Emmelkämper Mark VO Entwurf

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Emmelkämper Mark VO Entwurf
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Aus der Reihe Mönsterlänsk Platt – Band 13
Gerhard Schütte (Hrsg.)
Mönsterlänsk Sammelsurium
Dat iärste Book Miäst
up Platt
www.jahreszeitenhaus.com
Cover-Design, Layout und Satz
eMPiRe
ISBN 978-3-86999-113-9
© Copyright Vier JahreszeitenHaus
Verlag im Münsterland, Dülmen 2011
Die nicht näher bezeichneten Bilder stammen aus unterschiedlichen Ausgaben
(1953 – 1964) der Westfälischen Nachrichten (WN) und von Hubert Bauer
(H.B.)
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DIE SPRACHE DER HEIMAT
Wo Heimatort und Heimatsitte walten,
Gesellt sich Heimatsprache ihnen zu,
Und mag die Mode vieles neu gestalten ―
Hier bitte ich um ungestörte Ruh‗.
Der Heimat Laut darf nimmermehr verschwinden;
Stets muß ich seine Spur im Lande finden.
O Münsterland, erhalte und behüte
Der Sprache Laut, der Heimat trautes Wort;
Spricht doch die neue Zeit nicht zum Gemüte
Mit ihrer Rede aus dem fremden Ort.
Was du von deinen Vätern übernommen,
Laß nicht aus Furcht und Eitelkeit verkommen.
Mit deiner Sprache, herzlich, treu und bieder,
Kämpf‗ mannhaft gegen fremde Sitte an.
Mit deiner Mundart ringe mutig nieder
Den Geist, der böse Toren nur gewann.
Zäh‗ nach Westfalenart mußt ohne Beben
Du für Erhaltung deiner Sprache streben.
Hermann Steinhausen
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H.B.
Billerbeck
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In Rom, Athen und bei den Lappen,
da spürt man jeden Winkel aus,
indes wir wie die Blinden tappen
daheim im eignen Vaterhaus.
Karl Simrock (1802-1876)
VORWORT
Erfreulicherweise wird unsere plattdeutsche Sprache
heute in einem anderen Licht gesehen, als es noch vor Jahren
der Fall war. Es gibt auch wieder viele Menschen, die es schön
fänden, das Plattdeutsche zu beherrschen. Vorbei sind gottlob
die Zeiten, in denen unser heimisches Platt als grob, primitiv
und bäuerisch abgetan wurde. Gehen wir auch, leider Gottes,
einer Zeit entgegen, in der irgendwann die plattdeutsche
Sprache ausgestorben sein wird, so wird sie uns jedoch in unserer niederdeutschen Heimat für immer bewahrt bleiben. In
Haus-, Flur- und Straßennamen wird sie für alle Zeiten weiterleben, vor allem aber durch das geschriebene Wort. Hierfür
haben so bekannte Dichter wie Augustin Wibbelt, Hermann
Wette, Karl Wagenfeld, Ferdinand Krüger, Anton Aulke und
viele andere lobenswerte Feingeister unserer engeren Heimat,
dem Münsterland, gesorgt.
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Was war nun das Anliegen, dieses „Mönsterlänsk Sammelsurium― zusammenzustellen? Im Vordergrund stand in
erster Linie der Wunsch, das Plattdeutsche zu bewahren, darzustellen und festzuhalten. Auch wenn Platt die Entwicklung
zum Beispiel der technischen Ausdrücke nicht oder nur teilweise mitgemacht hat, erfüllt diese Sprache noch den Zweck
eines reibungslosen und vollkommenen Gedankenaustausches. Über Jahrhunderte war das Platt Muttersprache, die
Sprache, die dem Kind von der Mutter übermittelt wurde.
Welche Sprache könnte im Vergleich überhaupt einen höheren Stellenwert haben?
