Thomas Höhl - Hausarbei - Arvo Pärt

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Thomas Höhl - Hausarbei - Arvo Pärt
Universität Kassel
FB 01 - Musik
Seminar: Visualisierung von Musik
Dozentin: Prof. Dr. Frauke Heß
Thomas Höhl
[email protected]
Matr.: 27222874
Musik, Französisch
4. Fachsemester
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2
2. Arvo Pärt - Kurzbiografie
4
3. Der Tintinnabuli-Stil
5
3.1 Reduktion am Beispiel von „Für Alina“
3.2 Der „zweistimmige Ursatz“
3.3 Enge Beziehung zur Stille
3.2.1 Auskomponierte Stille (Notenbeispiele)
3.4 Die Wichtigkeit des Raumes
3.5 Die Suche nach Vollkommenheit
3.6 Musizierhaltung bei der praktischen Umsetzung der Musik Arvo Pärts
3.7 Klangfarben
4. Cantus in Memory of Benjamin Britten
4.1 Cantus in Memory of Benjamin Britten - Strukturanalyse
4.2 Cantus in Memory of Benjamin Britten - Interpretation
5. Pärt als Filmmusik
5.1 Gemeinsamkeiten der häufig im Film verwendeten Stücke
5.2 Einsatz der Musik Pärts im Kontext der Mood-Technik
5.3 Betrachtung von Filmbeispielen
5.3.1 Fahrenheit 9/11
5.3.2 Die Liebenden von Pont Neuf
6. Vermittlung im Unterricht
6.1 Wirkungsanalyse durch bildliche Darstellung
6.2 Erstellung eines Moodboards
6.3 Verbindung der Zugangsweisen
6.4 Erhöhung der Medienkompetenz
6.5 Rückkehr zur Subjektivität
6
8
10
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33
34
39
7. Schlusswort
41
8. Quellennachweise
43
9. Anhang
46
0
1. Einleitung
1. Einleitung
„Distracted from distraction by distraction“
T.S. Eliot1
Diese Zeile aus einem Gedicht von T.S. Eliot beschreibt wohl das Los des modernen
Menschen, der angesichts einer medialen Reizüberflutung den Fokus auf das
Wesentliche zu verlieren scheint. „Schneller, höher, weiter“ lautet sein Lebensmotto.
Er glaubt, dass „mehr“ auch tatsächlich immer „mehr“ ist. Und dann kommt mitten
diese Zeit ein Mensch, der sich diesem Strom widersetzt. Ein Mensch, der bewusst
auf die Errungenschaften der Moderne verzichtet und Demut walten lässt. Dieser
Mensch ist der estnische Komponist Arvo Pärt. Viele finden in seiner Musik
dasjenige, was ihnen im hektischen Alltag verwährt bleibt: Ruhe, Trost, Meditation.
Doch Arvo Pärt hat nicht immer so gelebt. Er ist zunächst jahrelang mit dem
Strom seiner Zeitgenossen mitgeschwommen, hat sämtliche Kompositionsweisen
der Moderne einmal ausprobiert, um am Ende festzustellen, dass sie ihn nur
eingeengt haben. Nach einer langen Phase des Rückzugs in Schweigen ist der
tiefreligiöse Pärt heute immer wieder neu auf der Suche nach dem Kern der Dinge:
„Vieles und Vielseitiges verwirrt mich nur, und ich muss nach dem Einen suchen.
Was ist das, dieses Eine, und wie finde ich den Zugang zu ihm?“2 Auf dieser Suche
nach dem Kern der Dinge hat Pärt schließlich die Schönheit der Stille entdeckt. Mit
seiner Musik versucht er, dieser Stille stets gerecht zu werden. Doch vermag dies nur
ein vollkommener Ton: „Ich habe entdeckt, dass es genügt, wenn ein einziger Ton
schön gespielt wird.“ Mit dieser Aussage steht der Komponist „im Gegensatz zur
Haupttendenz unserer Zeit, zum Aktionistischen, Lauten, Impulsiven, Getriebenen“
und setzt einen Kontrapunkt „gegen die Vereinnahmung durch zeitgenössische
Zivilisation“3. Wer ist dieser Pärt? Was zeichnet seine Musik aus? Wie ist sie
beschaffen?
1
Eliot, T.S. (1940): http://www.tristan.icom43.net/quartets/norton.html (gesichtet 09.10.09)
Pärt nach Sonntag, Brunhilde (2001). Das Problem der Zeit in der Tintinnabuli-Musik Arvo Pärts. In: Kautny,
Oliver (2001): Arvo Pärt - Rezeption und Wirkung seiner Musik. Osnabrück, S. 38.
3
Schatt, Peter W. (2001). Assimilation und Widerstand. In: Kautny, Oliver (2001): Arvo Pärt - Rezeption und
Wirkung seiner Musik. Osnabrück, S. 50.
2
1
1. Einleitung
Die folgende Hausarbeit versucht, eine Antwort auf diese Fragen zu finden. Dabei
stellt sie für mich persönlich eine Brücke zwischen zwei Seminaren dar.
Im Seminar „Neue Musik im Unterricht“ durfte ich Pärt kennen lernen. Deshalb
versuche ich im ersten Teil dieser Hausarbeit, mich seiner Musik anzunähern, indem
ich wesentliche Merkmale seines Stils herausarbeite. Dabei beschränke ich mich auf
seine Instrumentalmusik, da die Behandlung seines umfassenden Chorrepertoires
den Rahmen dieser Hausarbeit sprengen würde.
Im zweiten Seminar, das den Titel „Visualisierung von Musik“ trug, lernte ich
eine Methode kennen, die sich in meinen Augen gut für die Vermittlung der Musik
Pärts im Unterricht eignet: Die Erstellung von Videoclips. Folglich versucht der zweite
Teil der Hausarbeit zunächst festzustellen, inwiefern sich die Musik Pärts für diese
Methode überhaupt eignet. Im nächsten Schritt wird dann ein Unterrichtskonzept
entwickelt, das besonders Rücksicht auf die Eigenarten der Musik des Komponisten
nimmt.
Bei der Erstellung der Hausarbeit hatte ich stets einen fiktiven Adressaten im
Hinterkopf, namentlich eine Lehrperson, die noch nie etwas von Pärt gehört hat. So
ist die Hausarbeit mit der Idee verfasst worden, diese gedachte Lehrperson von dem
Wert der Kompositionen Pärts für den Unterricht zu überzeugen und mit
ausreichendem theoretischem Hintergrundwissen sowie mit Ideen zur praktischen
Umsetzung im Unterricht zu auszustatten.
2
2. Arvo Pärt - Kurzbiografie
2. Arvo Pärt – Kurzbiografie
Arvo Pärt wurde am 11. September 1935
in Paide (Estland) geboren4. Er studierte
bei Heino Eller am Tallinn Konservatorium
Komposition
(1957-63)
währenddessen
beim
und
arbeitete
estnischen
Rundfunk als Tonmeister (1958-67). 1980
verließ
er
Estland.
Nach
einem
Zwischenaufenthalt in Wien zog Pärt 1981
nach Westberlin, wo er bis heute lebt und komponiert.
Eine wichtige Besonderheit seines Lebenslaufes liegt darin, dass sich Pärt mit
einer Vielzahl an unterschiedlichen kompositorischen Techniken der Avantgarde
beschäftige, bevor er nach einer langen Schaffenspause im Jahre 1976 einen
eigenständigen, neuen, radikal reduzierten Stil hervorbrachte, den er „Tintinnabuli“
taufte. Diesen Stil entwickelt Pärt bis heute stets weiter.5
Im Folgenden wird der Werdegang des Komponisten näher betrachtet.
Zunächst komponierte Pärt neoklassizistische Klaviermusik, dann beschäftigte er
sich intensiv mit sämtlichen Kompositionstechniken der Avantgarde (Aleatorik,
Klangflächenmusik, Serialismus, Collagen6)7. Besonders mit der Collage-Technik
experimentierte Pärt: In seinen Collage-Werken inszenierte der Komponist stets eine
Konfrontation avantgardistischer Musik mit Zitaten oder Stilkopien älterer Musik.
Pärts
letztes
Collage-Stück
„Credo“
stellte
dabei
den
Höhepunkt
dieser
Gegenüberstellungen dar, löste gleichzeitig jedoch einen Wendepunkt im Schaffen
des Komponisten aus. Pärt konfrontierte in diesem Stück Bachs C-Dur Präludium mit
harten, expressiven avantgardistischen Klängen. Doch für ihn triumphierte in dem
Stück die Musik Bachs über die schroffen Klänge. Dadurch wurden für Pärt alle
modernen Kompositionstechniken, die er über 10 Jahre in seinen Werken angewandt
4
Rodda, Richard E., Kommentar aus dem CD- Heft von „Fratres“, eingespielt von I Fiamminghi „The Orchestra of
Flanders“ unter Rudolf Werthen. S. 4.
5
De la Motte-Haber, Helga (Hg.) (2000): Geschichte der Musik im 20. Jahrhundert - 1975-2000. Laaber. S. 269.
6
Kautny, Oliver (2005): Art. „Pärt, Arvo“. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Kassel, S. 146.
7
http://www.arvopart.info/ (gesichtet 27.09.09)
3
3. Der Tintinnabuli-Stil
hatte, sinnlos. Er fühlte sich durch sie zu stark eingeengt8. Es folgte eine
Schaffenskrise. Über einige Jahre machte sich Pärt auf die Suche nach einer neuen
musikalischen Stimme. In diesem Zeitraum beschäftigte er sich mit Komponisten aus
dem Mittelalter und der Renaissance, er studierte Gregorianische Choräle, setzte
sich mit der Schule von Notre Dame und der klassischen Vokalpolyphonie
auseinander.
1976
schrieb
Pärt
das Klavierstück „Für
Alina“,
das seine
Schaffenskrise beendete und die Geburt eines neuen kompositorischen Prinzips
darstellte.
Dieses Prinzip
nannte
Pärt
„Tintinnabuli“.
Pärt
verwendet
eine
anschauliche Metapher, um seinen neuen Stil vom alten Schaffen abzugrenzen: „Der
Weg dahin, wie ich heute komponiere, kommt mir vor, als hätte ich das Gehen neu
gelernt.“9
In einer Aussage Pärts wird die radikale Erkenntnis deutlich, die er in seiner
Schaffenskrise gewonnen hat. Sie ist gleichsam sein persönliches Credo: „Ich habe
entdeckt, dass es genügt, wenn ein einziger Ton schön gespielt wird.“10 Welche
Konsequenzen hat ein solcher Anspruch für seine Musik? Das folgende Kapitel
versucht, die wichtigsten Merkmale des Tintinnabuli-Stils zu erfassen.
3. Der Tintinnabuli-Stil
Der Begriff „tintinnabulum / tintinnabula“ kommt aus dem Altlateinischen und
bedeutet „kleine Glocke“. Diese Bezeichnung stammt von Pärt selbst. Er wählte
dieses Wort zunächst zufällig aufgrund seines musikalischen Klanges aus einer
Reihe verschiedener anderer Worte, die ihm für Form und Klang seines neuen Stils
passend erschienen.11 Erstaunlicherweise lassen sich jedoch viele Parallelen
zwischen dem Instrument „kleine Glocke“ und den Grundelementen der Poetik Arvo
Pärts herausarbeiten.12
8
Pärt nach Wallrabenstein, Wolfram (1991). Arvo Pärt hören. Texte und Materialien zur Hörbegegnung mit Pärts
„Collage über B-A-C-H“. In: Musik und Unterricht, H. 7, S. 32.
9
Pärt nach Wallrabenstein (2001), S.32.
10
Pärt nach Sonntag, Brunhilde (2001), S. 38.
11
Conen, Hermann (2006): Arvo Pärt - Die Musik des Tintinnabuli-Stils. Köln, S. 19.
12
Conen, Hermann (2006), S. 21.
4
3.1 Reduktion am Beispiel von „Für Alina“
3.1 Reduktion am Beispiel von „Für Alina“
Eine kleine Glocke ist ein sehr schlichtes Instrument. Diese „Schlichtheit“ findet man
auch
bei
Pärt
wieder.
Der
Komponist
konzentriert
sich
auf
einfachste
kompositorische Verfahren. Daran wird deutlich, dass das Element der Reduktion ein
wesentliches Merkmal des Tintinnabuli-Stils darstellt13. Dies wird nun am Beispiel
des Klavierstücks „Für Alina“ beschrieben, dessen Veröffentlichung 1976 Pärts
Ausbruch aus seiner Schaffenskrise markiert.
Über einem liegenden Pedalton werden zweistimmige Melodien gespielt.
Allein ein kurzer Blick über das Notenbild offenbart deutlich das Grundprinzip der
Reduktion. „Der Stil wendet sich ab von einer übermäßigen Kompliziertheit und sucht
eine Einfachheit und harmonische Balance, die zum Einschwingen in religiöse
Meditation einlädt.“14 Diese Reduktion zeigt sich in vielen musikalischen Parametern.

13
14
Rhythmus: Statt einer genauen rhythmischen Angabe wird nur das Verhältnis
der Töne zueinander angegeben. So erklingt der letzte Ton einer Phrase
immer länger als die vorigen Töne. Diese Beobachtung der rhythmischen
De la Motte-Haber, Helga (2000), S. 269.
Prinz, Ulrich (1994): Musik im 20. Jahrhundert, Materialien für die Oberstufe. Klett, S. 58.
5
3.1 Reduktion am Beispiel von „Für Alina“
Einfachheit lässt sich mit seltenen Ausnahmen auf das gesamte Oeuvre Pärts
ausweiten. Der Rhythmus vermeidet also komplizierte Bildungen.15
„Für Alina“ hebt sich jedoch in der Frage des Rhythmusvon anderen Werken
Pärts ab, da Metrum und Tempo nicht festgelegt sind16. Die
Vortragsbezeichnung „Ruhig, erhaben, in sich hineinhorchend“ erlaubt den
Gebrauch von Agogik. Für die meisten übrigen Stücke gilt jedoch die Stabilität
des Metrums als Grundlage.17

Melodik: Die Melodie in der rechten Hand beschränkt sich auf eine Skala: HMoll-Natürlich. Diese Beschränkung auf eine Skala liegt den meisten Werken
Pärts zugrunde. „Cantus in Memory of Benjamin Britten“ beispielsweise
bedient sich nur des Tonmaterials der A-Moll-Natürlich-Tonleiter.

