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Konzepte Hoher Spaßfaktor I mmer mehr junge Menschen interessieren sich für Wein. Nur fühlen sie sich von vielen Wein-Marken nicht angesprochen“, erzählt Julia Klüber, die mit ihrem Partner Paul Truszkowski vor zweieinhalb Jahren die „WineVibes“ ins Leben gerufen hat. Auf die Idee für die Kombipräsentation aus handwerklichen Weinen, Winzern und Musik kam das Paar, das Internationale Weinwirtschaft in Geisenheim studiert hat, schon während der Unizeit. „Bei vielen Reisen wurde unser Gefühl bestätigt. Da hatten wir die Idee, junge Menschen mit Weinmachern zusammenzubringen – über die Brücke Musik.“ Mit Unterstützung befreundeter Winzer luden Klüber und Truszkowski am 19. November 2011 zu ihren ersten WineVibes in die SkyLounge, einer voll verglasten Brücke mit Panoramablick, die im 14. Stock die Türme des Münchner Telekom-Centers verbindet. Nutzten damals knapp 300 Gäste die Gelegenheit, die Weine von 21 jungen Winzern zu verkosten und zu Elektrosounds des Weinkenners und DJs Rainer Trüby zu tanzen, ziehen die WineVibes inzwischen über 650 Gäste pro Veranstaltung an. Bisherige Stationen der als Wein-Party getarnten Verkostung waren neben München und Berlin auch Hamburg und Köln. 2014 will man Wien und Zürich erobern und in München die WineVibes Volume 10 feiern. „Nur mit Bubbles“, wie Klüber verrät. Ihr Publikum beschreibt die 33-Jährige als „urbane Trendsetter“ zwischen 25 und 44 Jahren, die genussaffin, reiselustig, besserverdienend und vor allem treu seien. Viele WineVibes-Gänger seien dem Event hinterhergereist und hätten die Party mit einem Städtetrip verbunden. Eine richtige Community sei entstanden. Im Laufe der Zeit habe sich die Zielgruppe aber verändert, erklärt Klüber, heute mischten sich unter die Endverbraucher auch Händler und Gastronomen, die neue Winzer fänden, sowie Blogger und Journalisten, die als Multiplikatoren fungieren. „Sie machen etwa 30% aus. Das macht die WineVibes für die Winzer, zu denen so bekannte wie Theresa Breuer aus dem Rheingau zählen, aber auch hidden champions wie Josten & Klein oder das Weingut Böcking, so interessant.“ 38 Moderne Vermarktungsformen Klassische Präsentationen gehören für Weinanbieter zum Pflichtprogramm. Aber damit lockt man oft kaum noch (neue) Kunden hinterm Ofen hervor. Immer mehr Anbieter entdecken deshalb die Kür. Mit innovativen, unprätentiösen Veranstaltungs- und Vermarktungskonzepten versuchen sie, genussfreudiges und kaufkräftiges Publikum anzusprechen. Egal ob Flashmob-Weinproben, Events, bei denen Dancefloor und Tasting-Room ineinander übergehen, oder interaktive Videoportale – es geht immer darum, Spaß am Wein zu vermitteln. Warum aber braucht Wein neue Vermarktungs- und moderne Kommunikationswege? „Es gibt so viele tolle Weine auf der Welt, da reicht es nicht mehr, dass ein Wein gut ist, die Kunden müssen smart, mit neuen Ideen und in ihrer Sprache angesprochen werden, Markenbildung wird immer wichtiger“, gibt Julia Klüber eine mögliche Antwort. Hamburgs Master Sommelier Hendrik Thoma kennt einen weiteren Grund. Thoma möchte Weintrinken nicht zu „einer olympischen Disziplin für bornierte Snobs, Besserwisser und Fachidioten“ werden lassen. Er will neue Zielgruppen erreichen und Leute für Wein begeistern, die nicht aus dem „saturierten Weinbusiness kommen, in dem viel Weinlyrik, aber selten eine eigene Meinung transportiert“ werde. Mit der reichweitenstärksten deutschen Videoplattform für Wein „Wein am Limit“ und einer Facebook-Page, die über 15.000 Likes zählt (Stand: Mitte Februar 2014), gelingt ihm das recht gut. Seinen wachsenden Erfolg führt Thoma auf guten Content und gute Präsenz zurück. Er findet: Nur wer wirklich selbst in den Dialog mit seinen Kontakten aus der Online-Welt trete, ohne zwischengeschaltete Agenturen und ohne Angst vor negativem Feedback, habe die Chance erkannt, die soziale Netzwerke böten: nämlich Nähe aufzubauen. Nähe im Internet? Ja, das geht, ist Hendrik Thoma überzeugt. Seinen Zuschauern hilft er seit eineinhalb Jahren per Videobotschaft weintechnisch auf die Sprünge und erntet begeisterte Resonanz. Vielleicht liegt es an seinen frechen Sprüchen, die in der „fine wine world“ wohl nur Naserümpfen ernten würden. Auf Augenhöhe