Arabicorum
specimen« (1788), seine Teilausgabe des Propheten Daniel in aramäischer Sprache unter dem Titel
»Geneseos ex Onkelosi Paraphrasi Chaldaica quatuor priora Capita una cum Danielis Cap. II. chaldaice« (1788), seine »Paradigmen der Syrischen Conjugationen« (1788) und seine »Vorlesungen über
die Federsche Logik und Metaphysik« (1793/94).
Hezel brachte – zur Absatzsteigerung seiner eigenen Produkte – auch andere theologische Werke
bei Helwing unter. Er war offenbar ein Meister dessen, was man heute »Merchandising« nennt. In
Lemgo: Meyer, 1787. Preis: 2 Reichstaler. Exemplar: Lippische Landesbibliothek Detmold (Th 884). Ehemals auch im
Besitz von Ferdinand Bernhard Hoffmann, vgl. das Nachlassverzeichnis (Anm. 155), 69, Nr. 1309.
206 Vgl. MEUSEL, JOHANN GEORG, Das gelehrte Teutschland oder Lexikon der jetzt lebenden teutschen Schriftsteller.
Bd. 7, Lemgo 1798, 101f.; Bd. 15, Lemgo 1811, 289f.; Bd. 20, Lemgo 1825, 86.
207 Lippische Intelligenzblätter, Nr. 9 vom 3.03.1787, 60.
208 Lippische Intelligenzblätter, Nr. 41 vom 13.10.1787, 324. Preis: 1 Rthlr.
209 Allgemeine deutsche Bibliothek, 83/1 (1788), 359 [359f.] (Gw.).
210 Ebd. 360. Vgl. auch Allgemeine deutsche Bibliothek, 86/1 (1789), 239f. (Gw.).
211 Lippische Intelligenzblätter, Nr. 20 vom 14.05.1791, 159.
212 Verlags-Catalog der Meyer’schen Hof-Buchhandlung in Lemgo und Detmold 1848, 3, 9.
213 Die Apokryphen Alten Testaments mit vollständig-erklärenden Anmerkungen. Ein Anhang zum Hezelschen Bibelwerk. Th 1-2. Lemgo: im Verlag der Meyerschen Buchhandlung, 1800-1801. Noch 1848 lieferbar. Exemplare: Lippische Landesbibliothek Detmold (1. Ex.: Th 882, 2. Ex.: Th 883), Universitätsbibliothek Greifswald (520/Fc 15), Universitäts- und Landesbibliothek Jena (8° Theol. XXII,2/2), Universitätsbibliothek München (8° Bibl. 186a), Bibliothek des
Evangelischen Stifts Tübingen (8º 1568).
214 STRIEDER 1819, 231. Hier auch Nachweis der Rezensionen: Neue allgemeine deutsche Bibliothek, 62 (1801), 445;
Leipziger Litteratur-Zeitung, Nr. 107 vom November 1802, 854.
46
den Jahren 1793 bis 1796 erschien ein von Georg Ludwig Gebhardt (*1772)215 bearbeitetes Bibelwörterbuch »für Prediger und andere Freunde und Verehrer der heiligen Schriften« mit einer Vorrede Hezels.216 Gebhardt, der seit 1789 in Gießen Theologie studiert hatte, war nach Aussage Hezels
einer seiner fleißigsten Schüler; das Wörterbuch zitiert auch ständig aus seiner Bibelübersetzung, wo
Erklärungsbedürftiges in Anmerkungen erläutert wird. Ab 1794 war Gebhardt Pfarrassistent in
Kirchberg bei Gießen, ab 1804 Pfarrer in Oberrosbach im Taunus, zuletzt im benachbarten Rodheim. In den Jahren 1795 bis 1797 publizierte er bei Helwing seine »Biblisch-exegetischen Vorlesungen über die Dogmatik nach Döderlein, mit vorzüglicher Hinsicht auf das Hezel’sche Bibelwerk«, in erster Linie bestimmt für junge Theologen und Prediger.217 Bis 1799 erschienen ebenfalls
bei Helwing weitere Schriften, darunter ein Vorschlag zur Schulreform, ein ABC-Buch und eine
Glaubenslehre »zum Gebrauch aller Stände, insbesondre der Prediger, Schullehrer und der niedern
Volksklassen«. Die Verlagsbeziehung der Meyerschen Buchhandlung zu Hezel und seinen Schülern
endete offenbar erst, als dieser 1801 eine Professur im baltischen Dorpat übernahm.
Hezel nutzt 1787 eine »Kleine Hebräische Bibel« als Merchandising-Produkt
Manche von Hezels Produkten, die vorwiegend Lehrbuchcharakter hatten, ließ Helwing in seinen
Zweigverlagen erscheinen. So erschien 1787 eine »Kleine Hebräische Bibel« für Anfänger mit einer
Vorrede Hezels im kurzzeitig bestehendem Detmold-Meinberger Zweigverlag.218 Im Badeort Meinberg hatte Helwing 1776 eine Sortimentsbuchhandlung eröffnet, die bis zu seinem Tod im Jahr
1800 bestand. Zeitweise firmierte unter dieser Adresse aber auch ein Verlag der Gebrüder Helwing.