Harmonik: Das gesamte Stücke erklingt in dem Akkord H-Moll, der durch die
Melodie in der rechten Hand mit verschiedenen Farben angereichert wird. Die
linke Hand spielt nur Töne des H-Moll-Dreiklangs. Auch dies lässt sich als
stilbildendes Merkmal bei Pärt bestimmen. Die Funktionsharmonik wird
aufgelöst. Pärt betrachtet den Dreiklang als einen „Klangkern […], dessen
Leuchtkraft ein ganzes Musikstück hindurch wirken kann.18

Dynamik: Es erfolgt nur die Dynamikangabe piano. Genaue
Phrasierungsangaben fehlen ebenfalls. Pärt verlangt also eine flächige
Dynamik, d.h. eine Dynamik, die sich nur in dem vorgegebenen Rahmen
bewegt. Konkret bezogen auf „Für Alina“ bedeutet dies, dass man ganz
bewusst mit den unterschiedlichen Registern im Klavier umgeht. Dies stellt
besondere Anforderungen an den Interpreten, gibt ihm aber auch einen
besonderen Freiraum. Das Kapitel 3.6 geht darauf in besonderer Weise ein.
Anhand der Dynamikbezeichnung „Piano“ wird auch ein weiteres Merkmal
deutlich, das sich auf das gesamte Oeuvre übertragen lässt. Die Musik Pärts
weist eine sehr enge Beziehung zur Stille auf19. Von dieser Stille entfernt sie
sich nur äußert selten. Die meisten Musikstücke Pärts sind somit eher in
leiseren Lautstärkeregionen anzusiedeln.
A/A+1/A+2

Struktur: Jede Phrase wird um einen Ton ergänzt. Pärt verwendet die
Methode der additiven melodischen Konstruktion, die in vielen anderen
Werken eingesetzt wird (z.B. „Fratres“, „Cantus“)20. Der Aspekt der Reduktion
zeigt sich hierbei darin, dass Pärt anhand der additiven Konstruktion auf ein
sehr simples Kompositionsprinzip zurückgreift.