Zu einigen Artikeln dieser Sammlung möchte ich nun
im Besonderen Stellung nehmen. Ein Großteil der älteren Leserschaft wird sich beim Studieren der Artikel ‘Bastlösereime‘,
‘Hauen, düörsken, slaon un süs nao wat‘, ‘Plattdeutsche Grußformen und Einladungen‘, ‘Plattdeutsche Sprichwörter und
Redewendungen bezüglich Trinkgewohnheiten etc.‘ und
‘Vom ländlichen Grüßen‘ in vielfältiger Weise in die Zeit als
Kind und Jugendlicher zurückversetzt fühlen, eine Zeit, in der
das heimische Platt noch gang und gäbe war. Vieles dieser
Sammlung stammt aus einer Zeit, als sich die Menschen noch
unterhielten, in den Abendstunden und nach getaner Arbeit,
an Sonn- und Feiertagen und den langen Winterabenden am
heimischen Herdfeuer, als Radio, Fernsehen und Computer
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noch keiner Unterhaltung störend entgegenwirkten. Bedachtsamkeit, Gemächlichkeit und Verinnerlichung waren damals
noch keine leeren Worthülsen, sondern gehörten in der Tat
zum Leben dazu.
Mancher der älteren Generation wird sich beim Lesen
der „Bastlösereime― noch gerne an die Zeit erinnern, als er
sich als Jugendlicher aus den Hecken die passenden Hölzer
schnitt, vorwiegend Weidenhölzer, und beim Gesang der
Reime von einem ‘sappen Toog‘ eine ‘Happe‘ oder ‘Happiepe‘
schlug. Er wird sich gedanklich mit einem „ja, so war es― in
diese Begebenheiten zurückversetzen.
In den Artikeln ‘Grußformen und Einladungen‘ sowie
‘Vom ländlichen Grüßen‘ findet der Leser eine große Anzahl
von Möglichkeiten der Begrüßung eines Gastes, eines Bekannten, eines Nachbarn, eines Fremden oder der zugehörigen
Familie. Der echte Münsterländer, der bodenständige Westfale, hat sich seinen Stolz noch bewahrt und hält Abstand zu
seelenlosen Grußformen wie ‘Hallo‘ und ‘Hei‘, die so gar nicht
zu unserem Volk passen, da sie nicht aus unseres Volkes Mitte
stammen.
Beim Thema ‘Hauen, düörsken, slaon un süs nao wat‘
werden sich bei vielen Lesern ebenfalls nicht gerade positive
Gedanken einstellen. Schläge gab es zu jeder Tageszeit, an je-
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dem Ort, ob Schule, Kirche oder zu Hause, auf Festen wie
Kirmes und Schützenfest. Raufereien und Schlägereien waren
an den bekannten Stadtfesten nicht selten. In jedem Ort gab es
stadtbekannte Raufbolde, die sich zwecks Ermangelung anderer, sinnvollerer Tätigkeiten eben diese Art von Hobby auserkoren hatten. Aber die Allgemeinheit machte daraus keinen
großen Hehl. Man empfand Raufereien eher als eine Volksbelustigung und so kam es nur selten zu Polizeieinsätzen und
Gerichtsverfahren. Man tat es, wie gesagt, als Lappalie ab.
Auch die Lehrerschaft, ob männlich oder weiblich,
machte regen Gebrauch von ‘körperlicher Erziehung‘ und so
mancher Schüler aus jenen Tagen kann heute noch ein Lied
davon singen. Die meisten ‘Pädagogen‘ hatten ihre speziellen
Anwendungen, mit denen sie ihren Willen Ausdruck verliehen. Ein Teil der Lehrerschaft, das muss man einfach sagen,
hatte sadistische Züge. So kam es vor, dass Schüler die Unterhose ausziehen mussten, bevor der Lehrer den Hintern des
‘Delinquenten‘ mit einem Staffelstab bearbeitete. Auch wenn
man zu der Zeit eine andere Sichtweise über erzieherische
Methoden hatte, gehörte sich so etwas nicht. Selbst Pfarrer
und Kapläne mischten beim Schlagen eifrig mit und auch
Grevener Schüler haben, ältere Jahrgänge bestätigen das, Bekanntschaft mit diesen ‘Auslassungen‘ gemacht.