Vermutlich sind mit dieser Firma Helwings Söhne aufgetreten, denen ihr Vater andernorts Zweiggeschäfte eröffnet hatte. Angekündigt wurde die »Kleine Hebräische Bibel« zur Leipziger Ostermesse 1787 allerdings als ein Produkt der Helwingschen Universitätsbuchhandlung in Duisburg.219
Die »Kleine Hebräische Bibel« wurde herausgegeben von Friedrich Wilhelm Schwabe (17431825),220 Pastor zu Wolferstedt in der Diözese Allstedt, der sich mit dieser Veröffentlichung für
seine offenbar erst kürzlich erfolgte Beförderung bei den Mitgliedern des Herzoglich SachsenWeimar-Eisenachischen Oberkonsistoriums bedankte. Über Schwabe gibt Hezel in seiner auf den 6.
MEUSEL, Bd. 2, Lemgo 1796, 503; Bd. 9, Lemgo 1801, 406; Bd. 22/2, Lemgo 1831, 304f.; STRIEDER 1819, 165-168;
SCRIBA, HEINRICH EDUARD, Biographisch-literarisches Lexikon der Schriftsteller des Großherzogthums Hessen im 1.
Viertel des 19. Jahrhunderts. Bd. 1, Darmstadt 1831, 116f.
216 D. Georg Ludwig Gebhardt’s biblisches Wörterbuch über die [ab Bd. 2: als Realconcordanz über die] sämmtlichen
heiligen Bücher des Alten und Neuen Bundes für Prediger und andere Freunde und Verehrer der heiligen Schriften.
Mit einer Vorrede des Herrn Geheimen R. Raths Hezel. 3 Bde. Lemgo: im Verlage der Meyerschen Hofbuchhandlung,
1793-1796. Noch 1848 lieferbar. Exemplare: Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt (V 1398), Lippische Landesbibliothek Detmold (Th 938), Bayerische Staatsbibliothek München (Exeg. 400 m), Evangelisches Stift Tübingen (8º
708).
217 Ders.: Biblisch-exegetische Vorlesungen über die Dogmatik nach Doederlein, mit vorzüglicher Hinsicht auf das
Hezel’sche Bibelwerk, für junge Theologen und Prediger. 2 Bde. Lemgo: im Verlage der Meyerschen Hofbuchhandlung 1795-1797. Noch 1848 lieferbar. Exemplare: Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt (W 706), Lippische
Landesbibliothek Detmold (Th 1253, aus dem Bestand des Detmolder Gymnasiums Leopoldinum).
218 Kleine Hebräische Bibel mit einer neuen deutschen Uebersetzung und grammatischen Erläuterung für Anfänger
und solche, die sich selbst noch im Hebräischen forthelfen, und zugleich die Beweisstellen des A. T. nach dem hebräischen Text, auch dem Buchstaben nach, verstehen lernen wollen, von Friedrich Wilhelm Schwabe. Mit einer Vorrede
vom Herrn Hofrath Hezel. Detmold und Meyenberg: bey den Gebrüdern Helwing, 1787. XIV S., [1] Bl., 223 S. Exemplare: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz (144870), Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen (DD
97 A 186, erworben 1997), Universitäts- und Landesbibliothek Jena (8° Theol. VII 35), Bayerische Staatsbibliothek
München (L. as. 328), Universitätsbibliothek München (Bibl. 19, Vorbesitzerstempel: »Ad Bibl. Acad. Land.«). Ehemals
auch im Besitz von Ferdinand Bernhard Hoffmann, vgl. das Nachlassverzeichnis (Anm. 155), 69, Nr. 1314.
219 Lippische Intelligenzblätter, Nr. 18 vom 5.05.1787, 141. Preis: 12 Ggr.
220 MEUSEL, Bd. 7, Lemgo 1798, 396f.
215
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Juli 1786 datierten Vorrede nähere Auskunft. Dieser habe nämlich in seiner früheren Stellung als
Lehrer des Hennebergischen Gymnasiums zu Schleusingen den Schülern der gymnasialen Oberstufe Hebräischunterricht erteilt. Sein Lehrmaterial habe er weiter ausgearbeitet, nachdem er vor dreizehn Jahren Pfarrer in Eichelborn und Nauendorf geworden sei. Und nun habe er es kürzlich nach
Hezels »Ausführlicher hebräischer Sprachlehre« und der von Hezel einer Neuauflage der »Diederichs’schen hebräischen Grammatik« beigefügten »Hebräischen Syntax« fertig einrichten können.