mit dem Master Sommelier dürfen sich die nach den Initialen der Seite als Walinauten bezeichneten Zuschauer aber vor allem deshalb fühlen, weil Thoma unprätentiös in seinem mit Weinkisten vollgepackten Lager über Lieblingsweine, unbekannte Winzer, Restsüße, Terroirs und Aromen plaudert, ganz nach dem Motto „Weg vom Frontalunterricht, hin zu mehr Demokratisierung“. Zu diesem Zweck holt er sich Journalisten, Master-Sommelier-Kollegen oder befreundete Winzer vor die Kamera – aber auch seinen Nachbarn Ralf, der „wirklich keine Ahnung von Wein“ habe, WEIN+MARKT 4/2014 Konzepte aber gern die Verkostungsmuster wegschlürfe. Ralf interessiert sich mittlerweile mehr für Wein und erfüllt damit vorbildlich das, was sich Thoma von seiner Zielgruppe erhofft. Bei den Live-Verkostungen, für die er einen Winzer und einen Walinauten dazuschaltet, erreicht der Master Sommelier schließlich das Höchstmaß an Interaktion, das das Social Web ermöglicht: Die Zuschauer können direkt über Facebook und Twitter kommentieren und Fragen stellen. Zukunftspläne schmiedet Thoma mit seinen Videos, die im Schnitt 2.000 Mal angeschaut werden, natürlich auch. Er möchte die Plattform kommerzialisieren und um ein Shopmodell erweitern. Profitieren kann der Videoblogger jedoch schon jetzt von der Profilschärfung der „Marke Thoma“. Firmen und Privatkunden, die einen Weinprofi suchen, finden ihn dank eines guten Google-Rankings – und buchen ihn, weil sie sich anhand des Blogs ein Bild von Hendrik Thoma machen können. Auch WineVibes setzt auf die virtuelle Interaktion und setzt für die Suche passender Locations auf die über 8.000 Facebook-Freunde und die Leser der Website. Der Blog, dessen Reichweitenmaximum bei rund 55.000 Personen liegt, dient dagegen dazu, die Winzer vorzustellen, die die Gäste bei den nächsten WineVibes live erleben können. Die Bochumer Vinolución geht noch einen Schritt weiter und sucht online nach Studenten-WGs, die sich bei der monatlichen Drunken-Thursty-Verkostung als Weintester betätigen wollen – und zwar bei den Studenten zu Hause. Doch ist die unkonventionelle Hausparty, zu der selbstverständlich der Gast die Getränke beisteuert, nicht der Hauptact der Agentur Go Between Digital, sondern das einmal im Jahr stattfindende VinoluciónFestival. Geschäftsführer Oliver Sopalla hält nichts davon, kleine Brötchen zu backen. Er verkündet gleich mal die Revolution des Weines. Viva el vino! Viva la vinolución! „Das Weinimage ist dermaßen angestaubt, da muss man schon ein bisschen Rock’n’Roll reinbringen“, findet Sopalla. Die Gästezahlen der im Juni 2013 erstmals ausgerufenen Vinolución geben dem Marketingprofi recht. Knapp 2.000 Besucher strömten in das Kulturzentrum „Die Rotunde“ im berühmten Bochumer Bermudadreieck, probierten die Weine von 25 Winzern aus Deutschland, Europa und Übersee und naschten dazu gegrillte Sardinen. Erklärtes Ziel für die zweite Auflage, die vom 23. bis 25. Mai steigen wird: die Besucherzahlen noch zu toppen. Neben den Weinen und dem Weinwissen, das die Winzer fachkundig an ihre potenziellen Neukunden weitergeben, braucht „Es reicht nicht mehr, dass ein Wein gut ist – Kunden müssen smart, mit neuen Ideen und in ihrer Sprache angesprochen werden.“ Firmenfotos, medienagenten, ars24studio/Chris Janik Egal, ob Winerotation, Vinolución, Pusceddos Flaschenmob, WineVibes oder Hendrik Thomas „Wein am Limit“ – bei den innovativen Konzepten geht es darum, das Image von Wein zu entstauben und das genussaffine Publikum in Partylaune zu versetzen. das „urbane Weinfestival“, als das Sopalla die Vinolución bezeichnet, noch etwas: Musik. Ab 22 Uhr, wenn die Verkostung beendet ist, soll zu Elektrosounds getanzt werden. Das Ticket für die Party ist in den 12 Euro Eintritt (für Studenten 8 Euro) ebenso enthalten wie die Probiergläser. Die Vinolución macht vor allem Spaß, sagt Sopalla. Doch sieht er auch großen Nutzen für die ausstellenden Winzer, die neben einem Teilnahmebetrag von 825 Euro ihre eigenen Weine mitbringen müssen: „Wir haben schon mit der ersten Veranstaltung unser Zielpublikum genau getroffen. Es ist jung oder jung geblieben, weinaffin, an Kultur und Genuss interessiert, akademisch und umweltbewusst.