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Die ‘Marterwerkzeuge‘ waren ebenfalls vielseitig:
Klopppeitsche, Rohrstock, Rute, Lineal, Schlüsselbund, Haselnussstock, Zeigestock und Staffelstab. Ja, man war bei der
Verabreichung der ‘Peinlichkeit‘ nicht sehr kleinlich und betrachtete Bestrafung als ebenso notwendig wie das tägliche
Brot. Verschiedene Redensarten belegen das: ‘Schade um jeden Schlag, der vorbei geht‘ oder ‘Du musst mehr vor die Hose haben, dann wächst du schneller‘, oder ‘Klaine Blagen un
junge Rüens müet‘t Sliäge häbben‘.
Ein weiterer interessanter Artikel hat den Alkoholkonsum zum Thema. Vor allem in den Jahren nach dem Zweiten
Weltkrieg wurde viel und gerne Alkohol getrunken. Die
Kneipe an der Ecke hatte einen immens hohen Stellenwert,
war Dreh- und Angelpunkt der Geselligkeit. Man verkümmerte geistig noch nicht vor der ‘Glotze‘, sondern unterhielt
sich, spielte Karten und knobelte. Wie gesagt, es wurde viel
gebechert und ‘man spuckte nicht drin‘. Vielfältig und groß ist
daher die Anzahl von Sprüchen, Worten und Namen in diesem Zusammenhang. Freitags war ‘Lohntütenball‘. Den Arbeitern wurde der Lohn eigenhändig ausgezahlt. Das wurde
meistens vom Firmenchef selbst erledigt, der dann zu gewohnter Zeit die Baustelle aufsuchte. Die Kneipen und Wirtschaften hatten hernach massiven Zulauf. Draußen, am Mauerwerk des auserwählten Kruges, standen dann die Fahrräder
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all derjenigen, die drinnen ihre Kehlen schmierten und ihrer
trockenen Leber etwas Gutes gönnten. Ja, man stand oft in
Zweier- und Dreierreihen vor den Theken. Es war eine große
Zeit. Aber so mancher Zecher musste sein Vorhaben schon
frühzeitig für beendet erklären, wenn seine ‘bessere Hälfte‘
ihn in weiser Voraussicht vor dem Fabriktor abfing und die
Übergabe der Lohntüte verlangte. Handgreiflichkeiten waren
dabei nicht selten.
Auf den Baustellen waren Bier und Münsterländer Korn
ständiger Begleiter. Der Handlanger war ohne seinen ‘Flachmann‘ oder ‘Priem‘ fast undenkbar. Die Arbeiten zu jener Zeit
waren schwer, schweißtreibend, monoton und zermürbend.
Maschinen, die heute die schwere Arbeit verrichten, waren
Mangelware; Speis und Steine mussten auf dem Rücken des
bedauernswerten Handlangers auf Leitern zum Bestimmungsort gebracht werden. Der Münsterländer Korn half zumindest über einen Teil der Misere hinweg.
Zum Schluss noch ein Wort zur Schreibweise in den verschiedenen Aufsätzen und Sammlungen. Der aufmerksame
Leser wird bei der Lektüre hier und da auf unterschiedliche
Schreibweisen stoßen. Dieses rührt daher, dass sowohl im
Münsterland als auch im gesamten niederdeutschen Sprachraum unterschiedliche Sprachvarianten gesprochen werden.
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In Zweifelsfällen steht jedoch am Ende dieses Buches ein ausführliches Wörterverzeichnis zur Verfügung.
Gerhard Schütte
H.B.
Buchenreihe Merfelder Bruch
H.B.
Überschwemmung im Münsterland
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NU SÄG DOCH ÄS SÖWST...