Kein Zweifel also, dass nur dank Hezels Vorarbeiten Schwabe zur Fertigstellung seiner Bibelausgabe
befähigt wurde!
Belegt ist, dass Schwabe die Hezelsche Bibelausgabe vor Erscheinen des fünften Bandes 1784 noch
subskribiert hat; er ist dort in einem Nachtrag zum Subskribentenverzeichnis aufgeführt. Die persönliche Bekanntschaft der beiden Autoren dürfte in Zusammenhang damit stehen. Sicher ist es
eher der Vielschreiber Hezel gewesen, der Schwabe für sich eingespannt hat, um seine diversen
Hebräisch-Lehrbücher besser zu verkaufen, als umgekehrt, auch wenn der Landpfarrer Schwabe
mit dem kürzlich auf die Gießener Professur berufenen Gelehrten Hezel als Vorredner renommieren konnte. Denn in Schwabes Text wird laufend auf die beiden in der Vorrede genannten Werke
Hezels Bezug genommen. Ebenfalls bei den Gebr. Helwing in Detmold und Meinberg erschien im
selben Jahr 1787 Hezels »Kürzere hebräische Sprachlehre für Anfänger«,221 offenkundig für denselben Leserkreis bestimmt. Und 1793 erschienen in Helwings Duisburger Verlagsniederlassung Hezels
»Hebräische Lehrstunden« als Beilage zur letztgenannten Sprachlehre.222
Schwabes Bibel ist nun allerdings keineswegs ein vollständiger hebräischer Bibeltext. Hezel bezeichnet sie als ein »Selekt grammatikalisch behandelter Stellen des Alten Testaments«, als ein Kompendium von »vorzüglicher Brauchbarkeit zum Hebräischlernen«. Insgesamt 292 Stellen des Alten Testaments sind ausgewählt, anfangend mit 1. Mose 1, 1 »Anfänglich schuf Gott den Himmel und die
Erde« und endend mit Maleachi 3, 23-24, der Weissagung von Johannes dem Täufer und seiner
Bestimmung unter den Juden. Dem hebräischen Bibelvers ist die deutsche Übersetzung gegenübergestellt, ihr folgen ausführliche grammatikalische Erläuterungen. Für wie viele unterschiedliche Nutzergruppen auch diese Publikation wieder dienlich sein sollte, ist Hezels Vorrede im einzelnen zu
entnehmen:
»Sie kann Anfängern auf Schulen und Gymnasien dienen, um sich daraus im Hebräischen zu üben
und ihnen den Mangel einer ganzen hebräischen Bibel ersetzen; auch noch auf Universitäten wird
sie denen, welche übers Hebräische hören, in mehr als einer Rücksicht nützlich seyn. Sie enthält die
besten dogmatischen und moralischen Stellen aus dem A. T. und wer auf Universitäten noch hebräisch lernen muß, thut doch wohl, wenn er auch zur grammatikalischen Lektüre Bibeltexte wählt, die
ihm einst vorzüglich wichtig werden. Ferner solchen Herren Candidaten und Predigern, die im Hebräischen versäumt worden sind, und die Lust haben, sich selbst in dieser Sprache noch fortzuhelfen, wird diese kleine hebräische Bibel vortreflich zu Statten kommen, und die Wahl dieser für sie
so interessanten Bibeltexte wird diesen doppelt angenehm seyn. Und da endlich die den ausgezogenen und hier gesammelten biblischen Stellen beygefügte teutsche Uebersetzung frey, mit Geschmack und überhaupt gut gemacht ist: so wird auch dieses Buch bey allen jenen den Nutzen stifDetmold und Meyenberg: bey den Gebrüdern Helwing, 1787. Exemplare: Metropolitankapitel Bamberg (B. Pr. B.
1641), Stadtbibliothek Essen (BR 52 Beil.), Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen (DD 96 A
495), Franckesche Stiftungen Halle an der Saale (64 K 13), Universitäts- und Landesbibliothek Jena (8 Gl. II 68/26),
Bayerische Staatsbibliothek München (1. Ex.: L.as. 194, 2. Ex.: L.as. 195), Universitätsbibliothek München (8° Philol. 121),
Landesbibliothek Oldenburg (o. Sign.), Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel (Kd 78).
222 Duisburg: Helwing, 1793. Exemplar: Stadtbibliothek Essen (BR 52 Beil.), Franckesche Stiftungen Halle an der Saale
(64 K 13).
