Interpretation Heinrich Heine – Deutschland – Ein Wintermärchen

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Interpretation Heinrich Heine – Deutschland – Ein Wintermärchen
Interpretation Heinrich Heine – Deutschland – Ein Wintermärchen,
Caput II
Der Gedichtband “Deutschland – Ein Wintermärchen” von Heinrich Heine ist
ein typisches Werk des Vormärz. Als Heine dieses Gedicht geschrieben hat,
lebte er im französischen Exil. Seine Werke wurden in Deutschland verboten.
Für Heine, als Lyriker Schreib- und Redeverbot zu erhalten, war es das
schlimmste, was ihm in Deutschland passieren konnte. Um seiner Berufung
weiter nachgehen zu können, musste er das Land verlassen.
Das lyrische Ich, welches übrigens stark mit der Person Heines korrespondiert,
berichtet über eine Reise nach Deutschland mit dem Zug. Es befasst sich im
II. Caput mit den Problemen, mit denen ein in Deutschland einreisender
Exilbürger zu kämpfen hat.
Im ersten Vers beschreibt das lyrische Ich ein kleines, singendes Mädchen,
welches weitersingt, trotz der Zollkontrolle der preußischen Beamten. Schon
das kann ein Sinnbild der Trotzigkeit und des Widerstandes der Jugend sein.
Im nächsten Vers beschreibt der Sprecher die Genauigkeit der Kontrolle, die
die preußische Gründlichkeit („Beschnüffeln alles“) und Ordnung ausdrücken
soll. Die Zöllner haben keinen Respekt oder Schamgefühl, sie durchwühlen
sogar Hemden, Hosen und auch vor Taschentüchern machen sie nicht halt. Sie
suchen vor allem zu verzollende Gegenstände wie Schmuck oder Spitze,
jedoch auch, im Auftrag der Zensur, nach verbotenen Büchern.
Im dritten Vers schreibt Heine ironisch und herablassend über die Dummheit
der Preußen, welche zwar nach Büchern suchen, jedoch den Schöpfer solcher
Bücher ins Land lassen. Das lyrische Ich sagt hämisch, dass es keinerlei
verbotene Bücher mit sich führt, jedoch die revolutionären Gedanken im Kopf
hat.
Im vierten Vers verbindet das lyrische Ich die Suche nach der Stoffspitze mit
den Gedanklichen Spitzen, er bedient sich eines Wortspiels. Es sagt, dass die
Spitzen, also seine Gedanken viel feiner sind als die besten Stoffspitzen, es
bezieht sich dabei auf den Zoll, der auf die Stoffspitze wahrscheinlich nach
Qualität erhoben wird und darauf, dass die Qualität seiner Gedanken viel
höher zu verzollen wäre als die feinste Spitze. Der Sprecher bedründet das
auch, denn die Gedanken werden die Obrigkeit („euch“) „sticheln und
hecheln“, also ihnen schwer zusetzen.
Der fünfte Vers verstärkt die Metapher der wertvollsten Gegenstände, die vom
Zollwert der Gedanken („im Kopfe trage ich Bijouterien“) übertroffen werden.
Der Sprecher sieht sich als Zukunftsweisender, er trägt das Beste für die
Zukunft („der Zukunft Krondiamanten“) in sich. Heine übt mit den nächsten
Zeilen Kritik an der Kirche, wenn er schreibt, dass es einen neuen Gott geben
wird, der ebenfalls im Geiste des lyrischen Ichs nach Deutschland gebracht
wird. Heine bezieht sich damit höchstwahrscheinlich nicht auf eine neue
Religion, er meint sicherlich eine gründliche Reformierung der Institution
Kirche damit.
Der sechste Vers leitet den Höhepunkt dieses Caputs ein, das lyrische Ich
spricht von den verbotenen Büchern in seinem Kopf, meint mit diesem
Symbol jedoch letztendlich den Geist des Sprechers, der sich natürlich aus
dem Wissen verbotener Bücher und vielen verbotenen und revolutionären
Gedanken zusammensetzt. Heine verwendet hier eine sehr sarkastische
Sprache, der Sprecher blickt hämisch auf die Unwissenheit, die Ohnmacht der
Obrigkeit und die Unmöglichkeit des Vorgehens gegen seine Gedankenwelt
herab („Mein Kopf ist ein zwitscherndes Vogelnest von konfiszierlichen
Büchern“).
Im siebten Vers erreicht der Sarkasmus und die Kritik dieser Szene seinen
Höhepunkt. Mit dem gotteslästerlichen Vergleich seiner Gedankenwelt mit der
Bücherei des Teufels zeigt der Sprecher seine Tiefe Abneigung gegen die
Kirche. In der nächsten Zeile macht sich der Sprecher über die seiner Meinung
nach literarisch minderwertigen Werke Hoffmann von Fallerslebens lustig.
Heine selbst konnte von Fallersleben nicht besonders gut leiden und hält seine
wie seine eigenen Gedichte zwar für gefährlich für die Obrigkeit, jedoch
schätzt er seine eigenen Gedichte viel mehr als die von Fallerslebens.
Das lyrische Ich berichtet im achten Vers vom Einwurf eines Passagiers,
welcher den preußischen Zollverein als ein wichtiges Bindeglied für die
Einigung Deutschlands hält.
Der neunte Vers verstärkt diese Ansicht noch mehr, der Passagier
kennzeichnet die Einigung Deutschlands als „Volkssturm“, also als Einigung
durch das Volk. Jedoch ist das ein Widerspruch zu dem, was er vorher gesagt
hat, dass der Zollverein, also ein staatliches Organ Deutschland zur Einigung
verhilft. Heine hat diese Darstellung sicherlich explizit so gewählt, um dem
Leser den Eindruck der Unglaubwürdigkeit des Passagiers zu vermitteln, um
ihn gleich bei seiner eigenen Aussage zu denunzieren. Das kommt dem
sarkastischen Humor Heines in den vorigen Versen nahe.
Im Vorletzen Vers zitiert das lyrische Ich nach wie vor den Passagier, welcher
nun stolz verkündet, dass Zollschranken und Zollkontrolle Deutschland eine
Einheit gibt. Allein schon mit dem übertriebenen Stolz, welcher durch die
Versform deutlich wird, zieht Heine die Aussage wieder ins Lächerliche. Der
Gipfel des Widerspruches ist aber die Aussage des Passagiers über die innere
Einheit, welche seiner Meinung nach durch die Zensur hergestellt wird. Das ist
ein Widerspruch in sich – die geistige Einheit kann durch Verstümmelung der
Gedanken auf ein Mindestmaß an Verstand reduziert werden, folglich sind die
Bürger eines durch die Zensur geeinigten Deutschlands dumm. Je mehr Stolz
in der Verkündung dieses krassen Gegensatzes deutlich wird, desto
lächerlicher wirkt es. Stolz sagt der Passagier, dass Deutschland Einigung
braucht („ein einiges Deutschland tut uns not, einig von außen und innen“),
die Anapher „Er/Sie gibt die [...] Einheit uns“ verstärkt den Pathos der
Ausführungen des Passagiers noch und zieht ihn damit noch mehr ins
lächerliche.
Ich denke, dass Heine mit diesem Gedicht versucht hat, die Bemühungen des
Staates, sein Volk durch oberflächliche Gesetze und Maßnahmen zur Einigung
zu beschwichtigen ans Tageslicht zu bringen. Er zieht es wahrhaft durch den
Kakao und läßt den Passagier als Vertreter des Staates Lobreden halten, die
durch seinen eigenen Widerspruch sarkastisch sind.