Dichte: Es werden sehr wenige Noten gespielt. Abgesehen von dem Pedalton,
der nur zu Beginn erklingt, ist das Stück zweistimmig. Jede Hand spielt jeweils
einen Ton.
15
Eichert, Randolph G. (1999): Satztechnik, Form und Harmonik in der Musik von Arvo Pärt. In: Mth, H. 14, S. 53.
Conen, Hermann (1999): CD-Heft von „Alina“, ECM 1591, S. 4.
17
Kähler, Andreas Peer (2006): Vom Strahlen in der Stille. In: Conen, Hermann (2006). Arvo Pärt - Die Musik des
Tintinnabuli-Stils. Köln, S. 175.
18
Hillier, Paul (2006): Bemerkungen zur Aufführungspraxis der Chorwerke Arvo Pärts. In: Conen, Hermann
(2006): Arvo Pärt - Die Musik des Tintinnabuli-Stils, S. 163.
19
Wird in Kapitel 3.3 genauer thematisiert
20
Hillier, Paul (2006): S. 165.
16
6
3.2 Der „zweistimmige Ursatz“
3.2 Der „zweistimmige Ursatz“
Bei dem zuletzt festgestellten Merkmal handelt es sich um das wichtigste
satztechnische Grundprinzip des Tintinnabuli-Stils. Dieses liegt darin, dass in der
Zweistimmigkeit der kleinste musikalische Baustein der Musik Pärts liegt. Es wird
auch von einem „zweistimmigen Ursatz“21 gesprochen. Dieser unterliegt der
Grundregel, dass stets eine Zuordnung von Tönen eines Dreiklangs zu Tönen einer
Melodiestimme stattfindet.
Die Melodiestimme lässt sich dabei immer auf eine diatonische Tonleiter
zurückführen. In „Für Alina“ spielt die Melodiestimme Töne aus der h-Moll-NatürlichTonleiter, während die Dreiklangsstimme - abgesehen von dem Ton cis in T. 11 Töne des H-Moll-Dreiklangs spielt.
Die Dreiklangsstimme, auch Tintinnabuli-Stimme genannt, spielt über weite
Strecken Töne eines einzigen Dreiklangs. Sie folgt keinen funktionsharmonischen
Gesetzen. Eine weitere Eigenschaft der Dreiklangsstimme ist, dass sie immer dem
Verlauf der Melodiestimme folgt. Nie kommt es dabei zu einem Unisono im Einklang
oder der Oktave.
Das satztechnische Grundprinzip des Tintinnabuli-Stils beschränkt sich jedoch
nicht nur auf das Vorhandensein von zwei unterschiedlichen Stimmen. Das
Verhältnis
zwischen
Melodie-
und
Dreiklangsstimme,
die
„Zuordnung
der
Dreiklangstöne zu den einzelnen Melodietönen nach deren relativer Position“, muss
ebenso beachtet werden.22 Diese Zuordnung legt Pärt über einen langen Abschnitt
oder für das gesamte Stück fest23. In „Für Alina“ spielt die Dreiklangsstimme
ausnahmslos den nächstunteren Dreiklangston zur Melodiestimme, eine Oktave
nach unten transponiert. Es gibt jedoch noch viele andere Möglichkeiten. So kann
zum Beispiel eine Zuordnung der übernächsten oberen Dreiklangsstimme zur
Melodiestimme
erfolgen.
Die
folgende
Darstellung
zeigt
noch
weitere
24
Zuordnungsmöglichkeiten .
21
Brauneiss, Leopold (2006). Pärts einfache kleine Regeln. In: Conen, Hermann (Hg.) (2006): Arvo Pärt - Die
Musik des Tintinnabuli-Stils. Köln, S. 104.
22
Brauneiss, Leopold (2001). Grundsätzliches zum Tintinnabulistil Arvo Pärts. In: Mth, H. 16, S. 41.
23
Conen, Hermann (2006), S. 104.
24
Darstellung aus Brauneiss, Leopold (2001), S. 41.
7
3.2 Der „zweistimmige Ursatz“
2. Position oberhalb
2. Position unterhalb
1. Position oberhalb
1. Position unterhalb
alternierend
Melodiestimme und Dreiklangsstimme bilden zusammen eine untrennbare
Einheit. Dies betont Pärt anhand einer anschaulichen Metapher: „Die beiden
Stimmen gehören so stark zusammen wie bei dem Effekt der Magdeburger
Halbkugeln, die durch das Vakuum zwischen den beiden Teilen nicht mehr trennbar
sind.“25 Paul Hillier, der durch zahlreiche Einspielungen viel Erfahrung mit der Musik
Pärts gewinnen konnte, bezeichnet das Verhältnis der beiden Stimmen mit den
Begriffsgegensätzen „subjektiv“ und „objektiv“. Subjektiv sei die Melodiestimme, da
sie dynamisch und beweglich sei, objektiv sei die T-Stimme, da sie einem
unveränderlichen Prinzip unterliege.26 Hermann Conen beschreibt das Verhältnis der
beiden Stimmen mit der Formel „Schritt gegen Sprung“.27 Anschaulich paraphrasiert
er diese Formel mit der bildlichen Vorstellung „Linie gegen Kreis“.
Die Konzentration auf die Kombination von Melodie- und Dreiklangsstimme
lässt sich mit dem anfangs erwähnten Element der Reduktion im Tintinnabuli-Stil in
Einklang
bringen.
So
wird
die
harmonische
Vielfalt reduziert, indem die
Dreiklangsstimme nur einen Akkord spielt. Folglich entfällt für Pärt die Stufen- und
Funktionsharmonik. Es kommt nicht zu Modulationen oder Ausweichungen, sondern
immer nur zu Varianten des einen, zu Beginn festgelegten Akkords. Trotzdem enthält
die Musik Pärts zwei wesentliche Komponenten, die jede Art von Musik auszeichnen:
Die Folge von Spannung und Entspannung. Im Tintinnabuli-Stil wird dies erreicht,
indem die Melodiestimme zur Dreiklangsstimme Dissonanzen oder Konsonanzen
bildet. So kommt es zu einem harmonischen Atmen. „Der Tintinnabuli-Stil re-etabliert
so die Kadenz in neuer Gestalt“.28
Da die im zweiten Teil dieser Hausarbeit dargestellten Möglichkeiten der Vermittlung
der Musik Pärts im Unterricht über eine sachliche Analyse des musikalischen
25
Conen, Hermann (2006), S. 48.
Hillier, Paul (2006). S. 164.
27
Conen, Hermann (2006), S. 47.
28
Conen, Hermann (2006), S. 50.
26
8
3.3 Enge Beziehung zur Stille
Materials hinausgehen sollen, folgt nun ein kurzer Gedanke zur Wirkung sowie zur
Deutung des Stücks „Für Alina“. Richard E. Rodda stellt dar, Pärt habe eine „stille
Dynamik mit rhythmischer Stase“ verwendet, „um eine nachdenkliche Stimmung von
mystischer
Einkehrung
zu
erzeugen,
die
die
persönliche
Gläubigkeit
des
29
Komponisten verkörpert“ .
3.3 Enge Beziehung zur Stille
Anhand der Metapher der Glocke lässt sich neben dem Aspekt der Reduktion noch
eine weitere wichtige Parallele zur Musik Pärts aufzeigen: Schlägt man eine Glocke
an, so dauert es sehr lange, bis ihr Klang nicht mehr hörbar ist. Der Übergang eines
Glockenklangs in Stille ist unmerklich. Somit ist die Glocke dasjenige Instrument, das
möglicherweise den engsten Bezug zur Stille aufweist. Conen beschreibt ihre
Klangwirkung wie folgt: „Sie [die Glocke] führt dem Hörer beim vollständigen
Verklingen auch die Grenzen seiner Hörfähigkeit vor. Die Unmerklichkeit, mit der der
Klang in die Stille entschwindet, genauer: unsere eigene Hörgrenze unterschreitet,
ohne doch schon wirklich verklungen zu sein, deutet auf seine Fähigkeit hin, beide
Sphären [, Klang und Stille,] auf einzigartig diskrete Weise zu verbinden.“30
Auch Pärt verbindet diese beiden Sphären in seinen Werken miteinander. Somit ist
eine Besonderheit, die Pärts Stücken innewohnt, das Wechselspiel von Klang und
Stille31. Ein Beispiel soll dies nun veranschaulichen. Dabei wird das für den zweiten
Teil dieser Hausarbeit zentrale Werk „Cantus in Memory of Benjamin Britten“ kurz
betrachtet, bevor es in Kapitel 4 anhand von weiteren Kriterien untersucht wird:
Der eigentliche Beginn des Stückes ist eine Pause (siehe Grafik S. 12 oben). Der
Dirigent fängt an zu dirigieren. Dabei ist aber noch kein Ton hörbar. Die Stille zu
Beginn ist somit Teil des Werks. Aus dieser anfänglichen Stille heraus tritt nun der
Klang einer einzigen Orchesterglocke. Er ist kaum hörbar, da der Glockenspieler die
Anweisung hat, im dreifachen Piano zu beginnen. Nach dem ersten Glockenschlag
folgt eine lange Pause, bevor der nächste Glockenschlag einsetzt. Dem Ton wird
also genug Zeit gegeben, um auszuklingen, bis er kaum noch hörbar ist. Der Einsatz
29
30
Rodda, S. 5.
Conen, Hermann (2006), S. 22.
31
Mosch, Ulrich (1992). Tönende Stille - Stilles Tönen. Zur Musik von Arvo Pärt. In: Positionen 10 (OnlineAusgabe). S.17f.
9
3.3 Enge Beziehung zur Stille
des Streichorchesters erfolgt ebenfalls aus der Stille heraus. Dies wird dadurch
erreicht, dass die ersten Violinen die Spielanweisung haben, im ppp zu beginnen und
zusätzlich noch mit Dämpfer zu spielen. Auch das jeweils um einen Takt versetzte
Einsetzen der übrigen Streichergruppen ermöglicht ein allmählich fließendes
„Aufsteigen“ aus der Stille. Pärt lässt bewusst nicht alle Instrumente zur selben Zeit
beginnen und schafft somit über das gesamte Stück hinweg eine am Rande der Stille
beginnende, kontinuierlich ansteigende Dynamikkurve. Diese Kontinuität wird auch
dadurch erreicht, dass Veränderungen in der Dynamik in den einzelnen Stimmen
versetzt erscheinen. So kommt es nicht zu einer plötzlichen synchronen
Veränderung. Die verschiedenen Dynamikstufen gehen fließend ineinander über.
Am Ende des Stückes wird der dichte, im dreifachen Forte stehende A-MollDreiklang plötzlich abgebrochen. Doch trotzdem führt Pärt die Zuhörer wieder in
einem fließenden Übergang, und nicht abrupt, zur Stille hin. Kurz bevor der Akkord
abbricht, wird die Glocke angeschlagen (T. 108). Das Anschlagen der Glocke ist
angesichts der lauten Streichertextur jedoch nicht hörbar, da es im Pianissimo
erfolgt. Lediglich ihr allmähliches Verklingen wird wahrgenommen. Dadurch dass das
Stück mit dem Verklingen der Glocke endet, zeigt sich, dass bei Pärt Stille und Klang
stets verbunden sind und in fließenden Übergängen ineinander übergehen. Die
folgende Darstellung der Dynamik von „Cantus“ soll dies noch einmal zeigen.
Stille stellt für Pärt stets den Ausgangspunkt für das Komponieren dar: „Meine Musik
entstand immer, nachdem ich lange geschwiegen hatte, und zwar im buchstäblichen
Sinn des Wortes. Die Stille ist uns nicht nur so einfach gegeben, sondern, um uns
von ihr zu nähren.“ Dass Stille im Schaffensprozess von Arvo Pärt einen besonderen
Stellenwert einnimmt, lässt sich auch aus einem weiteren Zitat herauslesen: „Wie
10
3.4 Die Wichtigkeit des Raumes
kann man die folgende Stille (das Schweigen) mit Tönen füllen, die des
vorangegangenen Schweigens (der Stille) würdig wären?“. Mit dieser Frage geht Pärt
an jedes seiner Werke heran und versucht, darauf eine Antwort zu geben.32
3.3.1 Auskomponierte Stille (Notenbeispiele)
1. Die ersten Takte von „Cantus in Memory of Benjamin Britten“
2. In dem Doppelkonzert für zwei Violinen „Tabula Rasa“ wird Stille sogar am Ende des Stückes auskomponiert.
3.4 Die Wichtigkeit des Raumes
Es wurde bereits festgestellt, dass die Musik des Tintinnabuli-Stils einen engen
Bezug zur Stille aufweist. Das Ausklingen der Instrumente, der fließende Übergang
zurück in die Stille ist für den Tintinnabuli-Stil demnach sehr wichtig.33 Dies hat zur
Folge, dass die Wahl des Aufführungsortes von besonderer Bedeutung ist, denn nur
der akustische Raum lässt Klänge allmählich in Stille übergehen, wenn die Musiker
bereits aufgehört haben, zu spielen. Diese Erkenntnis findet in der Praxis Beachtung.
Man nehme eine beliebige Pärt-Aufnahme. Anhand des Hallsignals lässt sich
nachvollziehen, dass die Stücke oft in großen Kirchen aufgenommen wurden. Neben
den Eigenschaften des Tintinnabuli-Stils ist ein solcher Aufführungsort auch nahe
liegend, weil der tiefgläubige Komponist sich musikalisch mit sakralen Texten
auseinandersetzt. Paul Hillier, der mit seinem Ensemble bereits viele Stücke von Pärt
32
33
Mosch, Ulrich (1992), S. 35.
Conen, Hermann (2006), S. 169.
11
3.5 Die Suche nach Vollkommenheit
eingespielt hat, betont ebenfalls die Wichtigkeit des Aufführungsraumes: „Es gibt
keinen Zweifel, dass Pärts Musik erst zu ihrem Recht kommt, wenn sie in der ihr
angemessenen Umgebung zur Aufführung gelangt. Die Musiker werden dann
entdecken, dass der akustische Raum zu einem Teil der Komposition wird, ja in der
Tat selbst zu einem Instrument wird, auf dem die Musik gespielt wird.“34
3.5 Die Suche nach Vollkommenheit
Es soll nun wieder zur Glockenmetapher zurückgekehrt werden, um eine weitere
Eigenschaft der Musik Arvo Pärts darzustellen. Conen beschreibt, im Klang der
Glocke äußere sich das „Bündnis des Einfachen mit dem Vollkommenen“35. Bringe
man eine Glocke zum Klingen, so schwinge alles an ihr. Die Ausbreitung ihres
Klanges im Raum sei gleichmäßig, nicht zielgerichtet. Diese Vollkommenheit lässt
sich mit einer Erkenntnis Pärts in Einklang bringen, die er nach seinem
kompositorischen Bruch und der Suche nach einer neuen musikalischen Stimme
gewann:
„Es gibt viele Erscheinungen von Vollkommenheit: alles Unwichtige fällt weg. So etwas
Ähnliches ist der Tintinnabuli-Stil. Da bin ich alleine mit Schweigen. Ich habe entdeckt, dass es
genügt, wenn ein einziger Ton schön gespielt wird.“36
In diesem Zitat wird der Anspruch Pärts deutlich, durch das Mittel der Reduktion eine
Konzentration auf das Wesentliche zu erreichen. Außerdem sorgt der Wunsch nach
einem vollkommenen Ton dafür, dass in Pärts Musik sehr sparsam und vorsichtig mit
Tonmaterial umgegangen wird. Diese Vorsicht wiederum lässt sich mit der
Wichtigkeit der Stille für Pärt verbinden, denn er versucht, ebendieser mit Klängen
gerecht zu werden37. Die darstellte Aussage fasst bringt also die Art, wie Pärt Musik
komponiert, auf den Punkt. Zusätzlich wird jedoch eine andere Komponente deutlich,
die über das Komponieren hinausgeht. Aus dem Satz „Ich habe entdeckt, dass es
genügt, wenn ein einziger Ton schön gespielt wird.“ kann man Pärts radikale
Anforderung an die Aufführungspraxis seiner Musik herauslesen. Er spricht von
34
Conen, Hermann (2006), S. 169.
Conen, Hermann (2006), S. 22.
36
Sonntag, Brunhilde (2001), S. 38.
37
Vgl. S. 11
35
12
3.6 Musizierhaltung bei der praktischen Umsetzung
einem Klangideal, für das man als Musiker unbedingt sensibel sein muss, denn der
erste Schein trügt: Schaut man sich eine Partitur von Pärt an, so scheint sie leicht
spielbar zu sein. Wenige Noten mit langen Notenwerten, eine einfache Rhythmik,
viele Pausen und wenige Vortragsbezeichnungen bestimmen das Notenbild. Will
man jedoch Pärts Anspruch der Vollkommenheit eines schönen Tones gerecht
werden, so zeigt sich, dass nicht jeder für die Ausübung der Musik Pärts geeignet ist.
Kähler beispielsweise spricht von der „Unmöglichkeit, in der Nacktheit dieser Musik
vorhandene technische oder musikalische Defizite […] zu kaschieren“38. Zu den
technischen Anforderungen der Musik kommt hinzu, dass jeder Musiker eine
bestimmte Musizierhaltung annehmen muss, um Pärts Musik zum Klingen zu
bringen. Das folgende Kapitel wird dies thematisieren.
3.6 Musizierhaltung bei der praktischen Umsetzung der Musik Arvo Pärts
Bei der Betrachtung des Klavierstücks „Für Alina“ wurde bereits herausgestellt, dass
der
sparsame
Umgang
mit
Vortragsbezeichnungen
eine
Besonderheit
der
Kompositionsweise Pärts darstellt. Peer Kähler sieht darin seine Absicht, dem
Künstler Gestaltungsspielraum zu lassen. Doch grenzt der Anspruch Pärts, einen
vollkommenen Ton zu produzieren, diese Freiheit nicht wieder ein? Kähler verneint
die Frage, ob es einen ganz bestimmten, standardmäßigen „Pärt-Ton“ gibt. So ist er
der Auffassung, dass jeder Interpret bei Pärt den Freiraum habe, aus dem
augenblicklichen Zuhören heraus immer wieder aufs Neue den richtigen Ton zu
suchen.
Dies
erfordere
eine
Spielhaltung,
in
der
eine
besondere
Wahrnehmungsfähigkeit, Eigenverantwortung und Geistesgegenwart gegeben ist.39
Der Gestaltungsfreiraum, das Suchen nach dem richtigen Ton erfolgt aber mit dem
Gedanken, dass die Musik Pärts ihre Expressivität nicht dadurch gewinnt, dass das
Subjekt, also der Interpret, unmittelbar seine Gefühle zum Ausdruck bringt40. Es geht
vielmehr darum, das musikalische Ganze und sich selbst objektiv statt subjektiv zu
betrachten und sich in dessen Rahmen zu bewegen. Stimmt die Balance zwischen
den Stimmen? Wird sauber intoniert? Ist das Vibrato unter Kontrolle? Ist die Dynamik
wirklich flächig? Fragen dieser Art müssen sich die Musiker stellen und sich dabei auf
38
Kähler, Andreas Peer (2006), S. 172.
Kähler, Anreas Peer (2006), S. 175.
40
Kähler, Andreas Peer (2006), S. 174.
39
13
3.7 Klangfarben
die Suche nach dem jeweilig passenden Ton begeben, um sie mit „Ja“ zu
beantworten.41 So ist beispielsweise eine saubere Intonation besonders wichtig bei
Pärts Musik, die auf dem Tintinnabuli-Dreiklang basiert. Das lässt sich dadurch
begründen, dass die nicht zum Dreiklang gehörenden Töne nur ihren maximalen
Effekt erhalten, wenn die Dreiklangstöne rein sind.42 Auf diese Weise kann erst das