221
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ten, daß man sich gewöhnt, nicht pedantisch-ängstlich und geschmacklos aus dem Hebräischen zu
übersetzen.«
Für die Schuljugend wird ebenfalls 1787 ein griechisches Neues Testament gedruckt
Aus dem Rahmen fällt der Druck eines griechischen Neuen Testaments für Studienzwecke, das
Helwing 1787 unter der Firma »Ex Officina Fratrum Helwing«, also im Verlag der Gebr. Helwing in
Detmold und Meinberg erschienen ließ (Abb. 26).223 Auch dieses annoncierten die Lippischen Intelligenzblätter als ein Produkt des Duisburger Zweigverlages.224
Das griechische Neue Testament ist neben einer am Verlagsort Lemgo publizierten Ausgabe der
»Historischen Bibliothek« des Diodorus Siculus von 1795, einem Schulbuch mit dem Titel »Heracliti
et Anonymi de incredibilibus libellus« aus dem Jahr 1796, einem Druck der ersten Ode Pindars aus
demselben Jahr und einer kommentierten Ausgabe des 2. Korinther-Briefes von 1804 offenbar der
einzige Druck der Helwings in griechischen Lettern.
Eine lateinische, auf den 26. Februar 1787 datierte Vorrede erklärt, dieses griechische Neue Testament sei in erster Linie für die Jugend bestimmt, und zwar für solche Heranwachsende, die sich
noch auf die Lektüre der Heiligen Schrift vorbereiteten. Daher sei bei dieser Ausgabe in der Ursprache viel Sorgfalt auf eine akkurate Textwiedergabe verwendet worden. Außerdem habe man darauf
geachtet, nicht die winzig kleinen Schrifttypen zu verwenden, die die Lesbarkeit der meisten anderen griechischen Ausgaben beeinträchtigten; denn gerade der im Griechischen ungeübte Leser würde sich sonst sehr schnell die Augen verderben.
Georg Wilhelm Rullmann annotiert 1790/91 das Neue Testament als Aufklärungstheologe
Auch dem Theologen Georg Wilhelm Rullmann (1757-1804),225 Professor an der Universität Rinteln, gab Helwing Gelegenheit, seine annotierte Neu-Übersetzung des Neuen Testaments im Verlag
der Meyerschen Buchhandlung zu veröffentlichen (Abb. 27). Helwing besaß in Rinteln, der zu
Lemgo nächst gelegenen Universitätsstadt, die Academische Buchhandlung, und die Rintelner Professoren publizierten häufig in seinem Verlag.226 Die Universität stand zwar im Ruf intellektueller
Mittelmäßigkeit, doch war sie im nordwestdeutschen Raum neben Helmstedt die einzige protestantische Universität überhaupt. Rullmann hatte 1774-1777 in Rinteln studiert und seit 1780 akademisch gelehrt, als er 1786 auf eine ordentliche Professur für Theologie berufen wurde. Seine Bibelübersetzung erschien 1790/91 bei Helwing in drei Bänden.227 In der Vorrede zum ersten Band teilt
der Verfasser mit: »Es würde das ganze Werk auf die Ostermesse gekommen seyn, da die Handschrift schon völlig ausgearbeitet und fertig ist, wenn nicht die Pressen der Verlagshandlung allzu
223 Novum
Testamentum Graecum. Editio accurata. Detmoldiae & Meyenbergae: Gebr. Helwing, 1787. [2] Bl., 553 S.,
8°. Exemplar: Lippische Landesbibliothek Detmold (Th 865a). Ehemals auch im Besitz von Ferdinand Bernhard Hoffmann, vgl. das Nachlassverzeichnis (Anm. 155), 69, Nr. 1315.
224 Lippische Intelligenzblätter, Nr. 18 vom 5.05.1787, 141. Preis: 12 Ggr.
225 Vgl. MEUSEL, Bd. 6, Lemgo 1798, 485f.; Bd. 10, Lemgo 1803, 527f.; Bd. 11, Lemgo 1805, S.654f.; Bd. 15, Lemgo
1811, 236; STRIEDER, Bd. 12, Kassel 1799, 149-161; Bd. 13, Kassel 1802, 374; Bd. 14, Kassel 1804, 355; DÖRING, Bd.
3, Neustadt a. d. Orla 1833, 667-670.
226 Vgl. BRENKER 1996, 49.
227 Rullmann, Georg Wilhelm, Die heiligen Schriften des neuen Bundes übersetzet und mit kurzen erläuternden Anmerkungen versehen. 3 Teile. Lemgo: im Verlage der Meyerschen Buchhandlung, 1790-1791. Preis des 2. und 3. Bandes: 1 Rthlr. Noch 1834 lieferbar. Exemplar: Lippische Landesbibliothek Detmold (14.02.1308, aus dem Bestand des
Detmolder Gymnasiums Leopoldinum). Ehemals auch im Besitz von Ferdinand Bernhard Hoffmann, vgl. das Nachlassverzeichnis (Anm. 155), 69, Nr. 1311.
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sehr wären beschäftiget gewesen.« Er erkennt aber auch an, dass der Verlag »durch schönen Druck
und gutes Papier [...] für die äußere Zierde des Buches rühmlichst gesorgt« habe.