“ Über den Onlineshop auf der Website steht den Winzern dann ein direkter Vertriebskanal zu den Kunden offen, die sie auf dem Festival für ihre Produkte interessieren konnten. Weniger als dezidierte Vertriebsplattform mit modernem Anstrich, sondern eher als Branchentreff war die Winerotation gedacht, die die Wein-MarketingAgentur Medienagenten nun schon zum sechsten Mal veranstaltet und die am kommenden Pfingstsonntag auf dem Weingut Fitz-Ritter in Bad Dürkheim über die Bühne geht. Agenturchef WEIN+MARKT 4/2014 39 Konzepte Die nächsten Weinevents und ihre Websites WineVibes: 29. März, Berlin, Berliner Postbahnhof, (außerdem für 2014 geplant: München, Wien, Zürich) www.winevibes.de Vinolución: 23.-25. Mai, Bochum, Rotunde www.vinolucion.de Winerotation: 8. Juni, Bad Dürkheim, Weingut Fritz Ritter www.winerotation.de Weinamlimit: Jede Woche ein neues Video über Wein und Winzer auf www.weinamlimit.de Flaschenmob: Wann der nächste Flaschenmob in Koblenz und Partnerstädten stattfindet, erfahren Sie auf der Facebook-Seite von Gavino. Termine Christoph Ziegler: „Wir arbeiten seit zehn Jahren mit Kunden aus der Weinwelt zusammen, inzwischen sind es 90 Weingüter aus ganz Deutschland, aber auch aus dem Ausland. Irgendwann kam uns die Idee, diese außergewöhnlichen Winzer aus aller Welt zu uns ins Herz der Pfalz einzuladen und mit ihnen zu feiern.“ Inzwischen sind die Winzer längst nicht mehr unter sich in der Pfälzer Provinz. Immer mehr „normale Weintrinker“ nutzten die Gelegenheit, in einem unprätentiösen, lockeren Open-Air-Ambiente ganz nah an die Welt der Weinexperten heranzurücken, berichtet Ziegler. Anders als Vinolución oder WineVibes, die sich gezielt das hippe Stadtpublikum aussuchen, feiert im 5.000 qm großen Park des Weinguts von Johann Fitz ganz gemischtes Publikum. „Vom Berliner Blogger über den Sommelier und Fachhändler bis zum 60-jährigen Genusstrinker vom Land ist unter unseren 600 Gästen pro Veranstaltung so ziemlich jeder zu finden“, erklärt der Kopf der Medienagenten. 40 Für die nächste Winerotation haben sich bereits Winzer von der Mosel, aus dem Rheingau, aus Rheinhessen, natürlich aus der Pfalz, aber auch aus dem badischen Lahr angekündigt, die an der Theke aus Barrique-Fässern ihre Weine kredenzen werden. Sie alle versprechen sich von der angesehenen Weinparty, für die die Besucher einen Frühbucher-Preis von 45 Euro zahlen, einen Imagegewinn. Doch fast genauso wichtig wie der Wein ist dem Schlagzeuger Ziegler die Musik. „Genau wie bei den Weinen wollen wir auch keinen musikalischen Mainstream. So spielt bei uns keine Beatles-Coverband, sondern die Funkrock-Band Good Men Gone Bad.“ Wie erfolgreich die Winerotation inzwischen sei, ließe sich nicht nur am immer stärker vertretenen Fachpublikum erkennen, erklärt Ziegler, sondern auch an der Resonanz in den sozialen Netzwerken: Die Facebook-Posts über die teilnehmenden Winzer erreichten eine Spitzenreichweite von 15.000 Klicks. Der nächste Schritt, der ins Ausland, ist demnach nur folgerichtig: „Unsere Vision ist eine Winerotation in Kalifornien gemeinsam mit deutschen und kalifornischen Winzern.“ Noch nicht so bekannt wie WineVibes, Vinolución oder Winerotation, aber ebenfalls schon mit Auslandsambitionen tritt Marco Pusceddu von der Koblenzer Weinbar Gavino auf. Auf den Önologen und Winzer geht der erste deutsche Flaschenmob zurück. Was das ist? Ein in den sozialen Netzwerken organisiertes Treffen Gleichgesinnter in der analogen Welt – so wie jeder andere Flashmob auch –, aber mit der Besonderheit, dass jeder Teilnehmer mit einer Weinflasche und zwei Trinkgläsern ausgestattet sein muss. Im Herbst 2012 aktivierte Pusceddu 200 Weinfreunde, die sich stundenlang am Deutschen Eck in Koblenz zum gemeinsamen Weinschlürfen und Fachsimpeln trafen. „Wein ist eben das sozialste Getränk der Welt“, erklärt der Flaschenmobber. In diesem Herbst will er gleich mehrere Länder im Zeichen des geteilten Weins miteinander verbinden. So werden Urban T. Stagård vom Lesehof Stagård und Artur Toifl vom Weingut ThieryWeber, die Pusceddus Idee kopierten und 2013 zwei Flaschenmobs in Österreich starteten, sowie die italienische Stadt Udine gleichzeitig mit den Koblenzern zum konzertierten Weintrinken aufrufen. Frei nach dem Motto: Raus aus dem Social Web, rein ins soziale Gelage! Susanne Böllert WEIN+MARKT 4/2014