harmonische Atmen von Konsonanz und Dissonanz stattfinden, das die Musik Pärts
auszeichnet.
Die Suche nach dem reinen Klang, sowie nach Balance und Homogenität
setzen ein intensives „In-sich-hinein-Lauschen“, eine intensive innere Ruhe sowie ein
kontrolliertes Beobachten voraus. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen. In „Fratres“
muss die zweite Violine über das gesamte Stück hinweg, also für eine ungefähre
Dauer von zehn Minuten, die beiden Leersaiten g und d bei gleich bleibender
Dynamik spielen. Ohne vollste Konzentration und ohne das Üben langer Töne wäre
diese Stelle sicherlich nicht zu meistern.
In den letzten Absätzen wurde deutlich, dass die beiden gegensätzlich
scheinenden Begriffe „Einfachheit“ und „Schwierigkeit“ bei Pärts Musik offenbar eng
beieinander liegen. Es ließe sich auch von einer „Schwierigkeit des Einfachen“
sprechen.
3.7 Klangfarben
Eine wichtige Besonderheit der frühen Werke Pärts liegt darin, dass der Parameter
der Klangfarbe nur eine untergeordnete Rolle spielt. Besonders bei dem
Instrumentalstück „Fratres“ wird dies deutlich: Für dieses Stück gibt es sehr viele
Besetzungsmöglichkeiten, die alle vom Komponisten arrangiert wurden. So ist
„Fratres“ als rein dreistimmige Musik (Streichquartett, Blechblasorchester etc.) oder
als dreistimmige Musik mit Solo-Variationen (Violine und Klavier, Violoncello und
Klavier etc.)43 erhältlich. Dies zeigt, dass Pärt die traditionelle Auffassung vertritt,
dass Tonhöhe und Rhythmus wesentlich für die Musik sind. Klangfarbe, Dynamik
und Tempo sind für ihn nur sekundär.44 Nach Nora Pärt sei das musikalische Denken
41
Kähler, Andreas Peer (2006), S. 173.
Hillier, Paul (2006), S. 166.
43
Conen, Hermann (2006), S. 190.
44
Conen, Hermann (2006), S. 189.
42
14
4. Cantus in Memory of Benjamin Britten
des Komponisten losgelöst von Vorstellungen über Klangfarben. Er suche stets nach
einem musikalischen Kern. Dieser Kern müsse seine Kraft in jeder möglichen
Klangfarbe entfalten können. Conen erklärt Nora Pärts Aussage damit, dass das
Komponieren unanhängig von der Klangfarbe verhindern soll, dass „Klangfarbe zu
einer Kosmetik eines schwachen Kerns wird.“45 Pärt selbst äußert sich über seine
Beziehung zur Klangfarbe: „Für mich liegt der höchste Wert der Musik jenseits ihrer
Klangfarbe. Ein besonderes Timbre der Instrumente ist ein Teil der Musik, aber nicht
der wichtigste. Das wäre meine Kapitulation vor dem Geheimnis der Musik. Musik
muss durch sich selbst existieren…zwei, drei Noten. Das Geheimnis muss da sein,
unabhängig von jedem Instrument. Der gregorianische Gesang hat mir gezeigt, dass
hinter der Kunst, zwei, drei Noten zu kombinieren, ein kosmisches Geheimnis
verborgen liegt.“46
Nach den anfänglichen Instrumentalwerken wurde im Laufe der Zeit deutlich,
dass sich Pärt in seinem musikalischen Schaffen mehr und mehr der Vokalmusik
widmete. Besonders die Tatsache, dass seine Musik Wortgebundenheit aufweist,
dass sie als „ritualisierte musikalische Lesung des christlichen Wortes“ auftritt, legt
die Konzentration auf die menschliche Stimme nahe.47 Auch den Besonderheiten des
Tintinnabuli-Stils wird die Wahl des Chorklangs am ehesten gerecht. So wie die zwei
Stimmen des Ursatzes miteinander verschmelzen, so verschmelzen auch Stimmen
im Chor durch die gemeinsame Grundklangfarbe miteinander.48 Von dieser Idee der
ausgehend konzentriert sich Pärt für seine Instrumentalwerke auf eine Besetzung,
die die größte Ähnlichkeit zur menschlichen Stimme hat: Das Streichorchester.
4. Cantus in Memory of Benjamin Britten
Im zweiten Teil dieser Hausarbeit steht das Werk „Cantus in Memory of Benjamin
Britten“ im Zentrum. Bevor jedoch über dessen Behandlung im Unterricht gesprochen
wird, soll zunächst eine musikalische Analyse durchgeführt werden, um wichtige
Grundlagen zu schaffen.
45
Conen, Hermann (2006), S. 86.
De la Motte-Haber (2000), S. 269.
47
Conen, Hermann (2006), S. 20.
48
Conen, Hermann (2006), S. 87.
46
15
4.1 Cantus in Memory of Benjamin Britten - Strukturanalyse
4.1 Cantus in Memory of Benjamin Britten - Strukturanalyse
„Cantus in Memory of Benjamin Britten“ wurde 1980 für Streichorchester und eine
Glocke geschrieben. Pärt hat es in Angedenken an Benjamin Britten komponiert.49
Im Folgenden wird zunächst der musikalische Verlauf beschrieben.
Das Stück beginnt klanglich mit dem leisen Ertönen der Röhrenglocke (ppp),
die auf den Ton a1 gestimmt ist. Dreimal erklingt sie, bevor das Streichorchester
einsetzt. Zwischen den einzelnen Schlägen ist viel Platz. Pärt lässt dem
Glockenklang also viel Zeit, damit er sich im Raum ausbreiten kann. Fast über das
gesamte Stück hinweg spielt die Glocke in einem gleich bleibenden Rhythmus, wobei
sich jeweils drei Schläge zu einer Einheit verbinden lassen, da diese im gleichen
Abstand zueinander stehen. In dieser Einheit von drei Schlägen nehmen der erste
Schlag und der zweite Schlag jeweils 12 Viertel in Anspruch, der dritte 24 Viertel.
Diese Einheit erklingt elf Mal. Danach schweigt die Glocke und erst im letzten Takt
des
Stückes
erklingt
sie
wieder.
Dabei
ist
die
Besonderheit,
dass
ihr
Anschlagsgeräusch in dem Fortissimo-Streicherklang unhörbar ist. Nur ihr Ausklang
ist für den Hörer präsent, da der tiefe Klangteppich des Streichorchesters abbricht,
während die Glocke weiter klingt. So beginnt und endet das Stück mit dem
Glockenklang.
Der Einsatz des Streichorchesters erfolgt wie der erste Einsatz der Glocke
kaum hörbar in den ersten Violinen im ppp. Anhand der Parameter der Melodik,
Harmonik, Rhythmik und Dynamik soll das nach dem Einsatz folgende musikalische
Material beschrieben werden.
Bei der Betrachtung des Parameters der Melodik fällt zunächst auf, dass die
Streichinstrumente über das gesamte Stück hinweg nach unten gerichtete
Tonleiterausschnitte
aus
der
A-Moll-Natürlich-Skala
spielen.
Diese
Tonleiterausschnitte beginnen stets auf dem Anfangs- und Grundton a, der in den
unterschiedlichen Streichergruppen in verschiedenen Lagen steht:
Vl. 1 -
a3
Vl. 2 -
a2
Va.
a1
49
-
Sandner, Wolfgang (1984). CD-Heft von Tabula Rasa, ECM 1275, S. 12.
16
4.1 Cantus in Memory of Benjamin Britten - Strukturanalyse
Vc.
-
a
Cb.
-
A
Die abwärts gerichteten Tonleiterausschnitte folgen dem Additionsprinzip. Die
Tonleiter beginnt immer von vorne auf dem jeweiligen Ausgangston, wenn ihr beim
Gang in die Tiefe ein weiterer Ton hinzugefügt wurde.
Das zeigt die folgende Darstellung der Töne.
a-g
a-g-f
a-g-f-e
a-g-f-e-d
a-g-f-e-d-c
a-g-f-e-d-c-h
[...]
Exkurs: Anhand dieser Konstruktion wird ein weiteres Prinzip des Tintinnabuli-Stils
deutlich, das bisher noch nicht behandelt wurde: Das Element der Repetition.
Konkret lässt sich dieses in „Cantus“ durch den immer gleichen Beginn der
Tonleiter nachweisen. Doch werden die Wiederholungen durch das Prinzip der
Addition immer ein bisschen verändert, sodass das „immer Ähnliche nie zum genau
Gleichen wird.“
50
Durch das „Immer-weiter-nach-unten-greifen“ der Skalenausschnitte bis zu den
unteren Grenzen des jeweiligen Instruments entwickelt sich das Stück aus der Höhe
in die Tiefe und deckt somit einen riesigen Ambitus ab: A1 bis a3.
De Tonleiterausschnitte werden in jeder Instrumentensektion gespielt. Abgesehen
von den einstimmig besetzten Violen, kommt in jeder Gruppe dem Tintinnabuli-Stil
gemäß auch noch eine zweite Stimme zum Einsatz. Die Violinen, Celli und Bässe
spielen also divisi. Bezüglich des Verhältnisses der beiden Stimmen lässt sich
50
Brauneiss, Leopold (2001), S. 46.
17
4.1 Cantus in Memory of Benjamin Britten - Strukturanalyse
feststellen, dass die Tintinnabuli-Stimme im Vergleich zur Melodiestimme immer den
nach unten hin nächstgelegenen Ton des A-Moll-Dreiklangs spielt.
Harmonisch betrachtet kommt es durch kanonische Anlage des Stücks und
das häufige Auftreten von Sekunden häufig zu diatonischen Clustern, die über
mehrere Oktaven verteilt sind (z.B. T. 36, 5. Viertel). Der Satz wurde also sehr dicht
komponiert. Dieser Eindruck der Dichte wird noch verstärkt, wenn in T. 53 die Celli
divisi spielen. Durch die Betonung der Tiefe wirkt die Klangtextur nun insgesamt
dunkler. Dies hängt damit zusammen, dass kleine Intervalle in tiefer Lage sehr dicht
und weniger transparent wirken als in hohen Lagen. Insgesamt wechselt die
Klangfarbe also von hell und transparent hin zu dunkel und dicht.
Betrachtet man den Parameter der Rhythmik, so zeigt sich, dass Pärt einen
Proportionskanon geschaffen hat. Die fünf unterschiedlichen Streichergruppen
spielen in verschiedenen Rhythmen. Von Sektion zu Sektion findet jeweils eine
Verdopplung der Notenwerte statt:
Darstellung des Rhythmus der jeweiligen ersten beiden Noten in Vierteln
Vl 1: 2
–
1
Vl 2: 4
–
2
Va:
8
–
4
Vc:
16
–
8
Cb:
32
–
16
*2
Der anhand der Zahlendarstellung deutlich werdende trochäische Rhythmus (lang,
kurz; schwer, leicht) wird bis zum Ende des Stückes streng durchgehalten.
Der Proportionskanon beginnt mit einer Pause in den ersten Violinen (T.7). Da sich
analog zu allen Notenwerten auch die Pausenwerte von Instrumentengruppe zu
Instrumentengruppe verdoppeln, setzen die Instrumente erst nacheinander ein.
„Cantus“ zeichnet sich insbesondere durch seine dynamische Entwicklung
aus. Es findet bis zum Erreichen des dynamischen Höhepunkts (fff in T. 63) eine
kontinuierlich fließende Steigerung der Lautstärke statt. Die dynamische Entwicklung
verläuft dabei in den einzelnen Instrumentengruppen versetzt. Es fällt jedoch auf,
dass alle Stimmen bezüglich des Erreichens der neuen Dynamikstufen im Verlauf
18
4.2 Cantus in Memory of Benjamin Britten - Interpretation
des Stückes immer näher zueinander rücken: Die Fortissimo-Stufe wird in allen
Gruppen innerhalb von 5 Takten erreicht (T. 52-56), während das Erreichen der
Mezzopiano-Stufe 12 Takte dauert (T. 15-31). Auf diese Weise führt Pärt verdichtend
zum Höhepunkt hin, wo plötzlich alle Instrumente zusammen eine neue
Dynamikstufe
erreichen (T. 63). Nach dem Höhepunkt
findet eine neue
Artikulationsweise Verwendung. Alle Tonschritte werden nun tenuto und mit Akzent
gespielt. Außerdem kommt es zu einer weiteren wichtigen Änderung. Die ersten
Violinen bleiben auf dem Ton c1 stehen (T. 65). Dies führt dazu, dass nun die
zweiten Violinen, die die Tonleiterausschnitte in einem langsameren Rhythmus
spielen, im Vordergrund stehen. Nach einem letzten Durchschreiten der kompletten
Tonleiter von dem Ausgangston a2 aus, verweilen die zweiten Violinen auf dem Ton
a. Auch die übrigen Stimmen kommen auf diese Weise nacheinander zum Stehen. In
Takt 103 steht schließlich nur noch ein dichter, unbewegter A-Moll-Dreiklang. Dieser
bleibt für fünf Takte liegen und bricht auf dem dritten Viertel des letzten Taktes
plötzlich und ohne diminuendo ab.
4.2 Cantus in Memory of Benjamin Britten - Interpretation
Bevor eine mögliche Interpretation des Werkes beschrieben wird, sollen nun einige
der festgestellten musikalischen Phänomene mit der Wirkung verbunden werden, die
sie auf den Zuhörer ausüben.
Die Beschränkung auf abwärts geführte Melodielinien in Kombination mit der
A-Moll-Natürlich-Skala schafft eine Atmosphäre der Trauer. Hinzu kommt, dass es oft
zu mehreren Sekundreibungen und clusterartigen Gebilden kommt, da die
Streichersektionen
in
unterschiedlichen
Rhythmen
absteigen.
Diese
Sekundreibungen verschärfen den Eindruck von Trauer und Leid. Auch die
Verwendung der Orchesterglocke lässt Freiraum für Assoziationen. Allgemein steht
sie für Sakrales. Man könnte Sie in diesem Stück als Totenglocke deuten.
Das allmähliche Stehenbleiben der einzelnen Instrumentensektionen ab T. 65
in Kombination mit der neuen Spielweise tenuto erweckt den Eindruck, dass die
Tonschritte
immer
schwerfälliger
werden.
Dieser
Eindruck
des
schweren
Vorankommens wird dadurch verstärkt, dass auch die übrigen Stimmen allmählich
stehen bleiben und der Ambitus dabei in die Tiefe wandert.
19
5. Pärt als Filmmusik
Hermann Conen beschreibt eine sehr gut nachvollziehbare Möglichkeit, wie
man das Stück interpretieren kann. Er stellt dar, dass in der Anlage des Stückes, in
der kompositorischen Idee, bereits das Ende vorbestimmt sei. So laufe das Stück
von Anfang an einem vorbestimmten Ende entgegen, dem es nicht entkommen
könne51. Theoretisch ließe sich die Idee der Komposition immer weiterführen, wenn
die einzelnen Instrumente bezüglich ihres Tonumfangs nach unten hin nicht begrenzt
wären. So steht der ab T. 103 erreichte A-Moll-Akkord in tiefstmöglicher Lage.
Nahezu alle Instrumente müssen die Töne des Akkords auf ihrer tiefsten Saite
spielen. In dieser Tatsache sieht Conen eine Analogie zum echten Leben: Dem
durch natürliche Grenzen gesetzten Ende kann die Musik ebenso wenig entkommen
wie der Mensch seinem Tod. Conen betrachtet das Stück also als eine Allegorie auf
das menschliche Leben. Diese Idee führt er noch weiter aus, indem er die fünf
unterschiedlichen Instrumentenschichten als Uhr darstellt: „Es ist, als ob die fünf
Schichten des Proportionskanons dem Hörer Minute, Stunde, Tag, Monat und Jahr
des menschlichen Lebens vergegenwärtigen, dem in dem Moment, wenn es sich
vollendet hat, die letzte, die Totenglocke geläutet wird.“ Eine weitere Parallele zum
menschlichen Leben sieht Conen in dem ständigen Zurückkehren der Stimmen zu
ihrem Ausgangston. So bezeichnet er Cantus als „ein Töne-Spiel, in dem die lineare,
unerbittlich fortlaufende chronologische Zeit mit der zyklischen Wiederkehr des
Immergleichen verbunden wird“52.
5. Pärt als Filmmusik
Am Ende der in Kapitel 6 dargestellten Möglichkeit der Vermittlung der Musik Arvo
Pärts im Unterricht steht die Produktion eines Videoclips. Die Wahl dieser Methode
ist nicht weit hergeholt: Pärt war selbst über viele Jahre Filmkomponist.53 Außerdem
werden die Kompositionen von Arvo Pärt sehr häufig für die Untermalung von Filmen
verwendet. Besonders seine bekanntesten Werke sind oft zu hören. Zu diesen
zählen neben „Cantus in memory of Benjamin Britten“ und „Für Alina“ auch die
Stücke „Fratres“ oder „Spiegel im Spiegel“. Doch warum entscheiden sich
Regisseure für die Musik Arvo Pärts? Welche Bedingungen erfüllt Pärts Musik,
51
52
53
Brauneiss, Leopold (2006), S. 126.
Brauneiss, Leopold (2006), S. 123 f.
Kautny, Oliver (2005), S. 148.
20
5.1 Gemeinsamkeiten der häufig verwendeten Stücke
sodass sie als Filmmusik „kompatibel“ ist? Diese Fragen möchte ich beantworten, um
herauszustellen, inwiefern die Musik Arvo Pärts überhaupt für den in dieser
Hausarbeit dargestellten Unterrichtsentwurf geeignet ist.
5.1 Gemeinsamkeiten der häufig im Film verwendeten Stücke
Um die Frage „Warum und wie greifen Regisseure auf die Musik Pärts zurück?“
beantworten zu können, muss man zunächst feststellen, welche Gemeinsamkeiten
die häufig im Filmkontext verwendeten Werke aufzeigen. Dieser Schritt lässt sich
durch die These begründen, dass es besonders die Gemeinsamkeiten der Stücke
sind, die ihre häufige Verwendung im Film begründen.
Vergleicht man die oben erwähnten Stücke miteinander, so stellt man einige
Gemeinsamkeiten fest. Auf kompositionstechnischer und klangästhetischer Ebene
zeichnen sie sich durch eine gewisse Kohärenz aus54. Pärt legt jedem dieser Stücke
ein Konzept zugrunde, am dem er bis zum Ende festhält. Bei „Cantus in Memory of
Benjamin Britten“ beispielsweise besteht dieses Konzept aus den immer weiter nach
unten greifenden Tonleiterausschnitten im Rahmen eines Proportionskanons. Dieses
konsequente Festhalten an einem vor dem konkreten Auskomponieren bereits
feststehenden musikalischen „Bauplan“ schafft eine Art Gleichförmigkeit. Das lässt
sich dadurch begründen, dass diesem Bauplan die für den Tintinnabuli-Stil typischen
stilistischen Merkmale der Reduktion und Repetition zugrunde liegen. Die These der
Gleichförmigkeit der Stücke soll im Folgenden untermauert werden.
Durch einfache Algorithmen kommt es innerhalb der Stücke nur zu
geringfügigen Entwicklungen. Große Veränderungen geschehen selten. Deshalb
ziehen bereits kleinste Veränderungen die Aufmerksamkeit auf sich.55 Trotz der