Die Veranlassung zum Druck seiner Übersetzung erklärt Rullmann ausführlich: es hätten nämlich in
seinen Vorlesungen die Zuhörer die von ihm vorgetragene moderne Übersetzung immer eifrig mitgeschrieben und darüber seinen exegetischen Ausführungen nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt: »Zunächst gieng also meine Absicht auf Studierende, welche hierdurch des Nachschreibens
der Uebersetzung überhoben werden und zugleich Gelegenheit bekommen sollten, sich durch dieses Buch auf das im Collegio abzuhandelnde Stück vorzubereiten, und nachher es zu wiederholen.«
Diesen Studierenden sollte seine annotierte Ausgabe zugleich den Nichtbesitz einer kritischen Ausgabe des griechischen Urtextes »einigermaaßen ersetzen«. Darüber hinaus sollte sie all jenen nützen,
»die das Original nicht lesen können, und sich doch bey Luthers Uebersetzung nicht beruhigen wollen.« Auch denen, die auf der Universität exegetische Vorlesungen versäumt haben und ihre Wissenslücken mit den Mitteln ihrer Privatbibliothek nicht füllen können, sollte sie dienlich sein.
Seltsam nimmt sich Rullmanns Ablehnung der Lutherbibel aus, denn Rinteln war eine lutherische
Universität und Rullmann lehrte lutherische Theologie. Er schreibt: »Keiner Anhänglichkeit an Luthern wird man mich beschuldigen können, da ich Luthers Uebersetzung, so sehr ich sie auch
schätze, seit meiner Jugend doch fast nie gebraucht, und bey der Arbeit nachgeschlagen habe. Wo
ich also mit ihm zusammentreffe, da geschieht es blos von ungefähr.« Hier ist Rullmanns Vorwort
ein beredtes Zeugnis für die kritische Beurteilung der Lutherbibel durch die Aufklärungstheologie
und stellt seine Unternehmung in den Zusammenhang der neuentstehenden historisch-kritischen
Bibelwissenschaft am Ende des 18. Jahrhunderts. Einen Sinn für Luthers sprachschöpferische Leistung entwickelten erst wieder die Goethezeit und die Romantik.
Gegen die herkömmliche Lutherbibel gerichtet ist auch Rullmanns beabsichtigter Verzicht auf eine
Einteilung des Bibeltextes in Kapitel und Verse, die seiner Ansicht nach das Textverständnis erschwert. Er teilt selbst mit, dass seine handschriftliche Version eine reine Prosafassung gewesen sei,
bei der er – so weit machte er denn doch ein Zugeständnis – zum besseren Auffinden einer Bibelstelle die Kapitel- und Verszahlen an den Rand gesetzt habe. Der Verlag habe dem aber nicht entsprechen wollen; er habe zwar die Verszahlen an den Rand gesetzt, aber auf der Kapiteleinteilung
bestanden – auch bei den Apostolischen Briefen, »wo die Abtheilung in Kapitel dem richtigen Verstande derselben vorzüglich schädlich ist«. Der Verfasser verwahrt sich ausdrücklich dagegen, hierfür
Verantwortung zu tragen.
»Schon wieder eine neue Uebersetzung des N.T. dachte Rec. und wird mancher mit dem Rec. ausrufen. Der Uebersetzer scheint selbst das Unschickliche und Unnöthige in der Vervielfältigung der
Uebersetzung zu derselben Zeit anerkannt zu haben indem er in der Vorrede gesteht, dass als er
dieses Werk zu liefern versprach, er nicht gewußt habe, daß die Uebersetzung der Hrn. G. J. R. Michaelis wirklich sobald herauskommen würde, sondern, dass wenn ihm dieses bekannt gewesen wäre, er das Ende jener Uebersetzung abgewartet haben würde, ehe er mit der seinigen hervorgetreten
wäre ...«228 Allerdings verstand Rullmann seine Bibelübersetzung als Gegenentwurf zu der gleichzeitig erschienenen Bibelübersetzung des Göttinger Orientalisten Johann David Michaelis (1717-1791),
bei dem er während zweier Göttinger Studiensemester 1777/78 auch Lehrveranstaltungen besucht
hatte. Michaelis’ Übersetzung des Alten Testaments war seit 1769 in den Verlagen Dieterich und
Vandenhoeck publiziert worden; das Neue Testament war im Jahr 1790 gerade erst erschienen. An
dieser Übersetzung beanstandete Rullmann »eine allzu strenge Anhänglichkeit an Luthern, und ward
gewahr, daß allzu viele Hebraismen, die doch dem deutschen Leser ganz unverständlich sind, oder
228
Allgemeine deutsche Bibliothek, 108/2 (1792), 579 (Az.).