In leste Tiet dach‗k mannich maol,
wat is et doch ne graute Kwaol.
Kien Spier von Schiämde häbt de Lü.
Üör Kwatern mäk mi rainwäg schü.
Wän ik so pätke düör de Straoten,
mot dags ik lustern üöwer Maoten,
dat mi nicheen büt Dagestiet
nao olle Iärs. – Nu is‗t so wiet!
Häw ik nich Rächt? Mi is et klaor,
dän lustern do‘k al mannig Jaor,
dat usse Spraoken, haug un plat,
al faken kuëmt nu uut dän Trat.
Un de Venül is auk bol druut.
Wän se doch holl‗n manks de Snuut
äs sabbeln, wat nicheen vestait. –
Wat tält is, dat de Wind rächt wait.
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―Moin‖ of ―Guëden Dag‖ häörs wännig,
un wat dao küert wät, lüt elennig.
Se kuëmt di met ‖Hallo‖ of ―Hei‖
un makt debi ‘n graut Geschrai.
Häbt de Kultuur up düsse Wiält,
wel ann‘re üöwer de egene stelt?
―Düütskland, Denker-, Dichterland‖
dat häw vandag ‘n swaoren Stand.
Dat weet doch jedereen aon ―Pisa.‖
Söwst Naobers Frits un auk de Lisa.
Dao is nich viël mäer an te maken,
an sökke dul vedraiten Saken.
Küert een vandag rächt aone Sinn,
dan mänt he faots, dat he wäör ‖in―.
Un häör ik söcke Wäör‗ äs ―cool―,
dan häw ik al de Niäse vul!
Wees du nich wat bedüt ―event―,
dan ligs du wis nich in‘n ―trend―.
Gao mi doch wäg met so‘n Gekwater,
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dat is nich Wien un auk nich Water.
De ene kreeg ‗n ―full time job―,
de ann‗re hölt dat för‗n ―flop―.
Jä, biäter is‘t, man süüt‘t ―relaxed―
un denkt, de Wiält is rain vehekst.
De Blätkes konn ‘n wul wat maken,
un schriwen üöwer söcke Saken.
Schriwen aower met Vestand,
süs gait de Spraoke vüör de Wand.
―Anglizismen― sint in‘t Fleesk een Däön,
dat mot m‘ wiëten un vestaon.
Wän du mi frögs, ik säg di driest,
de Spraok‗ mi met dat Laiwste is.
Pat nich so‘n Wiärks uut de Stadt Babel,
dat wäör wul wat för Kain un Abel.
Wi sint to Huus in‘t Mönsterland.
Ik glaiw, dat is ju wul bekant.
Ik fööl mi äs een riken Man,
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de Haug - un Platdüütsk küern kan,
un dat is mi een Haupen wäert.
Jüest äs de Moder häw mi‘t läert.
Paul Baumann
BIÄTER...
Biäter ‗n halw Ei äs‘n lürigen Dopp.
Biäter ‗n Kribbelkopp äs‘n Däöskopp.
Biäter arm in Ähren äs riek in Schanne.
Biäter drao äs lamm.
Biäter eenmaol in‘t Jaohr ‘ne Koh versupen äs jeden Dag en Kalw.
Biäter en graoen Aol äs ne bunte Slang.
Biäter en Has in de Panne äs‘n Kater up‘t Dack.
Biäter en Lappen äs‘n Lock.
Biäter en mageren Vergliek äs‘n fetten Proseß.
Biäter en Släör an de Wand äs nicks dran.
Biäter heet blaost äs dat Muul verbrannt.
Biäter is biäter, sägg de Junge, dao streide he sick Sucker up‘n Sirup.
Biäter Kleingeld äs kien Geld.
Biäter met de Uhle te sitten äs met de Iäkster te hüppen.
Biäter ne Luus in‘n Pott äs gar kien Fleesk.
Biäter twee Köh satt äs drei Köh wat.
Ene Imme is biäter äs dusend Fleigen.