Veränderungen auf der Mikroebene, beispielsweise indem bei „Cantus“ der abwärts
strebenden Skala immer wieder ein Ton hinzugefügt wird, kommt es auf der
Makroebene nicht zu einer Abweichung vom Grundduktus der Stücke. Es ist
bemerkenswert, dass durch einfachste Kompositionsprinzipien, wie beispielsweise
Additionen, unveränderten Wiederholungen aus dem Weg gegangen wird. Somit
erfolgen Veränderungen nie sprunghaft, sondern durch das Prinzip der Ähnlichkeit
immer in fließenden Übergängen. Auf diese Weise kommt es weder zu Stilbrüchen
54
Conen, Hermann (2006), S. 15,19.
21
5.1 Gemeinsamkeiten der häufig verwendeten Stücke
noch zu plötzlichen Überraschungen. „Cantus“ beispielsweise ist konstruiert wie ein
langes Crescendo, das sich über einen großen Bogen entwickelt. Die fließende
Entwicklung dieses Bogens lässt sich gut an den Dynamikbezeichnungen
nachweisen (Vl 1: ppp - pp - p - mp - mf - f - ff - fff). Auffällig ist, dass diese
Dynamikbezeichnung in der Partitur besonders selten auftreten. Dies unterstreicht
die Idee, dass es eher langfristig gesehen zu Veränderungen auf der Makroebene
kommt. Das Fließen in einem großen Bogen, das heißt das Entwickeln des Stückes
über einen längeren Zeitraum, unterstützt somit den Aspekt der Gleichförmigkeit.
Unter diese Gleichförmigkeit gliedert sich auch die Gleichmäßigkeit der Bewegung,
die durch eine Beschränkung auf eine einfache Rhythmik erreicht wird. Wie bei
nahezu allen Parametern in Pärts Musik werden auch hier komplizierte Bildungen
vermieden56. In „Fratres“ beispielsweise beginnt und jede Phrase meist mit einer
halben Note und endet mit einer punktierten Halben, während die Noten dazwischen
in Vierteln stehen. In „Für Alina“ endet jede Phrase mit einer im Vergleich zu den
vorigen Noten längeren Note. Hierbei wird nur die Relation der Noten zueinander
angegeben. Eine genaue Bestimmung des Metrums bleibt aus. In „Cantus“ bewegt
sich jede Stimme für sich immer im gleichen Rhythmus im Verhältnis 2:1 (schwerleicht). Der Aspekt der Gleichförmigkeit lässt sich anhand zweier weiterer Aspekte
nachweisen: Durch die Beschränkung auf einen einzigen Akkord sowie auf den
chorischen Klang (Chor, Streicher), verändert sich die Farbe der Klänge nicht
grundlegend.
Durch die Gleichförmigkeit in Kombination mit dem engen Bezug zur Stille
erhält das Oeuvre Pärts einen meditativen Charakter. Es ist von einer religiösen Aura
umgeben57. Nicht zu unterschätzen ist dabei, dass diese Aura auch durch den
akustischen Raum erzeugt wird, in dem die Musik gespielt wird. So wurden Pärts
Stücke meist in Kirchen aufgenommen.
Die in der Literatur häufig erwähnte Assoziation mit den Bereichen Meditation
und Religion ist auch auf die Filme übertragbar, die Pärts Musik verwenden. So
werden seine Musikstücke häufig in Filmsequenzen eingesetzt, die den Zuschauer in
einem kontemplativen Zustand versetzen sollen.58
56
Eichert, Randolph G. (1999), S. 53.
De la Motte-Haber, Helga (2000), S. 270.
58
Siehe Kapitel 5.3
57
22
5.2 Einsatz der Musik Pärts im Kontext der Mood-Technik
5.2 Einsatz der Musik Pärts im Kontext der Mood-Technik
Es wurde nachgewiesen, dass sich die beschriebenen Stücke Arvo Pärts
durch eine Art Gleichförmigkeit auszeichnen. Nach dieser Erkenntnis wird nun die
Brücke zur anfänglichen Frage geschlagen. Inwiefern eignet sich Pärts Musik für den
Filmkontext?
Pärts Stücke eignen sich im Filmkontext für den Einsatz der so genannten
Mood-Technik. Bei dieser handelt es sich um ein besonderes Verfahren, Bilder mit
Musikstücken zu unterlegen. Nach Pauli geht es bei der Mood-Technik darum,
Filmszenen „musikalische Stimmungsbilder zuzuordnen, die thematisch mehr oder
minder unabhängig sind“59. Es geht hierbei nicht darum, dass das Musikstück
einzelne Bewegungen auf der Bildebene paraphrasiert. Dies ist Aufgabe der so
genannten deskriptiven Technik. Es geht vielmehr darum, einen eher statischen
Gefühlsausdruck zu vermitteln, der sich in der Intensität leicht verändern kann. Die
Mood-Technik ermöglicht beispielsweise, nicht sichtbare Befindlichkeiten der
Charaktere darzustellen und bereichert den Bildtext somit mit einem Subtext60. Ein
Zitat über die Mood-Technik lässt sich sogar direkt mit dem im Unterrichtsversuch
behandelten „Cantus“ verbinden. „Charakterstückartige, in sich abgeschlossene,
stimmungsdichte Tonbilder versuchen den Stimmungsgehalt der visuellen Vorgänge
zu unterstreichen oder zu generieren.“61 Wallrabenstein bezeichnet „Cantus“ in
seiner Analyse als Charakterstück.62 Demnach scheint es sich hinsichtlich der
Gattung besonders für den Einsatz der Mood-Technik zu eignen.
In dem Anspruch der Mood-Technik, einen eher statischen, sich höchstens in
der Intensität leicht verändernden statischen Gefühlsausdruck zu erreichen, findet
sich ein wichtigen Anknüpfungspunkt an die Musikstücke Arvo Pärts. Seine
gleichförmigen Musikstücke erfüllen diese Voraussetzungen. Ein Gegenbeispiel soll
dies noch mal deutlich machen: Es ist nahezu unvorstellbar, ein Stück für den
Einsatz der Mood-Technik zu verwenden, das so differenziert gestaltet ist, dass es
fortwährend von einer Stimmung in die nächste springt. Solche Musikstücke würden
dem Anspruch an Statik nicht gerecht. Außerdem erschweren solche Musikstücke
59
Pauli nach Bullerjahn, Claudia (2001): Grundlagen der Wirkung von Filmmusik. Augsburg, S. 83.
Bullerjahn, Claudia (2001), S. 84.
61
Bullerjahn, Claudia (2001), S. 83.
62
Wallrabenstein, Wolfram (1985): Arvo Pärt: Cantus in memoriam Benjamin Britten. Zur Bedeutung von
Assoziativität und Subjektivität im Erkenntnisprozeß. In: Zeitschrift für Musikpädagogik, H. 31, S. 14.
60
23
5.2 Einsatz der Musik Pärts im Kontext der Mood-Technik
die Verzahnung von Bild und Musik. Viele kleine Veränderungen in einem Musikstück
kombiniert mit sprunghaft wechselnder Dynamik müssten Entsprechungen auf der
Bildebene haben, damit eine Einheit von Bild und Musik entsteht. Solche
wechselhaften Musikstücke werden viel eher im Rahmen der deskriptiven Technik
angewendet, bei der es eher darum geht, dass Bewegungen auf der Bildebene
musikalisch unterstrichen werden63. Wenn man also ein wechselhaftes Stück zur
Vertonung eines Filmes verwendet, muss man das Bild genau an die Ereignisse in
der Musik anpassen. Folglich ist es einfacher, die Musik Pärts im Filmkontext
einzusetzen, da sie in der Bildgestaltung mehr Freiraum lässt. Sie gibt dem Bild
durch ihre Gleichförmigkeit, durch ihre Statik, durch ihr Fließen, durch die dünne
Orchestrierung sowie durch ihre Unaufdringlichkeit sehr viel Raum und kann sich
somit leicht zu einer Einheit mit dem Bild verbinden.
Die Musiksprache Pärts ermöglicht einen leichten Zugang, denn sie reiht sich
in die Hörgewohnheiten des Publikums ein, die stark durch die Filmmusik beeinflusst
sind. Indem sie auf bekannte musikalische Codes zurückgreift, löst sie bestimmte
Assoziationen aus: Wenn man betrachtet, in welchen Kontexten „Cantus“ als
Filmmusik auftritt, so stellt man fest, dass das Stück oft in Szenen Verwendung
findet,
die
Trauer
ausdrücken
sollen.
Diese
Assoziation
wird
durch
die
Hörgewohnheiten des Publikums geschaffen. So kommen viele musikalische
Bausteine zum Einsatz, die das Motiv der Trauer hervorbringen: Durch den
Proportionskanon kommt es an vielen Stellen zu Sekundreibungen. Hinzu kommt der
Bewegungsdrang nach unten. Die Brillanz des Klangs versiegt mehr und gibt
dunkleren Klängen Raum. Auch die Beschränkung auf den häufig an emotionalen
Höhepunkten verwendeten reinen Streicherklang unterstreicht diese Wirkung. Ein
weiterer, mittlerweile fast schon zum Klischee gewordener musikalischer Baustein ist
in „Für Alina“ zu finden. Durch einen Orgelpunkt untermalte punktuell auftretende
stark verhallte
Klavierklänge
werden
oft in
Filmen
eingesetzt.
Besonders
Hollywoodkomponist Thomas Newman verwendet diese Technik oft. Oft handelt es
sich bei den erwähnten musikalischen Strukturen, die Pärt anwendet, um archaische
Elemente: Häufig kommt der Orgelpunkt zum Einsatz (Fratres, Spiegel im Spiegel,
Für Alina). Andere archaische Elemente umfassen die offene Quinte (Fratres) oder
63
Bullerjahn, Claudia (2001), S. 77.
24
5.2 Einsatz der Musik Pärts im Kontext der Mood-Technik
einfache Skalen (natürlich Moll in „Cantus“) sowie die Beschränkung auf eine Skala
(erinnert an den Gregorianischen Choral).
Die Musik Pärts beschränkt sich jedoch nicht auf die beschriebene Arbeit mit
Gewohntem. Der amerikanische Musikjournalist Alex Ross hat einmal geschrieben:
Arvo Pärt „ist ein Komponist, der in sehnsuchtsvoll klaren, verständlichen Tönen
spricht, ohne die Musik der Vergangenheit noch einmal zu komponieren.“64 Er ist
also der Auffassung, dass in Pärt Altes (=Hörgewohnheiten) und Neues miteinander
verschmolzen auftreten. Neu ist dabei bei Pärt z.B. die Flucht in die „freiwillige
Armut“65: Durch seinen strengen Stil, der sich durch die Elemente Reduktion und
Repetition auszeichnet, schafft Pärt äußerst schlicht gehaltene Werke von großer
Wirkung.66 Doch wirkt die Musik Pärts nie pathetisch. Überschwängliche Gefühle
kommen nie zum Ausdruck. Der Musik wohnt durch die vielen kleinen aufeinander
bezogenen Regelungen, die das Werk bestimmen, vielmehr eine gewisse Objektivität
inne. Zu diesem Aspekt gibt es eine Anekdote: Ein Komponistenkollege von Pärt soll
einmal gesagt haben, er sei „der Seriellste von allen“.67 Parallelen zur seriellen Musik
sind nicht von der Hand zu weisen. So findet sich in der Absicht Pärts, sich von
seinem eigenen kreativen Willen zu entsagen68, das von den Serialisten angestrebte
Ideal der „musique pure“. Natürlich ist dieser Punkt strittig. Eindeutig ist jedoch der
Aspekt der Objektivität, den Pärt sogar selbst thematisiert. Zu „Cantus“ hat er einmal
gesagt, die Partitur sei logisch wie ein Computerprogramm, dessen Wirkung aus den
Noten nicht herauszulesen sei69.
Das Moment der Objektivität sowie der neue Kompositionsstil, der auf dem
zweistimmigen Ursatz basiert, sowie das Spiel mit vielen archaischen Elementen
bewirken, dass die Musik Pärts nie klischeehaft erscheint. Diese Wirkung wird auch
durch die Reduktion der Harmonik auf einen Akkord erreicht. So kommt es nie zu
klischeehaften Akkordverwendungen. Ich bin der Auffassung, dass der letzte Punkt
bei der Betrachtung von Pärts Musik in filmmusikalischen Kontexten wichtig ist. Viele
Harmonieprogressionen wurden so oft verwendet, dass sie fast abgenutzt scheinen
64
Ross, Alex zitiert nach Conen, Hermann (2006), S. 9.
Pärt nach Lindner, Ursel (2004). Musik im Kontext. Innsbrück, S. 167.
66
De la Motte-Haber, Helga (2000), S. 269.
67
Conen, Hermann (2006), S. 14.
68
De la Motte-Haber, Helga (2000) S. 269.
69
Wallrabenstein, Wolfram (1985), S. 27.
65
25
5.3 Betrachtung von Filmbeispielen
(Tritonusbeziehungen, Terzbeziehungen). Pärt bietet durch seine Reduktion dazu
einen erfrischenden Kontrapunkt.
Der Einsatz von Pärts Musik im Filmkontext zeigt, dass die zunächst
stereotypisch anmutenden Grundbausteine durch ihre objektive Konstruktionsweise
einen großen Freiraum zur Interpretation lassen. In „Fahrenheit 9/11“ evoziert die
Musik das Gefühl der Trauer, in „Les Amants du Pont Neuf“ untermalt die Musik die
emotionale Bewegung bei einem Wiedersehen (siehe Kap. 5.3). Pärt selbst erlaubt
diese unterschiedlichen Ausdeutungen: „Das Kunstwerk ist ein Symbol, und jeder hat
das Recht, diese symbolische Fläche entsprechend dem vollzuschreiben, wer er
selber ist, wie er ist, welche Probleme er hat.“70 Im Rahmen der Unterrichtseinheit
sollten die Schüler durch Beschäftigung mit den unten beschriebenen Filmbeispielen
und dem Vergleich der eigenen zu der Musik Pärts produzierten Videos diese
Aussage als wichtige Erfahrung mitnehmen: Kunstwerke ermöglichen alternative
„Lesarten“. Jeder betrachtet und interpretiert das Werk im Lichte seiner eigenen
Erfahrungen. Die Schüler erfahren, dass die selbst erdachte Aussageabsicht ihrer
Produktion nur Teile des gesamten Bedeutungspotentials darstellt. Dies führt zu
einer intensiven Reflexion über den Film, denn die Schüler lernen, den Film noch
einmal
neu
zu
interpretieren.71
Somit
werden
die
Schüler
sensibel
für
Multiperspektivität. An dieser Stelle wird deutlich, dass sich in der Verbindung der
Themen „Die Musik Arvo Pärts“ und „Filmmusik“ ein großes pädagogisches Potential
zeigt. Dieses wird in Kapitel 6 weiter thematisiert.
5.3 Betrachtung von Filmbeispielen
Im Folgenden werden zwei gegensätzliche Filmbeispiele betrachtet, in denen
„Cantus in Memory of Benjamin Britten“ erklingt.
70
71
Wallrabenstein, Wolfram (1991), S. 32.
Moser, Heinz (2006). Einführung in die Medienpädagogik. Aufwachsen im Medienzeitalter. Wiesbaden, S. 256.
26
5.3 Betrachtung von Filmbeispielen
5.3.1 Fahrenheit 9/11
Michael Moore verwendet Pärts „Cantus“ in seinem Dokumentarfilm
„Fahrenheit 9/11“. Das Stück erklingt, während man Menschen
sieht, die verzweifelt und weinend zum World Trade Center hoch
schauen, kurz nachdem der Anschlag am 11. September 2001
erfolgt ist. Man sieht nur die Reaktionen der Menschen. Bilder vom
zusammengestürzten Gebäude werden nicht gezeigt. Nach dem
Zusammenschnitt der Reaktionen sieht man kurz die Unmengen an umher
fliegendem
Papiermüll,
bevor
die
Kamera
über
Vermisstenanzeigen
und
Gedenkstätten fährt. Die gesamte Szene wird von Pärts Musik begleitet. Sie
unterstreicht das Trauern und die Verzweiflung der gezeigten Personen. Besonders
in Kombination mit den Bildern der Gedenkstätten wird das Gefühl einer religiösen
Andacht erzeugt. Hinzu kommt die Verwendung des filmischen Mittels der Zeitlupe.
Auch dies passt zum schwebenden, ruhigen und meditativen Charakter von Pärts
Musikstück. Einige Grundmotive, die in der Betrachtung des „Cantus“ immer wieder
auftauchen72, finden Entsprechung auf der Bildebene: Pärt hat „Cantus“ aus seiner
tiefen Trauer heraus geschrieben. Auf dem Bild findet dies Entsprechung durch die
trauernden Menschen. Es wurde einmal über Pärts Musik geschrieben, dass sie die
Zeit zum Stillstand bringen könne73. Dieser Idee der Zeit nähert sich Moore - sei es
bewusst oder unbewusst - durch die Verwendung des filmsprachlichen Mittels der
Zeitlupe an. Das Motiv der Religiosität wird durch das Abfilmen der Traueraltare
umgesetzt.
5.3.2 Die Liebenden von Pont Neuf
Bei dem Soundtrack von „Die Liebenden von Pont Neuf“ handelt es
sich um eine Kompilation. Es wurde keine Musik direkt für den Film
komponiert. Neben einigen Stücken aus dem populären Bereich
werden auch klassische Stücke verwendet. So sind neben der
72
73
Wallrabenstein (1985), S. 14 f.
Wallrabenstein (1985), S. 15.
27
6. Vermittlung im Unterricht
Musik Pärts auch Stücke von u.a. Britten, Khodaly und Schostakovitch zu hören.
Es handelt sich um die Liebesgeschichte zwischen dem obdachlosen
Straßenkünstler Alex und der langsam erblindenden, von zuhause geflohenen
Michèle. Beide sind von ihrem Leben desillusioniert und finden ihr Glück im
Miteinander. Alex jedoch begeht einen Mord und kommt ins Gefängnis. In dieser Zeit
unterzieht sich Michèle einer erfolgreichen Augenbehandlung und gliedert sich
wieder ins gesellschaftliche Leben ein. Schließlich treffen sich beide nach Jahren im
Winter wieder an ihrem ehemaligen Refugium wieder, der „Pont Neuf“ in Paris. Bei
der „Pont Neuf“ handelt es sich um eine Brücke, die über die Seine führt. Das
Wiedersehen der beiden wird untermalt durch Pärts „Cantus“. Regisseur Leos Carax
hat diese Szene sehr außergewöhnlich gestaltet: Zunächst hört und sieht man
Kirchenglocken, die sehr laut tönen. Danach zeigt die Kamera die „Pont Neuf“, die
von sehr vielen Autos befahren wird. Der laute Glockenklang wird plötzlich von den
leisen Glockenschlägen vom Anfang von „Cantus“ unterbrochen. Währenddessen
sieht man Alex über die Brücke laufen. Auch Michèle kommt an. Mit dem Beginn von
Cantus verstummen die Umgebungsgeräusche, man hört nur die Musik. Als Michèle
über die Straße gehen möchte, durchbricht das Hupen eines Autos die religiöse und