50
welches noch schädlicher ist, bey denen er etwas zu denken glaubt, und doch nichts, oder etwas
falsches denket, beybehalten waren.« Zwar wollte auch Michaelis, wenngleich um eine philologisch
exakte Übersetzung bemüht, in seiner revidierten Bibelversion einen an die Gegenwartssprache
angepassten Bibeltext bieten. Rullmann aber erklärt, er habe sich bemüht, alles in möglichst fließendes Deutsch zu übersetzen, »ohne im Geringsten eine Paraphrase statt einer Uebersetzung zu liefern.«
Die Kritik hat über Rullmanns Bibelübersetzung vernichtend geurteilt.229 In der »Allgemeinen Deutschen Bibliothek« schrieb der bereits genannte Helmstedter Orientalist Paul Jakob Bruns über den
ersten Band mit den Evangelien nach Matthäus, Markus und Lukas: »Wie trivial, unbedeutend, und
klein an der Zahl sind die Anmerkungen eines Rullmanns, gegen die reichhaltigen, und in den Geist
des Autors penetrirenden eines Michaelis. Jene gleichen dem Spreu oder zerdroschenen Stroh, das
Hr. Rullmann an der Tenne der Ausleger aufgeraft hat, diese einem großen Kornhaufen, dessen
Aehren kraft- und saftvoll sind.« Rullmanns erklärten Verzicht auf die Kenntnisnahme des LutherTextes hält Bruns denn doch für einen Beleg von Borniertheit: »ist dieses für einen Theologen und
Ausleger und Uebersetzer empfehlend? Bleibt nicht Luther in diesen Eigenschaften ein Muster,
nach welchem sich jeder Theologus bilden sollte?« 230 Zum Schluss der Rezension bemerkt Bruns
missfällig auch Rullmanns Tendenz zur Selbstvermarktung: »In den Noten hat der Verf. seine
Schriften häufig angeführt. Dafür werden ihm die, welche mit seinen übrigen Werken bekannt zu
seyn wünschen, danken. Daß Rec. einer von diesen ist, kann er nicht sagen.«231
Als im Folgejahr der zweite und dritte Band von Rullmanns Neuem Testament mit den Übersetzungen des Johannesevangeliums, der Apostelgeschichte und der apostolischen Briefe erschienen,
griff der Rezensent Bruns wieder zur Feder und eröffnete seine Besprechung mit dem Satz: »Wenn
ein Uebersetzer und Erklärer sich seine Arbeit so leicht macht, wie dieser: so kann er nicht vielen
Anspruch auf Beyfall machen.«232 Bruns moniert, die Übersetzung sei schleppend, weitschweifig,
fehlerhaft und ungrammatikalisch, belegt dies mit einigen Zitaten und erklärt apodiktisch: »Viel verständlicher, kraftvoller und richtiger ist die Michaelische.« Rullmanns Anmerkungen seien »nicht
minder, seicht und oberflächlig. Wir können nicht das Vergnügen haben, Stellen anzuführen, welche neu u. richtig übersetzt sind.« 233Kurzum: Rullmanns Produkt bietet keinen Gewinn, es ist
schlicht überflüssig. Die Besprechung gipfelt in dem Satz: »Wie hell muß nicht die Fackel der Kritik
erscheinen, wenn sie sogar einen Rullmann zu erleuchten im Stande ist!«234
Die Offenbarung des Johannes hat Rullmann in seiner Bibel weggelassen. Dafür führt er, in der
Vorrede zum dritten Band, verschiedene Gründe an. Zum einen habe er über die Offenbarung bislang noch nicht gelehrt und traue sich daher derzeit nicht zu, sie hinlänglich zu erklären und zu übersetzen. Nachholen wolle er dies gleichwohl, um seine Übersetzung des Neuen Testaments nicht
unvollständig zu lassen. Zum anderen sei ja allgemein bekannt, dass sich die Offenbarung weder
zum Unterricht noch zur Erbauung besonders eigne, daher rechne er mit dem Verständnis seiner
Leser. Und zum dritten diskreditiert er die Bedeutung dieser biblischen Schrift: »Jedermann weiß,
229 Die zeitgenössischen Rezensionen sind in Strieders bio-bibliographischem Artikel über Rullmann nachgewiesen:
Annalen der neuesten theologischen Litteratur und Kirchengeschichte 2 (1790) 14. Woche, 217, 765; 3 (1791) 11.
Woche, 161; Neue Nürnbergische gelehrte Zeitung, 1791, Nr. 72, 569; Gothaische gelehrte Zeitungen, 1791, Nr. 80,
764; Allgemeine deutsche Bibliothek, 108/2 (1792), 579-581; 109/2 (1792), 531-534; Allgemeine Literatur-Zeitung,
Nr. 234 vom 17.07.1794, 153-155.
230 Allgemeine deutsche Bibliothek, 108/2 (1792), 580 (Az).
231 Ebd. 581.
232 Allgemeine deutsche Bibliothek, 109/2 (1792), 531 (Cc).
233 Ebd. 532.
234 Ebd. 534.
51
weiß, wie man nicht blos aus dogmatischen, sondern aus historischen Gründen, von den ältesten
Zeiten her, an der Autenthie und dem göttlichen Ansehen desselben gezweifelt habe.« Es ist dann
tatsächlich auch kein vierter Band mit einer Übersetzung der Offenbarung mehr erschienen. Vielleicht hatte ihn auch die Kritik entmutigt.
*
Mit dem Tod des Verlegers Christian Friedrich Helwing im Jahr 1800 fand die ambitionierte theologische Verlagsproduktion der Meyerschen Buchhandlung, zu der auch Hezels und Rullmanns
annotierte Bibelübersetzungen gehörten, ein Ende. Das wirtschaftlich angeschlagene und 1809
durch Erbschaftsteilung weiter geschwächte Unternehmen reduzierte sein Verlagsprogramm und
verlor innerhalb weniger Jahre auch seine überregionale Reputation als Verlag für populärwissenschaftliche Aufklärungsliteratur. Die schon bei ihrem Erscheinen allenfalls als fleißig und bemüht,
aber doch als oberflächlich und unzuverlässig eingeschätzten Bibelausgaben Hezels und Rullmanns
wollte wohl niemand mehr kaufen – Rullmanns dreibändiges Werk war zumindest bis 1834 im Verlagsprogramm,235 Hezels Bibel war ebenso wie Schenks Auszug noch 1848 beim Verlag lieferbar.236
Nur mit der vom Stehsatz gedruckten Taschenbibel ließen sich noch Geschäfte machen – vor allem
mit der Lippischen Bibelgesellschaft, die der Meyerschen Buchhandlung mehr als 5.000 Stück davon
abnahm –, aber dafür bedurfte es keiner Investition mehr. Nach der 26. Auflage von 1832 wurde
der Bibeldruck in Lippe eingestellt. Der Konkurrenz der deutschen Bibelanstalten mit ihrer unschlagbar preisgünstigen Massenproduktion war der privat geführte Buchverlag nicht mehr gewachsen. Gleichwohl erschienen noch 1845 und 1848, als die Firma ihren Sitz nach Detmold verlegt
hatte, unbezifferte Nachauflagen des Psalters und des Neuen Testaments der Stehsatzbibel.237 Von
ihnen konnte nur noch ein einziges Exemplar ermittelt werden, das mit einem Detmolder reformierten Gesangbuch von 1857 zusammengebunden ist und 1859 als Hochzeitsgeschenk diente,238 –
ein später Nachhall des einstmals hochgeachteten Lemgoer Bibeldrucks, den religiöser Eifer 160
Jahre zuvor auf den Weg gebracht hatte.
235 Verzeichniß alter, zum Theil höchst seltener Bücher, welche zu den beigesetzten festen Preisen gegen gleich baare
Bezahlung durch alle solide Buch- und antiquarische Handlungen Deutschland’s und der Schweiz von der Meyerschen
Hofbuchhandlung in Lemgo bezogen werden können 1834, 113.
236 Verlags-Catalog der Meyer’schen Hof-Buchhandlung in Lemgo und Detmold 1848, 3, 9.
237 Vgl. Verlags-Catalog der Meyer’schen Hof-Buchhandlung in Lemgo und Detmold 1848, 79.
238 Die Heilige Schrift Neuen Testaments Unsers Herrn Jesu Christi ... Lemgo: gedruckt mit Meyerschen Schriften,
1848. Angebunden: Der Psalter oder die 150 Geistliche Psalmen des heiligen Königes und Propheten Davids ... Lemgo
und Detmold: gedruckt mit Meyer’schen Schriften, 1845. Angebunden: Gesangbuch für die kirchliche und häusliche
Andacht der evangelischen Gemeinden im Fürstenthume Lippe. Detmold: Meyer, 1857. Exemplar: StM Lemgo (Mus.
208, Hochzeitsbibel von W.N. und F.N. 1859).
52
Abb. 1:
Friedrich Adolf Graf zur Lippe
Widmungsempfänger der ersten vollständigen Bibelausgabe von 1710
Lippische Landesbibliothek Detmold, Bildarchiv (LP-30-8)
53
Abb. 2:
Johann Arndt. Kupferstich von C. F. Lottes, Wien 1734
Lippische Landesbibliothek Detmold (Th 58.2°, Bd.2, Frontispiz)
54
Abb. 3:
Lobwasser-Psalter.
Lemgo: Meyer, 1753.
Titelblatt
Lippische Landesbibliothek Detmold (LD 2)
55
Abb. 4:
Lutherisches Gesangfbuch von J. B. Haccius.
Lemgo: Meyer, 1703.
Titelblatt
Lippische Landesbibliothek Detmold (LD 22)
56
Abb. 5:
Neues Testament.
Lemgo: Meyer, 1710.
Titelblatt
Lippische Landesbibliothek Detmold (LD 23)
57
Abb. 6:
Evangelisches Gesangbuch, „bey die kleine Hand-Bibel
oder dessen Neues Testament“ zu binden.