meditative Stille und die aufdringlichen Verkehrsgeräusche sind plötzlich wieder
hörbar. „Cantus“ wird dabei unterbrochen.
Anders als bei „Fahrenheit 9/11“ wird die Musik hier nicht eingesetzt, um
Trauer oder Verzweiflung, die auf der Bildebene sichtbar sind, zu verstärken. Ganz
im Gegenteil: Alex und Michèle sehen sich nach einer sehr langen Zeit wieder und
sind folglich beide sehr froh darüber. Dies untermalt die These, dass die Musik Arvo
Pärts im Filmkontext einen sehr großen Bedeutungsfreiraum lässt. Aufgrund dessen
eignet sich die Musik Pärts meiner Auffassung nach besonders für die
Schülerprojekte.
6. Vermittlung im Unterricht
In den nächsten Zeilen soll nun eine konkrete Möglichkeit gefunden werden, die
Musik von Arvo Pärt im Musikunterricht zu vermitteln. Gemäß der Forderung R.
Schmitts, die darin besteht, dass das „Lernfeld Musikhören“ im Musikunterricht durch
28
6.1 Wirkungsanalyse durch bildliche Darstellung
das „Musiksehen“ ergänzt werden sollte74, gilt es, ein geeignetes Mittel für die
Visualisierung der Musik Pärts zu finden. Konkret soll bei dem folgenden Entwurf
eines Unterrichtskonzepts das bereits analysierte Instrumentalstück „Cantus in
Memory of Benjamin Britten“ im Mittelpunkt stehen. Am Ende des Konzepts steht das
Ziel, dass die Schüler zu diesem Stück einen Videoclip zu erstellen. Die
verschiedenen Phasen der Unterrichtsidee, die zu diesem Ziel hinführen sollen,
gelten als grobes Orientierungsraster, das man individuell ausgestalten kann. Zur
wissenschaftlichen
Fundierung
der
Phasen
werden
jeweils
pädagogische
Erkenntnisse herangezogen.
6.1 Wirkungsanalyse durch bildliche Darstellung
Die Einführung des Themas unter Verwendung des traditionellen Notensystems ist in
meinen Augen abzulehnen, denn diese Vorgehensweise wird dem Werk nicht
gerecht. Die Musik Arvo Pärts ist insbesondere aufgrund der Nachhaltigkeit ihres
Eindrucks bekannt. Diese hat Pärts spätem Oeuvre zu einer großen Popularität
verholfen, die für zeitgenössische Musik ungewöhnlich ist75. Somit ist für das
Publikum die neuartige Art und Weise, wie sie „gemacht“ wurde, eher von
sekundärer Bedeutung. Die Ablehnung des Unterrichtseinstiegs durch strukturelle
Analyse scheint auch im Sinne des Komponisten zu geschehen. Dies wird anhand
einer Aussage deutlich, in der er sich Pärt zur Wirkung seiner Musik äußert. So sagt
er über „Cantus in memory of Benjamin Britten“, dass die Wirkung des Werks nicht
aus den Noten herauszulesen sei.76 Da sich die Musik Pärts jedoch am meisten
durch ihre Wirkung auszeichnet, sollte der erste Schritt der Vermittlung im
Musikunterricht demnach darin bestehen, den Schülern einen emotionalen Zugang
zu ermöglichen. Dies ist wichtig, denn durch einen subjektiven Einstieg hat jeder
Schüler die Möglichkeit, sich mit dem Thema zu identifizieren.77 Diese Identifikation
wird dadurch ermöglicht, dass jeder Schüler seine eigene, persönliche Beziehung
zum Unterrichtsgegenstand aufbauen kann.78 Letzteres soll auch dadurch erreicht
74
Helms, Siegmund (1990). Auge und Ohr - Zur Visualisierung von Musik und Musikalisierung von Bildern. In:
Musik und Unterricht, H. 2, S. 2.
75
Kautny, Oliver (1999). Einleitung, S. 9.
76
Wallrabenstein, Wolfram (1985), S. 27.
77
Wallrabenstein, Wolfram (1985), S. 28.
78
Wallrabenstein, Wolfram (1985), S. 15.
29
6.1 Wirkungsanalyse durch bildliche Darstellung
werden, dass in der Beschäftigung mit dem Medium Film ein Bezug zur Lebenswelt
der Schüler geschaffen wird.
Der
subjektive
Unterrichtseinstieg
lässt
sich
auch
lernpsychologisch
begründen. Lernen ist ein konstruktiver Vorgang. Jeder gibt den physikalischen
Reizen aus der Umwelt individuell eine Bedeutung auf Grundlage des bereits
vorhandenen Wissens.79 Da dieses Wissen bei jedem Menschen unterschiedlich
ausgeprägt ist, interpretiert auch jeder die über die Sinnesorgane einströmenden
Reize anders. Jeder nimmt also auf seine eigene Weise wahr. Eine Analyse mit der
Einführung abstrakter musiktheoretischer Begriffe zu Beginn der Unterrichtseinheit
wäre getrennt von den individuellen Bedeutungszuschreibungen der Schüler. Es ist
somit viel wichtiger, bei den subjektiven Wahrnehmungen der Schüler anzusetzen,
die Schüler diese artikulieren zu lassen und in sie dann im letzten Schritt zu
verknüpfen mit den allgemeinen musikalischen Erscheinungsformen. Bernhard
Weber, der eine Unterrichtsidee zur Vermittlung der Musik Pärts entwickelt hat, fasst
die beschriebene Idee prägnant zusammen: „Dieser Prozess vom Wahrnehmen zum
Bezeichnen
ist
somit
der
lernpsychologisch
richtige
Weg,
Analyse
unterrichtspraktisch umzusetzen.“
Mit
der
Wirkung
der
Musik
sollen
sich
die
Schüler
individuell
auseinandersetzen. Dafür wähle ich die Methode der bildlichen Darstellung, denn sie
hilft „den Kerngedanken der musikalischen Komposition anschaulicher und
verständlicher herauszufiltern als das bloße eindimensionale Bemühen um die
passenden
Boabachtungs-
und
Deutungsbegriffe“
und
ermöglicht
eine
80
Erlebnisintensivierung . Dabei möchte ich das traditionelle Malen nach Musik um
mehrere Optionen erweitern: Die Schüler werden dazu angeregt, im Internet oder in
weiteren Quellen (z.B. Bücher, Zeitschriften) nach Bildern zu recherchieren, die für
sie den Stimmungsgehalt der Musik widerspiegeln oder selbst mit einer
Digitalkamera Bilder zu schießen. An dieser Stelle wird deutlich, dass der
Unterrichtsidee auch ein medienpädagogischer Anspruch zugrunde liegen soll.
Dieser wird in Kapitel 6.4 noch genauer ausgeführt.
79
80
Mietzel, Gerd. (2006). Wege in die Psychologie. Stuttgart, S. 38.
Helms, Siegmund (1990), S. 6.
30
6.2 Erstellung eines Moodboards
6.2 Erstellung eines Moodboards
Anhand der bildlichen Darstellungen - seien sie selbst gemalt oder aus dem Internet
kopiert - sollen die Schüler nun zur Vorbereitung des Filmdrehs ein Moodboard
erstellen.
Bei einem Moodboard handelt es sich im allgemeinen Sinne um thematische
Stimmungsbilder, die als Arbeits- und Präsentationsmittel in Kommunikations- und
Designberufen eingesetzt werden. Es besteht meist aus einem Kartonbogen, der mit
Skizzen oder Fotos beklebt wird. Wie der Name „Mood“ bereits impliziert, erfüllt das
Moodboard die Funktion, einen Ersteindruck über die Stimmung, die ein Produkt
hervorrufen soll, zu vermitteln. In der Filmbranche wird es verwendet, um das
Filmdesign zu konzipieren.81
Die Methode der Erstellung eines Moodboards soll gewährleisten, dass die
Schüler nicht unreflektiert an die Erstellung des Videoclips gehen. Anhand des
Moodboards werden erste Attribute des Films festgelegt: Die Schüler bestimmen das
Thema des Films und einigen sich auf dessen Look. Als Referenzgrundlage steht
das Moodboard während der Filmerstellung immer zu Verfügung. Es soll helfen, die
Verfilmung kohärent zu gestalten.
Für das kohärente Gestalten eines Mediums sollen die Schüler sensibilisiert
werden. Auf diese Weise verstehen sie auch die Musik Pärts besser, denn diese
zeichnet sich ebenfalls durch ihre kohärente Gestaltung aus, wie bereits in Kapitel
5.1 festgestellt wurde. Ein wichtiges Ziel liegt also darin, den Begriff „Kohärenz“ auf
mehreren Ebenen zu begreifen.
Anmerkung: Ich habe selbst ein Moodboard entworfen, um die notwendigen Kenntnisse zu dessen
Erstellung am PC zu erlernen. Damit verfolge ich die Idee, dass man eine solche Methode erst
vermitteln kann, wenn man sie praktisch ausprobiert hat. Das Moodboard befindet sich im Anhang.
Gleiches gilt für die Verfilmung des „Cantus“. So befindet sich auf der beiliegenden CD ein von mir
erstellter Videoclip.
81
http://de.wikipedia.org/wiki/Moodboard (gesichtet 11.10.09)
31
6.3 Verbindung der Zugangsweisen
6.3 Verbindung der Zugangsweisen
Der Musikpädagoge Peter W. Schatt spricht davon, dass sich in der Musik Pärts
„Hören und Denken, ästhetische und mathematische Rationalität in besonderer
Weise verbinden“82. Als „Hören“ definiert Schatt dabei die Rezeption der Musik in der
Öffentlichkeit und der lebensweltliche Zugang zur Musik. Zu dem Element „Denken“
zählt er die Strukturanalyse der Werke Pärts. Schatt warnt davor, sich bezüglich der
Vermittlung von Pärts Musik im Unterricht nur auf eines dieser Elemente zu
beschränken: „Offenbar bedarf es der begründeten Anregung zur Verbindung der
Zugangsweisen, um damit das Vermittlungspotential der Musik voll zu erschließen.“
Schatt überprüft, inwiefern bereits erstellte musikdidaktische Artikel diese beiden
Elemente berücksichtigen. Jedoch fällt seine Bestandsaufnahme ernüchternd aus. Er
beschreibt, dass viele Konzepte Gefahr liefen, Sach- und Selbstdeutung zu
verwechseln. Die Schüler hörten Pärt rein empathisch und nützten seine Musik nur
als „Projektionsfläche für ihre subjektive Lebenserfahrung.“ Man würde der Musik
Pärts im Unterricht nur gerecht, wenn man durch sie Anregungen zur Veränderung
von Erfahrung erhalte.83 Auf diese Forderungen möchte ich reagieren, indem ich das
Unterrichtskonzept nicht auf die Wirkungsanalyse reduziere. Ich orientiere mich an
dem Konzept von Wallrabenstein und lenke im nächsten Schritt hin zu einer eher
objektiven und fachbezogenen Phase, in der versucht wird, die Wirkung der Musik
durch die Analyse des Materials zu erklären84. Doch steht diese Idee nicht in Konflikt
mit der Aussage Pärts, nach der sich die Wirkung der Musik nicht aus dem Notentext
erschließen lässt?85
Eine Aussage Webers kann diesen Konflikt klären: „[…] Der Wesenskern einer
Komposition erscheint zwar in ihrer Struktur, geht aber weit darüber hinaus.“86
Offensichtlich bezieht sich Pärt mit seiner Aussage auf den letzten Teil des Zitats,
das „Darüber-hinaus-gehen“. Weber räumt jedoch ein, dass der Wesenskern einer
Komposition bereits in der Struktur ersichtlich ist. An dieser Stelle spannt sich der
Bogen zurück zu Kapitel 5.2. Dort wurde festgestellt, dass Pärt auf bestimmte
82
Schatt, Peter W. (2001), S. 54.
Schatt, Peter W. (2001), S. 55.
84
Wallrabenstein, Wolfram (1985), S. 28.
85
Wallrabenstein, Wolfram (1985), S. 27.
86
Weber, Bernhard (1996): Eine sanfte Begegnung. Wahrnehmungserschließende Musikanalyse von Arvo Pärts
„Collage über Bach“. In: Musik und Unterricht, H. 37, S. 21.
83
32
6.4 Erhöhung der Medienkompetenz
kompositorische Bausteine zurückgreift (Sekundreibungen, Cluster, Absteigende
Melodielinien, dunkler werdende Klangfarbe), die sich in die Hörgewohnheiten
einordnen und fast automatisch bestimmte Assoziationen auslösen. Dies ist
sicherlich in hohem Maße geprägt durch die häufige Filmrezeption und das damit
verbundene Erlernen typischer filmmusikalischer Codes. Eine Analyse dieser
Bausteine kann die Schüler für diese beim Filmkonsum fast automatisch ablaufenden
Bedeutungszuschreibungen sensibel machen und ein Bewusstsein für die Wirkung
ebendieser
schaffen.
Auf
diese
Weise
können
die
Schüler
ihren
Wahrnehmungshorizont erweitern. Sie können reflektiert begründen, warum
bestimmte Wirkungen in ihnen ausgelöst werden. Folglich werden sie in die Lage
gebracht, den Zusammenhang zwischen Wahrnehmung und Wirkung genauer zu
formulieren. Des Weiteren werden dazu angeregt, dem Automatismus zwischen
Wahrnehmung und Wirkung kritisch gegenüber zu stehen. Mit dem Ziel der
Sensibilisierung für die beiden Bereiche Wahrnehmung und Wirkung sollen die
Schüler also eine „wahrnehmungserschließende Analyse“ durchführen. Sie sollen
zunächst rein subjektiv wahrnehmen und dann nach einer erfolgten strukturellen
Analyse dazu in der Lage sein, ihre Wahrnehmung unter Verwendung von allgemein
verständlichen Bezeichnungen zum Ausdruck zu bringen87.
In dem Anspruch, Schüler für die fast automatische Wirkung filmsprachlicher
Mittel zu sensibilisieren, kommt es zu einer Verzahnung des musikpädagogischen
und medienpädagogischen Anspruchs der Unterrichtseinheit. Bevor diese jedoch
genauer thematisiert wird, sollen zunächst die medienpädagogischen Grundlagen
des Konzepts erläutert werden.
6.4 Erhöhung von Medienkompetenz
Im Rahmen der Unterrichtseinheit sollen die Schüler viel mit neuen Medien arbeiten.
Sie suchen im Internet nach Bildern, erstellen ein Moodboard am PC und drehen und
bearbeiten einen Videoclip. Somit spielt der Computer als Arbeitsplatz eine wichtige
Rolle. Doch der unreflektierte Einsatz von neuen Medien allein garantiert noch
keinen guten Unterricht. Vielmehr muss man die Medien als Arbeitswerkzeuge zur
87
Weber, Bernhard (1996), S. 21.
33
6.4 Erhöhung der Medienkompetenz
Unterstützung pädagogischer Prozesse nutzen88. Es folgt nun die Erklärung des
medienpädagogischen Ansatzes, den ich mit meinem Unterrichtskonzept verfolge:
Grundlegend möchte ich mich im Sinne des Medienpädagogen Heinz Moser
von
einer
trockenen,
also
rein
theoretisch
und
analytisch
ablaufenden
Medienaufklärung distanzieren. Bei dieser könne man laut Moser den Rezipienten
verfehlen, da der „Bezug auf die Bedürfnisse, Motive und Entwicklungsaufgaben,
welche die Nutzer mit den Medien verbinden“, fehle. Außerdem komme es dabei
weniger
zu
lustvoll-kreativem
Umgang.89
Demnach
verfolge
ich
einen
handlungsorientierten Ansatz und stelle den aktiven Umgang mit den Medien in den
Mittelpunkt. Die Schüler sollen beispielsweise ihr Wissen über audio-visuelle Zeichen
nicht nur durch Analyse kennen lernen, sondern auch durch das selbstständige
Experimentieren mit der Kamera. Außerdem kommt es durch die eigene
Mediengestaltung
im
Kompetenzgewinn
und
Rahmen
der
der
Erfüllung
Projektarbeit
von
zu
der
grundlegenden
Verbindung
von
Bedürfnissen
der
Jugendlichen: Das Bedürfnis nach Zugehörigkeit durch eigenes Tun sowie das
Bedürfnis nach Achtung und Geltung bei der Ausstellung gelungener Projekte.
In der konkreten Ausgestaltung des Unterrichtskonzepts stütze ich mich auf
die Ideen des Medienpädagogen Gerhard Tulodziecki. Im Folgenden möchte ich
verschiedene Elemente meines Unterrichtsansatzes in seiner Typologie von
Medienkompetenz verorten90.
Tulodziecki versteht die Vermittlung von Medienkompetenz als Teil des
allgemeinen Erziehungs- und Bildungsauftrags von Schule. Diesen Bildungsauftrag
wiederum versieht er mit 4 Leitideen, die er jeweils direkt auf die Vermittlung von
Medien im Unterricht bezieht: Schule soll die Grundlage legen für ein sachgerechtes,
selbstbestimmtes, kreatives und sozialverantwortliches Handeln. Laut Tulodziecki ist
das kreative Handeln besonders erwünscht, da man so einen Gegenpol zur
einseitigen rezeptiven Mediennutzung bilden könne. So gehe man der Gefahr eines
bloßen Medienkonsums aus dem Weg. Folglich möchte ich die Idee des kreativen
Handelns mit Medien in den Vordergrund meines Unterrichtsentwurfs stellen. Sie
zeigt sich darin, dass die Schüler dazu aufgefordert werden, die Wirkung eines
88
Moser, Heinz (2008): Abenteuer Internet. Lernen mit Webquests. Zürich, S. 7.
Moser, Heinz (2006), S. 255.
90
Vortrag von Tulodziecki (2001) http://dbbm.fwu.de/semik/publikationen/downloads/tulo_vortrag.pdf (gesichtet
09.10.09)
89
34
6.4 Erhöhung der Medienkompetenz
Musikstücks anhand eines Moodboards zu reflektieren. Außerdem erhalten die
Schüler die Aufgabe, einen Film zu einem Musikstück von Arvo Pärt zu drehen.
Beide Aufgaben lassen sich mit Tulodzieckis Ideen in Einklang bringen: Er stellt die
Frage, durch welche Aufgabentypen man die vier Leitideen erreichen kann und
differenziert
dabei
in
Probleme,
Entscheidungsfälle,
Gestaltungs-
und
Beurteilungsaufgaben. Bei meinen Aufgaben handelt es sich jeweils um eine
Gestaltungsaufgabe. Als Beispiel führt Tulodziecki in diesem Kontext die Gestaltung
einer Homepage an und schlägt zusätzlich vor, bereits vorliegende Homepages zu
betrachten, um sie zu analysieren und um sich von ihnen inspirieren zu lassen. Das
Betrachten von bereits vorliegenden Materialien findet in meinem Unterrichtskonzept
eine Entsprechung in der Beschäftigung mit Filmsequenzen, die bereits mit der Musik
Arvo Pärts unterlegt sind (Fahrenheit 9/11, Die Liebenden von Pont Neuf).
Der Kern der Ideen Tulodzieckis findet sich in seiner Definition von
Medienkompetenz wieder: Medienkompetenz ist die Fähigkeit,

1. Medienangebote sinnvoll auszuwählen und zu nutzen

2. Eigene Medien zu gestalten und zu verbreiten

3. Mediengestaltungen zu verstehen und zu bewerten

4. Medieneinflüsse zu erkennen und aufzuarbeiten

5. Bedingungen der Medienproduktion und -verbreitung zu durchschauen und
zu beurteilen
Im Folgenden möchte ich darstellen an welchen Stellen meines Unterrichtskonzepts
ich konkret Bezug auf die obigen 5 Aufgabenbereich nehme:
1. Medienangebote
sinnvoll auswählen und
nutzen
Erstellung eines Moodboards  Rückgriff auf verschiedene Medien

Im Internet nach Bildern surfen

Dazu anregen, mit einer Digitalkamera eigene Bilder zu machen

Bilder aus Zeitungen ausschneiden und einscannen

Bilder selbst malen und einscannen

Wahlweise Moodboard auf dem Computer erstellen ausdrucken
oder direkt als Klebecollage erstellen
35
2. Eigene Medien
gestalten und verbreiten
Erstellung eines Moodboards
Erstellung eines Films
Veröffentlichung im Internet (Youtube) oder im offenen Kanal
Einführung in die Handhabung der Software und der Geräte (Kamera etc.)
3. Verstehen und

vermittelte
Bewerten von
Aufarbeiten von
Medieneinflüssen
oder
inszenierte
Botschaften
erfahren,
Unterscheidungsfähigkeit bezogen auf verschiedene mediale
Mediengestaltungen
4. Erkennen und
Durch Betrachtung von Filmbeispielen  Mediendarstellungen als
Gestaltungsabsichten erlangen

Kameratechniken kennen

Filmmusikfunktionen (besonders Mood-Technik)

Einflüsse erkennen, ausdrücken und angemessen einordnen

Mediale Gestaltungsmerkmale, die mit bestimmten Wirkungen
verbunden sind durchschauen

Verstehen der audiovisuellen Zeichensprache, Experimentieren
mit Elementen der Bild-Ton-Sprache
5. Durchschauen und