Lemgo: Meyer, 1714.
Titelblatt
Lippische Landesbibliothek Detmold (LD 24)
58
Abb. 7:
Simon Henrich Adolf Graf zur Lippe
Widmungsempfänger der 6./7. Auflage der Lemgoer Taschenbibel
Lippische Landesbibliothek Detmold (HSA 3 Bl. 11)
59
Abb. 8:
Widmungsempfängerin der 6.-11. Auflage der Lemgoer Taschenbibel
Lippische Landesbibliothek Detmold (HSA 3 Bl. 11)
60
Abb. 9:
Frontispiz der lippischen Taschenbibel.
7. Auflage. Lemgo: Meyer, 1731.
Lippische Landesbibliothek Detmold (18.04.1043)
61
Abb. 10:
Simon August Graf zur Lippe
Widmungsempfänger der 12./13. Auflage der Lemgoer Taschenbibel
Lippische Landesbibliothek Detmold, Bildarchiv (LP-30-44)
62
Abb. 11:
Lippische Taschenbibel.
13. Auflage. Lemgo: Meyer, 1752.
Titelblatt
Lippische Landesbibliothek Detmold (Th 885b)
63
Abb. 12:
Meyersche Foliobibel von 1720.
Lemgo: Meyer, 1720.
Titelblatt
Lippische Landesbibliothek Detmold (Th 86e.2°)
64
Abb. 13:
Meyersche Foliobibel von 1720.
Lemgo: Meyer, 1720.
Frontispiz
Lippische Landesbibliothek Detmold (Th 86e.2°)
65
Abb. 14:
Meyersche Foliobibel von 1720.
Lemgo: Meyer, 1720.
Titelkupfer zum Alten Testament
Lippische Landesbibliothek Detmold (Th 86e.2°)
66
Abb. 15:
Meyersche Foliobibel von 1720.
Lemgo: Meyer, 1720.
Titelkupfer zumNeuen Testament
Lippische Landesbibliothek Detmold (Th 86e.2°)
67
Abb. 16:
Die Erschaffung des Menschen.
Meyersche Foliobibel von 1720.
Lemgo: Meyer, 1720.
Lippische Landesbibliothek Detmold (Th 86e.2°, Taf. 2)
68
Abb. 17:
Der Sündenfall.
Meyersche Foliobibel von 1720.
Lemgo: Meyer, 1720.
Lippische Landesbibliothek Detmold (Th 86e.2° Taf. 3)
69
Abb. 18:
Die Sintflut
Meyersche Foliobibel von 1720.
Lemgo: Meyer, 1720.
Lippische Landesbibliothek Detmold (Th 86e.2°, Taf. 5)
70
Abb. 19:
Bibel von Rudolf Hoffer.
Detmold: Hoffer, 1725.
Titelblatt
Lippische Landesbibliothek Detmold (Th 885)
71
Abb. 20:
Conrad Sustmanns Betbibel in der Neuauflage Johann Henrich Meyers.
Lemgo: Meyer, 1740.
Titelblatt
Lippische Landesbibliothek Detmold (Th 2892c)
72
Abb. 21:
Gottlieb Leopold Helwing, Verleger der Lemgoer Stehsatzbibel 1800-1821
Lippische Landesbibliothek Detmold, Bildarchiv (LP-9-30)
73
Abb. 22:
Lemgoer Stehsatzbibel.
19. Auflage. Lemgo: Meyer, 1820.
Titelblatt
Lippische Landesbibliothek Detmold (Th 884a)
74
Abb. 23:
Wilhelm Friedrich Hezel.
Kupferstich von C. Felsing, Darmstadt, nach einer Zeichnung von C. Reuling, Gießen.
Frontispiz zum zehnten Band von Hezels Bibel.
Lemgo: Meyer, 1791
Lippische Landesbibliothek Detmold (Th 882-10, Frontispiz)
75
Abb. 24:
Hezels Bibel mit vollstänmdig-erklärenden Anmerkungen.
Bd. 1. Lemgo: Meyer, 1780.
Titelblatt
Lippische Landesbibliothek Detmold (Th 882-1)
76
Abb. 25:
Hezels glossierte Bibel von Wilhelm Schenk.
Lemgo: Meyer, 1787.
Titelblatt
Lippische Landesbibliothek Detmold (Th 884)
77
Abb. 26:
Novum Testamentum Graecum.
Detmoldiae & Meyenbergae: Ex Officina Fratrum Hewling, 1787.
Anfang des Matthäus-Evangeliums
Lippische Landesbibliothek Detmold (Th 865a)
78
Abb. 27:
Übersetzung des Neuen Testaments von Georg Wilhelm Rullmann.
Lemgo: Meyer, 1790.
Titelblatt des ersten Bandes
Lippische Landesbibliothek Detmold (14.02.1308-1)