Beurteilen von
Einblicke in Arbeitsschritte bei Filmproduktion
o
Z.B. Erstellung eines Moodboards zur Festlegung des
Filmdesigns
Bedingungen der
Medienproduktion und
Medienverbreitung
Doch an welcher Stelle kommt es zur erwähnten Verzahnung zwischen musik- und
medienpädagogischem Ansatz?
Ein Zitat soll die Verzahnung verdeutlichen: „Mit Videoclips sollten sich Lehrer und
Schüler rezeptiv und produktiv auseinandersetzen, um dem visuellen und
akustischen Analphabetismus entgegenzuwirken.“91 Es wird hier also davon
gesprochen, dass Schüler bezüglich der Gestaltung des Bilds und Tons von audiovisuellen Medien über klare Wissensdefizite verfügen. Der medienpädagogische
Anspruch in der Kategorie „Erkennen und Aufarbeiten von Medieneinflüssen“, nach
dem das Verstehen der Bild-Ton-Sprache gefördert werden solle, hat Konsequenzen
für die musikpädagogische Vermittlung: Es muss ein analytischer Blick in die
Bestandteile der Musik geworfen werden, um die Bild-Ton-Sprache angemessen zu
verstehen.
An verschiedenen Stellen des Unterrichtskonzepts soll der Versuch unternommen
werden, die Wissenslücken zu schließen. Die folgende Darstellung zeigt diese
91
Helms, Siegmund (1990), S. 9.
36
6.4 Erhöhung der Medienkompetenz
Stellen und formuliert somit zusammenfassend einige wichtige Lernziele des
Unterrichtskonzepts.
Durch die Betrachtung gegensätzlicher Filmbeispiele sowie durch die eigene
Produktion von Videoclips sollen die Schüler verstehen, wie ein und dasselbe
Musikstück kombiniert mit jeweils verschiedenen Bildern eine ganz andere
Bedeutung erhalten kann.
Durch die eigene Produktion eines Videoclips sollen die Schüler nachvollziehen,
welche filmsprachlichen Mittel existieren und welche Wirkungen sie auslösen können.
Auch hier ist eine Verzahnung zwischen Medienpädagogik und Musikpädagogik
gegeben.
So
äußert
sich
Norbert
Jürgen
Schneider
darüber,
dass
sich
Gemeinsamkeiten zwischen Film und Musik in einer gleichen Terminologie äußern:
„Rhythmus, Kontrapunkt, Periodik, Steigerung, Polyphonie, Pause, Crescendo,
Dichte sind in der Musik - wie in der Filmtheorie geläufig.“92 Durch die
Auseinandersetzung mit Videoclips können die Schüler diese Begriffe wiederholen
und auf die Bereiche Musik und Film übertragen. Somit kommt es nicht zu einer
einseitigen Einführung musikalischer Fachtermini. Der Höreindruck wird durch die
Verknüpfung mit visuellem Material gefestigt.
In der Phase der strukturellen Analyse soll dafür sensibilisiert werden, dass
bestimmte musikalische Bausteine automatisch bestimmte Wirkungen auslösen
können. Die Schüler sollen ein kritisches Bewusstsein darüber erlangen, dass diese
Bedeutungszuschreibungen aus der Musikgeschichte erwachsen sind und in großem
Maße durch die Filmmusik, die auf diese Codes zurückgreift, vermittelt werden.
Die
Schüler sollen
lernen,
einen
Zusammenhang
zwischen Struktur bzw.
musikalischen Gestaltungsmerkmalen und Wirkung herzustellen. Sie sollen nicht nur
sagen: „Diese Musik wirkt auf mich traurig.“ Sondern beispielsweise „Diese Musik
wirkt auf mich traurig, weil die Melodie abwärts gerichtet ist“. Gleichzeitig sollen sie
die Universalität dieser Zusammenhänge kritisch hinterfragen. Trotz Rückgriff auf
verschiedene musikalische Archetypen kommt es nicht bei jedem zur gleichen
Wirkung.
92
Helms, Siegmund (1990), S. 8.
37
6.5 Rückkehr zur Subjektivität
6.5 Rückkehr zur Subjektivität
Es wurde in den vergangenen Kapiteln der Anspruch erhoben, dass die Schüler eine
objektive, kritische Distanz bezüglich der Verbindung von Wahrnehmung und
Wirkung einnehmen sollen. Vor einer Verabsolutierung dieser Distanz muss jedoch
gewarnt werden. Der zweite Teil der Aussage Webers, nach der der Wesenskern
einer Komposition über ihre Struktur hinausgehe, darf also nicht vernachlässigt
werden. Das heißt, dass die nachhaltige Wirkung der Musik Pärts durch eine
übertriebene Objektivierung nicht ihres Zaubers beraubt werden sollte. Ich kann mir
vorstellen, dass es in der Phase der strukturellen Analyse zu einem großen Moment
der Ernüchterung kommt, wenn die Schüler erkennen, dass „Cantus in Memory of
Benjamin Britten“ im Grund sehr mathematisch und logisch komponiert wurde.
Deshalb möchte ich in der letzten Phase des Unterrichts das Subjekt wieder in den
Mittelpunkt rücken und auf die Wichtigkeit und Richtigkeit der unterschiedlichen
Assoziationen hinweisen. Conen bringt die Wichtigkeit des Subjekts in einer Aussage
auf den Punkt:
„Musik hören bedeutete immer schon Wesentliches zu dem hinzufügen, was sie von sich her zum
objektiven Erklingen bringt. Wenn das Dialogische in dem Prozess des Austausches, der Aufführung,
Konzert oder einfach Musikhören heißt, respektiert wird, dann ist es gerade dieses subjektive
Ergänzen, gleichsam das Mitkomponieren des Hörers, das die Tiefe des Kunsterlebnisses
ausmacht.“93
Folglich kommt es erst im letzten Schritt der Unterrichtsidee zur Verfilmung der
Musik. Die Schüler sollen lernen, dass trotz der automatischen Wirkung bestimmter
musikalischer Codes sehr viele verschiedene Assoziationsmöglichkeiten gegeben
sind, die bei jedem Rezipienten individuell sind.
Zusätzlich werden die Schüler aufgefordert, neben ihren thematischen
Assoziationen die Struktur des Musikstücks (z.B. Prozesscharakter) in die Filme
einfließen zu lassen, sodass Bild und Musik in einer möglichst engen Beziehung
zueinander stehen. Auf diese Weise wird das Unterrichtskonzept der bereits
erläuterten Forderung Schatts gerecht, nach der „Hören“ und „Denken“ bei der
Behandlung von Pärts Musik gleichermaßen berücksichtigt werden sollten. Durch
93
Conen, Hermann (2006), S. 33.
38
6.5 Rückkehr zur Subjektivität
das Berücksichtigen der Struktur festigt sich bei den Schülern der Aspekt der
Zusammengehörigkeit dieser Zugangsweisen.
Da es sich um ein projektorientiertes Unterrichtskonzept handelt, ist es wichtig,
eine Veröffentlichung der Projekte in Aussicht zu stellen. Das Hinarbeiten auf ein
konkretes Ziel fördert die Motivation der Schüler. So kann man die Videoprojekte ins
Netz stellen und dabei auf bereits vorhandene Plattformen zurückgreifen (z.B.
Youtube). Alternativ könnte man die Videoprojekte auch über einen offenen Kanal
zeigen.
39
7. Schlusswort
7. Schlusswort
Aus der etwas überspitzt dargestellten, fast schon heroisierend wirkenden Einleitung
kann man sicher herauslesen, welche Begeisterung ich für die Musik des estnischen
Komponisten empfinde. Ich bin sehr froh darüber, dass sich in dieser Hausarbeit
persönliches Interesse und Leistungspflicht im Studium verknüpfen ließen. Die Musik
Pärts hat meine persönliche Haltung zur Musik bereichert. Sie hat mich als Musiker
für einen reflektierten Umgang mit Klangmaterial sensibler gemacht, indem sie mir
gezeigt hat, dass weniger oft mehr ist und dass genaues Zuhören sowohl beim
Interpreten als auch beim Rezipienten eine große Wirkung entfalten kann.
Nachdem Pärt mich angesteckt hat, habe ich bereits oft versucht, meine
Begeisterung mit anderen zu teilen. Eine besonders schöne Erfahrung hatte ich
dabei im Rahmen meines kürzlich absolvierten Blockpraktikums. Dort durfte ich in
einer elften Klasse eine Unterrichtsstunde über Arvo Pärt halten. In der Stunde zuvor
hatten die Schüler das Thema „Gregorianik“ behandelt. So bin ich in der folgenden
Stunde mit dem Stück „Statuit ei dominus“ von Pärt eingestiegen, in dem es zu einer
beeindruckenden auskomponierten Gegenüberstellung der Gregorianik, mit der sich
der Komponist ausführlich beschäftigte, und des Tintinnabuli-Stils kommt. Ich hatte
zunächst Bedenken, ob sich die Schüler auf eine solche Musik einlassen würden.
Doch tatsächlich entfaltete sie ihre Wirkung. Es herrscht beim Hören die ganze Zeit
meditative Stille und die Schüler baten den Lehrer, der den zweiten Teil der
Doppelstunde wieder übernahm, sogar darum, sich beim zweiten Hören des Stücks
„Für Alina“ auf den Boden legen zu dürfen. Da der Unterricht in einer Turnhalle
stattfand, war dies ohne Probleme möglich. Es kam also zu kontemplativem Hören.
Als Hausaufgabe sollten die Schüler einen Essay über die Frage schreiben, ob Musik
göttlich sein kann, was zu Pärt und zur vorher behandelten Gregorianik gut passte.
Am meisten beeindruckte mich dabei eine Schülerin, der es gelang, einen Text zu
verfassen, den Arvo Pärt nicht besser hätte schreiben können. Sie hatte das Wesen
der Musik und Pärts Haltung so gut erfasst, dass man fast meinte, sie lese ein Zitat
Pärts vor. Warum erwähne ich diese Erfahrungen? Sie sollen zeigen, dass Pärt sich
im Unterricht in sehr vielen Kontexten einsetzen lässt und die Schüler für seine Musik
durchaus offen sind. In dem erwähnten Unterricht konnte ich den Schülern zeigen,
dass man aus der Beschäftigung mit Altem (Gregorianik) Neues (Tintinnabuli-Stil)
40
7. Schlusswort
schaffen
kann.
Mithilfe
des
im
Rahmen
dieser
Hausarbeit
entworfenen
Unterrichtskonzept kann man ihnen vermitteln, dass sich die Wirkung der Musik zwar
aus einem Notentext herauslesen lässt, aber das Wesen der Musik über ihre Struktur
deutlich hinausgeht und jeder beim Hören das Werk individuell neu schreibt.
Ich denke, dass das in der Einleitung erwähnte Zitat „distracted from
distraction by distraction“ sich auch oder vielleicht sogar besonders auf den Alltag
von Schülern übertragen lässt. Sie sind ebenfalls auf der Suche nach einem
Gegenpol zur Hektik des Alltags. Folglich sollte man ihnen auch mal im Unterricht
einfach eine Möglichkeit geben, zu entspannen, wofür sich die Musik Pärts
besonders eignet.
41
8. Quellennachweise
8. Quellennachweise
Websites:
Gedicht von Eliot, T.S. (1940): http://www.tristan.icom43.net/quartets/norton.html
(gesichtet 09.10.09)
Biografie von Arvo Pärt: http://www.arvopart.info/ (gesichtet 27.09.09)
Wikipedia-Artikel über Moodboard: http://de.wikipedia.org/wiki/Moodboard
(gesichtet 11.10.09)
Vortrag von Tulodziecki (2001):
http://dbbm.fwu.de/semik/publikationen/downloads/tulo_vortrag.pdf
(gesichtet 09.10.09)
Aufsätze:
Brauneiss, Leopold (2001). Grundsätzliches zum Tintinnabulistil Arvo Pärts. In: Mth,
H. 16, S. 41-57.
Brauneiss, Leopold (2006). Pärts einfache kleine Regeln. In: Conen, Hermann (Hg.)
(2006): Arvo Pärt - Die Musik des Tintinnabuli-Stils. Köln, S. 103-161.
Eichert, Randolph G. (1999): Satztechnik, Form und Harmonik in der Musik von Arvo
Pärt. In: Mth, H. 14, S. 47-63.
Helms, Siegmund (1990). Auge und Ohr - Zur Visualisierung von Musik und
Musikalisierung von Bildern. In: Musik und Unterricht, H. 2, S. 2-11.
Hillier, Paul (2006): Bemerkungen zur Aufführungspraxis der Chorwerke Arvo Pärts.
In: Conen, Hermann (2006): Arvo Pärt - Die Musik des Tintinnabuli-Stils, S. 163-169.
Kähler, Andreas Peer (2006): Vom Strahlen in der Stille. In: Conen, Hermann (2006).
Arvo Pärt - Die Musik des Tintinnabuli-Stils. Köln, S. 171-177.
Mosch, Ulrich (1992). Tönende Stille - Stilles Tönen. Zur Musik von Arvo Pärt. In:
Positionen 10 (Online-Ausgabe). S.17-18.
Schatt, Peter W. (2001).: Assimilation und Widerstand. In: Kautny, Oliver (2001):
Arvo Pärt - Rezeption und Wirkung seiner Musik. Osnabrück, S. 47-56.
Sonntag, Brunhilde (2001): Das Problem der Zeit in der Tintinnabuli-Musik Arvo
Pärts. In: Kautny, Oliver (2001): Arvo Pärt - Rezeption und Wirkung seiner Musik.
Osnabrück, S. 31-46.
Wallrabenstein, Wolfram (1985): Arvo Pärt: Cantus in memoriam Benjamin Britten.
Zur Bedeutung von Assoziativität und Subjektivität im Erkenntnisprozeß. In:
Zeitschrift für Musikpädagogik, H. 31, S. 13-31.
42
8. Quellennachweise
Wallrabenstein, Wolfram (1991). Arvo Pärt hören. Texte und Materialien zur
Hörbegegnung mit Pärts „Collage über B-A-C-H“. In: Musik und Unterricht, H. 7, S.
31-35.
Weber, Bernhard (1996): Eine sanfte Begegnung. Wahrnehmungserschließende
Musikanalyse von Arvo Pärts „Collage über Bach“. In: Musik und Unterricht, H. 37, S.
21-23.
CD-Hefte
Conen, Hermann (1999): CD-Heft von „Alina“, ECM 1591, S. 4.
Rodda, Richard E., Kommentar aus dem CD- Heft von „Fratres“, eingespielt von I
Fiamminghi „The Orchestra of Flanders“ unter Rudolf Werthen. S. 4.
Sandner, Wolfgang (1984). CD-Heft von Tabula Rasa, ECM 1275, S. 12.
Monographien
Conen, Hermann (2006): Arvo Pärt - Die Musik des Tintinnabuli-Stils. Köln.
Bullerjahn, Claudia (2001): Grundlagen der Wirkung von Filmmusik. Augsburg.
Moser, Heinz (2006). Einführung in die Medienpädagogik. Aufwachsen im
Medienzeitalter. Wiesbaden, S. 256.
Moser, Heinz (2008): Abenteuer Internet. Lernen mit Webquests. Zürich, S. 7.
Moser, Heinz (2008): Abenteuer Internet. Lernen mit Webquests. Zürich, S. 7.
Sammelbänder
De la Motte-Haber, Helga (Hg.) (2000): Geschichte der Musik im 20. Jahrhundert 1975-2000. Laaber. S. 269.
Mietzel, Gerd (2006). Wege in die Psychologie. Stuttgart, S. 38.
Schulbücher
Lindner, Ursel (2004). Musik im Kontext. Innsbrück, S. 167.
Prinz, Ulrich (1994): Musik im 20. Jahrhundert, Materialien für die Oberstufe. Klett, S.
58.
Lexikon-Artikel
Kautny, Oliver (2005): Art. „Pärt, Arvo“. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart.
Kassel, S. 146.
43
8. Quellennachweise
DVDs
Moore, Michael (2004): Fahrenheit 9/11. Ufa.
Carax, Leos (2003): Die Liebenden von Pont Neuf. Kinowelt Home Entertainment.
Partituren:
Pärt, Arvo (1980): „Cantus in memory of Benjamin Britten“ für Streichorchester und
eine Glocke. Universal Edition, Philharmonia PH 555.
Pärt, Arvo (1977): „Tabula Rasa“. Doppelkonzert für zwei Violinen, Streichorchester
und präpariertes Klavier. Universal Edition, UE 31937.
Pärt, Arvo (1977/1989): „Fratres“ für Streichquartett. Universal Edition, Philharmonia
PH 560.
Bilder:
Arvo Pärt: http://www.cemus.uu.se/dokument/sbr2007/bilder/part.jpg
DVD-Cover „Fahrenheit“ & „Die Liebenden von Pont Neuf“ von Amazon.de
Noten von „Für Alina“ aus Schulbuch:
Kemmelmeyer, Karl-Jürgen (2006). „Spielpläne 7/8“. Klett, S. 101.
Darstellung der Zuordnungsmöglichkeiten von Melodie- und Tintinnabulistimme:
Brauneiss, Leopold (2001), S. 41.
Die restlichen Darstellungen stammen von mir selbst oder sind den Originalpartituren
entnommen.
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9. Anhang (Selbst erstelltes Moodboard)
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9. Anhang (Kommentare zu meinem Videoclip)
Stichpunktartige Kommentare zu meinem Videoclip (zu finden auf Video-CD)
Beachtung der Struktur des Stücks
o Herunterfallende Zungen sind synchron zur Musik
o Zungen sind in verschiedenen Größen angelegt worden  Parallele zu
den unterschiedlich schnellen Schichten des „Cantus“
o Ursprünglich folgen die Zungen dem Partiturverlauf nach einem 3/4Raster  Kommt es in diesem Raster z.B. zu einer Veränderungen in
den unteren Stimmen, kommt eine dieser Sektion zugeordnete große
Zunge hinzu. Dies habe ich jedoch nur am Anfang umgesetzt.
o Schluss: Analog zum Stehenbleiben der unterschiedlichen Schichten
bleiben die Bilder auch Stück für Stück stehen und bewirken das das
Bild immer dunkler wird
o Richtung: Die Stimmen sind nach unten ausgerichtet  Entsprechung
auf der Bildebene durch herunterfallende Zungen
o Kohärente
Gestaltung
durch
Beschränkung
auf
einen
Farbton
(Schwarz-Weiß)  Parallele zu Pärts Beschränkung auf eine
Klangfarbe
o Abnahme des Bildtempos gegen Ende  Parallele zu den allmählich
stehen bleibenden Tonleitern
Bildausschnitte = Photografien aus Konzentrationslagern (Bildband: Stumme
Zeugen von Erich Hartmann)
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9. Anhang (Videoclip)
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